Globalisierung als Ordnungsaufgabe - Die Sicht des ... - Ordo Socialis

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Alfred Schüller Globalisierung als OrdnungsaufgabeDie Sicht des Ordnungsökomomen wettbewerbsfähiger Produktionszentren – vor allem im asiatisch-pazifischen Raum. Spätestens jetzt erwies sich das sowjetische Wirtschaftssystem und Konzept des Großwirtschaftsraums wegen des nicht länger übersehbaren Ausmaßes an nicht kompensierbaren Nachteilen als hoffnungsloses Unterfangen. In den 80er Jahren ließ sich der rasch zunehmende Rückstand der UdSSR gegenüber dem Westen in wichtigen technischen, militärischen sowie ökonomisch-sozialen Belangen nicht länger beschönigen. Die Hoffnung der Sowjets, mit Hilfe des RGW und gezielten Kapitalgütereinfuhren aus dem Westen ein konkurrenzfähiges industriewirtschaftliches und handelspolitisches Gravitationszentrum neben den USA, Japan und dem pazifischen Raum sowie der EG zu schaffen, erwies sich als Illusion. Als Gorbatschow 1985 an die Macht kam, erkannte er schon bald, dass über den Wohlstand eines Landes im offenen Wettbewerb der Systeme und nicht so sehr auf dem Gebiet der materiell-technischen und geologischen Standortvorteile entschieden wird. Auf der XIX. Unionsparteikonferenz im Juli 1988 stellte er fest: „Der Internationalisierung der Wirtschaft, ja des gesamten gesellschaftlichen Lebens können wir nicht ausweichen. Jegliches Streben nach nationaler Abgeschiedenheit kann nur zu ökonomischer und geistiger Verkümmerung führen“. 26 Die ordnungspolitische Antwort darauf bestand bekanntlich in der Zulassung von Meinungsfreiheit („Glasnost“) 27 , im Versuch, mit „Perestroika“ ein „freies Feld für Ordnungspolitik“ zu schaffen, im Verzicht auf die These vom unbedingten Bestehen von zwei deutschen Staaten und im ersatzlosen Verzicht auf die Breshnew-Doktrin, also der begrenzten Souveränität und des beschränkten Selbstbestimmungsrechts aller Staaten des Warschauer Pakts. Damit hat Gorbatschow einen erdrutschartigen Zusammenbruch des Ostblocks ausgelöst. Diese Art von „Entkolonialisierung“ der UdSSR war von ihm wohl nicht beabsichtigt. Gleichwohl wurde damit in diesem Wirtschaftsraum auf Institutionen und auf eine Tradition verzichtet, die bis dahin die Entstehung weltwirtschaftlicher Rechtsprinzipien und Verhaltensnormen ausgeschlossen haben. VII. Selbstordnende Kraft der Globalisierung? Enthält die Globalisierung eine Art von eingebautem Motor, um diesen Vorgang in Gang zu halten und Anti-Globalisierungskräfte auf den Leerlauf zu verweisen? Ohne Zweifel verteuert die weltweite Wissens- und Arbeitsteilung das Beharren auf Institutionen und Traditionen der Abkoppelung – sowohl in der politischen als auch in der wirtschaftlichen Sphäre. Dirigistischprotektionistische Ordnungsstrukturen werden härter sanktioniert, vor allem durch Vergrößerung des Wohlfahrtsgefälles gegenüber weltoffenen Regel- und Anreizkonstellationen. Der Vergleich mit den erfolgreichen und/oder politisch offeneren Volkswirtschaften („yardstick-competition“) und der Grenzen überschreitende Meinungs- und Gedankenaustausch lassen sich dank der Internetnutzung weniger denn je von einzelnen Ländern unterbinden. Die äußere Wahrnehmung innerstaatlicher Widersprüche und die Möglichkeit, darauf zu reagieren, ist massiv verbessert worden. Dieses und manches mehr mag die These von der ordnungspolitischen Eigendynamik des Globalisierungsprozesses, vielleicht sogar seiner Akzeptanz in breiten Bevölkerungsschichten 26 Im Gegensatz hierzu beharrte die DDR-Regierung in der Tradition des marxistischen Geschichtsdeterminismus. Bezeichnend hierfür ist, dass der zitierte Satz von Gorbatschow in der DDR wie folgt übersetzt wurde: „Die Internationalisierung der Wirtschaft und des ganzen gesellschaftlichen Lebens ist ein gesetzmäßiger Prozess. Jegliches Streben nach nationaler Abgeschlossenheit kann nur zu wirtschaftlicher und geistiger Verarmung führen“. Siehe Neues Deutschland vom 6. Juli 1988, S. 7. 27 Das meiste davon ist bereits im Memorandum enthalten, das die Professoren Sacharow, Turtschin und Medwedew 1979 an die sowjetische Führungsspitze gerichtet und darin eine breit angelegte Demokratisierung der sowjetischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gefordert haben. Siehe Sacharows Brief an die sowjetische Führungsspitze, Neue Zürcher Zeitung, Nr. 109 vom 22. April 1970, S. 13. 26

Alfred Schüller Globalisierung als OrdnungsaufgabeDie Sicht des Ordnungsökomomen stützen. Allerdings wird hierbei unausgesprochen von der Existenz einer hinreichenden Zahl und Größe von Staaten oder Staatengemeinschaften ausgegangen, die im Innern beständig eine positive Einstellung der Bevölkerung zur Meinungs- und Wettbewerbsfreiheit aufweisen und auf der Grundlage dieser Tradition und entsprechender Regel- und Anreizkonstellationen in der Lage sind, den Weg für weltoffene Wirtschaftsbeziehungen freizuhalten und dafür zu werben, dass andere Länder bisherige Globalisierungshindernisse aufgeben. Dem stehen entgegen: - Erstens: Eine nach wie vor große Zahl von Regierungen, die – nicht selten unter Berufung auf historisch-kulturelle oder religiöse Besonderheiten ihrer Länder – an Blockaden gegenüber einer offenen Wissens- und Arbeitsteilung festhalten, um ihre politische Herrschaft zu sichern. 28 Solche Regierungen bedienen sich nach Bedarf des Zugriffs auf Politik, Militär, Justiz, Banken und Unternehmen, damit spontan keine unerwünschten oppositionellen Bestrebungen entstehen können. Hierbei kann der über den zugelassenen Marktaktivitäten schwebende politische Staatswille verdeckt bleiben, wie in Russland und China zu beobachten ist. Insbesondere die privatrechtlich verfassten staatlichen oder quasi-staatlichen Unternehmen und Banken 29 (mit verschleierter Struktur der tatsächlichen Eigentümerverhältnisse) können im Binnen- und Außenbereich auf intransparente Weise für politökonomische Zwecke tätig werden. Es entsteht hierbei der Eindruck, als habe man es mit „normalen“ selbständigen Konkurrenten, sozusagen mit freien ausschließlich am Gewinn orientierten „Marktbürgern“ zu tun. Der über den Marktaktivitäten schwebende politische Staatswille kann aber jederzeit pragmatisch für staatspolitische Lenkungszwecke aktiviert werden. Unter diesen Bedingungen steht die Trennung von Politik und Staat einerseits, Unternehmen und Finanzeinrichtungen andererseits, wie es die Einheit von politischer und wirtschaftlicher Ordnungsidee im Dienste einer weltoffenen Wissens- und Arbeitsteilung erfordert, unter jederzeitigem Vorbehalt. - Zweitens: In modernen Demokratien ist immer wieder mit einflussreichen Gruppen der Gesellschaft zu rechnen, die im Wettbewerb der Systeme ihre Privilegien („Renten“) bedroht sehen und sich deshalb politischer Kräfte zu bedienen versuchen, die mit protektionistischen und dirigistischen Maßnahmen um die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten werben. Alles in allem führt kein Weg an der Röpke-These vorbei: „Internationalism like charity begins at home“. VIII. Globalisierung als nationale Ordnungsaufgabe Damit sich im Globalisierungsprozess der wechselseitige Eigennutz wirtschaftlicher Interessen gleichzeitig zum Wohl des Ganzen auswirken kann, sind Knappheitsbewertungen in einem einheitlichen Rechnungszusammenhang eine elementare Voraussetzung. 30 Diese 28 Sie hierzu die bemerkenswerte Studie „Arab Human Development Report“, erstellt von arabischen Politikern und Wissenschaftlern im Rahmen des Entwicklungsprogramms der UNO (UNDP), www.undp.org/rbas/ahdr. Der Bericht liest sich wie eine Anklageschrift gegen Hunderte von arabischen Herrschern und Politikern (siehe NZZ, Nr. 160 vom 13/14. Juli 2002, S. 5). 29 Die russischen Staatsbanken halten ca. 50 % der Bilanzsumme des Bankensektors und mindestens 60 % aller Spareinlagen (siehe NZZ, Nr. 226 vom 27./28. 9. 08, S. 11). 30 Mit dem Rechnungszusammenhang ist die kalkulatorische Entscheidungsgrundlage für eine knappheitsgerechte Bewältigung der vier gesamtwirtschaftlichen Allokationsaufgaben gemeint: 1. Die Information über relative Knappheiten sowohl hinsichtlich des Bedarfs, des Bestandes an wirtschaftlichen Gütern sowie hinsichtlich der potentiellen Produktionsmöglichkeiten für die Knappheitsminderung. 2. Die Motivation, sich um bestmögliche Informationen zu bemühen und diese wirkungsvoll zu nutzen. 3. Die Koordination der daraus hervorgehenden Handlungen und ihrer Anpassung an veränderte Knappheitseinschätzungen und schließlich 4. Die Kontrolle als notwendige Überprüfung dessen, was bei der 27

Alfred Schüller<br />

<strong>Globalisierung</strong> <strong>als</strong> <strong>Ordnungsaufgabe</strong> –<br />

<strong>Die</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> Ordnungsökomomen<br />

stützen. Allerdings wird hierbei unausgesprochen von der Existenz einer hinreichenden Zahl<br />

und Größe von Staaten oder Staatengemeinschaften ausgegangen, die im Innern beständig<br />

eine positive Einstellung der Bevölkerung zur Meinungs- und Wettbewerbsfreiheit aufweisen<br />

und auf der Grundlage dieser Tradition und entsprechender Regel- und Anreizkonstellationen<br />

in der Lage sind, den Weg für weltoffene Wirtschaftsbeziehungen freizuhalten und dafür zu<br />

werben, dass andere Länder bisherige <strong>Globalisierung</strong>shindernisse aufgeben. Dem stehen<br />

entgegen:<br />

- Erstens: Eine nach wie vor große Zahl von Regierungen, die – nicht selten unter Berufung<br />

auf historisch-kulturelle oder religiöse Besonderheiten ihrer Länder – an Blockaden<br />

gegenüber einer offenen Wissens- und Arbeitsteilung festhalten, um ihre politische Herrschaft<br />

zu sichern. 28 Solche Regierungen bedienen sich nach Bedarf <strong>des</strong> Zugriffs auf Politik, Militär,<br />

Justiz, Banken und Unternehmen, damit spontan keine unerwünschten oppositionellen<br />

Bestrebungen entstehen können. Hierbei kann der über den zugelassenen Marktaktivitäten<br />

schwebende politische Staatswille verdeckt bleiben, wie in Russland und China zu<br />

beobachten ist. Insbesondere die privatrechtlich verfassten staatlichen oder quasi-staatlichen<br />

Unternehmen und Banken 29<br />

(mit verschleierter Struktur der tatsächlichen<br />

Eigentümerverhältnisse) können im Binnen- und Außenbereich auf intransparente Weise für<br />

politökonomische Zwecke tätig werden. Es entsteht hierbei der Eindruck, <strong>als</strong> habe man es mit<br />

„normalen“ selbständigen Konkurrenten, sozusagen mit freien ausschließlich am Gewinn<br />

orientierten „Marktbürgern“ zu tun. Der über den Marktaktivitäten schwebende politische<br />

Staatswille kann aber jederzeit pragmatisch für staatspolitische Lenkungszwecke aktiviert<br />

werden. Unter diesen Bedingungen steht die Trennung von Politik und Staat einerseits,<br />

Unternehmen und Finanzeinrichtungen andererseits, wie es die Einheit von politischer und<br />

wirtschaftlicher Ordnungsidee im <strong>Die</strong>nste einer weltoffenen Wissens- und Arbeitsteilung<br />

erfordert, unter jederzeitigem Vorbehalt.<br />

- Zweitens: In modernen Demokratien ist immer wieder mit einflussreichen Gruppen der<br />

Gesellschaft zu rechnen, die im Wettbewerb der Systeme ihre Privilegien („Renten“) bedroht<br />

sehen und sich <strong>des</strong>halb politischer Kräfte zu bedienen versuchen, die mit protektionistischen<br />

und dirigistischen Maßnahmen um die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten werben.<br />

Alles in allem führt kein Weg an der Röpke-These vorbei: „Internationalism like charity<br />

begins at home“.<br />

VIII. <strong>Globalisierung</strong> <strong>als</strong> nationale <strong>Ordnungsaufgabe</strong><br />

Damit sich im <strong>Globalisierung</strong>sprozess der wechselseitige Eigennutz wirtschaftlicher<br />

Interessen gleichzeitig zum Wohl <strong>des</strong> Ganzen auswirken kann, sind Knappheitsbewertungen<br />

in einem einheitlichen Rechnungszusammenhang eine elementare Voraussetzung. 30 <strong>Die</strong>se<br />

28 Sie hierzu die bemerkenswerte Studie „Arab Human Development Report“, erstellt von arabischen Politikern<br />

und Wissenschaftlern im Rahmen <strong>des</strong> Entwicklungsprogramms der UNO (UNDP), www.undp.org/rbas/ahdr.<br />

Der Bericht liest sich wie eine Anklageschrift gegen Hunderte von arabischen Herrschern und Politikern (siehe<br />

NZZ, Nr. 160 vom 13/14. Juli 2002, S. 5).<br />

29 <strong>Die</strong> russischen Staatsbanken halten ca. 50 % der Bilanzsumme <strong>des</strong> Bankensektors und min<strong>des</strong>tens 60 % aller<br />

Spareinlagen (siehe NZZ, Nr. 226 vom 27./28. 9. 08, S. 11).<br />

30 Mit dem Rechnungszusammenhang ist die kalkulatorische Entscheidungsgrundlage für eine<br />

knappheitsgerechte Bewältigung der vier gesamtwirtschaftlichen Allokationsaufgaben gemeint: 1. <strong>Die</strong><br />

Information über relative Knappheiten sowohl hinsichtlich <strong>des</strong> Bedarfs, <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> an wirtschaftlichen<br />

Gütern sowie hinsichtlich der potentiellen Produktionsmöglichkeiten für die Knappheitsminderung. 2. <strong>Die</strong><br />

Motivation, sich um bestmögliche Informationen zu bemühen und diese wirkungsvoll zu nutzen. 3. <strong>Die</strong><br />

Koordination der daraus hervorgehenden Handlungen und ihrer Anpassung an veränderte<br />

Knappheitseinschätzungen und schließlich 4. <strong>Die</strong> Kontrolle <strong>als</strong> notwendige Überprüfung <strong>des</strong>sen, was bei der<br />

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