Globalisierung als Ordnungsaufgabe - Die Sicht des ... - Ordo Socialis
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Alfred Schüller<br />
<strong>Globalisierung</strong> <strong>als</strong> <strong>Ordnungsaufgabe</strong> –<br />
<strong>Die</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> Ordnungsökomomen<br />
Das Kooperationsmodell <strong>als</strong> internationale Tausch-, Preis- und Zahlungsgemeinschaft<br />
(Wilhelm Röpke) korrespondierte im Bereich der politischen Ordnung mit dem Leitbild einer<br />
Vielzahl von souveränen Staaten, die im friedlichen Wettbewerb um die bestmöglichen<br />
Institutionen, <strong>als</strong>o im Systemwettbewerb, standen:<br />
Gegenüber dem Wettbewerb auf der Ebene der Güter und der Erwerbschancen findet der Systemwettbewerb<br />
zwischen Staaten bzw. Gebietskörperschaften statt. In dieser Hinsicht entfaltet der Wettbewerb seine Anreiz-,<br />
Entdeckungs- und Kontrollwirkungen durch die Freiheit der Einwohner eines Lan<strong>des</strong>, <strong>als</strong> Einkommensbezieher,<br />
Sparer, Investoren, Arbeitnehmer und Unternehmer zwischen verschiedenen Jurisdiktionen wählen zu können.<br />
Damit können auch den Politikern und staatlichen Hoheitsträgern die Grenzen ihrer Macht gezeigt werden. Auf<br />
diese Weise erhält die Verbindung von Freiheit und Ordnung vom Bezugspunkt der Person her die Qualität einer<br />
doppelten Sozialkontrolle.<br />
<strong>Die</strong> Verschmelzung der nationalen Märkte war von weitreichenden technischen<br />
Verbesserungen und Neuerungen begleitet, besonders auch im Güter- und<br />
Nachrichtenverkehr. In dem Jahrhundert von 1720 bis 1820 ist der Welthandelsumsatz auf das<br />
Vierfache, von 1820 bis 1914 auf das Fünfundzwanzigfache gestiegen.<br />
Seit den 70er Jahren <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts schwang das Pendel in Deutschland wie in anderen<br />
wichtigen Welthandelsländern zurück. <strong>Die</strong> Wachstumserwartungen erwiesen sich <strong>als</strong><br />
übertrieben. <strong>Die</strong> notwendigen Korrekturen waren schmerzhaft. <strong>Die</strong> Schuldigen wurden in der<br />
ausländischen Konkurrenz gesehen 24 . <strong>Die</strong> Regierungen schlugen sich auf die Seite der<br />
Protektionisten. Der wirtschaftlichen Internationalisierung folgte eine zunehmende<br />
Renationalisierung der Volkswirtschaften (siehe Röpke, 1934). <strong>Die</strong> weniger sichtbaren, über<br />
die gesamte Bevölkerung streuenden Vorteile der internationalen Arbeitsteilung hatten keine<br />
Lobby. Besonders der Agrarprotektionismus hat in Deutschland seit 1879 unter Bismarck zu<br />
Maßnahmen geführt, die – gesteigert durch die kriegswirtschaftliche Agrarpolitik im Ersten<br />
und Zweiten Weltkrieg - seit 1954 im Deutschen Landwirtschaftsgesetz und ab 1958 in der<br />
europäischen Agrarpolitik mit einer Hartnäckigkeit ohnegleichen den größten Dummheiten in<br />
der Geschichte der internationalen Wirtschaftsbeziehungen an die Seite zu stellen sind (siehe<br />
Kapitel XII).<br />
<strong>Die</strong> gesellschaftsfeindlichen Neigungen zu Handelskriegen, zum Bilateralismus, zu Formen<br />
einer diskriminierenden Sicherung der Rohstoff- und Absatzbasis durch Bildung von<br />
Großwirtschaftsräumen, zur wirtschaftlichen Vermachtung und Aushöhlung der<br />
grundlegenden Marktinstitutionen fanden vor und nach 1914 in Ideen eines imperialistischen,<br />
militaristischen und sozialistischen Nationalismus treue Verbündete. <strong>Die</strong>se Formen <strong>des</strong><br />
Konfrontationsmodells haben die Koloni<strong>als</strong>taaten, in extremer Form das Sowjetsystem nach<br />
1917 und der Nation<strong>als</strong>ozialismus nach 1933, mit dem Ziel praktiziert, das Staatsgebiet mit<br />
Gewalt auszudehnen – ohne Rücksicht auf die religiösen, kulturellen, politischen und sozialen<br />
Traditionen und Wünsche der unterworfenen und geschundenen Völker. Mit dem Niedergang<br />
<strong>des</strong> Kooperationsmodells wurde die internationale Preis-, Tausch- und Zahlungsgemeinschaft<br />
zerstört. Das Konsumentenwohl wurde systematisch mit Füßen getreten.<br />
Es kam zu tiefgreifenden Erscheinungen einer politischen und wirtschaftlichen<br />
Desintegration. <strong>Die</strong> Folge war ein dramatischer Verlust an persönlicher Freiheit, Zivilisation,<br />
Vermögen und Wohlstand der Menschen. Der beschleunigte Verfall der internationalen<br />
Ordnung seit 1914 und die gescheiterten Wiederbelebungsversuche in den 20er Jahren waren<br />
24 Mit dem Rückgang der Frachtraten durch die Verwendung <strong>des</strong> Schiffskörpers aus Stahl konnte z. B. im<br />
Agrarbereich die überseeische Konkurrenz vordringen und einen bis dahin nicht gekannten Preisdruck ausüben.<br />
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