Alt trifft Jung - Volksbank Neckartal eG
Alt trifft Jung - Volksbank Neckartal eG
Alt trifft Jung - Volksbank Neckartal eG
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Alt</strong> <strong>trifft</strong> <strong>Jung</strong><br />
Mich hat vor allem interessiert, wie der Alltag von Mädchen im Teenie-<strong>Alt</strong>er vor zirka 60<br />
Jahren war und wie sie ihre Freizeit verbracht haben.<br />
Daher habe ich meine Oma (72 Jahre) interviewt.<br />
Sie hat als Teenager in Heidelberg gewohnt und ist dann mit 17 Jahren aufs Dorf gezogen.<br />
Als meine Oma Schülerin war, gab es noch gar keine Realschulen. Die meisten Kinder<br />
besuchten die Hauptschule, die damals Volksschule hieß. Mädchen auf dem Gymnasium<br />
waren eine absolute Ausnahme. Damals war es üblich, dass die Frauen sehr früh heirateten,<br />
Kinder bekamen und dann zu Hause blieben, während der Mann die Familie versorgte.<br />
Die Hauptschüler mussten sich schon mit 14 Jahren auf einen Beruf festlegen und bekamen<br />
während der Lehrzeit nur 40 DM im Monat im ersten, und 80 DM im dritten Lehrjahr<br />
(also ungefähr 20 bzw. 40 EURO)<br />
Die Schulen waren meistens nach <strong>Jung</strong>en und Mädchen getrennt, sogar in der Grundschule.<br />
Im Unterricht musste man sich ganz besonders gut benehmen, gerade sitzen und still sein,<br />
sofern man nicht aufgerufen wurde. Auch die Kleidung musste ordentlich und anständig<br />
sein- von wegen Minirock oder bauchfreies T-Shirt! Meine Oma durfte nicht einmal Hosen<br />
tragen und im Winter, wenn die kratzigen Wollstrumpfhosen zu dünn waren, musste sie<br />
einen Faltenrock über die Steghosen ziehen. Hübsch sah das nicht aus…<br />
Der Lehrer oder die Lehrerin waren absolute Respektspersonen, die auch zum Rohrstock<br />
griffen, wenn ein Schüler frech war oder faxen machte- was in Mädchenklassen aber kaum<br />
vorkam. Die Eltern standen zu hundert Prozent auf der Seite der Lehrer und wenn die Schule<br />
ein Fehlverhalten meldete, bekam man zu Hause auch nochmal eine Strafe.<br />
Wenn ich da an meine Klasse denke! Über die Hälfte wären schon am ersten Tag von der<br />
Schule geflogen und hätten lebenslänglich Hausarrest.<br />
Nach der Schule mussten die Mädchen im Haushalt helfen, auch im Garten oder auf dem<br />
Feld arbeiten, denn die meisten Familien bauten ihr Obst und Gemüse selbst an.<br />
Auch waren sie für ihre jüngeren Geschwister verantwortlich und mussten diese, wenn sie<br />
sich mit Freundinnen trafen „mitschleppen“.<br />
Es gab kein elektronisches Spielzeug, keine Computer, keine MP3-Player, keine<br />
Smartphones, keine Gameboys. Die jungen Mädchen trafen sich meist draußen, im Sommer<br />
zum Schwimmen, Radfahren oder auf dem Spielplatz und im Winter zum Schlittenfahren<br />
oder- wer Schlittschuhe hatte- zum Eislaufen auf dem zugefrorenen Neckar. Dabei hatte<br />
man immer eisige Füße und Hände, denn es gab damals noch keine Thermoschuhe und nur<br />
Strickhandschuhe, auch keine Daunen-oder Steppjacken.<br />
Im Haus spielten die Mädchen Gesellschaftsspiele wie Mühle oder Dame, lasen oder<br />
machten zusammen Handarbeiten wie Stricken, Häkeln oder Sticken.
Shoppen gehen kannte man nicht- Kleider oder Schuhe gab es nur zu Weihnachten oder zum<br />
Geburtstag, was zwischendurch kaputtging, wurde von der Mutter geflickt oder genäht.<br />
Die paar Pfennige Taschengeld reichten höchstens für eine Süßigkeit oder wenn man fleißig<br />
sparte für ein kleines Buch. Auch ein Kinobesuch war etwas ganz Besonderes.<br />
Zu Hause hatte meine Oma als Kind noch keinen Fernseher, später als junge Frau dann einen<br />
Schwarz-Weiß-Fernseher mit nur 3 Programmen. Sendungen für Kinder und Jugendliche gab<br />
es ohnehin nicht.<br />
Musik hörte meine Oma entweder im Radio - es gab nur zwei Sender- oder über ein altes<br />
Grammophon ihres Vaters, später kaufte dieser dann einen Schallplattenspieler. Allerdings<br />
waren Schallplatten teuer und so besaß sie kaum welche.<br />
Meine Mutter hatte dagegen ziemlich viele Schallplatten, CDs gab es in ihrer Jugend<br />
ebenfalls noch nicht. Das Tollste war zu Mamas Jugendzeit ein eigener Kassettenrecorder!<br />
Als meine Oma Teenager war, hatten die Häuser noch keine Zentralheizung, es gab nur Holz-<br />
oder Kohleöfen. Die Kohlen mussten meistens die Kinder aus dem Keller hochtragen.<br />
Die Schlafzimmer wurden damals überhaupt nicht geheizt, deshalb kann sich meine Oma<br />
noch gut an die Eisblumen an ihrem Fenster erinnern, denn die Winter waren auch kälter<br />
und länger als heute.<br />
Die Jugendlichen zu Omas Zeit hatten es im Vergleich zu heute nicht besonders gut.<br />
Sie waren froh, wenn sie ein eigenes Fahrrad besaßen, es gab weder Inliner noch<br />
Skateboards. Ein Moped oder Mofa konnten sich die Jugendlichen – beziehungsweise ihre<br />
Eltern- nicht leisten.<br />
Auch gab es keine extra Schulbusse und kein Maxx-Ticket. Das hätte auch wenig gebracht,<br />
denn vom Dorf ins nächste Städtchen fuhr der Bus nur drei- bis viermal am Tag, der letzte<br />
um 18 Uhr abends. Deshalb kam die Dorfjugend kaum irgendwohin. Denn selbst wenn der<br />
Vater ein Auto besaß (was gar nicht selbstverständlich war und Frauen hatten damals fast<br />
nie einen Führerschein), wäre es ihm nicht im Traum eingefallen, sein Kind zum Sport oder in<br />
die Schule oder gar zu einem Freizeitvergnügen zu chauffieren.<br />
Wenn man telefonieren wollte, musste man zur Telefonzelle laufen. Meine Oma erzählte,<br />
dass ihr Mann der erste war, der einen privaten Telefonanschluss in unserem Dorf bekam-<br />
da war sie schon 30 Jahre alt. Ein Telefonat mit seiner Tante in Amerika war damals die<br />
absolute Sensation. Selbstverständlich hatte das Telefon eine Wählscheibe und keine Tasten.<br />
An schnurlose Telefone oder Handys hat damals noch keiner gedacht – schon gar nicht, dass<br />
einmal ein eigenes Handy für einen Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit sein würde.<br />
Insgesamt bin ich daher recht froh, in der heutigen Zeit Teenager zu sein, wenn es mir auch<br />
manchmal zu laut und hektisch zugeht.