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IRRGEISTER - Verein für Natur

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<strong>IRRGEISTER</strong><br />

2008 1<br />

<strong>Natur</strong>magazin<br />

des <strong>Verein</strong>s <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- und Vogelschutz im HSK e.V.<br />

25. Jahrgang 2008<br />

Themen:<br />

Eisvogel - Vogel des Jahres 2009<br />

VNV hilft Wachtelkönig<br />

Arbeiten rund um das Rote Höhenvieh<br />

Orchideen im HSK - 5. Folge<br />

25 Jahre VNV-Zeitschrift<br />

Flora im östl. Sauerland - Zwischenbericht<br />

Kolbenwasserkäfer in Olsberg<br />

Uhutod am Strommasten<br />

Kuckuck - Vogel des Jahres 2008<br />

Kurzfl ügelige Beißschrecke im HSK<br />

Partnerschaft NABU - VNV<br />

ADEBAR-Kartierung 2008<br />

Braunshauser Heide<br />

Gänsegeier über Arnsberg<br />

Erhalt eines Kleingewässers<br />

Jakobskreuzkraut und Pferdehaltung<br />

Amphibien im Steinbruch gerettet<br />

VNV-Internetforum eröffnet<br />

Wanderfalkenbrut im Hundekorb<br />

Felsen durch Klettern bedroht<br />

Umweltpreis <strong>für</strong> VNV<br />

NABU-Partner im HSK


2 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

9<br />

3


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- und Vogelschutz im<br />

Hochsauerlandkreis e.V.<br />

Geschäftsstelle (Neu!) und VNV-Station:<br />

Internet: www.vnv-hsk.de<br />

e-mail: mail@vnv-hsk.de<br />

Sauerlandstr. 74a, (Kloster Bredelar)<br />

34431 Marsberg-Bredelar<br />

Tel. 02991/908136<br />

Vorstand:<br />

Bernhard Koch 1. Vorsitzender 02377/805525<br />

viper8410@web.de<br />

Franz-Josef Stein 1. stellv. Vors. 02991/1281<br />

bfj-stein@t-online.de<br />

Johannes Schröder 2. stellv. Vors. 02991/1599<br />

j-e-schroeder@t-online.de<br />

Harald Legge Schriftführer, Ornith. AG<br />

02962/880669<br />

Haraldlegge@web.de<br />

Richard Götte Schatzmeister 02961/908710<br />

Richard.Goette@t-online.de<br />

Erweiterter Vorstand:<br />

Veronika Falkenstein 02961/8778<br />

V.Falkenstein@t-online.de<br />

Michaela Hemmelskamp 0291/51737<br />

wilkens66@aol.com<br />

Gerd Kistner 02932/37832<br />

gerd-kistner@t-online.de<br />

Sven Kuhl 02992/907700<br />

(Reptilien und Amphibien)<br />

Jörg Langanki 02933/921119 (Botanik-AG)<br />

MrBot22@aol.com<br />

Martin Lindner 02933/5639 (Wanderfalken)<br />

Falkmart1960@aol.com<br />

Erich Neuß 02931/6879 (Nisthilfen)<br />

Norbert Schröder 02992/4764 (Rotes Höhenvieh)<br />

BrigitteNorb.S@t-online.de<br />

Wolfgang Wilkens 0291/51737<br />

wilkens66@aol.com<br />

Vorstandsitzung:<br />

Jeden 2. Freitag im Monat, 19.15-22.30 Uhr, Gasthof<br />

Hengsbach, Bestwig. Die Sitzung ist öffentlich.<br />

Die Rechte der Vervielfältigung und auszugsweisen<br />

Wiedergabe liegen bei den Herausgebern. Für den<br />

Inhalt sind die Verfasser verantwortlich.<br />

Die Irrgeister werden allen Mitgliedern des VNV und den im<br />

HSK wohnenden NABU-Mitgliedern kostenlos zugesandt.<br />

Die Irrgeister werden auf weißem Recyclingpapier<br />

gedruckt.<br />

Bankverbindungen:<br />

Sparkasse Hochsauerland Brilon, Kto.-Nr. 68577<br />

(BLZ 41651770)<br />

Volksbank Thülen eG, Brilon-Thülen Kto.-Nr. 4002100900<br />

(BLZ 40069371)<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

NABU und VNV sind Partner 4<br />

25 Jahre <strong>Verein</strong>szeitschrift 6<br />

Kurzfl ügelige Beißschrecke im HSK 11<br />

Vogel des Jahres 2009 - Eisvogel 13<br />

Pfl ege der Braunshauser Heide 17<br />

Nachweis des Kolbenwasserkäfers 20<br />

Kulturzentrum Kloster Bredelar 22<br />

Optimierung eines Tümpels in Saal 23<br />

Wachtelkönig brütet im HSK 25<br />

Neues zum Jabobskreuzkraut 31<br />

Arbeiten rund ums Rote Höhenvieh 34<br />

Gänsegeier über Arnsberg 40<br />

Kuckuck im HSK 42<br />

Steinbruch Bilstein wird entschärft 45<br />

Orchideen im HSK, 5. Folge 47<br />

Obstwiese in Arnsberg gepachtet 51<br />

Neues VNV-Internetforum 52<br />

Wanderfalke in der Hunau 54<br />

ADEBAR-Kartierung 56<br />

Arbeitseinsätze 57<br />

Flora im östl. Sauerland 58<br />

Felsen durch Klettern bedroht 59<br />

Buchbesprechungen 66<br />

Umweltpreis in Marsberg 67<br />

Verfahrensbeteiligungen 67<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Harald Legge, Norbert Schröder, Martin Lindner,<br />

Dominik Poniatowski, Dieter Gandras, Werner<br />

Schubert, Richard Götte, Bernhard Koch , Werner<br />

Schubert, Veronika Falkenstein, Ralf Pohlmeyer,<br />

Jörg Langanki,<br />

Titelfoto:<br />

Eisvogel an der Hoppecke<br />

R. Götte<br />

3


4 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Die Partnerschaft zwischen NABU und VNV<br />

Kooperation zu beiderseitigem Vorteil<br />

Auf der letzten Jahreshauptversammlung am 12.<br />

April 2008 wurde sie feierlich vom Landesvorsitzenden<br />

des NABU NRW, Josef Tumbrinck,<br />

und vom VNV-Vorsitzenden Bernhard Koch unterzeichnet:<br />

die Kooperationsvereinbarung zwischen<br />

<strong>Natur</strong>schutzbund Deutschland und VNV.<br />

Auf dieser Versammlung ging Tumbrinck auf<br />

die Arbeit der NABU-Landesgeschäftsstelle in<br />

Düsseldorf ein und erläuterte die Vorteile, die<br />

sich zukünftig <strong>für</strong> beide Verbände ergeben – und<br />

die letztendlich Vorteil <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz bedeuten.<br />

Der NABU-Landesverband, hinter dem 56.000<br />

NABU-Mitglieder in ganz NRW stehen, macht<br />

überregionale Verbandsarbeit und tritt gegenüber<br />

Regierungen, übergeordneten Behörden und<br />

Interessensgruppen als Anwalt der <strong>Natur</strong> auf.<br />

Dies ist angesichts des geringen Stellenwertes,<br />

den <strong>Natur</strong>schutz bei der aktuellen Landesre-<br />

gierung entgegen ihrer schönen Worte zur Zeit<br />

einnimmt, dringend erforderlich. Knapp 58 Mio<br />

Euro <strong>Natur</strong>schutzmittel beträgt das Budget jährlich<br />

<strong>für</strong> das gesamte NRW. Dies erscheint auf<br />

den ersten Blick nicht schlecht. Aber zieht man<br />

die allgemeinen Agrar-Umwelt-Maßnahmen,<br />

den Emscherumbau und das 100-Alleen-Programm<br />

der Landesregierung ab, bleiben nur<br />

noch knapp 12 Mio Euro. In diesen knapp 12<br />

Mio sind wiederum 6 Mio Euro enthalten, die<br />

<strong>für</strong> die laufenden Kosten der Biologischen Stationen<br />

gebunden sind. Bleiben also unterm Strich<br />

weniger als 6 Mio Euro z.B. <strong>für</strong> Förderungen<br />

zum Erhalt von Lebensräumen oder von ehrenamtlichen<br />

<strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen!<br />

Im Zuge der Novellen von Landesgesetzen und<br />

Erlassen, die in den letzten Jahren verabschiedet<br />

wurden und die die <strong>Natur</strong> betreffen, haben die<br />

<strong>Natur</strong>schutzverbände zwar wenig bis nichts bei<br />

der Landesregierung erreicht (Kormoranerlass,<br />

Josef Tumbrinck und Bernhard Koch unterzeichnen den Kooperationsvertrag.


Landschaftsgesetz, diverse Richtlinien, Jagdzeitenverordnung,<br />

...). Positiv ist aber, dass das<br />

Netz der Biologischen Stationen – trotz bitterer<br />

Mittelkürzungen – erhalten blieb und auch die<br />

<strong>Natur</strong>- und Umweltakademie fortbesteht, ebenso<br />

wie das Landesbüro der <strong>Natur</strong>schutzverbände.<br />

Dies erreichte nicht zuletzt die Lobbyarbeit der<br />

drei großen <strong>Natur</strong>schutzverbände Nordrhein-<br />

Westfalens – NABU, LNU und BUND.<br />

Auch zur EU-Verwaltung nach Brüssel unterhält<br />

die NABU-Landesgeschäftsstelle einen Draht.<br />

Beispielsweise soll auf NABU-Initiative das Vogelschutzgebiet<br />

„Unterer Niederrhein“ deutlich<br />

vergrößert werden. Und wenn der VNV einmal<br />

einen nicht EU-gesetzeskonformen Vorgang aus<br />

dem Sauerland nach Brüssel melden möchte,<br />

kann er vom NABU Tipps und die richtigen Ansprechpartner<br />

bekommen.<br />

Zusammen mit den vielen NABU-Kreisverbänden<br />

kann auch in Zukunft der VNV von<br />

dem naturschutzfachlichen Wissen der in der<br />

NABU-Landesgeschäftsstelle tätigen Mitarbeiter<br />

profi tieren. Hier stehen Flyer und fertige Infos<br />

zu allen möglichen <strong>Natur</strong>schutzthemen zur<br />

Verfügung und brauchen nur abgerufen werden.<br />

Arbeitsgruppen der Landesgeschäftsstelle befassen<br />

sich mit verschiedensten Fragen rund um<br />

aktuelle ökologische Themen und treten auch<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

gegenüber anderen Gruppen als Vertreter der<br />

<strong>Natur</strong> auf. Beispielsweise begleitet die Landesgeschäftsstelle<br />

kritisch die Wiederaufforstung<br />

von Kyrillfl ächen und beteiligt sich an der Diskussion<br />

um den Anbau von Pfl anzen zur Gewinnung<br />

von „Bio-Energie“, der derzeit zu einem<br />

Desaster auch <strong>für</strong> die hiesige <strong>Natur</strong> zu werden<br />

droht. Mit RWE steht das Büro in Kontakt und<br />

will erreichen, dass z. B. Strommasten gegen<br />

Greifvogeltod gesichert werden. Angesichts der<br />

Zunahme illegaler Greifvogeljagd macht der<br />

NABU Öffentlichkeitsarbeit und arbeitet mit<br />

anderen landesweit tätigen Gruppen zusammen.<br />

Er initiiert Netzwerke und versucht, neue Ideen<br />

des Ehrenamtes zur Förderung des praktischen<br />

<strong>Natur</strong>schutzes in ihre Kreis- und Ortsgruppen<br />

hineinzutragen. Auch mit Aktionen wie der jährlichen<br />

„Stunde der Gartenvögel“ sollen Menschen<br />

an die <strong>Natur</strong> herangeführt werden.<br />

Vor dem Hintergrund der Kooperationspartnerschaft<br />

mit dem VNV ermunterte Tumbrinck<br />

den VNV: „Nutzen Sie als VNV die Landesgeschäftsstelle!“<br />

Diese Aufforderung, die wir<br />

vom VNV gerne aufgreifen, verband er mit dem<br />

Wunsch, unsere „gute Arbeit“ wie bisher weiterzumachen.<br />

Harald Legge<br />

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<strong>IRRGEISTER</strong>-Heft weitergeben !<br />

Man kann das <strong>IRRGEISTER</strong>-Heft nach dem<br />

Lesen ins Altpapier geben oder archivieren.<br />

Wir rufen alle VNV-Mitglieder auf, das<br />

Heft nach dem Lesen an andere Interessierte<br />

weiterzugeben. Auf diese Weise wird der VNV<br />

in der Öffentlichkeit bekannter, und dies ohne<br />

viel Aufwand und ohne Kosten.<br />

Vielleicht ist dies <strong>für</strong> Ihre Bekannten der Anstoß,<br />

ebenfalls VNV-Mitglied zu werden und den<br />

<strong>Natur</strong>schutz zu unterstützen.<br />

Auch fremden Menschen können Sie das<br />

<strong>IRRGEISTER</strong>-Heft zugänglich machen, etwa<br />

indem Sie es bei Ihrem Hausarzt im Wartezimmer<br />

auslegen – oder im Aufenthaltsraum Ihrer Firma<br />

oder ...<br />

Dies ist eine einfache, gute Werbung <strong>für</strong> unsere<br />

<strong>Natur</strong>schutzarbeit.<br />

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5


6 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Die 25-jährige Entwicklung unseres <strong>Verein</strong>sheftes<br />

Vom hektographierten DIN-A4-Blatt zum farbigen Mitgliedermagazin<br />

Ein <strong>Verein</strong> wie der unsrige mit heute rund 500<br />

Mitgliedern, zum Teil in Europa verstreut lebend,<br />

braucht nicht nur den grundlegenden <strong>Natur</strong>schutzgedanken,<br />

sondern auch ein Medium<br />

<strong>für</strong> die gemeinsame Arbeit. Dieses Medium erfüllt<br />

als weitere wichtige Aufgabe die Darstellung<br />

der <strong>Verein</strong>sarbeit in der Öffentlichkeit. Es<br />

ist Sprachrohr <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz und die <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />

im Hochsauerlandkreis.<br />

Nicht außer Acht lassen darf man den Einfl uss<br />

eines solchen Organs auf die Mitgliederwerbung.<br />

Es soll Lust darauf machen, etwas <strong>für</strong> die<br />

Menschen und unsere heimatliche Umwelt zu<br />

tun.<br />

Die Notwendigkeit dazu sahen schon die ersten<br />

<strong>Verein</strong>smitglieder kurz nach der Gründung des<br />

VNV im Jahr 1981.<br />

Es wurden auf DIN-A4 Zetteln Informationen<br />

weitergegeben oder die ersten beiden Ornithologischen<br />

Sammelberichte, <strong>für</strong> den Zeitraum von<br />

März 1980 bis Februar 1981 und von März 1981<br />

bis Februar 1982, zusammengestellt und veröffentlicht.<br />

(B.Koch & H.König)<br />

So wie sich der „<strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- und Vogelschutz<br />

im HSK e.V.“ aus einer Gründungsversammlung<br />

1981 mit 30 anwesenden Mitgliedern<br />

entwickelt hat, so hat sich auch das Mitgliederheft<br />

des <strong>Verein</strong>s in Größe und Umfang entwickelt:<br />

vom Schreibmaschinenblatt 1981 hin zum<br />

1984 gebundenen Heft, erst noch im Format<br />

DIN-A5 und ab 1997/Heft 2 dann im Format<br />

DIN-A4.<br />

Bei den Recherchen <strong>für</strong> diesen Artikel war es <strong>für</strong><br />

mich wie eine kleine Zeitreise auch durch die<br />

Drucktechnik, oder anders ausgedrückt: von der<br />

Schreibmaschine zum Computer.<br />

Waren in den frühen Ausgaben viele Handzeichnungen<br />

und auf den Fotos die Gesichter kaum zu<br />

erkennen, sind heute klare, scharfe und zuletzt<br />

digital aufgenommene Fotos von Arbeitseinsätzen,<br />

Tieren und Pfl anzen zu bewundern. Großformatige<br />

Satellitenbilder und Luftaufnahmen<br />

machen positive wie auch negative Veränderungen<br />

in der Landschaft deutlich.<br />

Dieser Artikel soll über die Geschichte und die<br />

Inhalte der erschienenen VNV-Hefte berichten.<br />

Die Anfänge des <strong>Verein</strong>s habe ich persönlich<br />

nicht miterlebt. Darum bat ich die Gründungsmitglieder<br />

und zwischenzeitlichen Redakteure<br />

Bernhard Koch und Werner Schubert, mir mit<br />

Erinnerungen und Schriftmaterial aus der Anfangszeit<br />

der <strong>Verein</strong>sarbeit unter die Arme zu<br />

greifen.<br />

Ein erstes Programm des VNV wurde den Mitgliedern<br />

mit Schreiben vom 17.01.1983 zugesandt.<br />

Hier waren die Exkursionen <strong>für</strong> 1983 aufgelistet<br />

und es wurde zur Mitarbeit in einer von<br />

drei Arbeitsgruppen aufgefordert:<br />

• 1. Brutvogelkartierung<br />

• 2. Biotopkartierung<br />

• 3. AG Feuchtgebiete<br />

(Diese AG wurde in der Jahreshauptversammlung<br />

1982 ins Leben gerufen)<br />

Die erste VNV-Exkursion führte Bernhard Koch<br />

am 13.03.1983 am Möhnesee durch:<br />

Winterbeobachtung von Wasservögeln.<br />

Für den 04.11.1983 wurde zur Mitgliederversammlung<br />

ins Henneseehotel nach Meschede<br />

eingeladen.<br />

Das Ihnen heute vorliegende <strong>Natur</strong>magazin hat<br />

sich aus einem DIN-A5 großen, mit Schreibmaschine<br />

getippten INFO mit einfarbigem Kartonpapierumschlag,<br />

zum heutigen DIN-A4 großen,<br />

farbigen <strong>IRRGEISTER</strong> entwickelt. Auch wenn<br />

es im Laufe der Jahre nicht immer regelmäßig<br />

erscheinen konnte, ist dieses Heft ein treuer Begleiter<br />

der VNV-Mitglieder geblieben. Es spiegelte<br />

die Entwicklungen in der Politik wider und<br />

stellte mit leichter Zeitverzögerung die Reaktionen<br />

des <strong>Verein</strong>s auf politische Vorgaben und<br />

die Arbeiten der ehrenamtlich tätigen <strong>Verein</strong>smitglieder<br />

dar.


Das erste Heft des VNV<br />

Die ersten fünf INFO-Umschläge zierte das alte<br />

VNV-Logo mit den zeichnerisch dargestellten<br />

Schwerpunkten unserer <strong>Natur</strong>schutzarbeit aus<br />

den Anfangsjahren des VNV. Das INFO enthielt<br />

24 Seiten mit vier Handzeichnungen von E.<br />

Hochstein: Rauhfußkauz, Wasseramsel, Heidenelke<br />

und Heidelerche sowie eine Zeichnung<br />

der Fliegenragwurz von W. Schubert. Dies war<br />

schon ein Anfang, dem Leser nicht nur Texte<br />

anzubieten, sondern auch Bildliches zu vermitteln.<br />

Schon im zweiten INFO 1984/2 sind dann neben<br />

den bekannten Handzeichnungen von Vögeln<br />

und Pfl anzen drei Fotos abgedruckt, die Menschen<br />

bei ihrer Arbeit <strong>für</strong> den Schutz der <strong>Natur</strong><br />

zeigen.<br />

Im Inhalt fand der Leser das Exkursionsangebot<br />

<strong>für</strong> 1984, Termine <strong>für</strong> die Arbeitseinsätze des<br />

Winterhalbjahres 83/84 und das Protokoll der<br />

Jahreshauptversammlung vom 04.11.83 in Meschede.<br />

Dies Protokoll passte gut auf zwei Blatt<br />

DIN-A5.<br />

Im Jahr 1983 hatte der <strong>Verein</strong> demnach ein Guthaben<br />

von 1.921,92 DM = 982,66 €.<br />

Neu war ebenfalls die Installierung eines Pres-<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

sewarts: H. König. Er sollte <strong>für</strong> mehr Präsenz in<br />

den Medien sorgen und die Bevölkerung umfassender<br />

informieren.<br />

Größeren Raum nahm der 3. Ornithologische<br />

Sammelbericht <strong>für</strong> den Hochsauerlandkreis ein.<br />

Gelistet wurde der Zeitraum von März 1982 bis<br />

Februar 1983, geschrieben von B. Koch und H.<br />

König. Während der 1. Sammelbericht (s.o.) nur<br />

27 Vogelarten umfasste, wurden in diesem 3.<br />

Bericht schon 45 Arten erfasst.<br />

Aus einer beigelegten Mitgliederliste vom<br />

15.10.1983 geht hervor, dass es 121 Mitglieder<br />

gab.<br />

Stark vertreten waren die Stadt Arnsberg mit 33<br />

Mitgliedern, Brilon mit 14, Marsberg mit 11,<br />

Medebach mit 12 und Sundern mit 12 VNV-lern.<br />

In den anderen Orten lagen die Zahlen unter 10<br />

Personen.<br />

Das Mitgliederverzeichnis vom 10.07.1984 beinhaltete<br />

dann schon 205 VNV Mitglieder.<br />

Der <strong>Verein</strong> suchte nach einem passenden Logo<br />

und ließ den Mitgliedern freie Hand.<br />

Heraus kam der Entwurf von Dieter Korn: Raufußkauzkopf.<br />

Dieser wurde im INFO 1985/1 auf der Deckelinnenseite<br />

vorgestellt und mit Beschluss vom<br />

7


8 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

10.11.1084 das offi zielle Logo des VNV. Erstmals<br />

zierte dieser Vogelkopf das INFO 1985/3<br />

und er fi ndet sich bis heute auf allen Briefköpfen<br />

und Magazinen des VNV.<br />

Das INFO erhält einen neuen Namen. Werner<br />

Schubert schreibt dazu im <strong>IRRGEISTER</strong> 1987/1<br />

auf Seite2:<br />

„Endlich ist er da – der neue Name <strong>für</strong>`s INFO!<br />

Wir hatten uns zwar an`s VNV-INFO gewöhnt,<br />

doch Infos gibt`s wie Sand am Meer, das heißt,<br />

dass unser INFO eins von vielen ist und nicht<br />

besonders auffällt. Dies ändert sich mit dem<br />

neuen Namen. Mit „<strong>IRRGEISTER</strong>“ ist es gelungen,<br />

mehrere VNV-Fliegen mit einer Klappe zu<br />

schlagen. Zum einen macht der Name neugierig,<br />

weil man nicht sofort etwas damit anfangen<br />

kann und weil er etwas provozierend ist. Zum<br />

anderen hat er engen Bezug zum Sauerland und<br />

zur Arbeit des VNV. Die Irrgeister sind nämlich<br />

eines der wertvollsten Feuchtwiesengebiete<br />

im Hochsauerlandkreis. Damit deckt der Name<br />

auch einen der wichtigsten Arbeitsbereiche des<br />

VNV ab. In den Irrgeistern fanden im letzten<br />

Jahr schon Pfl egemaßnahmen des VNV statt.<br />

Weitere äußere Veränderungen muss das IRR-<br />

GEISTER dann ab 1997 Heft2 über sich „ergehen“<br />

lassen: Es ändert seine Größe ins DIN-A4-<br />

Format. Jetzt ist genug Platz <strong>für</strong> großformatige<br />

Fotos schon auf dem Titelblatt und es können<br />

die wichtigen Artikel und Themen im Heft auf<br />

dem Deckblatt genannt werden.<br />

Zum 25jährigem Bestehen des VNV soll auch<br />

das <strong>IRRGEISTER</strong> dem Jubiläum Rechnung tragen.<br />

Es beinhaltet 25 Jahre VNV – Rückblick,<br />

Einblick, Ausblick. Die Vorder- und Rückseite<br />

dieser noch schwarz/weißen Ausgabe sind erstmalig<br />

mit je einem ganzseitigen Foto bedruckt<br />

und spiegeln schon in seiner Aufmachung das<br />

besondere Ereignis des Jubiläums.


Die Farbe hat die <strong>IRRGEISTER</strong> erreicht.<br />

Das Deckblatt hat einen erdfarbenen Hintergrund<br />

und zeigt ein von Richard Götte fotografi ertes<br />

Turmfalkenweibchen auf einem Zaunpfahl.<br />

Auch unser alter Bekannter, der Raufußkauzkopf<br />

zeigt Farbe:<br />

Er hat, umringt von einem grünen Schriftring,<br />

leuchtend gelbe Augen und einen bräunlichen<br />

Schnabel bekommen.<br />

Auf der roten Rückseite macht die Sparkasse<br />

Hochsauerland Werbung <strong>für</strong> sich und bringt dadurch<br />

dem <strong>Verein</strong> Gelder in die Kasse.<br />

Noch einige Anmerkungen zur Werbung.<br />

Ein Werbepartner, der seit den <strong>IRRGEISTER</strong>n<br />

1991, Heft 3-4, regelmäßig auftaucht, ist der<br />

Schäfereibetrieb Bauer-Kemmerling, ansässig<br />

in Marsberg-Udorf. Dieser Bioland-Betrieb,<br />

der heute „Schäferei Rotes Land“ heißt, bewirtschaftet<br />

viele Hektar Kalkhalbtrockenrasen und<br />

sonstige Magerweiden, von denen der VNV eine<br />

große Anzahl seit Jahren betreut.<br />

Ein anderer Inserent seit den <strong>IRRGEISTER</strong>n<br />

1997, Heft 2, ist der <strong>Natur</strong>kost & Ökologische<br />

Produkte verkaufende Regenbogen-Laden aus<br />

Arnsberg-Neheim, dessen Besitzer, Helmut Bol-<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

le, leider kürzlich verstorben ist.<br />

Die allererste Anzeige fi ndet sich im INFO<br />

1985/4 Seite 15: Hof Kremer aus Altenbüren<br />

stellt um auf ökologischen Landbau:<br />

„EUERE NAHRUNG SEI AUCH EUERE ME-<br />

DIZIN“.<br />

Sonstige Werbung kommt aus den Bereichen<br />

„Energie sparen“, „Bioläden“, „Banken“, „Bauen“<br />

und „<strong>Natur</strong>heilpraxen“.<br />

Seit 2008 ist der VNV offi zieller Partner des<br />

„<strong>Natur</strong>schutzbundes Deutschland e.V.“ (NABU),<br />

was auch auf der Titelseite der <strong>IRRGEISTER</strong><br />

kenntlich gemacht ist. Aufgrund dieser Partnerschaft<br />

werden die <strong>IRRGEISTER</strong> nun auch allen<br />

im HSK wohnenden NABU-Mitgliedern zugesandt.<br />

Damit vergrößerte sich unser Leserkreis<br />

und wir versenden unser Heft nun an rund 150<br />

weitere Adressen.<br />

Verantwortlich <strong>für</strong> die Redaktionsarbeit waren<br />

in den Anfängen des <strong>Verein</strong>s einzelne Personen<br />

wie die Schriftführer oder die Vorstandsvorsitzenden.<br />

Da sich der Umfang der Tätigkeiten und<br />

somit der Umfang der Informationen stark vergrößerte,<br />

entwickelten sich Redaktionsteams.<br />

Unter anderem die <strong>IRRGEISTER</strong>-Redakteure<br />

Veronika und Harald haben sich mächtig ins<br />

Zeug gelegt. Diese beide haben schon seit vielen<br />

Jahren Beiträge und Artikel beigesteuert und waren<br />

über zehn Jahre verantwortliche Redakteure<br />

der <strong>IRRGEISTER</strong>, anfänglich noch zusammen<br />

mit Christoph Gasse, Marlies Jütte und Herbert<br />

Bartetzko. Seit der Ausgabe 2002 Heft 2 steht<br />

unter Redaktion und Layout: Veronika Falkenstein,<br />

Harald Legge.<br />

Noch bei den Arbeiten zu diesem Artikel vollzieht<br />

sich ein Wechsel in der Redaktion. Veronika<br />

Falkenstein gibt ihren Part an unser Vorstandsmitglied<br />

Richard Götte weiter. Dem neuen<br />

Redaktionsteam wünsche ich eine erfolgreiche<br />

Arbeit und viele fachkundige Beiträge <strong>für</strong> die<br />

weiteren Ausgaben der <strong>IRRGEISTER</strong>.<br />

Die ganze Redaktionsarbeit wäre nicht möglich<br />

ohne die Texte, Fotos und Beiträge von vielen<br />

fachkundigen Personen innerhalb und außerhalb<br />

des VNV. Viele Autoren, z. B. Martin Lindner,<br />

steuern regelmäßig auch umfangreiche Artikel<br />

bei. Um diese Arbeit zu würdigen, sind die Au-<br />

9


10 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

toren der VNV-Hefte von 1984 bis 2007 nachfolgend<br />

alphabetisch aufgelistet.<br />

Besonders hervorheben möchte ich Bernhard<br />

Koch und Werner Schubert, die schon im Heft<br />

INFO 1984/1 als Autoren auftraten und auch<br />

noch im Heft <strong>IRRGEISTER</strong> 2007 in Wort und<br />

Bild erscheinen.<br />

Als Textautor(-in) steuerten folgende Personen<br />

zum Gelingen der VNV-INOS bzw. IRRGEI-<br />

STER bei:<br />

Adamczewski (Gasse), Christoph<br />

Althaus,Ulrike<br />

Bandt, Carsten<br />

Bartetzko, Herbert<br />

Brune, Jens<br />

Dobbrick, L.<br />

Düring, Carlo<br />

Eckert, Edith<br />

Falkenstein, Josef<br />

Falkenstein, Veronika<br />

Fartmann, Thomas, Prof.Dr.<br />

Finke, Christian<br />

Finke, Detlev<br />

Freiburg, Meinolf<br />

Fries, Georg<br />

Fröhlich, Werner<br />

Fruhen , Michael<br />

Gerlach, Hubertus<br />

Geyer, Hans Jürgen, Dr.<br />

Götte, Richard<br />

Gräf, Bettina<br />

Günnewig, Peter<br />

Hänel, Sabine<br />

Heeren, Michaela<br />

Hemmelskamp, Michaela<br />

Herold, Peter<br />

Hilgenhaus, Eberhard<br />

Hillebrand, Klemens<br />

Hochstein, Ernst<br />

Hölker, Manfred<br />

Jörges, Michael<br />

Jütte, Marlies<br />

Kämpfer-Lauenstein, Andreas, Dr.<br />

Keil, Friedhelm<br />

Kisteneich, Stefan, Dr.<br />

Koch, Bernhard<br />

König, Hans Peter<br />

König, Heinrich<br />

Korn, Dieter<br />

Korn (Beltermann), Iris<br />

Korn, Klaus<br />

Kuhl, Sven<br />

Kühn, Ingolf<br />

Landwehr, Michael<br />

Langanki, Jörg<br />

Lederer, Wolf<br />

Legge, Harald<br />

Lindner, Martin<br />

Loos, Götz Heinrich<br />

Loske, Karl-Heinz, Dr<br />

Loske, Reinhard<br />

Mansfeld, Peter<br />

Mengelers, Rainer<br />

Neumann, Eberhard<br />

Neuß, Erich<br />

Pape, Ansgar<br />

Prolingheuer, Ulrich<br />

Raabe, Uwe<br />

Rees, Berthold<br />

Rogge, Martin<br />

Sartor, Jürgen<br />

Schlagheck, Guido<br />

Schmidt, Corinna<br />

Schmitz, Michael<br />

Schnurbus, Friedhelm<br />

Schöllmann, Georg<br />

Schröder, Johannes<br />

Schröder, Norbert<br />

Schubert, Werner<br />

Schulte, Axel, Dr.<br />

Schulte-Huermann, Mathias<br />

Stein, Franz-Josef<br />

Stute, Klaus<br />

Trappmann, Robert<br />

Vierhaus, Henning, Dr<br />

Volkmer, Jan<br />

Weh, Stefan<br />

Wilkens, Wolfgang<br />

Wischnath, Hans-Hermann<br />

Zeunert, Ulrike<br />

Auch in Zukunft wird die Qualität der IRRGEI-<br />

STER davon profi tieren, wenn möglichst viele<br />

Autoren interessante Artikel beisteuern. Dazu<br />

sind hiermit alle Leserinnen und Leser freundlich<br />

aufgerufen!<br />

Norbert Schröder


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Halbtrockenrasen und Hochheiden - Lebensräume der Kurzfl ügeligen<br />

Beißschrecke (Metrioptera brachyptera) im Hochsauerland<br />

Die Vorkommen der Kurzfl ügeligen Beißschrecke<br />

beschränken sich im Hochsauerland auf wenige<br />

Lebensräumtypen. Hierzu zählen insbesondere<br />

Halbtrockenrasen, die um Marsberg noch<br />

vergleichsweise häufi g anzutreffen sind (Foto<br />

2). Aber auch die großfl ächigen Hochheiden des<br />

Rothaargebirges, wie der Neue Hagen bei Niedersfeld<br />

(Foto 3), werden von der Art besiedelt.<br />

Die Kurzfl ügelige Beißschrecke gehört mit 1121<br />

mm Körperlänge zu den mittelgroßen Laubheuschrecken.<br />

Ihre Grundfarbe ist braun. Kopf- und<br />

Halsschildrücken sowie Teile der Flügel sind<br />

häufi g grün gefärbt (Foto 1). Die Art lässt sich<br />

somit nur sehr schwer in der Vegetation entdecken.<br />

Aber auch ihr Gesang verrät sie kaum, da<br />

er <strong>für</strong> den Menschen nur wenige Meter weit hörbar<br />

ist. Für die naturschutzfachliche Erfassung<br />

der Kurzfl ügeligen Beißschrecke hat sich daher<br />

ein Ultraschall-Detektor als hilfreich erwiesen,<br />

mit dessen Unterstützung sogar singende Einzeltiere<br />

gut nachgewiesen werden können.<br />

Ein ausgewachsenes Männchen der Kurzfl ügeligen<br />

Beißschrecke (07. 09. 2005). Typisch ist<br />

die dunkelbraune Grundfarbe sowie der grün<br />

gefärbte Kopf- und Halsschildrücken.<br />

11<br />

In den blaugrasreichen Kalkmagerrasen des<br />

Kregenbergs (östliches Oberes Diemeltal) erreicht<br />

die Kurzfl ügelige Beißschrecke hohe Individuenzahlen<br />

(19. 06. 2005)<br />

Der wichtigste Faktor <strong>für</strong> die Lebensraumwahl<br />

der Kurzfl ügeligen Beißschrecke ist der relativ<br />

hohe Feuchtigkeitsbedarf der Eier während<br />

der Embryonalentwicklung. Die Art tritt daher<br />

nur in niederschlagsreichen Regionen, wie dem<br />

Hochsauerland, häufi g auf. Trotzdem meidet<br />

die Kurzfl ügelige Beißschrecke im Gebiet weitgehend<br />

das Feuchtgrünland und kommt stattdessen<br />

verstärkt in den Halbtrockenrasen und<br />

Hochheiden vor. Neben einem hohen Feuchtigkeitsbedarf<br />

der Eier ist der Art demnach auch ein<br />

gewisses Wärmebedürfnis zuzuschreiben, denn<br />

das Feuchtgrünland ist kleinklimatisch deutlich<br />

kühler als die Halbtrockenrasen und Hochheiden.<br />

Gut besonnte und zudem kleinräumig vielfältig<br />

strukturierte Hochheiden zumeist in windgeschützter<br />

Lage sind Lebensräume der Kurzfl ügeligen<br />

Beißschrecke (Metrioptera brachyptera)<br />

im Rothaargebirge (Neuer Hagen, 28. 07.<br />

2005).


12 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Innerhalb der Halbtrockenrasen fi ndet die Kurzfl<br />

ügelige Beißschrecke zumeist günstige Lebensbedingungen<br />

vor und erreicht dementsprechend<br />

häufi g hohe Individuenzahlen. Bevorzugt<br />

werden mittel- und hochwüchsige Pfl anzenbestände,<br />

in denen die Art genügend Deckung vor<br />

Fraßfeinden fi ndet. Zudem weisen ihre Lebensräume<br />

hohe Streu- und/oder Moosanteile auf.<br />

Bei ausreichenden Niederschlägen sorgen diese<br />

Strukturen <strong>für</strong> ein frisch-feuchtes Kleinklima in<br />

Bodennähe, dass während der Embryonalentwicklung<br />

zwingend erforderlich ist, damit die<br />

Eier nicht austrocknen.<br />

Dagegen stellen die Hochheiden des Rothaargebirges,<br />

aufgrund des rauen Klimas, nur suboptimale<br />

Lebensräume dar. Innerhalb der Hochheiden<br />

beschränken sich die individuenarmen<br />

Vorkommen der Art daher auf gut besonnte<br />

Teilbereiche, zumeist in windgeschützter Lage.<br />

Die Lebensräume zeichnen sich aber auch durch<br />

ein kleinräumiges Mosaik verschiedenen Vegetationsstrukturen<br />

aus. Hervorzuheben sind insbesondere<br />

die niederwüchsigen und sehr moosreichen<br />

Preiselbeerbestände, in denen sich die<br />

jungen Larven (Foto 4) aufhalten. Die älteren<br />

Larven und die ausgewachsenen Beißschrecken<br />

bevorzugen dagegen hochwüchsige Heidesträucher,<br />

da sie hier deutlich bessere Versteckmöglichkeiten<br />

vorfi nden.<br />

Da es sich bei den Hochheiden und Halbtrockenrasen<br />

um gefährdete Lebensräume handelt, die<br />

durch eine historische Landnutzung entstanden<br />

sind, kommt dem Erhalt dieser Standorte nicht<br />

nur bezüglich der Kurzfl ügeligen Beißschrecke <br />

eine besondere Bedeutung zu. Es empfi ehlt sich<br />

eine extensive Beweidung mit Schafen und gegebenenfalls<br />

Ziegen. Denn durch diese Art der<br />

Bewirtschaftung wird eine vielfältige Vegetationsstruktur<br />

geschaffen, die zumindest kleinräumig<br />

den Lebensraumansprüchen der Kurzfl<br />

ügeligen Beißschrecke genügt. Dagegen ist<br />

eine langjährige Nutzungsaufgabe als negativ<br />

zu werten. So führen ein zu hoher Anteil an abgestorbenem<br />

Pfl anzenmaterial und die Ansiedlung<br />

von Gehölzen zu ungünstigen also kühlen <br />

mikroklimatischen Verhältnissen, die mittel- bis<br />

langfristig ein Aussterben der Population zur<br />

Folge haben.<br />

Literatur<br />

PONIATOWSKI, D. (2006): Die Heuschreckengemeinschaften<br />

der Halbtrockenrasen-Komplexe<br />

des Diemeltals (Ostwestfalen/Nordhessen)<br />

Mit einem Beitrag zur Ökologie der Kurzfl ügeligen<br />

Beißschrecke (Metrioptera brachyptera).<br />

Diplomarbeit, Institut <strong>für</strong> Landschaftsökologie,<br />

Westfälische Wilhelms-Universität Münster<br />

PONIATOWSKI, D. & FARTMANN, T. (2007):<br />

Kleinräumig heterogen strukturierte Hochheiden<br />

in mikroklimatisch günstiger Lage Lebensräume<br />

der Kurzfl ügeligen Beißschrecke (Metrioptera<br />

brachyptera) im Quellgebiet der Diemel<br />

(Südwestfalen/Nordhessen). Articulata 22 (2):<br />

153171.<br />

Text und Fotos: Dominik Poniatowski<br />

Eine junge Larve (2. Stadium) der Kurzfl ügeligen<br />

Beißschrecke (31. 05. 2005). Besonders<br />

auffällig ist der weiße Saum an Hinterrand des<br />

Halsschildlappen, der das wichtigste Bestimmungsmerkmal<br />

der Art ist.


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Der Eisvogel - Alcedo atthis<br />

Der fl iegende Edelstein ist Vogel des Jahres 2009<br />

Der im Jahre 1758 zunächst von Carl v.<br />

Linné als „Alcedo ipsida“ bezeichnete,<br />

etwa sperlingsgroße Eisvogel wurde<br />

in diesem Jahr nach 1973 vom<br />

<strong>Natur</strong>schutzbund (NABU) zum zweiten<br />

Mal zum Vogel des Jahres gewählt.<br />

Es wird hierdurch die Debatte um die<br />

Gewässergüte und den Gewässerschutz<br />

in Deutschland wieder aufgegriffen.<br />

Junger Eisvogel an der Hoppecke<br />

Durch Ausbau und Regulieren vieler Flüsse und<br />

Bäche werden dem auf mäßig fl ießende bzw.<br />

stehende Gewässer angewiesenen Eisvogel<br />

wichtige Lebensräume und Nahrungsquellen<br />

entzogen. Künstliche Uferbefestigung verhindert<br />

das Entstehen von Steilufern und Uferabbrüchen,<br />

in die er seine ca. 40 – 80 cm lange und 8 cm<br />

hohen Brutröhren baut.<br />

13<br />

Als Vogel des Jahres 2009 steht der Eisvogel<br />

stellvertretend <strong>für</strong> die weniger bekannten Arten,<br />

die den von ihm bevorzugten Lebensraum<br />

bewohnen, z. B. die Wasseramsel, Gebirgsstelze,<br />

Wasserspitzmaus, verschiedene Libellenarten<br />

und den Fischotter.<br />

Seine Nahrung setzt sich aus höchstens 12 cm<br />

langen Fischen, Wasserinsekten und deren<br />

Larven, Kleinkrebsen und Kaulquappen<br />

zusammen, die er durch sein berühmtes<br />

Stoßtauchen aus dem Wasser fi scht. Da die<br />

Populationsgröße dieser Nahrungsquellen auch<br />

wesentlich vom Verschmutzungsgrad und der<br />

<strong>Natur</strong>nähe des Gewässers bestimmt wird, spielen<br />

diese Faktoren natürlich eine ebenso große Rolle<br />

beim Schutz des Eisvogels. Der Eisvogel ist ein<br />

Indikator <strong>für</strong> gesunde Gewässer.<br />

Starke Winter, als natürliche Faktoren, können<br />

zu einer 90prozentigen Verringerung der<br />

Eisvogelpopulation führen, da dieser dann<br />

in zugefrorenen Bächen und Tümpeln keine<br />

Nahrung mehr fi ndet oder schlicht auf seiner<br />

Ansitzwarte fest- oder erfriert. Solche großen<br />

Winterverluste können allerdings durch die<br />

hohe Reproduktionsrate innerhalb weniger Jahre<br />

wieder geschlossen werden. Zwei oder sogar<br />

drei Bruten pro Jahr mit jeweils vier bis sechs<br />

Jungen sind keine Seltenheit. Diese Tatsache<br />

allein ließe auf ein exponentielles Wachstum<br />

der Eisvogelpopulation in den Jahren schließen,<br />

in denen keine strengen Winter herrschen.<br />

Da der Eisvogel aber auch eine relativ hohe<br />

Sterberate aufweist (ca. 70 % der adulten Tiere<br />

und ca. 80 % der Juvenilen sterben pro Jahr),<br />

entwickelt sich die Populationsgröße nicht ganz<br />

so rasch. Außerdem ist die Kapazitätsgrenze<br />

seines so raren Lebensraumes schnell erreicht.<br />

Neben den natürlichen Verlustursachen gibt es<br />

heute auch erhebliche Gefahren, die durch den<br />

Menschen verursacht werden. Im HSK wurden<br />

Verluste durch Scheibenanfl ug, Straßenverkehr<br />

und Netze über Fischenteichen festgestellt. Der


14 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Eisvogel hat die Angewohnheit, Bachschwinden<br />

durch Überlandfl ug abzukürzen und kollidiert<br />

dabei mit Scheiben und Autos. An Fischteichen<br />

werden Netze gespannt, um Prädatoren wie<br />

den Eisvogel fernzuhalten; trotzdem versuchen<br />

einige Eisvögel an die Fische zu kommen und<br />

verenden in den Netzen.<br />

Die derzeitige, als dezimiert geltende<br />

Eisvogelpopulation in Europa liegt nach<br />

Schätzungen zwischen 120.000 und 160.000<br />

Individuen, von denen ca. 4.500 bis 8.000<br />

in Deutschland leben. In NRW leben 200-<br />

900 Brutpaare (BUNZEL-DRÜKE mdl.). In<br />

Deutschland wird der standorttreue Vogel auf<br />

der Vorwarnliste der Roten Liste geführt, wobei<br />

er schon in den Niederlanden, Österreich,<br />

Luxemburg, Tschechien und der Schweiz auf<br />

der Roten Liste vermerkt ist. In NRW steht er<br />

als „gefährdet“ in der Roten Liste. In der zur<br />

Zeit stattfi ndenden Überarbeitung der Roten<br />

Liste (Veröffentlichung 2009) wird der Eisvogel<br />

gestrichen, da sich seine Bestände inzwischen<br />

scheinbar landesweit stabilisiert haben.<br />

Die gesamte Population des in Mitteleuropa<br />

einzigen Vertreters der Familie der Eisvögel<br />

(Alcedinidae) erstreckt sich über weite Teile<br />

Europas, Asiens und des westlichen Nordafrikas.<br />

Es existieren isolierte Populationen im östlichen<br />

Indonesien und in Melanesien, wobei es sich<br />

dort möglicherweise um eigene Arten handelt.<br />

In West- und Mitteleuropa ist Alcedo atthis<br />

Standvogel, doch je weiter man in die östlichen<br />

Verbreitungsgebiete schaut, desto häufi ger kann<br />

man einen Zugvogelcharakter erkennen.<br />

Woher kommt der Name?<br />

Über die Herkunft des Namens „Eisvogel“<br />

streiten sich noch heute die Experten. Einige<br />

meinen, der Name käme vom altdeutschen<br />

Wort „eisan“, was so viel wie glänzend oder<br />

schillernd bedeutet. Andere sind der Meinung,<br />

dass der Vogel früher wegen seines stahlblauen<br />

Rücken- und seines rostroten Bauchgefi eders<br />

„Eisenvogel“ genannt wurde, was sich dann<br />

später in „Eisvogel“ verkürzt habe. Früher<br />

wurde er auch „Uferspecht“, „Wasserspecht“,<br />

„Blauspecht“, „Wasserhähnlein“ oder auch<br />

„Königsfi scher“ genannt. Im Englischen<br />

heißt er auch heute noch „Kingfi sher“, in<br />

Frankreich, Italien und Spanien nennt man ihn<br />

„Martinsfi scher“.<br />

Und so sieht es mit dem Eisvogel im HSK<br />

aus:<br />

Es gibt im HSK nur noch wenige kleinere Bäche,<br />

die sich zumindest in größeren Abschnitten<br />

ungestört entwickeln können. Früher dürfte der<br />

Eisvogel hingegen an jedem Fluss und größeren<br />

Bach vorgekommen sein.<br />

Da das Sauerland trotzdem noch naturnahe<br />

Bäche aufweist und noch abschnittsweise<br />

kleine Steilwände, die als Brutplätze in Frage<br />

kommen, vorhanden sind, ist der Eisvogel zwar<br />

nicht häufi g, aber doch im Kreisgebiet weit<br />

verbreitet.<br />

Jedoch ist auch im HSK nicht zu übersehen,<br />

dass viele Bäche und Flüsse über weite<br />

Strecken ihres Laufes ausgebaut bzw.<br />

begradigt wurden. Uferabbrüche wurden<br />

regelmäßig von den Städten, Kreis oder den<br />

Flächenbesitzern beseitigt, da sie die Nutzung<br />

angrenzender Flächen behindern könnten. Bei<br />

den Ausbaumaßnahmen wurden die Ufer mit<br />

sehr massiven Steinen befestigt. Dabei wurden<br />

zum Teil völlig überdimensionierte Felsblöcke<br />

verwendet (s. Foto). Obwohl die Landesregierung<br />

schon 1980 die „Richtlinie <strong>für</strong> naturnahen<br />

Ausbau und Unterhaltung“ von Fließgewässern<br />

herausgab, gab es Anfang der 80er Jahre noch<br />

massive Probleme im HSK (s. STEIN 1985). So<br />

wurden 1983 gleich 2 Eisvogelwände und 1984<br />

gar eine besetzte Brutwand in der Brutzeit an<br />

der Hoppecke zerstört, obwohl das zuständige<br />

Kreistiefbauamt auf die Brutplätze hingewiesen<br />

wurde (ebd.).<br />

Bisher wurde der Eisvogel im HSK an den<br />

folgenden Flüssen und Bächen festgestellt (Daten<br />

aus den Kartierungen der Ornithologischen AG<br />

im VNV):<br />

Schwerpunkt stellt das Stadtgebiet Arnsberg mit


der Ruhr dar. Wannebach, Teufelssippen, Walpke,<br />

Bieberbach, Mühlenbach, Hellefelderbach sind<br />

ebenfalls besiedelt.<br />

Die Ruhr ist weiterhin auch in den Stadtgebieten<br />

von Meschede, Bestwig und Olsberg Lebensraum<br />

des Eisvogels. In Bestwig sind die Valme und<br />

in Olsberg die Neger als Nebenfl üsse der Ruhr<br />

besiedelt.<br />

Im Stadtgebiet Sundern sind Röhr, Linnepe,<br />

Sorpe und Hespe Eisvogellebensräume, in der<br />

Gemeinde Eslohe Wenne und Salweybach und in<br />

Schmallenberg die Lenne und der Grafschafter<br />

Bach.<br />

In Hallenberg ist der Eisvogel an Nuhne und<br />

Orke zu fi nden, in Brilon an der Alme und<br />

Hoppecke und in Marsberg an der Diemel und<br />

Hoppecke.<br />

Wir können im Hochsauerlandkreis von einer<br />

Besiedlung des ganzen HSK mit Ausnahme der<br />

Höhenlagen sprechen.<br />

Arbeit <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz:<br />

Heute gibt es zumindest theoretisch sehr gute<br />

Gesetzte und Vorschriften. Leider zeigte sich im<br />

Winter 2006/2007 an der Ruhr im NSG „Ruhrtal<br />

zwischen Olsberg und Assinghausen“, dass die<br />

Theorie grau ist (GÖTTE 2007). Dort wurden Ufer<br />

wie zu alter Zeit mit massiven Steinschüttungen<br />

fi xiert.<br />

An der Ruhr bei Arnsberg-Uentrop beseitigte<br />

ein Landwirt 2006 eine genutzte Eisvogelwand.<br />

Als Ausgleich wurde auf der anderen Flussseite<br />

mit dem Spaten eine Ersatzwand geschaffen, die<br />

auch zum Brüten genutzt wurde. Schon nach<br />

einer Brutsaison war die Brutwand allerdings<br />

unbrauchbar, da Uferabbrüche jährlich neu<br />

vom Hochwasser „bearbeitet“ werden müssen,<br />

sonst fallen sie ein. Diese Ersatzwand lag<br />

aber am sogenannten Gleithang (am Prallhang<br />

greift die Flut an). Daher halfen noch <strong>für</strong> zwei<br />

Jahre <strong>Natur</strong>schützer mit dem Spaten nach, die<br />

Steilwand <strong>für</strong> den Eisvogel zu erhalten, bis dies<br />

wegen Arbeitsüberlastung eingestellt werden<br />

musste.<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

15<br />

Am Teufelssiepen ging dieses Jahr sogar<br />

ein ganzes Gewässer dauerhaft als Brutplatz<br />

verloren. Dort wurde nach der Flut im August<br />

2007 der Hang der Bahntrasse angegriffen.<br />

Nach Absprache mit VNV-Mitgliedern sollte<br />

die eigentliche Eisvogel-Brutwand bei den nötig<br />

gewordenen Unterhaltungsmaßnahmen erhalten<br />

bleiben, da diese weit genug vom Bahndamm<br />

entfernt war, so dass eine Beeinträchtigung der<br />

Bahntrasse ausgeschlossen war. Leider kam es<br />

zu einer völlig überzogenen Ausbaumaßnahme,<br />

bei der der Eisvogel-Brutplatz vernichtet wurde.<br />

Da es keinen weiteren Uferabbruch im Umkreis<br />

gibt, ist der Eisvogel dort nun wohl dauerhaft<br />

verschwunden.<br />

Durch dicke Steine zerstörtes Steilufer<br />

Die Eisvogelpopulation ist stark abhängig von<br />

der Witterung der vorausgegangenen Winter. In<br />

guten Eisvogeljahren, d. h. nach einigen milden<br />

Wintern, zählte die Ornithologische AG des<br />

VNV beispielsweise 25 Brutpaare / Reviere<br />

(2001 und 2005) im HSK. Die OAG schätzt,<br />

dass der tatsächliche Eisvogelbestand im HSK<br />

vielleicht sogar doppelt so hoch lag, denn viele<br />

Gewässer wurden nicht nach der Art abgesucht.<br />

Dass die Eisvogelpopulationen aber in harten<br />

Wintern einen hohen Tribut zahlen müssen,<br />

macht die Erfassung der OAG im Jahr 2006<br />

deutlich: Bei ähnlicher Kartierungsintensität<br />

zählten unsere Ornithologen nur noch 5 Brutpaare<br />

/ Reviere im HSK. Auch im Kreis Soest hatte


16 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

sich 2006 der Bestand gegenüber den Vorjahren<br />

nach dem langen Winter halbiert (BUNZEL-<br />

DRÜKE mündl.). Positiv ist zu vermelden, dass<br />

2008 das Jahr mit den meisten Jungvögeln seit<br />

dem Erfassungsbeginn 1976 in dem Probegebiet<br />

„Mittelwestfalen“ von Dr. Margret Bunzel-<br />

Drüke war. Im Probegebiet, das das Stadtgebiet<br />

Arnsberg mit einschließt, werden möglichst alle<br />

Bruten beringt (s. EISVOGEL-AG HSK 1986).<br />

Dabei werden die Jungen mit einem Greifarm<br />

aus der Brutröhre geholt. Teilweise werden auch<br />

Altvögel mit über dem Gewässer gespannten<br />

Netz gefangen.<br />

Außerhalb der Brutzeit streichen Eisvögel<br />

umher und können auch an sehr kleinen Bächen<br />

und Teichen gefunden werden, die nicht als<br />

Brutgebiet in Frage kommen.<br />

Der VNV versucht seit seiner Gründung<br />

1982 mehr oder weniger erfolgreich, gegen<br />

Ausbaumaßnahmen an Gewässern und <strong>für</strong><br />

Renaturierungen zu kämpfen. So hat der VNV<br />

sehr viele Stellungnahmen bei diesbezüglichen<br />

Baumaßnahmen geschrieben. Mitglieder<br />

nahmen an einer Vielzahl von Ortsterminen und<br />

Gewässerschauen teil.<br />

Vom VNV wurden in den 80er Jahren mehrfach<br />

Uferabbrüche mit dem Spaten vom VNV <strong>für</strong> den<br />

Eisvogel optimiert (EISVOGEL-AG HSK 1986).<br />

Anfang der 80er Jahre gab es auch kurzzeitig<br />

eine „Eisvogel-AG des VNV“, durch die diese<br />

Arbeiten durchgeführt wurden.<br />

Frische Ufersteilwand als Eisvogelbrutplatz an der Hoppecke<br />

Im Juni 1991 stellte der VNV einen Bürgerantrag<br />

an die Stadt Sundern, um einen Uferrandstreifen<br />

an der Linnepe mit Brutwand von Eisvögeln<br />

durch die Stadt ankaufen zu lassen, um so<br />

den Brutplatz dauerhaft zu sichern. Leider<br />

wurde dieser Bürgerantrag im Oktober 1991<br />

abgelehnt.<br />

Aktuell ist der Ankauf einer Wiese mit einer im<br />

letzten Winterhalbjahr entstandenen Steilwand<br />

an der Hoppecke geplant. Hier hatte der Eisvogel<br />

die Wand sofort als Brutplatz angenommen und<br />

seine Jungen groß gezogen. Durch den Ankauf<br />

kann die Brutwand dauerhaft gesichert und die<br />

Eisvogelpopulation an der Hoppecke gestützt<br />

werden.<br />

Vielleicht haben Sie ja Glück und entdecken bei<br />

einem Ihrer nächsten Ausfl üge in die Sauerländer<br />

Gewässer einen „fl iegenden Edelstein“!<br />

Lars Dietrich/ OAG des VNV<br />

Literatur:<br />

EISVOGEL-AG HSK (1986): 10 Jahre aktiver<br />

Eisvogelschutz im HSK. Info 1986/1: 16.<br />

GÖTTE, R. (2007): Wie vor 20 Jahren:<br />

Wasserbauliche Maßnahmen an der oberen<br />

Ruhr. Irrgeister 24: 47.<br />

STEIN, F.-J. (1985): Wasserbauliche Maßnahmen<br />

– ein großes <strong>Natur</strong>schutzproblem im HSK. Info<br />

1985/4: 6-8.<br />

Fotos: Richard Götte


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Erhalt einer Wacholderheide<br />

VNV pfl egt seit über 20 Jahren die Braunshauser Heide<br />

Jahrhunderte alte Wacholder wachsen rank und schlank in die Höhe.<br />

Zwischen diesen wintergrünen Solitärbäumen stehen einzelne Heckenrosen<br />

mit leuchtend roten Beeren sowie dunkle Schlehenbüsche. Knorrige Kiefern<br />

stehen einzeln auf der ansonsten offenen Fläche. Malerischer kann sich das<br />

Sauerland kaum dem Betrachter zeigen. Dass die Braunshauser Heide noch<br />

immer so aussieht, ist einzig und allein dem VNV zu verdanken. Denn unser<br />

<strong>Verein</strong> führt schon seit über 20 Jahren ein bis zwei Pflegeeinsätze pro Winter<br />

durch, um diesen Charakter der Heide zu erhalten.<br />

Die Braunshauser Heide liegt quasi im letzten<br />

Winkel des Hochsauerlandkreises, gehört zur<br />

Gemeinde Hallenberg und ist eine der letzten<br />

Heiden unserer Region.<br />

Noch vor 100 Jahren prägten Wacholderheiden<br />

die Landschaft des Sauerlandes. Wo heute<br />

monotone Fichtenwälder stehen, war damals<br />

größtenteils offene Heide. Entstanden war<br />

dieses strukturreiche Offenland durch die<br />

dort weidenden Schaf- und Ziegenherden der<br />

Dorfbevölkerung, die nur wenige Bäume und<br />

Sträucher hochkommen ließen. Aber Pfl anzen<br />

wie Wacholder, Ginster und Heidekraut, die<br />

mit den lebenden Rasenmähern zurecht kamen,<br />

fanden gute Lebensbedingungen. Dieser extreme<br />

Lebensraum, geprägt durch magere Böden<br />

und große kleinklimatische Gegensätze sowie<br />

Verdiente Mittagspause - Stärkung nach schweißtreibender Arbeit im Dienste des <strong>Natur</strong>schutzes<br />

17<br />

wertvoll <strong>für</strong> eine ganze Reihe spezialisierter<br />

Tierarten, verschwand aber größtenteils<br />

mit dem Zurückgehen der kleinbäuerlichen<br />

Landwirtschaft. Die ehemaligen Heiden wurden<br />

aufgeforstet, gedüngt und umgebrochen oder sie<br />

verbuschten durch Aufgabe der Nutzung. Die<br />

dort lebenden Spezialisten unter den Tieren und<br />

Pfl anzen wurden selten oder starben aus.<br />

Dieses Schicksal drohte auch der Braunshauser<br />

Heide. Mitte der 1980er Jahre war die gesamte<br />

Fläche schon stark verbuscht, die Heidepfl anzen<br />

drohten zu verschwinden. Doch seitdem sorgt<br />

der VNV da<strong>für</strong>, dass dieses <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />

strukturreiches Offenland bleibt.<br />

Alljährlich rücken die VNV-Aktiven den<br />

aufkommenden Dornbüschen und Ginstern


18 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

mit Motorsäge und Freischneider zu Leibe,<br />

damit die Gehölze nicht die gesamte Fläche<br />

zuwachsen. So stellen wir die Beweidung, also<br />

die herkömmliche Bewirtschaftung durch die<br />

Herde eines ortsnahen Schäfers, sicher. Dieser<br />

Schäfer beweidet auf unsere Initiative hin die<br />

Heide sporadisch in den Sommermonaten.<br />

In früheren Zeiten wurden Heiden jedoch nicht<br />

nur als Viehweide genutzt. Teilbereiche wurden<br />

darüber hinaus auch regelmäßig geplaggt. Dabei<br />

wurde die Heidekrautschicht knapp oberhalb<br />

der Wurzelschicht mit speziellen Plagghacken<br />

entfernt. Das Material wurde im Winter als<br />

Einstreu in den Viehställen genutzt. Dem<br />

Lebensraum Heide schadete dies nicht – im<br />

Gegenteil: Durch diese Nutzung konnte sich das<br />

Heidekraut, das zum Aussamen nackten Boden<br />

benötigt, gut verjüngen. Es wurde auch deshalb<br />

zur Charakterart solcher Flächen und stand damit<br />

Pate <strong>für</strong> den Namen des gesamten Biotops. Aber<br />

auch andere Pfl anzen und Tiere profi tierten,<br />

beispielsweise Heidelerche und Baumpieper.<br />

Auch das mit dem Plaggen verbundene<br />

Ausmagern der Heide hatte Auswirkungen: So<br />

konnten Pfl anzen dort gedeihen, die mit mageren<br />

Standorten zurecht kommen, in nährstoffreichem<br />

Gelände aber von konkurrenzstärkeren Arten<br />

überwuchert werden würden, etwa die Arnika.<br />

Da eine dem Plaggen ähnliche Nutzung oder<br />

entsprechende, diese Nutzung nachahmende<br />

Arnkia - seltene und gefährdete Pfl anze der Heiden<br />

Foto: Werner Schubert<br />

Braunshauser Heide nach Entfernung des Mulchmaterials<br />

Pfl egemaßnahmen auf der Braunshauser Heide<br />

noch nicht stattfanden, ist der Boden überwiegend<br />

von einer dichten, verfi lzten Grasschicht<br />

bedeckt. Um typische Heidepfl anzen zu fördern,<br />

ließ daher die Untere Landschaftsbehörde<br />

(ULB) Teilbereiche maschinell mulchen. Das<br />

heißt, die obere Bodenschicht wurde zerkleinert.<br />

Der VNV kümmerte sich anschließend in<br />

zwei Arbeitseinsätzen um das Entfernen des<br />

Oberbodenmaterials: Es wurde zusammengeharkt<br />

und mit Schubkarren auf großen Haufen<br />

zwischengelagert, die später durch die ULB<br />

abtransportiert wurden. Die nächsten Jahre<br />

werden zeigen, inwieweit sich diese Maßnahme<br />

positiv auf die Vegetation auswirkt.<br />

Wer an einem der VNV-Arbeitseinsätze auf der<br />

Braunshauser Heide teilnimmt, kann aber nicht<br />

nur <strong>für</strong> sich in Anspruch nehmen, am Erhalt einer<br />

der letzten Heiden des Sauerlandes mitzuwirken.<br />

Arbeiten in der freien <strong>Natur</strong> ist einfach schön, und<br />

es gibt immer eine Menge Spaß währenddessen<br />

oder während der Mittagspause am gemütlichen<br />

Feuer. Darum: Es lohnt sich, mal auf einen<br />

Arbeitseinsatz zu kommen!<br />

Harald Legge<br />

Mit Freischneider und Motorsäge rücken die VNV-Aktiven alljährlich den aufkommenden Gebüschen zu Leibe, um die<br />

herkömmliche Beweidung durch eine Schafherde sicherzustellen. Gemulchtes Material wird entfernt.<br />

Fotos: Gerd Kistner und Harald Legge


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

19


20 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Ein sehr seltener Fund<br />

Erstnachweis des Kolbenwasserkäfers im HSK<br />

Als ich im September 2007 meinen Gartenteich von alten Wasserpfl anzen und Blättern<br />

säubern wollte, bemerkte ich im Kescher eine Bewegung. Bei näherem Hinsehen<br />

erblickte ich einen großen, ovalen, schwarz glänzenden Käfer mit leicht olivgrünem<br />

Schimmer. Es war ein Großer Kolbenwasserkäfer (Hydrous piceus)!<br />

Gartenteich des Verfassers<br />

Ich habe einen 5 x 8 m großen Gartenteich mit<br />

Fischbesatz. Neben grobkieseligem Ufer mit<br />

Binsen, Sumpfdotterblumen, Schwertlilien,<br />

Igelkolben, Fieberklee und anderen heimischen<br />

Pfl anzen gibt es aber auch Seerosen. Über<br />

das Jahr kommen stets Frühe Adonislibelle,<br />

Hufeisen-Azurjungfer, Binsenjungfer,<br />

Plattbauch und Blaugrüne Mosaikjungfer zum<br />

Laichen. Verschiedene andere Libellenarten<br />

sind Durchzügler. Wegen der Fische sind<br />

nur noch Wasserschnecken und Wasserläufer<br />

vorhanden. Allerdings habe ich schon mehrfach<br />

neben den Larven der fünf Libellenarten auch<br />

Gelbrandkäfer und dessen Larven beobachtet.<br />

Der Große Kolbenwasserkäfer gehört zu einer<br />

Gattung, die in Europa mit 3 und weltweit mit<br />

49 Arten vorkommt.<br />

Die Verbreitung unserer Art geht über das ganze<br />

europäische Festland und Nordafrika bis China.<br />

Dieser Käfer ist mit bis zu 5 cm Länge der größte<br />

Wasserkäfer Europas und in seinem Bestand seit<br />

langem gefährdet.<br />

In Deutschland steht er seit 1936 unter<br />

Schutz und in NRW wurde er 1982 in das<br />

Artenschutzprogramm aufgenommen.<br />

Die Käfer leben vorwiegend im Flachland in<br />

stehenden Gewässern mit guter Wasserqualität,<br />

vegetationsreichen Uferzonen ohne starke<br />

Beschattung und möglichst geringem<br />

Fischbesatz.<br />

Ihr Vorkommen ist jedoch als „selten und<br />

gefährdet“ zu bezeichnen.<br />

Der Name stammt von den kolbenförmig<br />

verdickten Fühlern. Im Gegensatz zu vielen<br />

Wasserkäfern atmet er mit dem Kopf und nicht<br />

mit dem Abdomen. (Hinterleib) In der feinen<br />

Behaarung an der Körperunterseite wird ein<br />

Luftpolster mitgenommen, so dass er nur alle<br />

5 Minuten zum Luftholen an die Oberfl äche<br />

kommen muss.<br />

Die beiden hinteren Beinpaare sind abgeplattet<br />

und als Schwimmbeine ausgebildet. Trotzdem ist<br />

der Kolbenwasserkäfer kein guter Schwimmer<br />

und klettert vornehmlich unter der Oberfl äche<br />

an den Pfl anzenstängeln zur Nahrungssuche. Er<br />

ist reiner Pfl anzenfresser.<br />

Zur Fortpfl anzung wird eine einzigartige<br />

Brutpfl ege betrieben. Nach der Paarung spinnt


das Weibchen aus Spinndrüsen unter einem an der<br />

Wasseroberfl äche treibenden Blatt zwei Platten,<br />

die ihrer Ober- und Unterseite entsprechen.<br />

Diese werden „zusammengenäht“ und in den nun<br />

entstandenen „Sack“ werden ca. 50 Eier innen<br />

am Grund verklebt. Dadurch entsteht eine stabile<br />

Schwimmlage. Nun bekommt das „Schiffchen“<br />

zur Belüftung noch einen „Schornstein“. Dieser<br />

Vorgang dauert ca. 4 Stunden. Danach treibt das<br />

Brutgehäuse davon und das Weibchen kümmert<br />

sich nicht weiter darum.<br />

Wenn die wurmförmigen Larven nach 16-20<br />

Tagen schlüpfen, leben sie im Wasser und atmen<br />

durch ein Tracheensystem mit dem Abdomen.<br />

Sie besitzen, wie viele Käfer- und Libellenlarven,<br />

zwei kräftige Kieferzangen und leben räuberisch<br />

von tierischer Beute. Diese besteht vornehmlich<br />

aus verschiedenen Wasserschnecken.<br />

Die Larve durchlebt in 6 Wochen 3 Stadien und<br />

geht dann an Land. Sie baut sich im feuchten,<br />

weichen Teichrand eine Höhle und verpuppt sich<br />

dort. Im Herbst schlüpft dann der fertige Käfer.<br />

Dieser überwintert im Wasser und wird bis zu 3<br />

Jahren alt. Deshalb muss das Gewässer tief genug<br />

sein und darf nicht bis zum Grund zufrieren. Im<br />

nächsten Frühjahr erfolgt die Paarung und der<br />

Kreislauf beginnt aufs Neue.<br />

Erster Nachweis im HSK<br />

Das Außergewöhnliche an dieser Geschichte<br />

ist die Tatsache, dass es bisher noch nie den<br />

Nachweis eines Kolbenwasserkäfers im<br />

Hochsauerland gegeben hat. Es ist bekannt,<br />

dass die Käfer ausgezeichnete Flieger sind<br />

und auf ihren Suchfl ügen nach Partnern und<br />

Nr.1 zeigt den Käfer,<br />

Nr.2 den Schwimmkokon,<br />

Nr.3 den geöffneten Kokon,<br />

Nr.4 sind 2 Taumelkäfer<br />

Nr.5 den Käfer von unten,<br />

mit den erkennbaren<br />

„Schwimmbeinen“.<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

21<br />

geeigneten Überlebens- und Laichgewässern<br />

große Entfernungen zurücklegen. Ich schreibe<br />

den Bericht erst jetzt, weil ich das ganze Jahr<br />

2008 nach „Schiffchen“ und Larven gesucht,<br />

aber nichts gefunden habe.<br />

Libellen- und Gelbrandkäferlarven sind<br />

vorhanden, aber der „Ausfl ug ins sauerländische<br />

Mittelgebirge“ des Vollkerfs war wohl eine<br />

Einmaligkeit.<br />

Als ich den Käfer gefangen hatte, wusste ich<br />

von früheren Informationen, dass ich dort etwas<br />

Außergewöhnliches erlebte. Ich habe deshalb<br />

diesen Fund sofort an die Coleopterologen<br />

(Käferforscher) der Universität Münster und an<br />

die Biologische Station im HSK gemeldet. Sie<br />

bestätigten mir die Rarität. Auch in Gesprächen<br />

mit Herrn Prof. Dr. Reiner Feldmann aus Menden<br />

(Er hat bereits 1983 in „<strong>Natur</strong> und Heimat“<br />

einen Bericht „Zum Vorkommen des Großen<br />

Kolbenwasserkäfers in NRW“ geschrieben.)<br />

bestätigte sich diese Einmaligkeit.<br />

Gerne hätte ich den Käfer fotografi ert. Ich wollte<br />

ihn jedoch nicht beunruhigen oder gefährden<br />

und habe ihn deshalb nach kurzer Zeit der<br />

Betrachtung wieder in den Teich gesetzt.<br />

Ich habe ihn nie wieder gesehen und hoffe, dass<br />

er irgendwo ein passendes Biotop gefunden hat.<br />

Zeichnung vom Verfasser, nach einem Bild in<br />

einem „<strong>Natur</strong>führer“ von 1936:<br />

Verfasser und Copyright: Dieter Gandras<br />

(www.dieter-gandras.de)


22 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Einweihung „Kulturzentrum Kloster Bredelar“<br />

VNV erhält Räumlichkeiten <strong>für</strong> Versammlungen und Vorträge<br />

Schon seit 2005 befi ndet sich unsere VNV-Station und seit 2008 auch die<br />

Geschäftsstelle im Kloster Bredelar. Zu unserer Station gehören Büroräume,<br />

Ziviunterkunft und Räume <strong>für</strong> unsere Geräte.<br />

Die weitläufi ge Anlage an der B7 in Marsberg-<br />

Bredelar beherbergte nach der Säkularisation<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts jedoch keine Mönche<br />

mehr. Vielmehr wurden die Räumlichkeiten u. a.<br />

lange Jahre als Fabrikhallen genutzt.<br />

Der Gebäudekomplex spiegelt heute diese<br />

unterschiedlichen ehemaligen Nutzungen wider.<br />

Daher stehen die deutschlandweit in dieser Form<br />

einmaligen Gemäuer unter Denkmalschutz. Da<br />

dies aber die Anlage nicht vor dem langsamen,<br />

aber sicheren Verfall bewahrte, nimmt sich seit<br />

einigen Jahren ein Förderverein des Erhalts des<br />

„Klosters Bredelar“ an. Er akquiriert erfolgreich<br />

Gelder, die <strong>für</strong> Restaurierungsarbeiten genutzt<br />

werden und mit denen die Gebäudetrakte nach<br />

und nach so gestaltet werden sollen, dass das<br />

Gebäude wieder genutzt werden kann. Dadurch<br />

erhofft sich der Förderverein den langfristigen<br />

Erhalt des Klosters.<br />

Am 17. und 18. Oktober 2008 fand die feierliche<br />

Eröffnung des „Begegnungs- und Kulturzentrums<br />

Kloster Bredelar/Theodorshütte“ statt, nachdem<br />

in den letzten Jahren langwierige Bauarbeiten<br />

im Westfl ügel des Hauptgebäudes durchgeführt<br />

wurden.<br />

Neben weiteren <strong>Verein</strong>en nutzte auch der VNV<br />

diese Gelegenheit, sich den Hunderten von<br />

Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kirche sowie<br />

einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />

Auf mehreren Schautafeln, die <strong>für</strong> unsere<br />

Jubiläumsveranstaltung vor zwei Jahren<br />

angeschafft wurden, konnte man sich über<br />

unsere <strong>Natur</strong>schutzarbeit informieren. Ergänzt<br />

wurde dies durch eine Beamerpräsentation über<br />

die verschiedensten Arbeiten und Aufgaben des<br />

VNV und Informationsmaterial zum Mitnehmen.<br />

Unser Tisch mit verschiedenen, zum Teil alten<br />

Apfelsorten aus dem Stadtgebiet Marsberg<br />

fand reges Interesse bei den Besuchern. Viel<br />

persönliches Engagement örtlicher VNV-<br />

Leute trug wesentlich zum Gelingen unserer<br />

Präsentation bei; Johannes Schröder und Werner<br />

Schubert standen beispielsweise den vielen<br />

Besuchern Rede und Antwort.<br />

Da unser gemeinnütziger <strong>Verein</strong> als ständiger<br />

Mieter von Klosterräumen gut in das<br />

Nutzungskonzept des Fördervereins passt, wurde<br />

er mehrmals in Festreden erwähnt.<br />

Aber die Verbindung des VNV mit dem Kloster<br />

geht noch weiter: Mit Mitteln der Nordrhein-<br />

Westfalen-Stiftung wurden in den letzten<br />

Monaten zwei Räume dergestalt hergerichtet,<br />

dass sie vom VNV als Versammlungs- und<br />

Ausstellungsräume mitgenutzt werden können.<br />

Zukünftig stehen dem VNV also nicht nur<br />

geeignete Räumlichkeiten <strong>für</strong> Vorträge und<br />

Versammlungen zur Verfügung. Darüber hinaus<br />

sind die Räume durch Bilder und Schautafeln<br />

auch dann als „<strong>Natur</strong>schutzräume“ gestaltet,<br />

wenn die Zimmer durch andere Veranstaltungen<br />

genutzt werden – eine gute Werbung <strong>für</strong> unsere<br />

<strong>Verein</strong>sarbeit!<br />

Harald Legge


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Optimierung eines Kleingewässers<br />

VNV-Tümpel bei Sundern-Saal ausgebaggert<br />

Bei Amphibien-Kartierungen vor 25 Jahren hatte Klaus Korn einen Tümpel auf<br />

einer Viehweide bei Sundern-Saal mit Vorkommen von Grasfrosch, Fadenmolch und<br />

Bergmolch entdeckt. Da solche Kleingewässer vielen Tieren einen Lebensraum bieten,<br />

bei uns durch die Intensivierung der Landwirtschaft aber fast überall vernichtet<br />

wurden, kümmert sich der VNV seitdem um seinen Erhalt.<br />

Verlandeter Tümpel in Sundern-Saal vor der Entschlammung Foto: M. Lindner<br />

Durch Viehtritt und Viehdung war dieser Tümpel<br />

etwas beeinträchtigt. Im Jahr 1984 wurde dieser<br />

daher mit Erlaubnis der Besitzer eingezäunt und<br />

von Hand entschlammt (s. Foto).<br />

Handarbeit 1984 in Saal Foto: K. Korn<br />

23<br />

In den nächsten Jahren wurden in regelmäßigen<br />

Abständen Entschlammungs-Aktionen per Hand<br />

im Rahmen von Arbeitseinsätzen des VNV<br />

durchgeführt. Beim Tümpel Sundern-Saal handelt<br />

es sich damit um eine der ältesten VNV-Flächen<br />

(SCHUBERT & KÜHN 1987). Der Eigentümer<br />

verpachtet uns die Fläche seit 1988, vorher hatte<br />

es eine mündliche Schutzvereinbarung gegeben.<br />

Der Pachtpreis wird durch eine beitragsfreie<br />

VNV-Mitgliedschaft abgegolten. Im Jahr 1993<br />

wurde der Tümpel im Landschaftsplan Sundern<br />

als „geschützter Landschaftsbestandteil“ (LB)<br />

festgeschrieben.<br />

Da im Laufe der Jahre immer mehr Flächen<br />

durch den VNV betreut wurden (s.u.), konnten<br />

die früheren Entschlammungs-Aktionen per<br />

Hand aus Zeitmangel nicht mehr durchgeführt<br />

werden, da andere VNV-Flächen eine höhere


24 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Priorität erhielten. So wurde eine größere<br />

Entschlammungs-Aktion mittels eines Baggers<br />

notwendig, da inzwischen auch bei bestem<br />

Willen keine Entschlammung per Hand mehr<br />

möglich war. Weil es aber mehrere Jahre lang<br />

keine Fördergelder <strong>für</strong> solche Maßnahmen gab,<br />

blieb die Arbeit weiter liegen. Inzwischen war<br />

der Tümpel völlig verlandet (s. Foto).<br />

Nachdem nun wieder Gelder der ULB<br />

<strong>für</strong> derartige <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen von<br />

<strong>Natur</strong>schutzvereinen zur Verfügung stehen,<br />

wurden diese sofort beantragt. Am 18. September<br />

2008 wurden dann endlich 1.360 € <strong>für</strong> die<br />

Ausbaggerung bewilligt. Da die Maßnahme bis<br />

zum 8. November abzurechnen war, musste nun<br />

alles schnell gehen. Bei einem Arbeitseinsatz<br />

wurde die Gehölzsuksession um den Tümpel<br />

entfernt. Am 28. Oktober konnte dann ein<br />

Minibagger den Tümpel ausgebaggert (s. Foto).<br />

Die ca. 30 m 3 Aushub wurden abgefahren und<br />

ordnungsgemäß deponiert. Am 31. Oktober<br />

konnten die Gelder bei der ULB angefordert<br />

werden. Nun können die Amphibien wieder<br />

„einziehen“!<br />

Bei der Recherche in alten Heften der Irrgeister<br />

entdeckte ich eine alte Aufstellung der VNV-<br />

Flächen aus dem Jahr 1987 (SCHUBERT & KÜHN<br />

Entschlammung des Tümpels mit einem Minibagger<br />

Foto: M. Lindner<br />

1987). Im Jahr 1987 betreute der VNV demnach<br />

15,4 ha, wobei in dieser Zahl sowohl Eigentums-<br />

(5 ha) und Pachtfl ächen (13,8 ha), als auch Flächen<br />

mit Pfl egeverträgen (10 ha) enthalten waren.<br />

Inzwischen betreut der VNV ca. 230 ha! Diese<br />

Zahl allein zeigt eindrucksvoll die Bedeutung<br />

unserer ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzarbeit im<br />

HSK, macht aber auch deutlich, dass es nicht<br />

immer möglich ist, alle Arbeiten optimal zu<br />

erledigen, zumal die Zahl der VNV-Mitglieder,<br />

welche aktiv bei Arbeitseinsätzen mithelfen, seit<br />

Jahren eher rückläufi g ist.<br />

Nicht nur in diesem Fall kam noch hinzu,<br />

dass es inzwischen immer schwieriger<br />

geworden ist, öffentliche Gelder vom Kreis<br />

oder der Bezirksregierung <strong>für</strong> ehrenamtliche<br />

<strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen zu erhalten, während<br />

von den Städten überhaupt kein Geld mehr<br />

da<strong>für</strong> zu bekommen ist. Dabei ist eindeutig, dass<br />

der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz in vielen Fällen<br />

die einzige Instanz ist, die arbeitsintensive<br />

<strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen fachlich kompetent und<br />

<strong>für</strong> die öffentliche Hand bezahlbar durchführen<br />

kann.<br />

Martin Lindner<br />

Literatur:<br />

Schubert, W. & I. Kühn (1987): Neue<br />

Pachtfl ächen. Irrgeister 4: 10-11.


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Wachtelkönig brütet in der Medebacher Bucht<br />

Seltener Brutnachweis<br />

„Crex crex“, so konnten wir in diesem Sommer besonders in den Abend- und<br />

Nachtstunden die Rufe des Wachtelkönigs vernehmen. Vorraussetzung war, dass<br />

wir in der Medebacher Bucht unterwegs waren.<br />

Im Rahmen der Bestandserfassung<br />

des Neuntöters<br />

im Europäischen Vogelschutzgebiet<br />

„Medebacher<br />

Bucht“ wurde Robert<br />

Trappmann von der<br />

Biologischen Station im<br />

Juni auf den rufenden Vogel<br />

aufmerksam.<br />

Der Wachtelkönig rief aus<br />

einer nicht gedüngten<br />

Wiese, <strong>für</strong> die der Landwirt,<br />

Christian Schnorbus aus<br />

Medelon, einen Vertrag nach<br />

dem Kulturlandschaftspfl<br />

egeprogramm mit dem<br />

HSK abgeschlossen hat.<br />

Der ideale Lebensraum <strong>für</strong> den sehr seltenen<br />

und stark gefährdeten Wachtelkönig, der auch<br />

Wiesenralle genannt wird.<br />

25<br />

Wachtelkönig im hohen Gras - der typische Lebensraum<br />

Foto: L. Kuhn<br />

Extensiv genutzte Wiese als Brutrevier des Wachtelkönigs bei<br />

Medelon (helle Fläche) Foto: R. Götte


26 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Nur gab es ein Problem, <strong>für</strong> den Wachtelkönig<br />

und also auch <strong>für</strong> uns <strong>Natur</strong>schützer.<br />

Nach den Vertragsregeln war die Mahd<br />

der Fläche ab dem 1. Juli vorgesehen. Eine<br />

Katastrophe <strong>für</strong> den Wachtelkönig, der diese<br />

Wiese wohl als sein Brutrevier auserkoren<br />

hatte. Die Mahd der Wiese hätte zur<br />

Zerstörung des Lebensraumes dieses Vogels<br />

geführt.<br />

Es musste sofort gehandelt werden.<br />

Pressetermin an der Wiese des Herrn Schnorbus. (v.l.: R. Götte, R. Trappmann, Landwirt Ch. Schnorbus, Ortslandwirt J. Schreiber)<br />

Nach einigen Verhandlungen mit der<br />

Landschaftsbehörde, dem Landwirt, der<br />

Biologischen Station und dem VNV war eine<br />

Lösung gefunden.<br />

Herr Schnorbus erklärte sich bereit, die Mahd<br />

bis in den Spätsommer zu verschieben, und der<br />

Ertragsausfall wurde durch VNV, Biologische<br />

Station und Kreis erstattet. Eine unbürokratische<br />

und schnelle Regelung, die auch auf einem<br />

Pressetermin in Medelon vorgestellt wurde.<br />

Die Grundlagen waren geschaffen.<br />

Nun konnte der Wachtelkönig in aller Ruhe zur<br />

Brut schreiten – hoffentlich.<br />

Der ehemals recht weit verbreitete Vogel ist<br />

in den letzten Jahrzehnten im Bestand stark<br />

zurückgegangen und eine große Seltenheit<br />

geworden. Die Düngung und die immer<br />

früheren Mahdtermine der Wiesen führten zu<br />

einem Verlust des Lebensraumes. Die dichte<br />

Getreidesaat machte auch die Getreideäcker zu<br />

einem ungeeigneten Brutrevier.<br />

Nachdem die Brutsaison des Wachtelkönigs<br />

beendet war und ehe die Wiese abgemäht<br />

wurde, untersuchte unser Vorsitzender,<br />

Bernhard Koch, zusammen mit Erich Neuss<br />

und Robert Trappmann die Fläche. Vielleicht


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Nachsuche im Brutrevier des Wachtelkönigs (Erich Neuss, Bernhard Koch, Robert Trappmann) Fotos: B. Gräff<br />

ließ sich das Nest des Vogels noch fi nden. Und<br />

sie hatten Glück. Das Nest mit einem tauben<br />

Wachtelkönigei konnte gefunden werden.<br />

Eine Sensation.<br />

Selbst in früherer Zeit, als die Wachtelkönigrufe<br />

im Sommer aus den Wiesen noch häufi g zu hören<br />

waren, waren Brutnachweise dieses Vogels sehr<br />

Das Nest mit einem tauben Wachtelkönigei<br />

27<br />

selten. Insgesamt liegen nur vier dokumentierte<br />

Brutnachweise der Art <strong>für</strong> Westfalen vor. Der<br />

letzte stammt von 1970 aus dem Kreis Soest.<br />

Für den Hochsauerlandkreis war dies der erste<br />

Nachweis.<br />

Das sofortige Handeln des <strong>Natur</strong>schutzes und<br />

das kooperative Verhalten der Landwirtschaft<br />

war ein voller Erfolg – <strong>für</strong> den Wachtelkönig.


28 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Warum der Wachtelkönig Wachtelkönig heißt:<br />

Der Wachtelkönig (Crex crex) ist etwas größer als Wachteln (Coturnix coturnix). Manchmal ist<br />

er auf dem Heimzug aus den Überwinterungsgebieten gemeinsam mit diesen zu sehen. Deshalb<br />

dachten die Leute, er sei der König der Wachteln, eben der Wachtelkönig.<br />

Steckbrief des Wachtelkönigs:<br />

Deutscher Name: Wachtelkönig, Wiesenralle<br />

Lateinischer Name: Crex crex (Linne´ 1758)<br />

Ordnung: Gruiformes - Rallen und Kranichvögel<br />

Familie: Rallidae - Rallen<br />

Verbreitung: von NW-Europa bis zum NW Baikalsee<br />

Wanderungen: Langstreckenzieher, Winterquartier im tropischen SO-Afrika<br />

Wegzug aus Europa: ab August<br />

Ankunft in Europa: Mitte April/Mai<br />

Biotop: offenes Gelände, extensiv genutzte Wiesen<br />

Nahrung: Insekten und andere kleine Wirbellose, auch Samen und Pfl anzenteile<br />

Fortpfl anzung: geschlechtsreif am Ende des ersten Lebensjahres<br />

Legebeginn: Mitte Mai bis Ende Juli, 7-12 Eier<br />

Brutdauer: 16 - 19 Tage<br />

Verbreitung des Wachtelkönigs in Deutschland<br />

Der Wachtelkönig hat in Deutschland den<br />

höchsten Schutzstatus.<br />

Die wichtigsten Vorkommen sind im Unteren<br />

Odertal in Brandenburg, im Murnauer Moos<br />

und Umgebung in Bayern sowie in Nordwest-<br />

Niedersachsen zu fi nden.<br />

In ein paar Gebieten wurde die Mahd<br />

um die Rufgebiete herum eingestellt (in<br />

Flächen von <strong>Natur</strong>schutzverbänden und<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebieten).<br />

In den Bioshärenreservaten, Nationalparks<br />

und <strong>Natur</strong>parks (vor allem im Odertal und im<br />

Elbtal) werden den Landwirten vom Staat 550<br />

DM/ha da<strong>für</strong> bezahlt, dass sie nur kleine Gebiete<br />

(max. 6 ha) auf einmal mähen und nicht mehr<br />

als 25 % einer Wiese vor dem 15. Juni, 50 %<br />

vor dem 30. Juni und 75 % vor dem 15. August.<br />

Zusammen mit vier ähnlichen Programmen<br />

zahlte das Bundesland Brandenburg im Jahr<br />

1994 18 Millionen DM <strong>für</strong> ein Vogelfreundliches<br />

<strong>Natur</strong>schutzmanagement von 50.000 ha Wiese.<br />

Die zwei wichtigsten Wachtelköniggebiete,<br />

das <strong>Natur</strong>schutzgebiet Murnauer Moos sowie<br />

der Nationalpark Unteres Odertal, haben<br />

gesetzlichen Schutz, wenn auch nicht speziell<br />

<strong>für</strong> Wachtelkönige.<br />

Im <strong>Natur</strong>schutzgebiet „Lange Rhön“ (17<br />

rufende Männchen 1993) verschieben 5-10%


der <strong>Natur</strong>schutzmanagementverträge des<br />

Bayerischen <strong>Natur</strong>schutzförderprogrammes<br />

den Mahdzeitpunkt auf den 1. August (vor<br />

1992 wurde schon am 10. Juli gemäht). Ebenso<br />

haben Landwirte seit 1992 5-10 % ihrer Weiden<br />

freiwillig nach dem „Brachen-Streifen-Konzept“<br />

nicht gemäht.<br />

Im November 1994 wurde eine neue Richtlinie<br />

<strong>für</strong> <strong>Natur</strong>schutzmanagement-Übereinkünfte von<br />

der oberen Bayerischen <strong>Natur</strong>schutzbehörde<br />

herausgegeben, die wesentlich bessere<br />

Möglichkeiten <strong>für</strong> Wachtelkönigmanagement<br />

beinhaltet.<br />

1991 wurden telemetrische Studien über<br />

Habitatnutzung und Jungenaufzucht gemacht.<br />

Wissenschaftler aus Deutschland und<br />

Polen betrieben von 1992 – 1994 intensive<br />

Weltverbreitung des Wachtelkönigs:<br />

Verbreitung des Wachtelkönigs:<br />

Grafi k aus Wikipedia<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

29<br />

Studien, die Freilandarbeit in Nordost-Polen,<br />

Deutschland, Tschechien, der Slowakei und<br />

Rußland miteinbezogen. Die Untersuchungen<br />

beschäftigen sich mit Habitatnutzung,<br />

Paarungsverhalten, Jungenaufzucht,<br />

Vegetationsstruktur, Nahrungsverfügbarkeit,<br />

Nahrungsökologie, Predation, Biometrie,<br />

Wanderungsverhalten, Individualität der Rufe,<br />

Rufergruppen und Bestimmung von Alter<br />

und Geschlecht. Die Methoden beinhalten<br />

Fallenstellen (700 Vögel bis jetzt), Telemetrie,<br />

Zählungen rufender Männchen, Anlockung<br />

wandernder Vögel mit Kassettenrekordern,<br />

Messung der Vegetationsstruktur und<br />

Nahrungsverfügbarkeit, DNA- Fingerprinting<br />

und Analyse der Exkremente.<br />

1994 kam es zur ersten erfolgreichen Brut in<br />

Gefangenschaft.


30 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Schutzmaßnahmen <strong>für</strong> den Wachtelkönig<br />

Forderungen des Wachtelkönigschutzes:<br />

Gedicht vom Wachtelkönig<br />

Die Wiesenralle, Knarrer, Schnärz<br />

Kommt erst im Mai anstatt im März<br />

Als Wachtelkönig, als crex-crex,<br />

Hat sie viel Namen beinah sechs.<br />

Ihr Nest macht sie im grünen Gras,<br />

Als wäre sie der Osterhas.<br />

Die Kinderliebe läßt zu fest<br />

Sie manchmal sitzen auf dem Nest:<br />

Den Bauern merkt sie erst zu spät,<br />

Drum wird sie oft mit abgemäht.<br />

Eugen Roth<br />

• Erhalt von Grünland (kein Umbruch, weder Aufforstungen oder Nutzungsaufgabe)<br />

• Wiedervernässung trockengelegter Moore<br />

• Mahd der Flächen von innen nach außen oder von der einen zur anderen Seite<br />

• Mahd im Umkreis von mindestens 100 Metern (besser 200 Meter) um einen Rufplatz<br />

möglichst nicht vor dem 1. August (besser 1. September)<br />

• Auffächerung des Mahdzeitraums sowie Verkleinerung der Bewirtschaftungseinheiten<br />

(Mosaik)<br />

• Schaffung/Erhaltung hoher Vegetationsdichte (Schilf, Weidengebüsch etc) als geschützter<br />

Rufplatz bei Ankunft der Vögel im Frühjahr<br />

• Ersatz der schnell fahrenden Kreiselmäher durch langsamere Balkenmäher in<br />

„Wachtelkönig – Vorrangfl ächen“<br />

Richard Götte<br />

Informationen aus:<br />

www.birdlife.net<br />

www.corncrake.net<br />

Literatur:<br />

PEITZMEIER, J. (1979): Avifauna von Westfalen, 2.<br />

Aufl . 276 S., Münster.


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea) –<br />

Wie man aus einer normalen Giftpfl anze ein Teufelskraut macht<br />

In der im letzten Jahr erschienenen „Flora des östlichen Sauerlandes“, die Richard<br />

Götte <strong>für</strong> den VNV herausgebracht hat, werden <strong>für</strong> das Bearbeitungsgebiet rund 1400<br />

Pfl anzenarten und –sippen nachgewiesen. Eine der hier vorkommenden heimischen<br />

Pfl anzenarten ist Senecio jacobaea, das Jakobskreuzkraut. Der gelbblühende<br />

Körbchenblütler ist eine attraktive Hochstaude, die immerhin zwischen 70-100 cm<br />

hoch wird. Sie wächst in Einzelpfl anzen in Weiden, kann aber auch auf Ackerbrachen<br />

oder anderen Stellen mit offenem Boden auch massenhaft auftreten.<br />

Es handelt sich um eine recht verbreitete Art.<br />

GÖTTE (2007) stuft sie als häufi g ein. MÜLLER,<br />

in GÖTTE (2007), der die Art 1841 als erster <strong>für</strong><br />

unseren Raum nachwies, gibt sie sogar als sehr<br />

häufi g an.<br />

Verbreitung des Jakobskreutkrautes im östlichen Sauerland<br />

Der Lebensraum lässt sich wie folgt<br />

charakterisieren: „Braucht tiefgründigen,<br />

nicht unbedingt kalkhaltigen, mäßig<br />

stickstoffsalzreichen Lehm- oder Tonboden.<br />

Besiedelt Raine, Wege, Waldränder, einschürige<br />

Wiesen.“ (AICHELE, D. & H.-W. SCHWEGLER<br />

2004)<br />

Jakobskreuzkraut (Senecio jacobea)<br />

Foto: Richard Götte<br />

31


32 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Wie im Titel schon verraten, ist das<br />

Jakobsgreiskraut, wie es auch genannt wird,<br />

eine Giftpfl anze. Also Vorsicht, wenn uns unser<br />

Leben lieb ist!?<br />

Keine Panik, liebe Leser, Mensch und Tier<br />

haben in den zurückliegenden Jahrhunderten<br />

gelernt, mit den Giftpfl anzen zu leben; Senecio<br />

jacobaea ist schließlich nicht die einzige.<br />

Sie enthält jedoch Pyrrolizidin-Alkaloide,<br />

die zu Leberschädigungen und in Mengen<br />

aufgenommen auch zum Tode führen können.<br />

Das Gift reichert sich in der Leber an, wirkt also<br />

Pferdewiese mit Jakobskreuzkraut bei Messinghausen<br />

Foto: Werner Schubert<br />

kumulativ. Aber nicht wir sind der Adressat, der<br />

zur Vorsicht ermahnt werden muss, sondern die<br />

Weidetiere und hier vor allem die Pferde.<br />

Sowohl die Landwirtschaftskammer als auch<br />

die Landesanstalt <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>schutz, Umwelt und<br />

Verbraucherschutz warnen vor der Pfl anze, da sie<br />

sich in den letzten Jahren massenhaft ausgebreitet<br />

habe. Grundsätzlich ist im Hochsauerlandkreis<br />

dieser Trend nicht erkennbar. Wie anfangs bereits<br />

ausgeführt, kommt diese Art schon immer häufi g<br />

bei uns vor. Eine explosionsartige Vermehrung in<br />

Flächen des Vertragsnaturschutzes ist, wie von<br />

den vorgenannten Einrichtungen vermutet wird,<br />

auch nicht zu erkennen. Die Biologische Station<br />

Hochsauerlandkreis hat im Jahr 2007 auf 412<br />

Flächen im Vertragnaturschutz grundlegende<br />

Bestandserfassungen durchgeführt. Senecio<br />

jacobea wurde nur auf rund 10% der untersuchten<br />

Raupe des Jakobskreuzkrautbären (Tyria jacobea)<br />

Foto: Werner Schubert<br />

Flächen (42 mal) überhaupt nachgewiesen. Die<br />

Art wies nur geringe Deckungsgrade auf und<br />

zwar Deckung unter 1% (Einzelpfl anzen) 36<br />

mal, Deckung unter 1% (Pfl anzen zerstreut<br />

vorkommend) 4 mal und Deckungsgrad bis 1%<br />

(Pfl anzen im Bestand häufi g vorkommend) 2<br />

mal. Zusammenfassend lässt sich <strong>für</strong> Grünland<br />

im Vertragsnaturschutz feststellen, dass die<br />

Art, wie schon immer, verbreitet vertreten<br />

ist, aber nur einen geringen Anteil an der<br />

Gesamtpfl anzendecke einnimmt.<br />

Aber auch im Hochsauerlandkreis gibt es<br />

große Vorkommen dieser <strong>für</strong> weidende Tiere<br />

problematischen Pfl anzenart. Dies trifft zum<br />

einen auf Flächen zu, die <strong>für</strong> das Weidevieh<br />

aus landwirtschaftlicher Sicht keine Bedeutung<br />

haben, und zwar Windwurffl ächen und<br />

Kahlschläge, sowie Stilllegungsäcker.


Des weiteren gibt es individuenreiche<br />

Vorkommen im etablierten Grünland, wenn<br />

gute Ausbreitungsbedingungen <strong>für</strong> das<br />

Jakobskreuzkraut vorliegen. Dies ist bei<br />

Wildschweinschäden oder Trittschäden durch<br />

Weidevieh der Fall.<br />

Trotzdem kann es auch auf Weidefl ächen, wo die<br />

Art nur einen geringen Deckungsgrad aufweist,<br />

zu einer Gefährdung der Weidetiere kommen.<br />

Dabei sind dann aber Fehler des Menschen<br />

vorausgegangen: Werden Flächen, auf denen die<br />

Art ohnehin vorkommt, z.B. mit Pferden falsch<br />

beweidet, werden aufgrund der Trittschäden,<br />

die bei feuchter Witterung entstehen, die<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Ausbreitung der Art<br />

erst geschaffen. Ist die Art auf einer Pferdeweide<br />

etabliert, wird sie wegen der Bitterstoffe zumeist<br />

von den Tieren gemieden. Herrscht Futtermangel,<br />

fressen die Tiere die übriggebliebenen Pfl anzen<br />

dann irgendwann trotzdem, und dies dann<br />

konzentriert.<br />

Eine übermäßige Aufnahme der Pfl anze kann<br />

auch dann erfolgen, wenn die Fläche im Zuge<br />

der Weidepfl ege ausgemäht wird und die Pfl anze<br />

danach <strong>für</strong> die Pferde nicht mehr erkennbar<br />

zwischen dem restlichen Mähgut liegt.<br />

Jakobskreuzkrautbär am NSG „Wulsenberg“<br />

Foto: Axel Schulte<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

33<br />

Wird eine Fläche, auf der das Kreuzkraut schon<br />

vermehrt vorkommt, nach einer Beweidung<br />

gemäht und das Mähgut später als Heu an die<br />

Tiere verfüttert, so kommt die Art ebenfalls in<br />

hoher Konzentration im Futter vor und wird von<br />

den Tieren mitgefressen.<br />

Die Hauptgefahr <strong>für</strong> das Weidevieh durch<br />

das Jakobskreuzkraut geht demnach von<br />

Bewirtschaftungsfehlern aus. Hier ist nicht das<br />

Kreuzkraut das Problem, sondern die Fehler des<br />

Pferdehalters!<br />

Eine mechanische „Bekämpfung“ mit<br />

anschließender Entsorgung des Mähgutes kann<br />

man durchführen, wenn die Art tatsächlich ein<br />

Problem darstellen sollte. Auf eine chemische<br />

Bekämpfung sollte man grundsätzlich verzichten<br />

und auf Vertragsnaturschutzfl ächen sollte<br />

dies ausgeschlossen bleiben. Eine selektive<br />

mechanische Bekämpfung könnte bei einer<br />

möglichen Gefährdung des Weideviehs durch die<br />

Untere Landschaftsbehörde genehmigt werden.<br />

Insgesamt ist hier wieder einmal Augenmaß<br />

angesagt. Denn wir dürfen ja nicht vergessen,<br />

dass die Art zu unserer heimischen Pfl anzenwelt<br />

gehört.<br />

Außerdem ist das Jakobskreuzkraut die<br />

wichtigste Futterpfl anze des in der Roten<br />

Liste NRW als „stark gefährdet“ eingestuften<br />

Jakobskreuzkrautbären (Tyria jacobea).<br />

Ebenso charakteristisch wie ungewöhnlich<br />

<strong>für</strong> Bärenspinnern ist, dass die gelb-schwarz<br />

geringelten Raupen in Gruppen leben. Sie<br />

profi tieren vom Gift ihrer Futterpfl anze. Denn<br />

dies macht sie <strong>für</strong> Fressfeinde ungenießbar, was<br />

sich auch in ihrer Warnfarbe ausdrückt.<br />

Text:<br />

Werner Schubert<br />

Literatur:<br />

AICHELE, D. & H.-W. SCHWEGLER 2004: Die<br />

Blütenpfl anzen Mitteleuropas 5. Bd., Kosmos.<br />

2712 S.<br />

GÖTTE, R. (2007): Flora im östlichen Sauerland<br />

- <strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- und Vogelschutz e.V. 600 S.


34 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Blauzungenkrankheit und Stalldienst<br />

Arbeiten rund um das „Rote Höhenvieh“ 2007/2008<br />

Schon seit 18 Jahren läuft beim VNV das Projekt „Rotes Höhenvieh“. Damals schaffte<br />

sich unser <strong>Verein</strong> die ersten Tiere dieser früher <strong>für</strong> das Sauerland typischen, heute<br />

aber fast verschwundenen Rinderrasse an. Der Kerngedanke war und ist, unsere<br />

ökologisch wertvollen Weiden so zu bewirtschaften, wie sie entstanden sind und<br />

sich entwickelt haben – nämlich durch Beweidung mit Rotvieh. Gleichzeitig leisten<br />

wir einen wichtigen Beitrag zum Erhalt dieser alten Rinderrasse. In diesem Artikel<br />

soll über tagtägliche Arbeiten <strong>für</strong> dieses erfolgreiche <strong>Natur</strong>schutzprojekt berichtet<br />

werden.<br />

Stalldienst<br />

Im Winter sind unsere 15 Mutterkühe, der<br />

Deckbulle und der Nachwuchs (der Bestand<br />

schwankt auf Grund von Geburten, Verkauf und<br />

Schlachtungen) auf verschiedene Ställe verteilt.<br />

In der Stallsaison 2007/08, also den Monaten<br />

November bis Mai, wurde die Stallarbeit in<br />

Udorf jeden zweiten Tag von einem Mitglied der<br />

Arbeitsgemeinschaft Rotes Höhenvieh (RHV-<br />

AG) erledigt. Dies war notwendig geworden,<br />

da der Schäfereibetrieb umstrukturiert wurde<br />

und die zusätzliche Versorgung des „Roten<br />

Höhenviehs“ nicht mehr leisten konnte. Wie<br />

jedes Jahr wurden die notwendigen Blut-<br />

und Trächtigkeitsuntersuchungen im Stall<br />

durchgeführt.<br />

Unsere Rinder schafften es im letzten Winter<br />

sogar in die überregionale Presse: Die Bildzeitung<br />

machte am 16.01.08 ein Interview mit Johannes<br />

Schröder und lichtete ihn mehrfach mit unseren<br />

„Roten“ im Stall ab.<br />

Franz-Josef Stein und Johannes Schröder verladen in Thülen<br />

Zaunpfähle auf den VNV-Viehanhänger.<br />

Foto: Norbert Schröder


Sommerarbeiten<br />

Die Instandsetzung der Weidezäune verlief im<br />

Frühjahr recht zügig, da lediglich einige Pfähle<br />

erneuert werden mussten.<br />

Östlich Essentho, im Feuchtwiesengebiet „Auf<br />

dem Bruch“, haben wir unsere bisherigen<br />

Pachtfl ächen erweitern können und die neue<br />

Weide mit einem doppelten Elektrozaundraht<br />

gesichert. Einige Randfl ächen wurden dagegen<br />

mit Elektrozaun ausgegrenzt und so, wie im<br />

Pachtvertrag mit der Stadt Marsberg vereinbart,<br />

aus der Nutzung genommen.<br />

Anfang Juli begann unsere Kuh Ayla in Madfeld<br />

im “Hemmeker Bruch“ zu humpeln. Die<br />

Tierärztin stellte eine Entzündung oberhalb des<br />

Hufes fest und spritzte ihr ein Antibiotikum. Da<br />

die Behandlung mit Antibiotika nach ein paar<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

35<br />

Tagen wiederholt werden musste, übernahm<br />

dies die RHV-AG.<br />

Eine weitere Pachtfl äche kam im Juli bei<br />

Obermarsberg hinzu: An der „Langen Ricke“,<br />

einer traditionellen Rinderhude, weideten<br />

die letzten Sommermonate 3 Jungtiere eine<br />

Steilhangweide ab, die der Besitzer aus<br />

Altersgründen nicht mehr bewirtschaften kann.<br />

Auch hier nutzten wir die Vorteile des sehr<br />

fl exiblen Elektrozaunes, da noch keine Zeit war,<br />

den maroden Drahtzaun zu reparieren. Die <strong>für</strong> den<br />

Zaunbau reservierten Zeitressourcen übernahm<br />

die verordnete Bekämpfung der „BT“.<br />

Blauzungenkrankheit<br />

Injektion bei Ayla in Madfeld, (oder wie Werner schrieb: „Der Doktor und das liebe Vieh“)<br />

Foto: Werner Schubert<br />

Das beherrschende Thema in der AG „Rotes<br />

Höhenvieh“ in den letzten Monaten war die


36 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

„Blauzungenkrankheit“, oder kurz „BT“ (Blue<br />

Tongue) genannt.<br />

Im August 2006 wurde in Aachen der erste<br />

Fall von BT bekannt. Innerhalb von 60 Tagen<br />

verbreitete sich der Virus im Umkreis von 400<br />

km. An dieser Kreislinie um Aachen liegen<br />

Städte wie Hamburg, Magdeburg, Halle (Saale),<br />

Gera, Hof, Ulm und Konstanz.<br />

Schafe und Rinder haben nach überstandener<br />

Infektion einen Schutz. Dieser besteht aber<br />

nur gegen den Serotyp, mit dem sie infi ziert<br />

wurden. Gegen andere Serotypen der BT sind<br />

sie nur teilweise oder gar nicht geschützt.<br />

Tragende Kühe übertragen häufi g, aber nicht<br />

in allen Fällen, den Virus auf ihr Kalb. Die<br />

Verkalbungsrate war bisher nicht höher als in den<br />

vergangenen Jahren. Bei infi zierten Bullen kann<br />

es zu einer vorübergehenden Einschränkung der<br />

Im Landwirtschaftlichen Wochenblatt<br />

Nr.9 vom 01.03.2007 führte Dr. Karl-Heinz<br />

Kaulfuß aus Elbingerode aus (hier gekürzt<br />

wiedergegeben):<br />

Die BT (Blue Tongue Desease) ist eine durch<br />

Gnitzen (1,5 bis 2,5 mm große gefl ügelte<br />

Insekten) übertragbare, anzeigepfl ichtige<br />

Viruserkrankung der Wiederkäuer,<br />

insbesondere der Rinder, Schafe und<br />

Ziegen. Eine direkte Übertragung von Tier<br />

zu Tier ist nicht möglich. Für den Menschen<br />

ist die Erkrankung nicht gefährlich.<br />

Fleisch und Milchprodukte können ohne<br />

Bedenken konsumiert werden. Die BT ist<br />

eine ursprünglich aus Afrika stammende<br />

Krankheit, die sich in die USA (1948)<br />

über den Nahen und Mittleren Osten<br />

bis nach Südeuropa ausbreitete. Die<br />

Hauptüberträger sind Mücken der Gattung<br />

Culicoides (Gnitzen), diese infi zieren sich<br />

beim Blutsaugen an schon infi zierten Tieren.<br />

Die infi zierten Tiere müssen nicht klinisch<br />

krank erscheinen. In den Speicheldrüsen<br />

der Gnitzen kommt es nach dem Blutsaugen<br />

zur massiven Vermehrung der Viren mit<br />

einem Höhepunkt nach etwa 6 – 8 Tagen.<br />

Fruchtbarkeit bzw. Deckfähigkeit kommen; dass<br />

Kühe schlechter aufnehmen, ist bislang nicht<br />

bekannt.<br />

Ausbreitung der BT und Gegenmaßnahmen<br />

Sicherheitsmaßnahmen und Anordnungen waren:<br />

Meldepfl icht; Blutentnahme an verdächtigen<br />

Tieren; Bestandssperre; Bildung einer Sperr- und<br />

Beobachtungszone um den betroffenen Betrieb;<br />

weit reichende Verbringungsverbote.<br />

Im März 2007 werden als Beobachtungsgebiete<br />

benannt: NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz,<br />

Saarland und Teile von Niedersachsen, Sachsen-<br />

Anhalt, Thüringen, Baden-Württemberg und<br />

Bayern.<br />

Mitte 2007 wurde leider noch darauf gehofft,<br />

dass die Überträger den Winter nicht überleben<br />

und sich die Erkrankung somit verliert.<br />

Infi zierte Gnitzen leben nur 10 – 20 Tage<br />

und tragen in dieser Zeit die Erreger in<br />

sich. Bei jedem Stich der erregertragenden<br />

Insekten wird das Virus auf das gestochene<br />

Tier übertragen.<br />

Bei Schafen bricht nach einer Inkubationszeit<br />

von 3-14 Tagen die Krankheit aus und<br />

dauert 10–14 Tage an. Die Schafe bleiben<br />

dann noch bis zu 50 Tage Virusträger und<br />

können somit den Virus an andere Gnitzen<br />

weitergeben. Der in Deutschland aufgetretene<br />

Serotyp 8 zeigt eine milde Verlaufsform bei<br />

einer Erkrankungshäufi gkeit von 3–5 % einer<br />

Schafherde mit nur wenigen Todesfällen.<br />

Kranke Schafe weisen eine deutliche<br />

Blauverfärbung der Zunge auf, während<br />

bei Rindern eher kurzzeitiges Fieber und<br />

verminderte Futteraufnahme bekannt sind.<br />

Weitere Symptome können die Entzündungen<br />

der Kopfschleimhäute sein, die sich in<br />

Augenlidschwellungen und Augenausfl uss,<br />

Speicheln, schmerzhafter Rötung der<br />

Maulschleimhaut und Hautablösungen am<br />

Flotzmaul äußern. Dazu kommen noch<br />

Schwellungen, Rötungen und Hautablösungen<br />

an den Zitzen und eine Lahmheit aufgrund<br />

einer Kronsaumentzündung. Ein infi ziertes Rind<br />

behält ca. 100 Tage den Virus im Blut.


Im September 2007 lesen wir im<br />

Landwirtschaftlichen Wochenblatt Worte wie:<br />

“Schnitter Tod“ mäht Mutterschafe und Lämmer<br />

nieder. Schäfer und Tierärzte können den Tieren<br />

kaum helfen. Klar wird, dass auch die hier<br />

heimischen Gnitzen die BT übertragen Deshalb<br />

sind die Anordnungen vom Jahresanfang als<br />

wirkungslos zu betrachten.<br />

Die Tierhalter üben Druck aus, um einen<br />

wirksamen Impfstoff zu erhalten. In den<br />

Schafbeständen drohen nämlich Verluste bis zu<br />

80% der Tiere. Die Schäfer be<strong>für</strong>chten weitere<br />

Einnahmeverluste, wenn sie ohne Tiere dastehen<br />

und sie ihre Landschaftspfl egeverträge nicht<br />

erfüllen können.<br />

Ebenfalls im September 2007 erklärt Dr. Franz<br />

J. Conraths vom Friedrich-Loeffl er-Institut in<br />

Wusterhausen: Die hohe Anzahl und die schnelle<br />

Ausbreitung von Krankheitsfällen hingen<br />

mit der großen Zahl von Gnitzen zusammen,<br />

die sich durch den milden Winter, das warme<br />

Frühjahr und die Witterung im Sommer 2007<br />

extrem vermehrt hätten. In diesem Monat hat<br />

die BT schon Schleswig-Holstein und Teile von<br />

Dänemark erreicht.<br />

September 2007 sind bundesweit 8702 gemeldete<br />

Betriebe mit Fällen von BT bekannt. Aus NRW<br />

wurden 5289 betroffene Rinder bzw. Schafe<br />

haltende Betriebe gemeldet.<br />

Im Oktober 2007 meldet nun auch Mecklenburg-<br />

Vorpommern das Vorkommen von BT im<br />

Landkreis Ludwigslust.<br />

Zum Ende des Jahres 2007 wird die BT außer<br />

in Berlin, Brandenburg und Hamburg in allen<br />

Bundesländern nachgewiesen.<br />

Waren in 2006 knapp 900 BT Fälle bekannt,<br />

wurden am 28.12.2007 20.352 Fälle gezählt,<br />

davon kamen knapp die Hälfte aus NRW.<br />

Im Januar 2008 wird auch aus Brandenburg als<br />

letztem Flächenland Deutschlands ein Fall von<br />

BT bekannt. Die Gesamtzahl der Erkrankungen<br />

wird nun mit 20.450 Fällen angegeben, davon<br />

sind 12.434 Rinder betroffen!<br />

Die Tierseuchenkasse erstattete Verluste nur,<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

37<br />

wenn alle Tiere korrekt gemeldet waren und<br />

der Beitrag ordnungsgemäß gezahlt wurde. Für<br />

Schafe gab es maximal 767€/Tier und <strong>für</strong> Rinder<br />

3068€/Tier, allerdings nur bis zum 31.12.2007.<br />

Eine Entschädigungszahlung aus der<br />

Tierseuchenkasse <strong>für</strong> die Ausfälle endete am<br />

31.12.2007, da die Kasse davon ausging, dass<br />

ab 2008 genügend Impfstoff zur Verfügung steht<br />

und die Seuche dann in den Griff zu bekommen<br />

ist.<br />

Seit Oktober 2006 arbeiten Pharmaunternehmen<br />

wie z.B. Merial oder Intervet an einem<br />

Impfstoff, der frühestens nach dem Frühjahr<br />

2008 zugelassen werden kann.<br />

Als Ursache <strong>für</strong> das Auftreten der BT nennt<br />

das Landwirtschaftsministerium NRW das<br />

Importieren eines infi zierten Tieres nach<br />

Deutschland, dann wird das Virus von heimischen<br />

Gnitzen übertragen und nicht, wie Anfang 2007<br />

angenommen, von „fremden Insekten“.<br />

Seit Auftreten der BT wurden die Vorschriften<br />

bis Ende 2007 schon 22 mal geändert und der<br />

Krankheit angepasst.<br />

Das Pharmaunternehmen Merial SAS be<strong>für</strong>chtet,<br />

dass sich das BT-Virus Serotyp 8 stärker in<br />

Europa ausbreitet und die Gefahr besteht, dass<br />

es in Spanien und Portugal auf die Serotypen 4<br />

und 1 trifft. Dies hätte dann weitere Infektionen<br />

zur Folge. Insgesamt sind 24 verschiedene<br />

Serotypen bekannt.<br />

Bekämpfung durch Impfen<br />

Im März 2008 wird nun endlich der erste Impfstoff<br />

an die Tierärzte geliefert. Am 25.05.2008 kommt<br />

der erste Impfstoff auch nach Ostwestfalen.<br />

Schafe müssen einmal geimpft werden, Rinder<br />

zweimal im Abstand von 21 – 28 Tagen.<br />

Die Kosten <strong>für</strong> die ab Mai 2008 laufenden<br />

Impfungen teilen sich die Tierseuchenkasse<br />

und bei uns das Land NRW je zur Hälfte. Die<br />

Impfgebühren, also die Kosten <strong>für</strong> den Tierarzt,<br />

muss jeder Halter selber zahlen. Diese Kosten<br />

setzen sich aus einer Bestandsgebühr von jeweils


38 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

29€ und <strong>für</strong> jedes Rind von 1,35€ zusammen.<br />

Die Tierärzte haben, nachdem die Tierhalter die<br />

Zugangsdaten freigegeben haben, Zugriff auf die<br />

HIT-Datenbank und müssen die durchgeführten<br />

Impfungen dort dokumentieren. Dazu benötigen<br />

die Ärzte die Ohrmarkennummer jedes einzelnen<br />

geimpften Tieres.<br />

Nach dieser Grundimmunisierung müssen die<br />

Wiederkäuer jährlich geimpft werden. Diese<br />

Kosten tragen dann die Halter allein, es sollen<br />

Kosten von 2,50€ - 4,00€/Tier werden.<br />

Impfen unseres Rotviehs<br />

Da der Impfstoff erst nach dem Verbringen<br />

unserer Tiere aus den Ställen auf die Weiden zur<br />

Verfügung stand, waren viele Absprachen und<br />

eine gute Logistik nötig, um die Tiere auf den<br />

Weiden rechtzeitig einzufangen und von den<br />

Tierärztinnen impfen zu lassen.<br />

Ich berichte hier beispielhaft über den Ablauf<br />

einer solchen Impfaktion, von denen wir<br />

insgesamt acht Termine hatten und dabei fast 3,5<br />

t Stahl bewegt haben.<br />

* Absprache zwischen den AG-Kollegen,<br />

auf welcher Weide wir mit dem Impfen<br />

beginnen und wo dann die nächsten Orte<br />

sein sollen<br />

* Terminabsprache mit der Tierarztpraxis<br />

in Verbindung mit möglichen Zeitfenstern<br />

der AG-Kollegen<br />

* Tage vor dem Impftermin wird die<br />

Fanganlage auf der Weide aufgestellt.<br />

Die Tiere sollen sich schon mal an<br />

das „fremde Teil“ auf ihrer Weide<br />

gewöhnen.<br />

* An den folgenden Tagen werden die<br />

Rinder ein- bis zweimal in die mobile<br />

Rinder-Corralanlage gelockt, damit sie<br />

den Vorgang kennen. Dabei verlieren sie<br />

ihre Scheu; durch Lockmittel wie Gras,<br />

Äpfel oder Brot werden sie neugierig<br />

und verbinden das Gitterrondell mit<br />

positiven Erfahrungen.<br />

* Am Impftag werden die Tiere erneut<br />

rechtzeitig eingefangen und in der<br />

Corralanlage gehalten.<br />

* Während der Impfaktion, bei der sich<br />

die Tierärztin und ein Kollege im Corral<br />

aufhalten, wird von allen Helfern darauf<br />

geachtet, welches Tier schon geimpft<br />

wurde und welches noch nicht.<br />

* Nach der Impfaktion werden mit der<br />

Tierärztin die Ohrmarkennummern<br />

der geimpften Rinder verglichen und<br />

notiert.<br />

* In der Zwischenzeit sind die Rinder<br />

schon wieder aus der mobilen Fanganlage<br />

entlassen worden und suchen nach dieser<br />

Aufregung erst mal „das Weite“.<br />

* Die einzelnen Zaunelemente werden<br />

wieder auseinander genommen und<br />

in einer bestimmten Reihenfolge auf<br />

dem Viehanhänger verstaut. Jedes der<br />

acht Zaunelemente wiegt 41 kg, das<br />

Schwingtor dagegen bringt 102 kg auf<br />

die Waage.<br />

* Nach dem Herausfahren aus der Weide<br />

wird das Zauntor wieder geschlossen und<br />

es erfolgt eine erneute Terminabsprache<br />

zwischen allen Beteiligten.<br />

Unsere ersten Tiere wurden am 23.07.08 in der<br />

„Momecke“ geimpft, der letzte Impftermin war<br />

am 12.09.08 im NSG “Auf der Wiemecke“. Leider<br />

ließen sich nicht alle Tiere auf das Pieksen mit der<br />

Impf-Lanze ein und verweigerten die Mitarbeit.<br />

Somit erreichten wir eine Durchimpfung der<br />

Herde von 80,77%. Glaubt man den Fachleuten,<br />

haben fast alle Weidetiere schon mal BT-<br />

Kontakt gehabt und somit Abwehrstoffe gegen<br />

den Serotyp 8 gebildet.<br />

Vorteile unserer Rinderrasse<br />

Unser „Rotes Höhenvieh“ gilt als Robustrasse<br />

und wird mit solchen Erregern fertig. Bei<br />

Lisbeth, unserer 13 Jahre alten RHV-Kuh,<br />

haben wir 2007 ein „Lahmen“ und eine Phase<br />

der „Fressunlust“ beobachtet, die schon nach ein


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Nachwuchs in Obermarsberg mit seiner Mutter Frieda. Foto: Norbert Schröder<br />

paar Tagen nachließ. Nach kurzer Zeit war sie<br />

wieder die Alte: Lisbeth fraß und bewegte sich,<br />

als ob sie nie krank gewesen sei.<br />

Leider sind nicht alle Rinderrassen/ -arten<br />

so widerstandsfähig: Im Wisentgehege in<br />

Hardehausen bei Scherfede sind 10 von 33<br />

Wisenten Opfer der BT in 2007 geworden.<br />

Mittlerweile sind alle dort lebenden Wisente<br />

geimpft. Grund <strong>für</strong> die hohe Anfälligkeit der<br />

Wisente, im Gegensatz zu unseren RHV-Tieren,<br />

soll eine mangelnde Widerstandsfähigkeit<br />

gegen Erkrankungen sein. Es gibt nur<br />

wenige Wisentzuchtbullen. Dadurch ist der<br />

Inzuchtquotient in den Herden sehr hoch. Das<br />

heißt, nahe Verwandte verpaaren sich und die<br />

Robustheit und die Widerstandfähigkeit der<br />

Nachkommen nehmen rapide ab.<br />

Wir von der RHV-AG vermeiden diese Inzucht,<br />

indem wir an unsere Kühe einen genealogisch,<br />

das heißt abstammungsmäßig fremden Bullen<br />

der gleichen Rasse, anpaaren. Daher ist es auch<br />

ein Teil der Arbeit der AG-Mitarbeiter, immer<br />

wieder passende RHV-Bullen zu suchen, die<br />

einen niedrigen Inzuchtquotienten in die Herde<br />

bringen.<br />

Stall gesucht!<br />

39<br />

Bisher verbringen unsere Rinder die<br />

Wintermonate in Ställen verschiedener<br />

Landwirte gegen Entgelt. Leider ist aber kein<br />

Stall in ausreichender Größe zu fi nden, in<br />

der unsere gesamte Herde tierschutzgerecht<br />

gehalten werden kann. Darum suchen wir noch<br />

immer nach einem zentral gelegenen, geeigneten<br />

Stallgebäude im Raum Marsberg/Bredelar <strong>für</strong><br />

unsere gesamte Herde des „Roten Höhenviehs“.<br />

Nachwuchs<br />

Noch während an diesem Artikel geschrieben<br />

wurde, zeigt sich wieder, wie intensiv die Arbeit<br />

mit den Rindern ist. Die Kuh Frieda kalbte am<br />

19.09.08 in Obermarsberg „Auf der Wiemeke“.<br />

Das Kuhkalb benötigte schnellstmöglich seine<br />

Ohrmarken, da es sich in den ersten Lebenstagen<br />

noch einfangen lässt und noch nicht so agil ist.<br />

Schon am dritten Tag rannte es über die Weide,<br />

vollführte „Bocksprünge“ und umkreiste die<br />

kleine Herde.<br />

Norbert Schröder


40 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Sechs Gänsegeier über Arnsberg<br />

Hungerfl üchtlinge aus Südwest-Europa<br />

Am 22. Juni 2008 um 16.25 Uhr entdeckte Joachim Hachmann, ein Mitarbeiter<br />

der Unteren Landschaftsbehörde des HSK, sechs kreisende Gänsegeier über dem<br />

Schreppenberg in Arnsberg. Sie wurden von starkem SW-Wind vor einer Gewitterfront,<br />

bei noch heiterem Wetter, nach Nordosten in den Kreis Soest abgetrieben.<br />

Dies ist die erste Beobachtung von Gänsegeier<br />

und Geiern überhaupt in unserem Kreis. Da Herr<br />

Hachmann Gänsegeier aus dem Urlaub in Spanien<br />

gut kennt, konnte er die Vögel sofort bestimmen.<br />

In Spanien ist der Gänsegeier sehr häufi g, es gibt<br />

dort derzeit 18.000 Brutpaare (HAAS 2008). Die<br />

Beobachtung wurde inzwischen der Deutschen<br />

Seltenheiten-Kommission gemeldet, denn<br />

Beobachtungen seltener Vogelarten werden von<br />

solchen Kommissionen auf ihre Glaubwürdigkeit<br />

hin geprüft, bevor sie in wissenschaftlichen<br />

Artikeln zitiert werden dürfen.<br />

Gänsegeier mit einer Flügelspannweite von<br />

255-290 cm sind eigentlich nicht mit anderen<br />

in Deutschland vorkommenden Vögeln zu<br />

verwechseln. Nur entfl ogene außereuropäische<br />

Geier könnten mit ihnen verwechselt werden. Da<br />

hier gleich sechs Individuen gesichtet wurden,<br />

ist dies aber auszuschließen. Leider ist wie bei<br />

den meisten Beobachtungen in Deutschland<br />

nicht klar, ob es sich um Alt- oder Jungvögel<br />

handelte (KRÜGER & KRÜGER 2007).<br />

In den letzten Jahren kommt es vermehrt zu<br />

regelrechten Einfl ügen von Gänsegeiern nach<br />

Deutschland und ganz Mitteleuropa (KRÜGER &<br />

KRÜGER 2007, HAAS 2008). Von 1800 bis 2004<br />

wurden in Deutschland nur 149 Gänsegeier<br />

dokumentiert (alle Zahlenangaben aus (KRÜGER<br />

& KRÜGER 2007). Im Jahr 2005 begannen sich<br />

dann erstmals die Nachweise mit 28 Ex. zu<br />

häufen. Dann folgten Nachweise von 164 Ex. im<br />

Jahr 2006. Dies sind in einem einzigen Jahr also<br />

mehr als in den 204 Jahren vorher. Für die Jahre<br />

2007 und 2008 liegen noch keine gesammelten<br />

Daten vor.<br />

Gänsegeier brüteten bis zum Mittelalter<br />

auch in Deutschland, wobei die nördlichsten<br />

Brutplätze zwischen Worms und Trier lagen.<br />

Wie Wolf, Luchs, Bär, Elch und viele weitere<br />

Arten wurden auch Gänsegeier von Jägern<br />

bei uns ausgerottet. Heute liegen die nächsten<br />

Brutplätze in Kroatien, Frankreich und Spanien.<br />

Durch Schutzmaßnahmen, unter anderem durch<br />

Wiederansiedlungsprojekte in den Cevennen,<br />

habe die Bestände in den letzten Jahrzehnten<br />

stark zugenommen.<br />

Wahrscheinlich aus Nahrungsmangel<br />

unternehmen nun immer mehr Gänsegeier<br />

Nahrungssuchfl üge aus ihren Brutgebieten weit<br />

nach Norden. Dass diese imposante Vogelart in<br />

Spanien in den letzten Jahren Hunger leidet, liegt<br />

in der EU-Landwirtschaftspolitik begründet:<br />

In Spanien, allein in der Region Aragonien,<br />

wurden bis auf 25 alle der rund 1.000 Muladares<br />

geschlossen. Muladares sind traditionelle<br />

sogenannte Schindanger. Auf diesen<br />

Schindangern werden Tierkadaver entsorgt oder<br />

besser gesagt einfach hingeworfen. Aasfressende<br />

Tiere „kümmern sich“ anschließend um<br />

alles weitere. Eine einfache, preisgünstige<br />

Entsorgungspraxis, auf die heutzutage die<br />

noch individuenreiche Geierpopulation<br />

Südwesteuropas angewiesen ist. Früher gab es<br />

auch deutsche Schindanger; sie wurden aber<br />

schon vor Jahrzehnten geschlossen.<br />

Vor wenigen Jahren hat nun die EU mit der EU-<br />

Hygieneverordnung 1774/2002/EG, begründet<br />

mit der Tierseuche BSE, da<strong>für</strong> gesorgt, dass


auch in Südeuropa Ordnung herrscht. Unter<br />

strengen Hygienekontrollen dürften zwar noch<br />

Schindanger betrieben werden; die Betreiber der<br />

Muladares scheuen aber diesen Aufwand und<br />

wählen nun „moderne“ Entsorgungswege <strong>für</strong><br />

Kadaver.<br />

In Spanien werden inzwischen zunehmend<br />

Angriffe von hungernden Geiern auf Schafe<br />

gemeldet; dabei sind Gänsegeier eigentlich<br />

reine Aasfresser. Zudem werden immer<br />

öfter unterernährte Geier in Pfl egestationen<br />

gebracht. Die Geierangriffe auf Schafe hatten<br />

Vergiftungsaktionen von Bauern zur Folge.<br />

Dies führte dazu, dass 2006 deutlich weniger<br />

Jungvögel fl ügge wurden (KRÜGER & KRÜGER<br />

2007).<br />

So interessant das Erscheinen dieser Großvögel<br />

<strong>für</strong> den deutschen Beobachter auch sein<br />

mag: Es ist eindeutig ein Zeichen, dass die<br />

Gänsegeier in Spanien akut bedroht sind. Ohne<br />

Gegenmaßnahmen wird sich die Population<br />

dieses Landes immens verkleinern und langfristig<br />

aus vielen Landesteilen wohl verschwinden.<br />

Aber in Mitteleuropa können die von Hunger<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Gänsegeier in seiner spanischen Heimat. Foto: F.-J. Stein<br />

41<br />

getriebenen Vögel nicht überleben. Da hier<br />

noch weit weniger Aas zu fi nden ist als in<br />

Südwesteuropa, wurden Gänsegeier bei<br />

uns geschwächt aufgegriffen und mussten<br />

aufgepäppelt werden. Drei der in Greifvogel-<br />

Pfl egestationen wieder fi t gemachten Gänsegeier<br />

erhielten GPS-Satellitensender. Mit den<br />

Sendern konnte der Weg von zwei Geiern bis<br />

nach Frankreich und Spanien (zurück-)verfolgt<br />

werden (KRÜGER & KRÜGER 2007), ein Hinweis,<br />

dass die Tiere nicht aus den Brutgebieten im<br />

Balkan stammen.<br />

Martin Lindner<br />

Literatur:<br />

HAAS, D. (2008): Kehren die Riesenvögel zu uns<br />

zurück? Vögel Leseprobe: 16-21.<br />

KRÜGER, T. & J.-A. KRÜGER (2007): Einfl ug<br />

von Gänsgeiern Gyps fulvus in Deutschland<br />

2006: Vorkommen, mögliche Ursachen und<br />

naturschutzfachliche Konsequenzen, Limicola<br />

21: 185-217.


42 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Vom Allerweltsvogel zur Seltenheit<br />

1. Einleitung<br />

Der Kuckuck Cuculus canorus im Sauerland<br />

Der Kuckuck, von unserem Partner NABU<br />

zum Vogel des Jahres 2008 gewählt, ist<br />

einer der wenigen Vögel, deren Stimme der<br />

Durchschnittsbürger in Deutschland noch<br />

zuordnen kann; dem Lockruf des Männchens<br />

verdankt die Art ihren Namen. Früher wurde der<br />

Kuckuck auch Gauch genannt. Gauch bedeutete<br />

Stiefsohn und weist auf den Brutparasitismus<br />

hin. Das Aussehen des Kuckucks ist hingegen<br />

den meisten Bürgern und wahrscheinlich sogar<br />

den meisten VNV-Mitgliedern unbekannt. Im<br />

HSK gab es in den letzten Jahrzehnten einen<br />

dramatischen Rückgang und inzwischen kommt<br />

er schon im Großteil des Kreises nicht mehr<br />

vor.<br />

Gerichtsvollzieher kleben einen sogenannten<br />

Kuckuck aufs Pfändungsobjekt. Auf dem<br />

Pfändungskleber ist in Deutschland seit<br />

Jahrhunderten ein Adler abgebildet. Da es<br />

früher politisch problematisch, wenn nicht<br />

gar gefährlich war, das Hoheitszeichen der<br />

Obrigkeit zu verspotten, wurde im Volkmund<br />

aus dem Adler der Kuckuck (LIECKFELD &<br />

STRAASS 2002). Der Kuckuck wurde früher als<br />

Künder des nahen Sommers betrachtet. Der<br />

Spruch „Weiß der Kuckuck“ wurde gebraucht,<br />

um den Teufel nicht beim Namen nennen zu<br />

müssen, denn sonst hätte dieser sich ja bemüßigt<br />

fühlen können, leibhaftig zu erscheinen. Ein<br />

plattdeutscher Spruch lautet: „De Kuckuck ropt<br />

seinen Namen ut.“ (Der Kuckuck ruft seinen<br />

Namen aus). Damit waren Personen gemeint,<br />

welche nur ein Gesprächsthema, nämlich sich<br />

selbst, hatten. Früher waren auch Kuckucksuhren<br />

sehr gebräuchlich. Der Kuckuck war wegen<br />

seines Brutparasitismus sehr verrufen, aber<br />

bereits BREHM (1868) empfahl seine Schonung.<br />

2. Stimme und Aussehen<br />

Der Lockruf ist allgemein bekannt. Der Kuckuck,<br />

Junger Kuckuck (Cuculus canorus)<br />

Foto: G. Mornie<br />

genauer das Männchen, ruft im Abstand von 1-<br />

2 Sekunden in langen Serien meist von Warten,<br />

zuweilen auch im Flug. Die Rufplätze einzelner<br />

Männchen können bis zu 20 km auseinander<br />

liegen. Vor allen die frühmorgendliche<br />

Rufaktivität konzentriert sich auf Gebiete mit<br />

potenziellen Wirtsvögeln.<br />

Der Kuckuck hat eine Größe ähnlich des letzten<br />

Vogels des Jahres, des Turmfalken.<br />

Die Länge der ausgewachsenen Vögel beträgt<br />

35-39 cm, wovon 17 cm auf den Schwanz<br />

entfallen; sie haben eine Flügelspannweite von<br />

54-60 cm und wiegen ca. 117 g.<br />

Kuckucke haben eine weiße Brust mit schwarzer<br />

Sperberung. Die Oberseite, Kopf und Brust sind<br />

beim Männchen immer und beim Weibchen meist<br />

blaugrau, ferner sind Schwingen und Steuerfedern<br />

bleischwarz. Bei den Weibchen gibt es auch eine


aune Morphe, bei der die sonst blaugrauen<br />

oder bleischscharzen Gefi ederbereiche braun<br />

sind. Die fl üggen Jungvögel sind schiefergrau<br />

mit brauner Tönung. Bei Weibchen der braunen<br />

Morphe und Jungvögeln ist das gesamte Gefi eder<br />

mit Querbänderung versehen. Iris, Lidring,<br />

Schnabelbasis und Füße sind bei allen Kuckucken<br />

gelb. Der Schnabel selbst ist schwarz.<br />

Durch die Sperbung der Brust und die sonst<br />

meist graue Färbung des Gefi eders kann der<br />

Kuckuck auf den ersten Blick mit dem Sperber<br />

verwechselt werden. Früher glaubte man auch,<br />

dass sich Kuckucke im Winter in Sperber<br />

verwandeln würden. Denn im Winter blieben<br />

die Kuckucke verschwunden; Sperber dagegen<br />

zieht es in diesen Monaten auch in gartenreiche<br />

Siedlungsbereiche.<br />

3. Fortpfl anzung und Wanderungen<br />

Der Kuckuck ist ein Brutschmarotzer, denn<br />

er legt seine Eier in die Nester anderer Vögel.<br />

Die ahnungslosen Wirtsvögel dürfen seinen<br />

Nachwuchs großziehen. Dieser Brutparasitismus<br />

ist bereits seit Jahrhunderten bekannt. Schon der<br />

Staufenkaiser Friedrich II. (1194-1250) schreibt<br />

in seinen berühmten Falkenbuch „De arte<br />

venandi cum avibus“ (Von der Kunst mit Vögeln<br />

zu jagen) darüber (KINZELBACH 2008).<br />

Kuckucksweibchen legen ihre Eier<br />

normalerweise immer in die Nester der Vogelart,<br />

bei der sie selbst aufwuchsen. Die Eier sind sehr<br />

verschieden gefärbt, sie ähneln in der Färbung<br />

meist der Eifarbe der Wirtseltern. 28 Arten<br />

wurden in Deutschland bereits als Wirtseltern<br />

nachgewiesen, weltweit mindestens 160 Arten.<br />

Aber nur wenige Arten von Singvögeln sind als<br />

Wirtseltern wirklich bedeutend. Meist sind es<br />

Rohrsänger, Pieper, Stelzen und Rotkehlchen.<br />

Doch selbst in Nestern von Grünspecht,<br />

Jagdfasan, Ringel- und Hohltaube hat man<br />

Kuckuckseier gefunden, wobei es sich im Falle<br />

von Nichtsingvögeln eher um Irrtümer handeln<br />

dürfte.<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

43<br />

Weibchen legen ihre 4-22 Eier immer einzeln in<br />

jeweils ein Nest zu dem Gelege der Wirtsvogelart.<br />

Vor dem Legen des eigenen Eis entfernen<br />

Kuckucksweibchen auch immer ein Ei aus dem<br />

Wirtsnest, um die Eizahl gleich zu lassen. Die<br />

Wirtsvogelarten kennen den Kuckuck scheinbar<br />

als Brutparasiten, denn sie versuchen, den<br />

Kuckuck aktiv aus ihrem Revier zu vertreiben.<br />

Manche Singvogelarten, etwa Drosseln,<br />

erkennen scheinbar meist das Kuckucksei und<br />

entfernen es. Andere Vögel überdecken das<br />

fremde Ei mit Nistmaterial und brüten es nicht<br />

aus oder sie verlassen „ihr“ Gelege.<br />

Nach 11-13 Tagen Bebrütung schlüpft der<br />

Kuckuck. Dem gerade geschlüpften Jungkuckuck<br />

ist angeboren, die anderen Eier und Jungvögel<br />

aus „seinem“ Nest zu werfen, bis er allein im<br />

Nest verbleibt. Die Jungkuckucke sind etwa<br />

doppelt so groß wie die eigenen Jungvögel.<br />

zudem haben gerade geschlüpfte Jungkuckucke<br />

eine so genannte Rückengrube, die es ihnen<br />

besser ermöglicht, die Eier ihrer Stiefgeschwister<br />

rücklings aus dem Nest zu werfen. Trotzdem<br />

werden sie von den Stiefeltern gefüttert. Kurz<br />

vor dem Ausfl iegen sind Kuckucke dann oft<br />

doppelt so groß wie diese und füllen das ganze<br />

Nest aus. Nach 21-23 Tagen ist der Jungkuckuck<br />

fl ügge. Der ausgefl ogene Vogel wird noch 2 bis<br />

3 Wochen weiter gefüttert.<br />

Der Kuckuck hält sich nur von April bis<br />

September in Deutschland auf und überwintert<br />

im tropischen Afrika oder in Südasien (östliche<br />

Brutgebiete).<br />

4. Verbreitung, Bestand und Schutz<br />

Weltweit gibt es 128 verschiedene Kuckuckarten.<br />

In Europa kommen neben unserem Kuckuck<br />

nur der Häherkuckuck in Südeuropa und der<br />

Hopfkuckuck in Nordosteuropa vor.<br />

Der Kuckuck lebt im Sommer fast in ganz<br />

Eurasien, Ausnahmen sind nördlichste Gebiete<br />

und Südasien. Er kann mit Ausnahme von<br />

Stadtgebieten und ausgeräumter Agrarlandschaft


44 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

eigentlich überall vorkommen, sofern genug<br />

Wirtsvögel vorhanden sind. Die höchsten<br />

Dichten erreichen Kuckucke aber in einer<br />

halboffenen Landschaft.<br />

Noch 1846 schreibt SUFFRIAN über die Verbreitung<br />

im Regierungsbezirk Arnsberg: „Ueberall nicht<br />

selten, aber auch nicht gemein; die Eier werden<br />

vorzugsweise in den Nestern von Rothkehlchen<br />

und Grasmücken angetroffen. Die rothe Abart<br />

(cuculus rufus der Ornithologen) ist nur einige<br />

male in der Gegend von Glindfeld als brütender<br />

Vogel getroffen, verstreicht sich aber öfter,<br />

vermutlich aus Thüringen kommend hierher.“<br />

KOCH schreibt 1881 über unterschiedliche<br />

westfälische Bestandsverhältnisse in höheren<br />

Lagen und im Flachland: „Überall vorkommender<br />

Brutvogel, doch scheint der Kuckuck im Gebirge<br />

weniger häufi g zu sein, als in der Ebene. Kommt<br />

im letzten Drittel des April an.“<br />

Noch 1951 schreibt GILLER über die Gegend<br />

um Bestwig-Heinrichsdorf: „In Laub- und<br />

Mischwäldern gut vertreten.“<br />

Inzwischen sind große Bereiche des<br />

Hochsauersandes praktisch geräumt und es<br />

kommt in den meisten Gebieten nur noch selten<br />

zu Einzelnachweisen von Rufern. Nur in den<br />

höchsten Gebiete des HSK in den Stadtgebieten<br />

von Winterberg und Schmallenberg, ferner im<br />

Diemeltal werden noch feste Reviere besetzt.<br />

Im letzten Jahrzehnt werden im HSK jedes Jahr<br />

20 bis 25 Rufer nachgewiesen. In den letzten<br />

Jahren gab es nur einen Brutnachweis. Dieser<br />

gelang im NSG „Neuer Hagen“ bei Winterberg-<br />

Niedersfeld.<br />

Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft<br />

(OAG) im VNV hat 1995, 2007 und 2008<br />

Aufrufe in der Presse gestartet, um an weitere<br />

Daten zu kommen. Die Presseaufrufe brachten<br />

einige weitere Nachweise, wobei einzelne<br />

Kuckucke gleich von mehreren Leuten gemeldet<br />

wurden. Auch diese Nachweise bestätigten die<br />

vorherigen Befunde der OAG.<br />

Die Rückgangsursachen des Kuckucks sind<br />

nicht eindeutig geklärt. Neben dem Rückgang<br />

vieler Wirtsvogelarten wird vermutet, dass<br />

der drastische Insekten-Rückgang in unserer<br />

Landschaft verantwortlich <strong>für</strong> seinen Rückgang<br />

ist (BAUER et al. 2005). Als weitere Ursache<br />

wird auch die allgemeine Klimaveränderung<br />

vermutet. Wegen der Klimaerwärmung beginnen<br />

heute die meisten Brutvögel früher zu brüten.<br />

Die Kuckucke aber kommen noch immer meist<br />

zu den gleichen Ankunftszeiten wie früher an.<br />

Möglicherweise fi nden die Kuckucke heute<br />

deshalb weniger Gelege von Wirtsvögeln, in die<br />

sie ihre Eier legen können.<br />

Für den direkten Schutz des Kuckucks kann<br />

man kaum etwas unternehmen. Dem Kuckuck<br />

hilft man durch die Erhaltung und Schaffung<br />

von abwechselungsreicher Landschaft.<br />

Schon BREHM (1867) wusste: „.....stellt er als<br />

erste Bedingung an seinen Aufenthaltsort,<br />

dass derselbe reich an kleinen Vögeln, den<br />

Zieheltern seiner Jungen, sei.“ Ferner schreibt<br />

Brehm: „Stets wird man fi nden, dass die Anzahl<br />

der Kuckucke in gleichem Verhältnis mit der<br />

Anzahl der Pfl egeeltern wächst und um so mehr<br />

zunimmt, je häufi ger eine und dieselbe Art der<br />

letzteren in einem bestimmten Umkreis brütet.“<br />

Mit der Anzahl der Wirtsvogelnester steigt auch<br />

die Eizahl des jeweiligen Weibchens. Also gilt<br />

vereinfacht, je mehr Nester von Rohrsängern,<br />

Piepern, Stelzen und Rotkehlchen, desto mehr<br />

Kuckucke gibt es. So hilft ein allgemeiner<br />

Habitat- und Biotopschutz dem Kuckuck am<br />

besten.<br />

Martin Lindner & Bernhard Koch<br />

Literatur:<br />

BAUER, H.-G., E. BEZZEL & W. FIEDLER (2005):<br />

Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas<br />

– Nonpasseriformes – Nichtsingvögel.<br />

Wiebelsheim.


BREHM, A. E. (1867): Brehms Thierleben-<br />

Allgemeine Kunde des Thierreiches. - Große<br />

Ausgabe 2. umgear. u. verm. Aufl ., Abt. Vögel<br />

Bd.3., Verlag des Bibliographischen Instituts<br />

Leipzig, Leipzig.<br />

GILLER, F. (1956): Beträge zur Avifauna des<br />

Sauerlandes. Nat. und Heimat 16: 11-15.<br />

KINZELBACH, R. (2008): Modi auium – Die<br />

Vogelarten im Falkenbuch des Kaisers Friedrich<br />

II. In: FANSA, M. & C. RITZAU (Hrsg.): Von der<br />

Kunst mit Vögeln zu jagen – Das Falkenbuch<br />

FriedrichII. – Kulturgeschichte und Ornithologie:<br />

63-135.<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

45<br />

KOCH, R. (1881): Die Brutvögel des gebirgigen<br />

Teiles von Westfalen. Jber. Zool. Sektion 9: 30-<br />

40.<br />

LIECKFELD, C.-P. & V. STRAASS (2002): Mythos<br />

Vogel. München.<br />

SUFFRIAN, E. (1846): Verzeichnis der innerhalb<br />

des Königl. Preußischen Regierungsbezirks<br />

Arnsberg bis jetzt beobachteten wild lebenden<br />

Wirbelthiere. Jb. Ver. <strong>Natur</strong>k. Herzogtum<br />

Nassau. H. 3: 126-169.<br />

Steinbruch Bilstein bei Brilon entschärft<br />

Amphibien gerettet<br />

Am 20. Mai 2007 wurde der Steinbruch Bilstein zwischen Brilon und Hoppecke<br />

auf das Vorkommen von Kreuzkröten durch drei VNV’ler und zwei Mitarbeiter<br />

des Planungsbüros Nicolay kontrolliert. Bei der Begehung wurden in einem<br />

Sedimentationsbecken (Absetzbecken <strong>für</strong> Gesteinspartikel) des Steinbruchsgeländes<br />

zahlreiche Amphibien und Kaulquappen entdeckt.<br />

Todesfalle<br />

Durch seine Bauweise wird dieses Becken<br />

allerdings schnell zur Todesfalle <strong>für</strong> Amphibien,<br />

weil die Tiere zwar hinein-, aber zumindest die<br />

Alttiere nicht mehr hinausgelangen können.<br />

Es wurden die Arten Erdkröte, Grasfrosch,<br />

Bergmolch und Feuersalamander festgestellt.<br />

Bei den Hunderten von Kaulquappen<br />

handelte es sich um Erdkröten-Kaulquappen.<br />

Im Steinbruchgelände wurde zudem die<br />

Geburtshelferkröten verhört. So ist anzunehmen,<br />

dass auch schon Geburtshelferkröten ins<br />

Sedimentationsbecken gelangt sind.<br />

Die Amphibien werden auf ihren<br />

Laichwanderungen vom Wasser des<br />

Sedimentationsbeckens angezogen und springen<br />

ins Becken. Die Wände des Beckens sind jedoch<br />

senkrecht und glatt, Da das Becken bereits seit<br />

vielen Jahren betrieben wird, dürften hier schon<br />

viele Tausend Amphibien umgekommen sein.<br />

Gegenmaßnahmen<br />

Am 20. Mai und an zwei weiteren Tagen wurden<br />

als erste Nothilfe alle adulten Amphibien<br />

abgekeschert, um zumindest diese Tiere zu<br />

retten. Kaulquappen nach ihrer Metamorphose<br />

(Umwandlung) können möglicherweise durch<br />

das Einlassgitter schwimmen und so der<br />

Todesfalle entkommen.<br />

Am 28. Mai wiesen wir in einem Schreiben<br />

an die Untere Landschaftsbehörde (ULB) über<br />

diese Amphibientodesfalle hin mit der Bitte,


46 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

den Misstand zu beheben. Dieser stellt übrigens<br />

eine Gesetzeswidrigkeit dar. Da auch nach<br />

einem Telefongespräch mit dem zuständigen<br />

Sachbearbeiter der ULB nichts geschah,<br />

wurde am 28. Oktober erneut an die ULB<br />

geschrieben. Nach weiteren Gesprächen mit<br />

dem Sachbearbeiter kam es am 25. Januar 2008<br />

auf Betreiben durch den VNV endlich zu einem<br />

Ortstermin.<br />

An diesem Termin nahmen neben zwei<br />

Vertretern der „Sauerländer Asphaltmischwerke“<br />

(SAM), dem Steinbruchbetreiber, der<br />

Sachbearbeiter der ULB und der Autor teil.<br />

Dabei stellte sich überraschender Weise<br />

heraus, dass das Sedimentationsbecken nicht<br />

zum Steinbruchbetreiber SAM gehörte. Das<br />

Sedimentationsbecken gehört vielmehr zur Firma<br />

„Ruhrtaler Transportbeton“, dass rostige und<br />

teils abgeblätterte Schild der Betonmischanlage<br />

war vom VNV übersehen worden. Trotzdem war<br />

dieser Ortstermin nicht überfl üssig, denn dem<br />

ULB-Sachbearbeiter konnten die zu treffenden<br />

Maßnahmen zum Amphibienschutz am<br />

Sedimentationsbecken direkt erläutert werden.<br />

Die „Ruhrtaler Transportbeton“ nutzt diese<br />

Anlage nur 2-5 mal im Jahr, um Spezialbeton<br />

mit Diabasgestein zu mischen; daher sah dieser<br />

Teil des Steinbruchgeländes auch immer wie<br />

verlassen aus. Normalerweise wird der Beton<br />

dieser Firma an drei anderen Standorten im HSK<br />

ohne Verwendung von Diabasgestein gemischt.<br />

Erfolg durch Beharrlichkeit<br />

Am 13. April 2008 wurde bei einer Kontrolle<br />

durch den Autor festgestellt, dass die<br />

Amphibienschutz-Maßnahmen zum Großteil<br />

wie besprochen umgesetzt wurden. Es wurden<br />

in beiden Kammern des Beckens je eine<br />

verzinkte Rampe und um den Großteil des<br />

Beckens Absperrbleche angebracht. Bei dieser<br />

und weiteren Kontrollen wurden keine adulten<br />

Amphibien mehr im Becken festgestellt.<br />

Kaulquappen gelangen weiterhin ins Becken,<br />

können dieses aber durch Einlassgitter und<br />

die beiden Rampen nach der Metamorphose<br />

verlassen.<br />

Der geschilderte Fall ist einer von inzwischen<br />

wahrscheinlich mehreren hundert Einzelfällen,<br />

wo der VNV die Situation <strong>für</strong> die Tier- und<br />

Pfl anzenwelt konkret und deutlich verbessert<br />

hat. Schon dieser „kleine“ Fall zeigt, dass es<br />

dazu erheblichen (Zeit-)Aufwands bedarf.<br />

Martin Lindner<br />

Todesfalle Absetzbecken im Steinbruch Bilstein<br />

Foto: G. Kistner


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Orchideen im Hochsauerlandkreis 5. Folge<br />

Gattung „Waldhyazinthe“ (Platanthera)<br />

Gartenhyazinthen kennen viele Pfl anzenfreunde. Wer sich den Blütenstand vor<br />

Augen führt, hat gute Chancen, in der <strong>Natur</strong> die Orchideengattung „Waldhyazinthe“<br />

zu erkennen. Jedoch muss man erst einmal eine zu Gesicht bekommen. Das ist das<br />

Problem. Sie kommt zwar teilweise noch regelmäßig vor, aber im HSK ist sie eine<br />

Seltenheit.<br />

Zur Gattung „Platanthera“ gehören ca. 80 Arten,<br />

die hauptsächlich in Asien beheimatet sind. Im<br />

HSK kommen zwei Arten vor.<br />

Grüne Waldhyazinthe (Platanthera<br />

chlorantha), auch Berg-Hyazinthe<br />

Aussehen:<br />

Die Farbe Grün im Blütenstand ist nach meinem<br />

Eindruck bei der Grünen Waldhyazinthe<br />

tatsächlich stärker ausgeprägt als bei der<br />

Zweiblättrigen W., die auch Weiße Waldhyazinthe<br />

heißt. Beide haben aber eine Mischung aus Weiß<br />

und Grün in ihren Blüten.<br />

Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist jedoch<br />

die unterschiedliche Stellung der Pollinien, die<br />

ohne Lupe gut zu erkennen ist. Bei der Grünen<br />

Blüte der Grünen Waldhyazinthe mit trapezförmig stehenden<br />

Pollinien. Foto: R. Götte<br />

47<br />

Waldhyazinthe stehen die Pollinien nach unten<br />

zu trapezförmig auseinander, bei der anderen<br />

Art sind sie parallel angeordnet.<br />

Außerdem ist die Grüne Waldhyazinthe in der<br />

Regel etwas größer und kräftiger.<br />

Beide Arten haben zwei auffällige Grundblätter<br />

und mehrere kleinere Stängelblätter.<br />

Die Höhe beträgt bei beiden bis ca. 50 cm.<br />

Detaillierte Angaben zum Aussehen in<br />

Orchideen-Bestimmungsbüchern.<br />

Bestäubung, Befruchtung, Vermehrung<br />

Ihr Blütensporn ist lang und hat eine enge<br />

Öffnung, so dass nur Schmetterlinge mit ihren<br />

Blüte der Weißen Waldhyazinthe mit parallelen Pollinien.<br />

Foto: R. Götte


48 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

langen Rüsseln hineinpassen. Da sie nur abends<br />

stark duften und auch die helle Farbe in der<br />

Dämmerung auffällig ist, sind es Nachtfalter,<br />

die die Bestäubung durchführen. (Hummeln<br />

und andere Insekten beißen aber schon mal den<br />

Sporn von der Seite auf und holen sich Nektar.)<br />

Man hat durch Färbeversuche festgestellt, dass<br />

es die lange Lippe ist, aus deren Zellen der Duft<br />

entströmt. Die Zunge färbte sich rot und man<br />

schloss daraus, dass hier die Zellhaut besonders<br />

zart ist. So können die Duftmoleküle gut<br />

hindurch. (Literaturangaben sind hierzu leider<br />

nicht mehr möglich, da ich dieses schon sehr<br />

lange „weiß“.)<br />

Blütezeit: Mai/Juni<br />

Biotop<br />

Lichte Laub- und Nadelmischwälder,<br />

Halbmagerrasen. Breite Spannweite von leicht<br />

sauer bis kalkhaltig.<br />

Vorkommen im HSK<br />

Verbreitungsschwerpunkt bei Marsberg (Siehe<br />

Verbreitungskarte)<br />

Allgemeine Verbreitung<br />

„Westwärts bis England und Nordspanien,<br />

nordwärts bis Mittelskandinavien und Baltikum,<br />

ostwärts bis Ukraine und Kaukasus, südwärts<br />

bis Türkei, Griechenland und Italien mit Sizilien<br />

(...)“ Aus SEBALD U.A. (1998), S. 343<br />

Vertikale Verbreitung 3 m - ca. 3500 m NN.<br />

(Zusammengefasst entnommen ebenfalls aus<br />

SEBALD U.A.(s.o.)<br />

Schutz- und Pfl egemaßnahmen<br />

Richard Götte schreibt in seinem VNV-Buch<br />

„Flora im östlichen Sauerland“ über die<br />

Gefährdung der Grünen Waldhyazinthe im<br />

östlichen HSK: „Selten und gefährdet.“ Des<br />

weiteren: Süderbergland RL *, Weserbergland<br />

RL*, NRW RL *.“ (* = ungefährdet)<br />

Verbreitungen der beiden Waldhyazinthen im HSK, (VNV-Datenbank, aktuelle Angaben aus GÖTTE 2007)


Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia),<br />

auch Zweiblättrige Waldhyazinthe oder<br />

Kuckucksblume<br />

Aussehen<br />

Siehe Vergleich mit der Grünen Waldhyazinthe<br />

im vorigen Beitrag!<br />

Bestäubung, Befruchtung, Vermehrung<br />

Wie bei Platanthera bifolia<br />

Blütezeit:<br />

Mai/Juli<br />

Biotop<br />

Lichte Wälder, vor allem Waldränder und<br />

Halbmagerrasen. Breite Spannweite von leicht<br />

sauer bis kalkhaltig.<br />

Vorkommen im HSK<br />

Das Hauptverbreitungsgebiet ist im Nordosten<br />

des HSK zu fi nden. Wo die Art vorkommt,<br />

gibt es meistens gleich zahlreiche Exemplare,<br />

die dicht beieinander stehen. Weiteres siehe<br />

Verbreitungskarte.<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Weiße Waldhyazinthe in einem Eichenwald bei Medebach<br />

Foto: R. Götte<br />

49


50 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Allgemeine Verbreitung<br />

„Westwärts bis England und Nordspanien,<br />

nördlich bis Nordskandinavien und Sibirien,<br />

südlich Sardinien, Süditalien, Griechenland,<br />

Türkei, Kaukasus, Himalaya (...)“ Aus SEBALD<br />

U.A. (1998), S. 340<br />

Vertikale Verbreitung in Europa 0 m - ca. 2500<br />

m NN. (Zusammengefasst entnommen ebenfalls<br />

aus SEBALD U.A.(s.o., S. 341)<br />

Schutz- und Pfl egemaßnahmen<br />

Richard Götte schreibt in seinem VNV-Buch<br />

„Flora im östlichen Sauerland“ über die<br />

Gefährdung des Grünen Waldhyazinthe im<br />

östlichen HSK:<br />

„Durch Intensivierung des Grünlandes und<br />

Aufforstung starker Rückgang im letzten<br />

Jahrhundert. Stark gefährdet. Süderbergland RL<br />

2, Weserbergland RL 2, NRW RL 3<br />

Liebes VNV-Mitglied,<br />

Literatur:<br />

ARBEITSKREIS HEIMISCHER ORCHIDEEN NRW<br />

(2001): Die Orchideen Nordrhein-Westfalens<br />

BAUMANN / KÜNKELE (1982): Die wildwachsenden<br />

Orchideen Europas<br />

GÖTTE, R. (2007): Flora im östlichen Sauerland<br />

– <strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- und Vogelschutz e.V.<br />

HAEUPLER, H., A. JAGEL UND W. SCHUMACHER<br />

(2003): Verbreitungsatlas der Farn- und<br />

Blütenpfl anzen in Nordrhein-Westfalen<br />

REINHARD u.a. (1991): Die Orchideen der<br />

Schweiz und angrenzender Gebiete<br />

RUNGE, F. (1990): Die Flora Westfalens<br />

SEBALD u.a. (1998): Die Farn- und Blütenpfl anzen<br />

Baden-Württembergs, Band 8<br />

Veronika Falkenstein<br />

Angebot an unsere Mitglieder:<br />

Infos per E- Mail<br />

zwischen dem Erscheinen der einzelnen <strong>IRRGEISTER</strong>-Hefte liegt ein relativ langer Zeitraum.<br />

Darum das Angebot an alle VNV-Mitglieder:<br />

Wenn Sie uns Ihre E-Mail-Adresse mitteilen, erhalten Sie in unregelmäßigen<br />

Abständen zusätzliche, aktuelle Informationen zu internen Veranstaltungen (mittelfristig<br />

angesetzte Exkursionen, VNV-Fete, ...) und zu weiteren Aktionen (z.B. Termine <strong>für</strong><br />

Apfelsaftpresse).<br />

Wenn Sie sich in den Verteiler aufnehmen lassen wollen, schicken Sie bitte eine kurze<br />

Nachricht an<br />

Harald Legge, E-Mail: haraldlegge@web.de<br />

Ihre Adresse wird natürlich nicht an Dritte weitergegeben!


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

VNV pachtet Obstwiese in Arnsberg<br />

Der Schutz von Streuobstwiesen ist seit Jahren fester Bestandteil der <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />

unseres <strong>Verein</strong>s. Dabei gilt wie auch bei anderen Lebensräumen: Am sichersten lassen<br />

sich solche Gebiete schützen, die man besitzt. Darum hat der VNV eine Obstwiese bei<br />

Arnsberg angepachtet.<br />

Die im Stadtgebiet gelegene Obstwiese, seit dem<br />

23. Juli 2007 vom VNV angepachtet, befi ndet<br />

sich in der Nähe des Eisenbahnviaduktes. Die<br />

am Hang gelegene Parzelle hat eine Größe von<br />

4.650qm. Die Pachtgebühr wird dem VNV<br />

erlassen.<br />

In der Vergangenheit hat der VNV dort schon<br />

einmal Pfl egeschnitte an den Obstbäumen<br />

durchgeführt. Dies ist in vorheriger Absprache<br />

mit der Stadt auch im vorletzten Winter<br />

geschehen. Leider ist durch Kyrill eine große,<br />

alte Rote Sternrenette umgekippt.<br />

Im geringen Umfang sind vor ca. 15 Jahren<br />

auch Neupfl anzungen vorgenommen worden,<br />

z. B. die Apfelsorten Boskoop und Jakob Lebel,<br />

außerdem Hauszwetschge.<br />

51<br />

Kleine randliche Entbuschungsmaßnahmen<br />

wurden im Winterhalbjahr von uns durchgeführt.<br />

Es handelte sich dabei hauptsächlich um Büsche<br />

und kleine Bäume, die in den Kronenbereich der<br />

Obstbäume hineinragten.<br />

Ein Anlieger hat leider im vorletzten Winter<br />

einen Birnbaum gefällt und einen von Kyrill<br />

umgekippten Birnbaum (Totholz!) zersägt.<br />

Dieses nicht legale Vorgehen ist der Stadt<br />

Arnsberg mitgeteilt worden, die den Anwohner<br />

auf dieses illegale Verhalten hinwies.<br />

Jörg Langanki<br />

Gefällter Obstbaum am Schlossberg Foto: J. Langanki


52 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Internetforum <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>beobachtungen eröffnet<br />

VNV gibt Interessierten eine Plattform zum <strong>Natur</strong>austausch<br />

Jeder <strong>Natur</strong>liebhaber, der aufmerksam die <strong>Natur</strong> beobachtet, kennt solche Momente:<br />

Ein Taubenschwänzchen – eine wie ein Kolibri fl iegende Schmetterlingsart – im<br />

eigenen Garten, der Zug der Kraniche im Frühjahr in den Norden oder der Fischadler,<br />

der auf seinem Flug vom oder ins Winterquartier an einem Sauerländischen Stausee<br />

Rast macht, um dort rüttelnd nach Fischen zu jagen.<br />

Seit einigen Monaten gibt es die Möglichkeit,<br />

solche Beobachtungen mit anderen <strong>Natur</strong>freunden<br />

zu teilen: Der VNV hat ein Internetforum<br />

eingerichtet, in dem <strong>Natur</strong>beobachtungen aus<br />

dem Hochsauerlandkreis mitgeteilt und diskutiert<br />

werden können. Vor allem vogelkundlich<br />

Interessierte nutzen inzwischen diese Plattform,<br />

um seltene Beobachtungen zu melden und um<br />

sich auszutauschen.<br />

In anderen Regionen Deutschland sind<br />

solche <strong>Natur</strong>foren schon fest etabliert. Als<br />

sich beispielsweise im November 2007 ein<br />

Thorshühnchen an den Diemelsee verirrt<br />

hatte, machte dies auf einem nordhessischen<br />

Vogelforum schnell die Runde. Für diese<br />

Watvogelart muss man in Europa normalerweise<br />

nach Island reisen, um sie zu beobachten. Bei<br />

dieser Seltenheit setzte dann auch schnell ein<br />

regelrechter Vogeltourismus ein. Vogelfreunde<br />

kamen extra angereist, um diesen Vogel einmal<br />

zu Gesicht zu bekommen.<br />

Seit wir unsere Internetplattform betreiben,<br />

wurden bereits zahlreiche interessante<br />

Beobachtungen aus dem Kreisgebiet von<br />

engagierten <strong>Natur</strong>freunden gemeldet:<br />

durchziehende Fischadler, ein Prachttaucher auf<br />

dem Hennesee oder ein Wiedehopf in Marsberg,<br />

alles Vogelarten, die im HSK beobachtet werden<br />

konnten.<br />

Der VNV möchte mit diesem <strong>Natur</strong>forum<br />

zum einen naturinteressierte Menschen<br />

zusammenbringen sowie Wissen über und<br />

Interesse <strong>für</strong> die heimische <strong>Natur</strong> fördern.<br />

Gerade jüngere Leute werden hoffentlich unsere<br />

Plattforum nutzen. Darüber hinaus sammeln wir<br />

aber auch die Meldungen und werten sie aus. Die<br />

Kenntnisse über das Vorkommen gefährdeter<br />

Tiere und Pfl anzen im großen HSK ist immer<br />

noch lückenhaft. Daher erhalten wir durch die<br />

Auswertung der Beobachtungen also wertvolle<br />

Hinweise über die Verbreitung seltener Arten,<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> deren Schutz.<br />

Über die Jahre betrachtet geben die Meldungen<br />

auch wichtige Hinweise auf klimatische<br />

Änderungen im HSK durch dadurch<br />

hervorgerufene Veränderungen im Verhalten<br />

der Tiere: Wann wurde in diesem Jahr die erste<br />

Erdkröte gesichtet? Welche Vogelarten haben<br />

bei uns überwintert? Steigen die Nachweise<br />

bislang seltenerer Arten wie Hornisse, Maikäfer<br />

und Taubenschwänzchen?<br />

Von Bedeutung <strong>für</strong> solche Fragestellungen<br />

sind dabei nicht nur die spektakulären Arten.<br />

Wir hoffen daher, dass das <strong>Natur</strong>forum von der<br />

Bevölkerung rege angenommen wird!<br />

Das <strong>Natur</strong>beobachtungsforum des VNV ist<br />

unter der Internetadresse www.vnv-hsk.<br />

de/forum erreichbar. Es ist übersichtlich<br />

und einfach aufgebaut, so dass sich auch<br />

„Forumsneulinge“ schnell zurechtfi nden<br />

werden.<br />

Ralf Pohlmeyer


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

53<br />

Thorshühnchen, Wiedehopf, Silberreiher,<br />

Mornellregenpfeifer und Mauerläufer – wenn<br />

sich solche Seltenheiten wie in den letzten<br />

Jahren geschehen ins Sauerland verfl iegen,<br />

können <strong>Natur</strong>freunde zukünftig schnell über<br />

das VNV-<strong>Natur</strong>forum darüber erfahren und<br />

an dem Ereignis teilhaben.<br />

Fotos: R. Götte


54 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Wanderfalkenbrut im Hundekorb<br />

Nisthilfe am Fernmeldeturm Hunau wurde angenommen<br />

Im April 2007 entdeckte Herr Herbert Volkmer aus Schmallenberg-Bödefeld am<br />

Fernmeldeturm Hunau ein Wanderfalkenpaar. Der 171 m hohe Turm „Schmallenberg-<br />

Bödefeld 1“, wie er offi ziell heißt, befi ndet sich auf dem Gipfel des Berges Tüsgenegge<br />

auf 799 m Höhe. Obwohl im April Wanderfalken eigentlich brüten müssten, konnte<br />

keine Brut festgestellt werden. Sofort kam die Vermutung auf, dass dies an einer<br />

fehlenden Nistmöglichkeit am Fernmeldeturm liegen könnte.<br />

Fernmeldeturm in der Hunau<br />

Herr Volkmer, der Entdecker der Falken, ist<br />

schon jahrelang im <strong>Natur</strong>schutz aktiv und der<br />

pensionierte Revierförster des Gebiets. Da ihm<br />

bekannt ist, dass der VNV sich auch intensiv<br />

um den Wanderfalkenschutz im Sauerland<br />

kümmert, kam seine Information über das<br />

Wanderfalkenpaar umgehend zum VNV.<br />

Weil das Paar erst im April entdeckt wurde,<br />

war es bereits zu spät, eine Nistmöglichkeit <strong>für</strong><br />

2007 zu schaffen. Daher wurde beschlossen, im<br />

Frühjahr 2008 einen Nistkorb anzubringen.<br />

Einsatz in luftiger Höhe<br />

Im Januar 2008 stellte VNV-Mitglied Alfred<br />

Raab, der Regionalbetreuer Siegerland der<br />

Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz<br />

(AGW), den Kontakt zum Betreiber des Turms<br />

„Deutsche Funkturm“ (DF) her, da er im<br />

Siegerland bereits Nisthilfen <strong>für</strong> Wanderfalken<br />

an Fernmeldetürmen angebracht hatte. Bei der<br />

DF handelt es sich um einen selbständigen<br />

Firmenteil der Telekom, die alle Fernmeldetürme<br />

der Telekom betreibt.<br />

Am 20. Februar 2008 war es dann soweit:<br />

Am Fuß des Fernmeldeturms traf sich ein<br />

siebenköpfi ges Team (s. Foto). In ca. 15 m<br />

Höhe wurde auf einem Gitterumlaufrost<br />

von Thomas Rasche und Martin Lindner der<br />

Nistkorb befestigt. Beim Nistkorb handelt es<br />

sich um einen einfachen Weidenkorb <strong>für</strong> Hunde.<br />

Dieser Weidenkorb wurde am Gitterumlaufrost<br />

befestigt, mit einem Vlies ausgelegt und mit<br />

Kies gefüllt. Der Nistkorb wurde von dem<br />

Siegerländer Wanderfalkenschützer Dieter<br />

Amthauer gespendet, Kies und Vlies brachte<br />

Alfred Raab mit. Die Lage des Nistkorbs ist auf<br />

dem Foto des Fernmeldeturm ersichtlich.<br />

Brut schon im ersten Jahr!<br />

Beobachtungen von Herrn Volkmer und Herrn<br />

Brune, einem örtlichen Forstmitarbeiter,<br />

erbrachten im gleichen Frühjahr den Nachweis


einer Balz, bei der auch bereits der neue Nistkorb<br />

angefl ogen wurde. Später wurde von Herrn Brune<br />

auch Beuteeintrag zum Nistplatz festgestellt.<br />

Leider wurde das Weibchen ab Ende April nur<br />

noch allein beobachtet. Der Terzel (männlicher<br />

Falke) war verschwunden. Die Gründe sind<br />

völlig unklar. Immer wieder verunglücken<br />

Wanderfalken tödlich bei der Jagd, aber leider<br />

gibt es auch Fälle von illegalen Verfolgungen.<br />

Eine Kontrolle von Herrn Volkmer im Mai auf<br />

dem Turm erbrachte nur noch den Nachweis<br />

eines Eis im Nistkorb. Die Wanderfalken haben<br />

also tatsächlich im Nistkorb gebrütet. Wir hoffen,<br />

dass sich 2009 ein neuer Terzel einfi ndet und es<br />

dann zu einer erfolgreichen Brut kommt.<br />

In Deutschland brüten Wanderfalken bereits seit<br />

1983 an Fernmeldetürmen. Damals brüteten<br />

die Großfalken erstmals am Fernmeldeturm in<br />

Frankfurt (ANHÄUSER 1984). Inzwischen gibt es<br />

in Deutschland zahlreiche weitere Brutplätze an<br />

Wanderfalke hoch am Himmel<br />

Foto: R. Götte<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

55<br />

Fernmeldetürmen. Aus Sicht eines Wanderfalken<br />

sind solche menschlichen Bauwerke günstige<br />

Brutplätze, denn eine Gefahr durch Beutegreifer<br />

wie Steinmarder, die an natürlichen Felsen schon<br />

mal ein Gelege und Jungfalken ausnehmen, ist<br />

dort ausgeschlossen. Auch sind Störungen von<br />

Kletterern und anderen Freizeitnutzern nicht<br />

möglich. Allerdings müssen Wartungsarbeiten<br />

im Umfeld des Brutplatzes außerhalb der<br />

Brutzeit durchgeführt werden, was bei guter<br />

Zusammenarbeit mit dem Betreiber eines<br />

Bauwerks, hier DF, gewährleistet ist. Lediglich<br />

die Gefahr durch fl iegende Beutegreifer wie den<br />

Uhu besteht dort. Und wenn der Brutplatz wie in<br />

diesem Fall so gestaltet ist, dass er geschützt ist,<br />

erfüllt er alle Bedürfnisse eines Wanderfalken.<br />

Dank an die Deutsche Funkturm<br />

Der VNV bedankt sich herzlich bei der<br />

„Deutschen Funkturm“ <strong>für</strong> die Erlaubnis, den<br />

Nistkorb anbringen zu dürfen, und <strong>für</strong> die gute<br />

und erfreulich unkomplizierte Zusammenarbeit!<br />

Martin Lindner<br />

Literatur:<br />

ANHÄUSER, H. (1984): Frankfurter<br />

Wanderfalken. In: Deutscher Falkenorden<br />

(Hrsg.): Der Wanderfalke – Berichte über ein<br />

Artenschutzprogramm: 49-53.<br />

Die beteiligten Wanderfalkenförderer unter dem Hunauturm.<br />

Foto: U. Brune


56 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

ADEBAR – Atlas Deutscher Brutvogelarten<br />

VNV beteiligt sich an Megaprojekt<br />

Lediglich Brutvogelkartierungen aus einzelnen Regionen Deutschlands wurden<br />

in der Vergangenheit durchgeführt. Ein bundesweiter Verbreitungsatlas der<br />

Brutvögel Deutschlands fehlte bislang. Diese Lücke schließt nun ADEBAR, das<br />

größte Kartiervorhaben, zu dem jemals in unserem Land aufgerufen wurde. Für<br />

den Atlas Deutscher Brutvogelarten sollte der Brutvogelbestand möglichst vieler<br />

Messtischblätter (MTB = topografi sche Karten 1:25.000) Deutschlands untersucht<br />

werden.<br />

Dabei wurde <strong>für</strong> häufi ge Arten angegeben, ob sie<br />

auf dem jeweiligen MTB vorkommen oder nicht.<br />

Seltene Arten brauchten nicht gesucht werden, sie<br />

sind durch andere laufende Kartierungen schon gut<br />

erfasst. Die meiste Arbeit machten die mittelhäufi gen<br />

Arten: Für diese mussten <strong>für</strong> jedes MTB und jede<br />

Art auch Häufi gkeitsklassen angegeben werden.<br />

Diese Schätzungen beruhen auf den Ergebnissen der<br />

Feldarbeit während der Brutzeit.<br />

Zusätzlich zum ADEBAR-Projekt wurde <strong>für</strong><br />

Nordrhein-Westfalen auch noch nach gleicher<br />

Methode auf Quadrantenbasis kartiert, also auf<br />

MTB-Vierteln. Diese Daten sind Grundlage <strong>für</strong> einen<br />

NRW-Verbreitungsatlas.<br />

Die Brutsaison 2008 beendete den Kartierzeitraum.<br />

Bis spätestens Ende 2008 müssen die Daten<br />

abgegeben worden sein.<br />

Die MTB bzw. die Quadranten des HSK<br />

wurden sämtlich durch die Ornithologische<br />

Arbeitsgemeinschaft im VNV (OAG) abgedeckt,<br />

angesichts der Größe des Kreises kein leichtes<br />

Unterfangen – der HSK besitzt immerhin eine<br />

ähnliche Fläche wie das Saarland.<br />

In der Praxis wurde dabei zweigleisig vorgegangen:<br />

Einige der MTB und Quadranten, verteilt über<br />

den Kreis, wurden bis einschließlich 2008 nach<br />

den Projektvorgaben durch einzelne Ornithologen<br />

kartiert.<br />

Für die sonstigen MTB und Quadranten gab die<br />

OAG Einschätzungen ab. Diese basierten zum einen<br />

auf den Ergebnissen der Kartierungen. Zum anderen<br />

konnte die OAG auf die Daten und Erfahrungen der<br />

internen jahrelangen Kartierungen zurückgreifen;<br />

viele der von der OAG jährlich erfassten Arten zählen<br />

Durch regelmäßige Vogelbeobachtungen werden gute Datengrundlagen<br />

geschaffen. - Bernhard und Ralf sehen was.<br />

Foto: H. Legge<br />

zu den mittelhäufi gen des ADEBAR-Projektes.<br />

Nun, nach Abgabe der Daten aus dem gesamten<br />

Hochsauerlandkreis, können wir mit Fug und<br />

Recht stolz sein: Wir haben solide Daten <strong>für</strong> das<br />

Riesenprojekt geliefert. Unser Beitrag ist auch<br />

deshalb wichtig, da einige unserer Brutpopulationen<br />

überregionale Bedeutung besitzen (z. B. die von<br />

Schwarzstorch, Raubwürger und Braunkehlchen) und<br />

es auf Grund der Topografi e weitere Besonderheiten<br />

gibt. Dabei waren einige der Kartierergebnisse selbst<br />

<strong>für</strong> die OAG überraschend, obwohl doch unser<br />

Gebiet ornithologisch gut erfasst ist. Gleichzeitig<br />

hat jeder Kartierer Neues über Vögel und über deren<br />

Verbreitung in seiner Heimat gelernt. Und nicht<br />

zuletzt kam er im Rahmen der Kartierung in Ecken,<br />

an denen er früher immer vorbeigefahren/ gegangen<br />

war.<br />

Harald Legge


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Sei aktiv im <strong>Natur</strong>schutz!<br />

Mach mit bei den Arbeitseinsätzen 2008 / 2009<br />

Wir bieten dir:<br />

• sportliche Aktivitäten in der freien <strong>Natur</strong><br />

• lustige, kurzweilige Atmosphäre<br />

• die Gewissheit, der heimischen <strong>Natur</strong> Gutes zu tun<br />

• ein kühles Bier und lecker Kuchen zwischendurch<br />

Der praktische <strong>Natur</strong>schutz bildet den Schwerpunkt des VNV. Darum führen wir regelmäßig Arbeitseinsätze<br />

zum Erhalt wertvoller Lebensräume durch. Durch diesen Lebensraumschutz erhalten wir viele vom<br />

Aussterben bedrohte Tier- und Pfl anzenarten.<br />

Auch DU kannst helfen! Wir freuen uns, wenn du an einem unserer Arbeitseinsätze in unseren Schutzgebieten<br />

teilnehmen würdest. Diese fi nden ab Spätsommer regelmäßig (ca. alle 2 Wochen) samstags statt. Sie beginnen<br />

um 9.00 Uhr und dauern bis in den frühen Nachmittag. Bitte mitbringen: dein Brot <strong>für</strong> die Mittagspause, ggf.<br />

Mineralwasser, ggf. Arbeitshandschuhe.<br />

Für Mitfahrgelegenheiten und den genauen Ort/Treffpunkt kannst du bei den Projektleitern anrufen, die dir<br />

gerne eine Fahrmöglichkeit mit einem örtlichen VNV-Aktiven vermitteln. Da es kurzfristig zu Änderungen<br />

von Einsätzen gegenüber dieser Liste kommen kann, empfi ehlt es sich unbedingt, den Leiter vorher<br />

anzurufen!<br />

Arbeitseinsätze des VNV:<br />

03.01.2009: NSG „Braunshauser Heide“ bei Hallenberg-Braunshausen – Entbuschen der Heide<br />

(Leiter: Franz-Josef Stein, 02991/1281)<br />

17.01.2009: NSG „Wulsenberg“ bei Marsberg – Abharken eines gemähten Halbtrockenrasens<br />

(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />

31.01.2008: NSG „Steinert“ bei Sundern-Allendorf – Abharken eines gemähten Trockenrasens<br />

(Leiter: Martin Lindner, 02933/5639)<br />

14.02.2008: NSG „Wulsenberg“ bei Marsberg – Abharken eines gemähten Halbtrockenrasens<br />

(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />

28.02.2008: NSG „Wulsenberg“ bei Marsberg – Abharken eines gemähten Halbtrockenrasens<br />

(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />

14.03.2008: wird noch bekannt gegeben<br />

28.03.2009: wird noch bekannt gegeben<br />

Siehe auch unter www.vnv-hsk.de<br />

57


58 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Flora im östlichen Sauerland<br />

Zwischenbericht<br />

Vor gut einem Jahr ist das zweite Buch des <strong>Verein</strong>s<br />

<strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- und Vogelschutz im HSK e.V.,<br />

die „Flora im östlichen Sauerland“, erschienen.<br />

Die Buchveröffentlichung fand nach einem besucherreichen<br />

und gelungenen Abend eine sehr<br />

gute Präsenz in der örtlichen Presse.<br />

Sofort lief der Buchverkauf an und es konnten<br />

in kurzer Zeit mehrere Hundert Leser mit der<br />

Flora beliefert werden.<br />

Auch wurde die Veröffentlichung durch acht<br />

Vortragsabende des Autor in verschiedenen Gemeinden<br />

des östlichen Sauerlandes begleitet.<br />

Hier war die Besucherresonanz aber eher spärlich.<br />

Eine größere Zuhörerzahl wäre wünschenswert<br />

gewesen.<br />

In den unterschiedlichsten Publikationen wurde<br />

das Buch in den nächsten Monaten vorgestellt.<br />

Botanischen Fachzeitschriften wie die KOCHIA<br />

oder die Berichte der Bayrischen Botanischen<br />

Gesellschaft rezensierten die Flora.<br />

Das landwirtschaftliche Wochenblatt und die<br />

Zeitschrift des Sauerländer Heimatbundes „Sauerland“<br />

stellten das Buch vor.<br />

In <strong>Natur</strong>schutz-Publikationen wie den „Beiträgen<br />

zur <strong>Natur</strong>kunde zwischen Egge und Weser“,<br />

„<strong>Natur</strong> in NRW“ oder den NABU-Mitteilungen<br />

„NATURSCHUTZ IN NRW“ fand die Flora Beachtung.<br />

Auch in Internetportalen wie „www.<strong>Natur</strong>-in-<br />

NRW.de“ wird die Flora ausgiebig gewürdigt.<br />

Einen großen Erfolg hatte die ganzseitige Vorstellung<br />

der Veröffentlichung auf der Wochenendseite<br />

der WESTFALENPOST. Aus dem<br />

ganzen Sauerland und darüber hinaus wurde das<br />

Buch geordert.<br />

Facheinrichtungen, Universitäten, Bibliotheken<br />

und Büchereien in ganz Deutschland haben die<br />

Flora im östlichen Sauerland in ihren Bestand<br />

aufgenommen.<br />

Bedingt durch das hohe Gewicht der Flora ist<br />

der Versand jedoch aufwendig und relativ teuer.<br />

Wo es eben möglich war, wurde das Buch deshalb<br />

auch durch VNV-Mitglieder verteilt oder<br />

zugestellt.<br />

Auch gab es teilweise Schwierigkeiten oder Verzögerungen<br />

bei der Bestellung der Flora. Nicht<br />

immer konnten Buchläden oder Direktkunden<br />

die Lieferadresse sofort fi nden.<br />

Die Bilanz nach einem Jahr ist zufriedenstellend.<br />

Über die Hälfte der Bücher ist verkauft.<br />

Das Echo ist sehr positiv. Wir wollen hoffen,<br />

dass der Verkauf der Flora kontinuierlich weiter<br />

geht und in den nächsten Jahren das Buch noch<br />

viele Male den Weg zum interessierten Leser<br />

fi nden wird.<br />

Richard Götte


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Einzigartige Felslebensräume durch Klettern bedroht<br />

Über die Salami-Taktik zweier Kletterverbände<br />

<strong>Natur</strong>felsen und vom Menschen gemachte Felsen wie Steinbrüche sind<br />

Extremlebensräume, auf die hochspezialisierte Tier- und Pfl anzenarten angewiesen<br />

sind. Daher stehen viele von ihnen unter <strong>Natur</strong>schutz. Doch von einer Minderheit<br />

von Freizeitsportlern geht eine Bedrohung <strong>für</strong> diese Lebensräume und die dort<br />

vorkommenden Arten aus: Seit über 15 Jahren versuchen Hobbykletterer im HSK<br />

vehement, <strong>für</strong> möglichst viele Felsen eine Aufhebung des Kletterverbots zu erwirken.<br />

Felsen mit seltener Moos- und Flechtenfl ora im NSG „Bruchhauser Steine“ Foto: R. Götte<br />

Wer klettert, schwebt nicht!<br />

Ein <strong>Natur</strong>schutzgebiet wird eingerichtet zum<br />

Schutz der <strong>Natur</strong>. Hier sollten die Interessen der<br />

<strong>Natur</strong> demnach Vorrang haben vor Interessen<br />

des Menschen, wenngleich ein ehrlicher<br />

Interessenausgleich nötig und auch machbar ist.<br />

Daher ist die Position des VNV wie aller<br />

gesetzlich anerkannten <strong>Natur</strong>schutzverbände:<br />

Wenn gefährdete Brutvogelarten wie<br />

Wanderfalke und Uhu, die sehr anfällig<br />

gegenüber Menschen in ihrer Brutwand sind,<br />

in einem <strong>Natur</strong>schutzgebiet vorkommen, darf<br />

dort nicht geklettert werden. Auch in Felsen,<br />

59<br />

in denen seltene Pfl anzenarten gedeihen, muss<br />

das Klettern tabu bleiben – denn: Wer klettert,<br />

schwebt nicht. Durch starkes Klettern an den<br />

Bruchhauser Steinen – was bis 1989 erlaubt<br />

war, wurden beispielsweise Pfl anzenarten fast<br />

ausgerottet, die in Deutschland ansonsten nur<br />

noch in den Alpen vorkommen und nur noch in<br />

diesen Felsen eiszeitliche Relikte darstellen.<br />

Die Position der <strong>Natur</strong>schützer ist dabei keine<br />

andere als die der <strong>Natur</strong>schutzgesetzgebung.<br />

Gleichzeitig sagt der VNV: Wir sind bereit,<br />

gemeinsam mit den hiesigen Kletterverbänden


60 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Deutscher Alpenverein (DAV) und<br />

Interessengemeinschaft Klettern (IG Klettern)<br />

solche Felsen zu suchen, die attraktiv <strong>für</strong> den<br />

Klettersport sind und sich gleichzeitig aus<br />

<strong>Natur</strong>schutzsicht unproblematisch bzw. weniger<br />

problematisch darstellen.<br />

Diesem Ansinnen verweigern sich die<br />

organisierten Kletterer leider. Vielmehr<br />

versuchen sie durch Lobbyarbeit, Vorteile auf<br />

Kosten der <strong>Natur</strong> zu erringen (s.u.). Im selben<br />

Zug stellen sie ihr Hobby als <strong>Natur</strong>schutz dar,<br />

indem sie ihre „<strong>Natur</strong>verbundenheit“ betonen.<br />

Laut einer Pressemitteilung des DAV vom<br />

13. September 2008 befi ndet sich das NSG<br />

„Bruchhauser Steine“ unter den „Top Ten“ der<br />

absurdesten Kletterverbote in Deutschland auf<br />

Platz 5. Dabei ist wissenschaftlich belegt, dass<br />

dort seltenste Pfl anzenarten durch Klettern stark<br />

abgenommen haben.<br />

Mehrere Moos- und Flechtenarten haben ihren<br />

einzigen Standort im nördlichen Deutschland nur<br />

an diesen Felsen. Da diese Arten unscheinbar in<br />

den Felswänden wachsen, sind sie durch Kletterei<br />

unmittelbar bedroht. Die „alten Kletterrouten“<br />

weisen hier deutlichen Artenschwund auf.<br />

Das NSG „Hönnetal“ (Märkischer Kreis)<br />

befi ndet sich sogar auf Platz 2, obwohl dort an<br />

vier Felsen geklettert werden darf. Das NSG<br />

„Rurtal“ (Kreis Düren) belegt den Platz 1. In<br />

diesem NSG, welches der DAV sinnigerweise als<br />

Klettergarten Nordeifel bezeichnet, darf sogar an<br />

8 Felsen geklettert werden. Hier wird deutlich,<br />

dass die Kletterer überall ihr Hobby praktizieren<br />

wollen, auch wenn sie dadurch wertvolle <strong>Natur</strong><br />

gefährden.<br />

Positiv gilt es zu vermelden, dass die frühere<br />

Internetseite www.klettern-in-bruchhausen.de<br />

von der „Interessengemeinschaft Klettern“ (IG<br />

Klettern) endlich aus dem Internet verschwunden<br />

ist. Dort wurde auf teils aggressive Weise das<br />

Klettern in den Bruchhauser Steinen gefordert.<br />

Die „Kletterarena Sauerland“ – Salamitaktik<br />

der Hobbykletterer<br />

Derweil schreiten die Bemühungen der<br />

hiesigen Kletterverbände DAV und IG Klettern<br />

zur „Kletterarena Sauerland“ weiter voran<br />

(STEINACKER 2008). Am 4. Juni diesen Jahres<br />

beschäftigte sich der Landschaftsbeirat des HSK<br />

mit „Kletterkonzepten/Befreiungsanträgen der<br />

„IG Klettern“ im Deutschen Alpenverein <strong>für</strong><br />

einen Steinbruch am Ostenberg, Bestwig und <strong>für</strong><br />

einen Steinbruch am Iberg, Siedlinghausen“.<br />

Sowohl <strong>für</strong> den Steinbruch am Breberg im<br />

Valmetal bei Bestwig als auch <strong>für</strong> den Steinbruch<br />

am Iberg bei Winterberg-Siedlinghausen sind<br />

Befreiungen nach dem Landschaftsgesetzt<br />

notwendig: Im Steinbruch am Breberg befi ndet<br />

sich ein per Gesetz geschützter Lebensraum<br />

(= § 62 Biotop 1 ), hier ein Feuchtbiotop mit<br />

Vorkommen der Igelsegge (Carex echinata).<br />

Diese wird in der Roten Liste NRW als gefährdet<br />

geführt. Im Fall Iberg sind Teile des Bruchs als<br />

NSG geschützt.<br />

Der Landschaftsbeirat lehnte einstimmig die<br />

Beratung über die Befreiungsanträge der IG<br />

Klettern ab und forderte stattdessen zuerst ein<br />

Gesamtkonzept <strong>für</strong> die „Kletterarena Sauerland“.<br />

Der Landschaftsbeirat setzt sich je zur Hälfte<br />

aus Vertretern der <strong>Natur</strong>schutzverbände, unter<br />

anderem aus dem VNV, und Vertretern der<br />

<strong>Natur</strong>nutzer wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft,<br />

Sport usw. zusammen. Bezeichnend ist, dass<br />

sogar der Vertreter des Sports gegen die<br />

Kletterer stimmte. Vertreter der Kletterverbände<br />

waren nicht anwesend. Beiratsmitglied Freiherr<br />

von Fürstenberg, der Vorsitzende der Stiftung<br />

„Bruchhauser Steine“, sprach bei der Beratung<br />

von einer Salamitaktik der Kletterverbände,<br />

bei der jedes Jahr immer weitere Klettergebiete<br />

gefordert würden. In Gesprächen und<br />

über Gerüchte geistern Zahlen von 15-40<br />

Klettergebieten <strong>für</strong> das Sauerland 2 herum.<br />

1 Bei § 62-Biotopen handelt es um Biotope wie natürliche Felsen, Moore, Heiden usw., die<br />

auf Grund ihrer Seltenheit in NRW und Deutschland grundsätzlich geschützt sind. Anders<br />

als ein NSG muss ein § 62 Biotop nicht erst von den Landschaftsbehörden ausgewiesen<br />

werden, sondern ist grundsätzlich geschützt.<br />

2 Die Kletterer verstehen unter Sauerland das Gebiet von Marsberg im Osten bis zum<br />

Hönnetal im Westen und von Soest im Norden bis nach Hallenberg und Bad Berleburg im<br />

Süden (STEINACKER 2008).


Bisher hat der Landschaftsbeirat im HSK nur<br />

schlechte Erfahrungen bezüglich der Einhaltung<br />

von Zusagen der Kletterverbände gemacht. Am<br />

16. März 2006 hatte der Beirat in Anwesendheit<br />

der Kletterverbände die folgenden Beschlüsse<br />

gefasst:<br />

„1.1 Der DAV und die IG Klettern erarbeiten<br />

zunächst <strong>für</strong> die beiden Steinbrüche am<br />

Meisterstein und am Iberg Kletterkonzepte und<br />

stimmen diese mit Vertretern des ehrenamtlichen<br />

<strong>Natur</strong>schutzes ab.<br />

1.2 Anschließend werden diese Konzepte<br />

dem Landschaftsbeirat vorgestellt und zur<br />

Genehmigung vorgelegt.“<br />

Kletterwand im Meisterstein Foto: M. Lindner<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

61<br />

Eine Abstimmung mit dem <strong>Natur</strong>schutz über die<br />

Kletterkonzepte in den Steinbrüchen Meisterstein<br />

und Iberg sowie am Breberg fand aber nie<br />

statt. Da im Meisterstein bereits vom privaten<br />

Alpinzenter Meisterstein legal geklettert wird,<br />

scheinen die Kletterverbände es nicht einmal<br />

<strong>für</strong> notwendig zu halten, ihre Zusage <strong>für</strong> die<br />

Erarbeitung eines Kletterkonzeptes einzuhalten.<br />

Trotz ihrer Zusage vor dem Landschaftsbeirat am<br />

16. März 2006 scheinen die Kletterverbände an<br />

konstruktiven Gesprächen mit dem <strong>Natur</strong>schutz,<br />

respektive dem VNV, keinerlei Interesse zu<br />

haben.<br />

Bezeichnend war die Reaktion von Herrn<br />

Paul Steinacker, dem Vorsitzenden der DAV-<br />

Sektion Sauerland und stellvertretender<br />

Vorsitzender der IG Klettern NRW, am<br />

16. November 2006 in Düsseldorf bei<br />

Gesprächen im Umweltministerium zu<br />

der „Rahmenvereinbarung Klettern und<br />

<strong>Natur</strong>schutz in NRW“ (s. u.) auf ein<br />

Gesprächsangebot des Autors über Einarbeitung<br />

von <strong>Natur</strong>schutzaspekten, insbesondere des<br />

Uhus, in ein zu erarbeitendes Kletterkonzept<br />

Meisterstein. Sinngemäß erklärte Herr<br />

Steinacker, Gespräche über Schutzzonen <strong>für</strong> den<br />

Uhu im Steinbruch seien nicht notwendig, da<br />

der Uhu ja sowieso seinen Brutplatz innerhalb<br />

des Steinbruchs dauernd wechseln würde. Dazu<br />

ist zu sagen, dass Uhus zwar hin und wieder<br />

ihre Brutnische innerhalb des Felsens oder<br />

Steinbruchs wechseln können. Die seit 1976<br />

im HSK vorliegenden Daten zeigen ebenso<br />

wie deutschlandweite Daten hingegen, dass<br />

Uhus im Sauerland wie in ganz Deutschland<br />

nur selten tatsächlich ihre Brutnische wechseln.<br />

Im Bruch Meisterstein ist auf Grund der<br />

örtlichen Gegebenheiten ein Brutplatzwechsel<br />

nur kleinräumig möglich. Dieser <strong>für</strong> den Uhu<br />

notwendige Schutzbereich könnte deshalb<br />

dauerhaft ausgewiesen werden.<br />

Bei der Landschaftsbeiratsitzung am 4. Juni 2008<br />

wurde zudem bekannt, dass die Kletterverbände<br />

sogar bereits an Kletterkonzepten <strong>für</strong> eine Reihe<br />

weiterer wertvoller <strong>Natur</strong>schutzgebiete im HSK


62 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Toter Junguhu in einer Brutnische Foto: M. Lindner<br />

arbeiten. Diese betreffen überwiegend wertvolle<br />

<strong>Natur</strong>felsen wie die NSG „Mühlenbachtal“,<br />

„Kittenberg“, „Leitmarer Felsen“ und „Arnstein“<br />

im östlichen Kreisgebiet. Ferner wird an einem<br />

Kletterkonzept <strong>für</strong> den Steinbruch am Bremberg<br />

in der Nähe des Biathlon-Stadions von Winterberg<br />

gearbeitet. Dieser kleine Steinbruch gilt aus<br />

Sicht des <strong>Natur</strong>schutzes als unproblematisch<br />

und hat auch keinen Schutzstatus.<br />

Dagegen sind die bereits erstellten Kletterkonzepte<br />

<strong>für</strong> das NSG „Arnstein“ und den<br />

Lütkenstein, einem Nebenfelsen der Bruchhauser<br />

Steine im gleichnamigen NSG, als problematisch<br />

zu bezeichnen. Denn z. B. sind die Aussagen<br />

zum Uhu im „Kletterkonzept Arnstein“ schlicht<br />

falsch. Laut dieses Konzeptes brütet der Uhu dort<br />

nicht, weil sich bereits in 1,2 km Entfernung ein<br />

anderes Vorkommen befi ndet. Dass es inzwischen<br />

im HSK bereits zwei Gebiete gibt, bei denen die<br />

Brutnischen zweier Uhubrutpaare nur jeweils<br />

rund 400 m voneinander entfernt sind, ist den<br />

Klettersportlern verborgen geblieben. Bereits<br />

am 16. November 2006 wurde Herrn Steinacker<br />

mitgeteilt, dass im Steinbruch Arnstein 2006<br />

2 Junguhus wegen Störungen durch Kletterer<br />

umkamen (LINDNER 2006a).<br />

Dieser und andere Fehler in Bezug auf<br />

naturschutzfachliche Belange in den bisherigen<br />

Kletterkonzepten hätten leicht vermieden<br />

werden können, wenn die Kletterer ihren<br />

Zusagen bei der Landschaftsbeirat-Sitzung am<br />

16. März 2006 nachgekommen wären. Damals<br />

sagte Herr Steinacker eine Abstimmung mit dem<br />

ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutz, genauer dem VNV,<br />

zu.<br />

Dass Kletterer durch ihr oft illegal betriebenes<br />

Hobby <strong>für</strong> Brutverluste seltener und geschützter<br />

Vogelarten verantwortlich sind, ist im Gebiet<br />

Gentke nachzuweisen. Es handelt sich hierbei<br />

um einen Felsanschnitt einer stillgelegten<br />

Bahntrasse bei Eslohe.<br />

An diesem Uhubrutplatz gab es seit der Besiedlung<br />

im Jahr 2000 noch keine erfolgreiche<br />

Brut. In den Jahren 2001 und 2007 konnten<br />

hier Brutaufgaben nachgewiesen werden. In<br />

den anderen Jahren wurden wahrscheinlich<br />

auf Grund der späten Kontrollen keine<br />

Brutaufgaben nachgewiesen, denn verlassene<br />

Eier verschwinden nach kurzer Zeit durch<br />

Prädatoren wie Rabenkrähen. Dieser Brutplatz<br />

an der stillgelegten Bahntrasse liegt absolut<br />

ruhig und abgelegen. Einzig die Kletterrouten,<br />

von denen eine direkt in der Nähe der Brutnische<br />

beginnt, kommen als Störquelle in Frage.<br />

Inzwischen wird bereits an 11 verschiedenen<br />

Stellen im HSK illegal geklettert (vgl. LINDNER<br />

2003). Neuster negativer Höhepunkt mit Kletter-<br />

Aktivitäten ist die Entdeckung von illegalen<br />

Kletterern im NSG „Mühlenbachtal“ bei<br />

Brilon-Alme am 30. August 2008. Besonders<br />

dreist ist am neuesten Fall, dass sich innen an<br />

der Windschutzscheibe des Autos der Kletterer<br />

Schilder (ähnlich den Schildern „Jagdschutz“<br />

oder „Forstbetrieb“) mit der Aufschrift<br />

„<strong>Natur</strong>schutz „ befanden.<br />

Die Situation in Südwestfalen und dem Rest<br />

von NRW<br />

Im Stadtgebiet von Warstein (Kreis Soest) planen<br />

die Kletterverbände nach eigenen Angaben ein<br />

Klettergebiet von überregionaler Bedeutung mit<br />

mehr als 500 Kletterrouten (STEINACKER 2008).


Dort möchte man scheinbar in allen Steinbrüchen<br />

des Stadtgebiets klettern. Der vom Autor darüber<br />

informierte ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz im Kreis<br />

Soest fi el aus allen Wolken.<br />

Die Kletterer hatten nur mit bestimmten Politikern<br />

über ihre Pläne gesprochen. Wie in ganz NRW<br />

ist auch im Kreis Soest die Lobbyarbeit der<br />

Kletterverbände bei Politikern gewaltig. Die<br />

ULB Soest hat auch gleich den Steinbruch<br />

Hilmesberg-West zum Klettern freigegeben,<br />

obwohl der Bruch als schutzwürdiger Biotop nach<br />

§ 62 mit Brutplätzen und seltenen Pfl anzenarten<br />

ausgewiesen ist (Artikel WP 24. Okt. 2008).<br />

Dies hätte auf Grund des Schutzstatus’ nicht<br />

passieren dürfen.<br />

Eine solche Entscheidung hätte zumindest dem<br />

Landschaftsbeirat abgestimmt werden müssen.<br />

Bei §-62-Biotopen müssen auch – so ist es<br />

gesetzlich vorgeschrieben – die anerkannten<br />

Bereits im Mai 2006 wurden die<br />

Bruchhauser Steine als „Nationaler<br />

Geotop“ ausgezeichnet (STEUERWALD<br />

2007). Eine wissenschaftliche Fachjury<br />

der Akademie der Geowissenhaften<br />

zu Hannover zeichnete aus 12.000<br />

bekannten deutschen Geotopen<br />

77 als „Nationaler Geotop“ aus. Als<br />

Geotop bezeichnet man natürliche<br />

oder künstliche Gesteinsaufschlüsse,<br />

Landschaftsformen und<br />

<strong>Natur</strong>schöpfungen von besonderer<br />

Seltenheit oder Schönheit. Die<br />

Geotope mit der Auszeichnung<br />

„Nationaler Geotop“ stellen die<br />

Geotope von nationaler Bedeutung<br />

dar. Im Sauerland wurde sonst<br />

nur noch das <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />

(NSG) „Felsenmeer“ bei Hemer im<br />

Märkischen Kreis als „Nationaler<br />

Geotop“ ausgezeichnet.<br />

Seit dem Mai 2008 ist das NSG<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

63<br />

<strong>Natur</strong>schutzverbände gehört werden; sie können<br />

eine Stellungnahme abgeben.<br />

Im Kreis Siegen-Wittgenstein geht es zur Zeit<br />

um ein Klettergebiet im NSG „Ehemaliger<br />

Schieferbruch Fredlar“ bei Bad Berleburg-<br />

Meckhausen (Düben mdl.).<br />

Im Kreis Olpe wird legal im NSG „Unterer<br />

Elberskamp“ bei Finnentrop-Heggen geklettert<br />

(Immekus mdl.). Illegale Kletteraktivitäten gibt<br />

es in den NSG „Oberer Elberskamp“, „Ahauser<br />

Klippen“ und „Hohe Lei“ (alle drei Gebiete auch<br />

bei Heggen).<br />

Ferner wird im Märkischen Kreis innerhalb<br />

des NSG „Hönnetal“ an vier Felsen und im<br />

Steinbruch „Am Hagen“ (nordwestlicher<br />

Rand des Hönnetals) legal geklettert. Im<br />

Bruch am Hagen klettern allerdings nur<br />

Sondereinsatzkommandos der Polizei zu<br />

Bruchhauser Steine wurden „Nationaler Geotop“ und EU-Vogelschutzgebiet<br />

„Bruchhauser Steine“ auch<br />

Vogelschutzgebiet nach der<br />

Vogelschutz-Richtlinie der EU. Im HSK<br />

waren vorher nur die Medebacher<br />

Bucht und der Wildwald Vosswinkel<br />

als solche ausgewiesen. Der EU-<br />

Verwaltung war aufgefallen, dass<br />

es in NRW kein Vogelschutzgebiet<br />

zum Schutz <strong>für</strong> den Wanderfalken<br />

und zu wenige <strong>für</strong> den Uhu gab.<br />

Nachdem die EU die Forderung nach<br />

Vogelschutzgebieten <strong>für</strong> Uhu und<br />

Wanderfalke erhoben hatte, wurde<br />

das NSG „Bruchhauser Steine“ als<br />

Vogelschutzgebiet nach Brüssel<br />

nachgemeldet.<br />

Sowohl die Auszeichnung als<br />

„Nationaler Geotop“ als auch die<br />

Ausweisung als Vogelschutzgebiet<br />

zeigen wieder einmal die<br />

herausragende Bedeutung der<br />

Bruchhauser Steine.


64 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Übungszwecken. Illegale Kletterer gibt es in<br />

einem Steinbruch westlich Balve-Beckum und<br />

in Teilbereichen des NSG „Hönnetal“.<br />

Aber die Probleme mit dem Klettersport bestehen<br />

nicht nur im Südwestfalen, sondern in ganz NRW.<br />

In der Eifel besteht im NSG „Buntsandsteinfelsen<br />

im Rurtal“ (Kreis Düren) ein ähnlicher Konfl ikt<br />

wie im NSG „Bruchhauser Steine“ (KLÜNDER<br />

& SIEHOFF 1997, KLÜNDER 2000). Auch die<br />

Buntsandsteinfelsen im Rurtal sind, wie die<br />

Bruchhauser Steine, Vogelschutzgebiet und FFH-<br />

Gebiet 3 und haben eine ähnlich hohe Wertigkeit<br />

<strong>für</strong> die <strong>Natur</strong>. Im Teutoburger Wald wurde unter<br />

anderem im NSG „Externsteine“ bei Detmold<br />

illegal geklettert (Grote mdl.).<br />

Auch außerhalb dieser klassischen Felsgebiete<br />

wird z.B. im NSG „Neandertal“ bei Düsseldorf<br />

(Rogowski mdl.), im Steinbruch Stenzelberg<br />

im NSG „Siebengebirge“ bei Bonn (CHMELA<br />

2005), NSG „Ruhrsteilhang Hohensyburg“<br />

in Dortmund (Neugebauer mdl.) und in fünf<br />

Steinbrüchen im Ruhrtal am südlichen Rand des<br />

Ruhrgebiets (Sell mdl.) illegal geklettert.<br />

„Rahmenvereinbarung Klettern und <strong>Natur</strong>schutz<br />

in NRW“<br />

Bei Gesprächen im Umweltministerium<br />

sollte 2006 bis 2007 eine „Rahmenvereinbarung<br />

Klettern und <strong>Natur</strong>schutz in NRW“ durch<br />

Vertreter des Landes NRW, namentlich des<br />

Umweltministeriums und Innenministeriums<br />

(weil <strong>für</strong> Sport zuständig), des <strong>Natur</strong>schutzes,<br />

vertreten durch den VNV (als LNU-Verband 4 ),<br />

des NABU und BUND, sowie durch Vertreter des<br />

Klettersports (DAV und IG Klettern) erarbeitet<br />

werden. Die Kletterer waren aber nicht bereit,<br />

irgendwelche Zugeständnisse zu machen, z.B.<br />

3 FFH-Gebiet = Fauna-Flora-Habitat-Gebiet nach EU-Richtlinie<br />

4 LNU = Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz und Umwelt<br />

Kletterverzicht an den Bruchhauser Steinen.<br />

Zudem drohten die Kletterverbände gleich mit<br />

Klagen vor Gericht, falls die Bruchhauser Steine<br />

nicht langfristig zum Klettern freigegeben<br />

würden.<br />

Wie schon bei früheren Verhandlungen gab sich<br />

der Klettersport scheinbar kompromissbereit.<br />

Typisch waren Aussprüche wie: „Es können<br />

90 % der Felsen gesperrt werden, in den<br />

verbleibenden Felsen sind 90 % der Kletterrouten<br />

untergebracht.“ Die Kletterverbände zählen<br />

jeden kleinen Felsen und Felsbrocken mit, so<br />

können sie dem <strong>Natur</strong>schutz dann tatsächlich<br />

90 % der „Felsen“ überlassen, nämlich die, die<br />

sich nicht zum Klettern eignen. Die Wünsche der<br />

Kletterer lauten also im Klartext, dass an allen<br />

senkrechten Felsen über 10 m Höhe geklettert<br />

werden darf. Da Kletterer nach eigener Aussage<br />

selbstverständlich naturverträglich klettern<br />

wollen, wird auf die Brutzeit von Arten wie<br />

Wanderfalke und Uhu angeblich Rücksicht<br />

genommen, soll heißen: bei laufenden Bruten<br />

soll ein Kletterverbot herrschen (s.o. Vorfälle<br />

Arnstein und Gentke). Dass den Rest des Jahres<br />

Pfl anzenvorkommen gefährdeter Arten dezimiert<br />

würden, wird wohlweislich ausgeblendet.<br />

Die Rahmenvereinbarung (RV) entpuppte sich<br />

aus Sicht des <strong>Natur</strong>schutzes als <strong>Verein</strong>barung<br />

zur ausschließlichen Förderung des Klettersports.<br />

Die vier vom Land anerkannten<br />

<strong>Natur</strong>schutzverbände, auch die erst später<br />

hinzugezogene „Schutzgemeinschaft Deutscher<br />

Wald“ lehnten deshalb eine Unterschrift unter<br />

diese RV ab. Sie wurde schließlich am 23. Mai<br />

2007 nur von den Vertretern des Landes und der<br />

Kletterer unterschrieben.<br />

Positiv ist zu vermelden, dass das Land NRW<br />

zumindest die beantragte Anerkennung des DAV<br />

als <strong>Natur</strong>schutzverband abgelehnt hat, da der<br />

DAV in NRW keine <strong>Natur</strong>schutzarbeit leistet. Nur<br />

in Bayern ist der DAV als <strong>Natur</strong>schutzverband<br />

anerkannt, da dort auch <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />

geleistet wird.


Bei allen Verhandlungen behaupten die Vertreter<br />

des Klettersports immer, dass es sich bei den<br />

illegalen Kletterern um Unorganisierte handeln<br />

würde. Die Tatsachen im Sauerland wiederlegen<br />

diese Behauptung eindeutig. So wurde 2006 Herr<br />

H., heute Vorsitzender der IG Klettern NRW,<br />

von der Polizei aus einem gesperrten Felsen des<br />

NSG „Hönnetal“ geholt.<br />

Im Jahr 2007 musste gar ein illegaler Kletterer<br />

nach einem Unfall vom Rettungsdienst im NSG<br />

„Bruchhauser Steine“ geborgen werden. Auch<br />

bei einem früheren Unfall wurde ein illegaler<br />

Kletterer im NSG „Hohe Lei“ gerettet. Es<br />

handelte sich beide Male um DAV-Mitglieder.<br />

Dies spricht den seitens des Klettersports<br />

immer wieder bei Verhandlungen vorgebrachten<br />

Aussagen von „Vertrauen“ und „Vertrauen<br />

schaffen“ Hohn.<br />

Der Konfl ikt Klettersport und <strong>Natur</strong>schutz<br />

tobt im HSK seit 1990 (s. auch Literaturliste).<br />

Die Position des VNV ist seit 1990 klar und<br />

eindeutig (LINDNER 2006b). Bei Verzicht aufs<br />

Klettern im NSG „Bruchhauser Steine“ und<br />

anderen aus <strong>Natur</strong>schutzsicht wertvollen NSG<br />

ist der VNV bereit, aktiv bei der Ausweisung von<br />

Klettergebieten mit möglichst naturverträglichen<br />

Kletterkonzepten mitzuwirken (ebd.).<br />

Martin Lindner<br />

Literatur:<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

65<br />

CHMELA, C. (2005): Überleben kontra Freizeit:<br />

Mauereidechse und Klettersport am Stenzelberg<br />

im FFH-Gebiet Siebengebirge. Rundbrief<br />

Herpetofauna NRW 26: 27-30.<br />

KLÜNDER, J. (2000): Kampf am roten Fels<br />

– Klettern kontra <strong>Natur</strong>schutz im Rurtal.<br />

Nationalpark Nr. 117: 36-39.<br />

KLÜNDER, J. & SIEHOFF, D. (1997):<br />

<strong>Natur</strong>schutzkonzept <strong>für</strong> die Bundsandsteinfelsen.<br />

Schriftreihe <strong>Natur</strong>schutz im Kreis Düren, H. 1.<br />

LINDNER, M. (2003): Felsen als Sportgerät?<br />

– Wieder Fälle illegalen Kletterns im HSK.<br />

Irrgeister 19/1: 50-51.<br />

LINDNER, M. (2006a): Uhubrut durch<br />

Sportkletterer vernichtet. Falke 53/10: 356.<br />

LINDNER, M. (2006b): Die Bruchhauser Steine –<br />

auch Riesen sind bedroht. Irrgeister 23: 26-28.<br />

Schubert, W. (1990): Die Bruchhauser Steine<br />

– <strong>Natur</strong>schutz und Klettersport im Konfl ikt.<br />

<strong>Natur</strong>- u. Landschaftskunde 26: 1-6.<br />

Schubert, W. (2002): Wer klettert, schwebt nicht!<br />

Irrgeister 18/2: 4-6.<br />

Schubert, W. & F.-J. Stein (1991): Erste Brut des<br />

Wanderfalken (Falco peregrinus) in Westfalen<br />

nach 21 Jahren. Charadrius 27: 131-136.<br />

STEINACKER, P. (2008): Kletterarena Sauerland<br />

– von der Idee zur Realisierung. Bergfex 25: 32-<br />

34.}<br />

STEUERWALD, K. (2007): Bruchhauser<br />

Vulkanregion im Sauerland erhielt Bundespreis.<br />

Sauerland 40: 128-130.


66 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Buchbesprechungen:<br />

Stichmann, Wilfried & Ursula<br />

Stichmann-Marny: Der<br />

Möhnesee. Ein Wasservogel-<br />

Paradies im Wandel der<br />

Zeit. 84 S., zahlreiche<br />

Farbfotos, Tabellen und<br />

Diagramme. Erhältlich durch<br />

den Buchhandel und beim<br />

Heimatverein Möhnesee e.V.,<br />

Postfach 59, 59519 Möhnesee.<br />

5 Euro + Versandkosten.<br />

Der Möhnesee, die 10 km 2<br />

große Talsperre am Nordrand<br />

des Sauerlandes, trägt seit 1912<br />

zur Regulierung der Ruhr und<br />

damit zur Wasserversorgung<br />

des Ruhrgebietes bei. Er ist<br />

allen Menschen als Freizeit-<br />

und Erholungsort bekannt.<br />

Weniger bekannt ist seine<br />

herausragende Bedeutung als<br />

Rast- und Überwinterungsgebiet<br />

<strong>für</strong> Wasservögel. In jedem<br />

Winterhalbjahr halten<br />

sich zwischen 5.000 und<br />

10.000 Wasservögel – plus<br />

mehrere tausend Möwen<br />

– dort auf. Seit nunmehr<br />

über 50 Jahren untersucht<br />

das Autorenehepaar diese<br />

Vogelbestände einschließlich<br />

der Brutvögel. Sie zählen seit<br />

1962 monatlich mindestens<br />

einmal den Wasservogelbestand<br />

des gesamten Sees. Durch<br />

dieses jahrzehntelange,<br />

nahezu lückenlose Monitoring<br />

entstand eine einmalige<br />

Datenbank, die detaillierte<br />

Aussagen über Bestand und<br />

Bestandsentwicklung der<br />

Vögel des Möhnesees zulassen.<br />

Diese Ergebnisse sind in<br />

dem vorliegenden Büchlein<br />

populärwissenschaftlich<br />

dargestellt.<br />

In den Kapiteln „Besonderheiten<br />

der Möhnetalsperre“ und „Die<br />

Vogelwelt im Jahreslauf“<br />

erläutern die Autoren die<br />

allgemeinen Ergebnisse<br />

bezüglich der Bestände,<br />

bevor sie anschließend auf 18<br />

der an Wasser gebundenen<br />

Vogelarten eingehen, getrennt<br />

nach den sechs häufi gsten<br />

Arten, Neuankömmlingen und<br />

Gewinnern sowie Verlierern<br />

unter den Arten. Die Texte zu<br />

den einzelnen Arten sind fundiert<br />

und umfassend, gleichzeitig<br />

aber auch knapp gehalten.<br />

So wird das Wichtigste zum<br />

Vorkommen dieser Vögel am<br />

Möhnesee dargestellt, ohne sich<br />

im Detail zu verlieren.<br />

Zusätzlich geben die<br />

Stichmanns Tipps <strong>für</strong><br />

vogelkundlich Interessierte, wie<br />

sie die Vogelwelt der Talsperre<br />

am besten selbst erleben<br />

und erfahren können. Sie<br />

beschreiben bestimmte Wege<br />

bzw. Wegabschnitte, von wo aus<br />

die Vögel gut beobachtet werden<br />

können, ohne dabei die <strong>Natur</strong><br />

zu stören. Und sie erläutern,<br />

zu welchen Jahreszeiten sich<br />

Besuche besonders lohnen.<br />

Wegen der Fülle der<br />

Informationen, verständlich<br />

auch <strong>für</strong> Laien geschrieben,<br />

und wegen der Hinweise zum<br />

Beobachten der Vögel am<br />

Möhnesee ist dieses Werk eine<br />

lohnende Anschaffung <strong>für</strong><br />

jeden Ornithologen und jeden<br />

<strong>Natur</strong>interessierten unserer<br />

Region.<br />

Harald Legge<br />

Aebischer, Adrian (2008):<br />

Eulen und Käuze – Auf den<br />

Spuren nächtlicher Jäger.<br />

248 Seiten, 138 Farbfotos und<br />

4 sw-Zeichnungen. Verlag<br />

Haupt, Bern. ISBN 978-3-258-<br />

07276-0. 27 Euro.<br />

Dieses hervorragend bebilderte<br />

Werk bringt uns die 13<br />

europäischen Eulenarten näher<br />

und kann als aktuell bestes<br />

Eulenbuch in dieser Preisklasse<br />

gelten.<br />

Neben allen wichtigen<br />

Aspekten der Biologie und<br />

des Eulenschutzes werden<br />

die europäischen Arten auf<br />

jeweils drei bis fünf Seiten<br />

vorgestellt. Allerdings sind die<br />

präsentierten Bestandszahlen<br />

leider nicht mehr ganz<br />

aktuell. Erstmals bei einem<br />

deutschsprachigem Eulenbuch<br />

befi ndet sich beim Buch eine<br />

CD, auf welcher alle wichtigen<br />

Rufe unserer Eulenarten zu<br />

hören sind.<br />

Martin Lindner


<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

Feuchtwiesen „Auf dem Bruch“ westlich Essentho<br />

VNV erhält Umweltpreis der Stadt Marsberg<br />

Nach 2007 wird dem VNV auch 2008 der erste<br />

Preis des von der Stadt Marsberg ausgelobten<br />

und vom RWE gesponserten Klimaschutzpreises<br />

verliehen. Wir erhalten den mit 800 Euro<br />

dotierten Preis <strong>für</strong> Erhalt und langjährige Pfl ege<br />

der Feuchtwiesen „Auf dem Bruch“ westlich<br />

Essentho.<br />

In den strukturreichen, landschaftstypischen<br />

feuchten Wiesen und anderen Grünländern,<br />

die eine artenreiche Vegetation beherbergen<br />

und große regionale Bedeutung <strong>für</strong> eine hohe<br />

Anzahl gefährdeter Wiesenvögel haben,<br />

bewirtschaftet der VNV seit Jahrzehnten<br />

Flächen naturschutzgerecht. Er führt jedes Jahr<br />

67<br />

Bestandsaufnahmen typischer Brutvögel durch<br />

und beantragte erfolgreich, das Gebiet als <strong>Natur</strong>-<br />

bzw. Landschaftsschutzgebiet auszuweisen.<br />

Wir bedanken uns herzlich <strong>für</strong> die Anerkennung<br />

unserer Arbeit und <strong>für</strong> das Geld, dass zu 100 %<br />

dem örtlichen <strong>Natur</strong>schutz zugute kommt!<br />

Auch in weiteren Städten bewarb sich unser <strong>Verein</strong><br />

mit dortigen Projekten um den Klimaschutzpreis.<br />

Ergebnisse lagen bis Redaktionsschluss noch<br />

nicht vor.<br />

Harald Legge<br />

§ 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 - § 29 -<br />

Verfahrensbeteiligungen<br />

Den Schwerpunkt unserer <strong>Verein</strong>sarbeit bildet die Betreuung naturschutzwürdiger<br />

Flächen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beteiligung an rechtlichen Verfahren,<br />

in denen über geplante Eingriffe in <strong>Natur</strong> und Landschaft entschieden wird. Zu<br />

solchen Verfahren können wir als anerkannter <strong>Natur</strong>schutzverband laut Gesetz<br />

eine Stellungnahme abgeben und im Planungsprozess unsere Einschätzung aus<br />

<strong>Natur</strong>schutzsicht darstellen.<br />

Dieses Recht bedeutet zwar <strong>für</strong> die mit den<br />

Verfahren beteiligten Vorstandsmitglieder<br />

(unendgeldliche) Schreibtischarbeit und Teilnahme<br />

an Behördenterminen sowie das Gefühl, oft wenig<br />

oder nichts im Sinne des <strong>Natur</strong>schutzes zu erreichen.<br />

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Erfolge, etwa<br />

wenn unsere Vorschläge <strong>für</strong> sinnvolle Ausgleichs-<br />

und Ersatzmaßnahmen <strong>für</strong> Eingriffe angenommen<br />

werden. Außerdem ist allein die Teilnahme schon<br />

wichtig, damit die jeweils zuständige Behörde<br />

weiß, dass ihr Entscheidungsprozess kritisch<br />

begleitet wird. Immerhin sind bei solchen Prozessen<br />

die ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schützer die einzigen<br />

unabhängigen Interessenvertreter der <strong>Natur</strong>.<br />

Auch im zurückliegenden Jahr beteiligte sich der<br />

VNV, auch im Namen des BUND und NABU, wieder<br />

an einer Vielzahl von Verfahren, von denen hier drei<br />

skizziert werden sollen.<br />

Über die alltägliche Verfahrensbeteiligung<br />

hinaus arbeiten wir als ordentliche Mitglieder im<br />

Landschaftsbeirat und im Jagdbeirat mit.


68 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

„Änderung des Flächennutzungsplanes der<br />

Stadt Hallenberg in Hallenberg und 7. Änderung<br />

des Bebauungsplanes Nr. 4 ,Lehmbach’ in<br />

Hallenberg“<br />

Die <strong>Natur</strong>schutzverbände lehnen die geplante<br />

Erweiterung des Gewerbegebietes in der vorgelegten<br />

Form ab. Der VNV weist auf grobe Mängel bzw.<br />

Falschaussagen im Antrag hin. Dort ist ausgeführt,<br />

dass die geplante Erweiterung das bestehende FFH-<br />

Vogelschutzgebiet nicht beeinträchtige. Wir machen<br />

darauf aufmerksam, dass dies schlicht falsch ist<br />

und weder Bestandsaufnahmen auf den betroffenen<br />

Flächen durchgeführt wurden noch versucht wurde,<br />

sich vorhandene Daten über geschützte Tier- und<br />

Pfl anzenarten zu beschaffen.<br />

Solche Daten liefert der VNV nach: Die von der<br />

Überbauung durch Industriebetriebe bedrohte<br />

Fläche liegt u. a. im Brut- und Überwinterungsgebiet<br />

des Raubwürgers. Sie zählt außerdem – wie das<br />

Pfl anzeninventar zeigt – zum FFH-Lebensraumtyp<br />

„artenreiche Glatthaferwiese“ mit Anklängen an<br />

eine „Bergmähwiese“. Deshalb und weil sie als § 62-<br />

Fläche im Sinne des Landschaftsgesetzes einzustufen<br />

ist, ist sie als geschützt einzustufen.<br />

Sollte der Eingriff dennoch stattfi nden, fordern wir<br />

angemessene Ausgleichsmaßnahmen. Dazu machen<br />

wir konkrete Vorschläge.<br />

„Wasserableitung und Herstellung einer<br />

Fischaufstiegsanlage an der Wehranlage<br />

,Niedermühle’ an der Diemel in Marsberg-<br />

Padberg“<br />

Die Planung wird von den <strong>Natur</strong>schutzverbänden<br />

entschieden abgelehnt. Die Maßnahme soll in einem<br />

ausgewiesenen <strong>Natur</strong>schutzgebiet und FFH-Gebiet<br />

durchgeführt werden; dennoch unterblieb eine<br />

Untersuchung zur Auswirkung der Baumaßnahme<br />

auf den empfi ndlichen Lebensraum.<br />

Die Fischaufstiegsanlage würde die Durchführung<br />

einer umfassenden Renaturierung des Wehrbereiches<br />

– nämlich die Entfernung des Wehres und Ersatz durch<br />

eine Sohlgleite – und weiterer Bereiche der Diemel<br />

verhindern. Eine Wasserableitung zur Versorgung<br />

des bestehenden Fischereibetriebes kann auch ohne<br />

Fischaufstiegsanlage sichergestellt werden.<br />

„Befreiung von Verboten/ Geboten in<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebieten: Antrag auf Abschuss von<br />

Kormoranen an der Diemel“<br />

Der Kormoran – ausgewiesenes Feindbild der<br />

(meisten) Angler – ist wieder einmal Leittragender<br />

<strong>für</strong> eine verfehlte Gewässerpolitik, nämlich den<br />

naturfernen Ausbau von Flüssen, und <strong>für</strong> eine<br />

emotional geführte, sachlich nicht fundierte<br />

„Argumentation“. Die <strong>Natur</strong>schutzverbände lehnen<br />

den Antrag ab. Denn:<br />

• Es liegen keine Bestandszahlen des<br />

Kormorans vor.<br />

• Es liegen keine nachvollziehbaren Daten<br />

<strong>für</strong> den Rückgang der Äschen- und<br />

Bachforellenvorkommen vor.<br />

• Es werden keine konkreten Abschusszahlen<br />

beantragt.<br />

• Die Bereiche, in denen geschossen werden<br />

soll, werden nicht benannt.<br />

Der Antragsteller macht sich weder die Mühe,<br />

eine sachlich fundierte Problembeschreibung<br />

vorzunehmen, sondern schreibt lediglich nebulös:<br />

„... hat die Population [des Kormorans, Anmerk.<br />

des Verfassers] ... feststellbar zugenommen“ und<br />

„die Fischbestände sind erheblich in Mitleidenschaft<br />

gezogen“. Es handelt sich demnach offensichtlich<br />

um ein rein willkürliches Ansinnen.<br />

„... Antrag ... auf Feststellung des Planes ,Schließung<br />

des unteren Teilstücks des Mühlengrabens und<br />

Sicherung des Denkmals Mühlengraben durch<br />

Verfüllung’ ...“ in Marsberg-Westheim<br />

Einer der sicherlich interessantesten Anträge, die<br />

der VNV jemals bearbeitete, ist dieser. Denn zum<br />

einen dachten sich die Antragsteller (Stadt Marsberg<br />

und ein Privatmann) eine lustige Formulierung aus,<br />

um die Verfüllung des mehrere hundert Jahre alten


Mühlengrabens genehmigt zu bekommen. Dazu muss<br />

man wissen: Ein Fließgewässer – und als solches ist es<br />

ökologisch einzustufen – darf nicht verfüllt werden;<br />

längere Bereiche der Ufermauern beherbergen<br />

seltene Mauerritzenvegetation; und nicht zuletzt ist<br />

der Graben eingetragenes Kulturdenkmal und muss<br />

darum von Gesetzes Wegen erhalten bleiben. 1<br />

1 Siehe auch <strong>IRRGEISTER</strong> 2007, S. 51<br />

<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

69<br />

Zum anderen kamen die Antragsteller letzten Endes<br />

wirklich durch mit der Formulierung „Sicherung<br />

des Denkmals Mühlengraben durch Verfüllung“;<br />

der Antrag wurde von der zuständigen Behörde<br />

genehmigt!<br />

Zum Antrag, der einfach nur als schlechter<br />

Schildbürgerstreich bezeichnet werden kann, gab<br />

es u. a. einen interessanten Erörterungstermin samt<br />

Besichtigung des Grabens. Das Ende des ökologisch<br />

wertvollen Kulturdenkmals, das die Geschichte und<br />

das Erscheinungsbild des Ortes prägt, lässt sich<br />

folgendermaßen skizzieren:<br />

• Das Denkmal wird verfüllt und so <strong>für</strong> die<br />

Nachwelt gesichert, denn der ehemalige<br />

Verlauf bleibt durch Erhalt der Mauerkrone<br />

am Boden erkennbar.<br />

• Es gibt eine Gedenktafel.<br />

Auf den kritischen Einwand auf dem<br />

Erörterungstermin, dass in einigen Jahren<br />

wahrscheinlich die Anwohner des Grabens einen<br />

Großteil der freien Fläche des Grabenverlaufs zur<br />

Errichtung von Komposthaufen und Abstellschuppen<br />

nutzen werden, konnte ein Vertreter der Stadt<br />

Marsberg (Antragsteller!) nur zustimmen.<br />

Eine letzte Bemerkung:<br />

Die drei aufgeführten Beispiele von Verfahren, die<br />

wir bearbeiteten, geben insofern ein schiefes Bild,<br />

da wir – im Gegensatz zu den hier beschriebenen<br />

– oft positive Stellungnahmen abgeben. Das heißt,<br />

wir erheben häufi g keine Bedenken gegen beantragte<br />

Maßnahmen bzw. lehnen sie nicht komplett ab,<br />

sondern machen Kompromissvorschläge und schlagen<br />

sinnvolle Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen<br />

vor.<br />

Harald Legge<br />

Der Kormoran -<br />

ein vielfach ungeliebter Gast an unseren Flüssen<br />

Foto: R. Götte


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<strong>IRRGEISTER</strong> 2008<br />

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72 <strong>IRRGEISTER</strong> 2008

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