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Artikel aus der Südostbayerischen Rundschau - Gut Horn

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Von Klara Brunner, Südostbayerische <strong>Rundschau</strong> vom 20. Mai 2006<br />

Waging am See. Magret Hanken (82) sitzt am Steuer ihres Wohnmobils und scherzt:<br />

"Wenn die so `ne alte Frau wie mich sehen, dann machen sie auf <strong>der</strong> Straße alle Platz."<br />

Seit 23 Jahren fährt die rüstige Rentnerin bei <strong>der</strong> Kulturrally* <strong>der</strong> Camper "Durch die<br />

Län<strong>der</strong>" mit. Dieses Jahr campen die insgesamt 49 Senioren <strong>aus</strong> ganz Deutschland vier<br />

Wochen auf dem Campingplatz "<strong>Gut</strong> <strong>Horn</strong>" am Waginger See.<br />

"Campen hält auf jeden Fall jung", sagt Elfriede Dalfuß (78). Auch die Hamburgerin fährt ihr<br />

Gespann selbst - "dort hinten steht mein Audi 100 quattro und das ist mein Wohnwagen." Mit<br />

dem Zeigefinger deutet sie in Richtung des Waginger Sees, "mein Auto versteckt sich hinter<br />

<strong>der</strong> Hecke."<br />

Anfangs - das war 1954 - sei sie immer mit ihrem VW-Käfer in den Urlaub gefahren.<br />

"Natürlich habe ich im Käfer übernachtet!" Die Nachfrage scheint die Seniorin zu wun<strong>der</strong>n.<br />

"Später habe ich mir selbst ein Zelt genäht, bis das Geld für ein richtiges reichte", erzählt die<br />

78-Jährige weiter. Mittlerweile hat die Hamburgerin ihren sechsten Wohnanhänger. "Ich habe<br />

mir geschworen, dass ich aufhöre, wenn ich Leute mit meinem 13-Meter-Gespann gefährde.<br />

Aber solange ich den Wohnwagen selbst an- und abkuppeln kann, fahre ich bei <strong>der</strong> Rally<br />

mit."<br />

Rally - das bedeutet nicht vier Wochen faul in <strong>der</strong> Sonne liegen, Rally, das ist ein straffes<br />

Kulturprogramm, organisiert von Hugo Bredenbrock (76) <strong>aus</strong> Bad Iburg. "Das ist kein<br />

Urlaub, das ist eine Studienfahrt. Wir interessieren uns für Geschichte, Kultur und die<br />

Landschaft."<br />

Die Reise nach Waging ist die 27. Kulturrally "Durch die Län<strong>der</strong>", 1981 ins Leben gerufen<br />

von Walter Hanschen. Der Senior musste <strong>aus</strong> gesundheitlichen Gründen das Camping<br />

aufgeben, besucht die Senioren aber jedes Jahr für einige Tage. Am letzten Wochenende kam<br />

Walter Hanschen mit dem Zug von Wilhelmshaven nach Waging. Die 49 Senioren feierten<br />

mit ihm seinen 90. Geburtstag.<br />

"Was ich in <strong>der</strong> Schule nicht mitbekommen habe, das hole ich bei <strong>der</strong> Kulturrally nach", sagt<br />

<strong>der</strong> älteste Teilnehmer Walter Schulz (83). Der Rallyleiter erklärt: "Wir suchen auf unseren<br />

Reisen immer die Kultur und die Geschichte. Dabei beschränken wir uns auf Ziele in<br />

Deutschland, angrenzende Län<strong>der</strong> wie Österreich, Holland o<strong>der</strong> Frankreich nehmen wir mit.<br />

Dieses Jahr besuchen wir natürlich auch Salzburg."<br />

Viel Arbeit macht sich <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Kulturrally mit <strong>der</strong> Ausarbeitung des Programms.<br />

"Wenn ich wie<strong>der</strong> zurück in Bad Iburg bin, plane ich schon die nächste Reise in den Harz im<br />

kommenden Jahr", sagt Hugo Bredenbrock.<br />

Zunächst schreibt er alle Touristikbüros in <strong>der</strong> Umgebung an, um her<strong>aus</strong>zufinden, was im<br />

Harz sehenswert ist. Damit nicht genug. Der 76-Jährige verbringt dann 14 Tage vor Ort und<br />

schaut sich Campingplätze, Sehenswürdigkeiten und Gaststätten an. Das geht so weit, dass<br />

sogar die Speisekarten auf die Wünsche <strong>der</strong> Rentner abgestimmt werden. "Das ist alles bis<br />

aufs Kleinste durchorganisiert", betont Hugo Breden Nur zwei Tage die Woche haben die<br />

Senioren bei <strong>der</strong> heurigen Kulturrally "Ruhetag". An den an<strong>der</strong>en Tagen geht es nach Passau,<br />

Landshut, Berchtesgaden, Bad Reichenhall o<strong>der</strong> zum Chiemsee. "Das ist auch anstrengend",<br />

gibt Hugo Bredenbrock zu. "Aber wir mögen es so." Wenn die Männer und Frauen - im


Durchschnitt 72 Jahre alt - nicht unterwegs sind, dann sitzen sie gemeinsam bei Kaffee und<br />

Kuchen. "Wir haben immer was zu feiern - ein neues Wohnmobil, eine Goldene Hochzeit<br />

o<strong>der</strong> Geburtstage."<br />

"Hier haben wir tolle Stimmung, zu H<strong>aus</strong>e sitze ich alleine", sagt Magret Hanken und: "Zu<br />

H<strong>aus</strong>e habe ich einen zu hohen Blutdruck, jetzt ist alles in Ordnung." Die 82-Jährige genießt<br />

"das freie Leben beim Campen".<br />

In Bremen wohnt Magret Hanken in einem Seniorenstift. "Das H<strong>aus</strong> wurde mir allein zu groß,<br />

ich habe es verkauft. Jetzt verleb` ich das Geld meiner Enkel", sagt sie und lacht.<br />

Ihr 23 Jahre altes Wohnmobil ist gemütlich eingerichtet. Auf dem Armaturenbrett steht eine<br />

Blume, Magret Hanken hat einen Fernseher, Kühlschrank, Herd und eine Dusche. "Mein<br />

Arnold" - das ist die Marke des Wohnmobils - "hat Schränke <strong>aus</strong> massivem Holz und eine<br />

gute Daimler-Maschine, heute ist ja alles <strong>aus</strong> Spanplatten. Ich will mir kein Neues kaufen",<br />

sagt die Bremerin. "Ich lebe immer von heute auf morgen. Solange ich das Wohnmobil fahren<br />

kann, fahre ich mit."<br />

Nach <strong>der</strong> Kulturrally geht es für die 82-Jährige zum Campen nach Bad Griesbach. "Ich muss<br />

mich von <strong>der</strong> Kulturrally erholen", scherzt sie. Erst Mitte Juli will sie wie<strong>der</strong> nach Bremen<br />

zurück. "Ich fühle mich einfach am wohlsten, wenn ich auf Reisen bin. Ich bin noch sehr fit.<br />

Meine Tochter sagt immer, sie sei froh, wenn ich weg bin, denn dann wisse sie, dass es mir<br />

gut geht." Noch länger ist Walter Schulz auf Reisen. "Je nach Wetter werde ich erst im<br />

September o<strong>der</strong> Anfang Oktober wie<strong>der</strong> in Loxstedt sein." Zunächst begleitet <strong>der</strong> 83-Jährige<br />

mit seinem eigenen Wohnmobil Magret Hanken nach Bad Griesbach. "Wir kochen auch<br />

gemeinsam, einmal ich, einmal sie."<br />

13 Jahre fuhr <strong>der</strong> ehemalige Schiffbauer mit seiner verstorbenen Frau bei <strong>der</strong> Kulturrally mit,<br />

jetzt ist <strong>der</strong> 83-Jährige seit zehn Jahren allein unterwegs. Seine Tochter habe ihn überredet,<br />

weiter mitzufahren. "Die Gemeinschaft tut dir gut", habe sie gesagt.<br />

Nach Bad Griesbach geht es für den 83-Jährigen weiter an die Weser. "Als Camper ist man<br />

nie allein, zu H<strong>aus</strong>e fühle ich mich oft einsam. Inzwischen bin ich Uropa, aber solange es<br />

geht, campe i<br />

* "Kulturrally ohne e, wir sind ja keine Sportveranstaltung", betont <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Rally, Hugo<br />

Bredenbrock.

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