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Sexuelle Traumatisierung und Bindung - Kinderzentrum St. Vincent

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Workshop Nr. 8<br />

<strong>Sexuelle</strong> <strong>Traumatisierung</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Bindung</strong><br />

Die Folgen von sexueller Gewalt für die<br />

Persönlichkeitsentwicklung <strong>und</strong> die<br />

Beziehungsgestaltung<br />

Referentin:<br />

Dipl. Psych. Ulrike Werner, <strong>Kinderzentrum</strong> <strong>St</strong>. <strong>Vincent</strong>


I. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Definitionen<br />

I.1. <strong>Bindung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>sstörung<br />

I.1.1. John Bowlbys <strong>Bindung</strong>stheorie<br />

• „<strong>Bindung</strong> ist das gefühlsgetragene Band,<br />

das eine Person zu einer anderen<br />

spezifischen Person anknüpft <strong>und</strong> das sie<br />

über Raum <strong>und</strong> Zeit miteinander<br />

verbindet.<br />

• Entwicklung im Laufe des 1.Lebensjahres<br />

• Sichert das Überleben des Säuglings<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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• Beim Kind:<br />

I.1.1. <strong>Bindung</strong> 2/<br />

„Kreislauf der Sicherheit “9<br />

• <strong>Bindung</strong>sverhaltenssystem<br />

• Neugierverhaltenssystem / Explorationsverhalten<br />

• Bezugsperson:<br />

• sichere Basis<br />

• externer emotionaler Regulator<br />

• Fürsorgeverhaltenssystem<br />

• Feinfühligkeit<br />

9 Scheuerer-Englisch Hrsg.(2003) Wege zur Sicherheit<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.1.2.<strong>Bindung</strong>squalitäten <strong>und</strong> Entwicklung<br />

• Sichere <strong>Bindung</strong> ( B-Muster) Schutzfaktor<br />

• Unsichere <strong>Bindung</strong> ( A, C, D) Risikofaktor<br />

– A vermeidendes Muster<br />

– C ambivalentes Muster<br />

• Zusätzliches Muster<br />

D desorganisiertes <strong>und</strong> desorientiertes Verhalten<br />

(hochunsicher)<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.1.3.Typen von <strong>Bindung</strong>sstörungen<br />

differenziert nach dem <strong>Bindung</strong>sverhalten<br />

nach Karl-Heinz Brisch 7<br />

Typ I ohne <strong>Bindung</strong><br />

Typ II <strong>und</strong>ifferenziert<br />

– Typ II A soziale<br />

Promiskuität<br />

– Typ II B Unfall-Risiko<br />

Typ III gesteigert /<br />

Übererregung<br />

Typ IV Hemmung<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

Typ V Aggression<br />

Typ VI Rollenumkehr<br />

Typ VII Psychosomatik<br />

– Typ VII A<br />

Wachstumsretardierung<br />

– Typ VII B mit Schrei-,<br />

Schlaf- <strong>und</strong> Essproblematik<br />

5


I.2. Trauma<br />

I. 2.1. Definition: Trauma 1<br />

• „Ein psychisches Trauma ist ein vitales<br />

Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen<br />

Situationsfaktoren <strong>und</strong> den individuellen<br />

Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen<br />

von Hilflosigkeit <strong>und</strong> schutzloser Preisgabe<br />

einhergeht, <strong>und</strong> so eine dauerhafte<br />

Erschütterung des Selbst- <strong>und</strong> Weltverständnisses<br />

bewirkt.“<br />

(G. Fischer, Ridesser, Lehrbuch der Psychotraumatologie)<br />

• <strong>Traumatisierung</strong> als das Ereignis des Traumas<br />

einschließlich der Folgen. ( L.-U. Besser)<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.2.1 Klassifikation von Traumata 2<br />

• Verursachung<br />

– Menschlich verursachte ( „man made disasters“)<br />

– vs. Zufällige Traumen<br />

• Dauer<br />

– Kurzandauernde (Typ-I-)Traumen<br />

– vs. länger andauernde wiederholte Traumen<br />

(Typ- II),<br />

• Unterscheidung nach Francine Shapiro<br />

– Traumata im engeren Sinne Big-T-Traumata<br />

– <strong>und</strong> weiteren Sinne: Small-t-Traumata<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.2.2 Die Traumatische Zange 1<br />

• Traumata sind plötzliche oder lange<br />

anhaltende oder auch sich wiederholende<br />

objektiv oder subjektiv existenziell<br />

bedrohliche <strong>und</strong> ausweglose Ereignisse,<br />

bei denen Menschen in die Schutzlosigkeit<br />

der sogenannten Traumatischen Zange<br />

(M.Huber) geraten:<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

8


Keine<br />

Fluchtmöglichkeit<br />

I.2.2. Die Traumatische Zange 2<br />

Hilflosigkeit<br />

Unterwerfung<br />

Submission“<br />

Überwältigende Angst, Schmerz<br />

No Flight<br />

<br />

Alarmreaktion des Körpers<br />

Keine <strong>Bindung</strong>sperson<br />

Freeze<br />

Ausgeliefertsein<br />

Trauma<br />

No Fight<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

Dissoziation<br />

Keine<br />

Kampfmöglichkeit<br />

Ohnmacht<br />

Fragmente<br />

isolierte Erinnerungssplitter<br />

9


I.2.3. traumatische Gedächtnisprozesse/<br />

Fragmentierung<br />

• Die Zusammenarbeit von rechter Hirnhälfte mit linker Hirnhälfte ist<br />

blockiert.<br />

• Die einzelnen situativen Aspekte des Traumas werden als einzelne<br />

Traumafragmente – wie Splitter eines zerbrochenen Spiegels –<br />

isoliert bzw. dissoziiert gespeichert.<br />

• Diese Traumafragmente erscheinen eingefroren, des bewussten<br />

kognitiven Zugangs <strong>und</strong> damit einer Bearbeitung beraubt.<br />

• Jedes einzelne Erinnerungsfragment kann als unbewusster Trigger<br />

ängstigende Flashbacks oder filmartig ablaufende Erinnerung<br />

(Intrusionen) auslösen.<br />

• Die komplexe Dissoziation als Schutzmechanismus vor weiterer<br />

Übererregung im Gehirn verhindert die Integration ins Gedächtnis<br />

<strong>und</strong> in die Identität.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.3. <strong>Sexuelle</strong> Gewalt <strong>und</strong><br />

Missbrauch<br />

<strong>Sexuelle</strong> Gewalt <strong>und</strong> sexueller Missbrauch<br />

sind Beispiele für Man-Made <strong>und</strong> meist<br />

langandauernde, sequentielle Traumata<br />

(Typ II)!!<br />

1.Definition<br />

2.Häufigkeiten in der stationären Jugendhilfe<br />

3.<strong>St</strong>ruktur des Missbrauchs<br />

4.<strong>Sexuelle</strong>r innerfamiliärer Missbrauch<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.3.<strong>Sexuelle</strong> Gewalt <strong>und</strong><br />

Missbrauch<br />

1. Definition<br />

• <strong>Sexuelle</strong> Gewalt ist eine individuelle, alters- <strong>und</strong><br />

geschlechtsabhängige Grenzverletzung <strong>und</strong> meint<br />

jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind<br />

oder einem/einer Jugendlichen entweder gegen<br />

dessen/deren Willen vorgenommen wird oder der das<br />

Kind oder der/die Jugendliche aufgr<strong>und</strong> körperlicher<br />

oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich<br />

zustimmen kann. ( Dirk Bange 1996, S.57)<br />

• Es ist sexueller Missbrauch, wenn eine Person ihre<br />

Machtposition oder die Unwissenheit, das Vertrauen,<br />

oder die Abhängigkeit eines Mädchens oder Jungen<br />

zur Befriedigung der eigenen sexuellen Bedürfnisse<br />

benutzt.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.3.2. Häufigkeit von sexuellen<br />

Gewalterfahrungen in der stationären<br />

Jugendhilfe<br />

• Margarethe Finkel 1998:<br />

– jedes 4. Mädchen <strong>und</strong> jeder 15. Junge in<br />

stationärer Jugendhilfe ist sex. missbraucht<br />

• Hartwig: 50-75% der Mädchen<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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I.3.3. <strong>St</strong>ruktur der Taten bei sexuellem<br />

Missbrauch<br />

• <strong>St</strong>ruktur des Missbrauchs:<br />

– Wiederholungstaten<br />

– meist gezielt geplant ( Missbrauchskreislauf)<br />

– Dauer über Wochen oder Jahre<br />

• <strong>Sexuelle</strong>r Missbrauch ist in erster Linie<br />

Machtmissbrauch, die sexuellen Handlungen<br />

dienen als Instrument dazu.<br />

• Meist wird eine „besondere“ Beziehung<br />

hergestellt, die vom Täter für den<br />

Machtmissbrauch ausgenutzt wird.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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I.3.4. <strong>Sexuelle</strong>r innerfamiliärer<br />

Missbrauch<br />

• ca. 10 % der Täter leben mit dem Kind direkt in einer<br />

Familie.<br />

• Bei innerfamiliärem Missbrauch bleibt der<br />

<strong>Bindung</strong>skontext bis zum Aufdecken meist erhalten.<br />

• Täter bleibt außerhalb der Missbrauchssituation die<br />

<strong>Bindung</strong>sperson.<br />

Folge:<br />

Hochunsichere <strong>Bindung</strong>en <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>sstörungen<br />

wahrscheinlich<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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I.4. Neurophysiologie des<br />

Gehirns<br />

I.4.1. Neuroplastizität / Nutzungsabhängige<br />

Gehirnentwicklung<br />

• Unser Gehirn ist zeitlebens plastisch wie eine<br />

Wachstafel,<br />

• in der Kindheit jedoch besonders formbar, d.h.<br />

aber auch störanfällig.<br />

• Aus ursprünglich schmalen Pfaden werden je<br />

nach Häufigkeit, Dauer <strong>und</strong> emotionaler<br />

Intensität der Nutzung feste neuronale<br />

<strong>St</strong>rukturen, die häufig genutzt werden oder<br />

auch wieder verfallen.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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I.4.2 psychosoziale<br />

Entwicklungsbedingungen <strong>und</strong><br />

Gehirnwachstum / Lernen 1<br />

1. Optimales Lernen ( Gehirn wächst!!!)<br />

„emotionales Gedächtnis für erfolgreiches / erfolgloses<br />

Bewältigen“<br />

2. Lernen unter Angst <strong>und</strong> <strong>St</strong>ress<br />

Rückgriff auf <strong>und</strong> <strong>St</strong>abilisierung der aktivierten, älteren<br />

bereits bewährten Verschaltungen<br />

3. Extreme langanhaltende Angst, <strong>St</strong>ress, Trauma<br />

(Gehirnabbau!!)<br />

Aktivierung <strong>und</strong> Bahnung von archaischen, früh angelegten<br />

subcortikal gesteuerten Notfallreaktionen (Erstarrung,<br />

Hilflosigkeit)<br />

im Hippocampus, im limbischen <strong>und</strong> präfrontalen Cortex:<br />

Abbau bereits gebahnter, komplexer Verschaltungen<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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I.4.3. psychosoziale<br />

Entwicklungsbedingungen 2/<br />

neurophysiologische Traumafolgen<br />

d.h. Folgen „früher“ <strong>Traumatisierung</strong> 3 :<br />

• Trifft sequentielle <strong>Traumatisierung</strong> auf ein unreifes<br />

Gehirn so strukturiert es sich „traumatoplastisch“ (L.<br />

Besser). Es automatisiert Überlebensreaktionen wie<br />

– Schnelles Anfluten von Erregung / Angst<br />

(<strong>St</strong>ressreaktion mit Flucht- o. Kampftendenzen) <strong>und</strong><br />

– Dissoziation (Abschalten, Wahrnehmungsveränderung),<br />

• auf die es später reflexartig – oft schon bei kleinen<br />

alltäglichen Anlässen – zurückgreift.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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II.Traumafolgestörungen<br />

II.1. Übersicht 5<br />

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<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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II.2 Symptombild der posttraumatischen<br />

Belastungsstörung ICD 10 F.43.1. 5,6<br />

• Intrusionen: sich aufdrängende, belastende<br />

Gedanken <strong>und</strong> Erinnerungen<br />

• Hyperarousal /Übererregungssymptome<br />

• Vermeidungsverhalten/ Konstriktion<br />

• emotionale Taubheit<br />

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II.2. spezifische PTBS- Symptome bei<br />

Kindern 5<br />

• Intrusionen: wiederholtes (nicht lustvolles)<br />

Durchspielen des traumatischen Erlebens, (Reinszenierung)<br />

• Vermeidung: Davonlaufen Verstecken,<br />

Erstarren, Lügen, …<br />

• Übererregung: Verhaltensauffälligkeiten, z. T.<br />

aggressive Verhaltensmuster;<br />

Impulskontrollstörungen;<br />

Konzentrationsstörungen<br />

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II.3. Exkurs: <strong>Bindung</strong>s- <strong>und</strong> traumaorientiertes<br />

Symptomverständnis von ADHD 3<br />

1. Unaufmerksamkeit,<br />

Konzentrationsprobleme<br />

dissoziative Phänomene<br />

Ausblenden <strong>und</strong> Abschalten<br />

Informationsverarbeitungs- ,<br />

(Wahrnehmungs) -blockaden, -<br />

verzerrungen<br />

2. Impulsivität Traumaschema: Flucht- <strong>und</strong><br />

Kampfimpulse<br />

3. Hyperaktivität Desorientiertes<br />

<strong>Bindung</strong>smuster (oder<br />

<strong>Bindung</strong>sstörung),<br />

anhaltender Hyperarousal<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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III. Mögliche Folgen von sexueller<br />

Gewalterfahrung <strong>und</strong> sexuellem<br />

Missbrauch<br />

• Die Folgen sexueller Gewalt sind um so<br />

gravierender, je enger die Beziehung zw.<br />

Opfer <strong>und</strong> Täter <strong>und</strong> je häufiger die Übergriffe<br />

geschehen.<br />

• Die Langzeitfolgen hängen maßgeblich damit<br />

zusammen, ob das Mädchen/ der Junge nach<br />

der Ausbeutung emotionale Unterstützung <strong>und</strong><br />

Trost erfährt, ob ihm geglaubt wird.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1. Auswirkungen von sexuellem<br />

Missbrauch auf die<br />

Persönlichkeitsentwicklung<br />

1. Vertrauensverlust<br />

2. Sprachlosigkeit<br />

3. Schuldgefühle<br />

4. Schamgefühle<br />

5. Ohnmacht<br />

6. Zweifel an der eigenen Wahrnehmung<br />

7. Angst<br />

8. Rückzug auf sich selbst<br />

9. Identifikation mit dem Aggressor<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.1. Vertrauensverlust<br />

• Täter als <strong>Bindung</strong>sperson sichere Basis fehlt <br />

unsicheres <strong>Bindung</strong>smuster wahrscheinlich<br />

• Verlust des Vertrauens in die Umwelt tiefes<br />

Misstrauen<br />

• Vertrauensverlust in sich selbst<br />

keine Selbstwirksamkeit, Selbstwert <br />

Schweigegebot / Lügen müssen erleben sich selbst als<br />

unglaubwürdig<br />

• Glaube, es gibt niemand der einem glaubt / glauben<br />

könnte<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.2. Sprachlosigkeit<br />

• Worte fehlen tatsächlich<br />

• Schweigegebote, oft in Verbindung mit<br />

Gehorsamsgeboten<br />

• Reden sollen / wollen als Trigger<br />

• „Nur selber nicht dran denken“ Verleugnung,<br />

Unterdrückung von Gedanken, dissoziative Reaktionen<br />

Doppeldenk ( J. Herman):<br />

• Trotzdem versucht jedes Kind sich mitzuteilen, über<br />

nonverbale, versteckte Hinweise, die häufig nicht<br />

verstanden werden<br />

• <strong>Sexuelle</strong> Gewalt war / ist gesellschaftliches Tabu <br />

„Blinde Flecken“<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.3. Schuldgefühle<br />

• Kind entwickelt eigene Schuldgefühle lebenslang<br />

präsent<br />

• Glaube, dass sie den Missbrauch verdient haben, weil<br />

so etwas nur ihnen passiert<br />

• Schuld (aktiv) lässt sich leichter ertragen als Ohnmacht.<br />

• „…als Introjekte der Schuldgefühle des Erwachsenen“<br />

(Sandor Ferenczi 1932)<br />

• Verstärkung der kindlichen Schuldgefühle durch die<br />

Umwelt<br />

Entwicklung eines „Doppelten Selbst“ (Selbstbild voller<br />

Selbstverachtung. Ekel, Abscheu, „Bin böse“ vs.<br />

Hochleistungen, Erfolge) Spaltung als zentrales<br />

Persönlichkeitsmerkmal<br />

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III.1.4.Schamgefühle<br />

• Der Täter ist schamlos – das Opfer übernimmt die Scham für ihn.<br />

• Scham bleibt an dem Mädchen kleben, wie die Hände des<br />

Missbrauchers auch noch später fühlbar sind. (Barbara Kavemann)<br />

• „Sieht man mir das nicht an?“<br />

Scham über die Verletzungen, die Tabubrüche, für die eigene<br />

Existenz<br />

Ekel vor andern, vor sich selbst<br />

Scham verhindert die Hilfesuche des Opfers<br />

Wichtig!!!<br />

• Wenn die HelferInnen die Scham verstehen <strong>und</strong> erkennen, können<br />

die Opfer darüber sprechen <strong>und</strong> diese überwinden.<br />

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III.1.5. Ohnmacht<br />

• Machtverhältnisse, emotionale Verstrickung <strong>und</strong><br />

Abhängigkeit<br />

• Keine vorstellbaren Lebens-Alternativen<br />

• Besonders „ohnmächtig“: Behinderte Mädchen <strong>und</strong><br />

Jungen<br />

Werden zu Ja-Sagern erzogen, ohne Recht auf<br />

Selbstbestimmung, Selbstdurchsetzung<br />

Ohn-Macht, Verzweiflung, Anpassung<br />

Auto-Aggression, Depression, Apathie,<br />

Selbstmordversuche (die letzte Selbstkontrolle )<br />

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<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.6. Zweifel an der eigenen<br />

Wahrnehmung<br />

• TäterInnen sind Meister der Täuschung!!!<br />

• Traumatische Gedächtnisprozesse (Dissoziationen) <strong>und</strong> Amnesien<br />

verunsichern, unerklärliche Gefühle, Gedanken (angetriggerte<br />

Trauma-Erinnerungen/ Fragmente )<br />

• Normen, Werte: Wem soll ich glauben?<br />

• öffentlichen <strong>und</strong> allgemeine Zweifel an den Aussagen des Kindes;<br />

sek<strong>und</strong>äre Problematiken erhöhen die Unglaubwürdigkeit<br />

Doppeldenk<br />

„fehlende Zeit“ oder Nichtwissen/ -erinnern aufgr<strong>und</strong> von<br />

Abspaltung<br />

Verlust des Realitätsbezugs<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.7.Angst<br />

- das zentrale Lebensgefühl<br />

• aufgr<strong>und</strong> des Verlustes der Sicherheit<br />

(<strong>Bindung</strong>ssicherheit), der körperlichen Unversehrtheit<br />

<strong>und</strong> des Urvertrauens in die Welt<br />

• als physiologische Folge auf die <strong>Traumatisierung</strong>, den<br />

Dauerstress<br />

• Schwächt <strong>und</strong> lähmt den Glauben an die eigene <strong>St</strong>ärke<br />

<strong>und</strong> Widerstandskraft<br />

Aufbau von Vermeidungsverhalten,<br />

Ritualen oder Zwängen,<br />

um Kontrolle zu gewinnen<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.8. Rückzug auf sich selbst<br />

• Schutz des innersten Selbst im Inneren<br />

• Dissoziationen, Spaltungsmechanismen, Ablehnung des<br />

Körpers<br />

• Derealisation, Depersonalisation<br />

• Entwicklung einer Phantasiewelt<br />

• Kein Zugang mehr zu den eigenen Gefühlen ( positiv,<br />

negativ), Wünschen, Bedürfnissen<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

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III.1. 9. Identifikation mit dem Aggressor 1<br />

• Missbrauch durch eine <strong>Bindung</strong>sperson bringt<br />

ein Kind in eine ausweglose Situation.<br />

• Kognitive Dissonanz ( Liebe, Wunsch nach<br />

Nähe vs. Angst, Nicht verstehen können) <br />

Rationalisieren, Normalisieren, Ent-schuldigen<br />

des Täterverhaltens<br />

Sichtweise des übermächtigen Täters<br />

übernehmen, um sich ein ungebrochenes Bild<br />

vom Täter erhalten zu können<br />

Gefahr der Entwicklung von übergriffigen Re-<br />

Inszenierungen<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.1.9.Identifikation mit dem Aggressor 2<br />

Wichtig:<br />

• Idealisierung <strong>und</strong> Entschuldigung der<br />

ausbeutenden <strong>Bindung</strong>sperson nicht als<br />

Zeichen einer positiven emotionalen<br />

<strong>Bindung</strong>, sondern als Zeichen der<br />

Identifikation mit dem Aggressor!!!<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III. 2. Modell der vier traumatogenen<br />

Faktoren bei sexuellem Missbrauch<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

Finkelhor & Browne ( 1985) 10 zitiert nach W. Weiß S. 30 ff<br />

1.Verrat Vertrauen ist erschüttert<br />

Misstrauen, Wut, Feindseligkeit, tiefe Trauer, Depression,<br />

Manifestation der Opferrolle<br />

2. Ohnmacht / Hilflosigkeit Untergrabung der Überzeugung der<br />

eigenen Kontrollfähigkeit<br />

Selbstbild; Angst, Panikattacken, Dissoziationen,<br />

Zwänge, Phobien<br />

3. <strong>St</strong>igmatisierung Verstärkung des Zwangs zur Geheimhaltung,<br />

Isolation, Gefühl nicht dazuzugehören Schuld, Scham<br />

Suchtentwicklung, Autoaggressionen<br />

4. Traumatische Sexualisierung Formung der Sexualität des<br />

Kindes nicht dem Entwicklungsalter entsprechend,<br />

zwischenmenschlich dysfunktional<br />

Verwirrung der sexuellen Normen, Identität,<br />

Verwechslung von Sexualität mit Liebe, übermäßige<br />

Beschäftigung mit Sexualität, zwanghafte sowie aggressive<br />

sexuelle Verhaltensweisen<br />

.<br />

35


III. 3. Folgen für die Sexualität 1<br />

Die sexuelle <strong>Traumatisierung</strong> formt die<br />

Sexualität des Kindes auf unangemessene<br />

Weise.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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III.3. Folgen für die Sexualität 2<br />

• Sexualisieren von sozialen Beziehungen<br />

• exzessive sexuelle Neugierde<br />

• Offene Masturbation<br />

• Bloßstellen der Genitale<br />

• zwanghaft promiskes Verhalten<br />

• Auffälliges Verhalten während der Menstruation<br />

• Altersunangemessenes Sexualverhalten bzw. sexuelles Spiel<br />

• Verweigerung / Negierung sexueller Bedürfnisse<br />

• Prostitution<br />

• <strong>Sexuelle</strong> aggressives Verhalten<br />

• sado-masochistisches Sexualverhalten<br />

• „sexuelle Verwahrlosung“<br />

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III.4 Selbstheilungsversuche<br />

• Drogen- <strong>und</strong> Alkoholabhängigkeit<br />

• Autoaggressionen , Selbstverletzungen, - verstümmelungen<br />

• Suizidversuche, Todessehnsucht ( „Gevatter Tod“ als<br />

<strong>Bindung</strong>sperson, die letzte Kontrolle )<br />

• Arbeitssucht<br />

• Exzessives „sich-spüren-Wollen“ (Gefahrensuche, Extremsport etc.)<br />

• Re-Inszenierung alter traumatischer Situationen stellen das<br />

Erlebte dar, mit der Hoffnung auf eine gute Wendung<br />

• Zwangsrituale<br />

(Klaus Vavrik 3/2007) 3<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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IV. Auswirkungen von sexuellem Missbrauch<br />

1.1. auf die Beziehung zum nicht–<br />

missbrauchenden Elternteil 1<br />

• Täter versucht systematisch die Beziehung zur Mutter zu stören<br />

• Kind Verunsicherung, Misstrauen, Enttäuschung<br />

– Schweigen des Kindes – um Mutter oder Familie zu schonen, Kummer<br />

zu vermeiden<br />

– Isolation, Rückzug<br />

– Wut auf die (nicht schützende, weniger mächtige) Mutter<br />

• Nichtmissbrauchender Elternteil<br />

– „unvorstellbar“ – blinder Fleck; „Ahnungen“ Loyalitätskonflikte<br />

– Schweigen des Kindes als Kränkung, Vertrauensbruch erlebt<br />

– Viele versuchen unbewusst ihre Kinder zu schützen<br />

Ambivalenz, Unsicherheit, Angst, Schuld, Wut, Enttäuschung <strong>und</strong><br />

Protest;<br />

Beziehungsstörung, <strong>Bindung</strong>sunsicherheit<br />

Unsichere <strong>Bindung</strong>srepräsentanz<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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IV.1.2. Die Situation der Geschwister bei<br />

innerfamiliärem sexueller Missbrauch<br />

Immer auch die Geschwister betroffen:<br />

• direkt auch Opfer (gleichzeitiger Missbrauch<br />

von mehreren Geschwistern 35% Finkelhor<br />

1984),<br />

• indirekt über <strong>St</strong>örung der<br />

Geschwisterbeziehung: Eifersucht aufs<br />

Lieblingskind; Verunsicherung, Aggression<br />

• Leben in sexualisierter Atmosphäre Zeuge<br />

von <strong>Traumatisierung</strong> sein; als Schutzschild<br />

gegen Übergriffe dienen müssen..<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

40


IV.1.3. Die Beziehung zu den<br />

Geschwistern<br />

• Täter treibt Keil zwischen die Geschwister; Eifersucht;<br />

<strong>St</strong>reit; Isolation, Schuld Verhinderung von Solidarität<br />

<strong>und</strong> somit Aufdeckung<br />

• Täter zwingt Geschwister sich gegenseitig zu<br />

missbrauchen Opfer wird auch zum Täter<br />

• Übermäßige Verantwortung übernehmen müssen oder<br />

ganz abgeben<br />

• Einsamkeit <strong>und</strong> Isolation, Rivalität, Misstrauen, Scham,<br />

Schuld, Angst<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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IV.2. Vom Opfer zum Täter<br />

• 50 % der erwachsenen männlichen Täter<br />

berichten von eigenen sexuellen<br />

Gewalterfahrungen<br />

• Als Re-Inszenierung von selbst erlebten<br />

sexuellen Übergriffen<br />

• Täter-Introjekt: Als Kompensation von erlebter<br />

Ohnmacht <strong>und</strong> Kränkung<br />

• Desorganisiertes <strong>Bindung</strong>smuster /<br />

<strong>Bindung</strong>sstörung: Grenze zwischen<br />

<strong>Bindung</strong>sverhalten <strong>und</strong> Sexualverhalten kann u.<br />

U. aufgehoben sein<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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V. Pädagogische <strong>und</strong> therapeutische<br />

Gr<strong>und</strong>sätze im Umgang mit (sexuell)<br />

traumatisierten Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen<br />

• Zum Verständnis von Traumatisierten hilft die<br />

Therapeutische Frage: 6<br />

• Welche der präsentierten Symptomatik im Denken,<br />

Fühlen, Verhalten, im Bereich der Körperregulation, auf<br />

der somatoformen Ebene <strong>und</strong> Beziehungsebene könnte<br />

ein fragmentarischer Teil eines Traumas sein?<br />

• Oder eine Reaktion im Traumakontext, eine<br />

Überlebensstrategie?<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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IV.1. Gr<strong>und</strong>sätze im Umgang mit<br />

traumatisierten Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

1.Korrigierende Gruppenatmosphäre<br />

Reagiert auf …<br />

• Geheimhaltung<br />

• Schuld<br />

• Angst<br />

• Willkür<br />

• Ohnmacht, Objekt<br />

• Verstecken von Gefühlen<br />

• Beziehungslosigkeit<br />

• Traumatische Erfahrungen…<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

Mit<br />

Direkter offener<br />

Kommunikation<br />

Entlastung<br />

Sicherheit<br />

Transparenz, klaren <strong>St</strong>rukturen<br />

Mit-, Selbstbestimmung<br />

Akzeptanz der Gefühle,<br />

Beziehungsangebot<br />

Schutz vor Wiederbelegung…<br />

(Wilma Weiß 2008)<br />

44


IV.1.2.Therapeutische Aspekte<br />

• Verhinderung von sek<strong>und</strong>ärer <strong>Traumatisierung</strong> im<br />

Therapeutischen Setting (Erleben von erneuter<br />

Unabwendbarkeit, Ausgeliefertsein ans Schicksal,<br />

Ohnmacht, Hilflosigkeit, „Selbst-daran-Schuldsein“<br />

Psychoedukation: Vermittlung von individuellem<br />

Symptomverständnis als Überlebensstrategie, „normale<br />

Reaktion auf unnormale Welt<br />

Aufbau von Selbstbewussheit, Selbstkontrolle,<br />

Mitbestimmung<br />

Halt gebende Beziehung; Veränderung der<br />

<strong>Bindung</strong>srepräsentanz<br />

Aufbau eines positiven Rollenbildes, wertschätzende<br />

gleichberechtigte Sexualität<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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IV.1.3.Kontaktgestaltung des<br />

traumatisierten Kindes zu den Eltern<br />

• CAVE bei nicht bestätigtem Verdacht auf<br />

Missbrauch in der Familie, aber auch bei<br />

bestätigtem:<br />

• Wunsch nach Nähe des Kindes zur<br />

<strong>Bindung</strong>sperson, bei gleichzeitiger Gefahr von<br />

Re-<strong>Traumatisierung</strong><br />

• Idealisierung als Ausdruck der Identifikation mit<br />

dem Aggressor<br />

• Wenn ein Missbrauch nicht widerlegt wurde,<br />

(Kind sagt nichts) besteht weiterhin die Gefahr<br />

erneuter Übergriffe durch den Täter; die<br />

Machtstrukturen können weiterbestehen.<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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IV.2.Umgang mit ungewöhnlichen<br />

sexuellen Verhaltensweisen<br />

Sowohl für BetreuerInnen als auch Betreute ist<br />

anzustreben:<br />

• Sicherheitsheitsschaffende äußere<br />

Rahmenbedingungen (Gruppenregeln, Normen, Werte)<br />

• Transparenz, Enttabuisieren des Themas Sexualität/<br />

<strong>Sexuelle</strong> Übergriffe<br />

• Klarheit bzgl. Haltungen, Vorgehensweisen<br />

• Konsequentes <strong>und</strong> sicheres Reagieren<br />

• Wissen , Psychoedukation, Fortbildung<br />

• Sensibilität <strong>und</strong> Achtsamkeit für Traumata <strong>und</strong><br />

Belastungsfakoren in der Vorgeschichte<br />

• <strong>Bindung</strong>stherapeutisches Verständnis<br />

WS Nr.8 "<strong>Sexuelle</strong><br />

<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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Literatur<br />

1 Hüther Gerald (12/2002) Folgen traumatischer Kindheitserfahrungen auf die Hirnentwicklung.<br />

Agsp.de / UB Veröffentlichungen<br />

2 Fegert Jörg ( 1995) Ärztliche Diagnosemöglichkeiten in Klinik <strong>und</strong> Praxis. In Endres U. Zart war ich,<br />

bitter war´s. Handbuch gegen sexuelle Gewalt an Mädchen <strong>und</strong> Jungen. KIWi<br />

3 Klaus Vavrik 3/2007 Neurobiologie der psychischen Verarbeitung insbesondere Traumatischer<br />

Erfahrungen. Wissenschaftliche Sitzung Kinder- <strong>und</strong> Jugendheilk<strong>und</strong>e Wien<br />

4 Dt.Ges.f. Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur<br />

Diagnostik <strong>und</strong> Therapie von psychischen <strong>St</strong>örungen im Säuglings-, Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter.<br />

Deutscher Ärzte Verlag, 3. überarbeitete Auflage 2007 - ISBN: 978-3-7691-0492-9, S. 311 - 317<br />

5 Flatten G, Gast U, Hofmann A, Liebermann P, Reddemann L, Siol T, Wöller W, Petzold ER:<br />

Posttraumatische Belastungsstörung - Leitlinie <strong>und</strong> Quellentext. 2. Auflage, Schattauer-Verlag,<br />

<strong>St</strong>uttgart, New York 2004 AMWF-online<br />

6. Besser Lutz-Ulrich Skript Psychotraumatologie <strong>und</strong> Traumatherapie Fortbildungscurriculum 2009-<br />

2011 in Bad Endorf<br />

7. Karl-Heinz Brisch, Klassifikation <strong>und</strong> klinische Merkmale von <strong>Bindung</strong>sstörungen. In Monatschrift<br />

Kinderheilk<strong>und</strong>e 2002 .150 S. 140-148; Springer Verlag<br />

8. Weiß Wilma (2008), Philipp sucht sein Ich. 4. überarb. Aufl.<br />

9 Scheuerer-Englisch Hermann, Suess Gerhard J., Pfeifer Walter-Karl O. (HG).( 2003) Wege zur<br />

Sicherheit <strong>Bindung</strong>swissen in Diagnostik <strong>und</strong> Intervention. Psychosozialverlag Gießen<br />

10[ Finkelhor, David; Browne, Angela (1985). The Traumatic Impact of Child Sexual Abuse: A<br />

Conceptualisation. American Journal of Orthopsychiatry. 55,530-541<br />

11 Herman Judith Lewis ( 1994/2003) Die Narben der Gewalt. Kindler Verlag<br />

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<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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ENDE<br />

Herzlichen Dank für ihre<br />

Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Mitarbeit!!!


Begriffsdefinitionen<br />

• Re-Inszenierung (der sexuellen <strong>Traumatisierung</strong>): ein<br />

durch ein Trauma erlerntes Rollenverhalten, der Versuch<br />

die unvollständige Handlung im Trauma zu einem guten<br />

Ende zu führen.<br />

• Abwehrmechanismen im Kontext PTBS- Vermeidung<br />

( Dissoziation, Gefühlsabwehr..)<br />

• Flashback: Wiedererleben der traumatischen Situation<br />

• Traumaschema: Kampf- oder Fluchtreaktion<br />

• Traumakompensatorisches Schema: erlerntes Verhalten<br />

um das Trauma zu kompensieren<br />

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<strong>Traumatisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Bindung</strong>"<br />

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