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Das wenig umworbene Jassfestival - Verwaltungsgericht Sigmaringen

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Kolloquium: Aktuelle Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />

Kolloquium: Aktuelle Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />

Fall 12: <strong>Das</strong> <strong>wenig</strong> <strong>umworbene</strong> Jazzfestival<br />

Richter am VG Sennekamp<br />

In der Stadt M. findet seit Jahren im Sommer ein Jazzfestival statt. <strong>Das</strong> mehrtägige Festival<br />

wird von dem dort ansässigen eingetragenen Förderverein „BlueNote“ veranstaltet, dessen<br />

Vorsitzender K ist.<br />

Anlässlich des 8. Festivals in der Zeit vom 12. - 15.06.2002 beantragte K im Namen des<br />

Fördervereins mit Schreiben vom 22.04.2002 bei der benachbarten Stadt (S) „eine<br />

Genehmigung für die Anbringung von 20 Plakaten mit Plakatträgern aus Presspappe im<br />

innerörtlichen öffentlichen Verkehrsraum (Laternenmasten, Geländer, Straßenbäume) für die<br />

Zeit vom 22.05. - 15.06.2002“.<br />

Mit Schreiben vom 15.05.2002 lehnte S die beantragte „Plakatierungserlaubnis“ ab:<br />

Plakatierungserlaubnisse würden nur noch für Veranstaltungen im Gemeindegebiet oder für<br />

große Messen in den Städten X, Y und Z erteilt werden. Fast täglich gingen eine Vielzahl<br />

entsprechender Plakatierungsanträge ein, die nicht alle bewilligt werden könnten, da<br />

ansonsten S wie die Pinwand einer Universität aussähe.<br />

Verärgert hierüber, beauftragte K seinen erst 15-jährigen Sohn C damit, in der Nacht zum<br />

22.05.2002 zehn der Plakate im Stadtinneren von S aufzuhängen. Nach kurzer telefonischer<br />

Anhörung wurde dem Förderverein seitens S mit einer am 27.05.2002 zugestellten<br />

„Polizeiverfügung“ vom 25.05.2002 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgefordert,<br />

binnen 3 Tagen nach Zustellung die unbefugt angebrachten 10 Werbeplakate auf eigene<br />

Kosten zu entfernen; gleichzeitig wurde für den Fall der Nichtbefolgung die Entfernung der<br />

Plakate von Amts wegen auf Kosten des Pflichtigen angedroht. In der Begründung der<br />

Verfügung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass nach der Polizeiverordnung von S<br />

gegen umweltschädliches Verhalten und zum Schutz der öffentlichen Anlagen (PVO)<br />

Plakatierungen außerhalb von zugelassenen Plakatträgern genehmigungspflichtig seien. <strong>Das</strong><br />

Anbringen der Plakate des Fördervereins sei deshalb genehmigungspflichtig. Der<br />

Förderverein besitze hierfür aber keine Genehmigung. Die Abwägung der widerstreitenden<br />

Interessen ergebe, dass die Steuerung der Plakatflut Vorrang genieße vor dem Interesse des<br />

Vereins, preiswert für seine Veranstaltung werben zu können. S weise eine besonders<br />

wertvolle historische Altstadt sowie vor allem im Innenstadtbereich eine hohe Verkehrsdichte<br />

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Kolloquium: Aktuelle Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />

auf und lebe hauptsächlich vom Fremdenverkehr. Wildes bzw. übermäßiges Plakatieren<br />

würde zu einer erheblichen Verschmutzung und Verschandelung des Stadtbilds führen und<br />

die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs stören. Angesichts der massiven negativen<br />

Vorbildwirkung sei die gesetzte Frist für die Entfernung der Plakate angemessen. Bei einer<br />

Ersatzvornahme würden voraussichtlich Kosten in Höhe von 120 EUR entstehen.<br />

Um die angekündigten Kosten zu vermeiden, wurden die Plakate durch K umgehend entfernt.<br />

Angesichts geringer Besucherzahlen spielte das 8. Jazzfestival einen erheblichen Fehlbetrag<br />

ein. Namens des Fördervereins hat K deshalb am 20.06.2002 vor dem örtlich zuständigen<br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong> Klage gegen die Versagung der beantragten Genehmigung sowie gegen<br />

die Polizeiverfügung erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:<br />

Es gehe hier um eine prinzipielle Klärung der Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahmen. Die<br />

Vorgänge könnten sich bereits im nächsten Jahr wiederholen, wenn das 9. Jazzfestival<br />

anstehe. Die Weigerung, Werbung für auswärtige Veranstaltungen zuzulassen, entspräche<br />

zudem der Praxis vieler Gemeinden. <strong>Das</strong> Festival sei darauf angewiesen, alle Musikfreunde<br />

der Region anzusprechen, da es nur für die Stadt M. zu groß sei. Der von S praktizierte<br />

generelle Ausschluss für alle auswärtigen Veranstaltungen mit Ausnahme bestimmter<br />

Messen sei ermessensfehlerhaft. S sei verpflichtet, eine die konkreten Umstände des<br />

Einzelfalls berücksichtigende Ermessensentscheidung zu treffen. So seien das Stadtbild und<br />

die verkehrlichen Belange zum Beispiel nicht tangiert, wenn für den konkreten Zeitraum keine<br />

oder nur <strong>wenig</strong>e Plakatierungsanträge für einheimische Veranstaltungen oder Messen gestellt<br />

worden wären: In diesem Fall wären keine die Ablehnung rechtfertigenden Gründe ersichtlich,<br />

zumal da sich der Förderverein auf die Freiheit der Kunst berufen könne. Auch sei nicht<br />

geprüft worden, ob etwaige Missstände durch Auflagen hätten verhindert werden können;<br />

eine Werbewirkung würden auch Plakate außerhalb der historischen Altstadt erzielen. Da<br />

eine entsprechende Einzelfallprüfung nicht vorgenommen worden sei, sei mangels Darlegung<br />

des Gegenteils davon auszugehen, dass von der beantragten Plakatierung keine konkreten<br />

nachteiligen Wirkungen ausgegangen wären. Unter dieser Voraussetzung sei auch die<br />

Polizeiverfügung unhaltbar.<br />

S hat im Klageverfahren ihre bisherige Begründung wie folgt ergänzt: Die Verwaltungspraxis<br />

beruhe auf einer Richtlinie (RL), die ihr Bürgermeister 1996 erlassen habe, um die stetig<br />

ansteigende Zahl von Plakatierungen zu regeln. Zweck sei, die drohende optische<br />

Verunstaltung und Ablenkung der Verkehrsteilnehmer durch zu viele Plakate abzuwehren.<br />

Gerade die gleichmäßige Anwendung der RL, deren Einhaltung die Verwaltungsleitung strikt<br />

verlange, schließe Zufallsergebnisse und damit Ermessensfehler aus. Es habe deshalb keine<br />

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Pflicht zur Ermittlung und Darlegung bestanden, wie viele Anträge für den fraglichen Zeitraum<br />

eingegangen bzw. genehmigt worden seien.<br />

Hat die Klage des Fördervereins vor dem <strong>Verwaltungsgericht</strong> Erfolg (Teil 1) ? Hätte K<br />

anstelle der gescheiterten „Selbsthilfe“ mit Erfolg einstweiligen gerichtlichen<br />

Rechtsschutz für seinen Verein beantragen können (Teil 2) ?<br />

Hinweis:<br />

§ 18 der formell ordnungsgemäß 1996 erlassenen PVO der S lautet wie folgt:<br />

„<strong>Das</strong> Anbringen von Plakaten an öffentlichen Straßen und Gehwegen sowie<br />

in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen oder den zu ihnen gehörenden<br />

Einrichtungen ist ohne Erlaubnis der Ortspolizeibehörde außerhalb von<br />

zugelassenen Plakatträgern (Plakatsäulen, Anschlagtafeln) untersagt.“<br />

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