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Schweine, Puten oder Menschen? - Verwaltungsgericht Sigmaringen

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Examensrepetitorium an der Universität Tübingen<br />

Aktuelle Fälle aus der Praxis des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />

Sommersemester 2011<br />

Fall 4: „<strong>Schweine</strong>, <strong>Puten</strong> <strong>oder</strong> <strong>Menschen</strong>? "<br />

RiVG Dietmar Reimann<br />

Bauer B betreibt im Ortsteil Schönberg der Gemeinde Auental einen Landwirtschaftsbetrieb.<br />

Schönberg hat ca. 400 Einwohner, im Ort befinden sich außer dem des B noch 6 aktive<br />

Landwirtschaftsbetriebe mit unterschiedlichen Schwerpunkten (<strong>Schweine</strong>mast,<br />

Milchviehhaltung, Hähnchenproduktion), etwa ebensoviel Landwirtschaften wurden in den<br />

letzten Jahren aufgegeben. Einen Bebauungsplan gibt es in Schönberg nicht.<br />

Die Hofstelle des B befindet sich am Westrand von Schönberg. Zu ihr gehört ein Stall, der<br />

1973 genehmigt wurde. In den Bauvorlagen und der Baugenehmigung ist der Stall als „Stall<br />

für 192 Mastschweine“ bezeichnet. Wirtschaftliches Hauptstandbein des Betriebes ist aber<br />

seit Ende der 1990-er Jahre die <strong>Puten</strong>erzeugung. In zwei ca. 500 m außerhalb von<br />

Schönberg liegenden, 1999 genehmigten Ställen hält B ca. 14.000 <strong>Puten</strong>.<br />

Im Sommer 2008 stellte B die <strong>Schweine</strong>haltung ein, seither stand der Mastschweinestall an<br />

der Hofstelle leer. Am 29. Oktober 2010 beantragte B eine Baugenehmigung zur<br />

Nutzungsänderung des Mastschweinestalls. Künftig will er in diesem 2.000 <strong>Puten</strong> halten.<br />

Das Landratsamt leitet das Baugesuch der Gemeinde zu und bittet um Erteilung des<br />

Einvernehmens nach § 36 BauGB. In seiner Sitzung am 10.11.2010 lehnte der Gemeinderat<br />

die Erteilung des Einvernehmens ohne Begründung ab und teilte dies dem Landratsamt mit.<br />

Das Landratsamt schreibt der Gemeinde daraufhin, es werde erwogen, das Einvernehmen<br />

zu ersetzen, da B einen Genehmigungsanspruch habe. Daher werde die Gemeinde ersucht,<br />

binnen eines Monats nochmals über das Einvernehmen zu entscheiden. In der Sitzung vom<br />

06.12.2010 lehnt der Gemeinderat wiederum die Erteilung des Einvernehmens ab. In der<br />

Begründung, die dem Landratsamt auch zugeleitet wird, heißt es:<br />

Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe in Schönberg nimmt seit Jahren ständig ab. Um<br />

ein Aussterben des Ortsteils zu verhindern versucht die Gemeinde unter Einsatz<br />

erheblicher finanzieller Mittel, den Ortsteil für die Wohnnutzung attraktiv zu machen<br />

um <strong>Menschen</strong> am Wegzug zu hindern und neue Einwohner zu gewinnen. Das Leben<br />

auf dem Dorf ist aber nur attraktiv, wenn ein ruhiges und ungestörtes Wohnen<br />

möglich ist. Eine Intensivtierhaltung wie sie B nun mit der <strong>Puten</strong>mast betreiben will,


führt jedoch zu hohen Geruchsimmissionen, die die Bemühungen der Gemeinde<br />

gefährden <strong>oder</strong> gar zunichte machen würden. <strong>Puten</strong> stinken sogar mehr als<br />

Mastschweine. Weil der Stall im Westen des Dorfes, also der Hauptwindrichtung liegt,<br />

wird die Gestankswolke über das gesamte Dorf wabern. In einem solchen Dorf will<br />

niemand wohnen. Es geht nicht darum, die historischen, kleinen<br />

Landwirtschaftsbetriebe zu verdrängen. Intensivtierhaltung hat im Dorf aber nichts<br />

verloren. Bei der Entscheidung, ob das Dorf <strong>Schweine</strong>n, <strong>Puten</strong> <strong>oder</strong> <strong>Menschen</strong><br />

gehören soll, haben unserer Meinung nach die <strong>Menschen</strong> den Vorrang.<br />

Am 03.01.2011 erteilt das Landratsamt dem B die beantragte Baugenehmigung zur<br />

Nutzungsänderung. In dem Bescheid wird ausdrücklich das Einvernehmen der Gemeinde<br />

ersetzt. In der Begründung geht es auch um das Einvernehmen. Dort heißt es, man habe<br />

das Einvernehmen ersetzt, weil die Gemeinde es rechtswidrig versagt habe. B habe einen<br />

Genehmigungsanspruch aus § 34 BauGB. Die Ortslage sei durch den genehmigten<br />

Mastschweinestall, der Bestandsschutz genieße, vorbelastet. Die „Umrüstung“ auf<br />

<strong>Puten</strong>haltung bringe sogar eine Verbesserung. Man habe die Geruchsausbreitung sowohl<br />

nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) als auch nach der VDI-Richtlinie 3474 E<br />

untersucht. Beide hätten ergeben, dass der Immissionsabstand für den <strong>Schweine</strong>stall bei<br />

104 m gegenüber einem Dorfgebiet liege, der für den <strong>Puten</strong>stall liege bei nur 71 m. Das folge<br />

(wenngleich <strong>Puten</strong>gestank als (noch!) unangenehmer empfunden werde wie<br />

Mastschweinegestank) aus der geringeren Tiermasse. Während in dem 104-m-Radius des<br />

<strong>Schweine</strong>stalls 7 Wohnhäuser lägen, würden von dem 71-m-Radius nur noch 3 Wohnhäuser<br />

erfasst. Angesichts dessen füge sich der neue Stall ein und führe auch nicht zu<br />

unzumutbaren Beeinträchtigungen. Die Baugenehmigung wird auch der Gemeinde<br />

zugesandt.<br />

Die Gemeinde Auental legt daraufhin am 03.02.2011 Widerspruch ein und stellt beim<br />

<strong>Verwaltungsgericht</strong> <strong>Sigmaringen</strong> einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.<br />

Zur Begründung werden die Erwägungen zur Versagung des Einvernehmens wiederholt und<br />

außerdem geltend gemacht, der Mastschweinestall müsse unberücksichtigt bleiben. Dessen<br />

Genehmigung sei nämlich gegenstandslos geworden, nachdem die Nutzung über zwei Jahre<br />

aufgegeben sei. Außerdem sei die <strong>Puten</strong>haltung gegenüber der <strong>Schweine</strong>haltung ein „aliud“,<br />

weshalb bei der Beurteilung der bestehende Stall außer Betracht bleiben müsse.<br />

Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> lädt den B zum Verfahren bei. Dieser macht geltend, er habe die<br />

<strong>Schweine</strong>haltung aufgegeben, weil er damals aus gesundheitlichen Gründen habe kürzer<br />

treten müssen. Jetzt sei er wieder gesund und habe sich entschlossen, nunmehr ganz auf<br />

die <strong>Puten</strong> zu setzen, weil er mit diesen bessere Preise erziele.<br />

Wie wird das <strong>Verwaltungsgericht</strong> über den Antrag entscheiden?

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