Lösungsskizze - Verwaltungsgericht Sigmaringen
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Examensrepetitorium an der Universität Tübingen<br />
Aktuelle Fälle aus der Praxis des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />
Sommersemester 2007<br />
Fall 2: „Streit in der Ehewohnung“<br />
Richter Jörg Müller<br />
Vorbemerkung: Der Fall ist dem Beschluss des VG <strong>Sigmaringen</strong> vom 17.01.2007 - 6 K 85/07 -<br />
nachgebildet. Die aufgeworfenen Rechtsfragen bewegen sich überwiegend im examensrelevanten<br />
Bereich des Polizeirechts. Zugleich sollen der Fall und die Fallbesprechung die konkrete<br />
praktische Bearbeitung von Eilfällen beim <strong>Verwaltungsgericht</strong> veranschaulichen und das vielschichtige<br />
Zusammenspiel von Polizeivollzugsdienst, Ortspolizeibehörde und Gerichten (Familien-<br />
und <strong>Verwaltungsgericht</strong>) aufzeigen.<br />
AUFGABE 1:<br />
einzelne Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes am 04.01.2007:<br />
Maßnahme Rechtsgrundlage Zuständigkeitsnorm<br />
Betreten der Woh- § 31 Abs. 1 PolG § 60 Abs. 3 PolG (eigene Zunungständigkeit<br />
des PVD)<br />
Platzverweis aus der §§ 1, 3 PolG § 60 Abs. 2 PolG (Eilzustän-<br />
Wohnung<br />
Handschellen anlegen a) Vollstreckung des Verwaltungsakts<br />
Platzverweis durch unmittelbaren<br />
Zwang nach §§ 49 Abs. 2, 50 Abs. 1,<br />
52 PolG, 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO:<br />
Handschellen sind Hilfsmittel der körperlichen<br />
Gewalt<br />
b) ebenso vertretbar: Begründung<br />
Verbringung zum Revier<br />
Ärztliche Untersuchung<br />
Gewahrsam auf dem<br />
Revier<br />
von Gewahrsam iSd § 28 Abs. 1 PolG<br />
sog. „Verbringungsgewahrsam“ (Behandlung<br />
str., vgl. Ruder/Schmitt, PolizeiR<br />
BW, Rn 572)<br />
a) vertretbar: immer noch Vollstreckung<br />
des Verwaltungsakts Platzverweis<br />
durch unmittelbaren Zwang<br />
(s.o.)<br />
b) vertretbar: Gewahrsam iSd § 28<br />
Abs. 1 PolG<br />
c) vertretbar: keine Rechtsgrundlage<br />
vorhanden<br />
hier wohl keine Zwangsmaßnahme,<br />
sondern im Einverständnis mit den<br />
Betroffenen; ansonsten gibt es keine<br />
Rechtsgrundlage (abgesehen von §§<br />
81a, 81c und 81d StPO) für eine Untersuchung<br />
ohne Einverständnis<br />
(Wolf/Stephan, PolG BW, § 29, Rn 6)<br />
1<br />
digkeit)<br />
a) Zuständigkeit des PVD als<br />
Vollstreckungsbehörde (von<br />
PVD selbst erlassener VA<br />
wird vollstreckt, § 4 Abs. 1<br />
LVwVG)<br />
b) § 60 Abs. 3 PolG (eigene<br />
Zuständigkeit des PVD)<br />
s.o.<br />
§ 28 Abs. 1 PolG § 60 Abs. 3 PolG (eigene Zuständigkeit<br />
des PVD)
AUFGABE 2: Erfolgsaussichten des Eilantrags gegen die Maßnahmen der Ortspolizeibehörde<br />
Der Antrag des Herrn Wagenhäuser hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet<br />
ist.<br />
I. Zulässigkeit<br />
1. VwRechtsweg nach § 40 VwGO unproblematisch (+). Es geht nicht um Maßnahmen<br />
nach dem GewSchG, sondern um das von der Ortspolizeibehörde ausgesprochene off.rechtl.<br />
Aufenthaltsverbot.<br />
2. statthafter Antrag: in der Hauptsache Anfechtungssituation, daher: Antrag nach § 80<br />
Abs. 5 VwGO gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs<br />
(§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung<br />
des Widerspruchs hinsichtlich der angedrohten Zwangsmaßnahmen (die kraft Gesetzes -<br />
§ 12 LVwVG - sofort vollziehbar sind, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO)<br />
3. Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog (+)<br />
4. RSB (+), zum Zeitpunkt der Antragstellung (und der Entscheidung des Gerichts) hatte<br />
sich das Aufenthaltsverbot noch nicht durch Zeitablauf erledigt (wenngleich nicht ganz<br />
nachvollziehbar ist, warum sich der Antragsteller so lange Zeit gelassen und sich erst<br />
kurz vor Ablauf des Aufenthaltsverbotes an das Gericht gewandt hat).<br />
5. ansonsten keine Zulässigkeitsprobleme ersichtlich<br />
II. Begründetheit<br />
1. Die Stadt Tübingen ist in entsprechender Anwendung von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO richtiger<br />
Antragsgegner.<br />
2. formelle RMK der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 VwGO ist mangels<br />
entgegenstehender Angaben im SV zu unterstellen. Besondere Eilbedürftigkeit steht bei<br />
„häuslicher Gewalt“ i.Ü. wohl außer Frage<br />
3. materielle RMK<br />
Ausgangspunkt: § 80 Abs. 5 VwGO: „kann das Gericht...“ (Ermessen!) - deshalb: Interessenabwägung<br />
- (zur Methodik vgl. etwa Proppe, JA 2004, 324 ff.)<br />
Abzuwägen zwischen: öff. Interesse am sofortigen Vollzug und dem privaten Interesse des W,<br />
einstweilen vom Vollzug verschont zu bleiben. Hilfsmittel für die Abwägung:<br />
- Rechtmäßigkeitsprüfung (Offensichtlichkeit) - Erfolgsaussichten<br />
- falls Erfolgsaussichten offen: reine Folgenbetrachtung / Interessenlage<br />
a) RMK des Aufenthaltsverbots<br />
a. EGL: mangels spezialgesetzlicher Regelung § 1, 3 PolG;<br />
In jüngster Zeit wird allerdings unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten - Rechtsklarheit<br />
und Rechtssicherheit - stark diskutiert, ob der Gesetzgeber nicht gehalten wäre, für Platzverweise<br />
und Aufenthaltsverbote in Fällen häuslicher Gewalt eine spezielle EGL zu schaffen.<br />
Insbes. die Lit. fordert dies (vgl. Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6.<br />
Aufl., RdNrn. 200, 302 b, 302 c; Butzer, Flucht in die polizeiliche Generalklausel?, VerwArch<br />
2002, 506, 536 ff.; Gusy, JZ 2005, 355, 357). Nachdem es in BW einen Modellversuch<br />
zu Maßnahmen bei häuslicher Gewalt gegeben hat, dürfte eine gesetzliche Regelung<br />
mittlerweile tatsächlich angezeigt sein, dem Gesetzgeber ist das Problem seit langem bekannt<br />
(vgl. VG Stuttgart, Beschlüsse vom 08.06.2006 - 5 K 2106/06 - und vom 17.05.2001<br />
- 5 K 1912/01 -, VBlBW 2002, 43). Der VGH Baden-Württemberg hat in seiner ersten Entscheidung<br />
zur Gefahrenabwehrhandlung der Polizei in Fällen häuslicher Gewalt diese Bedenken<br />
„jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ (Urt. v. 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, NJW<br />
2005, 88 = VBlBW 2005, 138) - noch - nicht geteilt. In anderen Bundesländern (vgl. den<br />
Überblick über die Rechtslage in den Ländern bei Naucke-Lömker, NJW 2002, 3525; Sei-<br />
2
ler, VBlBW 2004, 93; Collin, DVBl. 2003, 1499) ist der polizeiliche Verweis aus der eigenen<br />
Wohnung und das Rückkehrverbot bereits spezialgesetzlich z.T. als eigenständige Standardmaßnahme<br />
geregelt. Nach Auffassung des VGH BW (aao) bestehen bzw. bestanden<br />
keine grundsätzlichen verfassungs- oder einfachrechtlichen Bedenken (etwa im Hinblick<br />
auf die Gesetzgebungskompetenz und den Parlamentsvorbehalt).<br />
P: Sperrwirkung spezieller Bundes- oder Landesgesetze? Hier: GewSchG?<br />
GewSchG steht Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel für einen kurzfristigen<br />
Wohnungsverweis nicht entgegen.<br />
GewSchG (und Neuregelung des § 1361b Abs. 2 BGB) soll bei Gewalttaten unter<br />
Eheleuten den Opferschutz optimieren. Der polizeiliche Wohnungsverweis stellt<br />
demgegenüber eine flankierende Maßnahme dar, um der Behörde in Fällen häuslicher<br />
Gewalt eine erste kurzfristige Krisenintervention zu ermöglichen und Opfern<br />
bereits vor bzw. bis zur Erreichbarkeit zivilrechtlichen Schutzes beizustehen. Das<br />
würde konterkariert, wenn man den in aller Regel schnelleren polizeilichen Schutz<br />
ausschließen wollte.<br />
b. formelle RMK (+), insbes. ist die Stadt Tübingen als Ortspolizeibehörde (§§ 60<br />
Abs. 1, 62 Abs. 4 PolG) zuständig; die Eilzuständigkeit des PVD nach § 60 Abs. 2<br />
PolG endete, nachdem die Ortspolizeibehörde wieder erreichbar war und Maßnahmen<br />
treffen konnte.<br />
c. materielle RMK<br />
- §§ 1, 3 PolG<br />
- keine Subsidiarität nach § 2 Abs. 2 PolG: es geht nicht allein um den Schutz privater<br />
Rechte, durch ggf. drohende Straftaten ist auch die öffentliche Sicherheit betroffen.<br />
I.Ü.: der Ehefrau soll ja durch die Maßnahme erst ermöglicht werden, gerichtlichen<br />
Schutz (§ 2 Abs. 2 PolG) beim Familiengericht nach dem GewSchG in Anspruch zu<br />
nehmen.<br />
- Subsumption unter TB-Voraussetzungen der §§ 1, 3 PolG :<br />
konkrete Gefahr?<br />
Def.: (+), wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, das heißt eine konkrete Sachlage<br />
oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden<br />
Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die<br />
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde.<br />
►Prognose des zukünftigen hypothetischen Geschehensablaufs erforderlich.<br />
Grundlage: ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte, Erfahrungen des täglichen<br />
Lebens, das Erfahrungswissen der Polizei oder wissenschaftlich oder technische<br />
Erkenntnisse sein.<br />
Bei Aufenthaltsverbot betreffend die eigene Wohnung ist wegen des Eingriffs in<br />
Art. 11 Abs. 1 GG und des Gesetzesvorbehalts in Art. 11 Abs. 2 GG („um strafbaren<br />
Handlungen vorzubeugen“) eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung<br />
der Generalklausel angezeigt. allgemeine polizeiliche Gefahr reicht folglich<br />
nicht. Maßnahmen nur zulässig zur Vorbeugung strafbarer Handlungen (hier:<br />
Verhinderung von Gewalt- und Nötigungsdelikten).<br />
Dabei ist in die Abwägung u. a. etwa einzustellen, ob, wie oft, mit welchem zeitlichen Abstand<br />
und aus welchen Anlässen es in der Vergangenheit bereits zu Gewalttätigkeiten gekommen<br />
ist, welche Intensität die Gewalttätigkeiten hatten, ob der/die Geschädigte mit<br />
dem Erlass eines entsprechenden Verbots einverstanden ist bzw. ein solches Verbot gar<br />
selbst beantragt hat und ob der Täter ernstzunehmende Drohungen gegen das Opfer ausgesprochen<br />
hat.<br />
hier: im Eilverfahren allein summarische Prüfung möglich. Zweifel an Gefahrenprognose<br />
am Folgetag (05.01.2007) lassen sich durchaus anmelden. Nach SV<br />
3
insbesondere zweifelhaft: gab es am Abend des 04.01.2007 Straftaten (Körperverletzungen<br />
o.ä.)? Droht konkret deren Wiederholung während der Zeit des Aufenthaltsverbots?<br />
Vorwürfe werden bestritten. Mögl. Schläge ggü. Sohn sind nicht<br />
unbedingt verwertbar, da sich dieser wieder am Studienort aufhält (deshalb keine<br />
unmittelbare Wiederholungsgefahr).Verletzungen nicht feststellbar. Wohnung in<br />
ordentlichem Zustand angetroffen. Letzter bekannter Vorfall mglw. mit Gewalt<br />
(22.02.2006) liegt fast ein Jahr zurück.<br />
aber: auch Anhaltspunkte für Gefahr von Straftaten:<br />
Hr. Wagenhäuser war nach Einschätzung des PVD gewalttätig und aggressiv, hat<br />
ggf. Drohungen ausgesprochen und Veranlassung für Ingewahrsamnahme gegeben.<br />
Ausgesprochenen Platzverweis nicht befolgt. Er hat auch selbst nicht ausschließen<br />
wollen, seine Ehefrau „angefasst und gedrückt“ zu haben (schon Körperverletzung<br />
oder Nötigung?).<br />
Bei Prüfung der Gefahr kann auch die Wertigkeit der ggf. betroffenen Schutzgüter<br />
(hier: körperliche Unversehrtheit) berücksichtigt werden: je schlimmer die ggf. eintretenden<br />
Folgen, desto geringer die Anforderungen an die Gefahrenprognose.<br />
Erfolgsaussichten des eingelegten Widerspruchs sind danach wohl offen. RMK<br />
des Aufenthaltsverbotes insoweit weder eindeutig (+) oder (-)<br />
- Störerauswahl (hilfsweise): § 6 PolG (+). Hr. Wagenhäuser ist Verhaltensstörer,<br />
auch wenn andere (Sohn) mit beteiligt sind.<br />
- Ermessensfehler (beim Entschließungs- und Auswahlermessen) sind nicht ersichtlich<br />
- Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (§ 5 Abs. 2 PolG)?<br />
RMK (auch) der Dauer des Aufenthaltsverbots (+). Grenze: Zeitspanne, die für die Einleitung und<br />
Vollziehung zivilrechtlicher Maßnahmen nach dem GewSchG oder nach familienrechtlichen Bestimmungen<br />
erforderlich ist (VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2003 - 11 K 2529/03 -). Ab einem<br />
bestimmten Zeitpunkt sind die Beschränkungen nicht mehr verhältnismäßig. Es ist nicht Aufgabe<br />
der Polizei, häusliche Konflikte auf Dauer zu regeln (vgl. hierzu VG <strong>Sigmaringen</strong>, Beschluss vom<br />
05.09.2002 - 2 K 1733/02 -; Ruder, VBlBW 2002, 11 ff., 16). Weiterer Anhaltspunkt für zeitliche<br />
Grenze: Analogie zu § 28 Abs. 3 Satz 2 2. HS PolG (2 Wochen), wonach potenzielle Gewalttäter<br />
aus vergleichbarem Anlass in Gewahrsam genommen werden können und dabei mit einer ungleich<br />
intensiveren Rechtsfolge bei im Ausgleich deutlich stärkerem rechtsstaatlichem Schutz durch richterliche<br />
Entscheidung belegt werden können (vgl. Seiler, VBlBW 2004, 93, 96). Auch das Landesrecht<br />
der Bundesländer, in denen eine spezielle Ermächtigungsgrundlage für Aufenthaltsverbote<br />
bei häuslicher Gewalt geschaffen wurde, normiert vielfach eine 14-Tages-Frist (vgl. die Nachweise<br />
bei Seiler, a.a.O., Fn 29 sowie bei Collin, DVBl. 2003, 1499, 1500; vgl. dazu beispielhaft VG Potsdam,<br />
Beschluss vom 07.09.2004 - 3 L 865/04 -).<br />
hier: 14 Tage wohl verhältnismäßig<br />
b) folglich: wegen der Zweifel im Hinblick auf das Vorliegen einer hinreichenden Gefahr sind<br />
die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen.<br />
Auch das rechtliche Schicksal der Beschlagnahme der Schlüssel (§ 33 PolG) und der<br />
Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen ist damit offen.<br />
Deshalb im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO: reine Interessenabwägung nach den Folgen<br />
für Herrn Wagenhäuser einerseits im Falle der Antragsablehnung sowie den Interessen<br />
der Allgemeinheit und der Beigeladenen für den Fall der Wiederherstellung bzw. Anordnung<br />
der aufschiebenden Wirkung andererseits<br />
o einerseits: private und berufliche Belange von Herrn Wagenhäuser (Unterrichtsvorbereitung,<br />
Behinderung in der Abwicklung seiner persönlichen Angelegenheiten<br />
(vgl. zu ähnlichen Belangen im Falle eines Versicherungskaufmanns<br />
VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.08.2003 - 11 K 2529/03 -), finanzielle<br />
4
Belastung, grundsätzliches Gewicht des Eingriffs in die Grundrechte aus Artt.<br />
11 und 14 GG<br />
o andererseits: Eilantrag erst drei Tage vor Ablauf der Geltungsdauer der angefochtenen<br />
Maßnahme gestellt, Aufenthaltsverbot zuvor bereits 11 Tage hingenommen.<br />
Bei Wiederaufflammen der Familienstreitigkeit: gewichtige strafrechtlich<br />
geschützte Rechtsgüter der Ehefrau und der Allgemeinheit gefährdet (effektive<br />
Verhinderung von körperlichen Schäden erforderlich) höher als dessen<br />
private Interessen. Maßnahme vergleichsweise kurzfristig und deshalb weniger<br />
belastend (dient nur der Ermöglichung zivilgerichtlichen Rechtsschutzes)<br />
hier dürfte wohl vieles für ein Überwiegen des Interesses am Sofortvollzug sprechen<br />
c) Ergebnis: Der Eilantrag ist unbegründet und bleibt daher ohne Erfolg.<br />
III. weitere Verlängerung des Aufenthaltsverbots?<br />
wohl nicht zu rechtfertigen. Die Ehefrau hat bereits einen Eilantrag beim Amtsgericht anhängig<br />
gemacht, sodass dieses zur - auch kurzfristigen - Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes<br />
nunmehr berufen ist.<br />
AUFGABE 3:<br />
Schicksal des Widerspruchs: mit Ablauf des Aufenthaltsverbotes erledigt sich der angefochtene<br />
VA. Er entfaltet keine belastenden Wirkungen mehr (§ 43 Abs. 2 LVwVfG). Eine Aufhebung<br />
kann der Betroffene also nicht mehr erreichen. Einen „Fortsetzungsfeststellungswiderspruch“<br />
(also eine Umstellung des Begehrens im Widerspruchsverfahren auf die Feststellung,<br />
dass der VA rechtswidrig war) lehnt die hM ab. Es ist nicht Aufgabe des Widerspruchsverfahrens<br />
und der Widerspruchsbehörde, zur Rechtmäßigkeit erledigter VAe Stellung zu nehmen.<br />
Das Widerspruchsverfahren erledigt sich also und ist einzustellen.<br />
mögliche rechtliche Schritte für Herrn Wagenhäuser: Es kann (direkt) Fortsetzungsfeststellungsklage<br />
analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erhoben werden. Das Gericht kann dann zur<br />
RMK des Aufenthaltsverbotes Stellung nehmen. Erforderlich ist aber ein qualifiziertes Feststellungsinteresse,<br />
dass sich aus einer Wiederholungsgefahr, eine Rehabilitationsinteresse bzw.<br />
einer schweren Grundrechtsbeeinträchtigung oder aus dem Interesse an der Vorbereitung eines<br />
Amtshaftungsprozesses ergeben kann. Hier wird man zumindest eine hinreichend intensive<br />
Grundrechtsbeeinträchtigung bejahen können. Zur Fortsetzungsfeststellungklage im Einzelnen<br />
vgl. BVerwG, NVwZ 2000, 63!<br />
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