Lösungsskizze - Verwaltungsgericht Sigmaringen
Lösungsskizze - Verwaltungsgericht Sigmaringen Lösungsskizze - Verwaltungsgericht Sigmaringen
Kolloquium: Aktuelle Fälle des Verwaltungsgerichts Sigmaringen Frage 1 Fallrepetitorium an der Universität Tübingen Aktuelle Fälle des Verwaltungsgerichts Sigmaringen Sommersemester 2004 Lösungsskizze zu Fall 4: Der friedfertige Kampfhund Richterin Brigitte Gulde Das Verwaltungsgericht wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen bzw. wiederherstellen, wenn der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit des Antrags 1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Es liegt eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts - nämlich des Polizeirechts - vor, die nicht ausdrücklich durch Gesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist. 2. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen ist sachlich und örtlich zuständig (§§ 80 Abs. 5 Satz 1, 45, 52 Nr. 3 VwGO, § 1 Abs. 2 AGVwGO). Ist – wie hier – noch keine Klage anhängig, so ist „Gericht der Hauptsache“ im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das Gericht, bei dem die Klage zu erheben wäre. 3. Soweit A einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids begehrt, ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Es geht insoweit um die Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts, gegen den in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu erheben wäre. Der Widerspruch des A hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids keine aufschiebende Wirkung. 4. Soweit A einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nr. 4 der angefochtenen Verfügung begehrt, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Bei den Ausführungen unter Nr. 4 der Verfügung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, gegen den Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehrt werden kann. Es handelt sich insbesondere nicht um eine Androhung von Zwangsmaßnahmen innerhalb der file:///P|/Bibliothek/Internet/Kolloquium%20Tübingen%202004/Fall_4_L.htm (1 von 10)06.02.2006 12:26:28
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Kolloquium: Aktuelle Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />
Frage 1<br />
Fallrepetitorium an der Universität Tübingen<br />
Aktuelle Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />
Sommersemester 2004<br />
<strong>Lösungsskizze</strong> zu Fall 4: Der friedfertige Kampfhund<br />
Richterin Brigitte Gulde<br />
Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen bzw.<br />
wiederherstellen, wenn der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet ist.<br />
A. Zulässigkeit des Antrags<br />
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Es liegt eine Streitigkeit<br />
nichtverfassungsrechtlicher Art auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts - nämlich des<br />
Polizeirechts - vor, die nicht ausdrücklich durch Gesetz einem anderen Gericht<br />
zugewiesen ist.<br />
2. Das <strong>Verwaltungsgericht</strong> <strong>Sigmaringen</strong> ist sachlich und örtlich zuständig (§§ 80 Abs. 5<br />
Satz 1, 45, 52 Nr. 3 VwGO, § 1 Abs. 2 AGVwGO). Ist – wie hier – noch keine Klage<br />
anhängig, so ist „Gericht der Hauptsache“ im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das<br />
Gericht, bei dem die Klage zu erheben wäre.<br />
3. Soweit A einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nr. 1 und 2 des angefochtenen<br />
Bescheids begehrt, ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung<br />
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Es geht insoweit um die Vollziehung eines<br />
belastenden Verwaltungsakts, gegen den in der Hauptsache eine Anfechtungsklage zu<br />
erheben wäre. Der Widerspruch des A hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wegen<br />
der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids keine aufschiebende<br />
Wirkung.<br />
4. Soweit A einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nr. 4 der angefochtenen Verfügung<br />
begehrt, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Bei den Ausführungen<br />
unter Nr. 4 der Verfügung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, gegen den<br />
Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehrt werden kann. Es handelt sich<br />
insbesondere nicht um eine Androhung von Zwangsmaßnahmen innerhalb der<br />
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Verwaltungsvollstreckung, denn die Beschlagnahme ist kein Zwangsmittel im Sinne des<br />
§ 19 LVwVG.<br />
Die Stadt X kündigt lediglich an, welche weiteren Maßnahmen in Betracht kommen,<br />
wenn A den Nr. 1 und 2 der Verfügung nicht Folge leistet. Eine Beschlagnahme kann nur<br />
dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 33 PolG vorliegen. Diese<br />
Voraussetzungen wird die Stadt X erst noch im Einzelnen zu prüfen haben, bevor sie eine<br />
entsprechende Anordnung erlässt. Die Nr. 4 des Bescheids enthält selbst noch keine<br />
verbindliche Regelung.<br />
Auch ein Antrag nach § 123 VwGO ist nicht zulässig. A wendet sich gegen eine erst in<br />
Zukunft zu erwartende Verwaltungsmaßnahme, begehrt also sog. vorbeugenden<br />
vorläufigen Rechtsschutz. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn ein qualifiziertes<br />
Rechtsschutzbedürfnis vorliegt. Dieses ist, wenn der Erlass eines zukünftigen<br />
Verwaltungsakts verhindert werden soll, dann gegeben, wenn ein Abwarten des<br />
Verwaltungsakts unzumutbar ist. Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte. Dem A ist es<br />
zumutbar, zunächst abzuwarten, ob die Stadt X überhaupt eine Beschlagnahme verfügt.<br />
Er kann nach der erfolgten Beschlagnahme ggf. einstweiligen Rechtsschutz nach § 80<br />
Abs. 5 VwGO beantragen. Der Verweis auf den nachträglichen Rechtsschutz hat keine<br />
wesentlichen Nachteile zur Folge.<br />
5. A ist, soweit er sich gegen die Nr. 1 und 2 des angefochtenen Bescheids wendet,<br />
antragsbefugt. Eine Verletzung eigener Rechte kann er geltend machen (§ 42 Abs. 2<br />
VwGO analog), da er Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ist und deshalb<br />
zumindest die Möglichkeit einer Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2<br />
Abs. 1 GG) besteht.<br />
Zwischenergebnis: Der Antrag ist unzulässig, soweit A einstweiligen Rechtsschutz gegen die<br />
Nr. 4 des Bescheids der Stadt X begehrt. Im Übrigen ist der Antrag zulässig.<br />
B. Begründetheit des Antrags<br />
Der Antrag ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet und wenn<br />
das Suspensivinteresse des A das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung<br />
überwiegt.<br />
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1. Passivlegitimiert ist die Stadt X, welche den Bescheid vom 05.12.2003 erlassen hat<br />
(§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).<br />
2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begegnet im Hinblick auf das formelle<br />
Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Bedenken. Als<br />
Begründung genügt grundsätzlich nicht die Verwendung allgemeiner, den zu<br />
entscheidenden Einzelfall unberücksichtigt lassender Floskeln, die bloße Wiederholung<br />
des Gesetzeswortlauts oder die Bezugnahme auf die den Verwaltungsakt selbst<br />
rechtfertigenden Gründe. Bei Verwaltungsakten, die der Abwehr von Gefahren für Leib<br />
und Leben von Personen dienen, sind an die Begründung der sofortigen Vollziehung<br />
jedoch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Das besondere Interesse an deren<br />
sofortiger Vollziehung folgt regelmäßig aus ihrem Zweck der Gefahrenabwehr. Die den<br />
Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe belegen in diesen Fällen zugleich<br />
die Dringlichkeit der Vollziehung. Die speziell in Bezug auf die Anordnung der sofortigen<br />
Vollziehung gegebene Begründung kann hier in der Regel knapp gehalten werden (vgl.<br />
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2002 – 10 S 985/02 -, VBlBW 2002,<br />
441). Die vorliegende Begründung genügt diesen Anforderungen.<br />
[Bei einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 VwGO hebt das Gericht lediglich die Anordnung<br />
der sofortigen Vollziehung auf (str., vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom<br />
30.04.1996 – 1 S 776/96 -, VBlBW 1996, 297; a.A. OVG Magdeburg DÖV 1994, 352).<br />
Dies ermöglicht es der Behörde, die sofortige Vollziehung erneut mit ordnungsgemäßer<br />
Begründung anzuordnen.]<br />
3. Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs<br />
wiederherstellen, wenn die Behörde den Sofortvollzug ihrer Verfügung nach § 80 Abs. 2<br />
Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Das Gericht trifft seine Entscheidung aufgrund einer<br />
eigenen Interessenabwägung. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen<br />
aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, sind dabei ein wesentliches Kriterium. Ist<br />
der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, ist dem Antrag nach § 80<br />
Abs. 5 VwGO regelmäßig stattzugeben (vgl. § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO entsprechend).<br />
Erweist sich der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hingegen als offensichtlich<br />
rechtmäßig, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig abzulehnen. Im Übrigen<br />
ist die Begründetheit des Antrags unter Berücksichigung der Erfolgsaussichten in der<br />
Hauptsache danach zu beurteilen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen<br />
Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzugs<br />
überwiegt.<br />
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4. Als Rechtsgrundlage für das Haltungsverbot (Nr. 1 des Bescheids) und die<br />
Anordnung zur Überlassung des Hundes an eine berechtigte Person (Nr. 2 des<br />
Bescheids) kommt § 3 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 der Polizeiverordnung des<br />
Innenministeriums und des Ministeriums ländlicher Raum über das Halten gefährlicher<br />
Hunde – PolVOgH – vom 03.08.2000 (GBl. S. 574; Dürig Nr. 65 b) in Betracht.<br />
5. Fraglich ist, ob die §§ 1, 3 PolVOgH ihrerseits wirksam sind. Bei der PolVOgH handelt<br />
es sich um eine Polizeiverordnung, somit um eine Rechtsverordnung. Diese bedarf einer<br />
hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der<br />
erteilten Ermächtigung bestimmt (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG).<br />
Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage ist hier nicht ersichtlich. Es kommt daher die<br />
polizeiliche Generalklausel gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG in Betracht. Danach<br />
können die allgemeinen Polizeibehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach § 1<br />
Abs. 1 PolG polizeiliche Gebote oder Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Anzahl<br />
von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind<br />
(Polizeiverordnungen). Die polizeiliche Generalklausel genügt den verfassungsrechtlichen<br />
Anforderungen an die Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung, weil sie in<br />
jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und<br />
Ausmaß hinreichend präzisiert ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.05.1980 – 2 BvR<br />
854/79 -, BVerfGE 54, 143; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 – 6 CN 8/01 –, BVerwGE<br />
116, 347).<br />
6. Erforderlich ist nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG eine abstrakte Gefahr. Eine<br />
solche liegt bei einer Sachlage vor, die nach allgemeiner Lebenserfahrung oder<br />
fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Eintreten einer<br />
konkreten Gefahrenlage möglich erscheinen lässt. Der dabei zu fordernde<br />
Wahrscheinlichkeitsgrad hängt von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie<br />
dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Im Hinblick auf den Schutz des Lebens und<br />
der Gesundheit von Menschen kann auch die entferntere Möglichkeit eines<br />
Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.06.1970 – IV C 99.67 -, DÖV<br />
1970, 713; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2001 – 1 S 2346/00, VBlBW 2002,<br />
292).<br />
Zu prüfen ist daher, ob den Regelungen der §§ 1, 3 PolVOgH eine abstrakte Gefahr<br />
zugrunde liegt. Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg ist dies der Fall. Danach<br />
erlaubt die allgemeine polizeirechtliche Verordnungsermächtigung auch Regelungen über<br />
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die Hundehaltung. Das Halten von Hunden stelle wegen der von den Tieren allgemein<br />
ausgehenden Gefahr eines spontanen und unbeherrschbaren aggressiven Verhaltens<br />
gegen Menschen oder Tiere eine abstrakte Gefahr dar. Dies gelte insbesondere für<br />
Hunde ab einer gewissen Größe und Stärke, wozu auch die in § 1 Abs. 2 und 3 PolVOgH<br />
aufgeführten Tiere gehörten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2001 –<br />
1 S 2346/00, VBlBW 2002, 292).<br />
Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8/01 -, BVerwGE 116, 347)<br />
hat allerdings bestimmte Vorschriften der niedersächsischen Gefahrtierverordnung für<br />
nichtig gehalten, da diese auf der Annahme beruhten, dass von bestimmten Hunden<br />
allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen eine abstrakte Gefahr ausgehe.<br />
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es an ausreichenden<br />
Belegen für einen kausalen Zusammenhang zwischen Rassezugehörigkeit und<br />
Schadenseintritt und somit an einer abstrakten Gefahr allein aufgrund der<br />
Rassezugehörigkeit. Es handle sich vielmehr um einen bloßen Gefahrenverdacht.<br />
Regelungen, die allein an die Rassezugehörigkeit anknüpften, gehörten daher zur<br />
Gefahrenvorsorge und bedürften einer speziellen gesetzlichen Grundlage.<br />
Dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kann jedoch nicht ohne weiteres auf die<br />
baden-württembergische PolVOgH übertragen werden. Das Bundesverwaltungsgericht<br />
hat sich in materiell-rechtlicher Hinsicht bislang nicht mit der Polizeiverordnung des<br />
Landes Baden-Württemberg über das Halten gefährlicher Hunde vom 03.08.2000 befasst.<br />
Vielmehr wurden die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im<br />
Normenkontrollurteil des <strong>Verwaltungsgericht</strong>shofs vom 16.10.2001 allesamt verworfen<br />
(vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.05.2003 – 1 S 411/03 -, VBlBW 2003,<br />
354). Die Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Polizeiverordnung über das Halten<br />
gefährlicher Hunde hängt entscheidend von dem zugrundeliegenden Regelungskonzept<br />
ab. Hierauf hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom<br />
03.07.2002 hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hält auch für möglich, unter dem<br />
Gesichtspunkt des Gefahrerforschungseingriffs zu bestimmen, dass Hunde bestimmter<br />
Rassen einem Wesenstest zugeführt werden müssen (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil<br />
vom 18.12.2002 - 6 CN 3/01 -, Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeireicht Nr. 72, zur<br />
Hundehalterverordnung Mecklenburg-Vorpommerns).<br />
[Von Gefahrerforschung spricht man insbesondere dann, wenn nur ein Verdacht, d.h. eine<br />
geringe Wahrscheinlichkeit für eine Gefahr vorliegt. In diesem Fall können nur<br />
Maßnahmen als erforderlich angesehen werden, die den Verdacht erhärten oder<br />
entkräften sollen. Rechtsgrundlage für Gefahrenerforschungsmaßnahmen ist nach<br />
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überwiegender Auffassung - wenn keine speziellere Norm eingreift - die polizeiliche<br />
Generalklausel gemäß §§ 1, 3 PolG (vgl. Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-<br />
Württemberg, 5. Aufl.. § 1 Rn. 30 ff.).]<br />
Der niedersächsischen Gefahrtierverordnung und der baden-württembergischen<br />
PolVOgH liegen unterschiedliche Regelungskonzepte zugrunde. Die niedersächsische<br />
Verordnung geht ohne Widerlegungsmöglichkeit davon aus, dass Hunde bestimmter<br />
Rassen als gefährlich einzustufen sind und verbietet deren nichtgewerbliche Haltung. Die<br />
Regelungen der niedersächsischen Gefahrtierverordnung beruhen auf der Annahme,<br />
dass von bestimmten Hunden allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen<br />
bzw. dem dort genannten Typ sowie deren Kreuzungen eine abstrakte Gefahr ausgeht.<br />
Die PolVOgH des Landes Baden-Württemberg vermutet zwar die Eigenschaft als<br />
Kampfhund auf Grund rassisch-spezifischer Merkmale bei Hunden der drei in § 1 Abs. 2<br />
PolVOgH erwähnten Rassen und deren Kreuzungen, diese Vermutung ist aber<br />
widerlegbar. Dem Hundehalter wird hier die Möglichkeit eingeräumt, gegenüber der<br />
zuständigen Behörde für den einzelnen Hund nachzuweisen, dass dieser keine<br />
gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist.<br />
Im Gegensatz zu anderen Verordnungen sieht überdies die Verordnung Baden-<br />
Württembergs kein generelles Haltungsverbot für einzelne Rassen vor, sondern lediglich<br />
ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 3 Abs. 1 PolVOgH).<br />
Aufgrund dieser Unterschiede ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des<br />
Bundesverwaltungsgerichts zur niedersächsichen Gefahrtierverordnung davon<br />
auszugehen, dass die §§ 1, 3 PolVOgH auf einer ausreichenden<br />
Ermächtigungsgrundlage beruhen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom<br />
06.05.2003 – 1 S 411/03 -, VBlBW 2003, 354).<br />
[Eine andere Auffassung ist vertretbar. Problematisch erscheint insbesondere, dass in § 4<br />
PolVOgH den Haltern von Hunden der in § 1 Abs. 2 PolVOgH genannten Rassen selbst<br />
dann noch besondere Pflichten (z.B. Leinenzwang) auferlegt werden, wenn die<br />
Vermutung der Kampfhundeeigenschaft durch einen Wesenstest widerlegt wurde (vgl.<br />
auch BVerwG, Urteil vom 18.12.2002 - 6 CN 3/01 -, Buchholz 402.41 Allgemeines<br />
Polizeireicht Nr. 72).. Zwar stehen im vorliegenden Fall keine Maßnahmen nach § 4<br />
PolVOgH im Streit. Dies schließt es jedoch nicht aus, die Vorschrift bei der Frage des<br />
Regelungskonzepts der Verordnung mit in den Blick zu nehmen. Im Sinne einer effektiven<br />
Gefahrenabwehr erscheint aber eine gesonderte Betrachtung vorzugswürdig, um bei<br />
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etwaigen Fehlern möglichst viele Regelungen aufrecht zu erhalten.]<br />
7. Fraglich ist weiter, ob die in § 1 PolVOgH getroffene Unterscheidung zwischen<br />
Hunden, deren Kampfhundeeigenschaft aufgrund rassespezifischer Merkmale vermutet<br />
wird (§ 1 Abs. 2 PolVOgH) und solchen, bei denen neben der Rassezugehörigkeit<br />
Anhaltspunkte für eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit vorliegen müssen (§ 1<br />
Abs. 3 PolVOgH), sowie Hunden von Rassen, die nicht von Abs. 2 und Abs. 3 des § 1<br />
PolVOgH erfasst werden (§ 1 Abs. 1 PolVOgH), mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG)<br />
vereinbar ist.<br />
Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich<br />
und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Bei<br />
der gerichtlichen Rechtskontrolle ist stets ein weiter Gestaltungsspielraum des<br />
Normgebers in Rechnung zu stellen. Ob er jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und<br />
gerechteste Lösung gefunden hat, ist vom Gericht nicht nachzuprüfen. Vielmehr endet der<br />
Gestaltungsspielraum des Normgebers erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der<br />
geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten<br />
Betrachtungsweise vereinbar ist und mangels einleuchtender Gründe als objektiv<br />
willkürlich beurteilt werden muss. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist<br />
die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers umso größer, je höherwertiger die<br />
Rechtsgüter sind, deren Schutz die Regelung bezweckt, und je weniger empfindlich in<br />
grundrechtlich geschützte Freiheiten eingegriffen wird.<br />
Die PolVOgH dient dem Zweck, Menschen (und auch Tiere) vor den von Hunden<br />
ausgehenden Gefahren für Leib und Leben zu schützen. Der Verordnungsgeber will damit<br />
der ihm auferlegten Pflicht genügen, sich schützend und fördernd vor diese höchsten<br />
Rechtsgüter zu stellen und sie vor Eingriffen anderer zu bewahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 1<br />
GG; Art. 2 Abs. 1 LV). Dem Verordnungsgeber kommt hierbei sowohl in der Beurteilung,<br />
ob eine besondere Gefahrenlage vorliegt, die ein Eingreifen erfordert oder zumindest<br />
rechtfertigt, als auch in der Wahl des hierfür geeigneten Mittels ein weiter<br />
Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum zu. Hierbei sind, da es sich bei der<br />
Hundehaltung um eine Massenerscheinung handelt, auch typisierende Regelungen<br />
erlaubt.<br />
Gemessen an diesen Vorgaben verstoßen die Regelungen in § 1 Abs. 1, 2 und 3<br />
PolVOgH nicht gegen Art. 3 GG. Im fachwissenschaftlichen Schrifttum wird die<br />
Bedeutung der Rasseanlage eines Hundes für dessen gesteigerte Aggressivität und<br />
Gefährlichkeit freilich unterschiedlich beurteilt. Die Beantwortung der Frage, ob ein Hund<br />
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aggressiv ist und eine Gefahr für Menschen oder Tiere bildet, ist neben genetischen<br />
Faktoren auch davon abhängig, unter welchen Bedingungen das Tier aufgezogen worden<br />
ist und wie es gehalten wird. Dem hat der Verordnungsgeber Rechnung getragen und<br />
insbesondere die Kampfhundeeigenschaft in § 1 Abs. 2 PolVOgH als widerlegliche<br />
Vermutung ausgestaltet. Wenn der Verordnungsgeber das auf Grund genetischer<br />
Disposition bestehende Gefährdungspotenzial bei den Rassen des § 1 Abs. 2 PolVOgH<br />
höher einschätzt als das bei den in § 1 Abs. 3 PolVOgH genannten Hunderassen, so hält<br />
er sich innerhalb seines weiten Gestaltungsspielraums; er überschreitet seine<br />
Einschätzungsprärogative nicht, wenn er seiner Zuordnung eine im anerkannten<br />
fachwissenschaftlichen Schrifttum wiedergegebene Erkenntnis über besondere, auch<br />
genetisch bedingte Gefährdungspotenziale bestimmter Hunderassen zugrundelegt. Dass<br />
in der Wissenschaft auch Gegenteiliges vertreten wird, führt nicht zur Fehlerhaftigkeit der<br />
Prognose des Verordnungsgebers. Zwar hätte der Verordnungsgeber mit vernünftigen,<br />
sachgerechten Überlegungen auch andere Rassen in den Regelungsbereich des § 1<br />
Abs. 2 PolVOgH oder zumindest des § 1 Abs. 3 PolVOgH einbeziehen können. Es wäre<br />
jedoch verfehlt, hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, die Nichtaufnahme dieser Rassen<br />
würde den dem Verordnungsgeber eingeräumten Spielraum überschreiten. Soweit von<br />
den Haltern der in § 1 Abs. 2 PolVOgH genannten Hunde zur Widerlegung der<br />
Kampfhundeeigenschaft ihrer Tiere eine Prüfung gefordert wird (§ 1 Abs. 4 PolVOgH), ist<br />
dies weder unzumutbar noch unverhältnismäßig und kann nicht zu einem Verstoß gegen<br />
Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber den Haltern von Hunden führen, von denen dies nicht<br />
verlangt wird. Die Belastung der Antragsteller ist angesichts der von American<br />
Staffordshire Terriern, Bullterriern, Pit Bull-Terriern und deren Kreuzungen ausgehenden<br />
Gefahr für Leib und Leben von Menschen als gering zu veranschlagen (vgl. VGH Baden-<br />
Württemberg, Urteil vom 16.10.2001 – 1 S 2346/00 -, VBlBW 2002, 292; vgl. zur<br />
Gefahrenabwehrverordnung – Gefährliche Hunde – des Landes Rheinland Pfalz auch<br />
BVerfG, Beschluss vom 16.03.2004 – 1 BvR 550/02 – mit dem Hinweis, dass der<br />
Verordnungsgeber die weitere Entwicklung zu beobachten und die Verordnung<br />
anzupassen habe, falls Hunde anderer Rassen ebenso häufig wie die in der Verordnung<br />
genannten Rassen auffällig werden und ebenso intensive Verletzungen verursachen<br />
sollten).<br />
8. Schließlich müssten die Anordnungen der Stadt X mit den §§ 1, 3 PolVOgH vereinbar<br />
sein. Da A seinen Hund bislang einem Wesenstest nicht zugeführt hat, wird gem. § 1<br />
Abs. 2 PolVOgH die Eigenschaft als Kampfhund auf Grund rassischspezifischer<br />
Merkmale vermutet. Das Halten eines Kampfhundes, der älter als sechs Monate ist,<br />
bedarf der Erlaubnis der Ortspolizeibehörde (§ 3 Abs. 1 PolVOgH). Einen entsprechenden<br />
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Antrag hat A bislang nicht gestellt. Es spricht auch nichts dafür, dass er die<br />
Erlaubnisvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 2 PolVOgH erfüllt. Danach darf die Erlaubnis<br />
nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Haltung des<br />
Hundes nachweist, gegen seine Zuverlässigkeit und Sachkunde keine Bedenken<br />
bestehen und Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz nicht<br />
entgegenstehen. Ein berechtigtes Interesse des A an der Haltung seines<br />
Bullterriermischlings ist nicht ersichtlich.<br />
9. Wird eine Erlaubnis nicht erteilt, so hat die Ortspolizeibehörde die zur Abwendung der<br />
Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlichen Maßnahmen zu<br />
treffen (§ 3 Abs. 3 PolVOgH). Die Stadt X, die gemäß § 62 Abs. 4 PolG<br />
Ortspolizeibehörde ist, durfte auf diese Rechtsgrundlage somit auch das angeordnete<br />
Haltungsverbot stützen. Die Auswahl der Maßnahme steht im Ermessen der Behörde.<br />
Das Gericht prüft die Ausübung des Ermessens nur daraufhin, ob die gesetzlichen<br />
Grenzen des Ermessens eingehalten sind. Ermessensfehler liegen hier nicht vor. Eine<br />
andere, weniger belastende Maßnahme ist nicht ersichtlich. Insbesondere wurde<br />
dem A zunächst die Möglichkeit eingeräumt, die Eigenschaft als Kampfhund durch einen<br />
Wesenstest zu widerlegen. Von dieser Möglichkeit hat A jedoch keinen Gebrauch<br />
gemacht. Diese Möglichkeit steht ihm weiterhin offen [andernfalls wäre allerdings zu<br />
überlegen, ob als weniger einschneidendes Mittel nicht die Verpflichtung zur<br />
Durchführung eines Wesenstests in Betracht käme].<br />
10. Auch für die Anordnung, den Hund einer berechtigten Person zu überlassen, ist § 3<br />
Abs. 3 PolVOgH eine hinreichende Rechtsgrundlage. Das Haltungsverbot kann A nur<br />
dadurch erfüllen, dass er den Hund einer anderen Person überlässt oder ihn einschläfern<br />
lässt. Die Stadt X hat aber zu Recht die Überlassung an eine andere Person als weniger<br />
belastende Maßnahme angeordnet. Damit nicht erneut ein polizeirechtswidriger Zustand<br />
entsteht, ist erforderlich, dass diese andere Person gemäß § 3 Abs. 1 PolVOgH berechtigt<br />
ist, einen Kampfhund zu halten. Soweit es dem A freigestellt wird, den Hund dem<br />
Tierheim der Stadt X zu übergeben, ist dies nur ein Hinweis darauf, wie er seiner<br />
Verpflichtung nachkommen kann. Dies schließt nicht aus, dass er den Hund auch eine<br />
anderen, zur Haltung von Kampfhunden berechtigten Person bzw. einem Tierheim<br />
überlassen darf.<br />
Nach alledem sind die Nr. 1 und 2 des Bescheids vom 05.12.2003 aller Voraussicht nach<br />
rechtmäßig. Ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist im<br />
Hinblick auf die erheblichen Gefahren für Leib und Leben, die von einem gefährlichen<br />
Hund ausgehen können, gegeben.<br />
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Kolloquium: Aktuelle Fälle des <strong>Verwaltungsgericht</strong>s <strong>Sigmaringen</strong><br />
Ergebnis: Der Antrag ist teils unzulässig, im Übrigen unbegründet. Das <strong>Verwaltungsgericht</strong><br />
wird den Antrag ablehnen und dem A die Kosten des Verfahrens auferlegen.<br />
Frage 2<br />
Durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen entfällt die Rechtshängigkeit. Das<br />
Gericht darf daher nicht mehr in der Sache entscheiden. Trotz des Wortlauts des § 161<br />
Abs. 2 VwGO („ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt“) kommt es allein auf die<br />
Erledigungserklärungen der Beteiligten an. Das Gericht ist an die Erklärungen der Beteiligten<br />
gebunden (Dispositionsmaxime) und darf nicht prüfen, ob tatsächlich eine Erledigung<br />
eingetreten ist (was im vorliegenden Fall durchaus bezweifelt werden kann, solange der<br />
Bescheid nicht aufgehoben ist, vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG).<br />
Das Gericht stellt analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch Beschluss das Verfahren ein. Der<br />
Beschluss hat insoweit nur deklaratorische Wirkung, da der Rechtsstreit durch die<br />
Erledigungserklärungen automatisch endet.<br />
Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO hat das Gericht durch Beschluss nach billigem Ermessen unter<br />
Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu<br />
entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, dem Beteiligten die Kosten<br />
aufzuerlegen, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Dies wäre hier<br />
voraussichtlich der A gewesen (siehe Frage 1).<br />
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