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Georgien (<strong>und</strong> Armenien) 2010<br />

Große Exkursion<br />

des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Geographie der<br />

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />

Leitung:<br />

MAG Frieder Voll (Erlangen)<br />

Dipl.-Geogr. Bruno Lasermann (Erlangen)<br />

(Prof. Dr. Michael Richter) (Erlangen)


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Inhalt<br />

Protokoll – Tag 1 bis 3 von Jan Hofmann <strong>und</strong> Stephan Vitzethum ...................... 5<br />

Tag 1: 12. Aug. 2010 ........................................................................................................ 5<br />

1.Fahrt ins Terek-Tal über Gudauri................................................................................. 5<br />

2.Referat „Das Christentum in Georgien“ von Jan Hofmann ........................................... 6<br />

Tag 2: 13. Aug. 2010 ........................................................................................................ 6<br />

1.Besichtugung Kazbegis <strong>und</strong> der Kirche Zminda Sameba <strong>und</strong> Referat „Die Geschichte<br />

Georgiens“ von Christoph Warmboldt ............................................................................. 6<br />

2.Fahrt zum russischen Grenzübergang ......................................................................... 7<br />

3.Das Berg-Tal-Windsystem in der Darielschlucht .......................................................... 7<br />

Tag 3: 14. Aug. 2010 ........................................................................................................ 8<br />

Fahrt nach Signaci ......................................................................................................... 8<br />

Protokoll – Tag 4 von Isabel Perez-Postigo <strong>und</strong> Sabrina Beier ............................ 9<br />

Tag 4: 15. Aug. 2010 ........................................................................................................ 9<br />

1.Referat „Landnutzung Georgiens“ von Galyna Bondar in Signagi ................................ 9<br />

2.Fahrt zum Höhlenkloster David Geridze in der Steppenlandschaft .............................. 9<br />

Protokoll – Tag 5 von … ......................................................................................... 12<br />

Tag 5: 16. Aug. 2010 .......................................................................................................12<br />

Fahrt <strong>und</strong> Grenzübergang nach Armenien.....................................................................12<br />

Protokoll – Tag 6 bis 7 von Tobias Plail <strong>und</strong> Benjamin Köstler ......................... 13<br />

Tag 6: 17. Aug. 2011 .......................................................................................................13<br />

Fahrt südlich von Stepanavan (Armenien) zum Aragaz .................................................13<br />

Tag 7: 18. Aug. 2010 .......................................................................................................13<br />

1. Besteigung des Aragaz <strong>und</strong> Referate „Armenien“ von Moritz Schilling, „Vulkanismus<br />

in Armenien“ von Benjamin Köstler <strong>und</strong> „Klima in Armenien“ von Nina Eichholz............13<br />

2.Fahrt nach Vardzia in Georgien ..................................................................................14<br />

Protokoll – Tag 8 bis 9 von Julia Katzendorn <strong>und</strong> Daniel Gruber ...................... 15<br />

Tag 8: 19. Aug. 2010 .......................................................................................................15


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

1.Besichtugung des Höhlenklosters Vardzia ..................................................................15<br />

2.Fahrt durch Adjarien an die Schwarzmeerküste .........................................................15<br />

Tag 9: 20. Aug. 2010 .......................................................................................................16<br />

1.Stadtführung Batumi von Moritz Schilling ...................................................................16<br />

2.Freier Nachmittag in Batumi <strong>und</strong> Besuch des Botanischen Gartens ...........................17<br />

Protokoll – Tag 10 von Thomas Barczyk .............................................................. 18<br />

Tag 10: 21. Aug. 2010 .....................................................................................................18<br />

1.Fahrt nach Mestia <strong>und</strong> Referat „Transformationsprozesse in Osteuropa <strong>und</strong> die<br />

Auswirkungen in Georgien“ von Thomas Barzcyk .........................................................18<br />

2.Der Iguri-Staudamm ...................................................................................................18<br />

Protokoll – Tag 11 von Christoph Warmboldt ...................................................... 19<br />

Tag 11: 22. Aug. 2010 (Vormittag) ..................................................................................19<br />

1.Referat „Tourismus <strong>und</strong> aktuelle Initiativen am Beispiel Swanetiens“ von Victoria<br />

Riedmann ......................................................................................................................19<br />

2.Ablauf des Interviews bei Svaneti Trekking mit Sauri Tschortolani .............................20<br />

Protokoll – Tag 11 bis 13 von Ferdinand Güldenhaupt <strong>und</strong> Matthis Dollinger . 24<br />

Tag 11: 22. Aug. 2010 (Nachmittag) ...............................................................................24<br />

1.Wanderungsplanung 8.00 Uhr Wanderungsvorbereitung ...........................................24<br />

2.Besuch im Ethnographischen Museum Mestia ...........................................................24<br />

Tag 12: 23. Aug. 2010 .....................................................................................................24<br />

1.Abreise aus Mestia .....................................................................................................24<br />

Der 1. Tag der Wanderung nach Adishi .........................................................................25<br />

Protokoll – Tag 13 bis 14 von Galyna Bondar <strong>und</strong> Christina Dennerlein .......... 26<br />

Tag 13: 24. Aug. 2010 .....................................................................................................26<br />

Der 2. Tag der Wanderung in Swanetien von Adishi nach Iprali ....................................26<br />

Tag 14: 25. Aug. 2010 .....................................................................................................27<br />

Der 3. Tag der Wanderung in Swanetien von Iprali nach Ushguli ..................................27<br />

Protokoll- Tag 15 von Tobias Plail <strong>und</strong> Benjamin Köstler .................................. 28<br />

Tag 15: 26. Aug. 2010 .....................................................................................................28


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

1.Dendroökologische Bohrungen an der Pinus kochiana Baumgrenze bei Ushguli .......28<br />

2. Kartierung von Ushguli von Moritz Schilling <strong>und</strong> Lukas Wunschik .............................30<br />

Protokoll – Tag 16 von… ........................................................................................ 33<br />

Tag 16: 27. Aug. 2010 .....................................................................................................33<br />

1.Fahrt von Ushguli nach Mestia ...................................................................................33<br />

2.Fahrt von Mestia zum Ushba Gletscher ......................................................................33<br />

Protokoll – Tag 17 bis 19 von Victoria Riedmann <strong>und</strong> Sofrony Christow .......... 34<br />

Tag 17: 28. Aug. 2010 .....................................................................................................34<br />

1. Zeltplatz am Ushba-Gletscher <strong>und</strong> Referat „Glaziologie“ von Jana Dusik ..................34<br />

2. Transfer nach Gelati ..................................................................................................34<br />

Tag 18: 29. Aug. 2010 .....................................................................................................34<br />

1.Abfahrt zum orthodoxen Koster Gelati ........................................................................34<br />

2.Besuch im Kloster Gelati Referat „Bedeutung des Glaubens in Georgien“ von Jan<br />

Hofmann .......................................................................................................................34<br />

3. Transfer nach Gori <strong>und</strong> Referat „Hotspot der Biodiversität im Kaukasus“ von Ulrike<br />

Hiltner ............................................................................................................................35<br />

4. Besuch des Stalin-Museums in Gori ..........................................................................36<br />

Tag 19: 30. Aug. 2010 .....................................................................................................36<br />

Transfer nach Tiflis <strong>und</strong> Referat „Der Georgienkrieg“ von Lukas Wunschik ...................36<br />

Protokoll – Tag 19 bis 20 von Christina Dennerlein ............................................ 38<br />

Tag 19: 30. Aug. 2010 .....................................................................................................38<br />

30. August 2010 - 1. Teil der Stadtführung ....................................................................38<br />

Tag 20: 31. Aug. 2010 .....................................................................................................39<br />

31. August 2010 - 2. Teil der Stadtführung ....................................................................39<br />

Protokoll – Tag 21 von … ....................................................................................... 40<br />

Tag 21: 01. Sept. 2010 .....................................................................................................40<br />

Tag in T´bilisi zur freien Verfügung <strong>und</strong> Heimflug ..........................................................40<br />

Anhang .................................................................................................................... 41<br />

<strong>Hausarbeiten</strong> ...................................................................................................................41


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Geologie Georgiens <strong>und</strong> Armeniens (Daniel Gruber) ....................................................41<br />

Vulkanismus in Georgien <strong>und</strong> Armenien (Benjamin Köstler) ..........................................41<br />

Gravitative Massenbewegungen (Stephan Vitzetum) ....................................................41<br />

Die Geschichte Georgiens (Christoph Warmbold) .........................................................41<br />

Nachbarländer (Sabrina Beier) ......................................................................................41<br />

Landnutzung Georgiens (Galyna Bondar) .....................................................................41<br />

Stadtführungen Jerevan <strong>und</strong> Batumi (Moritz Schilling) ..................................................41<br />

Klimadifferenzierung Georgiens <strong>und</strong> Armeniens (Nina Eichholz) ...................................41<br />

Das Schwarze Meer (Tobias Plail).................................................................................41<br />

Transformationsprozesse (Thomas Barczyk) ................................................................41<br />

Tourismus (Victoria Riedmann) .....................................................................................41<br />

Kulturlandschaft in den Bergen Svanetiens – Eine Ableitung aus dem Alpenraum (Julia<br />

Katzendorn) ...................................................................................................................41<br />

Glaziologie – Vergletscherung des Kaukasus seit dem Pleistozän (Jana Dusik) ...........41<br />

Bedeutung des Glaubens (Jan Hofmann) ......................................................................41<br />

Der Georgienkrieg (Lukas Wunschik) ............................................................................41<br />

Politische Entwicklung Georgiens seit der Unabhängigkeit (Sofrony Christow) .............41<br />

Stadtführung Tiflis (Christina Dennerlein) ......................................................................41


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 1 bis 3 von Jan Hofmann <strong>und</strong> Stephan Vitzethum<br />

Tag 1: 12. Aug. 2010<br />

1.Fahrt ins Terek-Tal über Gudauri<br />

Nach der Ankunft am T´biliser Flughafen fuhren wir über den „Georgian Military Highway“<br />

Richtung Gudauri, um uns dort mit dem Teil der Exkursionsgruppe zu treffen, die selbständig<br />

mit ihren Autos nach Georgien gefahren sind. Die Georgische Heerstraße ist 213 Kilometer<br />

lang <strong>und</strong> durchquert den Kaukasus in Nord-südlicher Richtung <strong>und</strong> erreicht dabei eine<br />

maximale Höhe von 2382 Metern. Der griechische Geograph Strabon berichtete bereits im 1.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert nach Christus von der Existenz der Heerstraße, wobei sie damals schon als<br />

Handelsroute benutzt wurde. Zwischen 1768 <strong>und</strong> 1774 wurde sie von der russischen Armee<br />

ausgebaut <strong>und</strong> diente später weiter der Erschließung des transkaukasischen Raumes, sowie<br />

bis 1900 als Postkutschlinie. Die Tatsache, dass die Heerstraße geteert ist, ist ein Hinweis<br />

auf ihre Bedeutung <strong>für</strong> den transkaukasischen Raum.<br />

Auf dem Weg nach Gudauri konnten zahlreiche Spuren von Massenbewegungen beobachtet<br />

werden. Diese haben überwiegend zwei Ursachen: der Straßenbau mit einhergehender<br />

Hangunterschneidung <strong>und</strong> Versteilung, der v.a. zu Rutschungen führt, sowie die<br />

Übernutzung durch Weidevieh, welches die Grasnarbe aufreißt <strong>und</strong> den Abgang von Muren<br />

fördert.<br />

Der Ort Gudauri war ursprünglich eine ossetische Siedlungsgründung, <strong>und</strong> wird seit den<br />

1980er Jahren als Skigebiet genutzt. Vor allem österreichische <strong>und</strong> schwedische Investoren<br />

sorgten <strong>für</strong> den Ausbau als Skiort, sowie die Errichtung zahlreicher Hotels, Skilifts <strong>und</strong><br />

anderen touristischen Attraktionen. Auch alternative Wintersportarten wie „Heliskiing“ <strong>und</strong><br />

„Freeriding“ werden angeboten <strong>und</strong> ziehen daher ein breites Publikum an. Dieser Ausbau<br />

waren die ersten nicht-sowjetischen Investitionen in Georgien während der UdSSR. Seit<br />

1987 wurde versucht den österreichischen Alpenbarock umzusetzen; dabei wurde die<br />

Landschaft mit schweren Gerätschaften umgestaltet, wobei keine Rücksicht auf<br />

Erosionsprozesse genommen wurde <strong>und</strong> mögliche Schäden in Kauf genommen worden<br />

sind. Obwohl der Tourismus in den vergangenen Jahren die Haupteinnahmequelle des Ortes<br />

ist, sind viele Nutzgärten zu finden, die in Subsistenzwirtschaft betrieben werden.<br />

In Gudauri besuchten wir ein Denkmal aus Sowjetzeiten. Das Rondell mit seinen zahlreichen<br />

bunten Malereien <strong>und</strong> Darstellungen ist eine Anspielung auf die Arbeiter- <strong>und</strong><br />

Bauerngesellschaft in der ehemaligen UdSSR. Von diesem Denkmal aus, hatte man einen<br />

guten Blick auf den Kreuzpass, eine georgisch-russische Wasserscheide des Großen


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Kaukasus, sowie die umliegende Gebirgskette, die durch Vulkankegel, Basaltsäulen <strong>und</strong> rote<br />

Aschen geprägt ist.<br />

Von dort aus fuhren wir weiter Richtung Terektal, um dort unser Lager <strong>für</strong> die erste Nacht<br />

aufzuschlagen. Auf dem Weg kam es zum ersten ungewollten Zwischenstop, da drei Autos<br />

auf einmal Pannen hatten. Beim Lada Niva war die Benzinpumpe verstopft, der silberne<br />

Pathfinder überhitzte <strong>und</strong> die schwarze Pathfinder hatte einen platten Reifen am Berg. Ein<br />

Teil der Gruppe machte sich daraufhin zu Fuß in Richtung Terektal, wobei ein kleiner Teil da<br />

blieb, um den Reifen zu wechseln.<br />

2.Referat „Das Christentum in Georgien“ von Jan Hofmann<br />

Nach Überwindung der Autopannen wurde im Terek-Tal das Camp aufgeschlagen <strong>und</strong> es<br />

folgte der erste Teil des Referats über „Alte Bräuche“ von Jan Hofmann, dessen<br />

Hauptreferatsthema „das Christentum in Georgien“ war. So hat sich das Christentum nicht<br />

überall in Georgien verbreiten können, da manche Berggegenden schwerer erreichbar waren<br />

<strong>und</strong> somit auch mehr isoliert von der Christianisierung im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert. Bis heute findet<br />

man daher die Verehrung von Natur- <strong>und</strong> Stammesgottheiten vor, die aus vorchristlicher Zeit<br />

stammen, sowie auch alte Bräuche <strong>und</strong> Rituale, die bis heute praktiziert werden. Die<br />

zahlreichen Bräuche, Rituale <strong>und</strong> Feste, die von Dorf zu Dorf unterschiedlich begangen<br />

werden können, sollen meist der Vertreibung von bösen Geistern bzw. einer guten Ernte<br />

dienen. In einigen Bergdörfern Swanetiens sind außerdem bis heute Relikte eines uralten<br />

Stierkultes erhalten geblieben, der bei den antiken Agrarvölkern verbreitet war. Gegen<br />

Abend machten wir Bekanntschaft mit einer georgischen Reitergruppe <strong>und</strong> der<br />

Grenzpatrouille des Militärs, die zur Sicherung der naheliegenden Grenze zu Russland<br />

eingesetzt wurden.<br />

Tag 2: 13. Aug. 2010<br />

1.Besichtugung Kazbegis <strong>und</strong> der Kirche Zminda Sameba <strong>und</strong> Referat „Die<br />

Geschichte Georgiens“ von Christoph Warmboldt<br />

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Stepanzminda, das nach wie vor<br />

auch unter dem Namen Kazbegi bekannt ist. Von dort aus wanderten wir auf die höchste<br />

Kreuzkuppelkirche Georgiens, die Zminda Sameba (2.170 m), was übersetzt<br />

„Dreifaltigkeitskirche“ bedeutet. Nach dem Besuch der Kirche hörten wir das Referat zur<br />

Geschichte Georgiens von Christoph Warmboldt. Dabei wurde noch auf die zwei<br />

unterschiedlichen Entstehungstheorien der georgischen Sprache eingegangen. So besteht<br />

die Möglichkeit, dass sich die georgische Sprache eigenständig gebildet hat, oder dass sie


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

zur Ibero-Kaukasischen Sprachfamilie gehört, da es eine mögliche Verwandtschaft zum<br />

Estruskisch-Baskischen gibt. Danach folgten noch die Vorträge „Geologie“ <strong>und</strong><br />

„Vulkanismus“ von Daniel Gruber <strong>und</strong> Benjamin Köstler, da der in Sichtweite liegende Berg<br />

Kazbek (5.047 m) ebenfalls ein erloschener Vulkan ist, der das letzte Mal im Jahr 750 v. Chr.<br />

ausgebrochen ist.<br />

2.Fahrt zum russischen Grenzübergang<br />

Anschließend fuhren wir zum einzigen geöffneten Grenzübergang nach Russland, um uns<br />

den Konflikt zwischen Russland <strong>und</strong> Georgien nochmals kurz vor Augen zu führen, der<br />

bereits im Referat zur Geschichte Georgiens thematisiert wurde. Hier wurden noch zwei<br />

weitere Auswirkungen der ehemaligen Zugehörigkeit zum russischen Zarenreich<br />

angesprochen. Einerseits förderte dieser den Kurtourismus in Georgien, der seinen Ursprung<br />

in der russischen Romantik hat. Andererseits erhielten georgische Bürger im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

die Möglichkeit in Russland eine fachliche Ausbildung als Staatsdiener zu absolvieren. Unter<br />

anderem war es den Georgiern mit diesen erworbenen Kompetenzen möglich die<br />

Unabhängigkeit des Landes 1918 nach dem Vorbild der Schweiz auszurufen. Die<br />

Zerrissenheit Georgiens bezüglich der Zugehörigkeit zu Russland oder Europa zeigte sich<br />

bereits im 2. Weltkrieg, als etwa ein Viertel der georgischen Bevölkerung <strong>für</strong> die Wehrmacht<br />

in den Krieg gegen Russland zog, wohingegen der Rest der Georgier <strong>für</strong> die Rote Armee<br />

kämpfte. Erst nach den Putsch Schewardnadses im Jahr 1992 beschritt Georgien einen<br />

eindeutigen politischen Westkurs durch die Einführung in den Europarat. Auch sein<br />

Nachfolger Saakaschwili baute die politische Anbindung an Europa weiter aus, was unter<br />

anderem an den von der EU finanzierten Grenzposten erkannt werden kann.<br />

3.Das Berg-Tal-Windsystem in der Darielschlucht<br />

Im Anschluss an diesen Nachtrag suchten wir in der Darielschlucht einen Zeltplatz <strong>für</strong> die<br />

folgende Nacht. Es stellte sich heraus, dass sich unser Zeltplatz auf einer mehrere<br />

Dekameter hohen Stauendmoräne mit Blick auf den Kazbek-Gletscher befand.<br />

Die Lage unseres Zeltplatzes wurde von den Exkursionsleitern genutzt, um den<br />

Mechanismus eines Berg-Tal-Windsystems zu erklären. Morgens heizen sich die Gipfel<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer Exposition schneller auf als das Tal, so dass am Gipfel ein lokaler Tiefdruck<br />

<strong>und</strong> im Tal ein Hochdruck entsteht. Der Druckausgleich führt zur Entstehung eines<br />

Talwindes, welcher vom Tal zum Gipfel weht. Gegen Nachmittag wärmt sich das Tal dann<br />

ebenfalls auf, so dass der Talwind nicht mehr dominant ist <strong>und</strong> sich übergangsweise ein<br />

kleines, laterales Windsystem durchsetzen kann. Gegen Abend kühlen die Gipfel aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Exposition schneller aus als das Tal, wodurch nun am Gipfel ein lokales<br />

Hochdruckgebiet entsteht <strong>und</strong> im Tal ein Tiefdruck. Der Druckausgleich führt zum Abfließen


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

der kalten Bergluft in Richtung Tal, welcher als Bergwind bezeichnet wird. Bevor sich am<br />

Morgen die Gipfel stark aufheizen <strong>und</strong> sich der Talwind erneut einstellt, bildet sich nochmals<br />

übergangsweise ein kleines, laterales Windsystem.<br />

Allgemein wurde von den Exkursionsleitern auf die aktuelle Großwetterlage im Großen<br />

Kaukasus hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt herrschte ein überregionales Hochdruckgebiet<br />

in Russland <strong>und</strong> ein regionales Tiefdruckgebiet im Norden Georgiens vor. Dies bewirkte eine<br />

Bewegung der warmen Luft von Russland nach Georgien, wobei die warmen Luftmassen<br />

durch den Großen Kaukasus zum Aufsteigen gezwungen wurden. Die Abkühlung führt zu<br />

einer geringeren Wasserhaltekraft der Luft, wodurch das Wasser kondensiert <strong>und</strong> es zur<br />

Wolkenbildung kommt.<br />

Quellen:<br />

BBC News: Q&A: Armenian genocide dispute:<br />

http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/6045182.stm. (28.10.2010)<br />

Kvastiani, T., Spolanski & V. Sterfeldt, A. 2002: Georgien entdecken. Unterwegs zwischen<br />

Kaukasus <strong>und</strong> schwarzen Meer. Berlin.<br />

Kriegenherdt, M. 2008: Handbuch <strong>für</strong> individuelles Entdecken - Georgien.<br />

Bielefeld.<br />

Strahler, A. H., Strahler, A. N. 2009: Physische Geographie. Stuttgart.<br />

Tag 3: 14. Aug. 2010<br />

Fahrt nach Signaci


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 4 von Isabel Perez-Postigo <strong>und</strong> Sabrina Beier<br />

Tag 4: 15. Aug. 2010<br />

1.Referat „Landnutzung Georgiens“ von Galyna Bondar in Signagi<br />

Gestärkt vom guten Frühstück machten wir einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Auf<br />

einem Wehrturm mit guter Aussicht auf das Alsani-Tal hielt Galyna Bondar ihr Referat über<br />

die Landnutzung in Georgien <strong>und</strong> Armenien. Das Alsani-Tal bildet das Herzstück des<br />

Weinanbaus Georgiens, die Böden bestehen hier aus carbonathaltigen Flusssedimenten.<br />

Nachdem wir unseren Spaziergang durch Signagi fortgesetzt hatten hörten wir in einem<br />

kleinen, schattigen Park Ninas Referat über die Klimadifferenzierung Georgiens. Auf dem<br />

Friedhof von Signagi fallen die Abbildungen der Toten, meist in Form eines Portraits, auf den<br />

Grabsteinen auf. Diese Gemälde werden mit einer Art Air-brush auf die Steine gesprüht.<br />

Foto 2 zeigt ein Ehepaar auf ihrem Grabstein.<br />

Foto 1: Abbildung eines Ehepaars auf dem Friedhof von Signagi. (Foto: Sabrina Beier)<br />

2.Fahrt zum Höhlenkloster David Geridze in der Steppenlandschaft<br />

Gegen Mittag fuhren wir, nachdem wir <strong>für</strong> die nächsten zwei Tage eingekauft hatten, weiter<br />

Richtung David Geridze. Auf der Fahrt dorthin verändert sich das Landschaftsbild stark <strong>und</strong><br />

mit dem Schichtstufenland beginnt zugleich die Steppe. Das Schichtstufenland fällt nach<br />

Norden ein, ist steiler als das Süddeutsche Schichtstufenland <strong>und</strong> wird von der Kura zerteilt.<br />

Foto 3 zeigt die nach Norden einfallenden Schichten.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Foto2: Nach Norden einfallende Schichtstufen. (Foto: Sabrina Beier)<br />

Mit 400 mm Niederschlag pro Jahr gedeihen dort eigentlich als natürliche Vegetation<br />

Savannenpflanzen wie Granatäpfel, Wacholder <strong>und</strong> Pistazien. Jedoch wurde dieses Gebiet<br />

komplett <strong>für</strong> die Landwirtschaft gerodet. So sind heute kleine, meist aufgelassene Kolchosen<br />

zu sehen. Von der einst intensiven Bewirtschaftung zu Zeiten der Sowjetunion zeugen<br />

verfallene Wassersysteme, die der Bewässerung dienten. Auch kam es in den letzten Jahren<br />

zu mehreren, kleinräumigen Bränden. Die Straße, welche auf einer Schichtrippe verläuft,<br />

führt durch ein fast vollkommen verlassenes Dorf. Jedoch wird hier noch Landwirtschaft<br />

betrieben, was durch die Heulager <strong>und</strong> die Kühe <strong>und</strong> Ziegen auf der Straße erkennbar ist.<br />

Auf Foto 4 ist ein Sonnenblumenfeld zu sehen.<br />

Foto 3: Sonnenblumenfeld in der Steppe. (Foto: Sabrina Beier)<br />

In David Geridze hielt Jan einen Teil seines Referates zum Thema Bedeutung des Glaubens<br />

in Georgien <strong>und</strong> stellte uns das Höhlenkloster vor, welches wir anschließend besichtigten.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Dort sind die einzelnen Zimmer in die Sandsteinschicht einer Schichtstufe geschlagen<br />

worden <strong>und</strong> nur der Vorhof <strong>und</strong> die Kirche sind <strong>für</strong> Touristen geöffnet. Der Rest des Klosters<br />

wird von Mönchen bewohnt. Foto 5 zeigt einen Teil dieses Höhlenklosters.<br />

Foto 4: David Geridze (eigenes Foto)<br />

Da es dort keinen geeigneten Zeltplatz gab kam es zu einer erneuten Planänderung <strong>und</strong> wir<br />

fuhren noch ein Stück Richtung Armenien, parallel zur aserbaidschanischen Grenze, bis wir<br />

einen geeigneten Platz fanden <strong>und</strong> unser Zeltlager aufbauen konnten. Ein vorbeifahrendes<br />

Auto, aus dem ein Gewehr herausgehalten wurde, sorgte kurzzeitig <strong>für</strong> Aufregung. Als<br />

Nachbereitung des Tages <strong>und</strong> des Vortages sahen wir uns Lichtbildaufnahmen Chasetiens<br />

<strong>und</strong> des Schichtstufenlandes bei David Geridze an. Auf ersterem war das Alsani – Tal zu<br />

sehen, das in den Ausläufern des Großen Kaukasus liegt. Dort wird Gemüse Angebaut <strong>und</strong><br />

auf engstem Raum sind enorm viele Nationalparks zu finden, welche die Steppen <strong>und</strong><br />

Regenwälder schützen sollen. Auf der zweiten Luftbildaufnahme sind aufgelassene<br />

Kolchosen zu sehen. Zu Zeiten der Sowjetunion zählte diese Region zu einer der reichsten<br />

der gesamten Nation, jedoch kam es Anfang der 90 er Jahre zu starken<br />

Produktionsausfällen <strong>und</strong> Stilllegungen <strong>und</strong> Georgien verfiel zu einem der ärmsten Länder<br />

der Welt. Außerdem ist sehr gut zu erkennen, dass das Schichtstufenland symmetrisch<br />

angeordnet ist <strong>und</strong> an der Kura als Symmetrieachse gespiegelt werden kann.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 5 von …<br />

Tag 5: 16. Aug. 2010<br />

Fahrt <strong>und</strong> Grenzübergang nach Armenien


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 6 bis 7 von Tobias Plail <strong>und</strong> Benjamin Köstler<br />

Tag 6: 17. Aug. 2011<br />

Fahrt südlich von Stepanavan (Armenien) zum Aragaz<br />

Gegen 11 Uhr fand eine Lagebesprechung auf dem Hof unserer Unterkunft statt. Wir<br />

besprachen unsere Reiseroute zum Aragaz. Nach ungefähr einer St<strong>und</strong>e Fahrt wechselten<br />

wir Geld in Spitak. In Ashtarek kauften wir <strong>für</strong> die nächsten zwei Tage ein. Die Straße zum<br />

Kari See führte uns über die Südabdachung des Aragaz bis auf ungefähr 3200m Seehöhe.<br />

Hier schlugen wir gegen 18:30 Uhr unser Zeltlager auf. Beim Abendessen wurde der<br />

morgige Tag geplant.<br />

Tag 7: 18. Aug. 2010<br />

1. Besteigung des Aragaz <strong>und</strong> Referate „Armenien“ von Moritz Schilling,<br />

„Vulkanismus in Armenien“ von Benjamin Köstler <strong>und</strong> „Klima in Armenien“<br />

von Nina Eichholz<br />

Um 5 Uhr in der Früh klingelte der Wecker <strong>und</strong> wir packten unsere Sachen <strong>für</strong> die<br />

Wanderung. Gegen 6 Uhr liefen wir los in Richtung Südgipfel. Nach dem ersten Anstieg<br />

teilten wir uns in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe wanderte auf den Südgipfel während<br />

die zweite Gruppe auf den Westgipfel lief. Von den Gipfeln hatten wir einen sehr guten Blick<br />

in den Krater <strong>und</strong> die weiteren Gipfel des Aragaz. Des Weiteren konnten wir die flachen<br />

Ausläufer des erloschenen Stratovulkans im Umland erkennen.<br />

Gegen Mittag wurde das Zeltlager abgebaut <strong>und</strong> wir hörten noch folgende Referate:<br />

Den Kulturteil über Armenien von Moritz Schilling, mit besonderem Augenmerk auf die<br />

Hauptstadt Yerevan. Derzeit ist die Grenze zwischen Türkei <strong>und</strong> Armenien geschlossen. Das<br />

zeigt, dass sich Armenien im Gegensatz zu Georgien eher an Russland orientiert ist.<br />

Im zweiten Teil des Vulkanismusreferats von Benjamin Köstler wurden Unterschiede<br />

zwischen Georgien <strong>und</strong> Armenien dargestellt. In Georgien sind vorwiegend basaltische<br />

Gesteine zu finden. Dagegen dominieren in Armenien andesitische <strong>und</strong> intermediäre<br />

Gesteine vor. Wie beispielsweise Obsidian, das auf Gr<strong>und</strong> der schnellen Aushärtung eine<br />

glasartige Struktur besitzt. Wir fanden Obsidianstücke in der Nähe unseres Zeltplatzes. Der<br />

unterschiedliche Verwitterungsschutt (Brocken <strong>und</strong> Platte) am Aragaz kommt durch die<br />

verschiedenen Kristallstrukturen zu Stande.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Das dritte Referat umfasste die Fortsetzung des Klimareferats von Nina Eichholz. Dabei<br />

lernten wir, dass das armenische Hochplateau von lokalen Druckgebilden stark beeinflusst<br />

wird. Zum einen das Kältehoch im Winter <strong>und</strong> zum anderen das Hitzetief im Sommer. Auf<br />

starke Konvektionsniederschlägen folgt oftmals sofort Trockenheit. Durch die extreme<br />

Trockenheit befindet sich die Schneegrenze am Aragaz sehr weit oben <strong>und</strong> es kommt daher<br />

kaum zur Eisbildung. Dies hängt auch mit dem West-Ost-Gradienten der Schneegrenze im<br />

Nord- <strong>und</strong> Südkaukasus zusammen. Der Westen ist ozeanisch geprägt. Dementsprechend<br />

fällt dort mehr Niederschlag als im kontinental geprägten Osten. Generell ist das Klima in<br />

Armenien sehr kleinräumig differenziert.<br />

2.Fahrt nach Vardzia in Georgien<br />

Nach den Referaten fuhren wir zurück in Richtung georgische Grenze. Auf dem Weg runter<br />

vom Aragaz konnten wir morphologische Unterschiede zwischen Nord- <strong>und</strong> Südhängen gut<br />

erkennen. Diese resultieren daraus, dass die Nordseite stärker vergletschert waren <strong>und</strong><br />

daher Hohlformen <strong>und</strong> weitere Spuren der Vereisung aufweisen. Die Südhänge dagegen<br />

sind eher periglazial geprägt. Man findet dort Formen der Solifluktion <strong>und</strong> vorwiegend glatte<br />

Hänge.<br />

Ebenfalls konnten wir mehrere Zeltlager sehen, in denen Nomaden lebten.<br />

Nach einem weiteren Stopp zum Einkaufen überschritten wir die armenisch-georgische<br />

Grenze bei Bavra.<br />

In Akhalkalaki wurde uns der reparierte Lada Niva übergeben <strong>und</strong> es ging weiter nach<br />

Vardzia. Dort errichteten wir unser Zeltlager unterhalb eines Höhlenklosters am Fluss.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 8 bis 9 von Julia Katzendorn <strong>und</strong> Daniel Gruber<br />

Tag 8: 19. Aug. 2010<br />

1.Besichtugung des Höhlenklosters Vardzia<br />

Das Höhlenkloster Vardzia im Kleinen Kaukasus in Südgeorgien<br />

Um 9.15 Uhr werden am Campingplatz unterhalb des Höhlenklosters Wardsia die Referate<br />

zu den Themen Vegetaionsdifferenzierung im Kaukasus <strong>und</strong> zum Höhlenkloster Wardsia<br />

gehalten. Nach erstgenanntem Referat wird vom Dozenten die Anpassung verschiedener<br />

Pflanzen an ungünstige Bedingungen wiederholt: Die ausgeprägten klimatischen<br />

Unterschiede innerhalb Georgiens <strong>und</strong> die Lage am Schnittpunkt mehrer Florenreiche führen<br />

dazu, dass es eine ausgesprochen hohe Artenvielfalt in Georgien gibt. Dabei passen sich<br />

Xerophyten in den trockeneren Regionen auf verschiedene Weisen an den Wassermangel<br />

an. Als solche Methoden sind zu nennen: eine Verdickung oder Verhärtung der Blatthaut<br />

Epidermis oder eine ausgeprägte Wachsschicht (Cuticula) an der Blattoberfläche wodurch<br />

die Transpiration eingeschränkt wird. Daneben tritt teilweise Sukkulenz auf, wobei Wasser in<br />

der Pflanze akkumuliert wird. Die Stomata von Xerophyten sind in der Regel in kleinen<br />

Einbuchtungen an der Blattunterseite angeordnet, wodurch der Wasserverlust durch<br />

Transpiration erschwert wird. Darüber hinaus wurde erwähnt dass in trockenen gebieten der<br />

Anteil an C4 Pflanzen gegenüber den in den mittleren Breiten dominanten C3 Pflanzen<br />

deutlich höher ist, das sie besser an Trockenheit angepasst sind. Nach den Referaten <strong>und</strong><br />

zusätzlichen Informationen begibt sich die Exkursionsgruppe auf den Weg zur Besichtigung<br />

des in weichen Tuffstein geschlagenen Höhlenklosters.<br />

2.Fahrt durch Adjarien an die Schwarzmeerküste<br />

Im Anschluss werden um 13 Uhr einige generelle Informationen zu Südgeorgien vermittelt: In<br />

der Region leben viele Armenier, es findet allerdings keine Durchmischung mit den<br />

ethnischen Georgiern statt. In den ländlichen Regionen zeichnen sich armenische<br />

Siedlungen durch Erdhäuser aus. In den größeren Städten wie Akhaltsikhe wohnen Georgier<br />

<strong>und</strong> Armenier in getrennten Vierteln. In der autonomen Republik Adjarien im Südwesten<br />

Georgiens kommt zudem die muslimische Minderheit der Lhasen vor. Zu Sowjetzeiten<br />

unterstützten Be<strong>für</strong>chtungen, dass die Lhasen sich mit ihren türkischen Glaubensbrüdern<br />

verbünden wollen, die Sperrung der Region Vardzia die unmittelbar an die Türkei grenzt .<br />

Typisch <strong>für</strong> die Region sind auch Viehherden von mehreren h<strong>und</strong>erten Tieren wie sie von<br />

einigen Studenten bei der Ausreise aus Armenien gesehen werden konnten.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Um 14 Uhr ist Abfahrt Richtung Batumi in Adjarien. Auf der Fahrt können die lhasischen<br />

Minarette beobachtet werden. Daneben sind in den adjarischen Bergen des Kleinen<br />

Kaukasus die hölzernen Chalais-ähnlichen Häuser der ethnischen Georgier zu sehen. Diese<br />

erinnern in den bergigen sowie waldreichen Regionen an vertraute Bilder aus den Schweizer<br />

Alpen. Die Passstraße ist in sehr schlechtem Zustand, weshalb die Schwarzmeerküste erst<br />

in den Abendst<strong>und</strong>en erreicht wird. Nachdem im Touristenort Kvariati am Schwarzen Meer<br />

kein Hotel mit genügend verfügbaren Kapazitäten gef<strong>und</strong>en werden konnte, fährt die<br />

Exkursionsgruppe fälschlicherweise nach Sarpi an der türkischen Grenze. Dort wird bekannt,<br />

dass in Batumi ein Hotel gef<strong>und</strong>en wurde, dass allerdings aufgr<strong>und</strong> des starken Verkehrs<br />

erst gegen 23 Uhr erreicht wird. Leider war es nicht möglich die komplette Exkursionsgruppe<br />

in einem Hotel unterzubringen, weshalb zwei Hotels mit stark unterschiedlichem<br />

Komfortstandard gebucht werden mussten.<br />

Tag 9: 20. Aug. 2010<br />

1.Stadtführung Batumi von Moritz Schilling<br />

Adjariens Hauptstadt Batumi<br />

Nach einem chaotischen Vorabend, trifft sich die Exkursion erst um 10 Uhr morgens vor dem<br />

Hotel statt, wo die Exkursionsgruppe eine kurze Einweisung vom Dozenten in den<br />

Tagesablauf bekommt. Im Anschluss hält Moritz Schilling sein Referat über „Batumi-die<br />

Autonome Region Adjarien“. Der Autonomiestatus ähnelt dem von Süd-Ossetien <strong>und</strong><br />

Abchasien. Der Bürgerkrieg in Adjarien konnte durch Saakashvili abgewendet <strong>und</strong> die<br />

Region wieder an Georgien angegliedert werden.<br />

Die nächste Station der Exkursionsgruppe ist vor der Marienkirche in Batumi. Es handelt sich<br />

hierbei um eine katholische Kirche, die aber georgisch-orthodoxe Gottesdienste hält. Da es<br />

in der Region aber zu wenige römisch-katholische Christen gibt, ist die Kirche georgisch-<br />

orthodox geworden, um den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden. Zusätzlich<br />

erfahren die Exkursionsteilnehmer, dass die ethnische <strong>und</strong> religiöse Vielfalt in Adjarien sehr<br />

groß ist <strong>und</strong> die Verhältnisse entspannt <strong>und</strong> unproblematisch sind. Die Vielfalt kommt von<br />

der geographischen Lage der Region, wo viele Kulturen zusammen kommen. An diesem<br />

Punkt wird der Einfluss von Ländern wie beispielsweise Griechenland, Türkei <strong>und</strong> Russland<br />

deutlich spürbar. Im Rahmen der Sovjetunion stellte Adjarien eine eher säkulare<br />

Gesellschaft, in der Muslime die Mehrheit stellten. Daher rührt dort auch das säkulare,<br />

weniger ausgeprägte Religionsverständnis der Bevölkerung.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

An einem der zentralen Plätze Batumis wird verstärkt auf den Willen zur Zugehörigkeit<br />

Georgiens zur Europäischen Union hingewiesen. Das äußert sich in Wandgemälden, die die<br />

Fahne der Europäischen Union mit der Georgiens verschmelzen, oder in Skulpturen, die auf<br />

die Agronautensaga hindeuten <strong>und</strong> somit die Zugehörigkeit Georgiens zu Europa<br />

symbolisieren.<br />

Das Schwarze Meer<br />

Etwas später erreicht die die Gruppe über den Fountain Square - die Strandpromenade - von<br />

wo aus der Weg zum Hafen führt. Im Fountain Park hält Tobias sein Referat über das<br />

Schwarze Meer. Der Dozent fasst zusammen dass, das Mittel-, Schwaze <strong>und</strong> Kaspische<br />

Meer die Überreste des einst äquatorumspannenden Tethys Ozeans sind, der im Zuge der<br />

Alpidischen Orogenese <strong>und</strong> der noch immer anhaltenden Annäherung der afrikanischen <strong>und</strong><br />

eurasischen Krustenplatte schrumpfte. Diese tektonischen Bewegungen sind noch nicht<br />

abgeschlossen, weshalb die Meere sich in geologischen Zeiträumen weiter verkleinern<br />

werden. Das Schwarze Meer ist als Folge der Abtragung der angrenzenden Festländer nur<br />

noch etwa 2000m tief <strong>und</strong> damit deutlich weniger tief als die großen Ozeane.<br />

Die starke Verschmutzung des Schwarzen Meeres ist <strong>und</strong> anderem eine Folge des Eintrags<br />

von Dünger, Pestiziden <strong>und</strong> Abwässern durch große Flüsse wie Don, Dnjepr oder Donau.<br />

Deshalb sind nicht nur Anreinerstaaten Schuld an der Kontaminierung. Daneben spielen<br />

aber auch die Verschiffung von Erdöl <strong>und</strong> direkte Müllentsorgung eine wichtige Rolle.<br />

Tatsächlich ist die Verschmutzung der Weltmeere jedoch ein globales Problem. Dennoch ist<br />

nur die Ostsee stärker verschmutzt als das Schwarze Meer. Mit dem Zerfall der Sowjetunion<br />

fand die erste Konferenz der Anreiner Staaten zum Schutz des Meeres staat. Jedoch wurden<br />

die beschlossenen Lösungsideen leider nie umgesetzt,<br />

Um 12:30 Uhr erreicht die Exkursionsgruppe den Hafen Batumis. Dieser ist nach Poti der<br />

zweitgrößte Hafen Georgiens. Im Konflikt mit Russland wurden die Häfen Georgiens<br />

bewusst zerstört, um die Westanbindung zu schwächen. Durch die zerstörte Infrastruktur<br />

wurde die Wirtschaft extrem gefährdet <strong>und</strong> ist immer noch angeschlagen.<br />

2.Freier Nachmittag in Batumi <strong>und</strong> Besuch des Botanischen Gartens<br />

An dieser Stelle wird die Gruppe aufgelöst <strong>und</strong> der Rest des Tages zur freien Verfügung<br />

gestellt. Ein Teil der Exkursionsgruppe besucht den Botanischen Garten.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 10 von Thomas Barczyk<br />

Tag 10: 21. Aug. 2010<br />

1.Fahrt nach Mestia <strong>und</strong> Referat „Transformationsprozesse in Osteuropa<br />

<strong>und</strong> die Auswirkungen in Georgien“ von Thomas Barzcyk<br />

Am 21.08.2010 führt die Reise der Georgienexkursionsgruppe von Batumi nach Mestia. Um<br />

11.45 Uhr trifft die Gruppe am Iguri-Staudamm ein. Die Autos werden unterhalb des<br />

Staudamms geparkt <strong>und</strong> die Gruppe macht sich auf den Weg zum Staudamm. Oben<br />

angekommen wird der riesige Staudamm erk<strong>und</strong>et. Um 12.00 Uhr beginnt Thomas Barczyk<br />

mit dem Referat über die Transformationsprozesse in Osteuropa <strong>und</strong> die Auswirkungen in<br />

Georgien. Der Aufbau des Referats ist aufgeteilt in 1.allgemeinen Transformationsprozesse,<br />

2. Transformationsprozesse in Georgien <strong>und</strong> 3. Wirtschaftsaktivitäten Georgiens. Punkt 1<br />

schildert die Transformation auf der politischen <strong>und</strong> der ökonomischen Ebene. Hier wird der<br />

Zustand dieser Bereiche vor dem Zusammenbruch <strong>und</strong> nach dem Zusammenbruch der<br />

Sowjetunion dargestellt. Punkt 2 enthält konkrete Beispiele der Transformation auf der<br />

politischen <strong>und</strong> ökonomischen Ebene in Georgien. Es wird auf Erfolge <strong>und</strong> Hemmnisse der<br />

georgischen Transformation eingegangen. Im letzten Teil des Vortrags werden die<br />

Wirtschaftsaktivitäten Georgiens vor <strong>und</strong> nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />

geschildert. Alle Teile des Referats werden mit aussagekräftigen Tabellen <strong>und</strong> Abbildungen<br />

verdeutlicht. Nach dem es keine Fragen zum Vortrag gibt, beginnt Frieder Voll, einer der<br />

beiden Exkursionsleiter einen Vortrag über die wichtigsten Daten zum Iguri-Staudamm.<br />

2.Der Iguri-Staudamm<br />

Der Iguri-Satudamm ist landesweit der größte Staudamm der insgesamt 15 georgischen<br />

Staudämme. Er läuft mit 2/3 seiner Kraft <strong>und</strong> deckt somit 50% des georgischen<br />

Strombedarfs. Der Staudamm wurde vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion von<br />

Georgiern <strong>und</strong> Abchasiern zusammengebaut. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit<br />

Georgiens <strong>und</strong> einer Abspaltung Abchasiens von Georgien kommt es zu Konflikten, da der<br />

Staudamm auf georgischem Boden steht <strong>und</strong> Abchasier 1/3 der Stromproduktion des Iguri-<br />

Staudamms verlangen. Bis heute bleibt der Konflikt ungelöst. Nach diesen Vorträgen<br />

entspannt sich die Gruppe einen Augenblick <strong>und</strong> macht sich dann auf den Weg nach Mestia.<br />

Gegen 16.00 Uhr treffen die Teilnehmer der Georgienexkursion in Mestia ein <strong>und</strong> beziehen<br />

ihre Unterkunft. Nach dem Abendessen bricht die Gruppe geschlossen zu einer kurzen<br />

Wanderung zum Iguri-Fluss. Mit dieser Wanderung endet der 10. Exkursionstag der<br />

Georgienexkursion.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 11 von Christoph Warmboldt<br />

Tag 11: 22. Aug. 2010 (Vormittag)<br />

1.Referat „Tourismus <strong>und</strong> aktuelle Initiativen am Beispiel Swanetiens“ von<br />

Victoria Riedmann<br />

09:30 Uhr Frühstück in Mestia<br />

Ergänzungen zum Exkursionsreader: Tourismus<br />

Zu Zeiten der UdSSR musste sich der georgische Staat keine Gedanken um den Tourismus<br />

machen, da der Tourismus von der UdSSR gelenkt <strong>und</strong> geplant wurde. Somit konnten<br />

gleichbleibende Belegungen der Unterkünfte sichergestellt werden. Georgien war schon<br />

damals sehr beliebt da es einzigartig in der Sowjetunion war. Die Unterkünfte waren<br />

teilweise so beliebt, dass sie gegen Tauschgegenstände eingetauscht wurden. Georgien<br />

setzte schon in dieser Zeit vor allem auf Ges<strong>und</strong>heitsaspekte, wie Heilwasser <strong>und</strong><br />

Heilquellen. Die Tradition der Heilquellen ist jedoch bereits wesentlich älter: schon russische<br />

Zaren besuchten gezielt georgische Heilquellen in Georgien.<br />

Nach dem Erreichen der Unabhängigkeit im Jahr 1991 kam der Tourismus in Georgien zum<br />

Erliegen. Der Tourismus hatte in Georgien zu dieser Zeit eine Kapazität von r<strong>und</strong> 152.000<br />

Betten. Flüchtlinge aus Abchasische wurden im großen Stil (300.000 Flüchtlinge) in den<br />

Hotels untergebracht, da hier Kapazitäten ungenutzt waren.<br />

Georgien tat sich der Anfangszeit schwer im Tourismus, da es im Verhältnis zu anderen<br />

ehemaligen Ostblockländern stärker geografisch von Europa abgeschnitten ist.<br />

Initiativen zum nachhaltigen Tourismus<br />

Es gibt einige Initiativen in Swanetien: So ist beispielsweise der WWF hier stark engagiert.<br />

Daneben gibt es weitere kleinere Initiativen die sich zum Ziel gesetzt haben, den Tourismus<br />

zu stärken ohne die Natur weiter zu zerstören. Solche Initiativen finden auch langsam in den<br />

Medien Beachtung.<br />

Die Rolle des Tourismus<br />

Regionen wie Swanetien haben durch ihre Abgeschiedenheit große wirtschaftliche<br />

Probleme, da dort die Produktion von Wirtschaftsgütern unwirtschaftlich ist. Umso mehr sind<br />

beispielsweise Touristen wichtig <strong>für</strong> die Region.<br />

Während Regionen mit Massentourismus enorme Infrastrukturmaßnahmen benötigen,<br />

können Regionen wie Swanetien derzeit nur auf Individualtourismus setzen.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Trekkingtouristen sind auch in politisch instabilen Regionen wie in Swanetien eher bereit<br />

herzukommen; dass hat den Vorteil, dass größere Schwankungen in den Besucherzahlen<br />

ausbleiben <strong>und</strong> der Trekkingtourismus als Einnahme eine verlässliche Einnahme der<br />

Bevölkerung darstellt.<br />

11:00 Uhr Diskussion mit der Gruppe über Probleme <strong>und</strong> Entwicklungen der Region<br />

Swanetien<br />

11:30 Gespräch mit der Besitzerin der Unterkunft in Mesta<br />

Im Mestia sind etwa zehn der r<strong>und</strong> 500 lebenden Familien in den Tourismus involviert. Es<br />

gibt in Mestia zwei Schulen sowie ein Schulinternat <strong>für</strong> die Schüler mit langen<br />

Anfahrtswegen.<br />

2.Ablauf des Interviews bei Svaneti Trekking mit Sauri Tschortolani<br />

12:00 – 13:00 Uhr Interview mit der Tousimusorganisation Svanetitrekking<br />

Das Interview mit dem Referenten von Svaneti Trekking wurde durch eine Übersetzerin<br />

vereinfacht.<br />

Begrüßung<br />

Der Referent Sauri Tschortolani von Svaneti Trekking begrüßt die Exkursionsgruppe.<br />

Aktivitäten von Svaneti Trekking<br />

Im Jahr 2006 gründeten die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die schweizerische<br />

Direktion <strong>für</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Zusammenarbeit (DEZA) sowie die Georgische Vereinigung<br />

von Bergaktivisten (GUMA) mit zur Hilfenahme der lokalen Bevölkerung die<br />

Nichtregierungsorganisation „Svaneti Trekking“ mit dem Ziel den lokalen Tourismus zu<br />

fördern. Svaneti Trekking hat zehn Wanderrouten r<strong>und</strong> um Mestia ausgewiesen <strong>und</strong> bietet<br />

geführte –teils mehrtägige Trekkingführungen an.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Fragen von den Studenten an das Trekkingcenter Mestia<br />

F: Wie werden die Kompensationen geregelt, die dadurch in der Bevölkerung entstehen,<br />

dass Naturschutz Einschränkung mit sich bring?<br />

A: Es gibt keine finanzielle Hilfe des Staats. Es gibt Regionen die kaum Nutzen von<br />

Naturschutzprojekten haben, die Einschränkungen in Swanetien sind aber nur sehr gering.<br />

F: Gibt es Be<strong>für</strong>chtungen, dass Massentourismus entstehen könnte? Und was wird<br />

gegebenenfalls dagegen getan, um dies zu unterbinden?<br />

A: Wir könnten den Massentourismus nicht verhindern. Die Initiative gibt es noch nicht lange<br />

<strong>und</strong> die Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Die Bevölkerung wird auf den Tourismus<br />

vorbereitet. Zum Schutz der Natur haben wir Förster.<br />

F: Gibt es Be<strong>für</strong>chtungen, Kultur <strong>und</strong> Identität <strong>für</strong> den Tourismus zu verlieren?<br />

A: Junge Menschen sprechen zunehmend Englisch. Unserer Be<strong>für</strong>chtung ist, dass die nicht<br />

schriftlich fixierte mündliche lokale Sprache zunehmend aufgegeben wird <strong>und</strong> damit eine tote<br />

Sprache ist. Die Gesellschaft ist bereit alles <strong>für</strong> Geld zu Verkaufen.<br />

F: Gibt es Konflikte zwischen den Generationen?<br />

A; Die kulturelle Individualität wurde von der Sowjetunion kaputt gemacht. Eine Identität der<br />

eigenen Kultur gibt es nicht mehr<br />

F: Führt die anhaltende Landflucht zu größeren Problemen?<br />

A: Zehn Häuser im nahegelegenen Ort „Adischi“ gingen verloren, weil die fehlenden jungen<br />

Menschen es nicht geschafft haben, die Dächer schneefrei zu bekommen.<br />

Im strengen Winter ist diese harte Arbeit nur von jungen Menschen durchzuführen.<br />

Seit drei Jahren kündigt eine bereits abgewanderte Familie in Tiflis an, wieder nach Adischi,<br />

zurückkommen zu wollen aber bisher ist sie noch nicht zurückgekommen.<br />

F: Welche Infrastrukturmaßnahmen gibt es?


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

A: Es werden Straßen gebaut, sowie der Ortskern von Mestia restauriert. Vor allem <strong>für</strong> den<br />

Straßenbau fehlt viel Geld. Darüber hinaus wird eine Skipiste nahe Mestia gebaut. Die<br />

Umbaumaßnahmen des Ortskernes werden in Mestia von Tiflis aus gesteuert <strong>und</strong> nicht mit<br />

der lokalen Bevölkerung abgesprochen. Eigentlich hätten die Türme am Rand der Stadt vor<br />

dem Verfall bewahrt werden sollen. Die Regierung pumpt aber derzeit viel Geld in den<br />

Stadtkern. Der zentrale Ortskern wird im modernen Stil restauriert, obwohl dort keine<br />

historischen Gebäude stehen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung bevorzugt die Restaurierung von<br />

alten historischen Teilen <strong>und</strong> erst danach das Zentrum.<br />

Es werden keine lokalen Firmen <strong>für</strong> die Baumaßnahmen beauftragt <strong>und</strong> wenn doch, dann<br />

nur <strong>für</strong> die Drecksarbeit.<br />

Die Baumaßnahmen wurden nicht diskutiert. Die Gelder kommen von der Weltbank <strong>und</strong><br />

anderen Banken. Die lokale Regierung hat aber zu wenige Befugnisse <strong>und</strong> ist selbst recht<br />

untätig.<br />

F: Ist es normal dass die Regierung in Tiflis die lokalen Behörden bevorm<strong>und</strong>et?<br />

A: Es ist legal <strong>und</strong> der übliche Weg.<br />

F: Das Gebiet ist reich an Natur <strong>und</strong> Kultur. Was wird zum Schutz eines solchen Schatzes<br />

getan?<br />

A: Nichts. Unsere Gesellschaft macht nichts.<br />

F: Wie wird die Bevölkerung auf den Tourismus vorbereitet <strong>und</strong> auf die Umweltprobleme<br />

hingewiesen?<br />

A: Es gibt Schulungen <strong>und</strong> Informationsveranstaltungen aber wenn wir den die Menschen<br />

informieren, fragen sie, wohin sie denn den Müll schmeißen sollen. Nächstes Jahr soll die<br />

Müllproblematik angegangen werden. Originalzitat: „In short: Mestia ist full of garbish“. Eine<br />

Mülldeponie ist versprochen worden, aber noch nicht gebaut. Der Müll wird entlang des<br />

Flusses „entsorgt“. Zusätzlich bringt der moderne Hausbau viele giftige Materialien nach<br />

Mestia.<br />

F: Gibt es Hinweise auf Schäden, die durch den Tourismus entstehen?<br />

A: Touristen sind vorsichtig, sie sind nicht ein Problem <strong>für</strong> uns.<br />

F: Gibt es eine Lösung <strong>für</strong> alle diese Probleme?


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

A: Es gibt fünf bis acht Nichtregierungsorganisationen, die die Probleme angehen, aber es<br />

ist schwer an finanzielle Hilfe / Geldgeber zu kommen.<br />

F: Wie sieht nach ihrer persönlichen Meinung der Tourismus in 15 Jahren aus?<br />

A: Der Tourismus wird ausgebaut <strong>und</strong> damit wird es in Zukunft mehr Tourismus geben. Die<br />

Region wird zunehmend fremdbestimmst (lokale Behörden haben dann kaum noch Einfluss).<br />

Die sozialen Verhältnisse werden besser sein aber unsere Gesellschaft wird einen Teil der<br />

Kultur da<strong>für</strong> aufgeben.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 11 bis 13 von Ferdinand Güldenhaupt <strong>und</strong> Matthis<br />

Dollinger<br />

Tag 11: 22. Aug. 2010 (Nachmittag)<br />

1.Wanderungsplanung 8.00 Uhr Wanderungsvorbereitung<br />

Es werden die nötigen Besorgungen <strong>für</strong> die bevorstehende Wanderung nach Ushguli<br />

besprochen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass tagsüber während der Wanderung drei<br />

Tage ohne Wasser <strong>und</strong> Versorgungsmöglichkeiten eingeplant werden müssen. Der nötige<br />

Proviant soll in den Ruinenmärkten von Mestia erworben werden. Die Exkursionsautos<br />

können in der Polizeistation untergebracht werden da hier <strong>für</strong> die Sicherheit garantiert<br />

werden kann. Die Exkursionsleiter weisen darauf hin, dass uns während der Wanderung<br />

zwei Guides <strong>und</strong> drei Pferde begleiten. Die Tour wird voraussichtlich um 8 Uhr am folgenden<br />

Tag beginnen. Während des Aufenthalts in Ushguli, unserem Zielort, sind eine<br />

Nutzungskartierung sowie dendroökologische Arbeiten im Rahmen einer Bachelorarbeit von<br />

Fräulein Hiltner angesetzt.<br />

Der weitere Tagesverlauf steht zur freien Verfügung.<br />

2.Besuch im Ethnographischen Museum Mestia<br />

15.30 Uhr Besuch „Ethnographisches Museum Mestia“<br />

Der Eintrittspreis beträgt nur 1GEL (0.25 Euro) pro Person, wobei der Wächter sich da<strong>für</strong><br />

entschuldigt, dass an diesem Tag der Gruppe keine deutschsprachigen Führer zur<br />

Verfügung stehen. Die Ausstellung umfasst Bilder, Waffen, Werkzeuge, Schmuck, Kunst <strong>und</strong><br />

religiöse Darstellungen der ursprünglichen Bevölkerung Swanetiens vornehmlich in Bezug<br />

auf die russische Unterdrückung. Auffallend ist die Präsenz des heiligen St. Georgs in<br />

Abbildungen <strong>und</strong> Schnitzereien.<br />

16.30 Uhr Einkauf <strong>und</strong> selbstständige Stadterk<strong>und</strong>ung<br />

19.00 Uhr Abendessen bei Gastmutter Ziuri<br />

Tag 12: 23. Aug. 2010<br />

1.Abreise aus Mestia<br />

Ab 7.30 Uhr wird gefrühstückt, um ab 8.00 Uhr abfahren zu können. Durch eine Verspätung<br />

der zweiten Maschrutka verzögert sich die Abfahrt jedoch um 40 Minuten.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Maschrutkafahrt<br />

Die Maschrutkafahrer bringen uns zum Startpunkt der Wanderung. Während der Fahrt<br />

haben wir Sicht auf den 4700m hohen Ushba, der als das „Matterhorn des Kaukasus“<br />

bezeichnet wird. Der Großvater unserer Gastmutter Ziuri, so erfahren wir, war der erste<br />

Georgier auf dem Gipfel des Ushba <strong>und</strong> wurde somit zum Namensgeber einer Straße in<br />

Mestia. Reifenpanne einer Maschrutka auf dem Weg. Die Gruppe wird aufgeteilt. Einige<br />

Teilnehmer gehen zu Fuß zum vereinbarten Treffpunkt. Herr Voll <strong>und</strong> Herr Lasermann<br />

diskutieren mit den Maschrutkafahrern über die Panne <strong>und</strong> die daraus resultierenden Kosten<br />

<strong>und</strong> werden verzögert von der pannenfreien Maschrutka gebracht. Die Fahrer verlangen<br />

180GEL <strong>für</strong> 29 Personen <strong>und</strong> ca. 30 Kilometer Wegstrecke trotz der entstanden<br />

Verzögerungen <strong>und</strong> Unannehmlichkeiten.<br />

Wanderung<br />

Der 1. Tag der Wanderung nach Adishi<br />

Um 10.21 Uhr werden die Pferde beladen (Koordinaten unserer Startposition: N 43°02.736 E<br />

42°51.644) Später legen wir unseren ersten Halt um 11.15 Uhr mit Blick auf den Ushba ein.<br />

15.15 Uhr Stopp auf Hangfläche vor Adishi. Besprechung <strong>und</strong> Deutung von<br />

Hangrutschungsereignissen <strong>und</strong> Massenbewegungen an den einsehbaren Hängen sowie<br />

einer Diskussion über Landschaftsgenese.15.30 Ankunft in Adishi<br />

Adishi<br />

Verteilung der Gruppe auf die verschiedenen Häuser. Im Anschluss um 17.00 Uhr Referat<br />

von Fräulein Katzendorn zum Thema: „Kulturlandschaft in den Bergen Swanetiens“.<br />

Ergänzend dazu wird angemerkt, dass die Südhänge unter landwirtschaftlicher Nutzung<br />

stehen <strong>und</strong> Rodung betrieben wird. An den wirtschaftlich ungünstigeren Nordhängen werden<br />

die Wälder bewusst belassen <strong>und</strong> dienen hier als Schutzbereiche vor Naturgefahren wie<br />

Geröll- <strong>und</strong> Schneelawinen. Dadurch besteht hier ein zum größten Teil unangetasteter<br />

Urbewuchs. Durch eine rückschreitende Nutzung der Südhänge, ist eine Entwicklung hin zur<br />

Verwaldung <strong>und</strong> Verbuschung der jeweiligen Bereiche zu erkennen. Damit einhergehend<br />

steigt durch anthroprogene Einflussname auf den Naturraum die Biodiversität. Gebäude,<br />

Mauern, Viehbeweidung <strong>und</strong> ähnliche Einflüsse begünstigen hier den Artenreichtum. Zudem<br />

kommt, dass Swanetien eine Schnittstelle verschiedener Florenreiche ist. Im Anschluss<br />

schließt Herr Dollinger um 17:30 mit seinem Referat über die „Klima- <strong>und</strong><br />

Vegetationsentwicklung im Kaukasus“ an. Nach Beendigung des Abendessens um 19:00<br />

Uhr wird der Rest des Tages mit gemütlichem Beisammensein der Teilnehmer verbracht.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 13 bis 14 von Galyna Bondar <strong>und</strong> Christina Dennerlein<br />

Tag 13: 24. Aug. 2010<br />

Der 2. Tag der Wanderung in Swanetien von Adishi nach Iprali<br />

Am Morgen des 24. August trafen sich die Exkursionsteilnehmer um 7:30h zum Frühstück.<br />

Nach der körperlichen Stärkung brach die Gruppe unter Begleitung der Tourguides den<br />

zweiten Tag der Wanderung um 8:40h in Adishi an. Das Tagesziel war Iprali. Die Wanderung<br />

folgte zunächst dem Verlauf des Flusses Adishchala, der in Gletschernähe jedoch um<br />

10:50h überquert werden musste. Dazu erwiesen sich die Pferde als gutes Hilfsmittel, indem<br />

sie einen Großteil der Gruppe <strong>und</strong> das Gepäck über den Fluss trugen. Besonders mutige<br />

Teilnehmer liefen barfuß durch das vom Gletscher gekühlte Wasser. Am anderen Ufer wurde<br />

Abb. 1: Gr<strong>und</strong>moräne <strong>und</strong> fluviale Formen<br />

Quelle: Tobias Plail<br />

eine kleine Pause eingelegt. Die Zeit wurde<br />

genutzt um geomorphologische Formen wie<br />

Endmoränen oder fluviale Prozesse in der<br />

Umgebung zu analysieren. Anschließend<br />

begann der Aufstieg des<br />

gegenüberliegenden Berghanges. An<br />

einem Standort, von dem aus der Gletscher<br />

besonders gut sichtbar war, wurde von<br />

Ferdinand Güldenhaupt das Referat zur<br />

Glazial- <strong>und</strong> Periglazialmorphologie im<br />

Kaukasus vorgetragen. Anschließend wollte Bruno Lasermann von den Studenten wissen,<br />

wo die gr<strong>und</strong>legenden Unterschiede des Kaukasus auf russischer <strong>und</strong> auf georgischer Seite<br />

liegen. Die Studenten nannten die stärkere Verklüftung <strong>und</strong> die stärkere Vergletscherung der<br />

Nordabdachung auf russischer Seite. Die<br />

Südabdachung ist durch vulkanisches Abregnen<br />

eben der geformt. Nach der Diskussion wurde der<br />

Aufstieg fortgesetzt. Am Kamm des Berges wurde<br />

um 14h eine erneute Rastpause eingelegt, bevor<br />

der Abstieg begann. Im Hang verletzte sich eine<br />

Studentin am Fußgelenk, sodass sie die restliche<br />

Strecke vom Pferd getragen werden musste.<br />

Abb. 2: Shkara-Gletscher<br />

Quelle: Christina Dennerlein


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Übernachtung in Iprali<br />

Um 17:30h wurde Iprali erreicht <strong>und</strong> die Unterkünfte konnten bezogen werden. Das<br />

Abendessen wurde gemeinschaftlich um 19h eingenommen. Die Studenten ereilte hier die<br />

schockierende Nachricht, dass der Schweizer Professor Herr Bösch von H<strong>und</strong>en gebissen<br />

worden war. Da die Möglichkeit einer Infektion mit Tollwut bestand, beschlossen Herr Bösch<br />

<strong>und</strong> seine Assistentin Susanne die Gruppe am nächsten Tag zu verlassen, um im<br />

naheliegenden Krankenhaus in Mestia eine sofortige Impfung erhalten zu können.<br />

Tag 14: 25. Aug. 2010<br />

Der 3. Tag der Wanderung in Swanetien von Iprali nach Ushguli<br />

Am Morgen des letzten Wandertages versammelten sich die Exkursionsteilnehmer um 7:15h<br />

zum Frühstück. Der Start der Wanderung nach Ushguli wurde auf 8:30h festgelegt.<br />

Unterwegs verabschiedeten sich die zwei Verletzten in Begleitung von 3 weiteren<br />

Teilnehmern <strong>und</strong> fuhren per Anhalter zurück nach Mestia, wo sie ärztlich versorgt wurden.<br />

Die restliche Wandergruppe traf mittags um 12h bei Familie Dato Ratiani in Ushguli, dem<br />

höchsten dauerhaft bewohnten Dorf Georgiens ein. Der Nachmittag wurde zur freien<br />

Verfügung gestellt. Das Abendessen wurde auf 18:30h gerichtet.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll- Tag 15 von Tobias Plail <strong>und</strong> Benjamin Köstler<br />

Tag 15: 26. Aug. 2010<br />

1.Dendroökologische Bohrungen an der Pinus kochiana Baumgrenze bei<br />

Ushguli<br />

In Ushguli suchten wir uns einen geeigneten Standort. Für die Untersuchung benötigten wir<br />

einen nordseitig, sowie einen südseitig ausgerichteten Hang. Etwas talabwärts von Ushguli<br />

fanden wir auf einer Höhe von etwa 2300m einen Standort auf der Nordseite.<br />

Zuerst erhielten wir eine kurze Einführung der Vorgehensweise bei der Probennahme.<br />

Immer hangparalell bohren<br />

Schauen, dass an dieser Stelle keine Störungen vorhanden sind wie Astlöcher oder kranke<br />

Stellen.<br />

In etwa auf Brusthöhe bohren um mehr Druck auf den Bohrer bringen zu können.<br />

Versuchen das Mark im Baum zu treffen. Dazu schaut man nach oben <strong>und</strong> wägt den<br />

Schwerpunkt des Stammes ab um dann in einem 90° Winkel zum Stamm den Baum<br />

anzubohren.<br />

Man startet mit der Bohrhilfe am Ende des Bohrers (große Platte um mehr Druck auf den<br />

Bohrer zu bekommen)<br />

Sobald der Bohrer ein kurzes Stück reingedreht wurde, Bohrhilfe wegnehmen <strong>und</strong> bis zur<br />

Mitte bohren.<br />

Metallzunge vorsichtig auf der Rückseite des Bohrers reinschieben.<br />

Den Bohrer eine halbe Drehung zurückdreht, damit der Bohrkern im Inneren vom Stamm<br />

gelöst wird.<br />

Metallzunge vorsichtig rausziehen <strong>und</strong> darauf achten, dass der Kern nicht nach unten<br />

rausfällt.<br />

Bohrkern in die Aufbewahrungsbox schieben <strong>und</strong> beschriften<br />

Bohrer herausdrehen.<br />

Insgesamt bohrten wir nach dieser Anleitung 15 verschiedene Fichten der gleichen Art an.<br />

Während ein Teil der Dendrogruppe mit den Bohrungen beschäftigt war, nahm ein anderer<br />

Teil die Vegetationsbedeckung auf <strong>und</strong> erstellte ein Bodenprofil.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Der zweite Standort befand sich noch etwas weiter das Tal runter auf einem steilen Hügel<br />

auf ca. 2350m. Dieser war südseitig ausgerichtet <strong>und</strong> hier wurde die gleiche Prozession ein<br />

zweites Mal durchgeführt. Weitere 15 Bäume wurden erprobt, die Vegetationsbedeckung auf<br />

dieser Seite wurde ebenfalls wieder aufgenommen <strong>und</strong> ein Bodenprofil wurde mit Hand,<br />

Machete <strong>und</strong> Holzwurzeln ausgegraben.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

2. Kartierung von Ushguli von Moritz Schilling <strong>und</strong> Lukas Wunschik<br />

Die Dorfgemeinschaft Ushguli liegt etwa 48 km von Mestia, dem Verwaltungszentrum der<br />

Region Ober-Swanetien, entfernt. Die vier Dörfer liegen auf einer Höhe zwischen 2100 <strong>und</strong><br />

2200 m im Enguri-Tal, gelten damit als höchste Dorfgemeinschaft Europas <strong>und</strong> zählen zum<br />

UNESCO Weltkulturerbe (Kriegenherdt, S. 210). Drei Ortsteile befinden sich am linken Ufer,<br />

ein weiterer Ortsteil liegt etwas weiter westlich, am rechten Ufer des Enguri <strong>und</strong> ist auf der<br />

Karte nicht eingezeichnet. Ushguli verfügt über eine Straßenanbindung nach Mestia, sowie<br />

nach Lentechi, dem Verwaltungszentrum der Region Unter-Swanetien (Kriegenherdt, S.<br />

212).<br />

Der Tourismus bietet den Einwohnern Ushgulis einen Anreiz in ihrem Heimatort zu bleiben,<br />

trotz der peripheren Lage <strong>und</strong> der, vor allem im Winter, schlechten Erreichbarkeit. Ein großer<br />

Teil der Gebäude ist ungenutzt <strong>und</strong> unbewohnt, zum Teil in schlechtem Zustand oder bereits<br />

verfallen. Neben einer Schule gibt es in Ushguli zwei kleine gastronomische Einrichtungen,<br />

die sowohl von Touristen, als auch von Einheimischen zur Versorgung genutzt werden.<br />

Zudem gibt es zwei Ladengeschäfte. Als Übernachtungsmöglichkeiten werden verschiedene<br />

private Herbergen angeboten, die <strong>für</strong> Individualtouristen <strong>und</strong> Wandergruppen im Sommer<br />

geöffnet sind. Zur extensiven Landwirtschaft zählen sowohl kleine Felder, welche der<br />

Selbstversorgung dienen, als auch die Haltung von Schweinen <strong>und</strong> Vieh auf Flächen<br />

innerhalb der Dörfer <strong>und</strong> in der nahen Umgebung. Die ganzjährig bewohnten Häuser<br />

gehören vorwiegend den Familien, die ihre Räumlichkeiten als Touristenunterkunft anbieten.<br />

In einem der vielen historischen Wehrtürme befindet sich eines von drei kleinen Museen<br />

Ushgulis.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Kriegenherdt, M. (2008). Georgien Handbuch <strong>für</strong> individuelles entdecken. Bielefeld: Reise<br />

Know-How Verlag.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Kartierung 1: Südwestlicher Ortsteil von Ushguli


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Kartierung 2: Nordöstlicher Ortsteil von Ushguli


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 16 von…<br />

Tag 16: 27. Aug. 2010<br />

1.Fahrt von Ushguli nach Mestia<br />

2.Fahrt von Mestia zum Ushba Gletscher


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 17 bis 19 von Victoria Riedmann <strong>und</strong> Sofrony Christow<br />

Tag 17: 28. Aug. 2010<br />

1. Zeltplatz am Ushba-Gletscher <strong>und</strong> Referat „Glaziologie“ von Jana Dusik<br />

Jana-Marie Dusik hält ihr Referat „Glaziologie –Vergletscherung des Kaukasus seit dem<br />

Pleistozän“. Das Referat geht auf die Definition des Begriffs „Glaziologie“ ein. Es folgt eine<br />

allgemeine Darstellung über die Entstehung von Gletschern sowie eine Erläuterung derer<br />

physikalischer Eigenschaften. Anschließend stellt Jana die chronologische Entwicklung der<br />

Vergletscherung des Kaukasus vom Pleistozän bis zur Gegenwart dar.<br />

Darauf folgt eine Diskussion über die Auswirkungen des Klimawandels auf die<br />

Vergletscherung des Kaukasus sowie auf mögliche Auswirkungen auf die<br />

Hochwassersituation.<br />

2. Transfer nach Gelati<br />

Gegen 10:45 Uhr fährt die Exkursionsgruppe vom Zeltplatz am Usba-Gletscher ab. Ziel ist<br />

Kutaisi, welches am Nachmittag erreicht wird. Dort versorgt sich die Exkursionsgruppe in<br />

einem Supermarkt. Die anschließende Weiterfahrt endet gegen 19:00 Uhr an einem Zeltplatz<br />

in der Nähe von Gelati.<br />

Tag 18: 29. Aug. 2010<br />

1.Abfahrt zum orthodoxen Koster Gelati<br />

Am Sonntag, den 29.08.2010 bricht die Exkursionsgruppe gegen 9:15 Uhr vom Zeltplatz auf<br />

um zum Kloster Gelati zu fahren. Dieses wird gegen 9:30 Uhr erreicht.<br />

2.Besuch im Kloster Gelati Referat „Bedeutung des Glaubens in Georgien“<br />

von Jan Hofmann<br />

Jan Hofmann hält sein Referat über die „Bedeutung des Glaubens in Georgien“. Er erläutert<br />

die Bevölkerungszusammensetzung in Georgien hinsichtlich der verschiedenen<br />

Glaubensrichtungen sowie die geschichtliche Entwicklung des Glaubens im Land. In einem<br />

Exkurs berichtet er über die „Heilige Nino“, eine Heilerin, die <strong>für</strong> die Verbreitung des<br />

Christentums in Georgien bedeutsam war. Anschließend fasst Jan sein Referat zusammen.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Jan berichtet daraufhin über die geschichtliche Entwicklung der Klosteranlage Gelati. Diese<br />

wurde 1106 von „David dem Erbauer“ errichtet. Der Name leitet sich ab vom Wort „Genati“,<br />

was so viel wie „zur Geburt zugehörend; der Maria geweiht“ bedeutet. Das Kloster war eine<br />

Akademie <strong>für</strong> Dialektik, Rhetorik <strong>und</strong> Grammatik. Es wird heute als wichtige Quelle der sehr<br />

frühen kulturellen Entwicklung Georgiens bewertet, die sich durch ein sehr frühes<br />

Aufkommen des Humanismus – bereits im 11. Und 12. Jahrh<strong>und</strong>ert – auszeichnet.<br />

Die Klosteranlage besteht aus zwei kleineren Kirchen, die die Namen St. Georg <strong>und</strong> St.<br />

Nikolaus tragen. In St. Nikolaus stammen die ältesten Fresken <strong>und</strong> Wandgemälde aus dem<br />

7. Jahrh<strong>und</strong>ert. Am Südtor des Klosters liegt David der Erbauer begraben. Außerdem ist die<br />

Klosteranlage auch Bestattungsort bedeutender Könige gewesen. In seiner Gesamtheit ist<br />

es Teil des UNESCO Weltkulturerbes.<br />

Nach Jans Referat besichtigt die Exkursionsgruppe zwischen 10:15 Uhr <strong>und</strong> 11:15 Uhr das<br />

Kloster.<br />

3. Transfer nach Gori <strong>und</strong> Referat „Hotspot der Biodiversität im Kaukasus“<br />

von Ulrike Hiltner<br />

Um 11:30 Uhr fährt die Exkursionsgruppe vom Kloster in Gelati ab. Ziel der Reise ist das<br />

Kloster Ubisi im Zurami-Gebirge. Dieses wird gegen 13:15 Uhr erreicht.<br />

In der dortigen Anlage hält Ulrike Hiltner ihr Referat über „Hotspots der Biodiversität“. Zur<br />

Einleitung erläutert Ulrike die Begriffsgeschichte des Wortes „Biodiversität“. Das Wort findet<br />

seit den 80er Jahren Verwendung. Durch die „Convention on Biological Diversity“ (CBD),<br />

welche 1992 verabschiedet <strong>und</strong> durch 150 Staaten unterschrieben wurde, wurde der Begriff<br />

definiert. Er umfasst i.d.S. sowohl die Vielfalt der Ökosysteme <strong>und</strong> die Artenvielfalt, als auch<br />

die genetische Vielfalt innerhalb einer Art. Ziel der CBD ist es, die Biologische Vielfalt zu<br />

bewahren <strong>und</strong> sie nachhaltig zu nutzen. Biodiversität wird als die Gr<strong>und</strong>lage allen Lebens<br />

<strong>und</strong> als Effekt der Evolution verstanden.<br />

Ulrike gibt in ihrem Referat eine allgemeine Definition des Hotspot-Begriffs <strong>und</strong> erläutert die<br />

Problematik. Sie geht auf den Einfluss abiotischer Umweltfaktoren auf die<br />

Biodiversitätsverteilung ein. Einflussgrößen sind die Lage <strong>und</strong> Topographie des<br />

kaukasischen Hotspots, die Klimagradienten als Ursache des Artenreichtums sowie die<br />

Habitatvielfalt. Sie geht auf die Situation in Bezug auf die Biodiversität bei Flora <strong>und</strong> Fauna<br />

ein. Ulrike erläutert außerdem das Spannungsverhältnis zwischen Naturschutz <strong>und</strong> Nutzung.<br />

In einer anschließenden Diskussion kommt die Frage auf, warum Biodiversität erhalten wird,<br />

obwohl sie auf menschlicher Aktivität beruht. Hier wird sowohl auf den landwirtschaftlichen


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

<strong>und</strong> touristischen Nutzen verwiesen, als auch auf Traditionen <strong>und</strong> das Bedürfnis der<br />

Menschen, die eigene Heimat zu bewahren.<br />

Auf die Frage, wie hoch die Anzahl endemischer Arten im Kaukasus sei, erläutert Ulrike,<br />

dass es 1600 endemische Arten im Kaukasus gäbe, <strong>und</strong> dass 80 % der 4000 Pflanzenarten<br />

in Georgien endemisch seien.<br />

Bruno Lasermann merkt an, dass Brachflächen zur Biodiversität beitragen, da sich Pflanzen<br />

dort ausbreiten können. Frieder Voll erklärt, dass gr<strong>und</strong>sätzlich die Problematik bestehe,<br />

dass eine Bevölkerungszunahme zu höherem Druck auf die Biodiversität führe. Im Gebirge<br />

jedoch führe der Bevölkerungsrückgang zu einem Verlust an Biodiversität, da durch ihn i.d.R.<br />

Kulturlandschaft verloren geht.<br />

Bruno Lasermann stellt die Frage, welche Bedeutung die Biodiversität in Bezug auf den<br />

Klimawandel hat. Er erläutert, dass genetische Plastizität, Vielfalt <strong>und</strong> Flexibilität eine höhere<br />

Störungsresistenz von Ökosystemen ermöglichen. Frieder Voll bemerkt, dass die<br />

Artenvielfalt auch <strong>für</strong> die Landwirtschaft zu erhalten sei.<br />

Nach dem Referat fährt die Exkursionsgruppe um 14:30 Uhr Richtung Gori ab. Gori wird<br />

gegen 16:20 Uhr erreicht.<br />

4. Besuch des Stalin-Museums in Gori<br />

In Gori versorgt sich die Exkursionsgruppe selbstständig.<br />

Anschließend wird das örtliche Stalin-Museum besucht, wo die Exkursionsgruppe an einer<br />

Führung teilnimmt. Bei Gori handelt es sich um die Geburtsstadt Josef Stalins. Es wird<br />

deutlich, dass die Dauerausstellung aus dem Jahr 1971 das Leben <strong>und</strong> Wirken Josef Stalins<br />

in einer sehr einseitigen, rein positiven Weise betrachtet.<br />

Um 18 Uhr verlässt die Exkursionsgruppe Gori in Richtung Tiflis. Gegen 19 Uhr wird ein<br />

Zeltplatz zwischen Gori <strong>und</strong> Tiflis erreicht.<br />

Tag 19: 30. Aug. 2010<br />

Transfer nach Tiflis <strong>und</strong> Referat „Der Georgienkrieg“ von Lukas Wunschik<br />

Am Sonntag, dem 30.08.2010 um 8 Uhr hält Lukas Wunschik sein Referat über den<br />

Georgienkrieg im Jahr 2008. Lukas erläutert die Vorgeschichte, den Kriegsverlauf <strong>und</strong> die<br />

Folgen des Krieges.<br />

Frieder Voll erläutert anschließend, dass es seit dem Krieg eine starke finanzielle<br />

Unterstützung der georgischen Armee durch die USA gäbe, sowie eine starke finanzielle<br />

Unterstützung <strong>für</strong> den zivilen Wiederaufbau durch die EU. Frieder Voll erläutert eine Theorie<br />

zur Kriegsentstehung, wonach die Regierung Bush die Regierung Saakaschwili unterstützt


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

habe um einen Konflikt mit Russland zu provozieren <strong>und</strong> dadurch das alte Feindbild<br />

„Russland“ zu reaktivieren. Dadurch sollten die Chancen auf einen Sieg bei den US-<br />

Präsidentschaftswahlen 2008 erhöht werden.


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Protokoll – Tag 19 bis 20 von Christina Dennerlein<br />

Tag 19: 30. Aug. 2010<br />

30. August 2010 - 1. Teil der Stadtführung<br />

Die Hauptstadt ist mit über 1 106 700 Einwohnern (Rathaus von Tbilissi 2010) die größte<br />

Stadt des Landes. Hier finden sich geballt auf 350 Quadratkilometern das politische, das<br />

wirtschaftliche <strong>und</strong> das kulturelle Zentrum der Nation wieder. Der Rustaveli Square in dem<br />

Viertel Vera stellte am frühen Nachmittag des 30. Augusts den Startpunkt der Stadtführung<br />

dar. In einer Nebengasse zählte die Studentin Christina Dennerlein zunächst einige wichtige<br />

Fakten zu Tiflis allgemein, <strong>und</strong> dann zur Gründung der Hauptstadt auf. Dabei bat sie Jan<br />

Hofmann die Legende zur Stadtgründung der georgischen Hauptstadt zu erzählen.<br />

Anschließend startete der R<strong>und</strong>gang durch die Altstadt. Die Studenten folgten zunächst der<br />

Rustaveli Avenue, vorbei an der Oper <strong>und</strong> erfuhren den zweiten Teil der Stadtgeschichte in<br />

einer weiteren, ruhigeren Nebenstraße, der Besiki-Straße. Den dritten <strong>und</strong> letzten Teil zur<br />

Geschichte Tiflis erzählte die führende Studentin vor dem Parlament, von wo aus die Gruppe<br />

weiter zum Freedom Square gelangte. Nach einem kurzen Blick in die Radiani-Straße, die<br />

Einblick ins ehemalige Elitenviertel Sololaki verschafft, erreichten die Exkursionsteilnehmer<br />

über die K'abkhazi Straße das Kala-Viertel, das sich insbesondere dadurch auszeichnet,<br />

dass die alten Straßenverläufe <strong>und</strong> Gebäude noch erhalten sind. Eng verwinkelte Gassen,<br />

Kopfsteinpflaster <strong>und</strong> alte Innenhöfe machen den besonderen Charme dieses Altstadtviertels<br />

aus. Vorbei am Sitz des Patriarchen <strong>und</strong> der Sioni-Kirche in der Ereile II Straße ging die<br />

Stadtführung weiter zur Synagoge, die von allen Teilnehmern besichtigt wurde. Gegenüber<br />

der Synagoge beginnt die Shardeni-Straße, die mit zwei weiteren Parallelstraßen ein<br />

Paradebeispiel <strong>für</strong> den abgeschlossenen Prozess der Gentrifizierung darstellt. Deshalb<br />

nutzte die Gruppe die Grünanlage vor der Synagoge um eine kleine Pause einzulegen,<br />

während Christina Dennerlein den Prozess der Gentrifizierung zunächst allgemein erklärte<br />

<strong>und</strong> anschließend in Bezug auf Tiflis darstellte. Da die Prozesse der sozialräumlichen<br />

Segregation erst seit der Unabhängigkeit von der kommunistischen Großmacht Russlands<br />

greifen können, ist die Gentrifizierung in Tiflis noch sehr neu. Deutlich wahrzunehmen ist sie<br />

jedoch seit der amtierende Bürgermeister Ugulawa 2009 das Programm "Das neue Leben<br />

des alten Tbilissi" ins Leben gerufen hat. Dieses Programm hatte zur Folge, dass die Stadt<br />

viele Wohnungen im Altstädtischen Bereich aufgekauft <strong>und</strong> an Privatinvestoren weiter<br />

verkauft hat. Bei diesen Investoren handelt es sich überwiegend um Bauunternehmen, die<br />

der Familie des Bürgermeisters angehören. Das Ziel, der alten Stadt ein modernes<br />

Aussehen zu verpassen, wurde teilweise - wie in Shardeni - schon verwirklicht. Die Gruppe


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

durchlief deshalb die Shardeni-Straße, achtete dabei besonders auf die Unterschiede der<br />

städtebaulichen Aspekte <strong>und</strong> verglich diese im Anschluss mit den bisherigen Eindrücken von<br />

der Hauptstadt. Über den Gorgassali-Square führte der R<strong>und</strong>gang zum Bäderviertel<br />

Abanotubani. Hier befinden sich ober- <strong>und</strong> unterirdische Bäder, die auf den heißen<br />

Thermalquellen errichtet wurden, <strong>und</strong> deren Eröffnung teilweise bis ins frühe 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zurück reicht. Das Viertel befindet sich gleich neben dem Mtkwari-Fluss. Über die Metekhi-<br />

Brücke wurde das andere Ufer erreicht. Nach einem Blick auf die Metekhi-Brücke <strong>und</strong> das<br />

Gorgassali-Denkmal gelangten die Teilnehmer zur Metrostation Awlabari, wo der erste Teil<br />

der Stadtführung beendet wurde <strong>und</strong> die Gruppe sich auflöste.<br />

Tag 20: 31. Aug. 2010<br />

31. August 2010 - 2. Teil der Stadtführung<br />

Am 31. August wurde die Stadtführung fortgesetzt. Nachdem Frodo am Morgen um 9:30h<br />

sein Referat über den Georgienkrieg vorgetragen hatte, machte sich die Exkursionsgruppe<br />

auf den Weg zur Metrostation Rustaweli, von wo aus sie mit der Metro ins Warketili-Viertel<br />

fuhr. Dort angekommen, wurde zunächst ein nahegelegener Bazar besucht, auf dem<br />

Einheimische frisches Gemüse <strong>und</strong> Obst aber auch Gewürze <strong>und</strong> Käse anboten.<br />

Anschließend erk<strong>und</strong>eten alle zusammen das Viertel, in dem die Spuren der<br />

kommunistischen Ära noch besonders gut erkennbar sind. In einem Innenhof der<br />

Plattenbausiedlung wurde ein Tisch mit Bänken als Ort zum Verweilen genutzt. Die<br />

Studenten tauschten ihre Eindrücke aus. Besonders der heruntergekommene Spielplatz <strong>und</strong><br />

die verwarlosten Treppenhäuser wurden von den Studierenden als ungemütlich <strong>und</strong><br />

beklemmend empf<strong>und</strong>en. Nach diesem ganz anderen Blick auf das Leben der Tiflisser<br />

Bevölkerung wurde die Metro erneut genutzt um ins Awlabari-Viertel, das fast ausschließlich<br />

von Armeniern bewohnt wird, zu fahren. Hier veränderte sich das Bild der Stadt erneut. In<br />

Mitten der kleinen Armenierhäuser, mit ihren gemütlichen <strong>und</strong> engen Innenhöfen, tauchen<br />

der Regierungspalast <strong>und</strong> eine gentrifizierte Straße, die von Ministern <strong>und</strong> Botschaftern<br />

bewohnt wird, auf. Beide werden polizeilich bewacht. Auch die Metechi-Kathedrale, die<br />

höchste Kirche Georgiens, mit ihrem goldenen Kuppeldach, wurde vor ein paar Jahren in<br />

diesem Viertel errichtet. Hier wurden die ursprünglich angesiedelten Armenier von der<br />

Regierung aus ihren Häusern vertrieben um Platz <strong>für</strong> diese Projekte zu schaffen. In diesem<br />

Viertel wurde somit erneut der Prozess der Gentrifizierung sichtbar, der am Vortag schon<br />

erläutert wurde. Die Stadtführung durch die Altstadt <strong>und</strong> diese zwei ergänzende Fahrten in<br />

andere Viertel zeigten, dass Tiflis durchaus als Spiegel der Gesellschaft Georgiens<br />

bezeichnet werden kann. Nicht nur die unterschiedliche Herkunft der Bevölkerung, sondern<br />

auch die Geschichte prägte <strong>und</strong> verändert gegenwärtig das Stadtbild wesentlich. Nach


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

einem Abschlusswort auf der Freedom Bridge, von wo aus die Studenten die Narikala-<br />

Festung <strong>und</strong> die Statue der Mutter Georgiens betrachten konnten, bedankte sich Christina<br />

Dennerlein <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Ausdauer der Teilnehmer. Danach fuhren alle<br />

gemeinschaftlich zur deutschen Botschaft in Tiflis, wo Frau Gabriel alle herzlich begrüßte<br />

<strong>und</strong> interessante Informationen über ihre Arbeit mitteilte. Anschließend antwortete sie noch<br />

auf Fragen. Die Exkursionsgruppe bedankte sich <strong>und</strong> versammelte sich vor dem Hotel, wo<br />

Friedet Voll die Exkursion <strong>für</strong> beendet erklärte <strong>und</strong> allen Teilnehmern weiterhin einen<br />

schönen Aufenthalt, bzw. einen guten Nachhauseweg wünschte.<br />

Literatur:<br />

BRADE, I. Et al. (2008): Sozialräumliche Differenzierung in Großregionen des<br />

mittleren <strong>und</strong> östlichen Europa - ein Überblick. In: EUROPA REGIONAL 16 (1): 3-14. •<br />

FRIEDRICH, K. (2000): Gentrifizierung. Theoretische Ansätze <strong>und</strong> Anwendung auf<br />

Städte in den neuen Ländern. In: GEOGRAPHISCHE RUNDSCHAU 52 (7/8): 34-39 •<br />

KRAJEWSKI, C. (2006): Urbane Transformationsprozesse in zentrumsnahen<br />

Stadtquartieren (...). In: MÜNSTERISCHE GEOGRAPHISCHE ARBEITEN 48: 36-50. •<br />

KRIEGENHERDT, M. (2008): Georgien. Im: REISE KNOW-HOW Verlag. Bielefeld.<br />

Protokoll – Tag 21 von …<br />

Tag 21: 01. Sept. 2010<br />

Tag in T´bilisi zur freien Verfügung <strong>und</strong> Heimflug


Große Exkursion Georgien & Armenien SS 2010<br />

Protokoll<br />

Anhang<br />

<strong>Hausarbeiten</strong><br />

Geologie Georgiens <strong>und</strong> Armeniens (Daniel Gruber)<br />

Vulkanismus in Georgien <strong>und</strong> Armenien (Benjamin Köstler)<br />

Gravitative Massenbewegungen (Stephan Vitzetum)<br />

Die Geschichte Georgiens (Christoph Warmbold)<br />

Nachbarländer (Sabrina Beier)<br />

Landnutzung Georgiens (Galyna Bondar)<br />

Stadtführungen Jerevan <strong>und</strong> Batumi (Moritz Schilling)<br />

Klimadifferenzierung Georgiens <strong>und</strong> Armeniens (Nina Eichholz)<br />

Das Schwarze Meer (Tobias Plail)<br />

Transformationsprozesse (Thomas Barczyk)<br />

Tourismus (Victoria Riedmann)<br />

Kulturlandschaft in den Bergen Svanetiens – Eine Ableitung aus dem Alpenraum<br />

(Julia Katzendorn)<br />

Glaziologie – Vergletscherung des Kaukasus seit dem Pleistozän (Jana Dusik)<br />

Bedeutung des Glaubens (Jan Hofmann)<br />

Der Georgienkrieg (Lukas Wunschik)<br />

Politische Entwicklung Georgiens seit der Unabhängigkeit (Sofrony Christow)<br />

Stadtführung Tiflis (Christina Dennerlein)


Gliederung:<br />

1<br />

Geologie Georgiens <strong>und</strong> Armeniens<br />

A Lage Georgiens <strong>und</strong> Armeniens S. 2<br />

B Geologie des Kaukasus S. 3<br />

1 Tektonik <strong>und</strong> Entstehung S. 3<br />

2 Großer Kaukasus S. 5<br />

2.1 Präkambrium <strong>und</strong> Paläozoikum S. 5<br />

2.2 Mesozoikum S. 6<br />

2.3 Kanäozoikum S.7<br />

3 Kleiner Kaukasus S. 8<br />

3.1 Präkambrium <strong>und</strong> Paläozoikum S.8<br />

3.2 Mesozoikum S.9<br />

3.3 Kanäozoikum S.9<br />

4 Transkaukasische Senke S. 10<br />

C Fazit S. 11<br />

Abbildungsverzeichnis:<br />

Abb. 1 Übersicht Kaukasus S. 2<br />

Abb. 2 Tektonik des Kaukasus S. 4<br />

Abb. 3 Querschnitt durch großen Kaukasus S. 7<br />

Abb. 4 Vereinfachte geologische Karte des Kaukasus S. 12


A<br />

Lage Georgiens <strong>und</strong> Armeniens<br />

2<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien liegen im Kaukasus. Dieser beschreibt das Gebiet zwischen Schwarzem<br />

<strong>und</strong> Kaspischen Meer <strong>und</strong> wird gen Norden <strong>und</strong> Süden durch die Hochgebirge des Großen <strong>und</strong><br />

Kleinen Kaukasus begrenzt. Die Region umfasst die Staaten Georgien, Armenien <strong>und</strong><br />

Aserbaidschan. Außerdem haben Russland im Norden <strong>und</strong> die Türkei im äußersten Western Anteil.<br />

Die heutige Gestalt des Gebiets entstand während der alpidischen Orogenese im Tertiär <strong>und</strong> wird<br />

bis heute durch Hebungsprozesse verändert. Aus diesen resultieren sowohl der Große Kaukasus, der<br />

Höhen von weit über 5000m erreicht <strong>und</strong> die Grenze zwischen Russland <strong>und</strong> Georgien bildet, sowie<br />

der Kleine Kaukasus, der deutlich niedriger ist (bis zu 4000m) <strong>und</strong> sich von Südostgeorgien nach<br />

Armenien erstreckt. Der kleine Kaukasus setzt sich westlich in Anatolien im Pontusgebirge <strong>und</strong><br />

östlich im iranischen Elbrusgebirge fort. Der etwa 100 km nördlich, parallel verlaufende Große<br />

Kaukasus stellt dagegen keine Fortsetzung des alpidischen Orogengürtels dar. Zwischen den beiden<br />

Gebirgen bildet das nur ca. 2000m hohe Surami Gebirge eine Querverbindung. Die Entwässerung<br />

des Gebietes verläuft überwiegend parallel zu den Gebirgen ins Schwarze oder Kaspische Meer.<br />

Der größte Fluss das Kaukasus ist die Kura, die im westlichen Kleinen Kaukasus entspringt,<br />

Transkaukasien durchfließt <strong>und</strong> ins Kaspische Meer mündet (KRIEGENHELD 2008: S. 64,65;<br />

PFAFFENGOLZ 1963: 13-16).<br />

Abb. 1: Übersicht Kaukasus<br />

Quelle: Diercke Weltatlas


B<br />

Geologie des Kaukasus<br />

3<br />

Der geologische Aufbau Georgiens <strong>und</strong> Armeniens ist äußerst komplex, da die starken orogenen<br />

Tätigkeiten zu einer Vielzahl von Aufschiebungen <strong>und</strong> oft zu diskonkordanter Anordung der<br />

Gesteine geführt haben. Der Kaukasus bietet eine äußerst hohe geologische Vielfalt, da alle<br />

Erdzeitalter <strong>und</strong> Faziestypen vertreten sind (PFAFFENGOLZ 1963: S. 13-16).<br />

1. Tektonik <strong>und</strong> Entstehung<br />

Die kaukasischen Gebirge entstanden während der alpidischen Orogenese zeitgleich mit anderen<br />

Hochgebirgen wie den Alpen oder dem Himalaya. Als Ausganspunkt der ausgeprägten orogenen<br />

Tätigkeiten ist der seit der Jura-Zeit fortschreitende Zerfall des Superkontinents Pangäa <strong>und</strong> die<br />

damit verb<strong>und</strong>ene Schließung des äquatorumspannenden Tethys Ozeans zu sehen. Im auslaufenden<br />

Eozän schloss sich dieser stellenweise vollständig <strong>und</strong> es kam zur Auffaltung der Alpen, des<br />

Kaukasus <strong>und</strong> anderer Gebirge. Der Höhepunkt dieser tektonischen Aktivitäten wird auf die Grenze<br />

Eozän/Oligozän datiert. Zu Beginn der gebirgsbildenden Prozesse war der Kaukasus noch von der<br />

Paläotethys umgeben, an deren Küsten intensive Molassesedimentation stattfand. Im Verlauf der<br />

Auffaltung wurden diese Flyschsedimente in den Gebirgskörper eingebaut <strong>und</strong> die Paläotethys<br />

verschwand in den genannten Bereichen. Das Mittel-, Schwarze- <strong>und</strong> Kaspische Meer bilden die<br />

Überreste der Paläotethys. Die transkaukasische Senke stellt das Vorlandbecken der beiden<br />

kaukasischen Gebirge dar. Abbildung 2 zeigt wichtige Tektonische Grenzen <strong>und</strong> Einheiten im<br />

Kaukasus (FAUPL 2000: S. 213-214).


Abb. 2: Tektonik des Kaukasus<br />

Quelle: PFAFFENGOLZ 1963: Anhang<br />

4


2. Großer Kaukasus<br />

5<br />

Der Große Kaukasus ist fast 1000m höher als die Alpen, dennoch ist sein geologischer Aufbau mit<br />

dem berühmten mitteleuropäischen Gebirge vergleichbar. Beide Orogene entstanden im Zuge der<br />

Schließung der Tethys durch weitreichende Aufschiebungen <strong>und</strong> resultierenden Hebungsprozessen<br />

(Höhepunkt der Orogenese im Kaukasus im Oligozän). Wie auch die Alpen besitzt der Kaukasus<br />

einen kristallinen Kern sehr hohen Alters im Zentrum des Gebirges, um den sich mächtige<br />

mesozoische Sedimentfolgen angeordnet haben. Im Vorland sowie in den Randbereichen des<br />

Gebirges gewinnen die während der Orogenese entstanden kanäozoischen Sedimente (Flysch etc.)<br />

eine bedeutende Rolle. Vulkanische Aktivität spielt im Großen Kaukasus im Gegensatz zum<br />

Kleinen Kaukasus (vgl. Kapitel 3) eine eher untergeordnete Rolle (FAUPL 2000: S. 209-211;<br />

STADELBAUER 1983: S. 23; VOLODIČEVA 1998. S. 25-28).<br />

Der Große Kaukasus ist deutlich über 1000km lang <strong>und</strong> zieht sich von der nordöstlichen<br />

Schwarzmeerküste (Russland) in SWW Richtung bis zum kaspischen Meer. Der sogenannte<br />

Felsenkamm bildet mit knapp 4000m Höhe einen durchgehenden Hauptkamm, nördlich davon fällt<br />

das Gebirge auf russischem Territorium relativ gleichmäßig ab, während im Süden auf georgischer<br />

Seite eine deutliche West-Ost Gliederung vorhanden ist: Dem eher niedrigen Schwarzmeer<br />

Kaukasus folgt der höchste Teil des Gebirges: der sogenannte Hochgebirgskaukasus (Elbrus:<br />

5642m), bei dem es sich um den einzigen großräumig vergletscherten Bereich im ganzen Kaukasus<br />

handelt. Südöstlich schließt sich dann der kaspische Kaukasus entlang der russisch-<br />

aserbaidschanischen Grenze an (KRIEGENHELD 2008: S. 64,65; TSAGARELI 1974: S. 77-81).<br />

2.1 Präkambrium <strong>und</strong> Paläozoikum<br />

Wie bereits erwähnt, wurde im Bereich der höchsten Hebungsversätze die mesozoische Deckschicht<br />

vollständig abgetragen <strong>und</strong> das kristalline Gr<strong>und</strong>gebirge freigelegt (vgl. Abb. 4). Es handelt sich um<br />

eine hochgradig metamorphe Geosynklinale, die vor allem während der kaledonischen, aber auch<br />

während der variszischen Orogenese metamorphisiert wurde. Daneben treten jüngere Granitplutone<br />

auf, die während der rezenten Orogenese aufgestiegen sind <strong>und</strong> in deren Kontaktbereich zusätzlich<br />

Kontaktmetamorphose wirkte. Bei den ältesten Fazies unterscheidet man zwischen einer unteren<br />

hochmetamorphen Serie die vor allem Gneise (teilw. sogar Migmatite) aber auch Glimmerschiefer<br />

<strong>und</strong> Amphibolite führt sowie einer oberen Serie, die neben verschiedenen Schiefern unter anderem.<br />

auch Quarzite beinhaltet (PFAFFENGOLZ 1963: S. 19-23).


6<br />

Das Paläozoikum ist im Großen Kaukasus ebenfalls vollständig vertreten, allerdings streichen weite<br />

Teile davon im russischen Teil aus. Es handelt sich ebenfalls überwiegend um Metamorphite, deren<br />

Ausgangsgestein jedoch meist marine Sedimente sind. In geringen Mengen sind diese Gesteine<br />

auch noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Nennenswerte Fazies des unteren Paläozoikums<br />

sind Phyllite sowie karbonatische <strong>und</strong> siliziklastische Sedimente <strong>und</strong> deren Umwandlungsprodukte.<br />

Im Devon treten daneben Tuffe <strong>und</strong> andere vulkanogene Komponenten auf (PFAFFENGOLZ 1963:<br />

S. 26,27).<br />

Ab dem Oberkarbon – Höhepunkt der variszischen Orogense - sind regional-metamorphisierte<br />

Gesteine nicht mehr verbreitet. Das metamorphe Unterkarbon wird von tonig-sandigen Sedimenten<br />

abgeöst, die eine transgressive Entwicklung aufzeigen. Die wenigen Vorkommen von Oberkarbon<br />

<strong>und</strong> Rotliegend sind von grobkörnigen, in der Regel rötlich gefärbten, terrestrischen Sedimenten,<br />

wie Sandsteinen <strong>und</strong> Konglomeraten geprägt . Das obere Perm weist hingegen marinen Charakter<br />

auf (Kalke <strong>und</strong> Tonschiefer) (PFAFFENGOLZ 1963: S. 29,30 & 33,34).<br />

2.2 Mesozoikum<br />

Die wenigen Aufschlüsse mariner triasischer Sedimente im Großen Kaukasus sind nicht von<br />

erwähnenswertem Ausmaß. Die Gesteine des Jura hingegen sind im Großen Kaukasus am weitesten<br />

verbreitet (vgl. Abb. 4). Sie umrahmen das kristalline Zentrum <strong>und</strong> liegen diskonkordant auf dem<br />

Gr<strong>und</strong>gebirge auf, wobei das Alter der Sedimente radial mit der Entfernung abnimmt. Der Lias<br />

weist eine hohe Vielfalt siliziklastischer Sedimente verschiedenster Korngrößen auf, außerdem ist<br />

teilweise Kohle zwischengeschaltet. Der untere <strong>und</strong> der mittlere Jura markieren aber auch eine<br />

Phase hoher vulkanischer Aktivität die sich oft durch eine Wechsellagerung von Sedimenten <strong>und</strong><br />

vulkanogenen Komponenten auszeichnet. So ist der Dogger sandig-tonig ausgebildet, wobei im<br />

unteren Bereich saure Vulkanite (Pophyre) <strong>und</strong> deren klastisches Auswurfmaterial überwiegen<br />

(PFAFFENGOLZ 1963: S. 36, 37-40 & 44-47).<br />

Der Malm (Oberjura) erreicht die größte Vielfalt an jurasischen Sedimenten: Neben den bereits<br />

erwähnten Siliziklasika treten weit verbreitet Kalke, Dolomite <strong>und</strong> Mergel auf. Die Ablagerungen<br />

der Kreide schließen sich konkordant an den Malm an <strong>und</strong> sind ebenfalls karbonatisch dominiert.<br />

Es handelt sich teilweise um sehr dünnplattige Kalke, die reich an Ammoniten sind. Daneben<br />

kommen untergeordnet Sand- <strong>und</strong> Tonsteine vor, die teilweise flyschartig angeordnet sind<br />

(PFAFFENGOLZ 1963: S. 48 & 50-53).


2.3 Kanäozoikum:<br />

7<br />

Kanäozoische Gesteine sind im Großen Kaukasus von sehr geringer Verbreitung. Sie bauen die<br />

Vorländer des Gebirges auf, welche in Kapitel 4 ausführlich besprochen werden. Daneben bestehen<br />

Talfüllungen <strong>und</strong> Schuttfächer etc. selbstverständlich ebenfalls aus sehr jungem Material. Von hoher<br />

Bedeutung sind allerdings quartäre Vulkanite im Zenrtrum des Großen Kaukasus. Flächenmässig<br />

haben diese zwar ein geringes Austreichen, sie bauen aber die höchsten Gipfel im Kaukasus auf –<br />

den Elbrus (Russland) <strong>und</strong> den Kasbek (Georgien). Die beiden Berge sind aus andesitisch-<br />

dazitischen Laven im Quartär gebildet worden (PFAFFENGOLZ 1963: S.117-119; VOLODIČEVA<br />

1998. S. 28-31).<br />

Abbildung 3 zeigt einen N-S Querschnitt durch den Zentralen Kaukasus im Elbrus Gebiet. Das<br />

ausstreichende Gr<strong>und</strong>gebirge, das von den Vulkaniten des Elbrus durchschlagen wurde, ist gut zu<br />

erkennen. Gen Norden (Russland) schließen sich die mesozoischen Gesteine an.<br />

Abb. 3 Querschnitt durch den Großen Kaukasus<br />

Quelle: VOLODIČEVA 1998. S. 26


3. Kleiner Kaukasus<br />

8<br />

Der Kleine Kaukasus ist fast 2000m niedriger als der Große Kaukasus <strong>und</strong> in seiner<br />

geomorphologischen Erscheinung ebenfalls vollkommen anderer Natur. Es handelt sich um ein<br />

vulkanisches Hochland mit einzelnen Vulkankegeln. Er bildet die Fortsetzung des türkischen<br />

Pontusgebirges, verläuft dann im Süden Georgiens etwa bis Tiflis gen Osten <strong>und</strong> von dort in<br />

südöstlicher Richtung durch Armenien in den Iran. Das Staatsgebiet Armeniens wird vollkommen<br />

von diesem Gebirge eingenommen. Auch der größte See des Kaukasus – der Sewan See - befindet<br />

sich im armenischen Kleinen Kaukasus, er gehört zu den höchst gelegenen Seen überhaupt. Es<br />

existieren kaum Gletscher, jedoch ist teilweise ein glazialer Formenschatz erhalten<br />

(KRIEGENHELD 2008: S. 64,65 ; STADELBAUER 1983: S. 24).<br />

3.1 Präkambrium <strong>und</strong> Paläozoikum<br />

Auch im Kleinen Kaukasus streicht das kristalline Gr<strong>und</strong>gebirge an einigen Stellen aus, wenn auch<br />

in deutlich geringerem Masse als im Großen Kaukasus (vgl. Abb. 4). Es handelt sich ebenfalls um<br />

hochmetamorphe Gesteine,wie Gneise, Amphibolite <strong>und</strong> Glimmerschiefer. Die Metamorphite haben<br />

jungproterozoisches <strong>und</strong> kambrisches Alter. Im oberen Kambrium <strong>und</strong> Ordovizium entstanden<br />

vulkanogene Sedimente, die heute ebenfalls schwach metamorphisiert vorliegen (PFAFFENGOLZ<br />

1963: S. 23-25).<br />

Das Devon <strong>und</strong> untere Karbon sind durch eine mannigfaltige Stratigraphie aus Sedimenten <strong>und</strong><br />

Metamorphiten geprägt. Im unteren <strong>und</strong> mittleren Devon dominieren karbonatische Gesteine neben<br />

Sanden <strong>und</strong> Tonen während. Im Oberdevon <strong>und</strong> Unterkarbon treten schließlich Schiefer <strong>und</strong> vor<br />

allem Quarzite in den Vordergr<strong>und</strong>. Im südöstlichen Armenien befindet sich eines der größten<br />

Vorkommen von Devon (vgl. Abb. 4) – es ist hier vulkanogen ausgebildet. Das Oberkarbon fehlt im<br />

Kleinen Kaukasus. Perm liegt in mariner Fazies vor, es dominieren Kalke, die aus Korallen <strong>und</strong><br />

Fusulinen aufgebaut sind <strong>und</strong> keinem metamorphen Druck ausgesetzt wurden (PFAFFENGOLZ<br />

1963: S. 28 & 32 & 34,35).


3.2 Mesozoikum<br />

9<br />

Das Mesozoikum nimmt im Kleinen Kaukasus eine im Vergleich zum Großen Kaukasus relativ<br />

unbedeutende Rolle ein. Die Trias ist karbonatisch ausgebildet <strong>und</strong> liegt, konkordant auf Perm.<br />

Allerdings ist der Bereich ihres Austreichens eher gering. Dem Jura kommt in Armenien keine so<br />

wichtige Rolle wie im Großen Kaukasus zu, man findet ihn allerdings weit verbreitet im Bereich<br />

der armenisch-aserbaidschanischen Grenze. Er liegt in Form von sauren Vulkaniten (v.a.<br />

Quarpophyre) <strong>und</strong> Tuffen sowie siliziklastischen <strong>und</strong> karbonatischen Sedimentiten vor. Die<br />

genannten Gesteine haben überwiegend früh <strong>und</strong> mitteljurasisches Alter. Sedimente der Oberkreide<br />

bilden im nördlichen Armenien schemenhaft einen Rahmen um das Zentrum des Gebirges.<br />

Unterkreide zeichnet sich dagegen eher durch isolierte Vorkommen aus. Es dominieren Kalke, die<br />

oft von anderen Sedimentlagen flyschig unterbrochen werden. Daneben spielt vulkanogene Fazies<br />

(Tuffe, Tuffbrekzien, Pophyre) eine bedeutende Rolle (PFAFFENGOLZ 1963: S. 36,37 & 42,43 &<br />

47 & 51 & 59,60 & 66).<br />

3. 3 Kanäozoikum<br />

Tertiäre <strong>und</strong> quartäre Gesteine nehmen im Kleinen Kaukasus bei weitem die Größte Fläche ein.<br />

Man findet sie als Sedimente <strong>und</strong> Vulkanite. Erstere sind u.a. durch Flysch vertreten, der auf<br />

zyklische Sedimentation hinweist, die durch die tektonischen Prozesse beeinflusst wurde. Im Tertiär<br />

finden sich verschiedenste sedimentäre Ausprägungen von Evaporiten (streichen kaum aus), über<br />

marine Kalke bis zu terrestrischen Sandsteinen. Quartäre Sedimente liegen zudem glazial in Form<br />

von Moränen vor. Die Gletscher selbst sind jedoch vollständig oder bis auf einen kleinen Rest<br />

geschmolzen. Außerdem existieren natürlich quartäre Schuttkegel <strong>und</strong> Flussterassen<br />

(PFAFFENGOLZ 1963: S. 101 & S. 113-115).<br />

Die Sedimente sind jedoch deutlich den Vulkaniten untergeordnet, deren Entstehung mit den<br />

orogenen Tätigkeiten in Verbindung steht. Es entstanden Lavaströme von wenigen Metern bis zu<br />

einigen Dekametern Mächtigkeit (max. 100m), die sich übereinander stapeln (meist durch andere<br />

Gesteinslagen voneinander getrennt). Es handelt sich um basische bis intermediäre Vulkanite<br />

(Basalte, Dazite, Andesite), die häufig ohne klastisches Auswurfmaterial an Spalten aufstiegen. Im<br />

Zentrum des Kleinen Kaukasus dominieren quartäre sowie tertiäre Vulkanite deutlich (vgl. Abb. 4),<br />

sie prägen das Landschaftsbild eines vulkanischen Hochlandes maßgeblich. In den Randbereichen<br />

haben Gesteine des Paläogen größere Verbreitung (PFAFFENGOLZ 1963: S. 84-88; S.116-119).


4. Transkaukasische Senke<br />

10<br />

Die Transkaukasische Senke oder auch Rioni-Kura Senke ist ein Vorgebirgsbecken das im Zuge der<br />

Hebung der kaukasischen Gebirge entstand, es zieht sich von der Schwarzmeerküste durch das<br />

zentrale Georgien <strong>und</strong> Aserbaidschan ans Kaspsiche Meer. Sie wird im zentralen Georgien,<br />

westlich von Tiflis vom Suramigebirge gequert, das eine ca. 2000m hohe Verbindung zwischen<br />

Kleinem <strong>und</strong> Großem Kaukasus bildet <strong>und</strong> aus einem kristallinen Kern <strong>und</strong> mesozoischen<br />

Sedimentgesteinen in den Randbereichen besteht, die ähnlich wie im großen Kaukasus ausgebildet<br />

sind (PFAFFENGOLZ 1963: S. 150 & 153,154; STADELBAUER 1983: S. 23).<br />

Das georgische Tiefland wird folglich in zwei Hälften geteilt: Die Rioni-Senke ist nach dem ins<br />

Schwarze Meer entwässernden Fluss benannt, besteht aus sehr jungen fluviatilen Sedimenten (vgl.<br />

Abb.4) <strong>und</strong> ist Teil der Schwarzmeerdepression. Die Kura-Senke im Osten wird durch Molasse-<br />

Sedimente des Neogen <strong>und</strong> Quartär aufgebaut. Erwähneswert sind neben einer Vielzahl<br />

siliziklastischer <strong>und</strong> karbonatischer Sedimente, die oft flyschartig angeordnet sind, die Lößlehme,<br />

die durch äolische Prozesse entstanden sind <strong>und</strong> die die Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die hohe Fruchtbarkeit der<br />

transkaukasischen Böden <strong>und</strong> den intensiven Weinanbau darstellen. Berühmt ist v.a. Die<br />

ostgeorgische Provinz Kachetien (PFAFFENGOLZ 1963: S. 159,160; STADELBAUER 1983: S.<br />

23-25 & 179,180).<br />

C<br />

Fazit<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien sind geprägt von den beiden kaukasischen Hochgebirgen. Der Große<br />

Kaukasus im nördlichen Georgien, besitzt einen kristallinen Kern auf dem Jura <strong>und</strong> darüber Kreide<br />

verkippt aufliegen. Das Mesozoikum ist meist sedimentär, teilweise allerdings auch vulkanogen<br />

ausgebildet. Im zentralen Kaukasus bilden quartäre, intermediäre Vulkanite von geringem<br />

Ausstreichen die höchsten Gipfel. Der zentrale Kaukasus ist zudem rezent vergletschert.<br />

Beim deutlich niedrigeren kleinen Kaukasus handelt es sich um ein Hochland das überwiegend aus<br />

quartären <strong>und</strong> tertiären Vulkaniten besteht. Das Mesozoikum ist im Randbereich durch Sedimentite,<br />

Vulkanite <strong>und</strong> Tuffe vertreten. Außerdem tritt an einigen Stellen zumeist metamorphes Paläozoikum<br />

<strong>und</strong> kristallines Proterozoikum an der Oberfläche auf.<br />

Die Transkaukasische Senke wird durch das Surami Gebirge in einen West- <strong>und</strong> eine Ostteil<br />

getrennt. Beide Teile werden durch kanäozoische Sedimente, die während der alpidischen<br />

Orogenese im Vorgebirgsbecken abgelagert wurden, aufgebaut.


11<br />

Abb. 4: Vereinfachte geologische Karte des Kaukasus<br />

Quelle: Eigener Entwurf nach geologischer Karte aus PFAFFENGOLZ 1963: Anhang


Literaturverzeichnis:<br />

FAUPL, P. 2000: Historische Geologie. Wien.<br />

KRIEGENHELD, M. 2008: Georgien: Handbuch <strong>für</strong> individuelles Entdecken. Bielefeld.<br />

12<br />

PFAFFENGOLZ, K. N. 1963: Geologischer Abriss des Kaukasus. In: Fortschritte der sowjetischen<br />

Geologie. B. 5/6 . Hrsgb.: Geotektonisches <strong>Institut</strong> der deutschen Akademie der Wissenschaften.<br />

Berlin.<br />

STADELBAUER, J. 1983: Studien zur Agrargeographie Transkaukasiens: Subtropische<br />

Landwirtschaft im sowjetischen Rahmen. In: Giessener Abhandlungen zur Agrar- <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens. B 121. Berlin.<br />

TSAGARELI, A. L. 1974: Geology of Western Caucasus. In: The Black Sea. Geology, Chemistry<br />

and Biology. Menaska, Wisconsin.<br />

VOLODIČEVA, N.A. 1998: Orographie, Tektonik, Geologie. Aus: Gletscher <strong>und</strong> Landschaften des<br />

Elbrusgebietes: Beiträge zur glazialen, Periglacialen <strong>und</strong> kryogenen Morphogenese im zentralen<br />

Kaukasus. In: Petermanns geographischen Mitteilungen. B. 288. München.


Vulkanismus in Georgien <strong>und</strong> Armenien<br />

1. Vorkommen von Vulkanen<br />

Benjamin Köstler<br />

Anlässlich der großen Exkursion nach Georgien <strong>und</strong> Armenien soll das Themenfeld<br />

Vulkanismus <strong>für</strong> diese Region ausgearbeitet werden. Es gibt insgesamt vier<br />

Vulkanberge in Georgien <strong>und</strong> fünf Vulkane in Armenien. Im Gegensatz zu anderen<br />

Vulkanen Europas <strong>und</strong> auf der ganzen Welt sind alle diese heute aber alle inaktiv.<br />

Die Verteilung von Vulkanen ist nicht willkürlich, sondern orientiert ist entlang von<br />

Plattengrenzen. Achtzig Prozent der weltweit aktiven Vulkane befinden sich entlang<br />

konvergenter Plattenränder, also dort wo subduziert <strong>und</strong> dabei ein Teil der Kruste<br />

aufgeschmolzen wird. Fünfzehn Prozent der Vulkane liegen an divergenten<br />

Plattenrändern, die restlichen fünf Prozent kommen als Intraplattenvulkane (hotspots)<br />

unregelmäßig verteilt vor (PRESS & SIEVER, 106).<br />

In Georgien <strong>und</strong> Armenien befindet sich die konvergente Plattengrenze zwischen<br />

arabischer Platte <strong>und</strong> eurasischer beziehungsweiße anatolischer Platte.<br />

Abb.1: Plattengrenzen Osteuropas<br />

(verändert nach PRESS&SIEVER 1995)<br />

Auf der Karte (Abb.1) ist die konvergente Plattengrenze blau eingezeichnet. In<br />

Abbildung 2 sind die Vulkane Europas eingezeichnet <strong>und</strong> es fällt eine gewisse<br />

Übereinstimmung der Vulkanverteilung mit den Plattengrenzen auf. Im Folgenden<br />

werden zunächst die verschiedenen Vulkan- <strong>und</strong> Lavatypen vorgestellt <strong>und</strong><br />

schließlich genauer auf den Vulkanismus in der Region Georgien / Armenien<br />

eingegangen.<br />

2. Vulkanismus<br />

Abb.2: Vulkane Europas<br />

(Quelle: Internet)<br />

Bei Vulkanausbrüchen werden verschiedene Bestandteile an die Oberfläche<br />

befördert. Zum einen werden flüssige <strong>und</strong> feste Teile, wie Lava <strong>und</strong> Pyroklastika<br />

gefördert, dies wird als Effusion bezeichnet. Zum anderen gelangen auch Gase in die<br />

1


Atmosphäre, was Exhalation genannt wird (GEBHARDT et al., 268ff.). Je nach<br />

Magma- <strong>und</strong> Eruptionstyp entstehen verschiedene Lava- <strong>und</strong> Vulkantypen.<br />

2.1 Lavatypen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich entstehen Laven aus Magmatiten, dabei werden drei Laven<br />

unterschieden: basisch, intermediär <strong>und</strong> sauer. Ob eine Lava sauer oder basisch ist,<br />

hängt von der Art des aufgeschmolzenen Gesteins ab. Bei den Magmatiten wird<br />

zwischen grobkörnigen Intrusivgesteinen (Plutonite), welche schon unterhalb der<br />

Erdoberfläche erstarren, deshalb auch als Tiefengesteine bezeichnet werden <strong>und</strong><br />

feinkörnigen Effusivgesteine (Vulkanite), welche als Lava an der Erdoberfläche<br />

austreten <strong>und</strong> auch als Ergussgesteine bekannt sind, unterschieden. Beispiele <strong>für</strong><br />

Plutonite sind Granit (sauer), Diorit (intermediär) <strong>und</strong> Gabbro (basisch). Zu den<br />

wichtigen Vulkaniten zählen Rhyolit (sauer), Andesit (intermediär) <strong>und</strong> Basalt<br />

(basisch). Die Viskosität von Lava hängt hauptsächlich von dem Kieselsäuregehalt<br />

(SiO2) <strong>und</strong> von der Temperatur ab. Je höher der SiO2 Gehalt <strong>und</strong> je niedriger die<br />

Temperatur, desto viskoser <strong>und</strong> damit langsamer ist eine Lava (PRESS & SIEVER,<br />

89).<br />

2.1.1 Pahoehoe Lava<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> diesen basischen Lavatyp ist eine niedrige Viskosität. Wegen der<br />

glatten, wulstartigen Struktur ist sie auch unter „Stricklava“ (Abb.3) geläufig. In<br />

Lavatunneln kann Pahoehoe Lava sehr weit fließen, an der Oberfläche kühlt sie<br />

schneller aus <strong>und</strong> erstarrt deswegen früher. Bei der Abkühlung bilden sich<br />

Risssysteme <strong>und</strong> oft entstehen am Ende Basaltsäulen. Pahoehoe Lava kann<br />

während des Fließens viskoser werden <strong>und</strong> in Aa-Lava übergehen. Gründe <strong>für</strong> diese<br />

Umwandlung sind die Abkühlung <strong>und</strong> die hohe Verformungsrate, zum Beispiel an<br />

steilen Hängen (SCHMINCKE, 112f).<br />

2.1.2 Aa-Lava<br />

Dieser, auch als Brockenlava bezeichnete<br />

Typ ist ebenfalls basisch <strong>und</strong> kommt<br />

typischerweise an Schildvulkanen vor. Im<br />

Gegensatz zur Pahoehoe Lava ist Aa-Lava<br />

hochviskos <strong>und</strong> fließt daher recht langsam.<br />

Beim Erstarren bilden sich unregelmäßige,<br />

scharfkantige Brocken, die miteinander<br />

verschweißt sind (Abb3). Schlackenwälle,<br />

ähnlich wie Seitenmoränen eines Gletschers,<br />

an den Seiten von Aa-Lavaströmen, sind ein<br />

weitere Erscheinungs-form dieses Lavatyps<br />

(SCHMINCKE, 115f).<br />

2<br />

Abb.3: Aa- <strong>und</strong> Pahoehoelava<br />

(verändert nach PRESS&SIEVER 1995)


2.1.3 Blocklava<br />

Blocklava entsteht aus Magmen mit höherem Kieselsäuregehalt (z.B. andesitischer,<br />

rhyolitischer, dazitischer Zusammensetzung), ist also saurer. Aufgr<strong>und</strong> der hohen<br />

Viskosität fließt sie langsam <strong>und</strong> bildet relativ glatte, eckige Blöcke. Es entsteht eine<br />

unregelmäßig zerklüftete Oberfläche. Oft enthält Blocklava auch Obsidian, was beim<br />

Erkalten zu vulkanischen Gläsern wird (SCHMINCKE, 116f).<br />

2.2 Eruptionstypen<br />

Je nach Art <strong>und</strong> Mischung des geförderten Magmas, kommt es zu unterschiedlichen<br />

Eruptionsarten. Bei der Zentraleruption wird das Material durch einen zentralen<br />

Schlot, der als Förderkanal dient, freigesetzt. Dabei entstehen die typischen<br />

Kegelformen vieler Vulkane. Bei Zentraleruptionen kann entweder nur Lava geförtert<br />

werden (Lavaeruption), Lava zusammen mit Pyroklastika (Zusammengesetzte<br />

Eruption) oder nur pyroklastisches Material (Pyroklastische Eruption)<br />

(PRESS & SIEVER, 94).<br />

2.2.1 Lavaeruptionen<br />

Lavaeruptionen führen dazu, dass sich die Lavaergüsse verschiedender Ausbrüche<br />

übereinander lagern. Bei großen Fördermengen kann es zu einer weiten Ausbreitung<br />

der basischen Lava kommen, dann entsteht ein eher flacher Schildvulkan (siehe<br />

Kap.2.3.1). Lava aus saueren Schmelzen ist wie gesagt eher zähflüssig <strong>und</strong> führt<br />

aufgr<strong>und</strong> der schnellen Abkühlung häufig zur Bildung von Staukuppen über dem<br />

Förderschlot. Diese Kuppen verstopfen den Schlot <strong>und</strong> es baut sich ein Gasdruck<br />

durch das nachrückende Material auf. Wird dieser Druck zu groß, kommt es zu<br />

Explosionen, wobei wie zum Beispiel am Mt. St. Helens 1980, große Bereiche des<br />

Berges weggesprengt werden können (PRESS & SIEVER, 94f.).<br />

2.2.2 Zusammengesetzte Eruptionen<br />

Wenn das Fördermaterial aus Lava <strong>und</strong> Pyroklastika besteht, wird das als<br />

zusammengesetzte Eruption bezeichnet. Typische Vulkanformen, die bei solchen<br />

Eruptionen entstehen, sind Schicht- <strong>und</strong> Stratovulkane (siehen Kap.2.3) (PRESS &<br />

SIEVER, 97).<br />

2.2.3 Pyroklastische Eruptionen<br />

Pyroklastische Eruptionen sind Ausbrüche, bei denen ausschließlich pyroklastisches<br />

Material ausgeworfen wird. Dieses Lockermaterial härtet sehr schnell aus <strong>und</strong> bildet<br />

einen ringförmigen Wall um den zentralen Schlot. Es entsteht ein kegelförmiger Berg<br />

aus Lockermaterial, ein so genannter Schlackenkegel (siehe Kap.2.3.3) (PRESS &<br />

SIEVER, 96).<br />

2.2.4 Spalteneruptionen<br />

Diese Eruptionsform wird nicht zu den Zentraleruptionen gezählt, weil das Lava hier<br />

nicht aus einem zentralen Punkt austritt, sondern durch mehrere Spalten. Die<br />

geförderte Lava ist basaltisch, breitet sich sehr weit aus <strong>und</strong> bildet weite, ebene<br />

3


Flächen <strong>und</strong> Plateaus. Daher nennt man die, bei Spalteneruption entstehenden<br />

Formen auch Plateau- oder Flutbasalte (PRESS & SIEVER, 102f.).<br />

Neben dieser Differenzierung wird außerdem zwischen strombolianischer,<br />

hawaiianischer <strong>und</strong> plinianischer Eruption unterschieden. Diese beschreiben nur die<br />

Eruptionstätigkeit <strong>und</strong> nicht den gesamten Verlauf der Eruption. Strombolianische<br />

Eruptionen entstehen sehr hohe Lavafontänen, die Schlackenkegel bilden. Durch<br />

plinianische Eruptionen entstehen Kilometer hohe Aschewolken (SCHMINCKE, 154).<br />

2.3 Vulkantypen<br />

Wie bereits erwähnt, hängt die Form eines Vulkanberges mit der Eruptionsart<br />

zusammen. Einige der häufigsten Arten von Vulkanen werden im Folgenden<br />

behandelt.<br />

2.3.1 Schildvulkane<br />

Basaltische, fließfähige Lava breitet sich weiträumig aus <strong>und</strong> bildet Berge mit<br />

geringer Hangneigung. Diese vulkanischen Erhebungen können bis zu h<strong>und</strong>ert<br />

Kilometer Durchmesser erreichen (Skript System Erde 1).<br />

2.3.2 Stratovulkane<br />

Diese Vulkane haben eine komplexe Entstehungsgeschichte <strong>und</strong> sind aus einer<br />

Wechselfolge von Pyroklastika <strong>und</strong> Lavalagen aufgebaut. Die Lava ist andesitisch<br />

oder dazitisch, daher viskos <strong>und</strong> bildet steile, hohe Flanken. Im Zentralbereich des<br />

Vulkans befinden sich Intrusivgesteine, mit zunehmender Entfernung vom<br />

Zentralschlot überwiegen Lavaströme <strong>und</strong> pyroklasitsche Gesteine (SCHMINCKE,<br />

126f.).<br />

2.3.3 Schlackenkegel (Abb.4)<br />

Dies sind die häufigsten Landvulkane.<br />

Charakteristisch ist die symmetrische,<br />

r<strong>und</strong>e Kegelform mit stumpfer Spitze <strong>und</strong><br />

Krater. Aufgebaut werden die, bis zu 300<br />

Meter hohen Schlackenkegel aus Asche<br />

<strong>und</strong> anderen Pyroklastika. (SCHMINCKE,<br />

122f.) (Skript System Erde 1).<br />

Abb.4: Schema eines Schlackenkegels<br />

(verändert nach PRESS&SIEVER 1995)<br />

2.3.4 Lavadome, Staukuppen (Abb.5)<br />

Die aus hochviskosen Schmelzen stammende Lava ist teilweise nicht mehr fließfähig<br />

<strong>und</strong> bildet eine dicke Kuppe über den Krater. Die Bildung solcher Kuppen findet sehr<br />

langsam statt (Skript System Erde 1). Endogene Dome werden von Innen durch das<br />

Nachdrücken hochviskoser Magma gebildet, exogene Dome wachsen von Außen<br />

durch die Aufstapelung von Lavaschichten. Wird der Druck unter der Staukuppe zu<br />

groß, kommt es zur Explosion (vgl. Kap.2.2.1) (SCHMINCKE, 118,f.).<br />

4


Abb.5: Personengruppe vor einem<br />

Lavadom (verändert nach SCHMINCKE 2000)<br />

Neben diesen Vulkantypen gibt es noch viele weitere, wie zum Beispiel Calderas,<br />

Maare, Platten- <strong>und</strong> Flutbasalte. Diese werden im Rahmen dieser Arbeit aber nicht<br />

näher behandelt.<br />

3. Georgiens Vulkane<br />

Vulkanische Erscheinungsformen findet man in Georgien hauptsächlich im<br />

Kaukasusgebirge, was mit der nahe verlaufenden, konvergenten Plattengrenze<br />

zusammenhängt. Diese faltet das Kaukasusgebirge noch heute auf, aktive Vulkane<br />

gibt es allerdings rezent nicht.<br />

3.1 Kasbek<br />

Der Kasbek ist wohl einer der bekanntesten Berge Georgiens <strong>und</strong> mit 5047 Metern<br />

neben dem Elbrus auch einer der höchsten des Kaukasusgebirges. Er ist Zeuge<br />

eines ehemals riesigen, im Quartiär aktiven Vulkangebiets im Kaukasusgebirge<br />

(SCHENK, 136). Dieser ehemalige Stratovulkan ist seit dem letzten bekannten<br />

Ausbruch etwa 750 v. Chr. erloschen. Es befinden sich lange, erloschene<br />

Lavaströme entlang der Bergflanken <strong>und</strong> in den umgebenden Tälern. Der Kasbek<br />

wird mit Hilfe von „technochronology“ erforscht, das heißt, die einzelnen<br />

Ascheschichten der Ausbrüche werden betrachtet <strong>und</strong> analysiert, um die Eruptionen<br />

zeitlich einordnen zu können. Die Bergspitze, sowie die jüngsten Lavaströme<br />

enthalten Andesit <strong>und</strong> Dazit <strong>und</strong> wurden mit der Radiocarbonmethode datiert<br />

(http://www.volcano.si.edu/).<br />

3.2 Kabargin Oth Group<br />

Diese Gruppierung von mehreren Schlackenkegeln befindet sich ebenfalls im<br />

Kaukasusgebirge, südwestlich des Kasbek. Die höchste Erhebung dieser Gruppe ist<br />

3650 Meter hoch. Wann sich der letzte Ausbruch in diesem Gebiet ereignete ist<br />

unbekannt. Die Schlackenkegel bestehen aus Andesit <strong>und</strong> Dazit <strong>und</strong> werden zeitlich<br />

im Pleistozän / Holozän eingeordnet (http://www.volcano.si.edu/).<br />

3.3 Namenloser Schlackenkegel<br />

Ein weiterer erloschener Vulkan Georgiens befindet sich ganz in der Nähe der<br />

Kabargin Oth Group. Der letzte Ausbruch des 3750 Meter hohen Berges ist nicht<br />

bekannt. Zeitlich dürfte er etwa aus dem Pleistozän / Holozän stammen<br />

(http://www.volcano.si.edu/).<br />

5


3.4 Namenloser Lavadom<br />

Ebenfalls ohne Namen, in Südgeorgien, nahe der türkischen Grenze gelegen,<br />

befindet sich ein 3400 Meter hoher Lavadom. Der Berg hat eine sehr gut erhaltene<br />

Morphologie <strong>und</strong> stammt aus dem geologischen Zeitraum Pleistozän / Holozän<br />

(http://www.volcano.si.edu/).<br />

Abb.6: Vulkane in Georgien <strong>und</strong> Armenien (Quelle: Google Earth 2010)<br />

4. Armeniens Vulkane<br />

Auch in Georgiens Nachbarland Armenien, gibt es in den Gebirgsregionen einige<br />

inaktive Vulkanbauten zu sehen.<br />

4.1 Aragats<br />

Der bekannteste <strong>und</strong> mit 4049 Metern höchste Gipfel des Landes ist der Aragats<br />

nordwestlich von Armeniens Hauptstadt Yerevan. Wann die letzte Eruption des<br />

Stratovulkans stattfand ist unbekannt. Durch Risse, so genannte „Radialgänge“<br />

(PRESS & SIEVER, 98) in den Bergflanken, strömten zur aktiven Zeit des Vulkans<br />

Lavaflüsse den Berg herunter. Die vulkanischen Gesteine des Berges sind<br />

hauptsächlich Andesit <strong>und</strong> Dazit. Altersdatierungen ergaben ein Alter der Gesteine<br />

am Aragats zwischen Pliozän <strong>und</strong> Spätpleistozän (http://www.volcano.si.edu/).<br />

4.2 Ghegam Ridge<br />

Dieses bis maximal 3597 Meter hohe Vulkanfeld besteht aus mehreren Lava- <strong>und</strong><br />

Pyroklastika-Kuppen <strong>und</strong> befindet sich in West-Zentral Armenien. Der<br />

Entstehungszeitraum liegt im Pleistozän bis Holozän <strong>und</strong> der letzte Ausbruch dürfte<br />

6


ganz grob um 1900 Jahre vor Christus stattgef<strong>und</strong>en haben. Durch die jüngsten<br />

Eruptionen wurden vor allem Andesit, Rhyolit <strong>und</strong> Obsidian produziert. Im östlichen<br />

Teil sind heute noch morphologisch gut erhaltene Lavaflüsse ohne Vegetation zu<br />

erkennen (http://www.volcano.si.edu/).<br />

4.3 Dar-Alages<br />

Die Dar-Alades befinden sich in Südarmenien, an den Westhängen des Vardeniss<br />

Vulkanrückens, südlich des Sevan Lake. Zu dieser vulkanischen Formation gehören<br />

insgesamt sechs pyroklastische Kegel, von denen der Höchste eine Höhe von 3329<br />

Metern erreicht. Wie fast alle Vulkane der Region Georgien / Armenien sind auch<br />

diese Kegel etwa im Pleistozän / Holozän entstanden. Der letzte bekannte Ausbruch<br />

liegt grob etwa 4000 Jahre zurück. Damals gab es einen großen Lavafluss, welcher<br />

aus einem Riss gespeist wurde <strong>und</strong> den Arpah – Fluss durch einen Lavadamm<br />

aufstaute (http://www.volcano.si.edu/).<br />

4.4 Porak<br />

Der Porak ist ein Stratovulkan, der aus dem Mittel-Pleistonzän stammt. Er liegt im<br />

Gebiet des Vardeniss Vulkanrückens an der armenisch-aserbaidschanischen<br />

Grenze. Die letzte bekannte Eruption des Porak ist relativ genau datiert, auf 780<br />

Jahre vor Christus. Der Berg wurde durch die Pambak-Sevan Störung in zwei Teile<br />

geteilt, die heute 800 Meter auseinander liegen (http://www.volcano.si.edu/).<br />

4.5 Tskhouk-Karckar<br />

Ebenfalls an der Grenze zwischen Armenien <strong>und</strong> Aserbaidschan liegt diese Gruppe<br />

von pyroklastischen Kegeln. Insgesamt acht der Kegel produzierten drei<br />

Generationen holozäner Lavaströme. Der letzte Ausbruch des Vulkans liegt etwa<br />

5000 Jahre in der Vergangenheit. Auf einigen älteren Lavaströmen wurden Mauern,<br />

Grabhügel <strong>und</strong> Petroglyphen (in den Fels gearbeitete Bilder) gef<strong>und</strong>en, wodurch<br />

Rückschlüsse auf das Alter dieser Lavaströme gezogen werden können<br />

(http://www.volcano.si.edu/).<br />

5. Nutzen des Vulkanismus<br />

Vulkane stellen einerseits, vor allem in dicht besiedelten Gebieten eine große<br />

Naturgefahr <strong>für</strong> die Bevölkerung dar. Andererseits haben Vulkane auch einige, sehr<br />

nutzvolle Aspekte.<br />

Vulkanismus hat einen wichtigen Teil zu Entstehung von Atmosphäre beigetragen<br />

<strong>und</strong> ist somit elementar <strong>für</strong> die Entstehung von Leben auf der Erde. Vulkane liefern<br />

außerdem Rohstoffe, beispielsweise <strong>für</strong> den Hausbau. Die ausgestoßene Asche ist<br />

äußerst fruchtbar <strong>und</strong> daher optimal <strong>für</strong> den Anbau landwirtschaftlicher Produkte<br />

geeignet. Der, in Vulkangebieten besonders hohe geothermische Gradient,<br />

begünstigt die Nutzung der Wärmeenergie. Des Weiteren sind Vulkanlandschaften<br />

sehr attraktiv <strong>für</strong> den Tourismus <strong>und</strong> werden dementsprechend genutzt. Vulkanismus<br />

ist ein komplexes Themenfeld, das sowohl physisch-geographisch als auch<br />

kulturgeographisch interessant ist (BARDINTZEFF, 242f.)<br />

7


Literaturverzeichnis<br />

BARDINTZEFF J-M. 1999: Vulkanologie. Stuttgart.<br />

FACH S. & B. SCHENKROS 2004: Armenien entdecken. Berlin.<br />

PRESS F. & R. SIEVER 1995: Allgemeine Geologie. Heidelberg, Berlin, Oxford.<br />

RAST H. 1987: Vulkane <strong>und</strong> Vulkanismus. Stuttgart.<br />

SCHENK V. 2010: Traumland Georgien. In: THIEL W.: Alpenvereinsjahrbuch Berg<br />

2010. München, Innsbruck, Bozen.<br />

SCHMINCKE H-U. 2000: Vulkanismus. Darmstadt.<br />

Internet:<br />

http://www.volcano.si.edu/ (17.06.2010)<br />

Sonstiges:<br />

Vorlesungsskript aus der VL „System Erde 1“ im WS 07/08 der Geologie in Erlangen.<br />

8


Schnelle <strong>und</strong> langsame Massenbewegungen<br />

1. Einleitung<br />

Stephan Vitzethum<br />

Gravitative Massenbewegungen sind hangabwärts gerichtete schnelle <strong>und</strong> langsame<br />

Verlagerungsprozesse von Fest- <strong>und</strong> Lockermaterial auf geneigten Flächen unter dem<br />

Einfluss der Schwerkraft (Press & Siever 1995: 226). Die Größenordnung des bewegten<br />

Materials reicht dabei von wenigen Kubikmetern bis in extremen Fällen zu mehreren<br />

Kubikkilometern. Die Geschwindigkeit der Verlagerungsprozesse weist ebenfalls eine große<br />

Bandbreite auf, sie kann unabhängig vom Volumen der Masse mehrere Meter pro Sek<strong>und</strong>e<br />

oder nur wenige Millimeter pro Jahr betragen (Glade & Felgentreff 2008: 151f.). Die<br />

Fachliteratur bietet von Geologie über Geschwindigkeit zu Gefährdungsrisiko verschiedene<br />

Ansätze zur Klassifizierung der zahlreichen Arten von Massenbewegungen. In dieser Arbeit<br />

werden die verschiedenen Typen von Verlagerungsprozessen zuerst nach ihrer<br />

Geschwindigkeit in schnelle <strong>und</strong> langsame Massenbewegungen gegliedert. Die weitere<br />

Unterteilung findet nach der Art ihrer Bewegung statt. Bei den Verlagerungsprozessen kann<br />

das Material abstürzen (freier Fall), abrutschen (entlang einer Gleitfläche), fließen <strong>und</strong><br />

kriechen. Innerhalb der gleichen Bewegungsart kann noch mal nach der Größenordnung des<br />

verlagerten Materials unterschieden werden.<br />

2. Physikalische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

2.1 Hangneigung <strong>und</strong> Schwerkraft<br />

Alle Massenbewegungen unterliegen dem Einfluss der Erdanziehung bzw. Gravitation. Die<br />

Hangneigung ist dabei von entscheidender Bedeutung, denn sie bestimmt die Wirkung der<br />

Schwerkraft auf die Bewegung des Materials. Die senkrecht zum Erdmittelpunkt wirkende<br />

Gravitation kann gemäß einem Vektorparallelogramm in zwei Kräfte zerlegt werden (Abb.1).<br />

Die Druckkraft (Kn= m σ = m g cos α) hält die Masse am Hang an Ort <strong>und</strong> Stelle <strong>und</strong> die<br />

Scher- oder Schubkraft (Ks = m τ = m g sin α) führt ab einer bestimmten Größe zum<br />

Abscheren des Materials (Ahnert 2009: 83f.). Da beide Kräfte vom Winkel α abhängig sind,<br />

stellen sie eine Funktion der Hangneigung dar. Je steiler der Hang, desto größer wird die<br />

Scher- oder Schubkraft, je geringer die Hangneigung, desto stärker wird die Druckkraft.<br />

- 1 -


Abb.1: Vektorparallelogramm der Schwerebeschleunigung<br />

Quelle: Freie Universität Berlin, www.geo.fu-berlin.de<br />

Die Massenbewegung setzt ein, wenn die Schubkraft bestimmende Schubspannung τ eine<br />

gewisse Größe erreicht hat. Dieser Schwellenwert wird als Grenzschub- oder<br />

Grenzscherspannung „s“ bezeichnet:<br />

s = (σ-u) tan υ + c)<br />

Die Grenzschubspannung ist abhängig vom Hangneigungswinkel (σ = g cos α), der<br />

Fallbeschleunigungskonstante (g = 9,81 m/s 2 ) <strong>und</strong> der Kohäsion (c in Festgestein größer als in<br />

Lockermaterial). Des Weiteren wird die Grenzscherspannung vom Wassergehalt des<br />

Materials bestimmt, positiver Porenwasserdruck „u“ vermindert den Schwellenwert, negativer<br />

Porenwasserdruck trägt zur Standfestigkeit der Masse bei. Die innere Reibung des<br />

Hangmaterials beeinflusst ebenfalls die Größe des Grenzwertes, da der innere<br />

Reibungswinkel „υ“ von der Kornform (r<strong>und</strong>e Körner υ gering, eckige Körner υ groß), der<br />

Sortierung (unterschiedliche Korngröße υ groß, gleiche Korngrößen υ gering) <strong>und</strong> der<br />

Lagerungsart/-dichte (hohe Lagerungsdichte υ groß) abhängig ist (Ahnert 2009: 84f.).<br />

2.2 Hangstabilität<br />

Die allgemeine Stabilität eines Hanges hängt von seiner kritischen Höhe ab:<br />

Hc= 4c sin α cos υ/ γ(1-cos(α- υ)<br />

Die kritische Höhe eines Hanges stellt ebenfalls einen Schwellenwert dar <strong>und</strong> wird von seinen<br />

Materialeigenschaften (Kohäsion c, Lagerungsdichte γ, Reibungswinkel υ) <strong>und</strong> seiner<br />

geometrischen Form (Hangneigung <strong>und</strong> –höhe) bestimmt. Übersteigt die aktuelle Höhe eines<br />

Hanges seine kritische Höhe so wird der Hang instabil (Ahnert 2009: 86f.).<br />

- 2 -


3. Schnell verlaufende Massenbewegungen<br />

3.1 Sturzdenudationen<br />

3.1.1 Blockabsturz<br />

Unter Blockabstürzen versteht man den Prozess bei dem einzelne Felsblöcke unter dem<br />

Einfluss der Schwerkraft in Richtung Tal stürzen. Dabei besteht das Material stets aus<br />

Festgestein <strong>und</strong> das Relief ist steil genug, damit bei Einsetzen der Massenbewegung eine freie<br />

Fallbewegung durch die Luft verursacht wird (Abb. 2). Durch die Verwitterung an bereits<br />

bestehenden Klüften innerhalb des Gesteinverbandes wird der Zusammenhalt des Materials so<br />

gelockert, dass es sich nicht mehr am Hang halten kann oder unscheinbare Einzelereignissen<br />

genügen um es in Bewegung zu versetzen. Die Art der Verwitterung kann sowohl chemischer<br />

(Hydratation, Hydrolyse, Oxidation) als auch physikalischer (Insolations-, Salz-,<br />

Frostverwitterung <strong>und</strong> Wurzeldruck) Natur sein, wobei in den Gebirgen der gemäßigten<br />

Breiten die Frosteinwirkung auf das Gestein den größten Einfluss hat. Bei Tauwetterperioden<br />

finden besonders häufig Blockabstürze statt, da das bereits lose Material nur noch durch die<br />

Eiskristalle in den Klüften zusammengehalten wurde <strong>und</strong> bei deren Abtauen das Gefüge in<br />

einzelne Blöcke zerfällt. Leicht Beben oder starke Unwetter können aber ebenfalls Auslöser<br />

<strong>für</strong> Blockabstürze sein. Konzentriert sich ein Blockabsturz aufgr<strong>und</strong> der gegebenen<br />

Hangmorphologie auf eine schmale Zone, so bildet sich als Erosionsform eine schmale<br />

Sturzbahn <strong>und</strong> als Akkumulationsform eine Halde in Gestalt eines Kegels aus (Sturzkegel). Ist<br />

genügend Hangfläche vorhanden, dann stürzen die Felsblöcke eine breite Bahn herunter <strong>und</strong><br />

lagern sich in der Form einer Halde an, mit den größten Gesteinbrocken am unteren Ende.<br />

Das Material wird sowohl bei Sturzkegel als auch bei Sturzhalde im Winkel von mehr als 20°<br />

akkumuliert (Ahnert 2009: 87f.; Press & Siever 1995: 236).<br />

3.1.2 Felssturz<br />

Bei Felsstürzen fallen ganze Felswände oder beträchtliche Teile davon den Hang hinunter.<br />

Wie bei den Blockabstürzen handelt es sich hier um Festgestein, die Materialbewegung findet<br />

jedoch im viel größeren Maßstab statt. Dass Relief muss ebenfalls stark genug ausgeprägt sein<br />

um bei der Massenbewegung eine Sturzbewegung hervorzurufen (Abb. 2). Die Klüfte im<br />

Gestein werden durch fortschreitende Verwitterung (v.a Frostverwitterung) weiter vergrößert<br />

<strong>und</strong> der Materialzusammenhalt so vermindert. Sind die wandparallelen Klüfte stark genug<br />

- 3 -


verwittert <strong>und</strong> die Bindung innerhalb des Materials zu schwach, stürzen die Felswände ab.<br />

Felsstürze können ebenfalls durch eine Versteilung des Hanges ausgelöst werden. Eine<br />

Hangversteilung kann beispielsweise durch die Seitenerosion eines Flusses am Fuße der<br />

Felswand hervorgerufen werden. Wie bei den Blockabstürzen können Einzelereignisse wie<br />

Blitzschlag, Unwetter oder kleine Erdbeben das bereits gelockerte Gefüge zum Absturz<br />

bringen. Bei Felsstürzen bildet sich eine charakteristische Abrissnische mit glatter Rückwand<br />

<strong>und</strong> Abrissgewölbe aus. Die Form der Rückwand entsteht meist durch den Felsabriss an einer<br />

wandparallelen Kluft. Das überwiegend bogenförmige Abrissgewölbe bildet sich aufgr<strong>und</strong><br />

der vorhandenen Spannungen im Gestein <strong>und</strong> ist Ausdruck einer physikalischen<br />

Stabilitätsform (optimale Spannungsverteilung). Am Fuß der Rückwand lagert sich das<br />

gleichaltrige Sturzmaterial in Form einer Halde an (Ahnert 2009: 88; Press & Siever 1995:<br />

236;)<br />

3.1.3 Bergsturz<br />

Abb. 2: Sturzbewegung von Material<br />

Quelle: Felgentreff, C. & Glade, T 2008<br />

Als Bergstürze werden Bewegungen bezeichnet bei denen ganze Berg- oder Hangbereiche<br />

unter dem Einfluss der Schwerkraft in Richtung Tal stürzen (Abb. 3) Das Massenvolumina<br />

übersteig bei weitem die Größenordnung eines Felssturzes. Die Abrissfläche geht ebenfalls<br />

durch das anstehende Gestein, oft befindet sich jedoch noch eine Lockermaterialdecke mit<br />

Boden auf der Gesteinsmasse. Die Hangneigung ist groß genug um eine Sturzbewegung<br />

auszulösen. Diese Sturzbewegung kann sehr große Geschwindigkeiten erreichen, besonders<br />

bei der Ausbildung eines Luftkissens an der Unterseite der Bergsturzmasse (niedrigere<br />

Reibung). Durch die Verwitterung in den (v.a. hangparallelen) Klüften wird der<br />

Zusammenhalt des Gesteins geschwächt <strong>und</strong> der Mineralverb<strong>und</strong> gelockert, sodass das<br />

Material in Bewegung geraten kann. Durch Seitenerosion eines Flusses oder Quellaustritte am<br />

Hangfuß mit einhergehender Hangversteilung werden Bergstürze gefördert. Das<br />

Überschreiteten der kritischen Höhe eines Hanges (z.B: Tiefenerosion eines Flusses am<br />

- 4 -


Hangfuß) ist eine weitere Ursache <strong>für</strong> das Einsetzen der Massenbewegung. Ebenso kann ein<br />

erhöhter Wassergehalt im Gestein zur Klufterweiterung <strong>und</strong> Erhöhung der Lagerungsdichte<br />

<strong>und</strong> somit zum Abstürzen des Materials beitragen. Ähnlich wie bei Block- <strong>und</strong> Felsabstürzen<br />

können kleine Einzelereignisse wie leichte Beben oder Unwetter der Auslöser <strong>für</strong> das<br />

Abscheren des durch Verwitterung geschwächten Gesteins sein. Typisch auftretende<br />

Erosionsformen sind die konkav hohlförmigen Abrissnischen <strong>und</strong> konkav gekrümmten<br />

Sturzbahnen. Das Absturzmaterial akkumuliert sich als lockere unregelmäßige Sturzmasse am<br />

Hangfuß (Ahnert 2009: 88ff.; Press & Siever 235ff.)<br />

.<br />

Abb. 3: Bergsturz<br />

Quelle: Gesellschaft <strong>für</strong> ökologische Forschung e.V.; http://www.gletscherarchiv.de<br />

3.1.4 Lawine<br />

Lawinen unterscheiden sich in ihrer Materialzusammensetzung im Vergleich zu den bereits<br />

behandelten Massenbewegungen. Sie bestehen nicht überwiegend aus Gesteins- <strong>und</strong><br />

Schuttmaterial, sondern entstehen wenn Schnee- <strong>und</strong> Eismassen schnell <strong>und</strong> ruckartig von<br />

Hängen abgehen (Abb. 4). Dabei findet der Lawinenabgang stets an Bereichen mit steilem<br />

Relief statt <strong>und</strong> der Versatz der Schneemassen beträgt mehr als 50m. Lawinen werden in der<br />

Regel durch die Labilisierung der Schneedecke oder Versteilung des Hanges ausgelöst. Die<br />

Schneedecke kann allgemein durch die Zunahme ihrer Mächtigkeit <strong>und</strong> folglich ihrer Auflast<br />

geschwächt werden, sodass die Schubkraft die Druckkraft übersteigt. Die Festigkeit des<br />

Schnees wird ebenfalls vermindert, wenn sich innerhalb der Masse Schichten mit<br />

unterschiedlich widerstandsfähigen Schneearten befinden. Die schwächeren Schichten<br />

kollabieren unter erhöhter Belastung <strong>und</strong> fungieren dann als Gleitfläche <strong>für</strong> die darüber<br />

liegenden festeren Schichten. Bei wechselnden Temperaturverhältnissen <strong>und</strong> Tauperioden<br />

wird das Schneegefüge stark geschwächt <strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> Lawinenabgänge<br />

steigt. Oft genügen dann kleinere Bodenerschütterungen durch Skifahrer oder Bergsteiger um<br />

- 5 -


eine Lawine auszulösen. Größere Lawinen können auch Bäume, Gesteine <strong>und</strong> Bodenmaterial<br />

mit sich reißen, dies gilt besonders <strong>für</strong> die im Frühjahr abgehenden Lawinen aufgr<strong>und</strong> des<br />

hohen Anteils an schwerem Nassschnee (Ahnert 2009: 92f.). Es gibt verschiedene<br />

Lawinenarten abhängig von der Ausprägung des Abganges, des Abbruches, der Feuchtigkeit,<br />

der Bewegung, etc. Die typischen Geländestrukturen bestehen aber immer aus einer<br />

Lawinenbahn <strong>und</strong> einem Lawinen(-schutt)kegel (Lexikon der Geowissenschaften Band 3:<br />

251f.).<br />

Abb. 4: Lawine<br />

Quelle: Dipl. Meteorologe Björn Beyer; http://www.top-wetter.de<br />

3.1.5 Spezialfall: Gletschersturz<br />

Bei dem Prozess des Gletschersturzes brechen plötzlich ganze Gletscher oder Teile davon ab<br />

<strong>und</strong> stürzen als Eislawine talwärts. Wie Schneelawinenabgängen finden auch Gletscher-<br />

abbrüche an steilen Hängen statt <strong>und</strong> können große Geschwindigkeiten erreichen. Aufgr<strong>und</strong><br />

der kompakteren Masse des Eises werden auch viele mächtige Bäume <strong>und</strong> Gesteine auf dem<br />

Weg mitgerissen. Gletscherstürze werden ausgelöst, wenn sich die Stabilität des Eises<br />

vermindert. Dies geschieht bei Temperaturschwankungen <strong>und</strong> Tauperioden oder wenn der<br />

Gletscher Steilhänge überfährt, Flankenvereisungen <strong>und</strong> sehr steile Gletscherfronten ausbildet.<br />

Im Gelände sind Gletscherstürze an der Abbruchstelle am Gletscher, der Sturzbahn <strong>und</strong> der<br />

Sturzhalde zu erkennen. Als regionales Beispiel <strong>für</strong> eine Massenbewegung dieser Art wird<br />

nun kurz auf den Kolka-Gletschersturz in Georgien eingegangen. In Nordossetien in der Nähe<br />

der Republikhauptstadt Wladikawkas kollabierte am 22.09.2002 der Kolka- Gletscher <strong>und</strong><br />

verschüttete das ganze Koban-Tal. Im Massiv des 5033 Meter hohen Kasbek war ein Drittel<br />

des Gletschers abgestürzt. Eine riesige Eislawine angereichert mit Geröll, Wasser <strong>und</strong><br />

mitgerissenen Bäumen bahnte sich 30 Kilometer durch das Gebirgstal nach Norden. Das<br />

- 6 -


Bergdorf Karmadon mit etwa 30 Einwohnern wurde von dem Gletschersturz komplett<br />

begraben. Es gab 94 Vermisstenmeldung <strong>und</strong> bis zu 17 Tote. An manchen Stellen lag das Eis<br />

70 bis 100 Meter hoch im Koban- Tal <strong>und</strong> staute oberhalb der Sturzhalde vier Seen auf.<br />

Wissenschaftler vermuten, dass der Gletschersturz durch erhöhte Temperaturen <strong>und</strong> die damit<br />

einhergehende Schwächung des Gletschereises ausgelöst wurde <strong>und</strong> eventuell auch auf die<br />

Erderwärmung zurückzuführen ist (Lexikon der Geowissenschaften Band 2: 333f.; Gisbert<br />

Mrozek 19.6.2010).<br />

3.2 Gleitdenudationen<br />

3.2.1 Bergrutsch<br />

Unter einem Bergrutsch versteht man den Prozess, bei dem ganze Berg- oder Hangbereiche in<br />

Richtung Tal rutschen. Das Massenvolumina entspricht in etwa dem eines Bergsturzes, der<br />

gr<strong>und</strong>legende Unterschied besteht in der langsameren Geschwindigkeit <strong>und</strong> der<br />

Rutschbewegung der Masse (teilweise auch geringeres Relief)(Abb. 5). Die Abrissfläche des<br />

Bergrutsches geht durch das anstehende Gestein, das Rutschungsmaterial selber beinhaltet<br />

aber auch aufliegendes Locker- <strong>und</strong> Bodenmaterial. Aufgr<strong>und</strong> der niedrigeren<br />

Geschwindigkeit der Rutschungsmasse, kann durchaus deren Gefügezusammenhalt erhalten<br />

bleiben. Durch fortschreitende Verwitterung des Gesteins, vor allem an hangparallelen<br />

Klüften wird der Zusammenhalt des Gefüges so geschwächt, dass die Masse ins Rutschen<br />

geraten kann. Zusätzliche Hangversteilung (z.B.: Seitenerosion Fluss) oder Klufterweiterung<br />

<strong>und</strong> Erhöhung der Auflast durch genügend Wasser führen zu vermehrten Rutschungen.<br />

Ebenso setzt sich das Material in Bewegung, wenn die kritische Höhe des Hanges<br />

überschritten wird (z.B.: Tiefenerosion am Hangfuß). Aus Bergrutschen resultierende<br />

Geländeformen sind konkave Abrissnischen, konkave Gleitbahnen <strong>und</strong> regelmäßig geformte<br />

Schuttzungen (Ahnert 2009: 88ff.; Press & Siever 1995: 236f.).<br />

Abb. 5: Gleitbewegung bei Translationsrutschung<br />

Quelle: Freie Universität Berlin; http://www.geo.fu-berlin.de<br />

- 7 -


3.2.2 Slump (Rotations- Blockrutschung)<br />

Slump bzw. Rotations- Blockrutschungen entstehen, wenn einzelne Hangbereiche entlang<br />

einer etwa zylinderförmigen Gleitfläche rückwärts rotierend in Richtung Tal gleiten (Abb. 6).<br />

Die Abrissfläche geht wie bei Bergrutschen durch das Anstehende, wodurch der größte Teil<br />

des Slumpmaterials aus Festgestein besteht. Rotations- Blockrutschungen können jedoch nur<br />

stattfinden, wenn sich im Untergr<strong>und</strong> weiche, plastisch verformbare Gesteinschichten wie<br />

Tonsteine, Tone oder Mergel befinden. Die zylindrische Abrissfläche bzw. Gleitbahn wird<br />

nicht durch Unstetigkeiten im Anstehenden (z.B.: verwitterte Klüfte) verursacht, sondern ist<br />

eine Reaktion von Schichten mit geringer Standfestigkeit auf vorliegende<br />

Spannungsverteilungen. Slumps können verursacht werden, indem z.B. durch<br />

Hangunterschneidung die tatsächliche Höhe die kritische Höhe übersteigt. Wird der Hang<br />

aufgr<strong>und</strong> der Seitenerosion eines Flusses übersteilt oder die Auflast <strong>und</strong> Lagerungsdichte<br />

beispielsweise durch erhöhte Wasseraufnahme vergrößert, so wächst der Druck <strong>und</strong> die<br />

Spannung auf das verformbare Gestein an, bis eine Rotations-Blockrutschung ausgelöst wird.<br />

Folglich finden sich in Schichtstufenländern besonders viele Slumps, da hier feste <strong>und</strong> stabile<br />

geologische Schichten über nachgebenden, verformbaren Ton- <strong>und</strong> Mergelgesteinen liegen.<br />

Charakteristische Ausprägungen von Rotations-Blockrutschungen im Gelände sind<br />

Abrisskanten, grob zylinderförmige Gleitbahnen <strong>und</strong> einzelne Rotationsblöcke mit<br />

Gefügezusammenhalt im oberen Bereich (Ahnert 2009: 91f.; Press & Siever 1995: 237ff.).<br />

Abb. 6: Slump<br />

Quelle: Association of Environmental & Engineering Geologists; http://www.aegweb.org<br />

- 8 -


3.3 Fließdenudation: Mure<br />

Unter einem Murenabgang versteht man den Prozess bei dem wassergesättigtes<br />

Schuttmaterial bei steilem Relief <strong>und</strong> unter hohen Geschwindigkeiten hangabwärts fließt<br />

(Abb. 7). Bei Muren handelt es sich im Gegensatz zu den bisher erwähnten<br />

Massenbewegungen um eine Masse die ausschließlich aus Lockermaterial <strong>und</strong><br />

Bodenpartikeln besteht, das heißt es gibt keine entsprechende Abrissfläche im Anstehenden.<br />

Die Hangneigung ist bisweilen groß genug um eine Sturzbewegung hervorzurufen, aber<br />

aufgr<strong>und</strong> des hohen Wassergehaltes findet hier eine Fließbewegung statt. Damit eine Mure<br />

entsteht, muss also in der Regolithdecke oder Halde genügend Schutt mit einem hohen Anteil<br />

an Feinmaterial <strong>und</strong> Wasser vorhanden sein. Bei Starkregen oder großen<br />

Schmelzwasserereignissen nimmt das Feinmaterial viel Wasser auf <strong>und</strong> hindert den Abfluss,<br />

dadurch füllen sich die Poren gänzlich mit Wasser auf es entsteht ein positiver<br />

Porenwasserdruck. Dieser Druck sorgt da<strong>für</strong>, dass die Kohäsion, also der innere<br />

Zusammenhalt des Lockermaterials stark herabgesetzt wird, wodurch die Masse in eine<br />

Fließbewegung versetzt wird. Bei Abgängen solcher Schutt- oder Schlammströme bilden sich<br />

erosive Murenbahnen (rinnenartige Hohlform) mit akkumulativen Murendämmen an deren<br />

Seiten. Die Murendämme stellen längsgerichtete Schuttwölbungen dar <strong>und</strong> entstehen, indem<br />

Wasser an den Rändern der Mure austritt, die Reibung erhöht <strong>und</strong> die Geschwindigkeit<br />

verringert wird. Eine weitere typische Akkumulationsform sind Murschutzzungen, die sich<br />

nach mehreren Murenniedergängen zu Murkegel formen <strong>und</strong> in der Regel unsortiertes Grob-<br />

<strong>und</strong> Feinmaterial mit 8-12° Neigung anlagern (Ahnert 2009: 94; Press & Siever 1995: 237ff.).<br />

Abb.7: Mure<br />

Quelle: Federal Emergency Management Agency; http://www.neighborhoodlink.com<br />

- 9 -


4. Langsam verlaufende Massenbewegungen<br />

4.1 Fließdenudation: Solifluktion (Erdfließen)<br />

Wenn wassergesättigtes Boden- <strong>und</strong> Lockermaterial langsam <strong>und</strong> über kurze Distanzen in<br />

Richtung Tal fließt dann bezeichnet man dies als Solifluktion oder Erdfließen (Abb. 8). Der<br />

Vorgang weißt Ähnlichkeiten mit einen Murenabgang auf, wobei hier das Relief nicht so<br />

ausgeprägt <strong>und</strong> die Geschwindigkeit viel geringer ist. Damit eine Solifluktion ausgelöst wird<br />

muss das Bodengefüge relativ locker sein, das heißt zum Beispiel durch mehrere Frostwechsel<br />

oder fehlenden Vegetation in seinen Zusammenhalt geschwächt sein. Bei Einsetzen von<br />

Starkregen oder Schmelzwasserereignissen nimmt das Feinmaterial des Bodens sehr viel<br />

Wasser auf, sodass die Porenräume aufgefüllt werden. Der dadurch entstehende positive<br />

Porenwasserdruck verringert die Kohäsion des Bodens <strong>und</strong> führt zur hangabwärts gerichteten<br />

Fließbewegung. Aufgr<strong>und</strong> des geringeren Wassergehaltes am oberen Hang rotieren die<br />

einzelnen Bodenschollen leicht rückwärts <strong>und</strong> behalten ihr inneres Gefüge bei. Der hohe<br />

Wassergehalt im mittleren Hangbereich bedingt ein Auflösen der ursprünglichen Struktur <strong>und</strong><br />

die Ausbildung einer Fließzunge. Im unteren Hang tritt das überschüssige Wasser an der<br />

Oberfläche der Fließmasse aus <strong>und</strong> kann kleine Schwemmfächer akkumulieren (Ahnert 2009:<br />

94ff.; Press & Siever 1995: 237ff.).<br />

4.2 Kriechdenudation: Bodenkriechen<br />

Abb. 8: Solifluktion<br />

Quelle: Press& Siever 1995: 237<br />

Bodenkriechen findet statt, wenn Lockermaterial oder weiche verformbare Gesteine sehr<br />

langsam hangabwärts kriechen (Abb. 9). Die Bewegungsgeschwindigkeit ist im Vergleich mit<br />

der Solifluktion viel geringer <strong>und</strong> beträgt in etwa 1-2 cm pro Jahr. Die Ursache <strong>für</strong><br />

Bodenkriechen liegt nicht am positiven Porendruck in der Matrix, sondern wird durch<br />

Expansion <strong>und</strong> Kontraktion des Bodenmaterials bei Frostwechsel <strong>und</strong> wechselnden<br />

- 10 -


Wassergehalt bedingt. Beim Gefrieren dehnt sich das Wasser aus <strong>und</strong> hebt die<br />

Bodenoberfläche an. Beim Abtauen sinkt das Material aber nicht rechtwinklig zum Hang an<br />

seinen ursprünglichen Platz zurück, sondern lagert sich aufgr<strong>und</strong> der Schwerkraft etwas<br />

weiter hangabwärts ab. Ähnlich läuft dies ab, wenn quellfähige Tonminerale viel Wasser<br />

aufnehmen, sich ausdehnen <strong>und</strong> bei Trockenheit wieder zusammenziehen. Der Versatzbetrag<br />

ist hier aufgr<strong>und</strong> der geringeren Ausdehnung etwas niedriger. Bodenkriechen kann selten<br />

auch im Festgestein verursacht werden. Dabei muss es sich aber um tonhaltiges wasserreiches<br />

Gestein handeln, das unter Auflast <strong>und</strong> wegen seiner plastischen Eigenschaften ganz langsam<br />

Richtung Tal kriecht (Ahnert 2009: 96f.; Press & Siever 1995: 237ff.).<br />

Abb.: 9: Bodenkriechen<br />

Quelle: Arisleidy Stolzenberger-Ramires, http://www.geodz.com<br />

5. Schluss<br />

Massenbewegungen werden von vielen Menschen kritisch gesehen, da sie <strong>für</strong> viele eine<br />

Bedrohung darstellen. Besonders schnelle Verlagerungsprozesse besitzen enorme Energie, sie<br />

können ganze Siedlungen zerstören, Infrastrukturen vernichten <strong>und</strong> Leben in Gefahr bringen.<br />

Dabei vergessen viele Menschen, dass durch ihr Eingreifen in die Natur Massenbewegungen<br />

zusätzlich gefördert werden. Im Kaukasus hat sich zum Beispiel die Zahl der<br />

Lawinenabgänge deutlich erhöht, nachdem die Rodung von Nadelbäumen zugenommen hat<br />

(Khapayev 1978: 335). Allgemein wird das Relief durch den Bau von Bergstraßen steiler <strong>und</strong><br />

dadurch das Risiko von Massenbewegungen erhöht. Genauso wie der Bau von Häusern an<br />

instabilen Hängen die Auflast vergrößert <strong>und</strong> Verlagerungsprozesse auslösen kann (Press &<br />

- 11 -


Siever 1995: 244ff.). Deshalb sollte der Mensch in von Massenbewegungen betroffenen<br />

Regionen, also besonders in Gebirgen, darauf achten dass er nicht durch unnötige <strong>und</strong><br />

unbedachte Eingriffe in die Natur die Gefahr zusätzlich erhöht. Massenbewegungen haben<br />

abgesehen von ihren gefährlichen Auswirkungen auf Siedlungen <strong>und</strong> Menschen eine<br />

positiven Einfluss auf Ökosysteme, denn sie fungieren als natürliche Störungen <strong>und</strong> fördern<br />

somit eine größere Habitat- <strong>und</strong> Biodiversität.<br />

6. Literaturverzeichnis<br />

Monographien:<br />

Ahnert, F. 2009: Einführung in die Geomorphologie. Stuttgart.<br />

Felgentreff, C. & Glade, T.(Hrsg.) 2008: Naturrisiken <strong>und</strong> Sozialkatastrophen. Heidelberg.<br />

Glawion R, Glaser R, Saurer H. 2009: Physische Geographie. Braunschweig.<br />

Goudie, A. 1995: Physische Geographie: Eine Einführung. Heidelberg.<br />

Lexikon der Geowissenschaften. Band 2. Erscheinumgsjahr 2000. Heidelberg<br />

Lexikon der Geowissenschaften. Band3. Erscheinungsjahr 2000. Heidelberg<br />

Press, F. & Siever R. 1995: Allgemeine Geologie. Eine Einführung. Heidelberg.<br />

Strahler, A. & Strahler, A. 2005: Physische Geographie. Stuttgart.<br />

Aufsatz:<br />

Khapayev, S. 1978: Dynamics of Avalanche Natural Complexes. An Example from the Highmountain<br />

Teberda State Reserve, Caucasus Mountains, USSR. In: Arctic and Alpine Research, Band<br />

10, Seite 335-344.<br />

Internetquellen:<br />

Freie Universität Berlin: www.geo.fu-berlin.de (Juni 2010)<br />

Gisbert Mrozek: http://www.aktuell.ru/russland/panorama/gletschersturz_im_kaukasus_107.html<br />

(19.6.2010)<br />

- 12 -


1 Einleitung<br />

Geschichte Georgiens<br />

(bis zum Ende der Sowjetunion)<br />

Christoph Warmbold<br />

Georgien blickt auf eine, weit über 2.000 Jahre alte Geschichte zurück. In dieser Zeit wurde das<br />

kleine Land immer wieder zum Spielball verschiedener Großmächte, was auf das Selbstbild der<br />

Georgier großen Einfluss hatte.<br />

Die vorliegende Arbeit beschränkt sich darauf, dem Leser einen kurzen Überblick über die<br />

historischen Entwicklungen bis zum Ende der Sowjetunion zu geben. Für einen vertieften Einstieg in<br />

die georgische Geschichte empfiehlt sich die im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen.<br />

2 Von der Steinzeit bis zur Neuzeit<br />

2.1 Steinzeit<br />

Die ältesten menschlichen Knochenf<strong>und</strong>e Georgiens gehören gleichzeitig zu den ältesten außerhalb<br />

Afrikas entdeckten menschlichen Fossilien weltweit. Lange war man davon überzeugt, dass der<br />

Homo erectus (als einer der unmittelbaren menschlichen Vorfahren) „Afrikaner“ gewesen sei <strong>und</strong><br />

sich vom afrikanischen Kontinent aus über die gesamte Erde verbreitet habe (KVASTIANI<br />

et al., 2007: 84). Zu den in jüngster Zeit entdeckten F<strong>und</strong>en, die möglicherweise der Gattung Homo<br />

zuzurechnen sind, gehören die in Georgien entdeckten „Fossilien von Dmanisi“ (EICHHOLZ, 2009).<br />

Die Knochenf<strong>und</strong>e sind mindestens 1,5 Millionen Jahre alt <strong>und</strong> damit dem 1,5 bis 1,8 Millionen<br />

Jahre alten afrikanischen Homo erectus ungefähr gleich alt (KVASTIANI et al., 2007: 84).<br />

Im Paläolithikum (bis 10.000 v. Chr.) waren Teile Georgiens bereits dauerhaft besiedelt<br />

(BOCK, 1988: 23).<br />

2.2 Von der Kupfer-, Bronze- <strong>und</strong> Eisenzeit bis zur Antike<br />

Bereits zwischen dem 8. <strong>und</strong> 6. Jhdt. v. Chr. besiedelten griechische Kolonisten die Westküste des<br />

heutigen Georgiens (vgl. GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 7). Küstenstädte wie Sochumi, Poti<br />

oder Batumi gehen beispielsweise auf griechische Gründungen zurück <strong>und</strong> liegen in einem Gebiet,<br />

dass die antiken Griechen das „Land der Kolcher“ (späteres Königreich Kolchi) nannten<br />

(MESKHIA, 1972: 16). Erste Staatsbildungen, die mit den frühen Hochkulturen Anatoliens (z. B. den<br />

Hethitern oder mit den Mitanni), den nordkaukasischen Stämmen <strong>und</strong> dem Zweistomland in Kontakt<br />

standen, sind spätestens seit dem 4. Jhdt. belegt (GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 38;<br />

MESKHIA, 1972: 16). Immer wieder wurden die oft gutnachbarschaftlichen Beziehungen durch<br />

Kriege <strong>und</strong> Überfälle unterbrochen. Grenzverschiebungen <strong>und</strong> die Ansiedlung von einfallenden


Stämmen führte wiederholt zu ethnischen Vermischungen mit den Georgischen Stämmen<br />

(MESKHIA, 1972: 16). Hierbei gewannen die Stämme der Mingrelier (südlich von Abchasien) <strong>und</strong> der<br />

mit ihnen verwandten östlich von Batumi siedelnden Lasen sowie der Swanen im Norden des<br />

heutigen Georgiens an Bedeutung (MESKHIA, 1972: 16). In Ostgeorgien nahm im Verlauf von etwa<br />

1.000 Jahren der Einfluss des Könighauses Iberien bis ins 6. Jhdt. stetig zu. Die Hauptstadt Iberiens<br />

war Mzucheta (nahe Tiflis) (MESKHIA, 1972: 17). Die beiden Königreiche Kolchis <strong>und</strong> Iberien<br />

bildeten die ersten Staaten Georgiens <strong>und</strong> sind damit die wichtigsten Vorgängerstaaten der heutigen<br />

Republik Georgien (MESKHIA, 1972: 17). Beide Königreiche waren vom 1. Jhdt. v. Chr. im ständigen<br />

Krieg mit fremden Eindringlingen: Römer kamen von Westen, die Perser von Süd-Osten (vgl.<br />

MESKHIA, 1972: 16-17). Im Jahre 523 unterwarfen die Perser Iberien <strong>und</strong> drangen bis zu den<br />

Grenzen Westgeorgiens vor (MESKHIA, 1972: 20). Die expansive Politik des Irans, seine Macht bis<br />

an das Schwarze Meer auszudehnen, war Ursache <strong>für</strong> einen Krieg mit dem Oströmischen Reich<br />

(Byzanz). Dieser Krieg wurde überwiegend auf dem Boden des heutigen Georgiens ausgetragen <strong>und</strong><br />

schwächte Wirtschaft <strong>und</strong> Bevölkerung stark (MESKHIA, 1972: 20).<br />

2.3 Mittelalter<br />

Ab dem 8. Jhdt. wurde Georgisch Staats- <strong>und</strong> Kirchensprache in allen georgischen Königreichen <strong>und</strong><br />

Fürstentümern (MESKHIA, 1972: 21). Im 10. <strong>und</strong> 11. Jhdt. bildete sich ein erster vereinigter<br />

georgischer Staat heraus (MESKHIA, 1972: 22). Als erster König des geeinten Georgiens gilt Bagrat<br />

III (975-1014) (MESKHIA, 1972: 23).<br />

Während Gumppenberg & Steinbach (2008: 38) Georgien vom 11. - 13. Jhdt. eine einzigartige Blüte<br />

von Staat <strong>und</strong> Kultur bescheinigen, bewertet Meskhia (1972: 23) diesen Zeitabschnitt der Historie<br />

differenzierter. Er hebt hervor, dass die vielen Niederlagen in den geführten Kriegen (vor allem die<br />

gegen die einfallende osmanische Fürstendynastie der Seldschucken) die Wirtschaft des Landes<br />

schwer beschädigte <strong>und</strong> beschreibt diese Periode als die „Große Türkische Unterwerfung“.<br />

Insbesondere im 13. Jhdt. konnte Georgien zunehmend Schlachten <strong>und</strong> Feldzüge gewinnen <strong>und</strong> so<br />

Territorien zurückgewinnen sowie das Herrschaftsgebiet ausweiten (MESKHIA, 1972: 25).<br />

2.4 Frühe Neuzeit<br />

In der ersten Hälfte des 13. Jhdt. fielen mongolische Herrscher in Georgien ein (unter anderem<br />

wurde die Stadt Tbilisi eingenommen) <strong>und</strong> verließen das verwüstete Land erst nach einem<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert (MESKHIA, 1972: 35). „Das Land war durch die Zerstörungswut der Mongolen von<br />

Ruinen übersät <strong>und</strong> wurde durch eine systematische Ausbeutung mit Hilfe von Steuern wirtschaftlich<br />

zugr<strong>und</strong>e gerichtet“ (Sanders, 1942: 178). Mit dem Einfall des mongolischen Eroberers Tamerlans<br />

zerfiel das Land im 14. Jhdt. in zahlreiche Kleinstaaten (GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 38).<br />

Vom 15. - 18. Jhdt. konkurrierten immer wieder die Perser <strong>und</strong> die Osmanen um die Vorherrschaft im<br />

Kaukasus (GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 38).


3 Moderne<br />

Da der georgische König Irakli II. sich nicht den Bedrängungen durch das Persische <strong>und</strong> das<br />

Osmanische Reich entziehen konnte, bat er um Schutzherrschaft der russischen Zarin Katharina II.<br />

Kurz darauf begann 1768 der erste Russich-Türkische Krieg (KRIEGENHERDT, 2008: 04), der zu<br />

großen Teilen auf georgischem Boden ausgefochten wurde. Als 1785 Russland Truppen aus<br />

Georgien abzog, um sie gegen das sich gegen Russland erhebende Volk der Tschetschenen<br />

einzusetzen, nutze der persische Schar dieses Machtvakuum, um in den Süden Georgiens<br />

einzufallen. Die Hauptstadt Tiflis wurde dabei eingenommen <strong>und</strong> ausgeplündert<br />

(HOFMANN, 1990: 220). Trotz eines Schutzabkommens entsandte die Russische Zarin keine Truppen<br />

um Georgien zu verteidigen (KRIEGENHERDT, 2008: 84).<br />

1801 wurde Georgiens durch den russischen Zaren (Alexander I.) annektiert (GUMPPENBERG &<br />

STEINBACH, 2008: 38) <strong>und</strong> so Russland angegliedert. Eine lang anhaltende Russifizierung des<br />

Landes setzte ein (KRIEGENHERDT, 2008: 84), wodurch u. a. die Idee der Französischen Aufklärung<br />

über Petersburg nach Tiflis gelangte. Dies verschaffte Georgien eine kleine kulturelle Blüte.<br />

Georgien konnte jedoch nicht verhindern, dass sich Russland 1828 selbst Teile Georgiens<br />

einverleibte <strong>und</strong> georgische Landesteile die verfeindeten Türken abtrat (KRIEGENHERDT, 2008: 85-<br />

86).<br />

3.1 Die erste Republik 1918 - 1921<br />

Nach dem Zusammenbruch des russischen Zarenreiches (Februarrevolution 1917) erlebte die<br />

Demokratische Republik Georgiens von 1918 - 1921 eine kurze Zeit der politischen Unabhängigkeit<br />

(GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 39). Das Land gab sich eine Verfassung nach dem Vorbild der<br />

Schweiz. Das Deutsche Kaiserreich war der erste ausländische Staat, der die erste georgische<br />

Republik anerkannte (KRIEGENHERDT, 2008: 87).<br />

3.2 Die zweite Republik 1921 - 1991<br />

Trotz vorheriger Anerkennung der Georgischen Republik marschierte die rote Armee im Jahr 1921 in<br />

Georgien ein <strong>und</strong> zwang das Land in Transkaukasische Föderative Sowjetrepublik<br />

(GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 39). Nachdem am 30. Dezember 1922 die Sowjetunion<br />

gegründet wurde, wurde Georgien Mitglied dieser Union (KRIEGENHERDT, 2008: 90). Direkt mit der<br />

Angliederung Georgiens an die Sowjetunion ging eine Enteignung <strong>und</strong> Verstaatlichung sämtlichen<br />

Gr<strong>und</strong>besitzes einher (KRIEGENHERDT, 2008: 90). In den im ganzen Sowjetreich durchgeführten<br />

„Säuberungsaktionen“ wurden allein in den 1920er Jahre etwa 30.000 unliebsame oppositionelle<br />

Georgier erschossen oder in Straflager verschleppt (KRIEGENHERDT, 2008: 90).<br />

Nach der Russischen Oktoberrevolution von 1917 <strong>und</strong> vor allem nach der anschließenden Gründung<br />

der Sowjetunion verschärfte sich die Situation vor allem <strong>für</strong> Muslime im Bereich der ganzen<br />

Sowjetunion. Der Kommunismus war strikt atheistisch ausgerichtet. Darunter hatte nicht nur der<br />

Islam leiden, sondern wie genauso das Christen- <strong>und</strong> Judentum. Nicht nur Moscheen blieben<br />

geschlossen, sondern Gläubige waren zahlreichen Reglementierungen <strong>und</strong> Schikanen ausgesetzt<br />

(BRANDENBURGISCHE LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG, 2006).


1941 erreichte der Zweite Weltkrieg die Sowjetunion, <strong>und</strong> obwohl der Krieg nicht direkt georgischen<br />

Boden tangierte, wurde das Land stark in den Krieg involviert. Offiziellen Angaben zufolge nahmen<br />

0,75 Mio. der 3,5 Mio. Georgier aktiv an dem Krieg teil, von denen über 0,3 Mio. durch<br />

Kriegsfolgen ihr Leben verloren. Ausbleibende Handelslieferungen aus Russland sowie der<br />

Fachkräftemangel <strong>und</strong> die Umstellung der Wirtschaft auf die Produktion von Rüstungsgütern führten<br />

zu einem empfindlichen wirtschaftlichen Einbruch (GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 39).<br />

Der Versuch von Moskau, 1978 Russisch als Amtssprache zu etablieren, scheiterte nach Protesten<br />

<strong>und</strong> einem Hungerstreik von Studenten der Tifliser Universität (Kriegenherdt, 2008: 92). Für das<br />

nationale Selbstbild stellt die georgische Sprache ein wichtiges Merkmal dar. Durch die<br />

Abwanderung von Russen <strong>und</strong> Armeniern einerseits, sowie den Assimilationsdruck <strong>für</strong> kleinere<br />

Minderheiten (u. a. Osseten) andererseits, stieg der Anteil der Georgier an der Gesamtbevölkerung<br />

im Verlauf des 20. Jhds. stetig an. Dies zeigte sich bereits während der späten Sowjetzeit an der<br />

geringen Anzahl von Mischehen sowie dem hohen Anteil (über 98 %) an georgisch als<br />

Muttersprache sprechenden Bevölkerungsanteil (GUMPPENBERG & STEINBACH, 2008: 35).<br />

Insbesondere ein georgischer Politiker hatte besonders großen Einfluss an der Modernisierung des<br />

gesellschaftlichen, politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Systems der Sowjetunion: Eduard<br />

Schewardnadse. Er war von 1965 bis 1972 zunächst georgischer Innenminister <strong>und</strong> von 1972 bis<br />

1985 Erster Sekretär der KPdSU in der Georgischen SSR (KRIEGENHERDT, 2008: 92). 1985 wurde er<br />

Außenminister der Sowjetunion, was er bis 1990 blieb. Schewardnadse leitete mit Michail<br />

Gorbatschow eine außenpolitische Wende (Perestroika) ein, die mit der Auflösung der Sowjetunion<br />

endete <strong>und</strong> damit die Unabhängigkeit Georgiens 1991 einleitete. Nachdem am 21. Dezember 1991<br />

die Sowjetunion aufgelöst wurde, erlangte Georgien bereits am 25.12.1991 staatliche<br />

Unabhängigkeit.<br />

4 Zusammenfassung<br />

Die Geschichte des georgischen Volkes ist eng mit der seiner nächsten Nachbarländern verb<strong>und</strong>en.<br />

Seit dem sich vor 1.000 Jahren unter König Bagrat III der erste vereinigte georgische Staat<br />

herausbildete, war Georgien fast durchgehen von anderen Ländern fremdbestimmt. Vor allem die<br />

Großmächte Türkei, Persien <strong>und</strong> Russland drangen im Verlauf der Geschichte immer wieder in<br />

Georgien ein. Das förderte die Auflösung <strong>und</strong> den Zerfall in immer kleinere bzw. unscheinbare<br />

politische <strong>und</strong> völkische Einheiten. Eine wirtschaftliche <strong>und</strong> kulturelle Blüte verzeichnete das Land<br />

überwiegend in Phasen, in denen sich fremde Mächte aus Georgien zurückzogen. Die großen<br />

Enttäuschungen Georgiens mit Russland als Schutzmacht im Zarenreich <strong>und</strong> die wiederholte<br />

Annexion der Großmacht Russland bzw. Sowjetunion lassen erahnen, warum Georgien sofort nach<br />

dem Ende der Sowjetunion seine volle Unabhängigkeit zurück erlangte, <strong>und</strong> nicht den Weg vieler<br />

Nachfolgestaaten der Sowjetunion wählte <strong>und</strong> in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten eintrat.


5 Literaturverzeichnis<br />

BRANDENBURGISCHE LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (2006): „Russland <strong>und</strong> die<br />

islamischen Völker“. http://www.politische-bildungbrandenburg.de/islam/geschichte/russland.htm<br />

(15.06.2010).<br />

BOCK, U. (1988): „Georgien <strong>und</strong> Armenien. Zwei christliche Kulturlandschaften im Süden der<br />

Sowjetunion“. Köln<br />

EICHHOLZ, A. (2009): „Europas Wiege in Georgien“. http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.<br />

aspx?TabId=3937&alias=wzo&cob=437107 (15.06.2010).<br />

EUROPA PUBLICATIONS (2003) "Eastern Europe, Russia and Central Asia 2004. Regional surveys of<br />

the world." London.<br />

GUMPPENBERG, M.-C. & STEINBACH, U. [Hrsg.] (2008): „Der Kaukasus. Geschichte – Kultur –<br />

Politik“. Nördlingen.<br />

KRIEGENHERDT, M. (2008): „Georgien. Handbuch <strong>für</strong> individuelles Entdecken“. Bielefeld.<br />

KVASTIANI, T; SPOLANSKI, V; STERNFELDT, A. (2007): „Georgien entdecken“. Berlin.<br />

HOFFMANN, T. (1990): „Armenien <strong>und</strong> Georgien. Zwischen Ararat <strong>und</strong> Kaukasus“. Leer.<br />

MESKHIA, S. (1972): „Geschichte Georgiens“. In: MESKHIA, S.: Georgien. Jenaer Reden <strong>und</strong><br />

Schriften. Jena. S. 13-79.<br />

SANDERS, A. (1942): „Kaukasien. Geschichtlicher Umriss“. München.


<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Geographie<br />

SS10<br />

Leitung: Frieder Voll<br />

Große Exkursion: Georgien<br />

Der Kaukasus: ethnische Vielfalt <strong>und</strong> Pulverfass? Islamisierung im<br />

Norden <strong>und</strong> der Blick nach Westen im Süden.<br />

Sabrina Beier<br />

Hindenburgstr. 44<br />

91054 Erlangen<br />

sabrina.beier@web.de<br />

21406135<br />

Lehramt (Gymnasium): Geographie, Physik<br />

23.06.10


Inhaltsverzeichnis<br />

1Einleitende Gedanken............................................................................................................................................3<br />

2Konfliktpotential beim Zerfall der Sowjetunion...................................................................................................3<br />

3Politische Entwicklungen „des Kaukasus“............................................................................................................6<br />

3.1Armenien.......................................................................................................................................................6<br />

3.2 Aserbaidschan...............................................................................................................................................6<br />

3.3 Türkei............................................................................................................................................................6<br />

3.4Russland.........................................................................................................................................................6<br />

4Überregionale Akteure im Kaukasus.....................................................................................................................7<br />

4.1EU..................................................................................................................................................................7<br />

4.2Russland.........................................................................................................................................................7<br />

4.3USA...............................................................................................................................................................8<br />

5Ausgewählte aktuelle Konflikte............................................................................................................................8<br />

5.1Berg Karabach...............................................................................................................................................9<br />

5.2Russische Kaukasusrepubliken....................................................................................................................10<br />

6Aktuelle Ansätze zur Lösung der Konflikte........................................................................................................11<br />

7Fazit.....................................................................................................................................................................12<br />

8Literaturverzeichnis.............................................................................................................................................14<br />

2


1 Einleitende Gedanken<br />

„Im Südkaukasus brodelt es weiter“ (http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1062932&kat=3&man=<br />

3). Mit dieser Überschrift stellt ein Redakteur der Nürnberger Nachrichten die Situation in<br />

Südossetien knapp ein Jahr nach dem Ende des Krieges zwischen Georgien <strong>und</strong> Russland dar.<br />

Jedoch ist nicht nur der Südkaukasus derzeit von ungelösten Konflikten <strong>und</strong> Spannungen geprägt.<br />

Diese Schlagzeile lässt sich beinahe auf den gesamten Kaukasus (physische Übersicht siehe<br />

Abbildung 1) übertragen.<br />

Abb. 1: Physische Übersicht des Kaukasus (J. Stadelbauer: 2006, S. 5)<br />

Nun stellt sich die Frage, weshalb der Kaukasus von so vielen Unruhen geprägt ist <strong>und</strong> ob<br />

Lösungsansätze <strong>für</strong> diese Konflikte existieren.<br />

Im Folgenden werde ich zunächst das Konfliktpotential im Kaukasus nach dem Zerfall der<br />

Sowjetunion vorstellen, anschließend die politische Orientierung der einzelnen Staaten im Kaukasus<br />

darlegen, ausländische Akteure im Kaukasus beleuchten, heute aktuelle Konflikte darstellen,<br />

mögliche Lösungsansätze dieser Konflikte vorstellen <strong>und</strong> abschließend ein Fazit ziehen.<br />

(http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1062932&kat=3&man=3, J. Stadelbauer: 2006)<br />

2 Konfliktpotential beim Zerfall der Sowjetunion<br />

Seit 1828 prägten durch ihre Kolonial- bzw. Nationalpolitik zunächst das Zaarenreich, anschließend<br />

3


die Sowjetunion den Kaukasus.<br />

Um die der Kolonialmacht Russland gegenüber feindlich eingestellten Bergvölker des Kaukasus<br />

besser kontrollieren zu können, bewegte Russland sie seit dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert zu einer Umsiedlung<br />

ins Gebirgsvorland. Hierdurch kam es zu einer Überbevölkerung <strong>und</strong> ethnischen Vermischung der<br />

Gunstlagen des Kaukasus.<br />

Als 1917 die Sowjetunion gegründet wurde, wurden die Grenzen zwischen den einzelnen<br />

Unionsrepubliken mehr nach den Machtinteressen des Kremls als nach demographischen<br />

Gegebenheiten gezogen. So wurde den Adygen keine territoriale Autonomie zugestanden, die<br />

Tschetschenen <strong>und</strong> Inguscheten mussten gegen ihren Willen gemeinsam in einer Unionsrepublik<br />

leben <strong>und</strong> die Osseten wurden auf zwei Unionsrepubliken aufgeteilt. Die genannten<br />

siedlungspolitischen Aktivitäten stehen beispielhaft <strong>für</strong> das Schicksal vieler Ethnien. Dadurch kam es<br />

gelegentlich zu einer Überlagerung der traditionellen Siedlungs- <strong>und</strong> Wirtschaftsräume.<br />

1943/44 wurden einzelne Ethnien, welche in der Sowjetunion als aufständig galten, nach<br />

Zentralasien deportiert. Auf dem nun unbewohnten Land wurden andere Völker angesiedelt. Die<br />

Rehabilitierung dieser Deportationen erfolgte zwar 1956/57, jedoch entsprachen die nun<br />

geschaffenen Grenzen nicht durchgängig dem früheren Verlauf. Bis heute fordern einzelne Völker<br />

die Wiederherstellung der administrativen Grenzen von vor 1933.<br />

Die Deportationen förderten eine schon vorher vorhandene ausgesprochen kleinräumige Gliederung<br />

ethnischer Gruppen. Abbildung 2 zeigt die Siedlungs- <strong>und</strong> Wirtschaftsräume ethnolinguistischer<br />

Gruppen. Im gesamten Kaukasus leben 45 ethnische Gruppierungen auf zirka 176000<br />

quadratkilometern Fläche.<br />

4


Abb.2: Wirtschafts- <strong>und</strong> Siedlungsräume ethnolinguistischer Gruppen (C. Sidorko: 2010, S.126)<br />

All dies führte dazu, dass sich viele Menschen mit ihrer Ethnie identifizierten. Durch diese<br />

nationalpolitischen Maßnahmen der Sowjetunion entstand ein enormes Konfliktpotential, das bis zum<br />

Zerfall der UdSSR zum Teil sogar mittels Gewalt unterdrückt wurde.<br />

(R. Dehdashti: 1997, B. Pietzonka: 2002, J. Stadelbauer: 2001, C. Sidorko: 2008, U. Halbach: 2010,<br />

L. Lobova: 2002, J. Radvanji: 2006, J. Stadelbauer: 2006)<br />

5


3 Politische Entwicklungen „des Kaukasus“<br />

3.1 Armenien<br />

Nach der russischen Eroberung im Jahr 1828 entwickelte sich Russland zur armenischen<br />

Schutzmacht. Noch heute kann Armenien als letzte Bastion Russlands im Kaukasus bezeichnet<br />

werden. So setzt Armenien auf internationale, russisch orientierte Bündnisse wie zum Beispiel die<br />

CSTO <strong>und</strong> die GUS.<br />

Historisch bedingt können Armenien <strong>und</strong> Aserbaidschan als verfeindete Länder bezeichnet werden,<br />

obwohl die beiden Länder traditionell die jeweils größte Minderheit im Nachbarland stellten.<br />

(R. Dehdashti: 1997, C. Sidorko: 2008, M. Wehner: 2008, E. Auch: 2010, E. Gujer: 2010)<br />

3.2 Aserbaidschan<br />

Aserbaidschan bemüht sich um eine ausgewogene Politik zwischen Russland <strong>und</strong> „dem Westen“. So<br />

werden zwar militärische Beziehungen zu den USA <strong>und</strong> der NATO gepflegt, jedoch legt sich die<br />

Führung Aserbaidschans nicht einseitig fest.<br />

Die Türkei etablierte sich während der Islamisierung Aserbaidschans als Schutzmacht.<br />

(M. Wehner: 2008, E. Gujer: 2010)<br />

3.3 Türkei<br />

Da die Türkei als Schutzmacht Aserbaidschans gilt ist sie eher ablehnend Armenien gegenüber<br />

eingestellt. So verhängte die türkische Führung im Jahr 1993 nach Konflikten zwischen Armenien<br />

<strong>und</strong> Aserbaidschan eine bis heute andauernde Totalbkokkade zu Armenien. Jedoch können seit<br />

diesem Jahr Annäherungsversuche der Türkei an Armenien verzeichnet werden.<br />

(M. Wehner: 2008, R. Dehdashti: 1997, E. Gujer: 2010, J. Stadelbauer: 2006)<br />

3.4 Russland<br />

Russland kommt im Kaukasus eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen agiert Russland als<br />

ausländischer Akteur im Südkaukasus, zum anderen besitzt es selbst Staatsgebiete im<br />

Nordkaukasus.<br />

In den russischen Kaukasusrepubliken leben wie fast im gesamten Kaukasien sehr viele kleine<br />

ethnische Gruppen, die teilweise nach Unabhängigkeit streben. Abbildung 3 zeigt die zwischen 1994<br />

bis 1996 abgeschlossenen Kompetenzabgrenzungsverträge. Durch diese Verträge wurden den<br />

einzelnen Regionen Sonderrechte zugestanden.<br />

6


Abb. 3: Zwischen 1994 <strong>und</strong> 1996 abgeschlossene Kompetenzabgrenzungsverträge (J. Stadelbauer: 2001, S. 111)<br />

( E. Gujer: 2010, J. Stadelbauer: 2001, J. Stadelbauer: 2006)<br />

4 Überregionale Akteure im Kaukasus<br />

4.1 EU<br />

Die EU setzt sich zwar seit der Gründung der Kaukasusrepubliken <strong>für</strong> die Lösung der Konflikte im<br />

Südkaukasus ein <strong>und</strong> unterstützt diese Länder wirtschaftlich, jedoch band sie ihre Hilfsprogramme<br />

bis November 2006 an keine konkreten Forderungen. Diese Bemühungen sind aber nicht nur<br />

humanitären Ursprungs. Die EU versucht auch wirtschaftlichen Einfluss auf den Kaukasus zu<br />

nehmen. Insbesondere ist sie an einer Nutzung der Rohstoffe interessiert. Hier<strong>für</strong> ist jedoch eine<br />

Stabilität des Gebietes unerlässlich.<br />

Seit Juni 2004 sind die drei Kaukasusrepubliken Mitglieder in der Nachbarschaftsinitiative der EU <strong>und</strong><br />

im November 2006 unterzeichneten die EU, Georgien, Armenien <strong>und</strong> Aserbaidschan ein individuelles<br />

Partnerschaftsabkommen, das den drei Kaukasusrepubliken den Zugang zum europäischen<br />

Binnenmarkt erleichtert.<br />

(M. Wehner:2008, R. Freitag-Wirminghaus:2010, J. Radvanjie: 2006)<br />

4.2 Russland<br />

Russland erhebt einen historisch begründeten Hegemonialanspruch auf die Kaukasusrepubliken.<br />

Dies zeigt sich in seinem Bestreben die südkaukasischen Republiken in einer wirtschaftlichen<br />

Abhängigkeit zu halten. Die politische Führung Russlands sieht es auch als ihre Aufgabe bei der<br />

Lösung der Konflikte in Südkaukasien entscheidend einzugreifen. Jedoch wurde bis jetzt nur wenig<br />

7


is nichts unternommen, um die Konflikte tatsächlich zu lösen. So könnte man Russland unterstellen,<br />

dass es an einem destabilen Südkaukasus interessiert ist, um wirtschaftliche <strong>und</strong> militärische<br />

Bündnisse mit westlichen Ländern zu vermeiden.<br />

Die von Russland angestrebte Nord-Süd-Achse von Verbündeten reicht von Russland über Armenien<br />

in den Iran.<br />

(M. Wehner: 2010, J. Radvanjie: 2006)<br />

4.3 USA<br />

Auch die USA versucht im Südkaukasus wirtschaftlich Einfluss zu nehmen. Insbesondere ist sie an<br />

einem langfristigen Zugang zum Öl des kaspischen Meers interessiert. Sie versucht deshalb die<br />

Bindung der Kaukasusrepubliken an Russland zu minimieren. Ein weiteres Anliegen der USA um<br />

einen Zugang zu den Staatsgrenzen Russlands zu erhalten ist die Stationierung von Militärbasen im<br />

Südkaukasus. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die USA auf eine Ost-West-Achse von<br />

Verbündeten setzt, welche von der EU über die Türkei nach Georgien <strong>und</strong> abschließend nach<br />

Aserbaidschan reicht.<br />

(M. Wehner: 2008, R. Freitag-Wirminghaus:2010, J. Radvanjie: 2006)<br />

5 Ausgewählte aktuelle Konflikte<br />

Wie in Kapitel 2 dargestellt induzierte die russische Kolonialpolitik im Kaukasus ein Konfliktpotential,<br />

das sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in 180 Konflikten entlud. Die meisten dieser Konflikte sind<br />

regional stark begrenzt <strong>und</strong> lösen bei einer Eskalation eines Konfliktes deshalb keinen Dominoeffekt<br />

aus. Abbildung 4 zeigt die Verteilung der bedeutendsten Konflikte in den Jahren 1988 bis 1999 <strong>und</strong><br />

deren Ursachen.<br />

8


Abb. 4: Konflikte im Kaukasus zwischen 1988 <strong>und</strong> 1999 <strong>und</strong> deren Ursache (J. Stadelbauer: 2001, S. 104)<br />

Im Folgenden werde ich die zwei größten <strong>und</strong> bekanntesten Konflikte darstellen.<br />

(J. Stadelbauer: 2001)<br />

5.1 Berg Karabach<br />

Abbildung 5 zeigt das 4400qkm umfassende Berg Karabach (auch Nagorno-Karabach genannt), eine<br />

armenische Enklave, welche zu Aserbaidschan gehört.<br />

9<br />

Abb.5: Physische Übersicht Berg Karabachs (http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Armenien/<br />

ArmenienLinks/KarteKarabach,templateId=large__blob.jpg)


Die Antisympathien zwischen Armenien <strong>und</strong> Aserbaidschan reichen wie in Kapitel 3,1 erwähnt bis ins<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert zurück. Erschwerend kommt hinzu, dass sowohl Armenien als auch Aserbaidschan<br />

nach dem Zerfall des russischen Zaarenreichs Ansprüche auf Berg Karabach erhoben. Armenien<br />

begründet seine Forderung ethnisch, Aserbaidschan hingegen historisch. Obwohl 1923 94% der<br />

Einwohner von Berg Karabach Armenier waren, wurde das Gebiet mit Autonomierechten <strong>für</strong> die<br />

armenische Bevölkerung Aserbaidschan unterstellt. Während des Bestehens der Sowjetunion<br />

wurden blutige Zusammenstöße zwischen den beiden Nationen weitestgehend verhindert. Im Zuge<br />

der Perestroika Politik Gorbatschows forderte die armenische Bevölkerung Berg Karabachs <strong>und</strong> die<br />

Unionsrepublik Armenien eine Überführung Berg Karabachs an Armenien. Hierdurch kam es zu<br />

blutigen Auseinandersetzungen. Dies löste Flüchtlingsbewegungen der jeweiligen Minderheiten aus.<br />

Nach Auflösung der Sowjetunion blieb Berg Karabach Teil der neuen Republik Aserbaidschan.<br />

Bereits im November 1991 kam es erneut zu bewaffneten Auseinandersetzungen, nachdem die<br />

Armenier in Berg Karabach eine „Republik Berg Karabach“ ausgerufen hatten. Im Zuge dieser<br />

Auseinandersetzungen gelang es Armenien ein fünftel Aserbaidschanischen Territoriums zu besetzen<br />

(siehe Abbildung 5) <strong>und</strong> somit einen Landkorridor herzustellen, der Berg Karabach mit Armenien<br />

verbindet. 1994 vermittelte Russland einen Waffenstillstand, die besetzten Gebiete wurden jedoch<br />

nicht zurückgegeben.<br />

Folgen dieses Konfliktes waren zwischen 25000 <strong>und</strong> 50000 Todesopfer, zirka 1.1 Millionen<br />

Flüchtlinge <strong>und</strong> eine weitestgehende ethnische Säuberung Armeniens <strong>und</strong> Aserbaidschans. Der<br />

Konflikt konnte bis heute wegen fehlender Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten nicht beigelegt<br />

werden. Jedoch kam es in den Jahren 2008/2009 zu erstmaligen gegenseitigen Besuchen von<br />

Regierungs- <strong>und</strong> Parlamentsvertretern aus Armenien, Aserbaidschan <strong>und</strong> Berg Karabach.<br />

( R. Dehdashti: 1997, E. Auch: 2010)<br />

5.2 Russische Kaukasusrepubliken<br />

Im russischen Kaukasus liegen die islamisch geprägten Kaukasusrepubliken Adygen, Degestan,<br />

Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschajewo-Tscherkessien, Nordossetien, Tschetschenien<br />

<strong>und</strong> das Gebiet von Rostow. Die Regierung der Sowjetunion war um eine Abgrenzung der einzelnen<br />

Völker voneinander <strong>und</strong> einer Verdrängung des Islams bemüht, da sie eine Vereinigung aller<br />

Kaukasusrepubliken zu einer eigenständigen, unter Umständen islamistischen, Republik <strong>für</strong>chtete.<br />

Im Zuge der Stärkung der einzelnen Regionen während der Perestroika Politik kam es zu einer<br />

erneuten Islamisierung <strong>und</strong> separatistischen Bewegungen. Dies wurde durch die schlechte<br />

wirtschaftliche Situation <strong>und</strong> die besonders hohe Arbeitslosigkeit in den kaukasischen<br />

Unionsrepubliken im Vergleich zum restlichen Russland verstärkt. Zudem stellte die hohe<br />

Korruptionsrate im Süden Russlands ein Hindernis <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung <strong>und</strong> die<br />

10


Beilegung der Konflikte dar.<br />

Die Forderungen der kaukasischen Unionsrepubliken reichen von einer Stärkung der<br />

Autonomierechte bis zur Forderung nach einer eigenständigen Kaukasusrepublik wie beispielsweise<br />

einer „Kondöderation aller Bergvölker Russlands“ oder einem islamistischen „Emirat“. Einige<br />

Unionsrepubliken streben zudem die Wiederherstellung der administrativen Grenzen von 1933 an.<br />

Wie so häufig wird auch in diesem Konflikt versucht Machtinteressen religiös zu motivieren. Ein gutes<br />

Beispiel <strong>für</strong> dieses Vorgehen sind die tschetschenischen Rebellen, die zum „Heiligen Krieg“ aufriefen.<br />

So versuchten sie die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung, die auf Gr<strong>und</strong> der großen<br />

Verluste eine Beendigung der Auflehnung gegenüber Russland wünscht zu weiteren Feindseligkeiten<br />

zu motivieren.<br />

(R. Dehdashti: 1997, J. Stadelbauer: 2001, J. Stadelbauer: 2006, B. Pietzonka: 2002, U. Halbach:<br />

2010, L. Lobova: 2002, M. Ackeret: 2009, F. Nienhuysen: 2010)<br />

6 Aktuelle Ansätze zur Lösung der Konflikte<br />

Für die Konfliktlösung im Nordkaukasus ist primär Russland zuständig, da es sich um russisches<br />

Staatsterritorium handelt. Russland setzte zunächst, wie beispielsweise beim ersten<br />

Tschetschenienkrieg auf militärische Konfliktlösung. Seit kurzem jedoch versucht Russland den<br />

Kaukasus durch einen wirtschaftlichen Aufschwung zu stabilisieren. Hierbei setzt die Großmacht<br />

primär auf eine Entwicklung des Wintertourismus, <strong>für</strong> den der Kaukasus wegen seiner<br />

Schneesicherheit <strong>und</strong> seinen vielen Niederschlägen gute Voraussetzungen bietet. Für diese Projekte<br />

sollen innerhalb der nächsten zehn Jahre insgesamt umgerechnet elf Milliarden Euro ausgegeben<br />

werden. So soll etwa die Argun Schlucht in Tschetschenien, welche auf dem Foto 1 zu sehen ist,<br />

touristisch erschlossen werden.<br />

Foto 1: Argun Schlucht in Tschetschenien (http://www.kaukasus-reisen.de/images/tush006opt.jpg)<br />

Es ist davon auszugehen, dass sich die Olympischen Winterspiele, die 2014 in Sotschi, einer Stadt<br />

11


nahe dem Kaukasus, ausgetragen werden, auch auf die wirtschaftliche Entwicklung des Kaukasus<br />

positive auswirken.<br />

Im Südkaukasus engagieren sich internationale Organisationen, wie zum Beispiel die OEZD, an<br />

einer Konfliktlösung, jedoch bislang ohne Erfolg. Zum einen wird eine Konfliktbeilegung durch die<br />

Kompromisslosigkeit einiger Nationen <strong>und</strong> Völker behindert, zum anderen wirkt die Außenpolitik<br />

Russlands gelegentlich hemmend, da es, wie in Kapitel 4,2 beschrieben, an einem instabilen<br />

südlichen Kaukasus interessiert ist.<br />

Auch der Südkaukasus könnte von einem Ausbau des Fremdenverkehrs profitieren. So könnte die<br />

Schwarzmeer Küste touristisch erschlossen werden oder ein Ausbau des Wintertourismus wäre<br />

möglich.<br />

Um eine langfristige Beilegung der territorialen Konflikte sicher zu stellen ist eine Demokratisierung<br />

der Kaukasusrepubliken <strong>und</strong> eine Beteiligung der Minderheiten an der Regierungsgewalt<br />

unerlässlich. Den Minderheiten müssen Minderheitenrechte eingeräumt werden.<br />

Durch die Einbindung des Kaukasus in internationale Strukturen könnte der Druck auf die<br />

Regierungschefs erhöht werden, die Konflikte zu lösen.<br />

(J. Stadelbauer: 2001, R. Freitag-Wirminghaus:2010, L. Lobova: 2002, S. Zekri: 2008,<br />

http://www.urlaub-im-web.de/news-einzeln/1/februar/201000002128/skiresort-tschetschenien-<br />

kaukasus.html, http://www.kaukasus-reisen.de/images/tush006opt.jpg)<br />

7 Fazit<br />

Nach zirka 20 Jahren kriegsähnlicher Konflikte <strong>und</strong> zum Teil bürgerkriegsähnlicher<br />

Auseinandersetzungen hat eine großflächige Umverteilung der Bevölkerung stattgef<strong>und</strong>en. So<br />

wurden in den Jahren 1991-2006 über 2 Millionen Flüchtlinge <strong>und</strong> 110000 Tode statistisch erfasst.<br />

Dies führte zu einer ethnischen Entmischung <strong>und</strong> zu wirtschaftlichen, sozialen <strong>und</strong> politischen<br />

Belastungen. Abbildung 6 können die Flüchtlingsströme im Kaukasus zwischen 1988 <strong>und</strong> 1999<br />

entnommen werden.<br />

12


Abb. 6: Flüchtlingsströme im Kaukasus zwischen 1988 <strong>und</strong> 1999 (J. Stadelbauer: 2001, S. 121)<br />

Um die Situation nicht weiter zu verschärfen <strong>und</strong> um die Konflikten beilegen zu können ist es <strong>für</strong> die<br />

einzelnen Staaten unerlässlich, Kompromissbereitschaft <strong>und</strong> Ausdauervermögen zu zeigen. Die<br />

ausländischen Akteure sollten nicht nur um die Vertretung ihrer eigenen Interessen bemüht sein,<br />

sondern versuchen, die Region moralisch <strong>und</strong> strukturell zu stärken.<br />

(J. Stadelbauer: 2001, J. Stadelbauer: 2006)<br />

13


8 Literaturverzeichnis<br />

Zeitungsartikel:<br />

• Ackeret, M. (2009): Vom Volkskrieg zum Jihad im Nordkaukasus in Neue Züricher Zeitung,<br />

27.05.2009<br />

• Gujer, E. (2010): Am Kaspischen Meer kämpft jeder gegen jeden in Neue Züricher Zeitung,<br />

23.01.2010<br />

• Nienhuysen, F. (2010): Der Chef des Kaukasus in Süddeutsche Zeitung<br />

• Zerki, S. (2008): Wut <strong>und</strong> Spiele in Süddeutsche Zeitung, 29.09.2008<br />

Bücher <strong>und</strong> Aufsätze:<br />

14<br />

• Auch, E. (2010): Berg Karabach – Krieg um den „schwarzen Garten“ in Der Kaukasus.<br />

Geschichte, Kultur, Politik<br />

• Dehdashti, R., Jacobi, V. (1997): Krieg um Berg-Karabach. Ursachen eines ethnotterritorialen<br />

Konflikts in Selbstbestimmungsrecht der Völker – Herausforderung der Staatenwelt<br />

• Freitag-Wirminghaus, R. (2010): Internationale Organisationen – Hemmschuh oder Motor <strong>für</strong><br />

eine Konfliktlösung im Südkaukasus? In Der Kaukasus. Geschichte, Kultur, Politik<br />

• Halbach, U. (2010): Krisenregion Nordkaukasus – Rusachen, Akteure, Perspektiven in Der<br />

Kaukasus. Geschichte, Kultur, Politik<br />

• Lobova, L (2002): Ethnopolitische Konflikte im Nordkaukasus in historischer Dimension.<br />

Nationalitätenprobleme oder geopolitische Herausforderung <strong>für</strong> Russland? In Orient 43 Heft 1<br />

• Pietzonka, B. (2002): Zur politischen Geographie der ethnisch-nationalen Strukturen in<br />

Kaukasien in Nationalitäten <strong>und</strong> Minderheiten in Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa<br />

• Radvanjie, J. (2006): Die geopolitische Situation Kaukasiens – ein Überblick in Geographische<br />

R<strong>und</strong>schau 58 Heft 3<br />

• Sidorko, C. (2008): Ethnische Vielfalt, große Konfliktpotenziale: Die Völker des Kaukasus in<br />

Kaukasus. Wegweiser zur Geschichte<br />

• Stadelbauer, J. (2001): Krisenregion Kaukasien. Ethnographische Differenzierung, politische<br />

Konfliktpotentiale <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklungschancen in Ethnische Konflikte in der Dritten<br />

Welt<br />

• Stadelbauer, J. (2006): Kaukasien – Raum zwischen Konflikt <strong>und</strong> Aufbruch in Geographische<br />

R<strong>und</strong>schau 58 Heft 3<br />

• Wehmer, M. (2008): Blick nach Süden: Die Russischen Föderation <strong>und</strong> Transkaukasien in


Kaukasus. Wegweiser zur Geschichte<br />

Internetquellen:<br />

15<br />

• http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1062932&kat=3&man=3<br />

21.06.10)<br />

(zuletzt aufgerufen am<br />

• http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Armenien/Armenien<br />

Links/KarteKarabach,templateId=large__blob.jpg<br />

(zuletzt aufgerufen am 21.06.10)<br />

• http://www.kaukasus-reisen.de/images/tush006opt.jpg (zuletzt aufgerufen am 21.06.10)<br />

• http://www.urlaub-im-web.de/news-einzeln/1/februar/201000002128/skiresort-tschetschenien-<br />

kaukasus.html (zuletzt aufgerufen am 21.06.10)


Friedrich Alexander Universität Erlangen – Nürnberg<br />

Fachbereich Physische Geographie<br />

Große Exkursion / Georgien 2010<br />

Dozenten: Prof. Dr. Michael Richter<br />

M.A. Frieder Voll<br />

Dipl.-Geogr. Bruno Lasermann<br />

Sommersemester 2010<br />

LANDNUTZUNG IN GEORGIEN UND ARMENIEN<br />

Galyna Bondar Studiengang: MSc<br />

Heideloffplatz 5 Physische Geographie<br />

90478 Nürnberg 2. Fachsemester<br />

E-Mail: galia84@gmx.de Matr. Nr.: 21473267<br />

Tel.: 0157/72700265<br />

0


Inhaltverzeichnis<br />

Einleitung………………………………………………………………………………………1<br />

1. Voraussetzungen <strong>für</strong> die Landnutzung in Georgien <strong>und</strong> Armenien……………….………...1<br />

2. Entwicklung der Landwirtschaft in kaukasischer Region………………………….………..3<br />

2.1. Die Landproduktion im Überblick………………………………………………...3<br />

2.2. Kaukasische Teeanbau……………………………………………………...……..5<br />

2.3. Traditioneller Weinanbau <strong>und</strong> seine Verbreitung…………………………………6<br />

3. Die Naturschutzgebiete……………………………………………………………….……..8<br />

Schlussteil……………………………………………………………………………………...9<br />

Literatur- <strong>und</strong> Quelleverzeichnis………………………………………………………….…..10<br />

Abbildungsverzeichnis……………………………………………………………………......11<br />

1


Einleitung<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien sind zwei Nachbarstaaten im Südkaukasus, die sich bis zu Wolken<br />

erheben. Einige Gipfel liegen dort mehr als 5000 Meter über das Land. Auch die Menschen in<br />

diesen Ländern streben nach Höhen – errichtete mächtige Wehrtürme sind die Beweise da<strong>für</strong>.<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien sind Agrarländer, die durch ihre Exportware in osteuropäischer<br />

Region stets eine wichtige Rolle spielen <strong>und</strong> das, trotz der politischen Verhältnisse.<br />

Welche Besonderheiten hatte die Landnutzung im Kaukasus früher <strong>und</strong> wie funktioniert es<br />

heute? Das sind die Fragen, denen ich im folgenden Referat nachgehen werde.<br />

1. Voraussetzungen <strong>für</strong> die Landnutzung in Georgien <strong>und</strong> Armenien<br />

Georgien mit einer Fläche von 69700 km 2 <strong>und</strong> Armenien - 29800 km 2 gehören zu den<br />

Ländern der transkaukasischen Region. Georgien liegt am Schwarzen Meer zwischen der<br />

Russischen Föderation <strong>und</strong> der<br />

Türkei (Abb. 1). Im Südosten<br />

grenzt es an Aserbaidschan<br />

<strong>und</strong> Armenien. Im Gegensatz<br />

zu Georgien ist Armenien ein<br />

Binnenstaat, der keinen<br />

Zugang zum Meer hat. Es<br />

grenzt im Süden am Iran.<br />

Beide Länder sind sehr<br />

gebirgig, fast 90% ihrer Fläche<br />

ist mit Bergen <strong>und</strong><br />

Vorgebirgen bedeckt. So liegt<br />

Abb.1: Der Kaukasus<br />

Quelle: http://maps.grida.no<br />

etwa 90% des Territoriums in<br />

Armenien oberhalb 1000m über NN <strong>und</strong> 40% sogar oberhalb 2000m über NN. In Armenien<br />

besteht außerdem eine große Gefahr auf Erdbeben, weshalb lediglich nur ein Drittel seiner<br />

Staatsfläche bewohnt ist (vgl. Erdmann, K. &Heckel, T. 2003: S. 61-65).<br />

Die Klimazonen dieser Region dehnen sich von einem subtropisch-feuchten Klima an der<br />

Schwarzmeerküste bis zu einem trockenen <strong>und</strong> gemäßigten Kontinentalklima im Osten. Für<br />

dieses Gebiet sind kalter Winter <strong>und</strong> heißer, trocknerer Sommer charakteristisch. Die<br />

durchschnittliche Lufttemperatur variiert zwischen 15°C im Westgeorgien <strong>und</strong> 11-13°C im<br />

Osten. In Armenien können die Lufttemperaturen höhere Werte erreichen. Trotz<br />

2


ausgleichender Wirkung des Meeres verursachen die Hochgebirge extreme<br />

Temperaturschwankungen. Der durchschnittliche Niederschlag im Westen beträgt 3000mm,<br />

im Osten 400 – 800 mm (vgl. Erdmann, K. &Heckel, T. 2003: S. 61-65).<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien haben nicht genug Rohstoffe, um Schwerindustrie oder andere<br />

Bearbeitungsbereichen zu versorgen. Dieser Faktor führt zusammen mit guten<br />

Naturverhältnissen <strong>und</strong> alten Traditionen dazu, dass die Länder sich in Landwirtschaft <strong>und</strong><br />

Lebensmittelverarbeitung spezialisieren.<br />

2. Entwicklung der Landwirtschaft in kaukasischer Region<br />

2.1. Die Landproduktion im Überblick<br />

Die Landwirtschaft in Georgien <strong>und</strong> Armenien hat eine besondere <strong>und</strong> komplexe Struktur.<br />

Die von der Landwirtschaft benutzte Fläche in Georgien beträgt nur 16% vom<br />

Gesamtterritorium des Landes. Die<br />

Hauptanbauprodukte der Pflanzenanbau in<br />

Georgien sind Tee, Zitrusfrüchte, Tabak <strong>und</strong><br />

Wein, sowie Getreide <strong>und</strong> Gemüse; Blumen<br />

<strong>und</strong> Kräuter, z.B. Geranien, Basilikum, Jasmin,<br />

Bergamotte werden zur Gewinnung von<br />

Duftstoffen geerntet. Der Obst- <strong>und</strong><br />

Abb. 2: Obstmarkt<br />

Gemüseanbau sind die Lieferanten von<br />

Quelle: http://www.welt.de<br />

Mandarinen, Zitronen, Orangen, Kaki, Guave oder Feijoa, Oliven, Feigen, Granatäpfeln,<br />

Äpfeln, Birnen, Pfirsichen, Süßkirschen, Quitten etc (Abb. 2). In der westgeorgischen<br />

Landschaft Imeretien gibt es eine blühende Seidenindustrie. Eukalyptusbaum, von dem ca. 30<br />

Arten in Westgeorgien wachsen, hat gute Eigenschaften (vgl.<br />

Cheers G. 2008: S.188-190). Im Kaukasus <strong>und</strong> anderen<br />

georgischen Gebirgszügen entspringen einige Quellen, die<br />

<strong>für</strong> den Geschmack ihres Wassers berühmt sind. Das Wasser<br />

ist ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> hat dazu eine heilende Wirkung. In Georgien<br />

Abb. 3: Georgisches Heilwasser werden fast 2400 Mineralwässer produziert, von denen etwa<br />

Quelle: http://www.aktuell.ru<br />

500 bekannt sind. Zum Beispiel, das Wasser aus dem Kurort<br />

Bordschomi (Abb. 3) ist seit 1997 zum Exportschlager nach Russland, Europa <strong>und</strong> den USA<br />

geworden. Es wird bei Krankheiten des Magen-Darm-Traktes, bei Stoffwechselstörungen <strong>und</strong><br />

Herz- / Kreislauferkrankungen verwendet (vgl. Mineralwasser aus Georgien (2010):<br />

http://www.georgien.net/index.php?cmd=inhalt&link=esstrink/wasser.php).<br />

3


Auch <strong>für</strong> Armenien stellt die Landwirtschaft eine bedeutende Einkommensquelle dar. Dazu<br />

wird in diesem Land fast 45% der Gesamtfläche benutzt. Die bestellte Fläche nimmt davon<br />

nur etwa 20% ein. Große Ackerlandfelder<br />

liegen nur im Ararat-Tal, wo normalerweise 2-3<br />

Ernten pro Jahr eingebracht werden,<br />

hauptsächlich im Aras-Tal <strong>und</strong> in Tälern neben<br />

dem Sewansee. Die landwirtschaftlichen<br />

Flächen sind meistens privatisiert. Deswegen<br />

wird mehr als 90% der Produktion durch den<br />

privaten Anbau hergestellt <strong>und</strong> der größte<br />

Abb. 4: Armenische Spezialitäten<br />

Anteil davon <strong>für</strong> eigene Zwecke verbraucht.<br />

Quelle: http://www.welt.de<br />

Auf bewässerten Flächen im Aras-Tal <strong>und</strong> Jerewan werden Trauben, Mandeln, Feigen <strong>und</strong><br />

Oliven angebaut (Abb. 4). In größeren Höhen herrschen Äpfel, Birnen <strong>und</strong> Getreide vor.<br />

Armenien ist auch <strong>für</strong> seine Spirituosen (Kognak) <strong>und</strong> Weine bekannt. Der Melonenbau ist<br />

sowohl in Armenien, als auch in Georgien weit<br />

verbreitet (vgl. Cheers G. 2008: S.188-190).<br />

Eine große Rolle in der Landwirtschaft beider<br />

Länder spielt Viehwirtschaft. In Georgien<br />

werden Rinder, Schafe, Schweine <strong>und</strong> Geflügel<br />

gezüchtet. Auf den gebirgigen Weiden <strong>und</strong><br />

Tälern weiden etwa 1,5Mio Rinder <strong>und</strong> fast<br />

2Mio Schafe (Abb. 6). Viehwirtschaft in<br />

Abb. 6: Rinder pro 100 ha im Kaukasus<br />

Quelle: http://maps.grida.no<br />

Abb.5: Cattle Drive Tuscheti 2007<br />

Quelle: http://kaukasus.blogspot.com<br />

Georgien ist auf der Fläche sehr dicht<br />

verteilt. Die Schafzucht basiert auf<br />

natürliche Weiden <strong>und</strong> ist meistens in<br />

östlichen Gebieten, z.B. Kachetien, Kartli<br />

<strong>und</strong> in Gebirge verbreitet (Abb. 5).<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Mangels an Weideflächen<br />

werden im Winter h<strong>und</strong>erttausende von<br />

Schafen in den Nordkaukasus überholt.<br />

Viehwirtschaft in Armenien hat sich auf<br />

Milch- <strong>und</strong> Fleischviehzucht spezialisiert.<br />

Im Westen werden Rinder, im Osten –<br />

Schafe gezüchtet. Die Weidefläche<br />

4


eträgt etwa 25% von gemeinsamem Territorium (vgl. Probleme der Wirtschaftsentwicklung<br />

in Georgien (2000): http://bestreferat.com.ua/referat/detail-39030.html).<br />

Es soll gesagt werden, dass die Landwirtschaft in Georgien <strong>und</strong> Armenien zurzeit eine<br />

Erholungsphase erlebt. Diese Tatsache ist vor allem als eine schwerwiegende Folge der<br />

politischen Unabhängigkeit zu betrachten, denn das Zerbrechen der Sowjetunion verursachte<br />

viele Transformationen in der Wirtschaft dieser Länder. Die zahlreichen Kriegskonflikte (z.B.<br />

Abchasien <strong>und</strong> Südossetien in Georgien <strong>und</strong> Nagorno-Karabakh in Armenien) lassen keine<br />

Möglichkeit dazu, die ökonomische Entwicklung voranzubringen (vgl. Armenien (2002):<br />

http://www.sarinfo.org/armw/?c=hayastan&a=economics).<br />

2.2. Kaukasischer Teeanbau<br />

Tee gehört ursprünglich nicht zu den traditionellen Pflanzen, die in Georgien oder Armenien<br />

seit langer Zeit kultiviert wurden. Tee wurde in diese Region im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

hineingebracht. Die standörtlichen Bedingungen<br />

(Klima, Boden etc.) haben folglich die Bildung des<br />

Teeanbaus positiv beeinflusst. In sowjetischer Zeit<br />

wurden viele Teegärten angelegt. Damals waren<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien die größten Lieferanten von<br />

Tee in ganzer Republik. Heutzutage hat sich die Lage<br />

geändert, trotzdem bleiben diese Länder <strong>für</strong> ihre<br />

Teeproduktion bekannt. In Westgeorgien wird<br />

Abb. 7: Teeanbau in Georgien<br />

Schwarztee hergestellt, der eine hohe Qualität hat. Es Quelle: Hans-Heiner Buhr<br />

www.kaukasus-reisen.de<br />

wird aber selten exportiert, weil die Produktion häufig<br />

nicht höher ist als der Eigenverbrauch (vgl. Teeanbaugebiete (2002):<br />

http://www.cilia.de/html/anbaugebiet.html).<br />

In den kaukasischen Republiken ging die Teerproduktion aufgr<strong>und</strong> fehlender technischer <strong>und</strong><br />

logistischer Kapazitäten drastisch zurück. Erschwerend kam hinzu, dass der bis zum Anfang<br />

der 90er Jahre gut abgeschotteter Binnenmarkt <strong>für</strong> Tees aus Indien, Sri Lanka <strong>und</strong> inzwischen<br />

auch China geöffnet wurde <strong>und</strong> die einheimischen Sorten durch Importe verdrängt wurden.<br />

Zurzeit funktionieren in Georgien ca. 25 Teefabriken (es waren 132 Teefabrik in sowjetischer<br />

Zeit), mit einem Beschäftigungsgrad von 20 bis 25 %. Wegen solcher niedrigen Leistungen<br />

können die kaukasischen Länder der ausländischen Teeproduktion keine Konkurrenz machen<br />

(vgl. Mikeladze G. Faktoren, die Effektivität innovativer Technologien in Betriebe in<br />

5


postsowjetischen Staaten, bestimmen. http://www.warwick.ac.uk/fac/soc/complabstuds/russia<br />

/Mikeladze.doc).<br />

2.3. Traditioneller Weinanbau <strong>und</strong> seine Verbreitung<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien werden als die Wiege der Weinkultur angesehen. Laut einer Sage<br />

wurde die wilde Rebe erstmals in Georgien kultiviert <strong>und</strong> seit 7000 Jahren unter idealen<br />

klimatischen <strong>und</strong> geologischen Bedingungen<br />

gezüchtet (vgl. Weinbau <strong>und</strong> Weine in<br />

Georgien: http://www.weinintern.de/georgienweine.0.html).<br />

Nach einer anderen Legende<br />

stellt man Armenien als Heimatland des<br />

Weinbaus <strong>und</strong> der Weinbereitung – der Noah<br />

soll den ersten Weingarten im Plateau des<br />

Ararats eingepflanzt haben (vgl. Armenien in<br />

Kürze (2004): http://www.explorearmenia.net/<br />

Abb. 8:Versuchsweinberge in Kachetien<br />

Quelle: http://georgien.blogspot.com<br />

index.cfm?objectid=AC70E62F-3FFA-DEDF-<br />

93F8A28312F85E96).<br />

Heute ist Wein nicht nur ein Teil der Landwirtschaft, sondern auch des kulturellen<br />

Lebensstils <strong>und</strong> der traditionellen Gerichte, die ohne ihn unvollständig wären. In Georgien<br />

werden auf einer Fläche von ca. 100000ha etwa 500 verschiedene Rebenarten angebaut (es<br />

gibt insgesamt r<strong>und</strong> 4000 auf der ganzen Welt). Die geologischen <strong>und</strong> klimatischen<br />

Voraussetzungen in dieser Region lassen<br />

Wein zu einem der wichtigsten<br />

Exportartikel werden.<br />

In Georgien unterscheidet man vier<br />

verschiedene Weinbauregionen. Das sind:<br />

Kachetien – das Herzland vom Weinbau –<br />

im Südosten, Kartlien <strong>und</strong> Imeretien im<br />

Abb. 9: Geschenkwein aus Georgien<br />

Osten <strong>und</strong> Ratscha-Letschchumi, sowie<br />

Quelle: http://geowein.eu/<br />

Kwemo-Swanetien im Nordosten. Dabei<br />

stellen die Weinnamen die Anbaugebiete vor. Nach alter Tradition ist es untersagt, Weine<br />

miteinander zu verschneiden, was die Reinheit der Sorten <strong>und</strong> Anbaugebiete gewährleistet.<br />

Abchasien, Adscharien, Gurien <strong>und</strong> Mingrelien können zu einem fünften Bereich<br />

zusammengefasst werden. Im feuchten subtropischen Klima dieser Regionen werden vor<br />

6


allem Süßweine produziert (vgl. Wein Anbaugebiete (2010): http://www.georgischer-<br />

wein.de/wein-anbaugebiete.html).<br />

Die Unabhängigkeit Georgiens hat die Wirtschaft in Schwierigkeiten gebracht, weil die<br />

größte Handelspartner von Georgien Russland war. Davon ist auch die Weinproduktion<br />

betroffen, da es die wichtige Exportware ist. Durch unterschiedlichen politischen Kurs bleiben<br />

die Verhältnisse zwischen Russland <strong>und</strong> Georgien bis jetzt sehr verspannt. Im März 2006 hat<br />

Russland einen Einfuhrstopp <strong>für</strong> die georgischen Weine fortgesetzt. Eine zu höhe Belastung<br />

mit Pestiziden <strong>und</strong> Schwermetallen wurde als Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong> genannt. Um die Situation zu<br />

verbessern, hat die georgische Weinwirtschaft die Einhaltung bestimmter Standardkriterien<br />

vorausgesetzt. Zu diesen Kriterien zählen unter anderen die Angaben zum Anbaugebiet, der<br />

Herkunft der Trauben <strong>und</strong> zur Sortenreinheit. Viele der roten <strong>und</strong> weißen Weinsorten<br />

stammen vom größten Weingut des Landes, Teliani Valley in der Weinprovinz Kachetien,<br />

östlich von Tiflis. Eine Million Flaschen Rot- <strong>und</strong> Weißwein haben dort 2006 die<br />

Abfüllanlagen verlassen, <strong>für</strong> die nächsten Jahre erwartet das Weingut 1,5 Millionen Flaschen.<br />

Die Teliani-Weine haben in Georgien einen Marktanteil von 50%, vier von fünf Flaschen<br />

gehen aber nach wie vor ins Ausland – trotz des russischen Embargos (vgl. Weine aus<br />

Georgien (2010): http://www.georgien.bilder-album.com/Georgischer_Wein.html).<br />

Aufgr<strong>und</strong> seines Renommees ist der georgische Wein ein beliebtes Objekt der Weinpanscher<br />

<strong>und</strong> wird vor allem außerhalb des Landes im großen Stil gefälscht. Obwohl Georgien<br />

insgesamt nur r<strong>und</strong> 50 Millionen Flaschen Wein produzierte (2005), werden in Russland<br />

jährlich 100 Millionen Flaschen „georgischen“ Weines verkauft (vgl. Weinbau in Georgien<br />

heute (2010):http://www.georgischer-wein.de/weinanbau-heute.html).<br />

Armenien ist <strong>für</strong> seinen Rotwein, besonders<br />

„Areni“ berühmt. Dieser Wein wird aus<br />

Weintrauben von alten Weingärten gemacht,<br />

deren Geschichte bis zum Jahr 1000 v.Ch.<br />

zurückgeht. Armenische Unternehmen erzeugen<br />

mehr als ein Dutzend Weinbrandmarken, die nach<br />

der einmütigen Meinung von erfahrenen<br />

Verkostern gar nicht den weltberühmten Abb. 10: Armenischer Kognak<br />

Quelle: http://www.diamir.de<br />

französischen Weinbrandsorten nachstehen. Viele<br />

ihrer Etiketten zeigen die an internationalen Ausstellungen verliehenen Goldmedaillen an.<br />

Kognak wird in Armenien erst seit etwa h<strong>und</strong>ert Jahren produziert. Durch seinen besonderen<br />

Geschmack gewann er sehr schnell die Popularität in Russland <strong>und</strong> Europa <strong>und</strong> viele Kenner<br />

7


ziehen ihn selbst französischem Kognak vor. Die Armenier sagen, dass der einzigartige<br />

Geschmack ein Produkt der Besonderheiten des Landes ist – des Bodens, des Lichts <strong>und</strong> des<br />

Wassers. Heute wurde der Stolz der Armenier - die größten Kognakkonzerne - an<br />

ausländischen Investoren (Frankreich <strong>und</strong> USA) verkauft (Maksimenko O. 2001<br />

http://armenianews.narod.ru/Koniak.htm).<br />

3. Die Naturschutzgebiete<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien sind ein Teil vom Kaukasus – gebirgiger Landenge zwischen dem<br />

Schwarzen <strong>und</strong> dem Kaspischen Meer in<br />

der Grenzregion zwischen Europa <strong>und</strong><br />

Asien. Diese Region ist sehr artenreich<br />

<strong>und</strong> da<strong>für</strong> gibt es viele Gründe.<br />

Zum einen führt der enorme<br />

Höhenunterschied zwischen dem Kaspischen<br />

Meer, das 28 Meter unter dem globalen<br />

Meeresspiegel liegt, <strong>und</strong> den höchsten<br />

Abb. 11: Sonniger Blick auf den großen Kaukasus<br />

Quelle: http://www.bmz.de<br />

Bergketten dazu, dass die Region fast alle<br />

Klimazonen umfasst. Mehr als h<strong>und</strong>ert<br />

• 6.500 Gefäßpflanzen (ein Viertel endemisch)<br />

• 153 Säugetierarten (ein Fünftel endemisch)<br />

Landschaftstypen sind dort vertreten – von der • 400 Vogelarten (4 endemisch)<br />

Wüstenvegetation bis zum Eispanzer<br />

• 77 Reptilienarten (22 endemisch)<br />

• 16 Amphibienarten (4 endemisch)<br />

zahlreicher Gletscher. Zum anderen kreuzen • über 200 Fischarten (ein Drittel endemisch)<br />

sich im Kaukasus von alters her die Wege von Abb. 12: Die Artenvielfalt des Kaukasus<br />

Tierarten aus Europa, Zentralasien, dem<br />

Quelle: http://www.wwf.de<br />

Nahen Osten <strong>und</strong> Nordafrika. Jedes Jahr halten hier Millionen von Zugvögeln Rast, bevor sie zu ihren<br />

Winterquartieren aufbrechen. Hinzu kommt, dass die Kaukasusregion von der letzten Eiszeit verschont<br />

blieb. Deshalb konnten hier einige altertümliche Pflanzenarten, die noch aus dem vor zwei Millionen<br />

Jahren endenden Erdzeitalter des Tertiärs stammen, in isolierten Gegenden überdauern. Einige der<br />

endemischen Arten sind also Relikte der Evolution (Projekt Kaukasus (2008):<br />

http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/<strong>pdf</strong>_neu/Projektblatt_Kaukasus.<strong>pdf</strong>.).<br />

Die Naturschutzgebiete in Georgien machen aber weniger als 5% des Landes aus, in<br />

Armenien ist der Anteil noch kleiner. Die größten Nationalparke sind Tuscheti, Waschlowani,<br />

Lagodechi <strong>und</strong> Borjomi-Kharagauli. Beiderseits der Grenze von Georgien <strong>und</strong> Armenien liegt<br />

ein Javakheti-Gebiet, das eine ganz besondere Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt darstellt.<br />

8


Schlussteil<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien, die kleinen Länder am Südrand des Kaukasus, zeigen grandiose<br />

Landschaften zwischen Gebirge <strong>und</strong> Meer, sowie eine legendär gastfre<strong>und</strong>liche Bevölkerung<br />

mit eigenen Traditionen. Die Landnutzung ist hier wegen der Gebirge teilweise begrenzt. Die<br />

Bevölkerung konzentriert sich deshalb auf die Küsten, Vorgebirge <strong>und</strong> Täler. Zurzeit wird es<br />

hauptsächlich in der Getränkeindustrie investiert. Es werden Weine <strong>und</strong> andere alkoholische<br />

Getränke produziert. Weine aus Georgien <strong>und</strong> Armenien sind durch hohe Qualität<br />

gekennzeichnet. Die Georgier sagen, dass man auch beim Genuss größerer Mengen, nie einen<br />

schweren Kopf am nächsten Tag bekommt. Die Region bleibt der größte Anbieter von<br />

Zitrusfrüchten <strong>und</strong> vom Obst <strong>für</strong> die GUS-Länder. Solche Branchen wie die Käseherstellung<br />

<strong>und</strong> die Erzeugung weiterer Milchprodukte befinden sich in der Entwicklungsphase.<br />

9


Literaturverzeichnis<br />

Armenien (2002) / Der Zentralrat der Armenier in Russland.<br />

http://www.sarinfo.org/armw/?c=hayastan&a=economics (20.06.2010).<br />

CHEERS, G. 2008: Geographica: Weltatlas mit Länderlexikon Aktualisierte Deutsche<br />

Ausgabe, Tandem Verlag GmbH, Seite 188-190.<br />

ERDMANN, K. & HECKEL, T. 2003: Armenien<br />

In: Geografische R<strong>und</strong>schau, Band 55, Heft N9, Seite 61-65<br />

Franzen H.-J. Weinbau <strong>und</strong> Weine in Georgien:<br />

http://www.weinintern.de/georgien-weine.0.html (20.06.2010)<br />

Maksimenko O. 2001: Die Geschichte des armenischen Kognaks.<br />

http://armenianews.narod.ru/Koniak.htm (20.06.2010)<br />

Mikeladze G. Faktoren, die Effektivität innovativer Technologien in Betriebe in<br />

postsowjetischen Staaten, bestimmen.<br />

http://www.warwick.ac.uk/fac/soc/complabstuds/russia/Mikeladze.doc (20.06.2010)<br />

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http://www.georgien.net/index.php?cmd=inhalt&link=esstrink/wasser.php (20.06.10)<br />

Probleme der Wirtschaftsentwicklung in Georgien (2000) / Referatsbank.<br />

http://bestreferat.com.ua/referat/detail-39030.html (20.06.2010)<br />

Projekt Kaukasus (2008) / WWF Deutschland.<br />

http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/<strong>pdf</strong>_neu/Projektblatt_Kaukasus.<strong>pdf</strong>. (20.06.10)<br />

Reul, G 2006: Dezentralisation in Armenien<br />

In: Geographische R<strong>und</strong>schau, Band 58, Heft 3, Seite 3-16<br />

Russischer Samowartee (2005). http://www.tee-import.de/kulturen/russland.htm (20.06.2010)<br />

Teeanbaugebiete (2002). http://www.cilia.de/html/anbaugebiet.html (20.06.2010)<br />

Wein Anbaugebiete (2010) / Georgischer Wein, Kai Kehrer, Tübingen.<br />

http://www.georgischer-wein.de/wein-anbaugebiete.html (20.06.2010)<br />

Weinbau in Georgien heute (2010) / Georgischer Wein, Kai Kehrer, Tübingen<br />

http://www.georgischer-wein.de/weinanbau-heute.html (20.06.2010)<br />

Weine aus Georgien (2010) / Georgien Bildergalerie.<br />

http://www.georgien.bilder-album.com/Georgischer_Wein.html (20.06.2010)<br />

10


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Environmental Knowledge for Change. Der Kaukasus.<br />

http://maps.grida.no/go/graphic/the-caucasus-ecoregion-topographic-map (20.06.2010)<br />

Abbildung 2: Welt online. Obstmarkt<br />

http://www.welt.de/multimedia/archive/00884/reise_armenien_obst_884500g.jpg<br />

(20.06.2010)<br />

Abbildung 3: Russland Aktuell. Georgisches Heilwasser<br />

http://www.aktuell.ru/russland/wirtschaft/handelskrieg_georgisches_heilwasser_ins_abw<br />

asser_1382.html (20.06.2010)<br />

Abbildung 4: Welt online. Armenische Spezialitäten<br />

http://www.welt.de/multimedia/archive/00884/reise_armenien_sues_884496g.jpg<br />

(20.06.2010)<br />

Abbildung 5: Cattle Drive Tuscheti 2007<br />

http://kaukasus.blogspot.com/2007_10_01_archive.html (20.06.2010)<br />

Abbildung 6: Environmental Knowledge for Change. Rinder pro 100 ha im Kaukasus<br />

http://maps.grida.no/go/graphic/cattle-in-the-caucasus-ecoregion (20.06.2010)<br />

Abbildung 7: Teeanbau in Georgien. Hans-Heiner Buhr<br />

www.kaukasus-reisen.de (20.06.2010)<br />

Abbildung 8: Georgia & South caucasus. Versuchsweinberge in Kachetien.<br />

http://georgien.blogspot.com/2006/06/weinbau-in-georgien-versuchsweinberge_26.html<br />

(20.06.2010)<br />

Abbildung 9: Wein aus Georgien. Geschenkwein aus Georgien.<br />

http://geowein.eu/ (20.06.2010)<br />

Abbildung 10: Reisebericht Diamir. Armenischer Kognak.<br />

http://www.diamir.de/index.php?location=reisebericht&reiseid=641&id=203<br />

(20.06.2010)<br />

Abbildung 11: B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung.<br />

Sonniger Blick auf den großen Kaukasus.<br />

http://www.bmz.de/de/service/infothek/fach/materialien (20.06.2010)<br />

Abbildung 12: WWF Deutschland Die Artenvielfalt des Kaukasus.<br />

http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/<strong>pdf</strong>_neu/Projektblatt_Kaukasus.<strong>pdf</strong> (20.06.2010)<br />

11


Stadtführung Jerevan mit kulturhistorischem<br />

Überblick zu Armenien <strong>und</strong> Stadtführung Batumi<br />

Moritz Schilling<br />

Armenien<br />

Kulturhistorischer Überblick zu Armenien<br />

Völkermord an den Armeniern<br />

Armenien ist im Laufe der Geschichte mehrmals von Großmächten geteilt <strong>und</strong> beherrscht<br />

worden. Die Unterdrückung des armenischen Volkes in Westarmenien fand Anfang des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts, während des Ersten Weltkriegs, ihren Höhepunkt. Die Armenier wurden aus<br />

dem Militärdienst entlassen <strong>und</strong> wurden – jetzt unbewaffnet – von den türkischen<br />

Machthabern drangsaliert. Ab 1915 wurden Armenier verhaftet, hingerichtet <strong>und</strong> ein<br />

Großteil der armenischen Bevölkerung in die syrische Wüste deportiert. Dabei fanden 1,5<br />

Millionen Armenier den Tod. Retten konnten sich nur die, die ins Ausland oder ins<br />

armenische Hochland flüchteten. Das geschwächte Volk konnte sich ab 1919, mit<br />

Unterstützung der Nachbarstaaten Georgien <strong>und</strong> Aserbaidschan, nur kurz in einem<br />

unabhängigen Staat wiederfinden, bevor die Republik Armenien von sowjetischen<br />

Bolschewiken eingenommen <strong>und</strong> 1922 von der Sowjetunion einverleibt wurde. Nach dem<br />

Zusammenbruch der UdSSR bildete sich am 12. September 1991 die freie unabhängige<br />

Republik Armenien. Nach wie vor sind die Völkermorde der Türkei, zu Zeiten des Ersten<br />

Weltkriegs, ein Thema in der armenischen Politik <strong>und</strong> Armenien kämpft um die<br />

internationale Anerkennung der Gräueltaten als Genozid. (Dum-Tragut, S. 54-55)<br />

Berg-Karabach-Konflikt<br />

Das Gebiet Berg-Karabach gehörte lange Zeit zu Armenien, war aber im Laufe der Geschichte<br />

immer wieder Teil verschiedener Großreiche, wie dem Osmanischen Reich <strong>und</strong> dem<br />

Zarenreich. Zur Zeit des Völkermordes an den Armeniern flüchteten Armenier nach Berg-<br />

Karabach zu ihren Landsleuten. Der Nachbarstaat Aserbaidschan, auf dessen Staatsgebiet<br />

sich Berg-Karabach befand <strong>und</strong> heute noch befindet, wurde 1920 sowjetisch <strong>und</strong> sollte unter<br />

anderem diese Region an Armenien abtreten. Aserbaidschan gab dieser sowjetischen<br />

Forderung allerdings nicht nach <strong>und</strong> behielt Berg-Karabach ein. Bis in die 1960er Jahre, als es<br />

zu vereinzelten Gewalttaten <strong>und</strong> Bewegungen gegen die Armenier in Berg-Karabach kam,<br />

gab es keine größeren Konflikte zwischen Armeniern in Berg-Karabach <strong>und</strong> der Bevölkerung<br />

in Aserbaidschan. 1988 ereignete sich das Massaker von Sumgait, das sowohl in Berg-<br />

Karabach, als auch in Armenien selbst zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führte. Am 2.<br />

September 1991 gründete sich die unabhängige Republik Berg-Karabach, welche allerdings<br />

weder von aserbaidschanischer, noch von internationaler Seite anerkannt wurde. Für<br />

1


Aserbaidschan bedeutet die Republik Berg-Karabach einen Verlust von landwirtschaftlicher<br />

Fläche, sowie ein Problem bezogen auf eine geplante Ölpipeline, die auf diesem Gebiet<br />

verlaufen soll. (Dum-Tragut, S. 62)<br />

Stadtführung Jerevan<br />

Die Hauptstadt Armeniens hat etwa 1,2 Millionen Einwohner, verfügt über einen<br />

internationalen Flughafen <strong>und</strong> eine U-Bahn Linie. Jerevan liegt an den Ufern des Flusses<br />

Hrazdan auf 950 bis 1200 ü. NN. (Dum-Tragut, S. 100,148) Das Zentrum der Stadt kann man<br />

am besten, ausgehend vom Platz der Republik „Hanrapetuthjan hraparak“, zu Fuß erk<strong>und</strong>en.<br />

Dieser zentrale Platz ist umringt vom Hotel Armenia Mariott, das zu den besten Hotels des<br />

Landes gehört, dem Postamt <strong>und</strong> verschiedenen Regierungsgebäuden an den östlichen <strong>und</strong><br />

westlichen Seiten des Platzes. (Dum-Tragut, S. 103) Verlässt man den Platz in Richtung<br />

Südwesten, vorbei an der Stepan Shahumian Säule, <strong>und</strong> biegt am Shahumian Platz nach<br />

rechts ab, stößt man zwei Straßen weiter auf der linken Seite auf die persische Moschee. Die<br />

blaue Moschee wurde mit Unterstützung der iranischen Vertretung in Jerevan restauriert, ist<br />

in Betrieb <strong>und</strong> befindet sich in sehenswertem Zustand. Gleich gegenüber liegt der Markt von<br />

Jerevan. Nicht nur in der Markthalle, sondern auch auf den Gehwegen <strong>und</strong> Gassen um die<br />

Markthalle bieten Händler ihre Waren an <strong>und</strong> lassen einen Einblick in die armenische Kultur<br />

zu. (Dum-Tragut, S. 108) folgt man den Maschtots‘ Boulevard weiter in Richtung Südwesten,<br />

vorbei an der Kirche Surb Sarkis, gelangt man an das Ufer des Hrazdan. Auf der<br />

gegenüberliegenden Flussseite finden sich die Kognakfabrik von Jerevan, sowie das Hrazdan-<br />

Stadion. Die Verlängerung des Maschtots‘ Boulevard führt als Haghthanak-Straße über eine<br />

200m lange, massive Dreibogenbrücke. Sie heißt Haghthanak-Brücke (Siegesbrücke) <strong>und</strong><br />

wurde 1945 als Triumphbogen zur Erinnerung an den Sieg über die Faschisten gebaut. (Dum-<br />

Tragut, S. 109-111) Folgt man dem Maschtots‘ Boulevard nun in die entgegengesetzte<br />

Richtung, vorbei am Azatuthjan hraparak, dem Freiheitsplatz <strong>und</strong> der Oper, stößt man auf<br />

den Marschall-Baghramjan-Boulevard, die Prachtstraße Jerevans. Hier sind sowohl einige<br />

Botschaften, als auch die amerikanische Universität <strong>und</strong> das armenische Parlament zu<br />

finden. Besonders sehenswert ist auch die sogenannte Kaskade, die sich hinter dem<br />

Tamanjan-Denkmal über eine marmorweiße Stiege 100m aufwärts erstreckt. Von oben hat<br />

man einen großartigen Blick über die Stadt <strong>und</strong> auf den leicht außerhalb, nordöstlich<br />

gelegenen Siegespark. (Dum-Tragut, S. 105,115) Der Siegespark dient den Jerevanern, mit<br />

seinen Spazierwegen durch Grünflächen <strong>und</strong> künstlich angelegten Seen, als<br />

Naherholungsgebiet. (Dum-Tragut, S. 117)<br />

2


Stadtplan Jerevan<br />

Abbildung 1 Stadtplan Innenstadt Jerevan (Dum-Tragut, S. 433)<br />

3


Georgien: Batumi <strong>und</strong> Adscharien<br />

Geschichte der Region Adscharien<br />

Adscharien war einst griechische Kolonie <strong>und</strong> gehörte ab dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert zum<br />

Osmanischen Reich. 1873 wurde die Region an das zaristische Russland angegliedert, ging<br />

allerdings kurz darauf, im Jahr 1918, an die Türkei zurück. Nach einer Besetzung durch<br />

englische Truppen 1919 ging die Region Adscharien, mit Batumi als Hauptstadt, 1921 an die<br />

Sowjetunion. Dabei wurde die Adscharische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik<br />

innerhalb Georgiens gegründet. (Kriegenherdt, S. 269) Nach dem Zusammenbruch der<br />

Sowjetunion verfiel Georgien in die schwerste Krise aller UdSSR Nachfolge Staaten <strong>und</strong> die<br />

Wirtschaft brach unter einer Hyperinflation zusammen. (Schröter, S. 45-46) 1990 bzw. 1991<br />

kommt es, unter dem autokratischen Regime von Aslan Abaschidse, zur Abspaltung<br />

Adschariens von Georgien. Abaschidses Regime sorgte <strong>für</strong> die Unterdrückung politischer<br />

Gegner durch seine paramilitärischen Privattruppen. Vor allem in Adscharien, unter<br />

Abaschidses Regime, aber auch in anderen Regionen von Georgien herrschte hohe<br />

Korruption, von der sich Georgien nur langsam lösen konnte. (Kriegenherdt, S. 270)<br />

Steuereinnahmen sorgten <strong>für</strong> einen wirtschaftlichen Aufschwung, trotzdem hat Georgien die<br />

höchste Arbeitslosenquote aller postsowjetischen Staaten. Erst 2004 kam es zu regulären<br />

Wahlen, bei denen die Partei des heutigen georgischen Präsidenten Michail Sakaschwili, die<br />

Mehrheit erhielt. Die Autonomie Adschariens wurde eingeschränkt, die Grenzen zu Georgien<br />

geöffnet <strong>und</strong> Abaschidse flüchtete ins Exil. (Kriegenherdt, S. 270) Der Konflikt mit Russland,<br />

um die abtrünnigen Regionen Südossetien <strong>und</strong> Abchasien, führte 2006 dazu, dass Georgien<br />

seinen mit Abstand größten Exportmarkt - Russland - verlor. Die neuen Handelspartner sind<br />

die Türkei, Aserbaidschan, die Ukraine, sowie Deutschland. Die bisherige Ausrichtung des<br />

Exports nach Norden hat sich in den Süden gekehrt. Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist auch die Pipeline<br />

Baku-Tiflis-Ceyhan. (Schröter, S. 46-48) Ethnisch betrachtet sind die Adscharer aufgr<strong>und</strong> der<br />

Geschichte Georgier, aber religiös unterscheiden sie sich als sunnitische Muslime von den<br />

mehrheitlich christlichen Georgiern in anderen Landesteilen. (Kriegenherdt, S. 269)<br />

Geschichte der Stadt Batumi<br />

In der Geschichte nahm die Stadt Batumi verschiedene Bedeutungen an, die Hafenstadt war<br />

aber seit jeher wichtig <strong>für</strong> den Export von Waren in andere Staaten. Um 1870 war Batumi<br />

Exportzentrum <strong>für</strong> Baumwolle, Holz <strong>und</strong> Manganerz. 1883 wurde die Hafenstadt an die<br />

Transkaukasische Eisenbahn angeschlossen <strong>und</strong> später mit Hilfe einer Pipeline aus Baku am<br />

Kaspischen Meer zum Umschlagplatz <strong>für</strong> Erdöl.<br />

Heute bildet Batumi den Haupthafen Georgiens. Unter anderem wird Erdöl aus<br />

Aserbaidschan in der Nähe Batumis raffiniert <strong>und</strong> exportiert. Desweiteren werden Tee <strong>und</strong><br />

Zitrusfrüchte über den Hafen exportiert. Mit dem Machtwechsel von Abaschidses Regime zu<br />

Sakaschwili entspannte sich die politische Lage in Adscharien <strong>und</strong> damit auch in Batumi. Seit<br />

2004 stärken zum Teil ausländische Investoren die Infrastruktur Batumis <strong>und</strong> der Region<br />

Adscharien. Beispielsweise haben türkische Investoren den Flughafen von Batumi 2007<br />

modernisiert. Seit dem Machtwechsel in Adscharien wurde der Tourismussektor zunehmend<br />

4


ausgebaut. So finden sich in Batumi etwaige Hotelneubauten. (Kvastiani, Spolanski, &<br />

Sternfeldt, S. 273-274) Batumi zählt 1 Million Besucher im Jahr, unter denen, neben<br />

Georgiern selbst, hauptsächlich Türken <strong>und</strong> Armenier sind. Der Aufschwung der letzten Jahre<br />

wurde nur 2008 durch den Krieg zwischen Russland <strong>und</strong> Georgien negativ beeinflusst.<br />

Stadtführung Batumi<br />

Der Name der Hafenstadt Batumi kommt von Batius Liman aus dem Griechischen <strong>und</strong><br />

bedeutet tiefe Bucht, was die Lage der Stadt auf einer flachen Halbinsel 3m über NN am<br />

Schwarzen Meer verdeutlichen soll. Die Zahl der Einwohner liegt bei ca. 100000 <strong>und</strong> ist<br />

damit vergleichbar mit Erlangen. Die Lage Batumis führt zu einem subtropischen Klima mit<br />

hoher Luftfeuchtigkeit. Die wärmsten Monate sind Juli <strong>und</strong> August. (Kriegenherdt, S. 271)<br />

Batumi ist schachbrettartig aufgebaut <strong>und</strong> lässt sich in zwei Stadtteile teilen. Der hektische,<br />

moderne Teil im Norden der Stadt, in dem sich der Markt, der Hafen <strong>und</strong> der Bahnhof<br />

befinden, sowie die historische Altstadt im Süden. Dort befinden sich Theater, Museen <strong>und</strong><br />

die Verwaltung der Stadt bzw. der Region <strong>und</strong> damit der sehenswerte Teil der Innenstadt.<br />

(Kriegenherdt, S. 274)<br />

Bei einer Stadtführung im Uhrzeigersinn durch die Innenstadt von Batumi kann man alle<br />

Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigen. Batumi besitzt einen Stadtstrand, der wie alle<br />

Strände der Ost- <strong>und</strong> Nordküste des Schwarzen Meeres aus Kieselsteinen besteht. Dort<br />

befindet sich die sehenswerte Strandpromenade, die parallel zur Ninoschwilli-Straße<br />

verläuft. Sie ist von ausländischen Sponsoren neu gebaut worden <strong>und</strong> vermittelt mit ihren<br />

Palmenreihen ein südliches Flair. Am westlichen Ende der Strandpromenade in der<br />

Ninoschwilli-Straße befindet sich das Meeresmuseum „Aquarium“. Folgt man von dort der<br />

Rustaweli-Straße in Richtung Osten findet man an der Gamsachurdia-Straße ein<br />

Lebensmittelgeschäft mit orientalischem Flair, das aus dem 20. Jahrh<strong>und</strong>ert stammt.<br />

Berühmt ist Batumi auch <strong>für</strong> seinen Kaffee, der in verschiedenen Straßencafés,<br />

beispielsweise gegenüber dem Fischereihafen in der Gogebaschwilli-Straße, zubereitet wird.<br />

Dieses Relikt orientalischer Kultur ist der Türkischen Besatzung zu verdanken. (Kvastiani,<br />

Spolanski, & Sternfeldt, S. 296-298) Ebenfalls in der Gogebaschwilli-Straße befindet sich eine<br />

Moschee. Eine katholische Kirche, im Stil der baltischen Gotik, in der seit der Sowjetzeit<br />

georgisch-orthodoxe Gottesdienste abgehalten werden befindet sich westlich der Moschee,<br />

nahe dem Busbahnhof, an der Tschawtschawadse-Straße. (Kriegenherdt, S. 276) Zentral<br />

gelegen finden sich das Adscharische Staatsmuseum, sowie ein Kunstmuseum. (Kvastiani,<br />

Spolanski, & Sternfeldt, S. 296-298)<br />

5


Stadtplan Batumi<br />

Abbildung 2 Stadtplan Batumi (Kvastiani, Spolanski, & Sternfeldt, S. 296)<br />

Literaturverzeichnis<br />

Dum-Tragut, J. (2008). Armenien 3000 Jahre Kultur zwischen Ost <strong>und</strong> West. Berlin: Trescher<br />

Verlag.<br />

Kriegenherdt, M. (2008). Georgien Handbuch <strong>für</strong> individuelles entdecken. Bielefeld: Reise<br />

Know-How Verlag.<br />

Kvastiani, T., Spolanski, V., & Sternfeldt, A. (2010). Georgien Unterwegs zwischen Kaukasus<br />

<strong>und</strong> Schwarzem Meer. Berlin: Trescher Verlag.<br />

Schröter, L. (06 2009). Batumis verblasster Glanz. NZZ Folio , S. 45-48.<br />

6


Klimadifferenzierung Georgiens <strong>und</strong> Armeniens<br />

Nina Eichholz<br />

1. Großräumige klimatische Einordnung<br />

Das Klima einer Region wird bestimmt durch verschiedene Klimafaktoren. Hierzu zählen die Lage<br />

innerhalb der atmosphärischen Zirkulation (Geographische Breite), die Land-Meer-Verteilung sowie<br />

das Relief. Um eine klimatische Differenzierung Georgiens <strong>und</strong> Armeniens vorzunehmen, muss<br />

zunächst die Ausprägung dieser Faktoren innerhalb der Region untersucht werden.<br />

1.1. Lage innerhalb der atmosphärischen Zirkulation<br />

Im Sommer steht die gesamte Kaukasusregion, welche zum nördlichen Rand der Subtropen zählt,<br />

unter dem Einfluss des subtropischen Hochdruckgürtels (WEISCHET 2000: 345). Zu dieser<br />

Jahreszeit herrscht eine west-östliche Luftmassenversetzung vor, wobei östliche Ausläufer des<br />

Azorenhochs eine entscheidende Rolle spielen (FRANZ 1973: 215).<br />

Im Winter dominiert der Einfluss von westlichen Ausläufern des asiatischen Kältehochs, wodurch es<br />

zu östliche Luftströmungen kommt. Allerdings dürfen auch Westwindeinflüsse aus der<br />

außertropischen Westwindzone nicht unterschätzt werden. Dadurch kommt es über dem<br />

Suramigebirge, welches eine Klimascheide im Zentrum des Transkaukasischen Tieflands bildet,<br />

häufig zum Zusammentreffen von maritimen Luftmassen aus Westen <strong>und</strong> kontinentalen Luftmassen<br />

aus Osten (WEISCHET 2000: 346).<br />

Da die Luftströmungen der höheren Troposphären Schichten das gesamte Jahr über aus westlicher<br />

Richtung kommen, ist das Schwarze Meer weitaus klimaprägender als das Kaspische Meer, sodass<br />

der Westen des Südkaukasischen Tieflandes (Kolchis-Ebene) vor allem durch maritime<br />

Klimabedingungen geprägt ist, während der Osten (Kura-Becken) kontinentalere Verhältnisse<br />

vorzuweisen hat (LYDOLPH 1977: 193). Hierauf wird in Kapitel 3 näher eingegangen werden.<br />

Eine große Rolle spielen auch lokale Luftdruckgebilde, wie zum Beispiel über dem vom maritimen<br />

Einfluss isolierten Armenischen Plateau. Hier bildet sich im Winter, aufgr<strong>und</strong> der hohen<br />

Ausstrahlung, ein lokales Hochdruckgebiet, im Sommer, durch die enorme Erwärmung des<br />

Plateaus, en lokales Tiefdruckgebiet aus (vgl. Kapitel 4) (LYDOLPH 1977: 193).<br />

1.2. Einfluss des Reliefs auf die Klimabedingungen<br />

Die enorme Vielseitigkeit der Landschaftsformen der Kaukasusregion, von Hochgebirge (Kaukasus,<br />

Hochland von Armenien) bis Küstenebene (Schwarzes Meer, Kaspisches Meer) bedingt zugleich<br />

die Ausbildung verschiedenster Klimate auf engstem Raum.<br />

Die stärksten Auswirkungen auf das Klima Georgiens <strong>und</strong> Armeniens haben die Gebirgsketten des<br />

großen Kaukasus, welche sich von der Nordostküste des Schwarzen Meeres in ost-südöstliche<br />

Richtung bis zum Kaspischen Meer erstrecken. Sie wirken zum Einen als Luftmassengrenze<br />

zwischen Norden <strong>und</strong> Süden, zum Anderen bilden sie entlang ihrer Hänge klimatische Höhenstufen<br />

aus. Im Winter können die kalten Luftmassen aus Norden, aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Mächtigkeit, das<br />

Gebirgsmassiv nicht überwinden, während die bis zu 6000m mächtigen warmen Luftmassen im<br />

Sommer das Gebirge in beide Richtungen überschreiten können (LYDOLPH 1977: 191).<br />

Eine weitere Klimascheide der Region bildet das annähernd meridional verlaufende Suramigebirge,<br />

welches trotz seiner geringen Höhe (nicht höher als 1000m) den maritim geprägten westlichen Teil<br />

des Südkaukasischen-Tieflandes (Kolchis-Tiefland, Georgien), welcher vor allem durch den Einfluss


des Schwarzen Meeres gekennzeichnet ist, vom kontinental geprägten östlichen Teil (Kura-Becken,<br />

Aserbeidschan) trennt (LYDOLPH 1977: 191).<br />

Im Süden wird das Transkaukasische-Tiefland von den Gebirgsketten des Kleinen Kaukasus<br />

eingegrenzt, welche, wie der Name bereits erahnen lässt, zwar von geringerer Höhe sind als die<br />

des Großen Kaukasus, <strong>für</strong> die klimatischen Bedingungen der Region, <strong>und</strong> speziell Armeniens,<br />

jedoch ebenfalls von großer Bedeutung sind. Äquatorwärts schließt sich das vulkanische<br />

Hochplateau von Armenien an.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser topographischen Untergliederung der Region (vgl. Abbildung 1) in Großen<br />

Kaukasus, Transkaukasisches Tiefland, Kleinen Kaukasus <strong>und</strong> Hochland von Armenien folgt<br />

anschließend die klimatische Differenzierung Georgiens <strong>und</strong> Armeniens. Diese Untergliederung<br />

erfolgt weitgehend in Anlehnung an die Arbeiten von LYDOLPH, welcher bereits im Jahre 1977 eine<br />

ausführliche klimatische Gliederung Kaukasiens vornahm, <strong>und</strong> wird durch die Arbeiten von<br />

SCHÄFER aus dem Jahr 2003 ergänzt.<br />

Abbildung 1: Untergliederung der Region nach Landschaftsformen: I) Großer Kaukasus, II) Kolchis-Tiefland, III)<br />

Kura-Becken, IV) Armenisches Hochland <strong>und</strong> Kleiner Kaukasus<br />

Quelle (verändert nach): http://unsichtbarehand.wordpress.com/2008/08/09/krieg-im-kaukasus-der-konflikt-um-sudossetien/<br />

2. Klimagradienten des Großen Kaukasus<br />

2.1. Nord-Süd-Gradient<br />

Das Kaukasusgebirge wirkt durch seine West-Osterstreckung <strong>und</strong> seine Höhe – mit Pässe meist<br />

über 2500m (LYDOLPH 1977: 191) – als Klimascheide zwischen winterkalten gemäßigten Breiten im<br />

Norden <strong>und</strong> subtropischen Klimaten im Süden (BURGA et al. 2004: 127). Diese unterschiedlichen<br />

Klimatypen bewirken auch eine klimatische Differenzierung zwischen Nordabdachung <strong>und</strong><br />

Südabdachung des Großen Kaukasus, deren Unterschiede sich erst oberhalb der 2000m Marke<br />

auflösen (FRANZ 1973: 215-216). Die Winter sind entlang der Nordabdachung schneereicher <strong>und</strong><br />

1


kälter, als an der Südabdachung. Damit entspricht das Klima in dieser Region weitgehend den<br />

vorgelagerten winterkalten Steppen Russlands (KLOTZ 1989: 174).<br />

Insgesamt ist die Südabdachung feuchter als die Nordabdachung, da die leicht Südost-exponierten<br />

Hänge die Luv-Seite <strong>für</strong> die im Winter aus Westen kommenden Zyklone der Westwindzone bilden,<br />

welche sich vor allem im Westen des Gebirges abregnen. Aufgr<strong>und</strong> der starken Erwärmung spielen<br />

auch Konvektionsniederschläge eine bedeutende Rolle. So können im Südosten des Großen<br />

Kaukasus in Hochlagen mehr als 3000-4000mm Jahresniederschlag gemessen werden (FRANZ<br />

1973: 216).<br />

Die Nordseite des Kaukasus ist, abgesehen von den Regionen nahe der Schwarz Meer Küste,<br />

deutlich kontinentaler als die Südabdachung uns das Niederschlagsmaximum liegt im Sommer. Im<br />

Winter drücken arktische Kaltluftvorstöße die Temperatur bis auf -25°C (LYDOLPH 1977: 207).<br />

Unter diesen Bedingungen bilden sich nicht selten Temperaturinversionen, die den vertikalen<br />

Luftmassenaustausch verhindern (KLOTZ 1989: 174). Diese entstehen dadurch, dass kalte<br />

Luftmassen aus einem im nördlichen Kaukasusvorland gebildeten Hochdruckgebiet gegen das<br />

Gebirge gedrückt werden. Die geringe Mächtigkeit dieser Kaltluftmassen bewirkt, dass die<br />

Lufttemperatur in höheren Lagen wärmer ist, als in tieferen Schichten. Innerhalb dieser<br />

Inversionsschicht bilden sich häufig Nebel, Nieselregen <strong>und</strong> kleinere Wolken.<br />

2.2. West-Ostgradient<br />

Auch die klimatischen Unterschiede zwischen West- <strong>und</strong> Ostkaukasus sind erheblich. Da in den<br />

Hochlagen des Gebirges die Zirkulationsprozesse der höheren Schichten der Troposphäre<br />

entscheidend sind, spielen hier das ganze Jahr über vor allem westliche Luftströmungen eine<br />

wichtige Rolle (FRANZ 1973: 215). So zeichnet sich das Klima im Westen durch maritime<br />

Verhältnisse, mit geringeren Temperaturschwankungen zwischen Sommer <strong>und</strong> Winter aus,<br />

während man im Osten, trotz der Nähe zum Kaspischen Meer, dessen Einfluss durch die westlichen<br />

Luftströmungen weitaus geringer ist, eine erhöhte Kontinentalität des Klimas, mit stärkeren<br />

Jahresschwankungen der Temperatur vorfinde (MECKELEIN 1951: 53).<br />

Dies macht sich auch bei den hygrischen Bedingungen bemerkbar. Der westliche Kaukasus, <strong>und</strong><br />

hier vor allem die Südabdachung, zeichnet sich durch milde feuchte Winter sowie heiße Sommer<br />

mit hoher Luftfeuchtigkeit aus. Die winterlichen Niederschläge fallen meist als Starkregen, ausgelöst<br />

durch aufsteigende maritime Luftmassen in höhere Gebirgslagen (bis 4000mm). Nach Osten hin<br />

nehmen die Niederschläge sowohl an Nord- als auch an Südabdachung massiv ab <strong>und</strong> erreichen<br />

teilweise lediglich noch Werte von 400mm, wodurch die Verhältnisse hier deutlich arider sind<br />

(KLOTZ 1989: 175).<br />

Vereinfacht lässt sich sagen, der große Kaukasus lässt sich in drei Klimatypen einteilen: immer<br />

feuchtes Klima im Westkaukasus (mit Niederschlagsmaxima im Südwesten bis 3000mm), gemäßigt<br />

feuchtes Klima im Zentralkaukasus <strong>und</strong> eher kontinentales Klima in Teilen des Ostkaukasus<br />

(BURGA 2004: 127).<br />

2.3. Höhengradient<br />

Der vertikale Temperaturgradient ist vor allem an der Nordabdachung des Kaukasus, durch die<br />

häufigen Temperaturinversionen (vgl. Kapitel 2.1.) relativ gering. Während innerhalb der<br />

Inversionsschicht häufig Nebel <strong>und</strong> leichte Nieselregen vorherrschen, sind die<br />

Witterungsverhältnisse in den darüber liegenden Teilen des Gebirges beständiger <strong>und</strong><br />

sonnenscheinreicher (FRANZ 1973: 215).<br />

Da die beschriebenen Temperaturinversionen vor allem während der kalten Jahreszeit auftreten,<br />

sind sonnige Winter sind in den Hochlagen der Gebirge hier keine Seltenheit. Der Trend, dass die<br />

2


Temperaturen mit der Höhe nicht so stark abkühlen, wird noch durch das Auftreten von Föhnwinden<br />

verstärkt. So kann es entlang der Schwarzmeerküste im Westen vorkommen, dass die Luft 100m<br />

über dem Meeresspiegel wärmer ist als auf Meereshöhe. Als Beispiel kann die Temperatur in<br />

Gagra, im äußersten Nordwesten Georgiens, im Winter bis zu 20°C erreichen (LYDOLPH 1977: 206).<br />

Die Gefahr solcher warmen Föhnwinde, welche vor allem im Winter auftreten, ist die durch sie<br />

verursachte starke Schneeschmelze <strong>und</strong> dadurch gesteigerte Lawinengefährdung (LYDOLPH 1977:<br />

210).<br />

Die Höhe der Schneegrenze liegt im Großen Kaukasus zwischen 3000 <strong>und</strong> 3800m, wobei sie meist<br />

höher verläuft als innerhalb der Alpen. Ihre Höhe schwankt jedoch innerhalb der Gebirgsketten <strong>und</strong><br />

steigt von Westen nach Osten kontinuierlich an. Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist der anstieg der<br />

Schneegrenze vom Svaniti (bis 3290m) über den Ermani (3350m) bis zum Kazbek (3650m). Eine<br />

Ausnahme bildet der Elbrus mit einer Schneegrenze bei 3700m (BURGA ET AL. 2004: 127).<br />

3. Klimazonen des Südkaukasischen Tieflands<br />

Das Südkaukasische Tiefland (nach LYDOLPH 1977 auch Transkaukasisches Tiefland) wird durch<br />

die Gebirge ringsum, den großen Kaukasus im Norden <strong>und</strong> den kleinen Kaukasus im Süden,<br />

klimatisch isoliert. Das heißt einerseits werden winterliche Kälteeinbrüche aus dem mittelasiatischen<br />

Raum abgehalten, andererseits kann auch die sommerliche Hitze aus dem Raum des Iran <strong>und</strong> Irak<br />

die Gebirge nicht überschreiten, sodass vor allem der Einfluss der westlichen Luftströmungen, die<br />

über das Schwarze Meer auf den Kontinent treffen, dominiert. Das Klima innerhalb der Depression<br />

zeichnet sich durch einen subtropischen Charakter aus, wobei das Suramigebirge mit seiner Nord-<br />

Süderstreckung nochmals als Klimascheide zwischen feuchten Subtropen im Westen <strong>und</strong><br />

trockenen Subtropen im Osten wirkt.<br />

3.1. Die Kolchis-Ebene<br />

Die Kolchis-Ebene schließt an die Ostküste des Schwarzen Meeres an <strong>und</strong> läuft in Richtung<br />

Landesinnere spitz zusammen, bis sie durch das Suramigebirge abgelöst wird.<br />

Das Klima innerhalb dieses Tieflandes besitzt durch die von Westen über das Schwarze Meer<br />

einströmenden Luftmassen maritimen Charakter <strong>und</strong> wird zu den feuchten Subtropen gezählt. Das<br />

Maximum der Niederschläge liegt, wie im mediterranen Klimabereich, im Winter, da das Gebiet in<br />

dieser Jahreszeit im Einflussbereich der innerhalb der Westwindzone gebildeten Zyklonen liegt.<br />

Im Sommer nehmen die Niederschläge vor allem von Mai bis August deutlich ab, wobei es<br />

allerdings auch in dieser Jahreszeit, durch das Einströmen <strong>und</strong> die Erwärmung feuchter Luftmassen<br />

vom Schwarzen Meer über dem Festland, häufig zu Konvektionsniederschlägen kommt (FRANZ<br />

1973: 227).<br />

Der Jahresgang der Temperatur ist aufgr<strong>und</strong> der Nähe zum Schwarzen Meer relativ gering. Im<br />

Sommer liegen die Monatsmitteltemperaturen meist nicht über 23-26°C (URUSHADZE et al. 2010:<br />

246) <strong>und</strong> die Winter sind meist mild, wobei starke Fröste nur im Zusammenhang mit einer<br />

bestimmten Wetterlage auftreten, bei der Kaltluftmassen den Kaukasus im Westen umgehen<br />

(FRANZ 1973: 227).<br />

Das Klima kann als immerfeuchtes warmgemäßigtes Klima mit monatlichen Maximaltemperaturen<br />

über 18°C definiert werden (SCHÄFER 2003: 49).<br />

Weischet 2000 spricht in diesem Zusammenhang von einem Sondertyp der Winterregensubtropen.<br />

Die Niederschläge nehmen nach Süden hin zu, verlagern in diese Richtung allerdings auch ihr<br />

Maximum von den Wintermonaten in den Sommer. Dies ist auf verstärkte konvektive Prozesse<br />

3


durch eine höhere Erwärmung im Süden, <strong>und</strong> dadurch verursachte Konvektionsniederschläge<br />

zurückzuführen (WEICHET 2000: 349-350).<br />

3.2. Das Kura-Becken<br />

Das Kura-Becken liegt östlich des Suramigebirges <strong>und</strong> reicht bis an die Küste des Kaspischen<br />

Meeres. Obwohl sich die größte Fläche dieses Tieflandes bereits auf aserbaidschanischem Terrain<br />

befindet, sind die hier vorherrschenden klimatischen Bedingungen auch im östlichen Teil Georgiens<br />

anzutreffen.<br />

Das Becken wird durch das Suramigebirge vom Einfluss maritimer Luftmassen abgeschirmt <strong>und</strong><br />

weist dadurch ein deutlich kontinentaleres Kima auf. Zusätzlich können von Ostern kontinentale<br />

Polar- <strong>und</strong> Tropikluftmassen einströmen. Dadurch kann es während der im Allgemeinen eher milden<br />

Winter doch zu scharfen Frosteinbrüchen mit extrem niedrigen Temperaturen kommen (-26,5°C).<br />

Der Einfluss des Kaspischen Meeres ist durch die ostwärts gerichteten Luftströmungen relativ<br />

gering, wodurch die die Sommer von außerordentlicher Trockenheit geprägt sind (weiniger als<br />

50mm Niederschlag während der Sommermonate). Auch die Temperaturen erreichen deutlich<br />

höhere Werte als in der westlichen Kolchis-Ebene. Die Monatsmittel betragen hier zwar ebenfalls<br />

22-26°C, allerdings überschreiten die absoluten Höchstwerte mit 40-43°C diese deutlich (FRANZ<br />

1973: 228).<br />

Die Jahresniederschläge betragen etwa 200-400mm. Lediglich der äußerste Südosten, das<br />

sogenannte Tiefland von Lenkoran weißt Niederschläge von 800-1200mm auf <strong>und</strong> kann daher noch<br />

zu den feuchten Subtropen gezählt werden. Dies hängt mit der direkten Nähe zum Kaspischen<br />

Meer <strong>und</strong> der Luvlage am Fuße des Talyschgebirges zusammen (FRANZ 1973: 228). Der Rest der<br />

Region zählt mit seinem semiariden bis ariden Klima zu den trockenen Subtropen. Ein durch<br />

Konvektionsvorgänge ausgelöstes Niederschlagsmaximum liegt im Mai, wird allerdings von<br />

extremer Sommertrockenheit abgelöst (LYDOLPH 197722).<br />

4. Klimazonen des Kleinen Kaukasus <strong>und</strong> Armeniens<br />

Das Armenische Hochland erfährt eine hohe Einstrahlung im Sommer, sowie eine enorme<br />

Ausstrahlung im Winter. Ausgelöst durch die starke Erhitzung im Frühjahr, kommt es in den<br />

Beckenlagen zu starken Konvektionsniederschlägen, sodass die maximalen Niederschläge in<br />

dieser Jahreszeit fallen. Im Sommer kommt es allerdings durch die weiterhin starke Erwärmung zur<br />

Ausbildung eines Hitzetiefs am Boden, begleitet von hohen Temperaturen <strong>und</strong> geringer relativer<br />

Feuchte, welches durch Luftzuflüsse aus Osten <strong>und</strong> Südosten gespeist wird. In Yerevan beträgt die<br />

mittlere Julitemperatur 25°C (FRANZ 1973: 235-236).<br />

Im Winter sorgt die Ausstrahlung <strong>für</strong> starke Abkühlung <strong>und</strong> antizyklonaler Tätigkeit, welche an<br />

manchen Stellen ein zweites Niederschlagsmaximum im Winter erzeugen kann. Die mittleren<br />

Januartemperaturen können in Beckenlagen auf -6 bis -12°C sinken. Insgesamt wird das Gebiet<br />

durch sein kontinentales Klima, mit strengen Wintern <strong>und</strong> heißen Sommern, gekennzeichnet. Diese<br />

Bedingungen werden durch den Plateaucharakter der Region, mit eingrenzenden Gebirgsketten<br />

nochmals verstärkt. Vor allem zentrale <strong>und</strong> östliche Teile erhalten durch ihre Lage im<br />

Regenschatten nur sehr geringe Jahresniederschläge von 300-500mm. Lediglich die westlichen<br />

Ketten des Kleinen Kaukasus sind durch ihre Lee-Lage <strong>und</strong> die Nähe zum Schwarzen Meer<br />

niederschlagsreich <strong>und</strong> weisen ein feuchtes subtropisches Klima auf. Die klimatischen Unterschiede<br />

zwischen Becken- <strong>und</strong> Gebirgslagen sind insgesamt sehr stark (FRANZ 1973: 235-236).<br />

4


Somit ist das Armenische Plateau <strong>und</strong> zusammen mit dem Kleinen Kaukasus die kontinentalste<br />

Gegend innerhalb der untersuchten Region. Die Temperaturen sinken im Winter tiefer <strong>und</strong> steigen<br />

im Sommer höher als auf gleicher Höhe in den Gebirgsketten des Großen Kaukasus (LYDOLPH<br />

1977: 215-216)<br />

5. Zusammenfassender Überblick<br />

Abbildung 2: Karte der aufgeführten Klimamessstationen. blau: Großer Kaukasus, rot: Südkaukasisches Tiefland,<br />

gelb: Kleiner Kaukasus <strong>und</strong> Armenisches Plateau<br />

Quelle (verändert nach): http://unsichtbarehand.wordpress.com/2008/08/09/krieg-im-kaukasus-der-konflikt-um-sudossetien/<br />

Die in der Karte (Abbildung 2) eingetragenen Klimastationen <strong>und</strong> die dazugehörigen<br />

Klimadiagramme sollen die vorangehend beschriebene klimatische Differenzierung der Länder<br />

Georgien <strong>und</strong> Armenien nochmals belegen <strong>und</strong> räumlich veranschaulichen. Die Daten beruhen<br />

auf langjährigen Klimamessungen (1961-1990) <strong>und</strong> wurden, mit einziger Ausnahme der beiden<br />

nicht-georgischen Stationen Sochi (Russland) <strong>und</strong> Yerevan (Armenien), der Arbeit von Schäfer<br />

2003 entnommen.<br />

Die vier <strong>für</strong> den Großen Kaukasus gewählten Klimadiagramme (Abbildung 3<br />

Abbildung 4Abbildung 5Abbildung 6) zeigen deutlich den oben beschriebenen West-<br />

Ostgradienten des Klimas <strong>und</strong> vor allem des Niederschlags. Während die Jahressumme der<br />

Niederschläge in Sochi, an der westlichen Grenze der Gebirgskette <strong>und</strong> direkt an der Küste des<br />

Schwarzen Meeres, bei 1571,7mm liegt <strong>und</strong> in Sokhumi, weiter südlich, sogar 1634mm erreicht,<br />

fallen die Niederschlagsmengen Richtung Osten über Kazbegi (973mm) bis Omalo auf 723mmj<br />

jährlich kontinuierlich ab. Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Südwestlichen<br />

Regionen des Großen Kaukasus die meisten Niederschlagsmengen erhalten, während die<br />

Nordostabdachung die trockenste Region darstellt. Nicht nur die Menge, auch der Jahresgang<br />

der Niederschläge ändert sich mit zunehmender Kontinentalität, sodass sich das<br />

5


Niederschlagsmaximum von den Wintermonaten (Niederschlagsmaximum in Sochi: Dezember-<br />

Januar) in die Übergangsjahreszeiten <strong>und</strong> Sommermonate (Niederschlagsmaximum in Kazbegi<br />

<strong>und</strong> Omala: Mai-September) verlagert. Gr<strong>und</strong> hier<strong>für</strong> ist, wie bereits in Kapitel... beschrieben,<br />

die verstärkte Zyklonenaktivität im Winter in westlichen Regionen <strong>und</strong> die erhöhte Anzahl von<br />

Konvektionsniederschlägen während der heißen Jahreszeit im Osten. Die absoluten<br />

Temperaturen sind wegen der unterschiedlichen Höhenlage der Stationen nicht zum Vergleich<br />

geeignet. Jedoch zeichnet sich mit zunehmender Höhe ein Trend hin zu kürzeren kühlen<br />

Sommern <strong>und</strong> Langen kalten Wintern ab (vgl. Kazbegi 3653müNN).<br />

Innerhalb der Südkaukasischen Depression zeigen die Klimastationen (Abbildung 7, 8, 9, 10,<br />

11) ebenfalls eine deutliche Zunahme der Kontinentalität in Richtung Osten. Damit verb<strong>und</strong>en<br />

ist eine deutliche Abnahme der Niederschlagssummen von Poti (1891mm) bis Axmeta<br />

(199mm), sowie eine Zunahme der Sommertemperaturen bei gleichzeitiger Abnahme der<br />

Durchschnittstemperaturen der Wintermonate. Auffällig ist zudem die Verlagerung des<br />

Niederschlagmaximums von Herbst- (Poti) bzw. Wintermonaten (Kutaisi) in die<br />

Frühsommermonate Mai <strong>und</strong> Juni (Tiflis, Tskhinvali) wobei das Niederschlagsminimum in<br />

Tskhinvali im August direkt folgt.<br />

Für das Gebiet des kleinen Kaukasus <strong>und</strong> des Armenischen Hochlandes liegen lediglich<br />

Klimamessungen <strong>für</strong> Batumi (Abbildung 12), am westlichsten Ende des kleinen Kaukasus <strong>und</strong><br />

direkt an der Schwarz Meer Küste liegend, <strong>und</strong> Yerevan ( Abbildung 13) der<br />

Hauptstadt Armeniens, an der Südabdachung des armenischen Plateaus, vor. Diese zeigen<br />

jedoch die wichtigsten Charakterzüge <strong>und</strong> Gegensätze des Klimas in der Region Kleiner<br />

Kaukasus <strong>und</strong> Armenisches Plateau. Während das Klima Yerevans <strong>und</strong> des gesamten Yerevan<br />

Beckens durch extreme Trockenheit (304mm Jahresniederschläge) <strong>und</strong> enorm hohe<br />

Jahresschwankungen der Temperatur von über 29K (-4°C Januar bis 25,1°C Juli)<br />

gekennzeichnet ist zeichnet sich die Region um Batumi an der Schwarz Meer Küste <strong>und</strong><br />

westlich des Kleinen Kaukasus durch einen geringen Jahresgang der Temperatur <strong>und</strong> die<br />

höchsten Niederschläge der gesamten Kaukasusregion aus (2704mm Jahresniederschlag). Das<br />

Niederschlagsmaximum innerhalb des Armenischen Plateaus liegt aufgr<strong>und</strong> der hohen<br />

Einstrahlung <strong>und</strong> den dadurch entstehenden Konvektionsniederschlägen im Mai, sowie ein<br />

zweiten kleineres Maximum im Herbst, während die durch westliche Zyklone verursachten<br />

Niederschläge an der Westabdachung vorrangig im Winter (Oktober bis Dezember) fallen.<br />

6


Abbildung 3: Klimadiagramm Sochi<br />

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Klimadiagramm-metrisch-deutsch-Sotschi-Russland-1961-1990.png<br />

Abbildung 4: Klimadiagramm Sokhumi<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

7


Abbildung 5: Klimadiagramm Kazbegi<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

Abbildung 6: Klimadiagramm Omalo<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

Abbildung 7: Klimadiagramm Poti<br />

Quelle: SCHÄFER 20<br />

8


Abbildung 8: Klimadiagramm Kutaisi<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

Abbildung 9: Klimadiagramm Tskhinvali<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

Abbildung 10: Klimadiagramm Tiflis<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

9


Abbildung 11: Klimadiagramm Axmeta<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

Abbildung 12: Klimadiagramm Batumi<br />

Quelle: SCHÄFER 2003<br />

Abbildung 13: Klimadiagramm Yerevan<br />

Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Klimadiagramm-Erewan_%28Eriwan%29-Armenien-metrisch-<br />

deutsch.png<br />

10


Literaturverzeichnis<br />

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Pflanzenwelt. Stuttgart.<br />

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KLOTZ, g. (1989): Hochgebirge der Erde. Und ihre Pflanzen- <strong>und</strong> Tierwelt. Leipzig. Jena.<br />

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LYDOLPH, P. E. (1977): Climates Of The Sovjet Union. Amsterdam. Oxford. New York.<br />

MECKELEIN, W. (1951): Nordkaukasien, Eine landesk<strong>und</strong>liche Untersuchung. In: BLÜMEL,<br />

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127.<br />

SCHÄFER, M. C. (2003): Klimazonierung von Georgien – Unveröffentlichte<br />

wissenschaftliche Hausarbeit im Fach Erdk<strong>und</strong>e. Gießen.<br />

URUSHADZE, T., URUSHADZE, T., K.-H. ERDMANN (2010): Rahmenbedingungen des<br />

Naturschutzes in Georgien. In: Natur <strong>und</strong> Landschaft. Jg 85. H 6. S. 245-250.<br />

WEISCHET, W., W. ENDLICHER (2000): Regionale Klimatologie. Teil 2: Die Alte Welt.<br />

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-metrisch-deutsch.png (3.7.2010)<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Klimadiagramm-metrisch-deutsch-Sotschi-Russland-1961-<br />

1990.png (3.7.2010)<br />

11


Das Schwarze Meer<br />

Tobias Plail<br />

1. Das Schwarze Meer – eine Übersicht<br />

Das Schwarze Meer ist ein Binnenmeer, welches von allen Seiten von Landmassen<br />

umschlossen ist. Am Bosporus befindet sich die einzige offen Stelle, die eine<br />

Verbindung zum Mittelmeer darstellt.<br />

Geologisch zwischen Europa <strong>und</strong> Asien gelegen, wird das Schwarze Meer von<br />

Bulgarien <strong>und</strong> Rumänien im Westen, die Ukraine <strong>und</strong> Russland im Norden, die<br />

Türkei im Süden <strong>und</strong> Georgien im Osten begrenzt.<br />

Mit einer Gesamtoberfläche von ungefähr 423.000 km² zählt das Schwarze Meer als<br />

eines der größten Binnengewässer der Welt. Das Meer geht bis auf eine Tiefe von<br />

2206m unter Normalnull, wobei die tiefsten Gebiete im südlichen Mittelteil des<br />

Schwarzen Meeres liegen. Im Nordwesten, an der Küste von Rumänien <strong>und</strong> Ukraine<br />

Abb. 1: Schwarzes Meer, Bathymetry<br />

gelegen, findet man ein sehr großes Schelfgebiet vor.<br />

Die größten Zuflüsse erhält das Schwarze Meer aus den aus Norden kommenden<br />

Flüssen Don <strong>und</strong> Dnjepr <strong>und</strong> der in Deutschland entspringenden Donau im<br />

Nordwesten.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der sehr schmalen Verbindung zwischen dem Mittelmeer <strong>und</strong> der<br />

Meeerenge im Bosporus findet ein extrem schlechter Wasseraustausch zwischen<br />

den beiden Meeren statt. Dies hat zur Folge, dass das Schwarze Meer ab einer<br />

Wassertiefe von etwa 150m – 200m anoxisch ist. Das heißt es kommt kein Sauerstoff<br />

vor, der <strong>für</strong> ein intaktes Ökosystem absolut notwendig ist. (Okay; Panin; Tokarev)


2. Die Entstehung des Schwarzen Meeres<br />

Über die Entstehung des Schwarzen Meeres gibt es viele verschiedene Theorien,<br />

von denen ein Großteil in den Punkt übereinstimmt, dass das Schwarze Meer<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich aus zwei separat von einander entstandenen Meeresbecken besteht.<br />

Diese werden durch den sogenannten „Mid-Black Sea ridge“, einem Rücken,<br />

geologisch getrennt. Dieser Rücken besteht aus einer dünneren Kontinentalkruste<br />

als die beiden Becken. Das westliche Becken wird von einer mehr als 14km dicken<br />

Sedimentschicht bedeckt, die vermutlich in der Zeit zwischen Kreide <strong>und</strong> dem<br />

Holozän eingetragen worden ist. Das östliche Becken dagegen wird von einer<br />

Schicht dünner als 12km bedeckt. Jedoch sind in dem östlichen Becken auffallend<br />

viele tektonische Störungen zu finden. Wie genau diese beiden Becken entstanden<br />

sind, ist noch nicht ganz geklärt. Jedoch gibt es einen Ansatz der auf Gr<strong>und</strong> der<br />

Geologie, Tektonik <strong>und</strong> der geophysikalischen Gegebenheiten ein sehr gute<br />

Übersicht über die ungefähre Entstehung der Becken gibt. (Brückner; Ernic; Okay;<br />

Tsagareli)<br />

Abb. 2: Tektonische Übersicht<br />

2.1 Tektonische Übersicht<br />

Die Tektonik im Gebiet des Schwarzen Meeres wird vor allem durch die Vorgänge<br />

aus der variskischen (spätes Trias – frühe Kreide) sowie aus der frühen beziehungs-


weise späten kimmerischen (Jura – frühe Kreide) Gebirgsbildung dominiert. Die<br />

verschiedenen tektonischen Vorraussetzungen werden im folgenden kurz an Hand<br />

von Abbildung 2 beschrieben. (Okay)<br />

Variskische (herzynische) Tektonik<br />

Die „Istanbul Zone“ im Südwesten, sowie die „Moesian“-Platte sind durch eine dicke<br />

Sedimentationsreihe geprägt, die sich durch mehrere Meeresvorstöße in der Zeit des<br />

Ordovizium <strong>und</strong> des Karbon gebildet hat. Diese wurden im Trias wiederum durch<br />

eine neue Sedimentationsreihe überlagert. Die „Moesian“-Platte ähnelt geologisch<br />

gesehen der Geologie der Alpen, währen die „Istanbul Zone“ weitaus komplexer<br />

aufgebaut ist. (Okay,)<br />

Frühe kimmerische Tektonik<br />

Die Basis der „Sakarya Zone“, ganz im Südwesten des Kartenausschnittes, besteht<br />

vorwiegend aus stark verformten <strong>und</strong> lokal verschiedenen metamorphen Gesteinen<br />

aus dem Perm beziehungsweise aus dem Trias. Ebenfalls sind auch vulkanische<br />

Gesteine an der Nordgrenze der „Sakarya Zone“ zu finden.<br />

Auch die „Yayla Range“ im Norden <strong>und</strong> der „North Dobrudja Block“ im Nordwesten<br />

sind stark deformiert <strong>und</strong> mit Sedimenten aus dem Cenomanium überprägt. (Okay)<br />

Späte kimmerische Tektonik<br />

Die „Strandja Zone“ im Nordwesten der Türkei wird von autochthonen <strong>und</strong><br />

allochthonen Gesteinen gebildet. Das heißt, im Falle von autochthonen Gesteinen,<br />

Gesteine die vor Ort entstanden sind. Meist aus herzynischen Granit.<br />

Beziehungsweise bei allochthonen Gesteinen, eingetragen oder vulkanischen<br />

Ursprungs sind. Diese Gesteine wurden im Spättrias <strong>und</strong> in der frühen Kreidezeit<br />

verformt <strong>und</strong> metamorphiert. (Okay)<br />

2.2 Tektonik<br />

Die Theorie geht von der Vermutung aus, dass die „Istanbul-Zone“ bis in die<br />

Kreidezeit hinein, zwischen der „Moesian“-Platte <strong>und</strong> Crimea lag. Im Laufe der Zeit<br />

ist die „Istanbul-Zone“ langsam nach Süden gedriftet <strong>und</strong> hat dabei das westliche<br />

Becken des Schwarzen Meeres geschaffen (vgl. Abb.3a <strong>und</strong> 3b). Die „Istanbul-Zone“<br />

kollidierte dann mit der „Sakarya-Zone“, wodurch die Bewegungen nach Süden<br />

gestoppt wurden <strong>und</strong> sich das westliche Becken des Schwarzen Meeres nicht weiter<br />

vergrößern konnte. Als Beweise <strong>für</strong> diese Theorie ziehen Okay <strong>und</strong> seine Kollegen<br />

die genaue Passform der tektonischen Platten sowie die zwei Hauptstörungen<br />

entlang der Bewegungsrichtung von Nord nach Süd her.<br />

Die Entstehung des östlichen Teiles des Schwarzen Meeres dagegen ist etwas<br />

<strong>und</strong>eutlicher. Es wird vermutet, dass sich die Platten des östlichen Schwarzen<br />

Meeres, sowie Crimea gegen den Uhrzeigersinn gedreht haben. Dabei lag der<br />

Rotationspunkt wahrscheinlich irgendwo im nordöstlichen Teil von Crimea<br />

(vgl.Abb.3b). Bei dieser Rotation wurde der östliche Teil des Ostbeckens durch das<br />

„Karkinitsky“-Beckens im Norden <strong>und</strong> der westlichen „Crimea“-Störung begrenzt.


Weitere Grenzen bei der Rotation sind im Süden zu finden. Hier liegt ein sehr<br />

kompliziertes System an Störungen. Die Rotation startete ungefähr in der mittleren<br />

Kreidezeit <strong>und</strong> dauert bis in unsere Zeit an. (Okay)<br />

Abb. 3: Tektonik<br />

3. Ökologische Probleme<br />

Das Schwarze Meer ist gegenüber ökologischer Probleme ein sehr anfälliges<br />

Gewässer. Wie schon in der Einleitung erwähnt, besitzt das Schwarz Meer nur eine<br />

sehr enge Verbindung zum Mittelmeer am Bosporus. Auf Gr<strong>und</strong> dessen findet ein<br />

sehr geringer Wasseraustausch statt. Derzeit zählt das Schwarze Meer zu den mit<br />

am meist verschmutzten Gewässern der Erde.<br />

Der Wasserhaushalt des Schwarzen Meeres wird maßgeblich durch den Zufluss der<br />

großen Flüsse bestimmt. Insbesondere die Donau, Don <strong>und</strong> der Dnjepr üben den<br />

größten Einfluss aus <strong>und</strong> führen das meiste Wasser in das Schwarze Meer ab.<br />

Für das Schwarze Meer selbst, bedeutet dass ein großer Zufluss an Schadstoffen.<br />

Diese Schadstoffe werden an den entlang der Flüsse gelegenen Städte,<br />

Industrieanlagen <strong>und</strong> landwirtschaftlichen Betrieben eingetragen <strong>und</strong> schließlich<br />

ungefiltert in das Schwarze Meer transportiert.<br />

Geschätzte 653.000 Tonnen Abwässer, 8.000 Tonnen organisches Material, 1.900<br />

Tonnen Düngemittel <strong>und</strong> ungefähr 1.100 Tonnen Phosphat wird jährlich allein durch<br />

die drei großen Flüsse eingetragen. Diese Schätzungen sind sehr ungenau <strong>und</strong><br />

unterscheiden sich von Quelle zu Quelle zum Teil extrem erheblich.<br />

Neben den Flüssen werden direkt an der Küste ebenfalls enorme Mengen an<br />

Schadstoffen eingetragen. Hier sind es sogar fast 9.000 Tonnen an Düngemittel <strong>und</strong><br />

2.600 Tonnen an Phosphat. Und durch die an der Küste ansässigen Ölindustrie<br />

werden zusätzlich ungefähr 24.000 Tonnen Erdöl eingebracht.<br />

Dies sind jedoch nur wenige Beispiele <strong>für</strong> einige der Schadstoffe die eingebracht<br />

werden. Weiterhin werden große Mengen an Pestiziden <strong>und</strong> giftige Substanzen an<br />

Industrieabfällen eingeschwemmt.


Der Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die steigende <strong>und</strong> vor allem anhaltende Verschmutzung ist vor allem<br />

das Wachstum der Küstenstädte in touristischer <strong>und</strong> allen voran industrieller Hinsicht.<br />

Hotels <strong>und</strong> Erholungszentren werden erschaffen <strong>und</strong> Häfen werden ausgebaut um<br />

Platz <strong>für</strong> neue Tankerflotten zu schaffen. Zusätzlich benötigt die Ölindustrie neue<br />

Pipelines <strong>für</strong> Öl <strong>und</strong> Gas.<br />

Im Endeffekt ist das Schwarze Meer das Auffangbecken <strong>für</strong> das Abwasser <strong>und</strong> Müll<br />

von 170 Millionen Menschen. (Birpinar, Dolukhanov, Zonn)<br />

3.1 Erdöl<br />

Das Schwarze Meer ist sehr stark mit Erdöl <strong>und</strong> erdölähnlichen Produkten<br />

verschmutzt. Zwar wird die Menge Erdöl die jährlich in das Wasser gelangt noch<br />

nicht als katastrophal bezeichnet. Trotzdem ist die Menge von geschätzten 130.000<br />

bis 170.000 Tonnen Ölabfällen pro Jahr nicht zu unterschätzen. Der größte Teil<br />

dieser Menge fällt dabei von Industrieanlagen ab. Einen weiteren großen Eintrag von<br />

Erdöl stellt die Schifffahrt dar. Bei etwa 180.000 zugelassen <strong>und</strong> registrierten Schiffen<br />

gelangen ungefähr 12.000 bis 15.000 Tonnen Öl in das Schwarze Meer. Außerdem<br />

gelangt zusätzlich durch Unfälle auf küstennahen Industrieanlagen <strong>und</strong><br />

verunglückten Schiffen ein großer Teil an Erdölprodukten in das Wasser.<br />

Solche Unglücke passieren vor allem in den großen Hafenanlagen entlang der Küste<br />

<strong>und</strong> in der Meerenge am Bosporus. Dadurch zählt das Verbindungsgewässer zum<br />

Mittelmeer auch zu den am meisten verschmutzten Gebieten im Schwarzen Meer.<br />

Alleine in den letzten zehn Jahren sind dort mehr als 200 Unfälle registriert wurden,<br />

bei denen große Menge Öl in das Wasser gelangen konnte. Als Beispiel ist der<br />

Tanker „Independenta“ der mit einem anderen Schiff kollidiert ist <strong>und</strong> in der Folge des<br />

Unfalls 64.000 Rohöl verloren hat zu nennen. Genauso der 1994 stattgef<strong>und</strong>ene<br />

Unfall der beiden Schiffe „Nassia“ <strong>und</strong> „Shipbroker“, bei der 20.000 Tonnen Öl<br />

ausgetreten waren. Die Liste ließe sich noch endlos weiter führen.<br />

An Erdölhäfen wie Gelendjik, Novorossyisk <strong>und</strong> Sebastopol finden sich sogar extrem<br />

überhöhte Konzentrationen von Erdöl in den Sedimenten am Meeresboden. Im Falle<br />

von Sebastopol wird der Anteil auf 120.000 Tonnen kontaminiertes Sediment<br />

geschätzt.<br />

Der enorme Eintrag von Erdöl hat zur Folge, dass Schätzungen zu folgen etwa 0,5%<br />

bis zu 5% der Gesamtoberfläche des Schwarzen Meeres von einem dünnen Ölfilm<br />

bedeckt ist der ungefähr 30 bis 40μm dick ist. Dies übt einen großen Einfluss auf den<br />

Strahlungshaushalt sowie der Biodiversität aus. Beispielsweise wurden in einer<br />

Region Messungen an kommerziell genutzten Fischschwärmen unternommen. Das<br />

Ergebnis war, dass 80% der Fischeier toxisch belastet waren <strong>und</strong> somit nicht<br />

überlebendsfähig waren. (Birpinar; Zonn)<br />

3.2 Organische <strong>und</strong> mineralische Verschmutzung<br />

Das größte ökologische Problem im Schwarzen Meer ist jedoch nicht das Erdöl,<br />

sondern die Einträge von Phosphaten <strong>und</strong> Nitraten. Manche Schätzungen gehen bis<br />

auf 600.000 Tonnen jährlich die alleine durch die beiden Flüssen Donau <strong>und</strong> Dnjepr


in das Schwarze Meer eingeleitet werden. Wobei die Donau zwölf mal soviel wie die<br />

Dnjepr einträgt. Der Eintrag dieser Stoffe bildet die Gr<strong>und</strong>voraussetzung <strong>für</strong> ein<br />

erhöhtes Algenwachstum dar, welches wiederum ein erhöhtes Risiko einer<br />

Eutrophierung des Schwarzen Meeres nach sich zieht.<br />

Aus diversen Haushalten <strong>und</strong> Tourismuseinrichtungen an Küsten <strong>und</strong> den großen<br />

Flüssen werden jährlich auch ungefähr zwischen 2,5 <strong>und</strong> 4,8 km³ Abwasser<br />

eingetragen. Das entspricht ungefähr 2,5 bis 4,8 Billionen Litern ungefiltertes<br />

Abwasser.<br />

Auch durch die Meeresenge im Bosporus werden jedes Jahr große Mengen an<br />

Schadstoffen transportiert. Hier werden beispielsweise 12.000 Tonnen Phosphat,<br />

190.000 Tonnen an Nitraten <strong>und</strong> bis zu 1,5Millionen Tonnen an organischen<br />

Kohlenstoff in das Schwarze Meer gebracht.<br />

Das schon weiter oben erwähnte Algenwachstum erreichte in den späten 1970er<br />

Jahren ein katastrophales Niveau. Das Phänomen wurde mit „red tides“ bezeichnet.<br />

Durch den erhöhten Eintrag von Nährstoffen, konnten sich Algen, allen voran die<br />

Alge Exuviaella cordata sehr schnell verbreiten. Diese Algen sind toxisch <strong>und</strong><br />

verursachten ein großes Sterben von Fischen <strong>und</strong> anderen Meeresbewohnern.<br />

Weiterhin tritt ein Sauerstoffmangel auf der sich ebenfalls extrem negativ auf das<br />

Ökosystem auswirkt. (Zonn)<br />

3.3 Weitere (Schwermetalle, Müll <strong>und</strong> Eindringlinge)<br />

Es gibt jedoch noch einige weitere Probleme die jedoch hier nicht ausführlicher<br />

behandelt werden, sondern nur erwähnt werden.<br />

Schwermetalle wirken ebenfalls stark verschmutzend <strong>und</strong> teilweise auch extrem<br />

toxisch. Etwa 300kg Quecksilber, 290 Tonnen Cadmium, 400 Tonnen Kupfer, 2.000<br />

Tonnen Blei <strong>und</strong> 14.000 Zink werden durch Industrie <strong>und</strong> Schifffahrt ins das Meer<br />

gebracht. Insbesondere in den Mündungsgebieten der großen Flüsse ist die höchste<br />

Konzentration von Schwermetallen zu finden.<br />

Ein weiteres Problem stellt der Müll da, der das Ökosystem stark beeinflusst. Bei den<br />

dort ansässigen Menschen ist noch weit die Meinung verbreitet; aus den Augen aus<br />

den Sinn. Und dass das Schwarze Meer, den organischen sowie den anorganischen<br />

Müll abbauen kann. Somit werden große Mengen an Müll einfach in das Meer<br />

entsorgt. Jedoch wird nicht nur der normale Haushaltsmüll in das Meer geworfen,<br />

sondern auch industrielle Abfälle, Bauschutt, Chemikalien sowie Munition <strong>und</strong><br />

Sprengstoffe, die sich auf das Ökosystem innerhalb kürzester Zeit auswirken.<br />

Ebenfalls anthropogen bedingt ist die Invasion von neuen Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten,<br />

die entweder über den Menschen von Land oder öfter über die Schifffahrt in das<br />

Schwarze Meer eingetragen worden sind. Beispielsweise die Seeschnecke Rapana<br />

thomasiana die sich von anderen Weichtieren ernährt <strong>und</strong> die großen<br />

Austerschwärme in den Küstenregionen vernichtet hat. Die Qualle Mnemiopsis leidy<br />

ist ein weiteres Beispiel. Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Qualle so stark<br />

vermehrt, dass die Anzahl von kommerziell genutzten Fischarten von 25 auf 5


eduziert wurde, da deren Nahrungsgr<strong>und</strong>lage durch die Quallen zerstört wurden.<br />

(Zonn)<br />

4. Ausblick<br />

1992 unterzeichneten die Staaten die an das Schwarze Meer grenzen das „Bukarest<br />

Abkommen“. Dieses Abkommen beinhaltet Schriftsätze die nach etwa zwei<br />

Jahrzehnten unzähliger Diskussionen die Problematik des Schwarzen Meeres <strong>und</strong><br />

Lösungsstrategien beinhalten <strong>und</strong> ausformuliert wurden. Jedoch ist seit dem nicht<br />

viel passiert. Wenn man die komplizierte politischen Verhältnisse in dieser Region<br />

betrachtet wird es auch in absehbarer Zukunft nicht wirklich zu Besserungen<br />

kommen. Um das Schwarze Meer vor einer totalen Katastrophe zu schützen,<br />

müssten die Staaten jedoch innerhalb kürzester Zeit zusammen kooperieren <strong>und</strong><br />

sofort anfangen bestimmte Dinge zu ändern. Sonst wird es in einigen Jahrzehnten zu<br />

spät sein <strong>und</strong> das Ökosystem unwiderruflich kippen. (Zonn)


Literaturverzeichnis:<br />

BIRPINAR, M. & TALU, G. & GÖNENCGIL, B. (2009): Enironmental effects of<br />

maritime traffic on the Instanbul Strait. In Environ Monit Assess 152, Seite 13-23<br />

BRÜCKNER, H. (1999): Die Entstehung der Ozeane <strong>und</strong> Meere. In: Heidelberger<br />

Geographische Gesellschaft Journal 14, Seite 1-16<br />

DOLUKHANOV, P.M. & ARSLANOV, K.A. (2009): Ecological crises and early human<br />

migrations in the Black Sea area. In: Quaternary International 197, Seite 35-42<br />

ERNIC, S. (1954): The Pleistocene history of the Black Sea and the adjacent<br />

countries with special reference to the climatic changes. In: Review of the<br />

Geographical <strong>Institut</strong>e of the University of Istanbul, Heft Nr.1, Seite 66-83<br />

OKAY, A. & Sengör, C. & Görür, N. (1994): Kinematic history of the opening of the<br />

Black Sea and its effect on the surro<strong>und</strong>ing regions. In: Geology, Seite 267-270<br />

PANIN, N.: The Black Sea – Geology, Environment and Archaeology.<br />

http://www.profet.ro/Panin.<strong>pdf</strong> (21.06.2010)<br />

TOKAREV, Y. & SHULMAN, G. (2007): Biodiversity in the Black Sea: Effects of<br />

climate and anthropogenic factors. In: Hydrobiologia 580, Seite 23-33<br />

TSAGARELI, A. (1974): Geology of Western Caucasus. In: The Black Sea. Seite 77-<br />

89<br />

ZOON, I. & FASHCHUK, D. & RYABININ, A. (2008): Environmental issues of the<br />

Black Sea. In : Handbook of Environmental Chemistry, Volume 5, Part Q, Seite 407-<br />

421


Universität Erlangen-Nürnberg<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Geographie<br />

Große Exkursion: Georgien<br />

Leitung: M.A. Frieder Voll, Dipl. Geogr. Bruno Lasermann, Prof. Dr. Michael Richter<br />

Sommersemester 2010<br />

Die Transformation in Osteuropa <strong>und</strong><br />

die Auswirkungen in Georgien<br />

Thomas Barczyk (6. Semester)<br />

Matrikelnummer: 21348921<br />

Wölckernstrasse 78<br />

90459 Nürnberg<br />

Email: straightso<strong>und</strong>@gmx.net


Inhaltsverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis...........................................................................................................3<br />

1. Einleitung...........................................................................................................................4<br />

2. Allgemeine Prozesse der Transformation .........................................................................4<br />

2.1 Politische Ebene..........................................................................................................4<br />

2.2 Von der Plan- zur Marktwirtschaft...............................................................................5<br />

2.2.1 Die Planungsbehörde...........................................................................................5<br />

2.2.2 Ökonomische Transformation..............................................................................5<br />

2.3 Soziale Ebene..............................................................................................................6<br />

3. Transformationsprozesse in Georgien...............................................................................7<br />

3.1 Politische Transformation ...........................................................................................7<br />

3.2 Ökonomische Transformation......................................................................................8<br />

4. Wirtschaftsaktivitäten Georgiens.......................................................................................9<br />

4.1 Wirtschaftsaktivitäten vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion.............................9<br />

4.2 Wirtschaftsaktivitäten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion..........................9<br />

5. Fazit..................................................................................................................................12<br />

Literaturverzeichnis..............................................................................................................14<br />

Internetquellen.....................................................................................................................14<br />

2


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Lenkungssystem <strong>und</strong> Ordnungsrahmen in der Zentralverwaltungswirtschaft<br />

Abbildung 2: Lenkungssystem <strong>und</strong> Ordnungsrahmen in der Marktwirtschaft<br />

Abbildung 3: Konfliktregion Kaukasus<br />

Tabelle 1: Staatsetat Georgiens 1998 – 2000<br />

Tabelle 2: Lebenshaltungskosten in Georgien 1999 – 2001<br />

Tabelle 3: Außenhandel Georgiens 1994 – 2002<br />

Abbildung 4: Erdöl- <strong>und</strong> Gaspipelines in Georgien<br />

Tabelle 4: Beschäftigtenzahlen in Georgien 1999 – 2001<br />

3


1. Einleitung<br />

Anfang der 1980er Jahre zeichnete sich in den Ostblockländern ein tief greifender<br />

politischer, ökonomischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher Wandel ab. Diese Ostblockstaaten <strong>und</strong><br />

die späteren Nachfolgestaaten der UdSSR drängten auf eine selbständige Bestimmung<br />

ihrer Politik <strong>und</strong> ebneten damit den Weg <strong>für</strong> die Demokratie <strong>und</strong> die freie Marktwirtschaft.<br />

Die Systemformation lief in den osteuropäischen Staaten gleichzeitig auf drei Ebenen ab –<br />

der politischen, der wirtschaftlichen <strong>und</strong> der sozialen. Angesichts dieser Parallelität, der<br />

Radikalität des Wandels <strong>und</strong> der Unerfahrenheit der Beteiligten auf diversen<br />

Transformationsebenen, erwies sich der Vorgang der Transformation als heikel <strong>und</strong><br />

komplex. (SPÖRER, D. 2006:1-2)<br />

Die Jahre 1989/90 markierten den Zusammenbruch des Kommunismus <strong>und</strong> somit auch<br />

den definitiven Beginn der Transformationsphasen.<br />

2. Allgemeine Prozesse der Transformation<br />

2.1 Politische Ebene<br />

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat die kommunistische Partei ihre<br />

Souveränität verloren <strong>und</strong> wurde entweder aufgelöst oder transformierte sich zu einer<br />

sozialdemokratischen Partei. Es kam zu einem Wechsel von einem Einparteien- zum<br />

Mehrparteiensystem. Parteien, die während der kommunistischen Herrschaft kaum eine<br />

Rolle spielten, wurden mit dem Umbruch zu wichtigen Akteuren auf der politischen Bühne<br />

<strong>und</strong> bildeten die neuen Regierungen. (FAßMANN, H. 1999:12)<br />

Mit dem steigendem Parteienangebot konnten nun die Bürger zwischen verschiedenen<br />

politischen Angeboten wählen <strong>und</strong> diesen dann ihr Vertrauen <strong>und</strong> ihre Stimme geben. Um<br />

dem politischen Geschehen eine Stabilität zu verleihen, wurden Minderheitsgesetze<br />

erlassen. (SPÖRER, D. 2006:2)<br />

Durch den Systemwechsel zeigten plötzlich, die früher als „kapitalistische Welt“<br />

bezeichneten Staaten ihr Interesse an einer Zusammenarbeit.<br />

Im neuem System konnte die alte Zentralverwaltungswirtschaft nicht bestehen. Die<br />

Planungsbehörde, die alle Vorgänge auf dem Markt steuerte, wurde aufgelöst. Der Staat<br />

hatte nun die Aufgabe die Rahmenbedingungen <strong>für</strong> eine konkurrenzfähige freie<br />

Marktwirtschaft zu schaffen. (FAßMANN, H. 1994:685)<br />

4


2.2 Von der Plan- zur Marktwirtschaft<br />

Um den komplexen Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft besser zu verstehen,<br />

sollten als erstes kurz die wichtigsten Aufgaben der Planungsbehörde erwähnt werden.<br />

2.2.1 Die Planungsbehörde<br />

In der Zentralverwaltungswirtschaft entscheidet die Planungsbehörde über:<br />

• die Produktionsmenge<br />

• den Preis<br />

• das Produkt (mit Absprache der Firmenleitung)<br />

• den Arbeitskräfteeinsatz<br />

• die Investitionen<br />

• die Anlieferung der Rohstoffe<br />

• die Verteilung der Fertigprodukte<br />

Die Planungsbehörde hatte die volle Kontrolle über die oben genannten Bereiche (vgl.<br />

Abb. 1), duldete „keine autonome Gebietskörperschaft <strong>und</strong> keinen privat Besitz an<br />

Produktionsmitteln“ (FAßMANN, H. 1999:12-13)<br />

Abbildung 1: Lenkungssystem <strong>und</strong> Ordnungsrahmen in der Zentralverwaltungswirtschaft<br />

2.2.2 Ökonomische Transformation<br />

Quelle: FAßMANN, H. 1999:12<br />

Nach der Auflösung der Planungsbehörde musste der Staat eine Plattform <strong>für</strong> die<br />

Entstehung eines freien Marktes schaffen (vgl. Abb. 2). Die wichtigsten Maßnahmen dabei<br />

waren:<br />

• die Privatisierung von Produktionsmitteln<br />

5


• die Modernisierung der Produktion<br />

• das Vertragsrecht (Vertragsfreiheit)<br />

• ein neues Steuersystem (Einführung von Mehrwertsteuer, Einkommensteuer)<br />

• die Neuorientierung der Geldpolitik (Inflationsbekämpfung, unabhängige<br />

Zentralbank, Versicherungen, öffentliche Behörden)<br />

• die Niederlassungsfreiheit der Arbeitskräfte<br />

• die Mobilität des Kapitals<br />

Abbildung 2: Lenkungssystem <strong>und</strong> Ordnungsrahmen in der Marktwirtschaft<br />

Quelle: FAßMANN, H. 1999:12<br />

Der Prozess der ökonomischen Transformation in den ehemaligen Ostblockstaaten wird<br />

aufgr<strong>und</strong> von mangelnden Voraussetzungen erschwert. Es herrschten marode Betriebs-<br />

<strong>und</strong> Infrastrukturen. Aufgr<strong>und</strong> von fehlenden Investitionen gab es kaum Kapital. Das<br />

Kommunikationssystem arbeitete ineffizient <strong>und</strong> das Bankensystem war nicht international<br />

konkurrenzfähig. Verstärkt wurden diese Probleme durch fehlendes technologisches<br />

Know-How, teilweise sehr hohe Staatsverschuldung <strong>und</strong> infolge des neuen<br />

Wirtschaftssystems steigende Arbeitslosigkeit. Der langsame <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Bevölkerung<br />

kaum sichtbare Transformationsprozess, welcher von einer steigenden Arbeitslosigkeit<br />

begleitet wurde, erzeugte Skepsis <strong>und</strong> Verunsicherung bei den Bürgern. (FAßMANN, H.<br />

1999:13. ECKERT, F. 2008:26)<br />

2.3 Soziale Ebene<br />

Für eine erfolgreiche Transformation auf allen Ebenen wird vom Bürger Loyalität dem<br />

Staat gegenüber verlangt. Das heißt, die Bürger müssen sich auf das neue System<br />

6


einstellen <strong>und</strong> ein marktorientiertes Verhalten, Lohn- <strong>und</strong> Arbeitsdisziplin oder korrekte<br />

Steuerleistungen zeigen. Die Gesetze des freien Marktes führen zu einer Zweiteilung der<br />

Gesellschaft in Verlierer <strong>und</strong> Gewinner, dieses löst bei vielen Teilen der Bevölkerung große<br />

Skepsis aus.<br />

3. Transformationsprozesse in Georgien<br />

3.1 Politische Transformation<br />

Bis heute hat es Georgien nicht geschafft, die Konflikte in den Krisenregionen (z.B.<br />

Abchasien <strong>und</strong> Südossetien) zu lösen. So ist ein landesweites Gewaltenmonopol nicht<br />

gegeben (vgl. Abb. 3).<br />

Abbildung 3: Konfliktregion Kaukasus<br />

Quelle: LE MONDE DIPLOMATIQUE 2009:185<br />

Die Wahlen in Georgien verlaufen so gut wie problemlos – sie entsprechen den<br />

demokratischen Standards.<br />

Ein Problem ist die Vormachtstellung der Exekutive, die einen sehr hohen Einfluss auf das<br />

Parlament <strong>und</strong> die Justiz hat. (Bertelsmann Stiftung 2004)<br />

7


3.2 Ökonomische Transformation<br />

Im Zuge der ökonomische Transformation wurde Georgiens Preissystem komplett<br />

liberalisiert, Schranken <strong>für</strong> den Außenhandel beseitigt <strong>und</strong> Subventionen <strong>für</strong> staatliche<br />

Unternehmen abgebaut. Der hohe Anteil an informeller Wirtschaft konnte stark reduziert<br />

werden. Reformen <strong>und</strong> einfachere Steuergesetze optimierten das Wirtschaftsklima. Ein<br />

lockeres Zollsystem (90% der Waren werden nicht bezollt) erleichtert die Einfuhr von<br />

Waren. Eine Erhöhung der Staatseinnahmen (vgl. Tab. 1) ist die Folge von<br />

Antikorruptionsmaßnahmen <strong>und</strong> einer übersichtlicheren Steuerordnung.<br />

Tabelle 1: Staatsetat Georgiens 1998 – 2000<br />

Quelle: EASTERN EUROPE, RUSSIA AND CENTRAL ASIA 2004:195<br />

Die schlechte Energieversorgung <strong>und</strong> eine mangelhafte Infrastruktur hemmen das<br />

Wirtschaftswachstum. Hier bedarf es an enormen Investitionen. Eine Folge der<br />

Transformation sind steigende Lebenshaltungskosten (vgl. Tab. 5), welche die Armut in<br />

Georgien verstärken. (Bertelsmann Stiftung 2004. SCHNEIDER, V. 2003:187-188)<br />

8


Tabelle 2: Lebenshaltungskosten in Georgien 1999 – 2001<br />

Quelle: EASTERN EUROPE, RUSSIA AND CENTRAL ASIA 2004:196<br />

4. Wirtschaftsaktivitäten Georgiens<br />

4.1 Wirtschaftsaktivitäten vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />

Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion war der Außenhandel Georgiens UdSSR-<br />

orientiert. Die wichtigsten Industriezweige wie der Erzbergbau, der Maschinen- <strong>und</strong><br />

Fahrzeugbau <strong>und</strong> die Metallurgie waren von der UdSSR abhängig. Außerdem war<br />

Georgien <strong>für</strong> die UdSSR ein wichtiger Lieferant von Gemüse, Tee, Wein, Mineralwasser<br />

<strong>und</strong> alkoholischen Getränken.<br />

Da Georgien keine ausreichenden Energieressourcen besitzt, war es von der<br />

Energieversorgung Sowjetunion abhängig. Somit war der Großteil der georgischen<br />

Wirtschaft auf die Sowjetunion ausgerichtet, was zu einer enormen Abhängigkeit auf<br />

mehreren Ebenen führten. (RADVANYI, J. 2006:14)<br />

4.2 Wirtschaftsaktivitäten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />

Der Zusammenbruch der UdSSR ebnete Georgien den Weg <strong>für</strong> neue<br />

Wirtschaftsbeziehungen. Der Handelspartner Russland blieb immer noch wichtig <strong>für</strong><br />

Georgien, verlor aber seine Monopolstellung (vgl. Tab. 3).<br />

9


Tabelle 3: Außenhandel Georgiens 1994 – 2002<br />

Quelle: RADVANYI, J. 2006:13<br />

Neue Partner wie die EU-Staaten, die Türkei oder die USA haben erkannt, dass Georgien<br />

eine wichtige Rolle als Transitland <strong>für</strong> Öl- <strong>und</strong> Gastransporte spielt. (RADVANYI, J.<br />

2006:12) So wurden einige Pipelineprojekte schnell vorangetrieben – die Ölpipeline BTC<br />

(Baku-Tiflis-Ceyhan) in einem von Russland <strong>und</strong> Iran unabhängigem Raum oder die<br />

Gaspipeline Schah-Denis-Pipeline (vgl. Abb. 4). Ab 2013 soll die Nabucco-Pipeline von<br />

Erzurum nach Österreich den Gastransport <strong>für</strong> Europa erweitern. Aus diesen Pipelines<br />

bezieht Georgien einen Teil seiner Energie <strong>und</strong> ist somit ein Stückweit unabhängiger von<br />

der russischen Energieversorgung. Zusätzlich bekommt Georgien als Transitland<br />

Durchleitungsgebühren. (KOLLMER, D.H. 2008:135-136. SCHNEIDER, V. 2003:189)<br />

10


Abbildung 4: Georgien als Transitland <strong>für</strong> Erdöl- <strong>und</strong> Gaspipelines<br />

Quelle: KOLLMER, D.H. 2008:140<br />

Die durch den Ausbau der Pipelines getätigte ausländische Investitionen konnten aber<br />

keinen richtigen Aufschwung <strong>für</strong> die georgische Wirtschaft bringen.<br />

Die Volkswirtschaft wird immer noch von der Landwirtschaft dominiert wie die Zahlen in<br />

der Folgenden Tabelle zeigen. Sie ist die Haupteinahmequelle <strong>für</strong> Geringverdiener <strong>und</strong> ist<br />

der Wirtschaftszweig mit den meisten Beschäftigten.<br />

Da<strong>für</strong> weist das Finanz-, Transport- <strong>und</strong> Baugewerbe positiven Trend am<br />

Bruttoinlandsprodukt Georgiens auf. (SCHNEIDER, V. 2003:189)<br />

11


5. Fazit<br />

Tabelle 4: Beschäftigtenzahlen in Georgien 1999 – 2001<br />

Quelle: EASTERN EUROPE, RUSSIA AND CENTRAL ASIA 2004:194<br />

Der Systemwechsel in Osteuropa <strong>und</strong> den ehemaligen Sowjetrepubliken ist wie schon<br />

erwähnt aufgr<strong>und</strong> der Pluralität sehr komplex. Außerdem wurde noch nie ein<br />

Transformationsprozess gleichzeitig auf allen drei Ebenen durchgeführt. Somit gab es<br />

auch keine Erfahrungen mit solchen Vorgängen. Folglich sprechen vielen von einem<br />

Transformationsexperiment.<br />

Das Beispiel Georgien zeigt, welche Vor- <strong>und</strong> Nachteile eine Transformation <strong>für</strong> die<br />

Bürger, die Wirtschaft <strong>und</strong> die Demokratie eines Staates haben kann. So gesehen gibt es<br />

auch in einem neuen System Verlierer <strong>und</strong> Gewinner. Meistens ist der Bürger<br />

12


wirtschaftlich auf der Verliererseite <strong>und</strong> nur einige Wenige können von den<br />

Transformationsprozessen profitieren. Die Gewinner sind nicht selten ehemalige politische<br />

Eliten, die sich wieder in der Politik <strong>und</strong> Wirtschaft etablieren können.<br />

Die Öffnung des Marktes bringt auch nicht die erwünschten Investitionen <strong>und</strong> somit auch<br />

keinen sichtbaren Wirtschaftsaufschwung. Oft müssen internationale Partner eingreifen<br />

um die miserable Lage der Transfomationsstaaten zu stabilisieren. In Georgien musste<br />

1995 der IWF, die Weltbank <strong>und</strong> einige westliche Staaten intervenieren, nachdem die<br />

wirtschaftliche Situation Georgiens einen Zusammenbruch erlitt. Georgien hatte damals<br />

eine Inflation die eine vierstellige Prozentzahl pro Jahr betrug.<br />

So werden die Transformationsprozesse aufgr<strong>und</strong> ihrer Komplexität vermutlich noch<br />

Jahrzehnte dauern. Solange <strong>für</strong> die Bevölkerung kein spürbarer Nutzen hervorgeht, wird<br />

sie skeptisch <strong>und</strong> verunsichert bleiben.<br />

13


Literaturverzeichnis<br />

ECKERT, F. (2008): Vom Plan zum Markt - Parteipolitik <strong>und</strong> Privatisierungsprozesse in<br />

Osteuropa. Wiesbaden.<br />

FAßMANN, H. (1994): Transformation in Ostmitteleuropa – Eine Zwischenbilanz.<br />

Geographische R<strong>und</strong>schau 46 (12): 685-691.<br />

FAßMANN, H. (1999): Regionale Transformationsforschung – Konzeption <strong>und</strong> empirische<br />

Bef<strong>und</strong>e. Mainzer Kontaktstudium Geographie 5: 11-20.<br />

KOLLMER, D.H. (2008): Die Volkswirtschaften <strong>und</strong> der Kampf um Rohstoffe. In: CHIARI,<br />

B. (Hrsg.) (2008): Wegweiser zur Geschichte – Kaukasus. Paderborn: 135–143.<br />

RADVANYI, J. (2006): Die geopolitische Situation Kaukasiens – ein Überblick.<br />

Geographische R<strong>und</strong>schau 58 (3): 8-17.<br />

SCHNEIDER, V. (2003): Georgia – The Economy. In: GLADMAN, I. (Hrsg.) (2003):<br />

Eastern Europe, Russia and Central Asia – 2004. London: 187-193.<br />

SPÖRER, D. (2006): Regierungssysteme <strong>und</strong> Reformen - Politökonomische Analysen der<br />

exekutiv-legislativen Beziehungen im postkommunistischen Raum. Wiesbaden.<br />

Internetquellen<br />

Bertelsmann Stiftung (2004). Den Wandel gestalten – Strategien der Entwicklung <strong>und</strong><br />

Transformation. Ländergutachten – Georgien. http://bti2003.bertelsmann-transformation-<br />

index.de/fileadmin/<strong>pdf</strong>/laendergutachten/gus_mongolei/Georgien.<strong>pdf</strong> (20.06.2010).<br />

14


Tourismusgeschichte <strong>und</strong> aktuelle Initiativen am<br />

Beispiel Swanetiens<br />

Victoria Riedmann<br />

Georgien, zu Zeiten der Sowjetunion noch als „Italien des Ostens“ oder „die sowjetische Schweiz“<br />

(STEINMETZER 2006: 37) bekannt <strong>und</strong> beliebt, erlebte mit dem Erreichen der Unabhängigkeit im<br />

Jahr 1991 sowohl politisch als auch touristisch einen dramatischen Wandel. Hatte das Land vor dem<br />

Zusammenbruch der Sowjetunion keine Probleme, sich als beliebte Destination zu behaupten, so<br />

muss es bis heute mit schwerwiegenden Problemen kämpfen.<br />

Georgien war während der Sowjetära ein beliebtes Reiseziel, vor allem <strong>für</strong> Bewohner der<br />

Sowjetunion. Das Land verwöhnte die Touristen mit seiner Küste, den Bergen <strong>und</strong> den Kurorten –<br />

Aspekte, die so vereint in keinem anderen frei zugänglichen Land gef<strong>und</strong>en werden konnten. So<br />

zählt auch STEINMETZER (2006: 37) den „Badeurlaub [...], Kurtourismus [...] <strong>und</strong> Wanderurlaub im<br />

Großen Kaukasus [...]“ zu den „Hauptsegmente des Sowjettourismus“. Aufgr<strong>und</strong> des zentral<br />

geplanten Systems, in dem der Markt monopolisiert war, musste sich Georgien um Besucherzahlen,<br />

Konkurrenz <strong>und</strong> die Tourismusbranche im Allgemeinen keine Sorgen machen. Nach DEUBEL waren<br />

„Urlaube in Georgien [...] in den kälteren Teilen der Sowjetunion so begehrt, dass die von den<br />

Gewerkschaften zugewiesenen Betten unter den Arbeitnehmern gegen Wertgegenstände getauscht<br />

wurden [...].“ Diese Touristen sprach wohl vor allem das milde Klima an der Küste an – das<br />

Schwarze Meer erlebte damals Massentourismus, wie man ihn heute von der Adria oder ähnlichen<br />

Urlaubszielen kennt. Ein Maximum an Touristen erfuhr Georgien während den 1980er Jahren.<br />

(DEUBEL, STEINMETZER 2006).<br />

Darüber hinaus erlangte Georgien aufgr<strong>und</strong> seiner zahlreichen Heilquellen große Bedeutung. Schon<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wusste man ihre „wohltuende Wirkung“ (DEUBEL) über die Grenzen Georgiens<br />

hinaus zu schätzen <strong>und</strong> während der Zeiten der Sowjetunion lag auch hier großes Potential <strong>für</strong> den<br />

Tourismus. So schreibt auch GRETSCHKO (1972: 19): „Große Bedeutung im Leben des<br />

Sowjetvolkes haben die Kurorte <strong>und</strong> Heilstätten Kaukasiens. In den Jahren der Sowjetmacht<br />

wurden [...] berühmte Kurorte geschaffen, in denen Jahr <strong>für</strong> Jahr Millionen von Werktätigen<br />

Erholung <strong>und</strong> Heilung finden.“ Solche berühmten Kurorte waren unter anderem Borjomi <strong>und</strong><br />

Tskaltubo bei Kutaissi. BRADE <strong>und</strong> PITERSKI (1994) machen in diesem Zusammenhang auch auf<br />

den Aspekt der Ges<strong>und</strong>heit aufmerksam, der vor allem in der Sowjetunion einen hohen Stellenwert<br />

hatte. Demnach wurde damals bei dem Ausbau des Tourismus von Seiten des Staates besonderen<br />

Wert auf den ges<strong>und</strong>heitlichen Aspekt gelegt. Maßnahmen hier<strong>für</strong> wurden bereits zu Beginn des


20. Jahrh<strong>und</strong>ert ergriffen. „Mit dem permanenten Streben der sowjetischen Regierung nach<br />

Erschließung immer neuer Industriegebiete in <strong>für</strong> den Menschen unwirtlichen Regionen, [...] stieg<br />

auch die Anzahl der Personen, die in den Genuß der von der Regierung großzügig garantierten<br />

Urlaubstage [...] kamen.“ (BRADE <strong>und</strong> PITERSKI 1994: 10). Der Ausbau der Kurorte Georgiens kann<br />

somit als Teil einer ges<strong>und</strong>heitserhaltenden Tourismus-Strategie gesehen werden, die <strong>für</strong> die<br />

Bevölkerung, die unter den oftmals ges<strong>und</strong>heitsbelastenden Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen zu<br />

leiden hatten, zwingend notwendig war.<br />

Weiterer Anziehungspunkt <strong>für</strong> Touristen waren die, besonders von den Wintersportlern geschätzten,<br />

Berge Georgiens. Das Gudauri-Projekt ist in diesem Zusammenhang vor allem erwähnenswert.<br />

Unter der Leitung des sowjetischen Staates entwickelten die Italiener Hugo Iling <strong>und</strong> Giuseppe<br />

Kanestrini 1980 einen Plan, Gudauri in einen Ferienort zu verwandeln. 1985 übernahmen dann<br />

österreichische Investoren die tatsächliche Realisierung des Projekts - Hotels, Skilifte, u.ä. wurden<br />

erbaut, selbst die Skilehrer kamen aus Österreich. Der Ferienort erfreute sich großer Beliebtheit <strong>und</strong><br />

die Besucherzahlen stiegen von 400 Personen im Jahr 1984 auf 10 000 bis 15 000 im Jahr 1987.<br />

Somit präsentierte sich Gudauri als „gelebte Perestrojka“ (FUßGÄNGER 1988). (FUßGÄNGER 1988,<br />

MEESEN 1992 , N 2006).<br />

Mit dem Erreichen der Unabhängigkeit im Jahr 1991 <strong>und</strong> den darauf folgenden Jahren erlebte<br />

Georgien einen tiefen Einschnitt – politisch, gesellschaftlich <strong>und</strong> schließlich auch touristisch. Nach<br />

STEINMETZER (2006) konnten vor dem Umbruch in Georgiens Hochzeit 152 000 Touristen eine<br />

Unterkunft zugewiesen werden. Vergleicht man diese Zahl mit den 300 000 Flüchtlingen, die wegen<br />

des Krieges mit Abchasien in den georgischen Hotels <strong>und</strong> Kureinrichtungen untergebracht werden<br />

mussten, so zeichnet sich die prekäre Situation schon ab. Aufgr<strong>und</strong> der politischen Spannungen, der<br />

Kriege <strong>und</strong> Kämpfe in <strong>und</strong> um Georgien, kam der Tourismus damals vollkommen zum Erliegen.<br />

Dadurch, dass das Land lange Zeit mit weit drängenderen Problemen zu kämpfen hatte,<br />

verschlechterte sich die Situation zunehmend, „Neuinvestitionen <strong>und</strong> Renovierungen blieben aus<br />

<strong>und</strong> die touristische Infrastruktur verschlechterte sich rapide“ (DEUBEL). Der Standard der „Sowjet-<br />

Hotels“ lag bei weitem unter dem Anspruch der westlichen Länder <strong>und</strong> so fiel die Wahl zwischen<br />

Schwarzmeerküste <strong>und</strong> Adria oder zwischen Kaukasus <strong>und</strong> Alpen <strong>für</strong> viele Touristen, sei es aus der<br />

ehemaligen Sowjetunion oder aus anderen Ländern, selten zugunsten Georgiens aus. Das Land, das<br />

zu Zeiten der Sowjetunion, anders als beispielsweise Bulgarien, stark vom Westen abgeschirmt war,<br />

tat sich nach der Wende schwer, sich anzupassen <strong>und</strong> so bewegt sich Georgien bis heute<br />

wirtschaftlich auf sehr niedrigem Niveau. Doch, auch wenn die statistischen Zahlen mit Vorsicht zu<br />

betrachten sind, so lässt sich jedoch auch beobachten, dass Georgien in den letzten Jahren, wenn<br />

auch sehr langsam, einen Trend aufwärts erlebt. Die Tatsache, dass mehr <strong>und</strong> mehr Flüchtlinge die<br />

Hotels verlassen <strong>und</strong> in Wohnhäuser ziehen können, mag dazu ebenso beitragen, wie die Tatsache,


dass Georgien nach der Rosenrevolution international stärker als Reiseziel wahrgenommen <strong>und</strong><br />

geschätzt wird. ( DEUBEL, STEINMETZER 2006).<br />

Nach DEUBEL sind es vor allem die georgische Natur <strong>und</strong> Kultur, auf die sich das Land in Zukunft<br />

stützen sollte um Touristen anzuziehen. Die Tatsache, dass Georgien vom internationalen Tourismus<br />

lange Zeit kaum beachtet wurde, kann heute eine Chance darstellen, denn: „der Kaukasus ist – zum<br />

Glück – noch nicht so erschlossen wie die Alpen [...].“ (KRIEGENHERDT 2008: 204 f.) Das Land<br />

stellt sich der Welt mit seiner ursprünglichen Natur <strong>und</strong> Kultur vor, in dem die Einwohner noch „im<br />

Einklang mit der Natur leben“ <strong>und</strong> die Besucher sich wie Pioniere fühlen können. Weite Teile des<br />

Kaukasus sind bis heute infrastrukturell kaum beziehungsweise schlecht erschlossen, das Land<br />

konnte sich eine Originalität erhalten, in der hohes Potential liegt. Bereits 1996 verstand man die<br />

Dringlichkeit, dieses Potential zu erhalten <strong>und</strong> zu sichern <strong>und</strong> so trat Georgien der UN-Konvention<br />

zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei. Verb<strong>und</strong>en mit diesem Beitritt war das Einverständnis,<br />

r<strong>und</strong> 20 Prozent von Georgien in geschützte Landschaft umzuwandeln. Seitdem wurden über zehn<br />

Prozent des Landes unter Schutz gestellt <strong>und</strong> Georgien kann heute 14 strenge Naturreservate, 8<br />

Nationalparks, 14 Naturdenkmale <strong>und</strong> zwei geschützte Landschaften aufweisen. Gelten diese<br />

Maßnahmen vorrangig dem Erhalt des natürlichen <strong>und</strong> kulturellen Erbes Georgiens, so sollen sie<br />

doch auch letztendlich dazu beitragen, sanften Tourismus in Georgien als die Perspektive zu<br />

etablieren um mit ihm eine Marke <strong>für</strong> das Land aufzubauen. „Der nachhaltige Tourismus<br />

kombiniert den Schutz der Pflanzen <strong>und</strong> Tiere mit der Möglichkeit <strong>für</strong> Besucher, die einzigartige<br />

Natur Georgiens kennen zu lernen. Durch den Tourismus wurden in der Region dringend benötigte<br />

Arbeitplätze geschaffen [...] – ohne die Natur zu zerstören.“ (WWF 2010). Als erster Nationalpark<br />

wurde 1995 der Borjomi-Khargauli Nationalpark gegründet. Diesem folgte 1998 der Kolkheti<br />

Nationalpark <strong>und</strong> 2003 der Vashlovani Nationalpark <strong>und</strong> der Tusheti Nationalpark. Der Mtirala<br />

Nationalpark wurde 2006 eingeweiht, ein Jahr später folgte der Kazbegi Nationalpark. Der Tbilisi<br />

Nationalpark schließlich ist der jüngste bestehende Nationalpark in Georgien. In Javakheti <strong>und</strong><br />

Swanetien ist außerdem die Errichtung drei weiterer Nationalparks geplant. Eine Übersicht über die<br />

bestehenden <strong>und</strong> geplanten geschützten Gebiete Georgiens bietet Abbildung 1. (Agency of<br />

Protected Territories, B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung<br />

2006, GOKHELASHVILI, WWF 2010).


Abb.1: Karte der vorhandenen <strong>und</strong> geplanten geschützten Gebiete in Georgien. (Ageny of Protected<br />

Territories)<br />

Neben der Errichtung von zahlreichen geschützten Gebieten in Georgien, gibt es einige kleinere<br />

Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, bestimmte Regionen des Landes wirtschaftlich<br />

zu stärken <strong>und</strong> <strong>für</strong> den Tourismus attraktiver zu machen ohne gleichzeitig dem fragilen <strong>und</strong><br />

wertvollen Ökosystem zu schaden. Als eine dieser Regionen soll nun Swanetien (s. Abb. 2)<br />

vorgestellt werden. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Georgien arbeitet hier mit der<br />

„Georgischen Vereinigung <strong>für</strong> Bergaktivisten“ (GUMA) zusammen, um den sanften Tourismus in<br />

der Region im Kaukasus zu fördern. Ähnliche Ziele verfolgt das Projekt „Pro Mestia, Georgien“.


Abb. 2: Lage Swanetiens in Georgien. (NEUBRONNER 2009)<br />

„Swanetien ist auf Gr<strong>und</strong> seiner atemberaubenden Landschaft, des Reichtums an Geschichte <strong>und</strong><br />

der einzigartigen ethnischen Identität seiner Einwohner eines der attraktivsten Erholungsgebiete in<br />

Georgien.“ (Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Georgien 2006). Zu Zeiten der Sowjetunion<br />

war die Gegend bei Bergsteigern, Wanderern <strong>und</strong> Wintersportlern sehr beliebt. Orte wie Moaschi,<br />

Seßcho oder Lenstechi waren damals auf Massentourismus ausgerichtet <strong>und</strong> auch dementsprechend<br />

ausgestattet. Doch auch hier erlebte die Region den beschriebenen Einschnitt nach dem Zerfall der<br />

Sowjetunion: Massen von Flüchtlingen wurden auf Jahre in den Hotels untergebracht <strong>und</strong> der<br />

Tourismus kam zum Erliegen. So berichten KVASTIANI, SPOLANSKI. <strong>und</strong> STERNFELDT (2003: 322)<br />

beispielsweise über das Touristendorf Moaschi: „Früher war es schwer, hier im Sommer einen Platz<br />

zu bekommen, heute muß das Lager mitunter wegen des Ausbleibens von Gästen geschlossen<br />

bleiben.“. Infrastruktur, Unterkünfte <strong>und</strong> Anlagen fanden während den Jahren der Instabilität kaum<br />

Beachtung <strong>und</strong> konnten ihren Standard nicht aufrecht erhalten <strong>und</strong> erst recht nicht ausbauen.<br />

Swanetiens Stärke heute liegt sowohl in seiner Ursprünglichkeit <strong>und</strong> Abgeschiedenheit als auch in<br />

der besonders attraktiven Landschaft. Die Region unterteilt sich in Ober- (Semo-) Swanetien <strong>und</strong><br />

Unter- (Kwemo-) Swanetien. Die Swanen konnten sich ihre Sprache <strong>und</strong> ihre Traditionen über<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte hinweg erhalten <strong>und</strong> die Wehrtürme, die die Gehöfte der, meistens landwirtschaftlich<br />

tätigen, Familien säumen, prägen das Bild vieler Dörfer bis heute. In Swanetien finden sich die<br />

höchsten, dauerhaft bewohnten Dörfer Europas - „Nirgends ist man dem Himmel <strong>und</strong> der Sonne so


nahe wie hier.“ ( KVASTIANI, SPOLANSKI. <strong>und</strong> STERNFELDT 2002: 313) <strong>und</strong> vor allem Bergsteiger<br />

<strong>und</strong> Wanderer können hier auf ihre Kosten kommen. Doch auch wenn die Region mit ihrem<br />

ursprünglichen <strong>und</strong> abgeschiedenen Charakter besticht, so bedeutet dies doch gleichzeitig auch,<br />

dass sie wohl kaum in die Wirtschaft des übrigen Landes eingeb<strong>und</strong>en ist. Die schlechte<br />

infrastrukturelle Situation des Gebietes <strong>und</strong> die Isolation der Bevölkerung, die sich über einen<br />

langen Zeitraum erhalten hat, hat Swanetien ins Abseits gerückt <strong>und</strong> als Wirtschaftsstandort<br />

unattraktiv gemacht – die Transaktionskosten wären schlicht zu hoch, als dass sich die Integration<br />

Swanetiens in einen nationalen beziehungsweise internationalen Wirtschaftskreislauf lohnen würde.<br />

So leben nicht wenige Swanen heute unter der Armutsgrenze. (KRIEGENHERDT 2008, KULKE ³2008,<br />

KVASTIANI, SPOLANSKI. <strong>und</strong> STERNFELDT 2002, Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Georgien<br />

2006).<br />

Um den Einwohnern Swanetiens eine Perspektive zu bieten <strong>und</strong> die Region als ein bewohntes<br />

Gebiet zu halten, sollte man vielmehr auf endogene Ressourcennutzung setzen, wie es BÄTZING<br />

(²2003: 336) auch von den Alpen fordert: „Die endogene Ressourcennutzung [...] müsste sehr<br />

gezielt in dezentral-flächenhafter Form aufgewertet werden.“ Nach BÄTZING (²2003) sind es die<br />

zahlreichen Ressourcen der Alpen, die, durch innovative Aufwertung neu genutzt, eine große<br />

Chance <strong>für</strong> die Region darstellen. Hier geht es darum, dass sowohl die Produktion als auch die<br />

Vermarktung von regionsspezifischen Gütern in der Region selbst ablaufen <strong>und</strong> vor allem Gäste von<br />

außerhalb ansprechen sollte. Damit einher ginge die Aufwertung der regionalen Wirtschaft <strong>und</strong> die<br />

Förderung einer dezentral-flächenhaften Struktur. (BÄTZING ²2003, KULKE ³2008). Die Isolation<br />

vom nationalen <strong>und</strong> internationalen Markt kann unter diesem Gesichtspunkt auch als eine Chance<br />

verstanden werden, da sie gleichzeitig auch Unabhängigkeit <strong>und</strong> ein Losgelöstsein von<br />

Schwankungen bedeutet.<br />

Die FES <strong>und</strong> die GUMA haben es sich in diesem Zusammenhang zur Aufgabe gemacht, kleine<br />

Familienbetriebe in Swanetien zu unterstützen. Die einheimische Bevölkerung soll als tragendes<br />

Element gefördert werden, um einen Tourismus in der Region zu etablieren, der vor allem den<br />

Menschen vor Ort zu Gute kommt. Das Programm der Initiative ist umfangreich. Interessierten<br />

Familien werden Seminare <strong>und</strong> Kurse angeboten, die sie auf dem Gebiet des Tourismus aus- <strong>und</strong><br />

weiterbilden, die Infrastruktur soll verbessert werden, so dass die Region mit wegsamen Straßen,<br />

Reit- <strong>und</strong> Wanderwegen als Tourismusdestination attraktiver wird. Des Weiteren übernehmen FES<br />

<strong>und</strong> GUMA sowohl die Vermarktung der Region als auch die Ausbildung wie zum Beispiel lokaler<br />

Fremdenführer. Seit 2005 sind die Initiatoren mit ihrem Projekt aktiv. Seitdem wurden schon<br />

mehrere Seminare <strong>für</strong> zahlreiche interessierte Familien abgehalten, ein Lehrbuch, das noch mehr<br />

Familien erreichen <strong>und</strong> informieren soll, wurde veröffentlicht <strong>und</strong> man begann mit dem Einrichten<br />

mehrerer Reit- <strong>und</strong> Wanderwege. All dies geschah in enger Zusammenarbeit <strong>und</strong> Absprache mit der


lokalen Bevölkerung <strong>und</strong> mit dem Ziel, einen behutsamen <strong>und</strong> sanften Tourismus in der Region zu<br />

etablieren. Um die Einheimischen noch stärker in die touristische Förderung der Region<br />

miteinzubeziehen, wurde 2006 schließlich die Nichtregierungsorganisation „Zentrum <strong>für</strong><br />

Bergtourismus in Oberswanetien“ (ZBTS) ins Leben gerufen. Dem ZBTS ist vor allem die<br />

„Ausbildung <strong>und</strong> Qualifizierung <strong>und</strong> die Anregung zu Eigeninitiativen, z.B. der Verkauf<br />

kunstgewerblichen Gegenstände.“ (Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Georgien 2006)<br />

wichtig. Außerdem stellt das ZBTS eine Art Reisezentrum dar, welches Touren <strong>für</strong> Touristen, deren<br />

Unterbringung <strong>und</strong> Transport organisiert. (Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Georgien<br />

2006).<br />

In ähnlicher Weise arbeitet der Verein „Pro Mestia, Georgien“. Schwerpunkt liegt hier allerdings<br />

auch auf der Verbesserung der Wohnverhältnisse <strong>und</strong> dem Wiederaufbau. Beides wird durch die<br />

Zusammenarbeit mit Architekten realisiert. Weitere Schlagwörter <strong>für</strong> „Pro Mestia, Georgien“ sind<br />

der sanfte Tourismus, die humanitäre Hilfe <strong>und</strong> die Schaffung von Arbeitsplätzen, wie zum Beispiel<br />

in der Holzbearbeitung oder der Landwirtschaft. Die Region <strong>und</strong> ihre Bewohner werden<br />

ganzheitlich unterstützt – die Organisation von Frauenprojekten, die Schaffung von Unterkünften<br />

<strong>für</strong> den sanften Tourismus oder die Ausbildung im Biolandbau seien hier als Beispiele genannt. (Pro<br />

Mestia Georgien).<br />

All diese Initiativen sollen <strong>für</strong> die Bevölkerung eine Alternative zur Abwanderung darstellen <strong>und</strong><br />

das Gebiet als ganzheitlicher, bewohnter <strong>und</strong> stark naturbelassener Raum erhalten. Der Erfolg<br />

dieser Initiativen lässt sich an der internationalen Reaktion ablesen. Noch ist die Berichterstattung<br />

spärlich, doch wenn NEUBRONNER (2009) den Trekking-Urlaub in Swanetien als eine „Reise in die<br />

Vergangenheit“ preist, oder ESHELBY (2008) von der „peaceful mountain region of Svaneti“<br />

schwärmt, dann lässt sich schon ablesen, dass Swanetien seinem Ziel schon ein Stück weit näher<br />

gekommen ist.<br />

Verwendete Literatur<br />

BÄTZING, W. (²2003): Die Alpen. Geschichte <strong>und</strong> Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft.<br />

München.<br />

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B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung (2006): BMZ Materialien<br />

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DEUBEL, M.: Unveröffentlichte Magisterarbeit.


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zwischen Kaukasus <strong>und</strong> Schwarzem Meer. Berlin.<br />

MEESEN, H. (1992): Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit von Naturschutz <strong>und</strong> Landschaftspflege in der<br />

Sowjetunion. Bewertungsversuch aufgr<strong>und</strong> von Geländeuntersuchungen in 3<br />

Gebirgsregionen des Großen Kaukasus (Georgische Sozialistische Sowjetrepublik). Bern.<br />

NEUBRONNER, E. (2009): Swanetien – ein noch unbekanntes Trekking-Dorado. Neue Züricher<br />

Zeitung Nr. 246 (23. Oktober 2009).<br />

STEINMETZER, K. (2006): Tourismus in Georgien. Entwicklung <strong>und</strong> Herausforderungen.<br />

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Svaneti Trekking. Über Uns (2006) / Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Georgien.<br />

http://www.svanetitrekking.ge/deu/about.htm (14. Juni 2010).


Kulturlandschaft in den Bergen Swanetiens<br />

-Eine Ableitung aus dem Alpenraum-<br />

Julia Katzendorn<br />

1. Entstehung einer Kulturlandschaft in europäischen (Hoch-) Gebirgsregionen <strong>und</strong> ihre<br />

Formen<br />

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Alpenraum, lassen sich aber auf<br />

Gr<strong>und</strong> der fast identischen ökologischen Gegebenheiten auf die Bergregion Swanetiens<br />

übertragen. Der Naturzustand der europäischen Gebirgsregionen stellt <strong>für</strong> die dort siedelnden<br />

Menschen eine eher feindliche Lebensumgebung dar. Ohne Eingreifen des Menschen<br />

dominieren dort dichter Wald sowie versumpfte <strong>und</strong> überschwemmungsgefährdete Talböden,<br />

welche nur in den Trockenperioden des Sommers nutzbar sind. Ein weiteres Hindernis <strong>für</strong><br />

menschliche Siedlungen stellt die <strong>für</strong> die Gebirgsregionen typisch sprunghaft ablaufende<br />

Naturdynamik dar. Was Menschen <strong>für</strong> Naturkatastrophen halten, sind die im Urzustand<br />

ablaufenden Prozesse. Um sich eine angenehme Siedlungs- <strong>und</strong> Lebensumwelt in den<br />

Gebirgsregionen zu verschaffen, greifen die dort lebenden Menschen bewusst in die Prozesse<br />

der Ökosysteme ein <strong>und</strong> versuchen diese ihren Bedürfnissen anzupassen, wobei sie<br />

Veränderungen der Flora <strong>und</strong> Fauna herbeiführen. (BÄTZING 2003: 79)<br />

1.1 Das agrarisch geprägte Zeitalter<br />

Die drei großen, maßgebenden Umgestaltungen der Ökosysteme der Gebirgsregionen<br />

im Agrarzeitalter sind die Schaffung der Almen, der talnahen Kulturstufe sowie die<br />

Aufwertung <strong>und</strong> Nutzung der Talböden. (BÄTZING 2003: 80)<br />

DIE ALMEN<br />

Vor den verändernden Eingriffen der Menschen war die untere Almstufe noch mit<br />

Wald bewachsen, welcher <strong>für</strong> das Vieh gleichzeitig als Unterstand diente. Allerdings ist diese<br />

Beweidungsform <strong>für</strong> den Wald auf Dauer untragbar, weil die Tiere ihm keine<br />

Regenerationsmöglichkeit bieten. Der enorm hohe Holzbedarf - beispielsweise <strong>für</strong> Gebäude,<br />

Zäune <strong>und</strong> Käseherstellung- führte zu einem großflächigen Holzschlag, welcher die<br />

Vergrößerung der Almfläche auf die unteren Stufen nach sich zog, in denen bessere<br />

0


Wachstumsbedingungen <strong>für</strong> Gras herrschen. Die vormals kleinen <strong>und</strong> unzusammenhängenden<br />

Flächen wurden durch das Roden <strong>und</strong> zusätzliche Schlagen von Holz <strong>für</strong> industrielle Zwecke<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en, der Mensch hatte also die Baumgrenze weiter talwärts versetzt.<br />

(BÄTZING 2003: 80f.)<br />

Das regelmäßige Abweiden begünstigte das Wachstum von sonst schwächer<br />

vertretenen Arten, führte also zu einer höheren Artenvielfalt. Insgesamt hat der Mensch durch<br />

seine Almpflegeprozesse <strong>und</strong> die natürliche Düngung durch die Tiere positive Effekte auf die<br />

Artenvielfalt <strong>und</strong> Bodenqualität der Almen. (BÄTZING 2003: 81f.)<br />

Die Veränderung der Weidetierarten <strong>und</strong> die Einrichtung von Ställen auf der Alm<br />

sorgten <strong>für</strong> Veränderungen des Landschaftsbildes, wie zum Beispiel die Herausbildung von<br />

Schafwegen <strong>und</strong> Viehgangeln. Diese Veränderungen können sich einerseits als stabilisierend<br />

<strong>für</strong> das Gelände erweisen, andererseits, bei zu starker Verfestigung des Bodens, als<br />

vegetationsschädigend <strong>und</strong> erosionsfördernd. (BÄTZING 2003: 83f.)<br />

DER TALBEREICH<br />

Hier siedeln die Menschen auf Schwemmkegeln <strong>und</strong> kultivieren diesen Bereich sowie dessen<br />

Südhang durch Rodungen. Die Talböden werden nur in Trockenzeiten als Weideflächen<br />

genutzt. Im Lauf der Zeit nahmen diese gerodeten Flächen zu <strong>und</strong> wuchsen zusammen. Um<br />

eine erhöhte Erosions- <strong>und</strong> damit Lawinengefahr zu vermeiden, wird zwischen den gerodeten<br />

Alm- <strong>und</strong> Schwemmkegelflächen der sogenannte Bannwald stehen gelassen. (BÄTZING 2003:<br />

85f.)<br />

Bätzing beschreibt die Eingriffe des Menschen in die Ökosysteme der Alpen als<br />

gezielte, kleinräumige Eingriffe, welche die Gefahren von Naturkatastrophen reduzieren.<br />

Weiterhin beschreibt er, dass es „Charakteristisch <strong>für</strong> die Herausbildung der Kulturlandschaft<br />

der Talstufe ist […], dass der Mensch nie einfach großflächig rodet, sondern seine Eingriffe<br />

sehr sorgfältig <strong>und</strong> kleinräumig auf die bestehende Naturlandschaft ausrichtet, indem er<br />

gezielt nur Flächen mit ausreichender Bodenmächtigkeit, geeigneter Sonneneinstrahlung,<br />

geringer Beeinträchtigung durch kalte Lokalwinde <strong>und</strong> nicht zu steilem Relief in Kulturland<br />

umwandelt.“ (BÄTZING 2003: 86)<br />

DIE TALBÖDEN<br />

Die Ebenen der nacheiszeitlichen Seen sind verlandet <strong>und</strong> überschwemmungsgefährdet.<br />

Deshalb stellten sie <strong>für</strong> die Siedler die größten Herausforderungen bei der Gewinnung von<br />

1


Kulturland dar. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert gelang die Schaffung neuen Kulturlandes durch eine<br />

effektive Begradigung der Gebirgsflüsse sowie die Trockenlegung der Flächen auf allen<br />

Höhenstufen. Diese Flächen wurden als Wiesen <strong>und</strong> Weiden genutzt. Ebendiese<br />

Flächenvergrößerung des Kulturlandes bedingt die heutige Verkehrserschließung des<br />

Gebirgsraumes. (BÄTZING 2003: 87f.)<br />

1.2 Das veränderte Landschaftsbild<br />

Mit den Kulturland schaffenden Eingriffen der Menschen werden die Gebirgsökosysteme<br />

erheblich verändert <strong>und</strong> es entsteht ein vollkommen neues Landschaftsbild. Während die<br />

ursprüngliche Naturlandschaft in den europäischen Gebirgsregionen eine relativ geringe<br />

Artenvielfalt aufweist, stellt „Die vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft […] eine<br />

ausgesprochen artenreiche Landschaft dar…“ (BÄTZING 2003: 90), denn der Mensch<br />

verändert die Fauna, indem er vorher nicht ansässige Pflanzenarten –beispielsweise zum<br />

Zweck von Ackerbau- einführt <strong>und</strong> kultiviert. Viele Pflanzenarten, die im Naturzustand<br />

schlechte oder geringe Flächen bewachsen, finden in den vom Menschen geschaffenen<br />

Räumen bessere Wachstumsbedingungen. (BÄTZING 2003: 88ff)<br />

Die <strong>für</strong> die europäische Gebirgsregionen typischen naturräumlichen Unterschiede<br />

werden vom Menschen bei der Kultivierung des Landes erkannt <strong>und</strong> naturverträglich so<br />

genutzt, dass überall in den Regionen eine deutliche Kleinräumigkeit der Kulturlandschaft<br />

erkennbar ist. Diese Kleinräumigkeit erzeugt eine „hohe Biodiversität <strong>und</strong> große<br />

landschaftliche Vielfalt […]. Biologen sprechen deshalb vom ökologischen Gefüge, um die<br />

spezifische Ökologie von Kulturlandschaften mit ihrer ausgeprägten Vielfalt <strong>und</strong> dem<br />

kleinräumigen Wechsel von völlig unterschiedlich anthropogen geprägten<br />

Vegetationseinheiten herauszustreichen.“ (BÄTZING 2003: 90). Die Menschen arbeiten also in<br />

ihrer Gestaltung der Kulturlandschaft die natürlichen Unterschiede so heraus, dass sie viel<br />

deutlicher heraustreten, als in der ursprünglichen Naturlandschaft. (BÄTZING 2003: 90f.)<br />

2


Quelle: Bätzing 2005: 80<br />

3<br />

Abb. 1: Mestia in<br />

Swanetien: Eine<br />

Siedlung nahe eines<br />

Flusses. Die<br />

kultivierten Flächen<br />

sind deutlich zu<br />

erkennen, dahinter<br />

werden die<br />

Baumreihen immer<br />

dichter, bis sie<br />

schließlich eine<br />

größtenteils<br />

zusammenhängende<br />

Waldfläche ergeben.<br />

Abb2.: Eine typische<br />

alpine<br />

Kulturlandschaft:<br />

Siedlung nicht zu<br />

nahe am Fluss,<br />

Ackerflächen,<br />

Bannwald <strong>und</strong><br />

schließlich die<br />

Almweiden.


1.3 Typische Siedlungsformen in europäischen Gebirgsregionen<br />

Im Talbereich befinden sich die besten Siedlungsstandorte auf Schwemmkegeln. Die<br />

Vorteile dieses Standortes ergeben sich aus dem Schutz vor Überschwemmungen durch die<br />

Alpenflüsse <strong>und</strong> die besonders günstigen Bedingungen <strong>für</strong> den Ackerbau. Führt aber ein Fluss<br />

einmal so viel Wasser, dass sein eigenes Bett es nicht mehr halten kann, werden die<br />

Schwemmkegel mit sehr vielen Sedimenten überschüttet. Die Schwemmkegel werden jedoch<br />

trotzdem bevorzugt als Standort genutzt, weil die Vorteile überwiegen. Sie bleiben bis in die<br />

1960er Jahre auch der einzige Siedlungsort, erst mit der Flussbegradigung trauen die<br />

Menschen sich in die Talauen. Vorher war das Siedeln dort wegen der Überschwemmungen<br />

einfach nicht möglich. (BÄTZING 2003: 84, 88)<br />

Für Swanetien beschreibt Kriegenherdt ein typisches Swanendorf als eine Ansammlung von<br />

Gehöften von circa 30 Familien. Diese sind meistens um die regionstypischen Wehrtürme<br />

gruppiert. Die swanische Siedlung Ushguli ist mit 2200 Metern Höhe das „höchste dauerhaft<br />

bewohnte Dorf Europas“ (KRIEGENHERDT 2008: 210) <strong>und</strong> zählt zum UNESCO<br />

Weltkulturerbe. Allerdings ist dieses Dorf von starken Abwanderungsprozessen<br />

gekennzeichnet. (KRIEGENHERDT 2008: 196, 210)<br />

Abb. 3: Mestia: eine typische Siedlung mit charakteristischen Wehrtürmern in<br />

Swanetien<br />

4<br />

Quelle: earth.google.com


2. Reproduktion <strong>und</strong> Biodiversität im Hinblick auf Ökologische Stabilität<br />

Um der natürlich gegebenen Labilität –durch das Roden des erosionshemmenden Waldes<br />

verstärkt- des Gebirgsraumes entgegen zu wirken <strong>und</strong> in diesem Raum leben <strong>und</strong> wirtschaften<br />

zu können, muss der Mensch bestimmten Handlungsmustern folgen, um die Stabilität der von<br />

ihm geschaffenen Kulturlandschaft aufrecht zu erhalten. (BÄTZING 2003: 92)<br />

Die geneigten Ackerflächen erodieren im Naturzustand stark. Gegenmaßnahmen stellen das<br />

Anlegen von Ackerterassen <strong>und</strong> die Entfernung von Steinen dar. Durch einen sehr hohen<br />

Arbeitsaufwand kann die Vegetationszeit hier verlängert werden. Bei den Wiesen ist zur<br />

Erhaltung der geschaffenen Artenvielfalt <strong>und</strong> der Dichte der Vegetationsdecke der<br />

Schnittzeitpunkt <strong>und</strong> die Schnitthäufigkeit von Bedeutung. Die Verhinderung von Über- <strong>und</strong><br />

Unterbesatz mit Vieh spielt bei der Erhaltung der Weiden eine wichtige Rolle. Ebenfalls<br />

relevant sind die Weidezeiten <strong>und</strong> eine Durchmischung der Viehgattungen. Um die<br />

Schutzfunktion des Waldes <strong>und</strong> seinen gleichmäßigen Aufbau zu bewahren, bedient man sich<br />

der Einzelstammentnahme. Durch die menschliche Nutzung wird die ökologische Stabilität<br />

erhalten <strong>und</strong> teilweise sogar verstärkt. Obwohl der Mensch den Gebirgsraum so nutzt, dass<br />

die ökologische Stabilität größtenteils erhalten bleibt oder sogar aufgewertet wird, muss<br />

trotzdem ein hohes Maß an Pflege- <strong>und</strong> Reparaturarbeiten geleistet werden. (BÄTZING 2003:<br />

92-97)<br />

Die vier Prinzipien, die Bätzing zur Stabilisierung der „ökologisch labile(n) Kulturlandschaft“<br />

nennt, sind erstens gewissenhaft ausgewählte Flächen zum Kulturlandschaftsumbau mit<br />

Achtung der natürlichen Grenzen; zweitens die Rücksichtnahme auf die Kleinräumigkeit bei<br />

der Auswahl der Nutzungen; drittens die Berücksichtigung des angemessenen Ausmaßes der<br />

Nutzung; <strong>und</strong> viertens die Durchführung der notwendigen reproduktiven Arbeiten. (BÄTZING<br />

2003: 98)<br />

In Swanetien gibt es regelmäßig Erdrutsche <strong>und</strong> Lawinenabgänge, also Massenbewegungen<br />

auf Gr<strong>und</strong> von hohen Erosionsabträgen <strong>und</strong> fehlendem Halt. Die Gründe da<strong>für</strong> könnten<br />

entweder in der noch im Naturzustand belassenen Landschaft liegen oder sie könnten auch<br />

eine Reaktion auf Verbrachungsprozesse im Bergland sein. (KRIEGENHARDT 2008: 196)<br />

Da Georgien lange Zeit unter sowjetischem, also sozialistischem Einfluss stand, wurden dort<br />

auch die jeweiligen Prinzipien den Landschaftsschutz betreffend angewandt. Konkret heißt<br />

das, dass der Umweltschutz in die Volkswirtschaftspläne integriert war <strong>und</strong> somit die<br />

5


Nutzung der natürlichen Ressourcen rationell geschehen sollte <strong>und</strong> die Natur nachhaltig<br />

geschützt <strong>und</strong> erhalten werden sollte. (MEESSEN 1992: 29- 31)<br />

3. Kulturlandschaft im ökologischen Wandel<br />

3.1 Nutzungsintensivierungen, Nutzungsextensivierungen <strong>und</strong> Verbrachungen <strong>und</strong><br />

ökologische Stabilität<br />

NUTZUNGSINTENSIVIERUNGEN<br />

Bei der Form der agrarischen Intensivierung ist das Resultat ein homogener Wurzelhorizont,<br />

was die Erosions- <strong>und</strong> Rutschungsgefahr erhöht. Betrachtet man die Weiden, so ist eine<br />

Arbeits-<strong>und</strong> Kapitalintensivierung festzustellen, einhergehend mit schwereren Tieren <strong>und</strong><br />

vermindertem menschlichen Einsatz. Die Folgen sind eine starke Übernutzung einzelner<br />

Gunstflächen <strong>und</strong> eine verstärkte Bodenzerstörung. (BÄTZING 2003: 232ff.)<br />

Die Verstädterungsprozesse stellen ebenfalls eine Form der Intensivierung dar, welche mit<br />

einer hohen Bodenversiegelung, Lärmbelästigung, Wasserkraftwerke etc. einhergeht. Die<br />

Folgen der intensiveren Nutzung des Raumes sind Rückgang der Artenvielfalt, verminderte<br />

6<br />

Abb. 4: Mestia:<br />

Almweide mit<br />

angrenzendem<br />

Wald, zur<br />

Stabilisierung des<br />

Hanges<br />

Quelle: earth.google.com


Regenerationsfähigkeit der Ökosysteme <strong>und</strong> eine höhere ökologische Labilität. (BÄTZING<br />

2003: 235f.)<br />

NUTZUNGSEXTENSIVIERUNGEN UND VERBRACHUNGEN<br />

Das Produkt der Flächen eingestellter Nutzungen ist eine durch Sukzessionsprozesse<br />

hervorgerufene geringere Artenvielfalt als im bewirtschafteten <strong>und</strong> gepflegten Kulturland.<br />

Der Ablauf ist je nach Standort unterschiedlich. So laufen die Prozesse an den feuchten<br />

Standorten des mitteleuropäischen Klimas schneller ab als die in inneralpinen, trockenen<br />

Bereichen wie im mediterranen Klima. Betrachtet man die Sukzession in den Wäldern, so<br />

kann man feststellen, dass zwar die Artenvielfalt dort ansteigt, aber die ökologische Stabilität<br />

durch ungehinderten Wuchs <strong>und</strong> somit teilweise Zusammenbruch zurückgeht. Als Folge hat<br />

dieser Prozess eine verminderte Schutzfunktion der Wälder. Allerdings gilt das nicht nur <strong>für</strong><br />

die Wälder, sondern <strong>für</strong> alle Sukzessionsprozesse im europäischen Gebirgsraum. Auch<br />

kehren vermehrt Tierarten in den Gebirgsraum zurück, die dort vorher wegen den vom<br />

Menschen geschaffenen Bedingungen nicht leben konnten oder als ausgerottet galten.<br />

(BÄTZING 2003: 236-240)<br />

In beiden Fällen, nämlich der Nutzungsintensivierung <strong>und</strong> Nutzungsextensivierung bzw.<br />

Verbrachung ist das Resultat eine rückläufige Artenvielfalt <strong>und</strong> eine höhere ökologische<br />

Labilität. (BÄTZING 2003: 240f.)<br />

Auf Swanetien bezogen beschreibt Stadelbauer, dass sich der Bevölkerungsschwerpunkt im<br />

ländlichen Raum des Großen Kaukasus bis vor einigen Jahrzehnten in den Höhenlagen<br />

zwischen 800/1000 <strong>und</strong> 1500 befand. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts gab<br />

es jedoch gelenkte Umsiedlungen der Menschen sowie spontane Bergflucht, vor allem in das<br />

Gebirgsvorland. Somit kam es in diesen ehemals bewohnten Regionen zu Verbrachungen <strong>und</strong><br />

Sukzessionsprozessen, mit den oben beschriebenen Folgen <strong>für</strong> das Landschaftsbild.<br />

Allerdings sind nicht alle Siedlungen verlassen, die Bewässerungssysteme werden teilweise<br />

noch genutzt <strong>und</strong> es werden wohl auch noch reparative Arbeiten geleistet. Ein weiterer<br />

Umstand, der zur Verbrachung <strong>und</strong> Veränderungen des Landschaftsbildes in der kaukasischen<br />

Bergregion führte, ist die Abwanderung der sozialistischen Großbetriebe aus dem Gebirge in<br />

die neu erschlossenen Gebiete im Gebirgsvorland. (STADELBAUER 1988: 85, 88f., 93)<br />

7


3.2 Biodiversität <strong>und</strong> Artenvielfalt<br />

Europäische Gebirgsregionen weisen eine enorm hohe Artenvielfalt im Vergleich zu flachen<br />

Gebieten auf. Betrachtet man die verschiedenen Landschaftstypen, so stellt man fest, dass der<br />

am stärksten bedrohte Typ die Wildflusslandschaften in den Talauen <strong>und</strong> Tälern ist. Im<br />

Naturzustand ist die Nutzung dieser Gebiete <strong>für</strong> den Menschen nämlich fast unmöglich.<br />

Danach folgen die inneren Trockenzonen <strong>und</strong> die Kulturlandschaften der feuchteren<br />

Gebirgssäume sowie die Almgebiete. Der Mensch erhöht die Labilität der Kulturlandschaften<br />

durch die Intensivierung <strong>und</strong> Extensivierung/Verbrachung, indem er Sukzession (flache<br />

Hänge) <strong>und</strong> Bodenabtrag (steile Hänge) fördert, welche dann letztendlich in<br />

Naturkatastrophen münden. (BÄTZING 2003: 241, 245, 248)<br />

Die Kaukasusregion zählt zu den 200 „Ökoregionen“ des WWF mit einer enormen<br />

Biodiversität, welche aber auch gleichzeitig zu den am meisten Bedrohten zählt. Diese Region<br />

beherbergt von allen aus der gemäßigten Klimazone die meisten endemischen Pflanzenarten.<br />

Gleiches gilt <strong>für</strong> die Tierwelt. Diese große Artenvielfalt kommt zum Einen daher, dass in der<br />

Kaukasusregion auf Gr<strong>und</strong> der Höhenunterschiede nahezu alle Klimazonen <strong>und</strong> über h<strong>und</strong>ert<br />

Landschaftstypen vertreten sind. Zum Anderen konnten sich viele endemische Arten in der<br />

Region halten, weil diese von der letzten Eiszeit unangetastet blieb. Deshalb ist der Schutz der<br />

Region besonders wichtig. Die große Artenvielfalt der Kaukasusregion ist extrem instabil.<br />

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zu einem wirtschaftlichen<br />

Zusammenbruch <strong>und</strong> viele Bevölkerungsgruppen waren der Armut ausgesetzt. Das führte<br />

unter Anderem zu illegaler Abholzung, Überweidung <strong>und</strong> Wilderei, was letztendlich eine<br />

Gefährdung <strong>für</strong> die Biodiversität der Kaukasusregion darstellt. (BMZ 2006: 6f.)<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nutzungsintensivierung <strong>und</strong><br />

Nutzungsextensivierung/Verbrachung zu einem tiefgreifenden Wandel des ökologischen<br />

Raumes führen. Die Resultate sind Rückgang der Artenvielfalt <strong>und</strong> der Kleinräumigkeit des<br />

Landschaftsbildes sowie ein erhöhtes Risiko von Naturkatastrophen. Hervorgerufen wird<br />

dieser Wandel durch den „technischen“, kurzfristig angelegten Umgang mit der Natur <strong>und</strong> die<br />

Vernachlässigung reparativer Arbeiten. (BÄTZING 2003: 253f.)<br />

8


Literatur<br />

BÄTZING, W. (2003): Die Alpen. Geschichte <strong>und</strong> Zukunft einer europäischen<br />

Kulturlandschaft. München.<br />

BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG.<br />

REFERAT „ENTWICKLUNGSPOLITISCHE INFORMATIONS- UND BILDUNGSARBEIT“. (2006):<br />

Naturschutz im Kaukasus. (BMZ Materialien 155). Mühlheim am Main.<br />

KRIEGENHERDT, M. (2008): Georgien. Handbuch <strong>für</strong> individuelles Entdecken. Paderborn.<br />

MEESSEN, H. (1992): Anspruch <strong>und</strong> Wirklichkeit von Naturschutz <strong>und</strong> Landschaftspflege in<br />

der Sowjetunion. Bewertungsversuch aufgr<strong>und</strong> von Geländeuntersuchungen in drei<br />

Gebirgsregionen des Grossen Kaukasus (Georgische Sozialistische Sowjetrepublik).<br />

(Geographica Bernensia P 25). Bern.<br />

STADELBAUER, J. (1988): Kulturlandschaftswandel im ländlichen Raum des Großen<br />

Kaukasus. In: HAIMAYER, P. (Hrsg.): Probleme des ländlichen Raumes im Hochgebirge.<br />

(Innsbrucker Geographische Studien 16). Innsbruck. S. 83-96.<br />

9


Glaziologie – Vergletscherung im Kaukasus vom<br />

Pleistozän bis heute<br />

1. Glaziologie<br />

Jana-Marie Dusik<br />

Die Glaziologie ist die Wissenschaft von Schnee <strong>und</strong> Eis <strong>und</strong> wird in die Teilgebiete<br />

„Schnee <strong>und</strong> Lawinen, Meereis, Eis auf Flüssen <strong>und</strong> Seen, Gletscher <strong>und</strong> Eiskappen,<br />

jahreszeitlich <strong>und</strong> ganzjährig gefrorener Untergr<strong>und</strong> (Permafrost) sowie die<br />

kontinentalen Eisschilde Antarktis <strong>und</strong> Grönland“ unterteilt (Haeberli, Holzhauser<br />

14.05.2010). Gletscher, als ein Teil dieser Wissenschaft sind das Hauptaugenmerk<br />

dieser Arbeit. Ihre Eigenschaften werden daher im Folgenden explizit beschrieben.<br />

1.1. Die Entstehung von Gletschern<br />

Wie jedes geomorphologische Prozesssystem unterliegen auch die Gletscher dem<br />

ständigen Wandel der Zeit <strong>und</strong> vor allem des Klimas. So bilden spezifische Klima-<br />

<strong>und</strong> Witterungsverhältnisse über längere Zeiträume das F<strong>und</strong>ament ihrer Entstehung<br />

oder ihres Verschwindens.<br />

1.1.1. Klimatische Bedingungen <strong>und</strong> Schneegrenze<br />

Das Klima der Erdgeschichte unterliegt seit Millionen von Jahren dem ständigen<br />

Wechsel von Kalt- <strong>und</strong> Warmzeiten von verschiedener Dauer <strong>und</strong> Intensität. Sie<br />

werden vom Zusammenspiel bestimmter astrophysikalischer Faktoren, wie der<br />

Exzentrizität, Präzession <strong>und</strong> Nutation (Milankovitch Zyklen), sowie der momentanen<br />

Zusammensetzung der Erdatmosphäre <strong>und</strong> somit der Sonneneinstrahlung<br />

verursacht. Kaltzeiten entstehen folglich bei relativ großen Werten der Milankovitch<br />

Zyklen <strong>und</strong> geringer solarer Radiation. Dies bedingt geringe Temperaturen auf der<br />

Erde. Ist dieses Stadium zusätzlich von ausreichenden Niederschlägen geprägt,<br />

kommt es zur Entstehung von Gletschern. Bei hoher Intensität bilden sich<br />

großflächige Vereisungen, wie Eisschilde oder Eisstromnetzte aus.<br />

Gletscher sind ihren klimatischen Eigenschaften gemäß in mehrere Zonen unterteilt.<br />

Akkumulations- <strong>und</strong> Ablationsgebiet bilden dabei die beiden Haupteinheiten <strong>und</strong>


werden durch die Gleichgewichtslinie (s. 1.2.1) von einander abgegrenzt. Innerhalb<br />

der Akkumulationszone existiert eine weitere klimatische Grenzlinie: Die sogenannte<br />

Schneegrenze. Oberhalb der Schneegrenze bleibt frisch gefallener Schnee über eine<br />

Gletscherperiode liegen <strong>und</strong> ist somit <strong>für</strong> die Eistransformation verfügbar.<br />

Wohingegen Schneeablagerungen unterhalb der Schneegrenze abschmelzen <strong>und</strong><br />

dem Gletscher abgeführt werden. Somit ist diese Grenze variabel <strong>und</strong> an die<br />

vorherrschende Temperatur geb<strong>und</strong>en. Sie verschiebt sich im Winter in niedrigere<br />

Lagen, im Sommer wandert sie nach oben. Im Zuge der Klimawandeldiskussion ist<br />

die Schneegrenzhöhe <strong>und</strong> ihre Veränderungen in den letzten vier Jahrzehnten ein<br />

wichtiges Indiz um gehaltvolle Aussagen zu treffen (BENN & EVANS 1998: 6f., 40;<br />

PATERSON 1994: 8-26).<br />

1.1.2. Geographische Lage<br />

Genauso wie der der Gletscher gemäß interner Temperaturen in Zonen unterteilt ist,<br />

sind globale Zonen oder entsprechende Lagen mit bestimmten Temperatur- <strong>und</strong><br />

Niederschlagsbedingungen Voraussetzung <strong>für</strong> die Bildung von Gletschern. Niedrige<br />

Temperaturen <strong>und</strong> ausreichend Niederschläge kommen auf der Erde entweder in der<br />

polaren Zone oder im Hochgebirge vor. Die polare Zone beginnt ab 60°<br />

geographischer Breite aufwärts. Die Verbreitung von Gebirgsgletschern ist etwas<br />

komplexer, da Gebirge in allen Regionen der Erde vorkommen. Je höher die<br />

geographische Breite, in der Gebirge vorkommen ist, in umso niedrigeren Lagen ü.<br />

NN. können Gletscher existieren, da klimatische Veränderungen auf 1000 m im<br />

Höhenstufenbereich der Gebirge der mittleren Breiten etwa denjenigen von 1000 km<br />

im Breitengradbereich polwärts entsprechen (BÜDEL 1977: 49). So kommen<br />

Gletscher in Skandinavien schon ab Meereshöhe vor, während sich die Untergrenze<br />

der Alpengletscher bei ca. 1000 m ü. NN. befindet. Weiterhin ist zu sagen, dass die<br />

Gebirgsausrichtung <strong>und</strong> die Lage auf dem Kontinent entscheidend <strong>für</strong> den<br />

Gletschervorstoß sind. Befinden sich Gebirge am Kontinentalrand können<br />

Gletscherzungen auf der Luvseite bis auf Meeresniveau hinab reichen, da hier ein<br />

hohes Niederschlagsangebot verfügbar ist. Die Westküstengebirge Neuseelands<br />

(Neuseeländische Alpen) mit dem Franz-Josef- <strong>und</strong> dem Fox-Gletscher <strong>und</strong> die<br />

ebenfalls an der Westküste gelegenen Skanden mit dem Jostedalsbreen sind<br />

Beispiele hier<strong>für</strong>.


1.1.3. Metamorphose von Schnee zu Eis<br />

Gletschereis wird in erster Linie durch die Metamorphose von Schnee gebildet. In<br />

frischem Zustand hat Schnee eine Dichte von 50 bis 200 kg m -3 . Auf der<br />

Erdoberfläche angekommen unterliegt er Prozessen der destruktiven Metamorphose<br />

<strong>und</strong> Kompaktion. Durch Windverfrachtung wird die lockere Schneedecke zu dicht<br />

gepackten Wechten, Rippeln oder Dünen verformt. Innerhalb dieser Ablagerung<br />

unterliegen die einzelnen Kristalle der Kompaktion <strong>und</strong> werden durch ihr<br />

Gegeneinanderbewegen innerhalb der Packung mit der Zeit zu kleinen kugelr<strong>und</strong>en<br />

Körnern abgebaut (s. Abb. 1). Dieser Prozess setzt sich weiter fort wenn es zur<br />

erneuten Schneeüberlagerung kommt <strong>und</strong> die Verdichtung durch das aufliegende<br />

Gewicht voranschreitet. Innerhalb der Schneeschicht herrschen große<br />

Temperaturgradienten (relativ warm an der Basis bis kalt an der Oberfläche). Sie<br />

sorgen <strong>für</strong> die Bildung von Wasserdampfdruck in den Poren, welcher sich seinen<br />

Weg nach oben bahnt <strong>und</strong> dabei die Schneekörner zu sogenannten Becherkristallen<br />

aufbaut. Eine Schneelage aus solchen Becherkristallen wird Schwimmschnee<br />

genannt. Auf temperierten Gletschern schmilzt der Schnee bei positiven<br />

Temperaturen an der Oberfläche. Das Schmelzwasser dringt in die Schneeschicht<br />

ein <strong>und</strong> bringt die kleinsten Körner zum schmelzen. Die Permeabilität des Schnees<br />

wird hierdurch kurzfristig erhöht. Weitere eindringende Luft- <strong>und</strong> Wassermassen<br />

schwächen die mechanischen Bindekräfte zwischen den Körnern <strong>und</strong> die<br />

Schneeschicht setzt sich. Sommerschnee weist Dichtewerte von 500 bis 600 kg m -3<br />

auf. Schnee, der einen Sommer überlebt <strong>und</strong> mit der Transformation begonnen hat<br />

wird in wissenschaftlichen Kreisen Firn genannt <strong>und</strong> zeichnet sich durch Dichten von<br />

400 bis 830 kg m -3 aus. Nach mehrjähriger Wiederholung dieses Prozesses <strong>und</strong><br />

immer weiterer Schneeüberlagerung wird der Firn <strong>und</strong>urchlässig. Immer mehr Luft<br />

entweicht aus den Poren, der Firn verdichtet sich weiter bis mit bis zu 910 kg m -3 das<br />

Stadium von Gletschereis erreicht ist (zum Vergleich: ρ (pures Eis) = 917 kg m -3 )<br />

(PELLIKKA & REES 2010:25f.; BENN & EVANS 1998:67f.; PATERSON 1994: 8-26).


Abb. 1: Transformation von Schnee zu Eis<br />

Quelle: HOOKE 2005: S.19<br />

1.2. Ph ysikalische Eigenschaften von Gletschern<br />

1.2.1. Akkumulation <strong>und</strong> Ablation<br />

Ein Gletscher ist grob in zwei Gebiete unterteilt: Das Akkumulations- oder Nährgebiet<br />

<strong>und</strong> das Ablations- oder Zehrgebiet (s. Abb. 2).<br />

Abb. 2: Zonen eines Gletschers<br />

Quelle: HOOKE 2005: S. 20


1.3. Formen auf <strong>und</strong> in Gletschern<br />

Bewegung ruft im Gletscherinneren große Kräfte<br />

in Form von Drücken <strong>und</strong> Spannungen hervor,<br />

welche sich in spezifischen<br />

glazialmorphologischen Formen auf dem<br />

Gletscher manifestieren. Zu den häufigsten <strong>und</strong><br />

wichtigsten gehören Gletscherspalten, Seracs<br />

<strong>und</strong> Ogiven.<br />

1.3.1. Spalten<br />

Wird bei der Gletscherbewegung die kritische Zugspannung des Eises überschritten<br />

reist die Eismasse auf <strong>und</strong> Spalten entstehen im rechten Winkel zur Druckrichtung.<br />

Die Umgebungs- <strong>und</strong> Untergr<strong>und</strong>morphologie spielt hierbei eine große Rolle.<br />

Talwände stellen <strong>für</strong> die Bewegung einen Widerstand dar. Hierdurch <strong>und</strong> durch den<br />

Fließgeschwindigkeitsunterschied zwischen Gletscherrand <strong>und</strong> –zentrum werden<br />

Spannungen erzeugt, die das Eis linienartig im 45°-Winkel zur Talwand aufbrechen<br />

lassen <strong>und</strong> ein pfeilartiges Muster mit nach oben gerichteter „Pfeilspitze“ zeigen (s.<br />

Abb. 4 oben). Eine weitere Art von Gletscherspalten sind die Transversalspalten. Sie<br />

werden durch Dehnungsfließen im Bereich der Mittellinie des Gletschers<br />

hervorgerufen <strong>und</strong> gemäß dem talwärts gerichteten Zug im rechten Winkel zu ihr<br />

angeordnet (s. Abb. 4 Mitte). Das Kompressionsfließen ist die Ursache <strong>für</strong> einen<br />

weiteren Spaltentyp: Durch talwärts abnehmende Fließgeschwindigkeiten wird das<br />

Eis zusammen geschoben <strong>und</strong> der Gletscher zur Verbreiterung gezwungen. Folglich<br />

kommt es zu Druckrichtungsänderungen <strong>und</strong> zur Bildung von nach oben gebogenen<br />

Spalten am Gletscherrand (s. Abb. 4 unten) (BENN & EVANS 1998: 212f.).<br />

1.3.2. Seracs<br />

Abb. 4: Spaltentypen<br />

Quelle: verändert nach<br />

BENN & EVANS 1998: S. 213<br />

Seracs sind nadelartige Oberflächenformen, welche im Zuge der Spaltenbildung<br />

entstehen. Genauer kommen sie dort vor wo der Gletscher viele Spalten auf zu


weisen hat – wie beispielsweise in Eisbrüchen – <strong>und</strong> sich die Eisblöcke zwischen den<br />

Spalten zu spitzen Formen umwandeln (BENN & EVANS 1998: 149).<br />

1.3.3. Ogiven<br />

Ogiven sind bogenförmige Eisstrukturen, die sich unterhalb von Eisfällen an der<br />

Gletscheroberfläche bilden. Sie resultieren aus der relativ schnelleren<br />

Fließgeschwindigkeit des Gletscherzentrums im Vergleich zu seinen Rändern <strong>und</strong><br />

nehmen deshalb nach unten gerichtete, konvexe Formen an.<br />

Zwei Arten von Ogiven <strong>und</strong> deren Mischformen können unterschieden werden:<br />

Gebänderte Ogiven äußern sich durch sich abwechselnd Streifen von sauberem Eis<br />

<strong>und</strong> verschmutztem Eis. Gewellte Ogiven hingegen weisen einen Wechsel von<br />

Wellenbergen <strong>und</strong> -tälern auf. Jeweils ein heller <strong>und</strong> ein dunkler Streifen bzw. ein<br />

Wellenberg <strong>und</strong> ein Wellental bilden sich in einem Jahr <strong>und</strong> können so zur<br />

Bestimmung der Fließgeschwindigkeit herangezogen werden (BENN & EVANS 1998:<br />

215).<br />

2. Die Vergletscherung des Kaukasus<br />

Der Kaukasus – das Grenzgebirge zwischen Russland <strong>und</strong> Georgien bzw. Russland<br />

<strong>und</strong> Aserbaidschan – erstreckt sich zwischen dem Schwarzen <strong>und</strong> dem Kaspischen<br />

Meer. Seine höchste Erhebung ist mit 5643m der Vulkanberg Elbrus, welcher<br />

gleichzeitig das Hauptvergletscherungsgebiet des Kaukasus darstellt (s. Abb. 5). Das<br />

kristalline Gr<strong>und</strong>gebirge ist in der Hauptkette rein glazial überprägt, die Seitenkette<br />

mit dem Elbrus hingegen wurde erst nach mehrmaliger Lavaüberschüttung bis nach<br />

dem letzten Ausbruch des Elbrus vor 1100 a <strong>und</strong> anschließend glazial überformt. Die<br />

rezente Reliefgestaltung ist an den Hängen des Baksantals anhand der glazial <strong>und</strong><br />

periglazial geprägten Höhenstufung besonders gut nachvollziehbar.


Abb. 5: Das Gletschergebiet des Elbrus<br />

Quelle: Baume <strong>und</strong> Marcinek 1998: 43<br />

Das Klima des Kaukasus ist vorwiegend kontinental gemäßigt mit einem<br />

Temperaturjahresmittel von ca. 2,4°C auf 2146m ü. NN. <strong>und</strong> einer<br />

Niederschlagsjahressumme von 900 mm am gleichen Messpunkt. Die<br />

Temperaturmonatsmittel übersteigen die 0°C-Grenze jedoch nur in den<br />

Sommermonaten (Mai bis November) <strong>und</strong> die Niederschlagswerte steigen mit<br />

zunehmender Höhe drastisch an (max. 2000mm auf 3500-4000m ü. NN.). Somit sind<br />

die Kriterien <strong>für</strong> die Vergletscherung gegeben. Diese äußert sich mit einer<br />

Gesamtfläche von 132,9 km 2 <strong>und</strong> insgesamt 156 Einzelgletschern (BAUME &<br />

MARCINEK 2001:42 ff.).


2.1. Eiszeiten: Die pleistozänen Glaziale <strong>und</strong> ihre Verbreitung<br />

Das Pleistozän ist die ältere Serie des Quartärs <strong>und</strong> umfasst die Zeit von 2,588 Ma<br />

B.P. bis ca. 10.000 a B.P. Es endet mit dem Beginn des Eisrückzugs der letzten<br />

großen Eiszeitenserie aus Brüggen-, Eburon-, Menap-, Elster-, Saale- <strong>und</strong><br />

Weichseleiszeit. Diese Glaziale wurden durch mehrere Interglaziale unterbrochen (s.<br />

Abb. 6). Durch welche Parameter die Eiszeit eingeleitet wurde ist noch unklar,<br />

genauso wie man sich auf Gr<strong>und</strong> einer Diskordanz in der stratigraphischen Abfolge<br />

nicht sicher ist wo genau die Grenze zwischen Tertiär <strong>und</strong> Quartär liegt. Es ist aber<br />

bekannt, dass der Kontinent Antarktika seine<br />

Südpol wärtige Wanderung im Tertiär<br />

begann <strong>und</strong> sich somit das antarktische<br />

Eisschild bilden konnte. Die von den<br />

Eismassen abstrahlende Kälte wirkte sich<br />

auf den gesamten Globus aus <strong>und</strong> so kam<br />

es vor ca. 800.000 mit der Günz zur ersten<br />

großen Vergletscherungsphase auf der<br />

Nordhalbkugel. Während der nachfolgenden<br />

Stadiale stießen die Alpengletscher bis ins<br />

Alpenvorland hinaus vor <strong>und</strong> die nordische<br />

Inlandvereisung schaffte das Ostseebecken<br />

zu überschreiten. Das pleistozäne<br />

Vereisungsmaximum mit einer Fläche von 45<br />

Mio. km 2 (dreifache Fläche des heutigen<br />

Stands) wurde vor 22.000 bis 18.000 a<br />

erreicht. Die Gebiete der Hochgebirge auf<br />

der Erde sind vergletschert. In Europa<br />

erstreckt sich das Inlandeis von<br />

Skandinavien in Richtung Nordpol <strong>und</strong><br />

südlich bis zur deutschen <strong>und</strong> polnischen<br />

Abb. 6: Pleistozäne Glaziale <strong>und</strong><br />

Interglaziale<br />

Quelle: Arndt (23.06.2010)<br />

Mittelgebirgsschwelle, nach Westen über die Nordsee bis Grönland <strong>und</strong> ostwärts bis<br />

in die Russische Ebene hinein <strong>und</strong> weiter über den Ural bis nach Westsibirien. In<br />

Amerika reichen die Eismassen des laurentischen Schildes bis auf 40°<br />

geographische Breite hinunter. In den folgenden 8.000 a wurde das Klima milder, ein<br />

Rückzug der Eismassen wurde eingeleitet <strong>und</strong> die letzte große Eiszeit (Würm bzw.


Weichsel) wurde vor 10.000 a von der bis heute anhaltenden Warmzeit, dem<br />

Holozän abgelöst (LIEDTKE 1990: 41ff., AHNERT 2003: 375).<br />

2.2. Entwicklung der Kaukasusvergletscherung vom Pleistozän bis H eute<br />

Wie alle Hochgebirge weltweit war auch der Kaukasus während des<br />

spätpleistozänen Maximums vergletschert. Allerdings herrschte hier ein dendritisches<br />

System mit Ursprung im Baksanhauptgletscher vor <strong>und</strong> nicht, wie in den Alpen ein<br />

zusammenhängendes Eisstromnetz. Die Eismächtigkeiten betrugen bis zu 500m <strong>und</strong><br />

der maximale Vorstoß der Talgletscher reichte bis auf 950m ü. NN. hinab. Bei<br />

Vergleichen der Reliefgestaltung des Kaukasus mit den Alpen, fällt der glaziale<br />

Formenschatz eher spärlich aus. Das weißt auf eine wesentlich geringere<br />

Ausprägung der Kaukasusvergletscherung, als in den Alpen hin. Was die<br />

Schneegrenzdepression angeht, scheiden sich die Geister: Nach Reinhard lässt sie<br />

sich mit einem Durchschnittswert von 1200m im Gesamtkaukasus <strong>und</strong> dem<br />

Minimalwert von 1000m im Ostkaukasus durchaus mit jener in den Alpen<br />

vergleichen. Distel beschreibt <strong>für</strong> das Baksantal jedoch gerademal einen Betrag von<br />

600 bis 700m, welcher mit 675 bis 775m von Baume <strong>und</strong> Volodičeva in etwa<br />

Tab. 1: Vergletscherungsphasen des Kaukasus <strong>und</strong> der Alpen seit dem Pleistozän<br />

Quelle: BAUME & MARCINEK 1998: 78<br />

Tab. 1: Vergletscherungsphasen des Kaukasus <strong>und</strong> der Alpen seit dem Pleistozän<br />

Quelle: Baume & Marcinek 1998: 78


estätigt werden kann. Baume <strong>und</strong> Volodičeva konnten auch anhand von<br />

Moränenständen drei spätglaziale Stadien im Kaukasus bestätigen, welche schon<br />

früher von Ščerbakova auf Basis der Transgressionen des Kaspi-Sees vermutet <strong>und</strong><br />

auf 14.000, 12.000 <strong>und</strong> 10.000 a BP datiert wurden. Ob die Vergletscherung<br />

während einer dieser Glaziale ins Vorland vordringen konnte ist jedoch noch<br />

ungeklärt. Mit dem Einsetzen des Holozäns zogen sich weltweit die Gletscher zurück.<br />

Nennenswerte, anhand von 14 C-Datierungen determinierte holozäne Vorstoßphasen<br />

sind um 4200 bis 3800 BP <strong>und</strong> um 2000 bis 2500 BP („Historische Stadium“) zu<br />

verzeichnen. Zwischen 1500 <strong>und</strong> 1000 BP kam es durch eine deutliche<br />

Klimaerwärmung, die Archys-Pause genannt wird, zum drastischen Abschmelzen der<br />

Kaukasusgletscher. Anschließend <strong>und</strong> parallel zu den Alpen setzte um das 14. Jhdt.<br />

die kleine Eiszeit (bzw. Fernau-Stadium) ein, welche mit bis zu 5 km Vorstoß ihr<br />

Maximum um 1850 erreichte. (BAUME & VOLODIČEVA 2001: 44-46, BAUME 2001: 42 f.,<br />

MARCINEK et al. 1990: 246 f.).<br />

2.3. Gletscherschwankungen im Kaukasus <strong>und</strong> ihre Ursachen<br />

Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts ist ein allgemeiner Rückzug der<br />

Kaukasusgletscher zu verzeichnen. Anhand von Karten konnten <strong>für</strong> die Zeiträume<br />

1887 bis 1957 <strong>und</strong> 1957 bis 1987 relativ genaue Aufzeichnungen von Fläche <strong>und</strong><br />

Länge der Gletscher im Elbrusgebiet gemacht werden (s. Tab. 2). Sie zeigt deutlich<br />

einen allgemeinen Rückzug, mit stärkeren Auswirkungen <strong>für</strong> süd- <strong>und</strong> ostexponierte<br />

Gletscher, was an der geringeren Hangneigung von ca. 10° liegt. Im Vergleich zur<br />

wesentlich steileren Nord- <strong>und</strong> Westexposition mit bis zu 40° kann die<br />

Sonnenstrahlung auf den flachen Süd- <strong>und</strong> Osthängen in größeren Winkel angreifen.<br />

In Zusammenhang mit den Regressionen <strong>und</strong> dadurch bedingten großen<br />

Massenverlusten während der letzten Dekaden wurden die Lavadeckschichten im<br />

Gebiet des Elbrus teilweise frei gelegt. Ihre dunkle Farbe verringert die Albedo<br />

erheblich <strong>und</strong> führt zu intensiver Wärmeabsorption. Der Abschmelzprozess verstärkt<br />

sich somit weiter. In Folge dessen wurden die Akkumulationszonen der einzelnen<br />

Elbrusgletscher von einander getrennt <strong>und</strong> die Ablationsraten stark erhöht.<br />

Insgesamt haben sich die Gletscher seit dem Ende des spätpleistozänen Maximums<br />

um bis zu 65 km zurückgezogen. Doch wie in den Alpen, kam es auch im Kaukasus<br />

zu einem Vorstoß der Gletscher während der 70er Jahre. Der vom WGMS intensiv<br />

überwachte Referenzgletscher Dshankuat weist einen Endmoränenstand von 1980


Tab. 2: Längen- <strong>und</strong> Flächenveränderungen der größten Gletscher des Elbrusgebiets<br />

Quelle: BAUME & MARCINEK 1998: 82<br />

auf <strong>und</strong> langjährige Massenbilanzmessungen zeigen eine Tendenz hin zu steigenden<br />

positiven Werten. Der Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Massenzunahme von 40% aller<br />

Kaukasusgletscher sind durch den Klimawandel erhöhte winterliche<br />

Niederschlagsraten, <strong>für</strong> die Mittelbreiten somit mehr Schneefall <strong>und</strong> relativ<br />

gleichbleibenden Temperaturverhältnissen im Hochgebirge (BAUME & MARCINEK<br />

1998:42 ff.).<br />

2.4. Die rezente Vergletscherung des Kaukasus<br />

Gemäß der geologischen Dreiteilung des Kaukasus können auch drei<br />

Hauptvergletscherungsgebiete fest gemacht werden: Der Westkaukasus, der<br />

Zentralkaukasus <strong>und</strong> der Ostkaukasus. Die rezent gletscherbedeckten Flächen des


Hochgebirges nehmen von Westen nach Osten entsprechend der nach Osten hin<br />

zunehmenden Höhe ü. NN. zu. Allgemein können sich an den nordexponierten<br />

Hängen des gesamten Kaukasus wegen des stärker gegliederten Reliefs mehr<br />

Schneemassen ansammeln, als an den Südhängen. Sowohl der<br />

Kaukasushauptkamm mit der gleichsinnig verlaufenden Wasserscheide, wie auch die<br />

Seitenkette unterliegen einer ausgeprägten Vergletscherung mit einer<br />

Schneegrenzhöhe von 2700m ü. NN. im Westen bis 3900m ü. NN. im Osten. Die<br />

vorkommenden Gletscherarten beschränken sich wegen der relativ sanft verlaufenen<br />

Vorgeschichte <strong>und</strong> der vulkanischen Überprägung des Gr<strong>und</strong>gebirges auf Kar-, Tal-<br />

<strong>und</strong> Kegelberggletscher. <strong>und</strong> Der westliche Kaukasus beherbergt 660 Gletscher mit<br />

einer Gesamtfläche von 412 km 2 . Wie schon früher genannt bildet der im<br />

Zentralkaukasus gelegene Elbrus das Zentrum der Hauptvergletscherung. Er ist die<br />

Quelle <strong>für</strong> 40% der Gesamtvergletscherung des Kaukasus <strong>und</strong> aus seiner Firnhaube<br />

entspringen 7 große Gletscher, u.a. der Große <strong>und</strong> der Kleine Asau <strong>und</strong> der größte<br />

Kaukasusgletscher: der Dshikiugankes (s. Abb. 5) Auf der gegenüberliegenden Seite<br />

des Baksantals erhebt sich mit dem Kasbek (5047m) ein zweiter Vulkanriese <strong>und</strong><br />

Herberge von 81 km 2 Eis (Stand: 1946). Zusammen bilden die beiden Vulkane eine<br />

Gletscherfläche von 1219,5 km 2 . Im östlichen Kaukasus fällt das Gebirge wieder ab,<br />

die Lage wird kontinentaler <strong>und</strong> somit niederschlagsärmer. Die Schneegrenze steigt<br />

drastisch an <strong>und</strong> mit diesem Faktor verringert sich der Vergletscherungsgrad: er kann<br />

an der Zahl 315 Gletscher mit einer Gesamtfläche von 115,4 km 2 aufweisen<br />

(MARCINEK et al.1990: 242-251, BAUME & MARCINEK 1998:42 ff.).<br />

3. Der Klimawandel <strong>und</strong> die Zukunft der Gletscher. Risiken des<br />

Gletscherrückzugs<br />

Der Klimawandel ist ein wichtiges <strong>und</strong> momentan viel diskutiertes Problem. Vor allem<br />

die globale Erwärmung durch vom Menschen produzierte Treibhausgase – auch<br />

anthropogener Klimawandel genannt – findet in den Medien große Beachtung.<br />

Dadurch ist der natürliche Treibhauseffekt <strong>und</strong> die ihn steuernden Parameter<br />

(Milankovitsch-Zyklen, etc.; s. Kap. 1.1.1) <strong>für</strong> die breite Öffentlichkeit so gut wie kein<br />

Begriff. Dabei ist er der eigentliche Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong>, dass die Erde kein „Eisball“ mit -<br />

18°C Oberflächentemperatur ist, sondern auf unserem Planeten durchschnittlich<br />

angenehme 15°C herrschen. Die zusätzlich vom Menschen in die Atmosphäre


abgegebenen Treibhausgase verstärken den Erwärmungsprozess der Atmosphäre<br />

zusätzlich <strong>und</strong> so kam es vor allem im vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ert durch die globale<br />

Industrialisierung, Motorisierung von Fortbewegungsmitteln, u. a. weltweit zu<br />

drastischen Temperaturanstiegen.<br />

Gletscher <strong>und</strong> Eis allgemein sind temperatursensible <strong>und</strong> kurzfristig reagierende<br />

Systeme <strong>und</strong> antworten schnell mit Rückzug oder Vorstoß <strong>und</strong> Massenreduktion<br />

oder -zunahme auf veränderte Temperaturbedingungen. Ab der zweiten Hälfte des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts sind an Gletschern starke Schwankungen zu beobachten.<br />

Messungen über den Zeitraum 1960 bis 2003 zeigen drastische Massen- <strong>und</strong><br />

Längenverluste <strong>für</strong> alle Gletscher, vor allem aber auch <strong>für</strong> die Arktis. Während es in<br />

den 70ern <strong>und</strong> teilweise 80ern einzelne Vorstoßphasen gab, ist die Regression<br />

spätestens ab den 90er Jahren deutlich spürbar. Mit dem Abschmelzen der<br />

Eismassen gehen Gefahren noch unbekannten oder nur vermutbaren Ausmaßes <strong>für</strong><br />

die Erdbevölkerung einher. Beispielsweise ist der Meeresspiegel (vgl. Abb. 7) im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert um 2 cm angestiegen.<br />

Abb. 7: Veränderungen der spezifischen regionalen Massenbilanz (a) <strong>und</strong> der totalen,<br />

meeresspiegelanstiegsrelevanten Massenbilanz<br />

Quelle: verändert nach IPCC 2007: S. 359


Ein Gletscher ist weiterhin ein wichtiges Wasserspeichermedium, welches im Winter<br />

Reserven anspart <strong>und</strong> im Sommer freigibt. Durch den Rückzug geht die<br />

Wasserversorgung vieler Hochgebirgsregionen verloren <strong>und</strong> die erhöhte<br />

Sommerschmelze verursacht Gletscherseeausbrüche mit teilweise gefährlichem<br />

Ausmaß <strong>für</strong> unterhalb des Gletschers liegende Gemeinden. Ein weiteres Problem<br />

<strong>und</strong> quasi Rückkopplungssystem des Rückzugs von Gletschern sind instabil<br />

werdende Felswände, die vormals vom Eis an Ort <strong>und</strong> Stelle gehalten wurden, nun in<br />

Form von Fels- <strong>und</strong> Blockstürzen kollabieren <strong>und</strong> teilweise den Gletscher bedecken.<br />

Somit verringert sich wiederum die Albedo <strong>und</strong> der Abschmelzprozess wird verstärkt<br />

(IPCC 2007).<br />

4. Literaturverzeichnis<br />

AHNERT, F. (2003): Einführung in die Geomorphologie. Stuttgart.<br />

BAUME, O. (1995): Ergebnisse glazialmorphologischer Forschungen im Elbrusgebiet<br />

(zentraler Kaukasus). In: Gartner et al. (Hrsg.): Mitteilungen der<br />

Österreichischen Geographischen Gesellschaft. Wien. Band 137. Seite 171-<br />

186.<br />

BAUME, O. & J. MARCINEK (1998): Gletscher <strong>und</strong> Landschaften des Elbrusgebietes. In:<br />

BAUME, O. & J. MARCINEK (Hrsg.): Petermanns Geographische Mitteilungen.<br />

Ergänzungsheft. Gotha.<br />

BAUME, O. (2001): Gletscherdynamik im zentralen Kaukasus. In: Westermann<br />

(Hrsg.): Geographische R<strong>und</strong>schau. Braunschweig. Band 53. Heft 12. Seite 38.<br />

BAUME, O. & N. VOLODITSCHEVA (2001): Spätpleistozäne bis holozäne<br />

Gletscherschwankungen im Zentralen Kaukasus. In: Bussemer, S. (Hrsg.): Das<br />

Erbe der Eiszeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Joachim Marcinek.<br />

Langenweißbach. Seite 41-50.<br />

BAUME, O. (2002): Spätpleistozäne bis holozäne Gletscherschwankungen<br />

ausgewählter Gebiete im Kaukasus, Tienschan <strong>und</strong> Altai. Ein Beitrag zur<br />

vergleichenden Hochgebirgsforschung. In: Baume, O. et al. (Hrsg.): Münchener<br />

Geographische Abhandlungen. München. Band A 52. Seite 45-80.<br />

BAUME, O. & N. WOLODITSCHEWA (2007): Das Erbe der Eiszeit: Gletscherdynamik im<br />

Kaukasus, Tienschan <strong>und</strong> Altai. In: Deutsche Gesellschaft <strong>für</strong> Asienk<strong>und</strong>e e.V.<br />

(Hrsg.): Asien. Hamburg. Seite 54-66.


BENN, D. I. & D. J. EVANS (1998): Glaciers & glaciation. London<br />

BLÜMEL, W. D. (1999): Physische Geographie der Polargebiete. Stuttgart, Leipzig.<br />

HOOKE, R. L. (2005): Principles of Glacier Mechanics. Cambridge University Press.<br />

IPCC (2007): Climate Change 2007. The physical scientific basis. Contributions of<br />

Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental<br />

Panel on Change. Technical report, WMO/UNEP, Cambridge University Press.<br />

MARCINEK, J. & NITZ, B. & BAUME, O. 1990: Gebirgsbau <strong>und</strong> Vergletscherung des<br />

Kaukasus. In: Kramm, H. (Hrsg.) Geographische Berichte. Gotha. Band 35. Heft<br />

1. Seite 242-251.<br />

PATERSON, W. (1994): The physics of glaciers. 3. Aufl. Oxford OX England, Tarrytown<br />

N.Y. U.S.A..<br />

PELLIKKA, P. K. E. & REES, W. G. (2010): Remote sensing of glaciers. Techniques for<br />

topographic, spatial, and thematic mapping of glaciers. Boco Raton.


Die Bedeutung des Glaubens in Georgien<br />

Jan Hoffmann<br />

1. Gr<strong>und</strong>legende Informationen zur Verbreitung der Religion in<br />

Georgien<br />

Das Christentum hat in Georgien eine lange Tradition, denn Georgien trat durch den Einfluss<br />

des Oströmischen Reiches bereits im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert zum Christentum über <strong>und</strong> verankerte<br />

es sogar in der Verfassung. Heute gehörenvon den etwa 4,4 Mio. Einwohnern 1 ca. 75% der<br />

Bevölkerung der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche an, die nach wie vor<br />

Verfassungsrang genießt <strong>und</strong> keine Steuern zahlen muss. Des Weiteren ist die Orthodoxe<br />

Kirche Georgiens autokephal, was bedeutet, dass sie ein eigenständiges Oberhaupt hat. Der<br />

derzeitige Patriarch der Kirche <strong>und</strong> Erzbischof von Mzcheta-Tbilisi ist Ilia II., dessen Sitz die<br />

Sameba-Kathedrale in Tbilisi ist. Doch der geistige Hauptsitz befindet sich nach wie vor in<br />

Mzcheta, was historische Gründe hat <strong>und</strong> später weiter erläutert wird.<br />

Die Geschichte des Landes ist aufgr<strong>und</strong> seines großen Reichtums an Bodenschätzen von<br />

der Fremdherrschaft anderer Völker bestimmt, die immer wieder versuchten das Land<br />

einzunehmen. Georgien ist daher traditionell ein multiethnisches Land, in welchem<br />

verschiedene Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Glaubenshintergründen gef<strong>und</strong>en<br />

werden können. So setzt sich die Bevölkerung aus Georgiern (lt. Auswärtiges Amt: 71%),<br />

Russen (9%), Armeniern (ca. 7%), Aserbaidschanern (6%) <strong>und</strong> anderen Volksgruppen (7%)<br />

zusammen. Neben Anhängern des christlichen Glaubens in der georgischen orthodoxen<br />

Kirchelassen sich in Georgien daher auch Muslime finden, die ca. 11% der Bevölkerung<br />

ausmachen, sowie etwa 4%, die der armenisch-gregorianischen Kirche angehören. Mit etwa<br />

1% Katholiken <strong>und</strong> noch weniger Protestanten, Juden, Jesiden <strong>und</strong> Zeugen Jehovas,<br />

machen diese Glaubensrichtungen einen nur sehr geringen Teil aus. Die Unzugänglichkeit<br />

einiger Bergregionen im Nordosten Georgiens (v.a. Chewsurien <strong>und</strong> Swanetien) zur Zeit der<br />

Christianisierung ist der Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong>, dass sich dort bis heute Bräuche <strong>und</strong> Rituale gehalten<br />

haben, die <strong>für</strong> die Menschen dort nach wie vor lebensbestimmend sind: „Die Durchsetzung<br />

des christlichen Glaubens in den Bergen blieb weitgehend formal. Selbst die vereinzelt<br />

gebauten Kirchen wirken wie Fremdkörper, sie stehen leer, kein Gottesdienst findet in ihnen<br />

statt, die Bevölkerung hat sie nicht angenommen.“ 2 Statistische Zahlen, die Aufschluss<br />

1 http://www.geostat.ge/index.php?action=page&p_id=473&lang=eng<br />

2 Fähnrich, S. 80<br />

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darüber geben könnten, wie viel Prozent der Bevölkerung nach diesen<br />

Glaubensvorstellungen leben, sind nicht bekannt.<br />

Doch in den anderen Teilen des Landes ist das Christentum weit verbreitet. Vielleicht mag es<br />

auf den ersten Blick nicht verw<strong>und</strong>ern, dass das Christentum aufgr<strong>und</strong> seiner langen<br />

Tradition <strong>und</strong> des Verfassungsstatus die größte Mitgliederzahl <strong>für</strong> sich beanspruchen kann;<br />

bedenkt man allerdings die Tatsache, dass die zahlreichen Fremdherrschaften durch andere<br />

Völker zum Teil auch aus religiösen Gründen erfolgt sind, so lässt sich vermuten, dass das<br />

Christentum <strong>für</strong> die georgische Bevölkerung eine bedeutende Rolle spielt.Doch diese<br />

Bedeutung lässt sich erst dann richtig begreifen, wenn man sich mit der Geschichte des<br />

Glaubens in Georgien beschäftigt.<br />

2. Geschichte des Glaubens in der Antike<br />

Wie bereits erwähnt,ist Georgiens Vergangenheit aufgr<strong>und</strong> seines großen Reichtums an<br />

Bodenschätzen von der Fremdherrschaft anderer Völker bestimmt. Zu diesen<br />

Bodenschätzen zählen Gold, Silber, Kupfer, Eisen aber auch Erdöl, welche v.a. im heutigen<br />

Südossetien im Kaukasus abgebaut wurden <strong>und</strong> immer noch werden. Bereitszwischen 600<br />

<strong>und</strong> 400 v. Chr. lässt sich nachweisen, dass die zu dieser Zeit in Georgien lebende Kultur auf<br />

die Verarbeitung von Gold, aber auch auf das Herstellen von Waffenhochspezialisiert war.<br />

Allerdings sei hier erwähnt, dass die Ursprünge der Metallverarbeitung in Georgien sogar bis<br />

ca. 5000 v. Chr. zurück reichen.<br />

Im 6. Jahrh<strong>und</strong>ert v. Chr. wurde Kolchis an der Schwarzmeerküste gegründet.Im 4.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert v. Chr. entstand im Osten des LandesIberien, welches auch Kartlien genannt<br />

wurde, weil sich die Einwohner des Staates Iberien auch Kartweli nannten. Die sich<br />

entwickelnde wirtschaftliche Macht in beiden Staaten, <strong>und</strong> damit einhergehend der<br />

gesteigerte materielle Reichtum des Landes, führte dazu, dass die Römer im Jahr 66 v. Chr.<br />

Georgien überfielen. Iberien <strong>und</strong> Kolchis wurden zu römischen Vasallen, wobei Kolchis im 1.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert zerfiel <strong>und</strong> sich der Nachfolgestaat Lasika im Westen des Landes bildete.Die<br />

geographische Lage der beiden Staaten führte zu jeweils unterschiedlichen<br />

Entwicklungen.So wurde Lasika mehr vom Oströmischen/ Byzantinischen Reich beeinflusst,<br />

wohingegen Iberien der Gefahr eines Übergriffs durch die persische Großmacht des<br />

Sassanidenreichs ausgesetzt war. Es lässt sich feststellen, dass der angenommene<br />

christliche Glaube daher auch einen Schutz gegen persische Überfälle bzw. eine Art „Wall“<br />

gegen den in Persien vorherrschenden Zoroastrismusdarstellte. In Lasika verbreitete sich<br />

das Christentum zunehmend durch die Missionierungstätigkeit der Apostel Andreas, Simon<br />

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Zelotes <strong>und</strong> Matthias, wobei hier dierömische Kultur den heidnischen Kult des Volkes<br />

verdrängte. Nur in den Bergregionen blieb dieser Kult lebendig, da diese Gebiete nur schwer<br />

zugänglich waren. So nahm z.B. der georgische Bischof Stratophilosvon Pityounta (heute<br />

Piz<strong>und</strong>a, Abchasien) bereits am 1. Konzil von Nizäa im Jahr 325 teil, was als ein weiterer<br />

Beleg <strong>für</strong> die frühe ChristianisierungGeorgiens betrachtet werden kann.<br />

Doch neben dem Einfluss von außen spielt die Legende um die Heilige Ninoeine wichtige<br />

Rolle, welche die Georgier als ihre eigentliche Missionarinbetrachten.Die Heilige Nino (auch<br />

Nina, Nona, Christiana oderChrischona) war eine<br />

Heilerin, die dem Christentum angehörig war. Sie war<br />

aus Kappadokien aus römischer Gefangenschaft nach<br />

Iberien geflohen, wo sie sich in der damaligen<br />

Hauptstadt Mzcheta niederließ. Sie wurde schnell durch<br />

ihre Heilkünste bekannt, so dass König MirianIII. <strong>und</strong><br />

seine kranke Frau Nana auf sie aufmerksam wurden.<br />

Nino wurde in den Palast gerufen <strong>und</strong> heilte die Königin<br />

Nana.Der König wollte Nino mit Silber <strong>und</strong> Gold danken,<br />

doch sie verwies darauf, dass ihr Gott die Kraft gegeben<br />

hat, die Königin zu heilen <strong>und</strong> nahm daher das Gold <strong>und</strong><br />

Silber nicht an. Ausschlaggebend <strong>für</strong> die Konvertierung<br />

zum Christentum war jedoch noch eine weitere<br />

Begebenheit: König Mirian kam auf der Jagd einst vom Weg ab <strong>und</strong> fand in der Dunkelheit<br />

seinen Weg nicht mehr zurück. Der Überlieferung zufolge halfen alle seine Gebete nichts, bis<br />

er den Gott Ninos rief, woraufhin ihn seine Gefolgsmänner fanden. Aufgr<strong>und</strong> dieser<br />

Ereignisse ließ König MirianIII. das Christentum aus Dankbarkeit <strong>und</strong> Ehrfurcht im Jahr 337<br />

zur Staatsreligion erklären, welche sogar in der Verfassung verankert wurde. Daraufhin bat<br />

er Kaiser Konstantin I. um die Entsendung von Missionaren nach Georgien, um den<br />

christlichen Glauben weiter zu verbreiten. Prokopios von Caesarea, ein byzantinischer<br />

Historiker, stellte bereits im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert fest, die Iberier seien "Christen <strong>und</strong> sie befolgen<br />

die Glaubensregeln viel besser als alle, die wir kennen.“ 3<br />

Im Jahr 487 wurde der Kirche in Iberien das Recht der Selbstregierung, die Autokephalie,<br />

gewährt, denn vorher unterstand sie dem Patriarchat von Antiochia. Im Rahmen dessen<br />

wurde der Bischof der damaligen Hauptstadt Mzcheta in den Rang eines Katholikos erhoben<br />

<strong>und</strong> bildete das Oberhaupt der damaligen Kirche in Iberien.Die Konvertierung zum<br />

Christentum bestimmte daher sozusagen die kulturelle Entwicklung Georgiens; so lässt sich<br />

bereits im 5. Jahrh<strong>und</strong>ert eine georgische Bibelübersetzung finden, was wiederum ein<br />

3 http://de.wikipedia.org/wiki/Georgische_Orthodoxe_Apostelkirche<br />

Abb. 1: Heilige Nino<br />

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wichtiger Hinweis darauf ist, wie verwoben die georgische Sprache mit der Religion ist. So<br />

verw<strong>und</strong>ert es auch nicht, dass König Mirian III. der Heiligen Nino zu Ehren eine Kirche über<br />

ihrem Grab bauenließ, als sie in Bodbe starb (Region in Kachetien). Später wurde dort das<br />

orthodoxe Kloster Ninozmindagegründet, das heute den Frauenorden Kloster des Heiligen<br />

Georgbeherbergt.<br />

Vor derFestlegung auf das orthodoxe Christentum im Jahr 591 gab es noch verschiedene<br />

Strömungen, wie die Monophysiten, Diophysiten, Arianer <strong>und</strong> Nestorianer, die letztlich aber<br />

mit der Festlegung verschwanden. Ab dem 6. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden zahlreiche christliche<br />

Kirchen gebaut, die auch Symbole der Eigenständigkeit der Georgier gegenüber der<br />

mohammedanischen Welt darstellten, nachdemGeorgien im 5. <strong>und</strong> 6. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />

persische Abhängigkeitgeriet. Es gelangKönig WachtangI. Gorgassali, der auch die<br />

Festungsstadt Tbilisi gegründet hat, sein Land von der persischen Fremdherrschaft zu<br />

befreien. Im 5. Jahrh<strong>und</strong>ert machteder König Tbilisi zur Hauptstadt von Iberien <strong>und</strong> baute sie<br />

aus. Nach Ende des Römisch-Persischen Krieges wurde Tbilisiim Jahr 591 zur oströmischen<br />

Provinzhauptstadt. Mzchetahingegen blieb weiterhin Sitz des obersten Kirchenhauptes, des<br />

Katholikos. Trotzdem lebte das georgische Volk ungeachtet ihrer Religion, oder eben gerade<br />

deswegen, unter ständiger Bedrohung aus dem Osten; neben seinem Reichtum an<br />

Bodenschätzen stellte Georgien das letzte christliche Bollwerk gegenüber den orientalischen<br />

Ländern dar.<br />

Doch nachdem die Perser vertrieben waren, folgte642 bereits die nächste Invasion, diesmal<br />

die der Araber. In mehreren Kriegen zerfielen Lasika <strong>und</strong> Iberien in mehrere kleine<br />

Fürstentümer (darunter Kartlien, Kachetien, Heretien, Abchasien, Egrisi <strong>und</strong> Tao-<br />

Klardschetien) <strong>und</strong> 654 wird Tbilisi zur Hauptstadt eines Emirats gemacht; zwar durften die<br />

Georgier ihre Glaubensfreiheit behalten <strong>und</strong> auch ihre Besitzrechte wurden gewahrt,<br />

allerdings wurde die georgische Bevölkerung in den ost- <strong>und</strong> zentralgeorgischen Gebieten<br />

dem Kalifat steuerpflichtig. Die Versuche, die Georgier zu islamisieren schlugen<br />

weitestgehend fehl. Stattdessen breitete sich die georgische Kirchensprache weiter in der<br />

Bevölkerung aus <strong>und</strong> wurde zum entscheidenden Merkmal, das die Georgier als Volk <strong>für</strong><br />

Jahrh<strong>und</strong>erte einen sollte.<br />

Zudem unterlief den Arabern ein folgenschwerer Fehler, als sie im Westen des Landes die<br />

Bagratiden als Statthalter über Abchasien einsetzten. Die Bagratiden waren georgische <strong>und</strong><br />

armenische Herrscherdynastien, die die westlichen Fürstentümer vereinten, autonom<br />

regierten <strong>und</strong> die, mit Unterstützung der Byzantiner, fortan gegen die arabische Herrschaft<br />

kämpften. Bagrat dem III., ein Herrscher der Bagratiden, gelang es im Jahr 1008 ost- <strong>und</strong><br />

westgeorgische Königreiche zu einem Georgischen Königreich zu vereinen <strong>und</strong> den<br />

nationalen Aufschwung des Landes einzuleiten. Zwarkonnte erst sein Enkel Bagrat IV. im<br />

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Jahr 1039 den Thron in Tbilisi besteigen, aber noch zu seinen Lebzeiten wurde Bagrat III. zu<br />

Ehrendie berühmte „Bagrati Kathedrale“ in Kutaissi gebaut.<br />

Im ersten Viertel des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts erfolgte der Bau der neuen Kathedrale des Katholikos<br />

von Swetizchoweli in<br />

Mzcheta. Dieser Bau zeugt<br />

einerseits von der tiefen<br />

Verb<strong>und</strong>enheit der Georgier<br />

mit dem Christentum,<br />

andererseits von ihrem Mut,<br />

ihren Glauben auch zu Leben,<br />

denn Mzcheta liegt nur unweit<br />

von Tbilisi, wo zu der Zeit<br />

noch der arabische Emir<br />

residierte.Im Zuge der<br />

Einigung Georgiens wurde dem Katholikos der Rang des Patriarchen zuerkannt, so dass der<br />

Titel des georgischen Kirchenoberhaupts von nun an Katholikos-Patriarch von Gesamt-<br />

Georgien lautete. Mit der Ernennung Melchisedeks, dem Erbauer der Sweti-Zchoweli<br />

Kathedrale, zum Katholikos-Patriarchen war „der lange Weg des georgischen Christentums<br />

hin zu einer Religion, die nationale Identität stiften konnte, vorerst abgeschlossen.“ 4<br />

Abb. 3: Dawit IV. mit Gelati-Kloster<br />

Abb. 2: Swetizchoweli-Kathedrale in Mzcheta<br />

Nach nur 26 Jahren sah sich das vereinte Georgische<br />

Königreichim Jahr 1065 mit dem nächsten Angriff<br />

konfrontiert, diesmal dem der türkischen Seldschuken.<br />

Ab dem Jahr 1080 musste Georgien den Landbesetzern<br />

Tribut zollen <strong>und</strong> mussten immer wieder Plünderungen<br />

über sich ergehen lassen.<br />

Als entscheidendes Jahr in der georgischen Geschichte<br />

kann das Jahr 1089 angesehen werden,als Dawit IV. -<br />

ebenfalls ein Nachfolger der Bagratiden - mit 16 Jahren<br />

den Thron bestieg. Noch heute wird er als „David der<br />

Erbauer“ gefeiert, denn ihm gelang es ein ständiges<br />

Heer zu schaffen, mit dem es bis zum Jahr 1122 gelang<br />

die Seldschuken aus Georgien zu vertreiben,Provinzen<br />

an der Grenze zu Armenien <strong>und</strong> Aserbaidschan zu<br />

erobern <strong>und</strong> die Fürsten der verschiedenen Territorien<br />

4 http://www.georgienseite.de/index.php?cmd=inhalt&link=kultur/religion.php<br />

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Georgiens zur Kooperation zwingen, sodass die Einigung Georgiens 1125 mit dem Ende<br />

seiner Amtszeit abgeschlossen wurde.Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die seit<br />

1096 aufflammenden Kreuzzüge, welche die Seldschuken durch Angriffe aus dem Norden<br />

schwächten, die kulturelle Blütezeit Georgiens begünstigten; auch in der entscheidenden<br />

Schlacht vonDidgori im Jahr 1121 standen den georgischen Kämpfern Kreuzritter zur Seite,<br />

um die Verbreitung des Christentums generell, aber auch im Speziellen in Georgien<br />

sicherzustellen. Das christliche Europaversuchte dadurch eine antimoslemische Koalition in<br />

Georgien zu gründen, um im Land der Verbündeten einen militärischen Stützpunkt an der<br />

Grenze zum Orient zu errichten.<br />

Nach Ende des Krieges gegen die Seldschuken ernannte David IV.Tbilisi wieder zur<br />

Hauptstadt, denn gegen Ende des 8. Jahrh<strong>und</strong>erts, als sich das Westgeorgische bzw.<br />

Abchasische Reich bildete, wurde Kutaissi zur Residenz der georgischen Könige gemacht.<br />

David der Erbauer war es auch, der 1106 das Gelati-Kloster unweit der Stadt Kutaissi hatte<br />

bauen lassen. Gleichzeitig gründete er die zugehörige Akademie von Gelati, an der<br />

angesehene Theologen, Rechtsgelehrte <strong>und</strong> Philosophen diskutierten <strong>und</strong> lehrten. David<br />

verfolgte damit das Ziel, ein „zweites Athen“ zu gründen, um eine wirtschaftliche <strong>und</strong><br />

kulturelle Entwicklung im Landvoranzutreiben. Nach seinem Tod wurde David IV. im Gelati-<br />

Kloster beerdigt <strong>und</strong> von der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche heilig gesprochen. Das<br />

Kloster zählt daher heute zu den bedeutendsten Werken georgischer Kunst <strong>und</strong> ist auch Teil<br />

des UNESCO-Welterbes. Doch bei der Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens in<br />

Georgien kommt den georgischen Klöstern außerhalb des eigenen Landes ebenfalls eine<br />

große Bedeutung zu: auch hier wurden Hagiographien verfasst <strong>und</strong> philosophische Traktate<br />

geschaffen <strong>und</strong> übersetzt, die sogar zum Teil vom Georgischen ins Griechische übersetzt<br />

wurden. Zu den wichtigsten dieser religiösen Außenposten zählen das Iviron-Kloster auf dem<br />

Berg Athos in Griechenland, Mönchsniederlassungen in Sinai <strong>und</strong> in Jerusalem <strong>und</strong> das<br />

Petritsonkloster in Batschkowo.<br />

Man kann Georgien eine kulturelle Ausnahmerolle zusprechen,da es trotz der zahlreichen<br />

feindlichen Übergriffe aus Nationen mit anderem Glaubenshintergr<strong>und</strong>, z. B. Moslems nicht<br />

nur gestattete im christlichen Georgien zu leben, sondern auch ihre Religion auszuüben.<br />

David IV. war sogar mit moslemischen Philosophen <strong>und</strong> Dichtern befre<strong>und</strong>et, mit denen er<br />

auch in regelmäßigem Austausch stand.<br />

Eine Folge dieser durch David IV. angestoßenen Entwicklung war die Entstehung einer<br />

weltlichen <strong>und</strong> künstlerischen Prosa <strong>und</strong> Poesie im 11. <strong>und</strong> 12. Jahrh<strong>und</strong>ert. So schreibt<br />

KorneliKekelidze, ein Erforscher altgeorgischer Literatur:<br />

"Das georgische Volk gehört zu den Völkern, die in ihrer Sprache eine reiche christliche Kultur<br />

schufen <strong>und</strong> eine inhaltreiche kirchliche Literatur entwickelten. Gleichzeitig bildet es sozusagen<br />

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eine gewisse Ausnahme unter den christlichen Völkern, sowohl des Ostens als auch des<br />

Westens: Während die östlichen <strong>und</strong> westlichen christlichen Völker sich in kirchlich-scholastischen<br />

Fesseln befanden, schufen die Georgier neben der kirchlichen Literatur auch eine reiche weltliche<br />

künstlerische Literatur, deren Gegenstand der gewöhnliche Mensch unter den Bedingungen des<br />

realen Lebens ist, mit seinen nicht nur geistigen, sondern auch materiellen, "leiblichen"<br />

Bedürfnissen <strong>und</strong> Bestrebungen. Der Humanismus, der in der Geschichte Westeuropas erst<br />

verhältnismäßig spät aufkommt, ist in Georgien jedenfalls bereits im 11. bis 12. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

vorhanden". 5<br />

Die Bedeutung der Religion geht also weit über die bloße Bewahrung der georgischen<br />

Sprache hinaus, indem sie sogar den Impuls <strong>für</strong> die kulturelle Weiterentwicklung des Landes<br />

setzte. Wie auch schon die Akademie von Gelati zeigt, war David dem Erbauer die geistige<br />

Auseinandersetzung mit Themen wichtig, die unter anderem zur Akzeptanz von Moslems in<br />

Georgien führte. Davids Sohn <strong>und</strong> Nachfolger Dimitri I., <strong>und</strong> dessen Sohn Giorgi III., blieben<br />

dieser Linie treu.Da Giorgi III. aber keine männlichen Nachkommen hatte, machte er seine<br />

Tochter Tamarzur Thronerbin. In der Zeit ihrer Herrschaft von 1184 bis 1213 modernisierte<br />

sie das Staatswesen:sie schuf Bürgerrechte, schaffte die Todesstrafe <strong>und</strong> die<br />

Verstümmelung von Straftätern ab, richtete Gerichte auf lokaler Ebene ein, gegen deren<br />

Entscheidungen auch Widerspruch bei einem Obersten Gerichtshof eingelegt werden<br />

konnte. Des Weiteren ließ sie Kirchen <strong>und</strong> Klöster errichten <strong>und</strong> stand, wie schon ihr<br />

Großvater David der Erbauer, im Austausch mit Wissenschaftlern, Dichtern <strong>und</strong> Künstlern.<br />

Tamar vervollständigte unter anderem auch das von Giorgi III. angefangene Projekt in<br />

Vardzia: eine in Fels geschlagene Grenzfestung, die <strong>für</strong> bis zu 50.000 Menschen Platz<br />

bieten sollte. Tamar aber richtete dort ein Kloster ein, in welchem bis heute noch Mönche<br />

leben. So sorgte sie mit diesen Entwicklungen auf der einen Seite <strong>für</strong> mehr Demokratie <strong>und</strong><br />

Rechtsstaatlichkeit; auf der anderen Seite wird ihr vorgeworfen, dass es zu einer<br />

Konzentration von Macht <strong>und</strong> Reichtum kam, dadurch dass der Kleinadel entmachtet wurde<br />

<strong>und</strong> nur dem Hochadel mehr Mitbestimmungsrechte in der Politik gewährt wurden. Der Tod<br />

der Königin Tamar im Jahr 1213 wird als das Ende des Goldenen Zeitalters im<br />

mittelalterlichen Georgienbetrachtet. Bedingt durch die weitere geschichtliche Entwicklung<br />

des Landes, die zum Bruch der Georgischen Feudalmacht führte, wurde Königin Tamar vom<br />

Volk zu einer Art Legende gemacht, deren Herrschaft idealisiert wurde; <strong>und</strong> auch die<br />

Georgische Orthodoxe Apostelkirche sprach sie nach ihrem Tod heilig.<br />

Es fielen im Jahr 1220 die Mongolen in das Land ein, was dazu führte, dass Georgien 1243<br />

die Oberhoheit der Mongolen anerkennen musste.Zwischenzeitlich musste Georgien<br />

1225/26 auch Angriffe der Choresmier über sich ergehen lassen, die durch die<br />

Bodenschätze in Georgien ihren Krieg gegen die Mongolen finanzieren wollten. Laut<br />

mittelalterlichen Chronisten gelang es Giorgi V.1320 die mongolische Vorherrschaft zu<br />

5 http://www.abchaseti.de/geschichte3.html<br />

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eenden <strong>und</strong> das Land wieder zu vereinen. Dadurch stieg das Ansehen des Landes in<br />

solchem Maße, dass Giorgi V. (auch Giorgi der Strahlende) ab 1321 Kontakt mit dem Papst<br />

hatte <strong>und</strong> es ihm von den Mamluken gestattet wurde eine Kirche in Jerusalem zu bauen. So<br />

kam es, dass die katholische Kirche im Jahr 1329 Einzug in Georgien erhielt.<br />

In der Mitte des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde Georgien von der Pest heimgesucht <strong>und</strong> durch die<br />

Eroberungsfeldzüge Timur Lenks in der zweiten Hälfte des Jahrh<strong>und</strong>erts so zerstört, dass<br />

Georgien danach aus mehreren kleinen Gebieten bestand, in denen lokale Fürsten<br />

herrschten. Das ohnehin dadurch bereits geschwächte Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

Georgiens wurde noch weiter reduziert, als die Bagratiden in drei Linien zerfiel, wovon jede<br />

über einen anderen Teil des Landes herrschte: eine herrschte über Kartli von Tbilisi aus, die<br />

zweite regierte im westlichen Imeretien <strong>und</strong> die dritte im ostgeorgischen Kachetien. Der Rest<br />

des Landes wurde von Prinzen <strong>und</strong> Fürsten beherrscht, die entweder früher schon einmal an<br />

der Macht waren oder sich selbst zu den neuen Fürsten ernannt hatten.Auch der Untergang<br />

des Byzantinischen Reiches im Jahr 1453 durch die Osmanen prägte Georgien zu dieser<br />

Zeit ebenfalls stark: so blieb Georgien das einzige christliche Land im Vorderen Orient, das<br />

fortan von der westeuropäischen Welt abgeschnitten war, mit welcher Georgien seit über<br />

einem Jahrtausend in Kontakt stand. Die Voraussetzungen <strong>für</strong> den weiteren geschichtlichen<br />

Verlauf waren denkbar schlecht, denn die einzelnen, kleinen Fürstentümer waren leichter zu<br />

erobern als es noch das vereinte Georgische Königreich war. Hinzu kam der Aufbau des<br />

Osmanischen Reiches im Westen <strong>und</strong> das Wiedererstarken der Perser im Osten, wodurch<br />

neue Konflikte vorprogrammiert waren.<br />

3. Der Glaube in der Neuzeit<br />

Georgien wurde zum Spielball der Großmächte der Osmanen <strong>und</strong> Perser <strong>und</strong> musste<br />

Plünderungen, Sklaverei sowie eine zunehmende Zerstörung des Landes über sich ergehen<br />

lassen. Zudem entstanden zwischen den einzelnen Fürstentümern Streitigkeiten <strong>und</strong><br />

Fehden, welche nur noch weiter geschürt wurden, wenn die Fürstentümern zusätzlich unter<br />

der Herrschaft der Osmanen oder der Perser standen.Diesewaren natürlich darauf bedacht<br />

ihre Macht in Georgien zu vergrößern, während die Macht Georgiens durch die Fehden<br />

weiter geschwächt wurde.<br />

Es ist daher nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass Georgien versuchte, das einzige christliche Land in<br />

seiner Nähe im Kampf gegen die fremden Herrscher <strong>für</strong> sich zu gewinnen, nämlich<br />

Russland. Seit dem Ende des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts bestanden Beziehungen zu Russland <strong>und</strong><br />

man kämpfte einige Schlachten Seite an Seite. Doch Russland war zu dieser Zeit noch nicht<br />

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in der Lage ernsthaft mit einem der beiden Großreiche zu konkurrieren. Erst nach 300<br />

Jahren der Fremdherrschaft durch die Osmanen <strong>und</strong> Perser konnte sich Ostgeorgien von<br />

diesen befreien, indem es sich freiwillig von dem erstarkten Russland im Jahr 1801<br />

annektieren ließ. Die von König Giorgi XII. <strong>und</strong> Zar Paul I. vereinbarte Bedingung dem<br />

georgischen Königshaus die Krone zu lassen, wurde nach nur 4 Monaten übergangen <strong>und</strong><br />

die Russen übernahmen die Herrschaft im Land. Die Georgier versuchten sich zu wehren, es<br />

gab einige antirussische Aufstände <strong>und</strong> Befreiungsversuche, doch 1864 gelang es Russland<br />

auch die Macht in Westgeorgien zu übernehmen.<br />

Bereits seit 1802 musste Georgien eine intensive Russifizierung über sich ergehen lassen,<br />

die den Zweck verfolgte das georgische System an das soziale <strong>und</strong> kulturelle System<br />

Russlands anzupassen.Betroffen von der Russifizierung war einerseits die georgische<br />

Sprache, die durch die russische Sprache abgelöst werden sollte, aber auch die Religion. Im<br />

Rahmen dessen wird der Georgischen Kirche 1811 die Autokephalie <strong>und</strong> das Patriarchat<br />

aberkannt <strong>und</strong>die Georgische wird der Russisch Orthodoxen Kirche unterstellt. Der<br />

georgische Katholikos-Patriarchat wurde ersetzt durch einen von den Russen ernannten<br />

„Exarch von Georgien“, der die geistige Führung in Georgienübernahm. Des Weiteren<br />

wurden die Eparchien von 26 auf nur 4 reduziert, die nun ebenfalls russischen Bischöfen<br />

unterstanden. Als weiterer <strong>und</strong> entscheidender Schritt, mit dem es den Russen gelang auch<br />

die geistige Fremdherrschaft im Land zu übernehmen, war das Übermalen jahrh<strong>und</strong>ertealter<br />

Kirchenfresken <strong>und</strong> der Ersatz der Liturgiesprache: die Georgischen Sprache wurde durch<br />

das Altkirchenslawische abgelöst. Die Folge war, dass sich die Georgier das erste Mal von<br />

ihrer ihnen fremd gewordenen Kirche abwandten.<br />

Erst mit der Februarrevolution, die das Zarenreich 1917 zu Fall brachte, hat auch die<br />

religiöse Fremdherrschaft in Georgien ein Ende. Nach 115 Jahren erlangte die Georgisch<br />

Orthodoxe Kirche ihr Recht auf Autokephalie <strong>und</strong> das Patriarchat wieder, als sich das<br />

Georgische Episkopatam 12. März 1917 als unabhängig von der russischen Kirche erklärte<br />

<strong>und</strong> im September wieder ein Katholikos-Patriarchat von Gesamtgeorgien wählt wurde. Doch<br />

die 1918 erklärte Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Georgiens währte nur bis<br />

1921, als die Rote Armee in Georgien einmarschierte <strong>und</strong> die Georgische Sozialistische<br />

Sowjetrepublik ausrief. Russland versuchte daraufhin Georgien systematisch zu zerschlagen<br />

<strong>und</strong> es bildeten sich ein Autonomer Oblast Südossetien, eine Abchasische Sozialistische<br />

Sowjetrepublik <strong>und</strong> eine Adscharische Sozialistische Sowjetrepublik; diebeiden<br />

Erstgenannten kämpfen bis heute mit Waffengewalt <strong>und</strong> Unterstützung Russlands gegen die<br />

Eingliederung Georgiens. Des Weiteren wurden in der Zeit nach 1921 Kirchen geplündert<br />

<strong>und</strong> enteignet, Personen, die bedeutende Funktionen innehatten, wurden erschossen oder in<br />

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Straflager gesteckt <strong>und</strong> auch Aufstände wurden immer wieder durch Josef Stalin<br />

niedergeschlagen.<br />

Auch hier übernahm die Kircheeine bedeutende Rolle im Widerstandskampf gegen die<br />

russische Oberherrschaft. So versuchte sie sich beispielsweise 1922 bereits in einem<br />

Memorandum gegen das sowjetische Regime zu wehren. Allerdings wurde Ambrosius I.,<br />

das damalige Kirchenoberhaupt der Georgischen Kirche, verhaftet, weil er der Verschwörung<br />

mit dem Westen bezichtigt wurde. Es folgte ein Schauprozess mit einer mehrjährigen<br />

Haftstrafe, an deren Folgen er letztlich 1927 starb; weitere Widerstandsversuche blieben<br />

erfolglos. Erst 1943 wurde die Unabhängigkeit der georgischen Kirche vom Moskauer<br />

Patriarchat anerkannt <strong>und</strong> 1989 wird der Georgisch Orthodoxen Kirche rückwirkend die<br />

Autokephalie <strong>und</strong> das Patriarchat durch das Ökumenische Patriarchat bestätigt. Die<br />

Ausgliederung Georgiens aus der Sowjetunion wurde am 31. März 1991 durch ein<br />

Referendum entschlossen, welches mit 98,9% der Stimmen angenommen wurde. Daraufhin<br />

wurde auch wieder Georgisch als Liturgiesprache eingeführt, doch „das erwies sich zunächst<br />

als schwierig, da es keine darin ausgebildeten Priester gab. So traten viele Laienpriester<br />

ihren Dienst an, denen jedoch ein theologisches Gr<strong>und</strong>lagenstudium fehlte. Inzwischen gibt<br />

es in Tbilisi wieder ein Priesterseminar.“ 6<br />

4. Zusammenfassender Ausblick<br />

Heute gehören 75% der georgischen Bevölkerung der autokephalen Georgisch Orthodoxen<br />

Apostelkirche an, welche nach wie vor Verfassungsrang genießt <strong>und</strong> welche keine Steuern<br />

zahlenmuss. Diese Kirche besteht nun seit über 1700 Jahren <strong>und</strong> trotz der zahlreichen<br />

Übergriffe anderer Länder besteht die Kirche noch immer. Es wäre aber auf keinen Fall<br />

verkehrt oder gar richtiger zu sagen: aufgr<strong>und</strong> dieser zahlreichen Übergriffe <strong>und</strong> der<br />

verschiedenen Fremdherrschaften im Laufe der Geschichte Georgiens besteht die Kirche<br />

noch immer. Das frühe Bekennen zum Christentum im 4. Jahrh<strong>und</strong>ert, <strong>und</strong> auch die<br />

damalige Verankerung in der Verfassung, gab den Georgiern die Möglichkeiteine eigene<br />

kulturelle Identität aufzubauen, die das Volk im Glauben zusammenschloss <strong>und</strong> einte.Schon<br />

damals war der angenommene christliche Glaube eine Art Schutz gegen Überfälledes<br />

Sassanidenreichs(Persien) oder den dort verbreiteten Zoroastrismus.Aufgr<strong>und</strong> des<br />

Reichtums an Bodenschätzen diente das Christentum auch später als eine Art Abgrenzung<br />

gegen die um Georgien lebenden Völker <strong>und</strong> Religionen, denen Georgien immer wieder zum<br />

Opfer fiel. In Zeiten der feindlichen Überfälle <strong>und</strong> der Fremdherrschaft durch die Perser,<br />

6 Kriegenherdt, M.:Handbuch <strong>für</strong> individuelles Entdecken - Georgien. S. 117<br />

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Araber, türkische Seldschuken, Choresmier <strong>und</strong> Mongolen wurden der Glaube <strong>und</strong> die<br />

Georgisch Orthodoxe Kirche an sich zum Bewahrer der Sprache <strong>und</strong> der nationalen Identität<br />

Georgiens. Wie anfangs bereits erwähnt wurde, scheint das georgische Alphabet zu den<br />

ältesten Schriftsprachen der Welt zu gehören, die heute nach wie vor in Georgien lebendig<br />

ist.Die Tatsache, dass es bereits im 5. Jahrh<strong>und</strong>ert eine ins Georgische übersetzte Bibel<br />

gab, ist wiederum ein Zeichen da<strong>für</strong>, wie eng die Sprache mit der Religion verknüpft ist. So<br />

verw<strong>und</strong>ert es nicht, dass das Georgische <strong>und</strong> die Religion als Einheit betrachtet wurden <strong>und</strong><br />

wird, wobei der Erhalt der Religion demzufolge gleichzusetzen ist mit dem Erhalt der<br />

georgischen Sprache.<br />

David der Erbauer läutete am Anfang des 12. Jahrh<strong>und</strong>ert das „Goldene Zeitalter“ Georgiens<br />

ein, indem er nicht nur Klöster, sondern wie in Gelati auch eine Akademie der Philosophie<br />

<strong>und</strong> Wissenschaft bauen ließ. Das Kloster <strong>und</strong> die zugehörige Akademie waren das<br />

kulturelle <strong>und</strong> bildende Zentrum Georgiens <strong>und</strong> durch sie war es möglich, dass die<br />

georgische Sprache weitere Verbreitung in Prosa <strong>und</strong> Poesie fand. So lässt sich durchaus<br />

wiederholen, dass der Glaube zusammen mit der georgischen Sprache auch Impulse <strong>für</strong> die<br />

kulturelle Entwicklung des Landes gab.<br />

Auch danach blieb Georgien nicht von Angriffen <strong>und</strong> von Fremdherrschaften verschont. Der<br />

Tatsache zum Trotz, dass Georgien in seiner Geschichte oftmals anderen Ländern auch aus<br />

religiösen Hintergründenzum Opfer gefallen ist, sind den Georgiern Begriffe wie<br />

Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass oder Intoleranz gegenüber anderen Religionen relativ<br />

fremd. Der christliche Glaube <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong>satz der Nächstenliebe können auch in der<br />

Gastfre<strong>und</strong>schaft wieder gef<strong>und</strong>en werden, die in Georgien groß geschrieben wird. So lautet<br />

eine alte Volksweisheit, an die sich heute noch immer streng gehalten wird: „Der Gast ist von<br />

Gott gesandt.“ 7 Denn die Georgier glauben, dass man das, was man zu geben bereit ist,<br />

auch von Gott bekommen wird.<br />

Betrachtet man die schwierige Vergangenheit (<strong>und</strong> teilweise auch Gegenwart) der Georgier<br />

<strong>und</strong> der Russen, so scheint man sich nun auf den gemeinsamen Glauben zu berufen, um<br />

sich auf diesem Wege wieder einander anzunähern. So veröffentlichte die russische<br />

Informations- <strong>und</strong> Nachrichtenagentur RIA Novostierst am 20.04.10 einen Artikel mit der<br />

Überschrift: „Ein Gedeihen Georgiens ist ohne Erhaltung des orthodoxen Glaubens nicht<br />

denkbar“. In diesem Artikel äußerte sich der MetropolitIlarion, der Leiter der Auswärtigen<br />

Abteilung des Moskauer Patriarchats, dass „wenn der Glauben im Volk weiter lebt, wird auch<br />

das Volk selbst gedeihen <strong>und</strong> sich weiterentwickeln“ 8 . Um dies zu erreichen, erteilte der<br />

Patriarch Ilia II. im Jahr 2009 dem Vorsitzenden des „Verbandes der Georgier in Russland“,<br />

7 http://www.kaukasus-reisen.de/<br />

8 http://de.rian.ru/postsowjetischen/20100420/125995763.html<br />

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Mikhail Khubutia,den Auftrag „sich der Jugendlichen anzunehmen <strong>und</strong> sie im Geiste der<br />

traditionellen Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Liebe zu den orthodoxen Brudervölkern zu erziehen.“ 9<br />

Bedenkt man nun noch, dass das Christentum in der Verfassung verankert ist, darf man<br />

davon ausgehen, dass das Christentum noch lange Zeit ein bestimmenderTeil des<br />

georgischen Lebens sein wird.<br />

5. Literaturverzeichnis<br />

Fähnrich, H. 2009: In den Bergen der Götter. Alte Glaubensvorstellungen, Überlieferungen<br />

<strong>und</strong> Bräuche bei den Georgiern des Kaukasus. Wiesbaden.<br />

Kriegenherdt, M. 2008: Handbuch <strong>für</strong> individuelles Entdecken – Georgien. Paderborn.<br />

Mückusch, A. 2008: Der armenischen <strong>und</strong> georgischen christlichen Kirchen <strong>und</strong> ihre Rolle in<br />

der Gesellschaft. In: Chiari, B. (Hrsg.): Kaukasus. Wegweiser zur Geschichte. Paderborn. S.<br />

189-202.<br />

6. Internetverzeichnis:<br />

Berscheid-Kimeridze, I.: http://www.kimeraweb.de(04.06.2010).<br />

Berscheid-Kimeridze,<br />

I.:http://www.georgienseite.de/index.php?cmd=script&link=inc/home/home.php (25.05.2010).<br />

Georgisches Kulturforum: http://www.geokulturforum.de/index.html (02.07.2010).<br />

Grünwald, I.: http://www.abchaseti.de/index.html (20.05.2010).<br />

<strong>Institut</strong> zur Erforschung <strong>und</strong> Förderung regionaler <strong>und</strong> transnationaler Kulturprozesse:<br />

- Mosidze, J.: Berg als Weltachse in vorchristlicher georgischer Weltanschauung.<br />

http://www.inst.at/berge/perspektiven/mosidze.htm (14.06.2010).<br />

- Kldiaschwili, A.: Die mittelalterlichen georgischen Kulturdenkmäler.<br />

http://www.inst.at/berge/kaukasus/kldiaschwili_a.htm(04.06.2010).<br />

National Statistics Office of Georgia: http://www.geostat.ge/index.php?lang=eng<br />

(17.06.2010).<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Georgische_Orthodoxe_Apostelkirche<br />

9 http://de.rian.ru/postsowjetischen/20100420/125995763.html<br />

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1. Vorgeschichte<br />

Georgienkrieg 2008<br />

Lukas Wunschik<br />

Georgien <strong>und</strong> der südwestliche Teil Russlands zwischen Schwarzem- <strong>und</strong> Kaspischem Meer<br />

ist sowohl ethnisch wie auch religiös stark unterteilt (Atlas der Globalisierung 2009). Bereits<br />

1922 wurde Südossetien, ein Bezirk in Georgien, „Südossetischer Autonomer Oblast“<br />

genannt (http://www.offiziere.ch/?p=479 13.05.2010).Zwei Jahre zuvor kam es zum Aufstand<br />

der Osseten gegen die Georgier, der von der Nationalgarde niedergeschlagen wurde <strong>und</strong> 5.000<br />

Opfer forderte. Durch das Ende des Kalten Krieges <strong>und</strong> den Zerfall der Sowjetunion strebten<br />

viele Provinzen nach Unabhängigkeit. Zwar erklärte Südossetien sich mehrmals <strong>für</strong><br />

Unabhängigkeit, allerdings erkannten Russland, Georgien oder die internationale<br />

Gemeinschaft dies nicht an. 1990 kam es dann zum ersten Konflikt: Georgische Truppen<br />

marschierten nach Südossetien <strong>und</strong> Russland schickte 2.000 Soldaten zur Unterstützung der<br />

abtrünnigen Region. Boris Jelzin <strong>und</strong> Eduard Schewardnadse unterzeichneten am 24. Juni<br />

1992 ein Waffenstillstandabkommen.<br />

Nach der Rosenrevolution 2003 wollte Georgiens neuer Präsident Micheil Saakaschwili<br />

Abchasien <strong>und</strong> Südossetien mit dem Drei-Stufen-Plan wieder in Georgien eingliedern, dies<br />

hatte er bei seinem Amtsantritt versprochen. Zwar wurde vertraglich vereinbart die Regionen<br />

zu entmilitarisieren, allerdings kam es 2005 wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.<br />

Inzwischen hatten sich auch die USA in den Konflikt eingemischt <strong>und</strong> von Russland<br />

gefordert, die abtrünnigen Provinzen nicht länger zu unterstützen. Seit 2002 unterstützt die<br />

USA die Militarisierung Georgiens, 2007 wurden r<strong>und</strong> 16.000 Soldaten Georgiens von<br />

amerikanischen Ausbildern trainiert, die Militärhilfe betrug 34 Millionen Dollar. Georgien<br />

<strong>und</strong> Aserbaidschan werden von den USA als „coalition ofthe wiling“ angesehen <strong>und</strong> gelten<br />

als strategische Partner (http://www.newsaic.com/f911chap6-7.html 03.06.10).Interessant ist<br />

das Russland die weitere Entwicklung abhängig von der Lage im Kosovo gemacht hat. Wird<br />

Kosovo als legitimer Staat von der Staatengemeinschaft anerkannt, so müssen die gleichen<br />

Maßstäbe auch <strong>für</strong> andere Provinzen gelten(http://www.sueddeutsche.de/politik/konflikt-umgeorgien-kein-kosovo-im-kaukasus-1.579967<br />

06.06.2010). Desweiteren fühlt sich Russland<br />

durch das streben Georgiens ein vollständiges Mietglied der NATO <strong>und</strong> der EU zu werden<br />

bedroht. „Die nach Osten expandierende NATO, so hatte schon ein aufgebrachter Jelzin<br />

gepoltert, werde in Europa die Flamme des Krieges entfachen“ (IP - Internationale Politik<br />

September 2008). Aus einem regionalen Konflikt entstand ein indirekter Konflikt zwischen<br />

Russland <strong>und</strong> der USA. Vor allem die Russen fühlen sich zunehmend bedroht von der<br />

Ausweitung der amerikanischen Präsenz an russischen Interessensgebieten. Schon die<br />

Einmischungder USA in die Rosenrevolution wurde von Moskau als Bedrohung<br />

wahrgenommen, da Saakashvili ohne finanzielle Unterstützung der USA nicht hätte an die<br />

Macht gelangen können.


2. Der Georgienkrieg 2008<br />

Bereits im Vorfeld drangen widersprüchliche Meldungen an die Öffentlichkeit, dass fünf<br />

Bataillone der russischen Armee bereits am 3. August am Roki-Tunnel stationiert worden sein<br />

sollen, was von russischer Seite dementiert wurde. Mörser Angriffe aus Georgien wurden<br />

immer als Erwiderung von Angriffen bezeichnet.<br />

Am 7. August verkündete Saakaschwili, dass er bereit sei Friedensgespräche zu führen,<br />

sowie eine einseitige Waffenruhe."Keiner sollte uns als Aggressor hinstellen“, so<br />

Saakaschwili (http://www.tagesschau.de/ausland/suedossetien104.html 14.05.2010).<br />

Georgische Stellen vermeldeten Beschuss von georgischen Dörfern in Südossetien, dies<br />

wurde allerdings von OSZE Beobachtern dementiert. Auf der anderen Seite sprach Wladimir<br />

Putin davon, dass Georgien ein Genozid an den Osseten verübe, außerdem werde man<br />

russische Staatsbürger beschützten müssen.Russische Schützenpanzer waren während dessen<br />

über den Roki-Tunnel auf dem Weg nach Südossetien, dieser Konvoi wurde vom<br />

Schützenfeuer der Georgier angegriffen. Am 08. August wurde Zchinwali sowie die<br />

Flüchtlingsroute mit Mörsern von Georgien beschossen. Georgische Truppen drangen immer<br />

weiter in Richtung Zchinwali vor. Am 8. August kontrollierten Georgiens Truppen 2/3<br />

Südossetiens. Es kamen 162 Zivilisten ums Leben sowie 15 russische Friedensoldaten.<br />

Russische Truppen hatten beste Kenntnisse darüber,wie die georgische Armee agieren würde<br />

<strong>und</strong> verhinderten die Sprengung der Kurta-Brücke aufder Fernstraße in Richtung Zchinwali.<br />

Am 8. August um 16.30 Uhr begann Russland mit der Bombardierung Georgiens. Innerhalb<br />

kürzester Zeit wurde Zchinwali von russischen Truppen eingenommen. Georgien rief am 9.<br />

August das Kriegsrecht aus, allerdings verlegte Russland inzwischen massiv Truppen nach<br />

Südossetien <strong>und</strong> Abchasien. Am 10. August gab Georgien bekannt, die in Südossetien<br />

stationierten Truppen „abgezogen“ zu haben. Allerdings flohen die georgische Truppen<br />

panisch <strong>und</strong> hinterließen massenhaft Kriegsgerät. Am 12. August wurden die<br />

Kampfhandlungen im Südkaukasus von russischer Seite eingestellt, bis zum 13. August blieb<br />

die Stadt Gori besetzt. Präsident Saakaschwili gab den Austritt aus der GUS bekannt. Am 16.<br />

August unterzeichnete Georgien <strong>und</strong> Russland einen Friedensplan, eigentlich Medwedew-<br />

Sarkozy-Plan (План Медведева-Саркози). Dieser Plan sieht vor, dass russische<br />

Friedenstruppen zur Stabilisierung dienen sollen, bis internationale Truppen diese Aufgabe<br />

übernehmen können. Bis zum 10. Oktober sollten die Friedenstruppen auf Drängen der EU<br />

<strong>und</strong> der NATO abziehen, was auch der Fall war.<br />

3. Folgen <strong>und</strong> Schuldfrage<br />

Die russische Börse brach am 8. August zusammen, Anleger zogen 6 Milliarden Dollar ab,<br />

vor allem aus Angst, der Krieg könnte sich ausweiten wenn die USA sich einmischt. Der<br />

russische Rubel brach gegenüber dem Dollar ein. Die Infrastruktur Georgiens war lahmgelegt<br />

<strong>und</strong> Größenteils zerstört. Georgien verlor massenhaft Militärgut, zum Beispiel die gesamte<br />

georgische Flotte. Flüchtlingsströme waren im ganzen Land unterwegs (LuchterhandtOtto,<br />

2008).


Während des Krieges hielten sich europäische Politiker mit Schuldzuweisungen zurück, da<br />

die Lage <strong>und</strong>urchschaubar war. Nur aus den USA kam vereinzelt Kritik in Richtung Moskau.<br />

Ein von der EU verfasster Bericht gibt Russland <strong>und</strong> Georgien schuld am Ausbruch des<br />

Krieges. Zum einen provozierte Russland mit Truppenmanöver an der Grenze zu Südossetien<br />

über Monate Georgien. Aber auch Georgien fühlte sich mit den USA auf der sicheren Seite.<br />

Allerdings gingen die ersten Kriegshandlungen von georgischer Seite aus, auch wenn<br />

Präsident Saakaschwili dies anders darstellen wollte (Atlas der Globalisierung, 2009). Vor<br />

einem Untersuchungsausschuss behauptete er weiterhin das russische Truppen zuerst nach<br />

Südossetien einmarschiert sind was nachweislich falsch ist. Am Nachmittag des 7.<br />

August.2008 wurde die georgische Armee mobilisiert. Nachdem er den Waffenstillstand um<br />

19 Uhr ausgerufen hatte, wurde die Stadt Zchinwali um 23 Uhr mit Mörsergranaten<br />

angegriffen. Außerdem wurden Streubomben verwendet was gegen die Genfer Konventionen<br />

verstößt (http://www.zeit.de/online/2008/33/interview-kempe 15.06.10).Der Rußlandexperte<br />

Stefan Scholl schrieb „Russland – demokratisch oder nicht – schützte hier eine auf<br />

Unabhängigkeit drängende ethnische Minderheit gegen die Raketenwerfer der Staatsnation“<br />

(IP - Internaionale Presse September 2008).<br />

Bereits im Juni 2008 gab es Übungsmanöver in der Grenzregion, sowohl der russischen wie<br />

auch georgischen Armee. Für viele Militärbeobachter war das ein Indiz da<strong>für</strong>, dass beide<br />

Seiten den Krieg schon vorbereitet hatten. Westliche Politiker versuchten schon in der<br />

Vergangenheit Präsident Saakaschwili davon zu überzeugen, nicht militärisch<br />

vorzugehen.Allerdingshat Saakaschwili die Solidarität der USA falsch eingeschätzt. So sagte<br />

Robert Hunter, ehemaliger Botschafter der NATO „…although Moscow may have provoked<br />

Georgia into a fight, the fact that Saakashvili took the bait by moving his forces into South<br />

Ossetia last week is a clear sign that the Georgian president believed he would have<br />

Washington's backing” (http://articles.latimes.com/2008/aug/13/world/fg-usrussia13<br />

16.05.2010).Der georgische Angriff selbst kann als gravierender Bruch des Völkerrechts <strong>und</strong><br />

insbesondere auch als schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts gewertet werden.<br />

Der größte strategische Fehler Russlands war, in den souveränen Staat Georgien<br />

einzumarschieren <strong>und</strong> es über Wochen zu besetzten. Andernfalls wäre Russland als<br />

moralischer Sieger aus dem Konflikt hervorgegangen. Es entstand <strong>für</strong> die nächsten Monate<br />

ein ziemlich angespanntes Verhältnis zwischen Russland <strong>und</strong> der NATO, besonders zu den<br />

USA. Mit der völkerrechtswidrigen Anerkennung Südossetiens <strong>und</strong> Abchasiens stand<br />

Russland alleine da. Allerdings musste Russland diesen Schritt machen um seine Truppen in<br />

den zwei Regionen weiterhin stationieren zu dürfen. Dadurch steht aber auch Südossetien<br />

zunehmend alleine da <strong>und</strong> ist abhängig von finanzieller UnterstützungRusslands. Insgesamt<br />

geht Russland aus dem Konflikt gestärkt hervor, da es vor allem der NATO Grenzen<br />

aufgezeigt hat. Als großer militärischer Erfolg gilt das Russland in Abchasien die<br />

Schwarzmeerflotte stationieren kann, da der Stationierungsvertrag mit der Ukraine ausläuft.<br />

Durch den eigentlich kleinen Konflikt wurde der Welt deutlich gemacht wie gefährlich<br />

unterschätzte Kleinkriege <strong>für</strong> die internationale Staatengemeinschaft werden können, vor<br />

allem wenn sich die Großmächte einmischen.


4. Der Kaukasuskonflikt in den Medien<br />

Die russische Presse berichtet durch die zunehmende Gleichschaltung der Medien sehr<br />

Regierungsnah <strong>und</strong> unkritisch. Selbst die Regierung kritischste Zeitung Russlands berichtet<br />

zunehmend Pro Russisch. Die Zeitung "Prawda" berichtet, georgische Panzer <strong>und</strong> Infanterie<br />

würden von israelischen Beratern unterstützt – dies sei ein Beleg, dass der Konflikt von<br />

äußeren Kräften angestiftet worden sei (http://english.pravda.ru/stories/23-05-2009/113983israeli_and_the_caucasus-to-0<br />

15.06.2010). Solche Propaganda ist in den russischen Medien<br />

üblich, vor allem aber im Krieg allzu gern verwendetes Mittel. So sagte der russische<br />

Botschafter in Georgien das durch georgische Bombardements in der ersten Kriegsnacht 1500<br />

Menschen gestorben seien, 98 Prozent Zchinwalis liegen in Ruinen. Georgische Zeitung<br />

schrieben „Russische Truppen dringen Richtung Georgiens Hauptstadt vor“ zu einem<br />

Zeitpunkt als Medwedew die Offensive bereits <strong>für</strong> beendet erklärt hat<br />

(http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,571485,00.html 15.06.2010).<br />

In den USA hat der regierungsnahe Sender Fox sich zum Beginn des Krieges gegen Russland<br />

gestellt <strong>und</strong> getitelt „Cheney Slams Russia for 'Illegitimate' Georgian War“<br />

(http://www.foxnews.com/story/0,2933,416383,00.html16.06.2010) oder vom 8 August 2008<br />

„U.S. Calls for Russia to Halt Attacks as Fighting in Breakaway Georgia Province Escalates“<br />

(http://www.foxnews.com/story/0,2933,399962,00.html 16.06.2010). Nur die New York<br />

Times blieb neutraler „Europe taking a diplomatic approach to Caucasus conflict”<br />

(http://www.nytimes.com/2008/08/11/world/europe/11iht-diplo.4.15182135.html<br />

16.06.2010). Erst in den darauf folgenden Monaten berichteten die Medien über die Fehler<br />

der Georgischen Seite, vor allem durch den EU- Bericht wurde deutliche Kritik in der<br />

amerikanischen Presse an Georgien geübt.<br />

Am kritischsten titelte die Europäische Presse, allerdings zu Beginn des Krieges wurde<br />

Russland als Schuldiger dargestellt. So schrieb die Zeit am 10. August 2008 „Russland rückt<br />

nach Georgien vor - Trotz des georgischen Waffenstillstandangebots gingen die Kämpfe auch<br />

in der Nacht weiter. Russische Bodentruppen sollen kurz vor der georgischen Stadt Gori<br />

stehen, auch Kampfflugzeuge flogen weitere Angriffe“<br />

(http://www.zeit.de/online/2008/33/georgien-kaempfe 16.06.2008). Allerdings änderte sich<br />

diese Meinung schon nach kurzer Zeit, vor allem durch Aussagen von OSZE Beobachtern<br />

wurde Georgien zunehmend belastet. So schrieb der Spiegel am 13. August 2008 „Kaukasus-<br />

Krieg: Zweideutige US-Signale sollen Georgien ermutigt haben“<br />

(http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,571946,00.html 16.06.2010). Zunehmend<br />

rückte man auch bei konservativen Blättern von Präsident Saakaschwili <strong>und</strong> seiner Version<br />

ab, da immer mehr Details über den Kriegsausbruch aufkamen.<br />

Die EU <strong>und</strong> die USA wurden zunehmend <strong>für</strong> ihre Haltung kritisiert nicht reagiert zu haben,<br />

allen voran die Bush Administration, die mit ihrer Kaukasuspolitik Saakaschwili eher<br />

motiviert hat als sie zu beschwichtigen. Wenn man sieht wie schnell der Konflikt durch<br />

Frankreich als Vermittler gelöst wurde sollte man auch fragen ob nicht die EU schon im<br />

Vorfeld hätte reagieren sollen.


Internetquellen:<br />

http://www.offiziere.ch/?p=479 13.05.2010<br />

http://www.newsaic.com/f911chap6-7.html 03.06.10<br />

http://www.sueddeutsche.de/politik/konflikt-um-georgien-kein-kosovo-im-kaukasus-<br />

1.579967 06.06.2010<br />

http://english.pravda.ru/stories/23-05-2009/113983-israeli_and_the_caucasus-to-0 15.06.2010<br />

http://www.zeit.de/online/2008/33/interview-kempe 15.06.10<br />

(http://articles.latimes.com/2008/aug/13/world/fg-usrussia13 16.05.2010<br />

http://www.tagesschau.de/ausland/suedossetien104.html 14.05.2010<br />

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,571485,00.html 15.06.2010<br />

http://www.nytimes.com/2008/08/11/world/europe/11iht-diplo.4.15182135.html 16.06.2010<br />

http://www.foxnews.com/story/0,2933,416383,00.html16.06.2010<br />

http://www.zeit.de/online/2008/33/georgien-kaempfe 16.06.2008<br />

http://www.foxnews.com/story/0,2933,399962,00.html 16.06.2010<br />

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,571946,00.html 16.06.2010<br />

Literatur:<br />

LUCHTERHANDT, Otto: Völkerrechtliche Aspekte des >>Georgien-Krieges


Politische Entwicklung Georgiens seit der<br />

Unabhängigkeit<br />

Sofrony Christow<br />

1. Innenpolitische Entwicklung seit der Unabhängigkeit<br />

Bereits seit den 80er Jahren wuchs in Georgien die Zahl der Bürger, die sich <strong>für</strong> nationale<br />

Rechte <strong>und</strong> den Schutz von Umwelt- <strong>und</strong> Kulturdenkmälern einsetzten. Gegen Ende des<br />

Jahrzehnts verlor das regierende Sowjetregime immer mehr an Ansehen. Dies hing unter<br />

anderem mit der blutigen Niederschlagung von Demonstrationen im Jahr 1989 zusammen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Drucks der Bevölkerung wurden 1990 die ersten freien Wahlen zum<br />

Obersten Sowjet abgehalten, welche die Partei Siad Gamsachurdias gewann. Dieser<br />

organisierte ein erfolgreiches Referendum über die Unabhängigkeit <strong>und</strong> wurde 1991 zum<br />

ersten georgischen Präsidenten gewählt. Der junge Nationalstaat kämpfte mit ähnlichen<br />

Problemen wie viele andere Transformationsländer: Erbe der Sowjetzeit war ein stark<br />

ausgeprägtes autoritäres Verhalten der politischen Führer. Sowjetische Ex-Direktoren,<br />

lokale Warlords <strong>und</strong> kriminelle Banden verfolgten ihre Partikularinteressen. Teilweise<br />

wirken diese Probleme bis in die heutige Zeit nach. Der georgische Staat wurde durch sie<br />

zum schwachen Staat, Gamsachurdia zum schwachen Präsidenten der keine wichtigen<br />

innenpolitischen Reformen nach vorne bringen konnte. Schließlich wurde er durch einen<br />

Putsch noch 1991 aus dem Amt vertrieben <strong>und</strong> Georgien versank im Bürgerkrieg. Der<br />

Staat konnte sein Gewaltmonopol nicht durchsetzen. 1<br />

Nach dem Putsch riefen die Putschisten den ehemaligen sowjetischen Außenminister<br />

Eduard Schewardnadse nach Georgien. Dieser tat sich mit den Putschisten aus<br />

ehemaligen Warlords, sowjetischer Nomenklatura <strong>und</strong> liberalen Intellektuellen zusammen.<br />

Er wurde zum Vorsitzenden des neu geschaffenen georgischen Staatsrates <strong>und</strong> 1995<br />

auch zum neuen Präsidenten gewählt. Mit Hilfe der Nomenklatura gelang ihm 1995 auch<br />

die Ausschaltung der Warlords <strong>und</strong> die Befriedung des jungen Landes. Wie alle<br />

georgischen Präsidenten wurde Schewardnadse der dominierende Mann im Staat. Die<br />

Gewaltenteilung bestand nur auf dem Papier, in der Praxis waren Medien <strong>und</strong> Parlament<br />

zu schwach um ihre Kontrollfunktion auszuüben. Schewardnadse gelang die Stabilisierung<br />

Georgiens <strong>für</strong> mehrere Jahre bis 2002. Aber wie schon unter Gamsachurdia blieben<br />

Reformen die zur Verbesserung der Lebensqualität führten aus. Demzufolge konnte er<br />

sich bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 nur noch durch Wahlmanipulation im<br />

Amt halten. Nach der Wahl berief er die jungen Reformer in der eigenen Partei nicht in<br />

führende Staatsämter, sodass diese sich gezwungen sahen eigene Oppositionsparteien<br />

zu bilden <strong>und</strong> somit die Nomenklatura nun offen herauszufordern. 2<br />

Diese Entwicklung mündete in die sogenannte Rosenrevolution nach den offensichtlich<br />

ebenfalls manipulierten Parlamentswahlen im Jahre 2003. Den Oppositionparteien gelang<br />

es, den Unmut der Bevölkerung zu bündeln. Ihre Vertreter waren Michael Saakaschwili<br />

1 Gumppenberg u.a. 2 2010: 38f.<br />

2 ebd.: 39f.<br />

1


aus der Partei „Nationale Bewegung“, sowie Zurab Schwania <strong>und</strong> Nino Burdschanadse<br />

von den „Vereinigten Demokraten“. Ziel der Revolution, die sich auf Massenproteste<br />

stützen konnte, war es die Regierung Schewardnadse friedlich abzulösen, auch wenn<br />

dazu die Verfassung unbeachtet bleiben musste. Rosen symbolisierten dabei das<br />

Abschiedsgeschenk der Demonstranten an die alte Regierung. Nach dem Rücktritt<br />

Schewardnadses gewann Michael Saakaschwili die Präsidentschaftswahlen 2004 mit<br />

96 % der Stimmen. Auch die anschließend wiederholten Parlamentswahlen brachten<br />

einen klaren Sieg der neuen vereinten Partei „Vereinigte Nationale Bewegung“. 3<br />

2. Außenpolitische Entwicklung & die Konflikte um Südossetien <strong>und</strong> Abchasien<br />

Georgien orientiert sich in seiner außenpolitischen Ausrichtung nach Westen,<br />

insbesondere zur Europäischen Union. Der erste große messbare Erfolg dieser Politik war<br />

der Beitritt Georgiens zum Europarat im Jahre 1999. 2006 wurde Georgien auch<br />

Partnerland der Europäischen Nachbarschaftspolitik der EU, an die somit enge Bindungen<br />

bestehen. Weiteres Ziel ist nun der Beitritt zur NATO, über den 2008 auf dem NATO-<br />

Gipfel in Bukarest bereits verhandelt wurde. Nach dem Augustkrieg ist dieser vorerst<br />

wieder in einige Ferne gerückt. 4 Ein weiterer Erfolg dieser Politik ist die Aufnahme in den<br />

Kreis der EURONEST-Länder. Hierbei wird ein gemeinsamer Rat von Parlamentariern aus<br />

6 osteuropäischen Ländern sowie 60 EU-Parlamentariern gebildet. Dadurch wird die<br />

Zusammenarbeit mit der EU intensiviert. 5 Gr<strong>und</strong>lage dieser Westintegration ist unter<br />

anderem ein gestiegenes Interesse der westlichen Länder an Georgien, welches als<br />

Transitland insbesondere <strong>für</strong> Erdöl- <strong>und</strong> Erdgas immer wichtiger wird. Damit stoßen in der<br />

Region das Integrationsinteresse Russlands <strong>und</strong> der EU <strong>und</strong> der USA aufeinander,<br />

weswegen Gumppenberg u.a. sie auch als „Spielball der Großmächte” bezeichnen.<br />

Russland sieht in der Westbindung Georgiens <strong>und</strong> anderer Staaten der Region seine<br />

Sicherheitsinteressen gefährdet. Laut Ronald D. Asmus will es eine Zone „priviligierter<br />

Interessen“ im Kaukasus wahren. 6 Somit muss eine Balance zwischen russischen<br />

Sicherheitsinteressen <strong>und</strong> dem Selbstbestimmungsrecht der dortigen Staaten angestrebt<br />

werden. 7<br />

Nach Gumppenberg u.a. fungiert Russland als Schutzmacht der abtrünnigen Provinzen<br />

Südossetien <strong>und</strong> Abchasien, womit es sich in innergeorgische Angelegenheiten einmischt.<br />

Beispiel da<strong>für</strong> ist das Ausstellen von russischen Pässen <strong>für</strong> die Bewohner Abchasiens <strong>und</strong><br />

Südossetiens. Die russischen Interessen in der Region sind ambivalent. Auf der einen<br />

Seite ist Russland in der Lage durch die andauernden Auseinandersetzungen um die<br />

abtrünnigen Provinzen seinen Einfluss in der Region aufrecht zu erhalten, da über die<br />

Provinzen Einfluss auf die georgische Politik genommen werden kann <strong>und</strong> Georgiens<br />

Integration in die EU <strong>und</strong> die NATO gebremst wird. Auf der anderen Seite könnte die<br />

Beilegung der Konflikte <strong>und</strong> die Öffnung der Grenzen einen wirtschaftlichen Aufschwung in<br />

3 ebd.: 40<br />

4 ebd.: 44<br />

5 Sokolnikow 2010<br />

6 Asmus<br />

7 Gumppenberg u.a. 2 2010: 44f.<br />

2


der Region mit sich bringen, von dem auch Russland stark profitiert. 8<br />

Seit etwa Mitte der 90er Jahre engagieren sich auch die USA aktiv in der Region, da sie<br />

ihre Energieversorgung weiter diversifizieren wollen um unabhängiger von bestimmten<br />

Regionen zu werden. Für die Versorgung mit Energie aus der Region ist Stabilität<br />

unabdingbar, weswegen <strong>für</strong> die USA ein Status quo der Stabilität garantiert durchaus<br />

attraktiv ist, auch wenn er keine endgültige Lösung der Konflikte mit sich bringt.<br />

Die Europäische Union hat keine einheitliche Linie was die Situation in Georgien angeht.<br />

Dies dokumentieren auch die europäischen Hilfsprogramme, durch die die EU wichtigster<br />

Geldgeber in der Region sind, die aber nicht an politische Forderungen geknüpt werden.<br />

Die EU hat ebenfalls ein Interesse an der Diversifizierung der eigenen Energieversorgung.<br />

Allerdings haben einige Mitgliedsstaaten auch intensive Handelsbeziehungen mit<br />

Russland, sodass diese kein Interesse an Konflikten mit dem östlichen Nachbar haben. 9<br />

Aufgr<strong>und</strong> der komplexen Vermischung von Interessen <strong>und</strong> dem zerstörten Vertrauen der<br />

Menschen untereinander, nochmals verstärkt nach dem Augustkrieg, ist eine Beilegung<br />

der Konflikte durch eine Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens in naher<br />

Zukunft nicht zu erwarten. 10<br />

Gumppenberg u.a. sehen vor diesem Hintergr<strong>und</strong> eine Konfliktlösung nur durch die<br />

Betroffenen selbst <strong>und</strong> nicht durch die Großmächte als möglich an. 11 Sie führen<br />

entscheidende Konfliktursachen an, welche innerhalb Georgiens zu suchen sind. So führt<br />

die Schwäche des Rechtsstaats zu einem mangelnden Rechtsschutz der Menschen,<br />

welche den führenden Kräften des Staates <strong>und</strong> ihren Netzwerken weitgehend hilflos<br />

ausgeliefert sind. Dies führt zu einer Suche nach Schutz in Partikulargruppen der<br />

Gesellschaft, wie der Familie, Fre<strong>und</strong>eskreisen <strong>und</strong> insbesondere Ethnien. Sich<br />

entwickelnde Gruppenkonflikte sind schwer lösbar, da es im Land an formalen<br />

Vermittlungsinstanzen fehlt, die ausreichend Vertrauen genießen. Die insgesamt tiefe<br />

Abneigung der Abchasen <strong>und</strong> Südosseten <strong>und</strong> die insgesamt verfahrende Situation<br />

erfordern neue Konzepte. 12 Ein entsprechendes neues Konzept der Regierung sieht vor,<br />

dass in Zukunft direkte Kontakte der Bürger miteinander gefördert werden sollen.<br />

Außerdem sollen Verbindungsstraßen <strong>und</strong> Buslinien wiederhergestellt bzw. geschaffen<br />

werden. Die Bürger in den abtrünnigen Provinzen sollen Zugang zum georgischen<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssystem bekommen. Durch diese praktische Zusammenarbeit<br />

soll neues Vertrauen wachsen. 13<br />

3. Demokratie, Rechtsstaat, Zivilgesellschaft & politische Kultur<br />

Nach der Unabhängigkeit Georgiens mussten sich staatliche <strong>Institut</strong>ionen <strong>und</strong> ein<br />

politisches System erst entwickeln. Diesen neuen <strong>Institut</strong>ionen standen etablierte formelle<br />

<strong>und</strong> vor allem informelle Strukturen aus der Sowjetzeit gegenüber. Eine erfolgreiche<br />

Etablierung neuer demokratischer <strong>Institut</strong>ionen ist bis heute nicht erfolgt. Keiner der<br />

8 ebd.: 44, 110<br />

9 ebd.: 108<br />

10 vgl. ebd.: 44<br />

11 ebd.: 110<br />

12 ebd.: 43f.<br />

13 Salzen 2010<br />

3


eiden wichtigen Machtwechsel der vergangenen 20 Jahre der Unabhängigkeit war<br />

rechtlich legitimiert. 14<br />

Als Gründe da<strong>für</strong> sehen Gumppenberg u.a. unter anderem den Erfahrungsmangel der<br />

Georgier mit moderner Staatsbürgerschaft <strong>und</strong> einen ausgeprägten Autoritarismus.<br />

Dessen Ursachen werden in der sehr langen Geschichte der Machtunterwerfung in der<br />

ländlichen, patriarchalisch organisierten Gesellschaft gesehen. Zudem in den Erfahrungen<br />

mit totalitärer Herrschaft in der Sowjetzeit. 15<br />

Aufbauend auf diesem Autoritarismus hat sich in Georgien ein super-präsidentielles<br />

Regierungssystem etabliert. Dieses billigt dem Präsidenten eine enorme Machtfülle zu,<br />

welche nach <strong>und</strong> nach in den Verfassungsänderungen von 1995 <strong>und</strong> 2004 erweitert<br />

wurden. Der Präsident ernennt den Premierminister <strong>und</strong> die wichtigsten Minister (<strong>für</strong><br />

Inneres, Sicherheit <strong>und</strong> Verteidigung). Die anderen Minister kann der Premierminister nur<br />

mit Zustimmung des Präsidenten auswählen. Die Regierung muss zwar vom Parlament<br />

bestätigt werden, aber nach dreimaliger Ablehnung kann der Präsident diese auch ohne<br />

Zustimmung ernennen. Stimmt das Parlament dreimal nicht dem Haushaltsentwurf der<br />

Regierung zu, kann der Präsident das Parlament auflösen <strong>und</strong> Neuwahlen ausschreiben.<br />

Dies ergibt eine insgesamt extrem schwache Stellung des Parlaments gegenüber dem<br />

Präsidenten <strong>und</strong> seiner Regierung. Dieses System wurde international scharf kritisiert.<br />

Nach dem verlorenen Krieg 2008 reagierte der geschwächte Präsident Saakaschwili auf<br />

diese Kritik <strong>und</strong> kündigte demokratische Reformen an. Seit dem Frühjahr 2009 arbeitet<br />

eine Kommission an Vorschlägen <strong>für</strong> eine solche Reform. 16<br />

Die Zivilgesellschaft in Georgien ist schwach. Ein öffentlicher Ausgleich verschiedener<br />

Interessen findet weitgehend nicht statt. Die politische Steuerung erfolgt durch informelle<br />

Netzwerke <strong>und</strong> ist durch Verschlossenheit, Machtmissbrauch, Ämterpatronage <strong>und</strong><br />

Korruption geprägt. Laut Gumppenberg u.a. führt dies dazu, dass die Bevölkerung eher an<br />

persönliche Beziehungen als an offene <strong>und</strong> transparente Interessenorganisationen glaubt<br />

um eigene Interessen durchsetzen zu können. Dadurch wird die Herausbildung<br />

öffentlicher Interessengruppierungen behindert. Da diese wichtig sind, um eine am<br />

Gemeinwohl orientierte Politik zu erreichen, bleibt die Politik stark fixiert auf die<br />

Partikularinteressen der Eliten.<br />

Politische Konflikte werden in Georgien sehr stark personalisiert <strong>und</strong> weniger auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage von Argumenten ausgetragen. Insgesamt bescheinigen Gumppenberg u.a.<br />

eine geringe Bereitschaft Konflikte verfassungskonform auszutragen. 17<br />

Ein großes Problem <strong>für</strong> die georgische Gesellschaft ist die starke Abwanderung. Fast ein<br />

Viertel der georgischen Bevölkerung, mehr als eine Million Menschen, hat das Land<br />

verlassen. Da dies vor allem die jungen, gut ausgebildeten <strong>und</strong> mobilen Menschen betrifft,<br />

fehlen diese beim Aufbau einer Demokratie <strong>und</strong> einer starken Zivilgesellschaft. 18<br />

4. Die vierte Gewalt – die georgischen Medien als demokratische Kontrollinstanz<br />

14 Gumppenberg u.a. 2 2010: 41<br />

15 ebd.: 243<br />

16 ebd.: 41f.<br />

17 ebd.: 42<br />

18 Romberg 2009<br />

4


Nach Gumppenberg u.a. sind die Medien in Georgien zu schwach um ihre demokratische<br />

Kontrollfunktion wahrzunehmen. Dies liegt vor allem daran, dass sie stark monopolisiert<br />

sind. 19 So unterstehen die fünf wichtigsten, landesweiten Fernsehanstalten der Regierung.<br />

Laut der georgischen Schriftstellerin Naira Gelaschwili berichten diese ausschließlich<br />

positiv über die Entwicklung in Georgien. Darüber hinaus gibt es zwei oppositionelle,<br />

unabhängige Fernsehanstalten, diese können aber nur in Tiflis empfangen werden. 20<br />

Das Nachrichtenmagazon FOCUS berichtet darüber, dass „Maestro“, einer der beiden<br />

oppositionellen Fernsehsender, seine Reichweite in der Vergangenheit ausdehnen wollte.<br />

Nachdem der Sender über einen Kabelanbieter in zwei weitere georgische Provinzen<br />

senden konnte, nahm der Anbieter den Sender wieder aus dem Programm, da es<br />

Drohungen aus Regierungskreisen gegeben habe.<br />

Hieraus entsteht laut FOCUS ein Problem das den gesamten ländlichen Raum Georgiens<br />

betrifft. Mangels regierungskritischem Fernsehen <strong>und</strong> unabhängiger Zeitungen – die<br />

Verteilersysteme sind im ländlichen Raum so schlecht ausgebaut, dass diese dort<br />

praktisch nicht erhältlich sind – ist die Bevölkerung dort von regierungskritischer<br />

Berichterstattung fast völlig abgeschnitten. Da dort über 50 % der Bevölkerung lebt, ist<br />

dies ein wesentlicher Faktor <strong>für</strong> den Erfolg bei Wahlen.<br />

Darüber hinaus berichtet der FOCUS über Probleme unabhängiger Zeitungen Anzeigen<br />

zu generieren. Unternehmer hielten sich mit Anzeigen in diesen Medien zurück, da sonst<br />

Druck aus der Regierung drohe. So könne die Regierung die Steuerfahndung in das<br />

Unternehmen senden <strong>und</strong> es somit in ernste Schwierigkeiten bringen. Folge sind teilweise<br />

sehr geringe Werbeeinnahmen dieser Medien.<br />

Insgesamt, so der FOCUS, bewirke der ausgeübte Druck eine weitreichende Selbstzensur<br />

der Medien in Georgien. 21<br />

Literaturverzeichnis<br />

ASMUS, R.D.: Die Imperialisten von Moskau.<br />

BLETTNER, A. (2009): Mit aller Macht gegen das freie Wort.<br />

http://www.focus.de/politik/ausland/tid-15916/georgien-mit-aller-macht-gegen- dasfreie-wort_aid_446785.html<br />

(28.06.2010)<br />

GUMPPENBERG, M.-C. v. & U. STEINBACH ( 2 2010): Der Kaukasus. Geschichte – Kultur –<br />

Politik. München.<br />

ROMBERG, T. (2009): Am Tropf der Überweisungen. In: Süddeutsche Zeitung 29.07.2009.<br />

http://www.tobias-romberg.de/upload/remittances.<strong>pdf</strong> (28.06.2010). München.<br />

SALZEN, C. v. (2010): Georgien wirbt um Bürger in abtrünnigen Provinzen. In: Tagespiegel<br />

26.03.2010. http://www.tagesspiegel.de/politik/georgien-wirbt-um-buerger-inabtruennigen-provinzen/1726546.html<br />

(28.06.2010). Berlin.<br />

SOKOLNIKOW, L. & M. OSTAPTSCHUK (2010): Weißrusslands EURONEST-Beteiligung<br />

umstritten. http://www.dw-world.de/dw/article/0,,5153578,00.html (28.06.2010).<br />

tageszeitung, die: Das wird kein Dialog. Berlin.<br />

19 Gumppenberg u.a. 2 2010: 246<br />

20 tageszeitung<br />

21 Blettner 2009<br />

5


FAU-Erlangen Nürnberg Christina Dennerlein (4.Semester)<br />

Fachbereich Geographie Bieberbach 11,5<br />

Große Exkursion Georgien 91349 Egloffstein<br />

Leitung: F. Voll, B. Laserman, M. Richter Tel.: 09197457<br />

Sommersemester 2010 Email: christina.de@gmx.de<br />

Stadtführung Tiflis<br />

(01.06.2010)<br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

A Inhaltsverzeichnis 2<br />

B Stadtführung Tbilissi<br />

I. Einführung 3<br />

II. Stadtgeschichte<br />

1. Von der Gründung zur Bürgerstadt 3<br />

2. Tbilissi im sowjetischen Reich 4<br />

3. Tbilissi im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert 4<br />

III. Der Prozess der Gentrifizierung<br />

1. Allgemeine Definition 5<br />

2. Zeichen der Gentrifizierung in Tbilissi 6<br />

IV. Stadtführung Tbilissi 7<br />

C Anhang 8<br />

D Quellenverzeichnis 12<br />

E Eidesstattliche Erklärung 13<br />

Seite<br />

2


B Stadtführung Tbilissi<br />

I. Einführung<br />

Tbilissi, die Hauptstadt Georgiens, gilt als kultureller Schmelztiegel. Hier treffen Studenten auf<br />

Künstler, Alteingesessene auf Zugezogene aus aller Welt <strong>und</strong> allen sozialen Gruppen. Die<br />

Hauptstadt ist mit über 1 106 700 Einwohnern (Rathaus von Tbilissi 2010) die größte Stadt des<br />

Landes <strong>und</strong> dient zugleich als Spiegel der Gesellschaft. Hier findet sich geballt auf 350<br />

Quadratkilometern das politische, das wirtschaftliche <strong>und</strong> das kulturelle Zentrum der Nation<br />

wieder. Besonders in der Altstadt sind viele Bauten stark von der Geschichte geprägt, weshalb sich<br />

die Stadtführung weitgehend auf den Bezirk entlang des Mtkwari-Flusses beschränken soll. Um mit<br />

der Geschichte Tbilissis vertrauter zu werden, soll im folgenden ein kleiner Überblick über<br />

historische Ereignisse verschafft werden.<br />

II. Stadtgeschichte<br />

1. Von der Gründung zur Bürgerstadt<br />

Die Geschichte der Hauptstadt beginnt einer Legende nach mit dem König Wachtang Gorgassali<br />

(446-502) von Kartlien, der im Mtkwari-Tal jagte <strong>und</strong> einen Fasan anschoss. Der verw<strong>und</strong>ete Vogel<br />

konnte jedoch zu einer heißen Quelle flüchten, in deren Wasser seine Verletzung sofort heilte.<br />

Dieses W<strong>und</strong>er erstaunte den König so sehr, dass er die in Mzcheta angesiedelte Hauptstadt zu den<br />

Quellen verlegte. Er gab der neuen Stadt auch seinen Namen „Tbilissi“, der ins Deutsche übersetzt<br />

„warme Quelle“ bedeutet. In den darauf folgenden Jahrh<strong>und</strong>erten durchlebte die Stadt zahlreiche<br />

Eroberungen durch die umliegenden Reiche, <strong>und</strong> wurde 1801 die Gouvernementhauptstadt des<br />

Transkaukasischen Gouvernorats des Russischen Reiches. Im Laufe des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

entwickelte sich die Hauptstadt zu einer typischen Bürgerstadt. Handel <strong>und</strong> Wirtschaft führten zu<br />

Fortschritt <strong>und</strong> Reichtum <strong>und</strong> es konnten Infrastruktur sowie öffentliche Einrichtungen aufgebaut<br />

werden. 1872 wurde die Eisenbahnstrecke nach Poti eingeweiht, 1883 die Eisenbahnstrecke nach<br />

Baku. Somit war der Personen- <strong>und</strong> Gütertransport durch die Eisenbahn vom Schwarzen Meer über<br />

Tbilissi zum Kaspischen Meer erschlossen. Theater, Bibliotheken, Schulgebäude,<br />

Wissenschaftsstätten, zahlreiche Kirchen <strong>und</strong> auch die Narikala-Festung wurden errichtet bzw.<br />

erneuert. Gleichzeitig strömten immer mehr Menschen in die expandierende Stadt. Dadurch gewann<br />

Tbilissi mit der Zeit auch an Multiethnizität <strong>und</strong> Größe.<br />

3


2.Tbilissi im sowjetischen Reich<br />

Die Unabhängigkeit der Ersten Demokratischen Republik Georgiens wurde am 16. Mai 1918<br />

ausgerufen. Tbilissi wurde nun Hauptstadt <strong>und</strong> Sitz der Regierung. Im Februar 1921 kam es jedoch<br />

zur gewaltsamen Besatzung durch die Rote Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernarmee <strong>und</strong> Georgien wurde erneut<br />

in das Russische Reich eingegliedert. Tbilissi wurde zum Zentrum der Befreiungsversuche, die<br />

jedoch erstmal erfolglos bleiben sollten. Im Laufe des sowjetischen Zeitalters wurden zahlreiche<br />

Industriebetriebe in Tbilissi angesiedelt <strong>und</strong> die Stadt vergrößerte sich um das Neunfache. Während<br />

dieser Zeit kämpfte die Untergr<strong>und</strong>bewegung gegen die sowjetische Herrschaft <strong>und</strong> <strong>für</strong> die<br />

endgültige Unabhängigkeit Georgiens. Als historisch bedeutsame Demonstrationen seien die<br />

folgenden Zwei zu nennen: Am 09.03.1956 entwickelte sich eine zunächst dem verstorbenen Stalin<br />

gewidmete Demonstration von Studenten zum Aufstand gegen die sowjetische Herrschaft. Es kam<br />

zum Kampf zwischen den Aufständischen <strong>und</strong> den Sowjets bei dem die Zahl der Toten auf<br />

mindestens 80 geschätzt wird. 33 Jahre später, am 09.04.1989 wurde gegen eine friedliche<br />

Demonstration <strong>für</strong> die staatliche Unabhängigkeit gewaltsam durch sowjetische Fallschirmjäger,<br />

unter Einsatz von Giftgas <strong>und</strong> scharfen Spaten, vorgegangen. Die Zahl der Toten wird auf<br />

mindestens 20 geschätzt. Dieser Vorfall sorgte in Georgien jedoch zu weit verbreiteter Empörung<br />

<strong>und</strong> führte zur Mobilisierung vieler Bürger des georgischen Volkes gegen die sowjetische<br />

Herrschaft. 1991 konnte die Nation erneut die Unabhängigkeit proklamieren <strong>und</strong> zum zweiten Mal<br />

in der Geschichte wurde die Georgische Republik mit der Hauptstadt Tbilissi ausgerufen.<br />

3. Tbilissi im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Den endgültigen Abschluss mit dem sowjetischen Zeitalter leitete die „Rosenrevolution“ im Jahre<br />

2003 vor <strong>und</strong> im Parlamentsgebäude ein. Am 11. August 2008 wurde Tbilissi jedoch erneut Ziel<br />

militärischer Aktivitäten Russlands im Streit um die Provinz Südossetien. Seitdem ist Ruhe in der<br />

Hauptstadt eingekehrt <strong>und</strong> die Entwicklungen des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts zeichnen sich vor allem durch<br />

die Erhaltung der historisch bedeutsamen Gebäude, neben der Erbauung neuer <strong>und</strong> architektonisch<br />

moderner Gebäude aus. Die Stadt vergrößert sich nach wie vor, <strong>und</strong> es lassen sich fortschreitende<br />

Segregationsprozesse, wie zum Beispiel die Gentrifizierung, auf die im weiteren Verlauf noch<br />

expliziter eingegangen werden soll, beobachten.<br />

4


III. Der Prozess der Gentrifizierung<br />

1. Allgemeine Definition<br />

Die sozialgeographische <strong>und</strong> soziologische Stadtforschung findet ihren Ursprung in den 1920er<br />

Jahren mit der „Chicagoer Schule“. Ihre Untersuchungen, beispielsweise zur Verdrängung der<br />

ansässigen Bewohner einzelner Quartiere, dienten als Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> spätere Stadtmodelle. Im<br />

Zeitalter der Globalisierung <strong>und</strong> marktwirtschaftlicher Strukturen rückt die Segregationsforschung<br />

zunehmend in den Mittelpunkt stadtforschungsorientierter Studien. Segregations-bezogene<br />

Untersuchungen befassen sich vor allem mit Themenfeldern wie „Gated Communities“,<br />

„Wohnsuburbanisierung“, „Downgrading von Stadtvierteln“ oder „Gentrifizierung“. In dieser<br />

Arbeit soll jedoch nur auf den Prozess der Gentrifizierung genauer eingegangen werden.<br />

„Unter Gentrification versteht man einen stadtteilbezogenen Aufwertungsprozeß, der auf der<br />

Verdrängung unterer Einkommensgruppen durch den Zuzug wohlhabenderer Schichten basiert <strong>und</strong><br />

zu Qualitätsverbesserungen im Gebäudebestand führt“ (KRAJEWSKI 2006: 38, zit. nach:<br />

HELBRECHT 1996: 2). Die Aufwertung eines Stadtquartiers erfolgt demnach auf baulicher <strong>und</strong><br />

sozialer Ebene. Helbrecht beschreibt diesen Prozess auch als „Wiederkehr der Innenstadt“<br />

(HELBRECHT 1996:2), da oftmals vor der Aufwertung suburbanisierungs-bedingte<br />

Verfallserscheinungen zu beobachten sind. Wenn an dieser Stelle der Staat die Finanzierung <strong>und</strong><br />

Leitung der Programme zur Entwicklung <strong>und</strong> Erneuerung der Innenstädte an private Investoren<br />

abgibt, folgt als Konsequenz eine Erhöhung der Mietpreise aufgr<strong>und</strong> der verbesserten<br />

Wohnqualitäten. Durch die Verdrängung der anstämmigen Bevölkerung durch einkommensstärkere<br />

Gruppen findet ein Sukzessionszyklus statt. „Sukzession wird dabei durch einen vollständigen<br />

Wandel im Typus der Bevölkerung oder im Gebrauchszweck charakterisiert (KRAJEWSKI 2006:<br />

47). Der „Doppelte Invasions-Sukzessions-Zyklus“(Abb. 1) stellt den Verlauf der Gentrifizierung<br />

modellhaft dar. Zu den Pionieren zählen dabei Studenten <strong>und</strong> Bürger der alternativen Szene, die auf<br />

der Suche nach Wohnungen mit günstigen Mietpreisen sind <strong>und</strong> <strong>für</strong> die ein relativ niedriger<br />

Flächenbedarf typisch ist. Diese Gesellschaftsmitglieder ziehen in der ersten Phase des Modells in<br />

die abgewerteten Wohnviertel, die dadurch wieder interessant <strong>für</strong> Dienstleistungsunternehmen <strong>und</strong><br />

Geschäfte werden. Diese siedeln sich in der zweiten Phase an <strong>und</strong> ziehen noch mehr Pioniere <strong>und</strong><br />

einkommensärmere Menschen in die Nachbarschaft. Das Viertel wird durch die neue Szene „In“,<br />

wodurch auch besser verdienende Menschen, die so genannten Gentrifier, langsam ins Viertel<br />

drängen. Sie sind bereit höhere Mietpreise zu zahlen, haben jedoch auch höhere Flächen- <strong>und</strong><br />

Qualitätsansprüche. Private Investoren schalten sich an dieser Stelle ein <strong>und</strong> investieren in<br />

Erneuerungen. Mitglieder der unteren sozialen Schichten verlassen deshalb verstärkt die Gegend.<br />

Ab der vierten Phase können sich auch zunehmend die Pioniere die teuere Wohnlage nicht mehr<br />

5


leisten <strong>und</strong> wandern ab. Somit findet in der fünften Phase ein endgültiger Austausch der<br />

einkommensärmeren Pioniere <strong>und</strong> sozial schwächeren Schichten durch die Gentrifier statt. Pioniere,<br />

die indes einen höheren sozialen Status erreichen konnten, bleiben oftmals im Viertel wohnen.<br />

2. Zeichen der Gentrifizierung in Tbilissi<br />

Auch in Tbilissi ist diese Art der Segregation punktuell wahrzunehmen. Allerdings ist die<br />

Gentrifizierung in der Georgischen Hauptstadt noch sehr neu, da die Prozesse der sozialräumlichen<br />

Segregation erst seit der Unabhängigkeit von der kommunistischen Großmacht Russlands greifen<br />

können. „Wohnstandortentscheidungen waren in der sozialistischen Ära in erster Linie eine Frage<br />

der wohnungspolitischen Zuteilungspraxis“ (BRADE et al. In Europa Regional 2008: 3, zit. nach:<br />

WECLAWOWICZ 1993:16). Nachvollziehbar ist, dass seit der Unabhängigkeit von den zentralen<br />

Planmechanismen „die Privatisierung des Wohnungsbestandes, die allmähliche Herausbildung eines<br />

Wohnungsmarktes <strong>und</strong> die zunehmenden sozioökonomischen Unterschiede innerhalb der<br />

Gesellschaft sozial räumliche Differenzierungen der Wohnbevölkerung verstärkt haben“ (BRADE<br />

et al. In Europa Regional 2008: 4, zit. nach: LEE u. STRUYK 1996). Die Gentrifizierung wurde<br />

bereits in anderen ehemaligen sozialistischen Städten, wie zum Beispiel Budapest oder Prag,<br />

untersucht. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Arm <strong>und</strong> Reich in Kombination mit dem<br />

marktwirtschaftlichen Wohnungswesen führt auch in Tbilissi zu einer Veränderung der urbanen<br />

Strukturen. Deutlich stärker ist jedoch der politische Einfluss auf die Gentrifizierung der<br />

georgischen Hauptstadt. Der amtierende Bürgermeister Gigi Ugulawa hat vor einem Jahr das<br />

Programm „Das neue Leben des alten Tbilissi“ in die Welt gerufen, welches eine Neugestaltung der<br />

Altstadt vorsieht. „(...) Jedes von der Stadtverwaltung erworbene Gebäude wird ausgeschrieben <strong>und</strong><br />

dann wiederverkauft. Die erfolgreichen Baufirmen Georgiens, die mehrheitlich der Familie des<br />

Bürgermeisters Ugulawa gehören, können danach vorgehen, wie es ihnen gefällt. (...)“ (Landru, N.:<br />

2010). Sichtbar sind die Erscheinungen der Gentrifizierung bereits in der Shardeni-Straße, die vor<br />

kurzem erst völlig rekonstruiert wurde, <strong>und</strong> die mit ihren vielen Bars <strong>und</strong> Kneipen als Kultur- <strong>und</strong><br />

Freizeitzentrum <strong>für</strong> lokale Bewohner <strong>und</strong> auswärtige Besucher gilt. Ein weiteres Beispiel findet sich<br />

im Meidan-Viertel, wo der Großteil der Gebäude, auf die von der Stadt geplante Art der<br />

Neugestaltung, zuerst an private Investoren verkauft <strong>und</strong> anschließend durch neue, moderne<br />

Gebäude ersetzt wurde. Der Präsident Micheil Saakaschwili, der dem Land <strong>und</strong> auch der Hauptstadt<br />

ein neues <strong>und</strong> modernes Aussehen verpassen will, unterstützt zudem die Entwicklung der<br />

Gentrifikation.<br />

6


IV. Stadtführung Tbilissi<br />

In Anlehnung an Marlies Kriegenherdt (2008: 139) führt die Stadtführung vor allem durch die<br />

Altstadt Tbilissis, da sie sich als besonders representativ <strong>für</strong> die georgische Kultur <strong>und</strong> die<br />

Geschichte Tbilissis erweist. Das Gebiet am rechten Ufer des Mtkwari-Flusses erstreckt sich von<br />

der Metrostation Rustaweli bis zur Narikala-Festung (Abb.2) <strong>und</strong> über die Metechi-Brücke zur<br />

Metrostation Awlabari. Der Startpunkt der Stadtführung soll sich am Tawisubleibis Moedani,<br />

genauer gesagt in der Puschkini-Grünanlage auf dem Freiheitsplatz vor dem Rathaus (Abb. 3),<br />

befinden. Hier soll den Exkursionsteilnehmern gleich ein Überblick über die Geschichte Tbilissis<br />

verschafft werden. Anschließend führt die Tour durch die Lado Asatiani-Straße, die quer durch das<br />

ehemalige elite Viertel Sololaki führt. Die Gebäude dieser Straße wurden weitgehend im 18. <strong>und</strong><br />

19. Jahrh<strong>und</strong>ert erbaut. Nach einem kurzen Abstecher zur Sioni-Kirche (Abb. 4) in der Erekle-II-<br />

Straße geht der R<strong>und</strong>gang weiter zum „Gorgassali“-Platz. Zur Veranschaulichung der<br />

Gentrifizierung in Tbilissi eignet sich die Shardeni-Straße. Hier werden kurz die allgemeinen<br />

Merkmale des Segregations-Prozesse den Exkursionsteilnehmern näher gebracht. Umläuft man<br />

danach die naheliegende armenische St.-Georgskirche, so trifft man auf einen schmalen Fußweg,<br />

der zur Narikala-Festung führt. Durch die Erhöhung des Mtatsminda-Berges erhalten die Besucher<br />

einen beeindruckenden Panoramaausblick über große Teile der Stadt. Von der Ruine aus erreicht<br />

man über einen weiteren unscheinbaren Weg die Kartlis Deda (Abb.5), das Denkmal „Mutter<br />

Georgiens“, das zum 1500-jährigen Jahrestag der Stadtgründung errichtet wurde. Vorbei am<br />

Botanischen Garten führt der R<strong>und</strong>gang nach Abanotubani (Abb.6), das Bäderviertel Tbilissis. Hier<br />

befinden sich oberirdische <strong>und</strong> unterirdische Bäder, deren Eröffnung bis ins frühe 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zurück reicht. Nach dem Abstieg hinunter zum Mtkwari-Fluss führt die Tour über die Metechi-<br />

Brücke zur Metrostation Awlabari. Unterwegs gelten die Metechi-Kirche <strong>und</strong> das Denkmal<br />

Wachtang Gorgassalis (Abb.7) als sehenswert. Um einen zu langen Fußmarsch zu vermeiden, soll<br />

die Führung an dieser Stelle von der Metro gebrauch machen. Die Fahrt soll in das von der Altstadt<br />

etwas abgelegene Viertel Warketili gehen, in dem das kommunistische Erbe sehr deutlich erkennbar<br />

ist. Nach diesem kurzen Exkurs führt die Stadtführung mit der Metro wieder zurück in die Altstadt<br />

zur Station Rustaweli. Von der Haltestelle aus findet man schnell zum Respublikis Moedani, von<br />

dem man weiter in die ehemalige Prachtstraße, den Rustaweli-Boulevard, gelangt. Die Straße ist<br />

durch die anliegenden Theater, Paläste <strong>und</strong> Wohnhäuser der georgischen Oberschicht besonders<br />

faszinierend. Auch das Parlamentsgebäude wird auf dem Weg zum Startpunkt der Stadtführung<br />

passiert. Die Puschkini-Grünanlage dient als Endpunkt des R<strong>und</strong>gangs <strong>und</strong> das Ambiente bietet<br />

zum Abschluss noch einen Austausch der Eindrücke unter den einzelnen Teilnehmer an.<br />

7


C Anhang<br />

Abb. 1: Der Doppelte Invasions-Sukzessions-Zyklus<br />

Abb. 2: Narikala-Festung in Tbilissi<br />

8


Abb. 3: Rathaus von Tbilissi<br />

Abb. 4: Sioni-Kathedrale in Tbilissi<br />

9


Abb. 5: Statue „Kartlis Deda“ in Tbilissi<br />

Abb. 6: Das Bäderviertel Abanotubani in Tbilissi<br />

10


Abb. 7: Metechi-Kirche mit dem Denkmal Wachtang Gorgassalis in Tbilissi<br />

11


D Quellenverzeichnis<br />

Literatur:<br />

• BRADE, I. Et al. (2008): Sozialräumliche Differenzierung in Großregionen des mittleren<br />

<strong>und</strong> östlichen Europa - ein Überblick. In: EUROPA REGIONAL 16 (1): 3-14.<br />

• FRIEDRICH, K. (2000): Gentrifizierung. Theoretische Ansätze <strong>und</strong> Anwendung auf Städte<br />

in den neuen Ländern. In: GEOGRAPHISCHE RUNDSCHAU 52 (7/8): 34-39<br />

• KRAJEWSKI, C. (2006): Urbane Transformationsprozesse in zentrumsnahen<br />

Stadtquartieren (…). In: MÜNSTERISCHE GEOGRAPHISCHE ARBEITEN 48: 36-50.<br />

• KRIEGENHERDT, M. (2008): Georgien. Im: REISE KNOW-HOW Verlag. Bielefeld.<br />

Abbildungen:<br />

• Abb. 1: Aus: FRIEDRICH, K. (2000): Gentrifizierung. Theoretische Ansätze <strong>und</strong><br />

Anwendung auf Städte in den neuen Ländern. In: GEOGRAPHISCHE RUNDSCHAU 52<br />

(7/8): 35<br />

• Abb. 2,4: http://www.tbilisi.gov.ge<br />

• Abb. 3: http://www.mietwagen-check.de/data/urlaubsbilder/mittel/79/1128357591.jpg<br />

• Abb. 5: http://www.lekve.net/georgia/08-tbilisi-kartlis_deda01.jpg<br />

• Abb. 6: http://commondatastorage.googleapis.com/static.panoramio.com<br />

/photos/original/16889112.jpg<br />

• Abb.7: http://www.bt-touristik.de/wp-content/uploads/2009/07/Tiflis-Metechi-Kirche1.jpg<br />

Internet:<br />

• http://www.info-tbilisi.com/<br />

• http://www.livegeorgia.ge/index.php<br />

• http://www.tbilisi.gov.ge<br />

• LANDRU, N.: Das neue Gesicht Georgiens – Teil 1: Tod <strong>und</strong> neues Leben des alten<br />

Tbilissi. Erschienen am 30/05/2010. Tbilissi. Übersetzt von GUTSCH, F.:<br />

http://www.caucaz.com/home_de/breve_contenu.php?<br />

id=288&PHPSESSID=53abe3d490f62ab60886557c4e7fe980<br />

12


E Eidesstattliche Erklärung<br />

„Ich versichere eidesstattlich, die vorliegende Arbeit selbständig verfasst <strong>und</strong> keine anderen als die<br />

angegebenen Quellen benutzt zu haben. Alle wörtlichen <strong>und</strong> sinngemäßen Entlehnungen sind unter<br />

genauer Angabe der Quelle kenntlich gemacht."<br />

Erlangen, 01.06.2010<br />

Christina Dennerlein<br />

13

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