Bobinger Geschichte - Kohl
Bobinger Geschichte - Kohl
Bobinger Geschichte - Kohl
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<strong>Bobinger</strong><br />
<strong>Geschichte</strong>(n)<br />
HISTORISCHES, AKTUELLES, WISSENSWERTES UND AMÜSANTES AUS BOBINGEN UND UMGEBUNG<br />
HISTORIE HOBBY<br />
Schloss Straßberg<br />
SCHULE<br />
Lernen unter dem Regenbogen<br />
Seite 12<br />
Seite 46<br />
ORTSGESCHICHTE<br />
Bobingen und<br />
die Fabrik (2)<br />
Seite 38<br />
Von Bienen<br />
und Blüten<br />
HINTERGRUND<br />
Von der Mehlmühle<br />
zum<br />
Kulturzentrum<br />
LEBENSLINIEN<br />
3<br />
Mai<br />
2013<br />
€ 3.–<br />
Seite 42<br />
Seite 34<br />
Aus dem Leben von<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong> Seite 22
vielfältig<br />
zentral<br />
attraktiv<br />
Lebensqualität, die Sie sich leisten können!<br />
Schon die Römer und die Fugger wussten die verkehrsgünstige Lage, an der ehemaligen Via Claudia Augusta, zu schätzen und zu<br />
nutzen. An dieser Verbindungsachse über die Alpen nach Südeuropa gelegen, war und ist Bobingen optimal in das Verkehrsnetz der<br />
Region eingebunden. Die Bundesstraße 17 ist Teil der romantischen Straße – eine der bekanntesten und beliebtesten Ferienstraßen<br />
Deutschlands. Von Bobingen aus sind Sie innerhalb kürzester Zeit sowohl in den Alpen, als auch in Italien – ein Vorteil, den Sie<br />
schnell schätzen und lieben lernen.<br />
Bobingen bietet Raum zum Leben und Arbeiten, und das zu bezahlbaren Preisen. Neben einem außerordentlich hohen Freizeitwert,<br />
finden Sie in Bobingen Alles, a<br />
was a Sie Tag für Tag benötigen, aber auch viele Dinge, die das Leben lebenswert machen. Von der<br />
Lage direkt an den westlichen Wäldern, über vielfältige Sport- und Freizeitmöglichkeiten – in Bobingen finden Sie zum Beispiel den<br />
Heimatgolfclub von Bernhard Langer – bis hin zu einem bunten und abwechslungsreichen Kulturprogramm, bietet Bobingen ideale<br />
Voraussetzungen neue Kräfte zu tanken und das Leben zu genießen.<br />
Bobinge<br />
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Stadt Bobingen<br />
Rathausplatz 1<br />
86399 Bobingen<br />
Telefon: 08234/8002-0<br />
Telefax: 08234/8002-25<br />
www.bobingen.de<br />
www.gewerbevereinbobingen.de
INHALT<br />
WIRTSCHAFT<br />
Belebung im Zentrum ................................................................................................ 4<br />
ORTSTEILE<br />
Straßberg ............................................................................................................................ 6<br />
AKTUELLES<br />
Hydrokultur und Gartenanlage – Gärtnerei Klüppel .............................. 9<br />
RÜCKBLICKE<br />
<strong>Bobinger</strong> Hausnamen ................................................................................................. 10<br />
HISTORIE<br />
Schloss Straßberg ........................................................................................................... 12<br />
BEGEGNUNGSLAND LECHWERTACH<br />
Experimentarium für kleine Forscher ............................................................... 19<br />
STRASSENNAMEN<br />
Bahnhofstraße und Singoldanger ........................................................................ 20<br />
LEBENSLINIEN<br />
Aus dem Leben von Ludwig <strong>Kohl</strong> ...................................................................... 22<br />
KIRCHE<br />
St. Sebastian und die Pest ......................................................................................... 28<br />
SOZIALES<br />
Weltladen Bobingen – Jedes Produkt hat sein Gesicht .......................... 30<br />
HINTERGRUND<br />
Von der Mehlmühle zum Kulturzentrum ....................................................... 34<br />
ORTSGESCHICHTE<br />
Bobingen und die Fabrik (2) ................................................................................... 38<br />
HOBBY<br />
Imker Winfried Gossner – Von Bienen und Blüten ................................. 42<br />
SCHULE<br />
Lernen unter dem Regenbogen ............................................................................. 46<br />
<strong>Bobinger</strong><br />
<strong>Geschichte</strong>(n)<br />
Stellvertretende Verlagsleitung:<br />
Simona Weiß<br />
Telefon: 0821/5071-456<br />
Fax: 0821/5071-9456<br />
sweiss@herba-verlag.de<br />
Anzeigenverkauf:<br />
Hilmar Scherer<br />
Telefon: 0821/5071-311<br />
Fax: 0821/5071-9311<br />
hscherer@stadtzeitung.de<br />
IMPRESSUM<br />
Ist DAS Magazin für Bobingen, das<br />
den Ort auf liebenswürdige Weise widerspiegelt.<br />
Jede Ausgabe enthält einen<br />
abwechslungsreichen Themenmix aus<br />
historischen und aktuellen Beiträgen.<br />
Redaktionsleitung:<br />
Christine Hornischer<br />
Telefon: 0821/5071-451<br />
Fax: 0821/5071-9451<br />
chornischer@<br />
herba-verlag.de<br />
Redaktion <strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n):<br />
Anja Fischer<br />
Telefon: 0821/5071-451<br />
Fax: 0821/5071-9451<br />
anja-home@freenet.de<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
Es ist immer wieder schön, eine<br />
neue Ausgabe der „<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“<br />
in den Händen halten<br />
zu können. Und es wurde<br />
Zeit: häufig wurde ich in den<br />
letzten Monaten wieder darauf<br />
angesprochen, ob es denn bald<br />
eine dritte Auflage geben würde.<br />
Heute kann ich mit Stolz sagen:<br />
Ja, es gibt eine dritte Ausgabe,<br />
Sie halten sie gerade in den Händen!<br />
Es ist mir auch diesmal wieder<br />
nicht leicht gefallen, die einzelnen<br />
Themen auszuwählen.<br />
Bobingen und seine Ortsteile haben<br />
einfach viel zu bieten. Eine<br />
jahrhundertelange <strong>Geschichte</strong> –<br />
Wer kann das in ein paar Seiten<br />
zusammenfassen? Wir haben es<br />
wieder versucht, und ich denke,<br />
es ist uns gelungen. Wenn das<br />
eine oder andere diesmal nicht<br />
den Platz in das Heft gefunden<br />
hat, verzeihen Sie mir bitte. Aber<br />
vielleicht haben Sie, liebe Leser,<br />
ja ein Thema, welches Ihnen besonders<br />
am Herzen liegt? Dann<br />
schreiben Sie mir und möglicherweise<br />
lesen Sie diese <strong>Geschichte</strong><br />
dann im nächsten Heft. Ich hoffe,<br />
Ihnen beim Lesen der „<strong>Bobinger</strong><br />
<strong>Geschichte</strong>(n)“ ein wenig<br />
Geschmack auf unsere Heimatgeschichte<br />
machen zu können.<br />
Wir leben in einem schönen Ort<br />
und damit meine ich nicht nur<br />
das vor einigen Jahren neugestaltete<br />
Ortszentrum, sondern vor allem<br />
den dörflichen Charakter,<br />
den sich unsere kleine Stadt bewahrt<br />
hat. Man kennt sich.<br />
Nachbarn achten aufeinander<br />
Herba Werbeverlag Baur GmbH • Klausenberg 4 • 86199 Augsburg • eMail: stadtgeschichten@herba-verlag.de •<br />
Internet: www.herba-verlag.de • Geschäftsführung: Thomas Sixta<br />
Layout/Satz/Druck: Mayer & Söhne Druck- und Mediengruppe GmbH, Oberbernbacher Weg 7, 86551 Aichach<br />
Verbreitung: Als Anzeigenkunde erhalten Sie einige Magazine zur Auslage gratis. Ansonsten kann der Sammelband an<br />
ausgewählten Verkaufsstellen für nur 3,- gekauft werden.<br />
Die namentlich gekennzeichneten Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme des Verlages dar.<br />
ÜBERSICHT<br />
WERBEVERLAG<br />
www.herba-verlag.de<br />
und das ist gut so. Es ist ja nicht<br />
die anonyme Großstadt, in der<br />
wir leben wollen, sondern eben<br />
das „Land“, welches wir schätzen,<br />
zu dem wir gehören und von<br />
dem wir auch leben.<br />
Besonders aufgefallen ist mir das<br />
bei unserer <strong>Geschichte</strong> über die<br />
Haus- und Hofnamen. Hier geht<br />
mein Dank besonders an den<br />
Autor Georg Fritz, der mich in<br />
allen Dingen zusammen mit seiner<br />
Frau Elisabeth sehr unterstützt<br />
hat. Die alten Namen haben<br />
einen bäuerlichen Ursprung.<br />
Auch die <strong>Geschichte</strong> Straßbergs<br />
ist eng verbunden mit der bäuerlichen<br />
Lebensweise, die, weiß<br />
Gott, nicht immer einfach war.<br />
Der Kreis schließt sich bei dem<br />
Bericht über die versteckte Sebastiankapelle.<br />
Sebastian war ein<br />
Schutzheiliger bei Viehseuchen.<br />
Und auch wenn Winfried Gossner<br />
über sein Hobby, die Imkerei<br />
berichtet, geht es dabei um altes,<br />
ländliches Wissen.<br />
Wie seine „Lebenslinien“ verlaufen<br />
sind, verrät uns Ludwig <strong>Kohl</strong>,<br />
langjähriger Firmeninhaber und<br />
Feuerwehrkommandant. Und<br />
die Grundschule an der Singold<br />
berichtet über die vielseitige Arbeit<br />
an und mit der Schulfamilie.<br />
Ihre <strong>Geschichte</strong> geht hoffentlich<br />
noch lange weiter, dafür findet<br />
die <strong>Geschichte</strong> der Fabrik in Bobingen<br />
(zumindest in unseren<br />
<strong>Geschichte</strong>n) ein Ende.<br />
Neu sind die Logos des Begegnungslandes<br />
Lech-Wertach, der<br />
Stadt Bobingen und des Gewerbevereins<br />
auf unserem Titelblatt.<br />
Sie sind die festen Partner der<br />
„<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“ und<br />
unterstützen unsere Arbeit. Gemeinsam<br />
teilen wir das Interesse<br />
an unserer Heimat und ihrer Historie.<br />
Nun liebe Leser wünsche ich Ihnen<br />
aber endlich viel Spaß mit<br />
Ihren „<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“!<br />
Ihre Anja Fischer<br />
Redaktion<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
3
WIRTSCHAFT<br />
4<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
NEUES AUS DER WIRTSCHAFT<br />
Belebung im Zentrum<br />
In Bobingen ist nichts los? Von wegen: mit dem Reisebüro Viva und der<br />
Buchhandlung Di Santo haben in der Stadtmitte zwei Geschäfte eine Heimat<br />
gefunden, die neben ansprechenden Räumlichkeiten vor allem Qualität und<br />
viel freundlichen Service bieten.<br />
Das Team im Reisebüro: Marlies Wiblishauser, Isabell Esau und Ida Heffner.<br />
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Es erwarten Sie die neuesten Schuhtrends,<br />
passende Schals, Taschen und viele weitere Accessoires!<br />
Von Anja Fischer<br />
Lange war Isabell Esau in Bobingen<br />
auf der Suche nach neuen<br />
Räumen für ihr Reisebüro Viva.<br />
Sie fand diese schließlich im Herzen<br />
der Kleinstadt, direkt gegenüber<br />
des Zentrumsplatzes mit dem<br />
schönen Wasserspiel. Dort betreut<br />
sie nun zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen<br />
auf rund 100 m² ihre<br />
Kunden, wenn es um deren Reisepläne<br />
geht.<br />
Die Räume sind gegliedert in einen<br />
Arbeitsbereich und einen gemütlichen<br />
Loungebereich, in dem<br />
es sich gut sitzen und von dem<br />
nächsten Urlaubsziel träumen<br />
lässt. „Mir ist es wichtig, dass sich<br />
unsere Kunden wohl fühlen“, er-<br />
Ab dem 2. MAI finden Sie den<br />
neuen/alten SCHUH STEINBRECHER<br />
in der AUGSBURGER STRASSE 4 in MERING.<br />
Wir freuen uns auf Sie…<br />
…Markus Steinbrecher & Team<br />
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klärt Isabell Esau ihr Konzept.<br />
„Wir wollen für unsere Kunden<br />
unser Bestes geben.“ Das gelingt in<br />
den modern, aber auch gemütlich<br />
eingerichteten Räumen sicher.<br />
Dass sie ihr Fach versteht, hat Isabell<br />
Esau in den vergangenen 21<br />
Jahren bewiesen. So lange ist sie<br />
schon in Bobingen die Fachfrau,<br />
wenn es ums Reisen geht. 2010<br />
wurde sie sogar als zweit-bestes<br />
Reisebüro Deutschlands<br />
getestet.<br />
Buchhandlung<br />
Di Santo<br />
Direkt neben dem Reisebüro Viva<br />
hat ein neuer Buchladen vor kurzem<br />
seine Türen geöffnet. Marco<br />
Di Santo empfiehlt dort vom modernen<br />
Roman über den Allgäu-<br />
Krimi bis zum Kinderbuch, was<br />
die Leserherzen höher schlagen<br />
lässt. Zusammen mit seiner<br />
Lebensgefährtin Inge Schubert<br />
lädt er in seinem Laden ein, zu<br />
stöbern und zu schmökern und<br />
gerne auch bei einer gemütlichen<br />
Tasse Kaffee das neu ausgesuchte<br />
Buch anzulesen. Sein Geschäft<br />
bietet neben einem breiten Spek-<br />
WIRTSCHAFT<br />
Marco Di Santo hilft gerne beim Bücherkauf. Bilder: Anja Fischer<br />
trum an Büchern, Grußkarten und<br />
eine kleine, aber feine Auswahl<br />
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Tagesaktuelle Preise –Zwischenverkauf, Druckfehler<br />
und Preisänderungen vorbehalten. Stand Februar 2013<br />
Wir beraten Sie gerne:<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
5
ORTSTEILE<br />
6<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
VORSTELLUNG EINES ORTSTEILES<br />
Straßberg<br />
Seit der Gebietsreform 1972 gehört Straßberg zu Bobingen. Seine<br />
<strong>Geschichte</strong> reicht viel weiter zurück. Obwohl das Dorf immer wieder mit<br />
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, behaupteten sich seine Einwohner.<br />
Heute ist Straßberg ein liebenswerter Ortsteil mit einer funktionierenden<br />
dörflichen Gemeinschaft.<br />
Straßberg früher. Bilder: Anja Fischer<br />
Von Anja Fischer<br />
Straßberg, das im Laufe der Jahrhunderte<br />
auch Strazberc, Strasperc,<br />
Strazberch, Straus oder<br />
Straußberg geschrieben wurde, hat<br />
seinen Namen nicht von ungefähr.<br />
Im ersten Teil weist es auf eine<br />
Straße hin. Damit ist vermutlich<br />
die von Augsburg nach Süden führende,<br />
sogenannte Hochstraße gemeint.<br />
Der zweite Namensteil bedeutete<br />
in der früheren Schreibweise<br />
„berch“ eine Feste. Der<br />
Name Straßberg lässt sich heute<br />
also deuten als Berg oder befestigter<br />
Platz an einem wichtigen Verkehrsweg.<br />
Während das Schloss Straßberg<br />
bereits um 1250 erstmals erwähnt<br />
wurde, fanden sich lange Zeit keine<br />
Aufzeichnungen, dass es auf<br />
Straßberger Boden neben dem<br />
Schloss noch weitere Wohngebäude<br />
gibt. Die erste Erwähnung findet<br />
sich in einem Kaufbrief aus<br />
dem Jahre 1457, in dem Hofstätten<br />
genannt werden. Nach der<br />
Grundbeschreibung aus dem Jahre<br />
1542 sind neben dem Schloss ein<br />
Getreidestadel und die Ziegelhütte<br />
vorhanden, sowie unten am<br />
Berg ein Tagelöhnerhäuschen, ein<br />
Heustadel und ein Wasserhaus.<br />
Rund siebzig Jahre später, 1613,<br />
verzeichnete die Karte der Markgrafenschaft<br />
Burgau von Johann<br />
Michael Rauch drei Häuser oben<br />
und eines unten am Berg.<br />
Immer mehr<br />
Einwohner<br />
Bestätigt wird dies auch durch die<br />
vorliegenden Berichte der burgauischen<br />
Vogtsbezirke. So zählte<br />
der vom Vogt in Rommelsried<br />
ausgesandte berittene Knecht in<br />
den Jahren 1605, 1621 und 1622<br />
jeweils vier Feuerstätten in Straßberg.<br />
1721 sind es acht Feuerstät-<br />
ten. Die geringe landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche ließ es nicht zu,<br />
dass mehrere Familien daraus ihren<br />
Lebensunterhalt bestreiten<br />
konnten. Die Grundbeschreibung<br />
von 1696 berichtet, was ein Söldner<br />
jährlich an seinen Herrn zu<br />
entrichten hatte: Grundzins waren<br />
ein Gulden und 30 Kreuzer, Gras<br />
Zins noch einmal 30 Kreuzer.<br />
Dazu mussten drei Frondienste<br />
oder 36 Kreuzer und 50 Eier entrichtet<br />
werden. Bedenkt man, dass<br />
ein Huhn am Tag nur ein Ei legt<br />
und die Hühner im Winter eine<br />
Ruhepause einlegen, waren allein<br />
schon die 50 Eier im Jahr eine Belastung<br />
für die Familien. Mit dem<br />
Erwerb des Schlosses durch die<br />
Familie von Grenzing setzte allmählich<br />
ein starker Zuzug nach<br />
Straßberg ein. 1751 wurden zwölf<br />
Söldner gezählt. Dieser vermehrten<br />
Einwohnerzahl stand nicht<br />
mehr Grund zur Verfügung, so kamen<br />
bald Klagen aus Bobingen<br />
und Wehringen, dass die Straß-<br />
berger unberechtigterweise ihr<br />
Vieh in deren Waldungen weiden<br />
ließen. Viele der Neuzugezogenen<br />
verdienten ihr Brot mit Hausiererhandel<br />
oder Scherenschleiferei.<br />
Sie wurden allgemein in der Umgegend<br />
als „unsichere“ Leute eingeschätzt<br />
und standen in keinem<br />
guten Ruf. Trotzdem wuchs der<br />
Ort weiter. 1763 schilderte der<br />
<strong>Bobinger</strong> Pflegverwalter Erasmus<br />
Anton Schmid in einem Brief an<br />
den Bischof, dass Straßberg mit<br />
über dreißig neuen Häusern anfange,<br />
einem Dorf zu gleichen.<br />
Schon 54<br />
Feuerstätten<br />
Im Jahre 1788 fertigte der <strong>Bobinger</strong><br />
Pflegverwalter Wilhelm Joseph<br />
Couven eine Beschreibung<br />
des Pflegeamtes an, welche die<br />
Strukturen dieser Ansiedlung,<br />
„Weiler Straßberg“ genannt, deutlich<br />
macht: „Der Weiler Straßberg<br />
liegt auf einer Anhöhe angenehm<br />
und gesund, jenseits der Wertach<br />
1/2 Stund von Bobingen in Burgovico.<br />
Die Markgrafschaft Burgau<br />
hat die hohe Gerichtsbarkeit inne,<br />
diese erhält auch das Umgeld des<br />
Zapfenwirts, der auch die Bäcker-<br />
Gerechtigkeit hat.“ In Straßberg<br />
gab es zu dieser Zeit 54 Feuerstätten<br />
in 51 durchnummerierten<br />
Häusern. Unter den insgesamt 242<br />
Seelen waren 53 Ehepaare, vierzehn<br />
Witwen(r), 68 Ledige unter<br />
zwölf Jahren und 54 über zwölf<br />
Jahre. 51 Leute wurden als Söldner<br />
bezeichnet, wovon sieben ohne eigenen<br />
Grundbesitz waren.<br />
Das Handwerk war vertreten mit<br />
einem Maurergesellen, einem<br />
Zimmergesellen und zwei Schneidern.<br />
Für die Aufrechterhaltung<br />
der Ordnung sorgten sechs auf Lebenszeit<br />
gewählte „Gerichtsleut“,<br />
die aus ihrem Kreis zwei als Bürgermeister<br />
wählten.
Die Kirche früher.<br />
Ein Blick ins heutige Straßberg.<br />
Agricole Statistik<br />
Mit dem Gemeindeedikt von 1818<br />
wurde die kleine dörfliche Gemeinschaft<br />
Straßberg zur politischen<br />
Gemeinde. Die älteste vorhandene<br />
Urkunde datiert aus dem<br />
Jahre 1822, darin wird unter dem<br />
Hinweis auf einen Beschluss von<br />
1818 dem Ortsvorsteher eine jährliche<br />
Vergütung von 35, dem Pfleger<br />
eine von 12 Gulden zugestanden.<br />
Die wirtschaftliche und soziale<br />
Struktur der Gemeinde lässt<br />
sich ersehen aus der „agricolen Statistik“<br />
des Rentamtes Schwabmünchen<br />
aus dem Jahr 1830. Danach<br />
lebten in Straßberg 87 Familien<br />
mit insgesamt 339 Seelen.<br />
Diese teilten sich in 333 Katholiken,<br />
fünf Lutherische und einen<br />
Reformierten auf. Von den Erwachsenen<br />
waren 99 männlichen<br />
und 136 weiblichen Geschlechts,<br />
bei den Kindern gab es 47 Mädchen<br />
und 57 Buben. Grundlage<br />
des Lebensunterhalts war für 66<br />
Familien mit insgesamt 294 Seelen<br />
die Landwirtschaft. Hier wurden<br />
Landbesitzer, Taglöhner,<br />
Knechte und Mägde mitgezählt.<br />
Fünf Familien mit neunzehn See-<br />
len wurden als industrielle Bevölkerung<br />
ausgewiesen. Darunter<br />
verstand man eine handwerkliche<br />
Beschäftigung. Unter die restlichen<br />
16 Familien fielen ein Beamter,<br />
ein Angestellter und zehn Kapitalisten<br />
und Privatleute. Die Bewirtschaftung<br />
der Äcker geschah<br />
in der jährlichen Fruchtfolge von<br />
Kartoffeln, Hafer, Klee und Dinkel,<br />
eine Brache gab es nicht. Nur<br />
vereinzelt wurden Roggen und<br />
Gerste angebaut. Die auf 37 Tagwerken<br />
angebauten Kartoffeln waren<br />
von bester Qualität und wurden<br />
je zur Hälfte als Viehfutter<br />
und zur Branntweinherstellung<br />
verwendet. Daneben wurde in den<br />
Gärten Gemüse gezogen, es gab<br />
etwa dreißig Bienenstöcke und<br />
insgesamt 2.171 Obstbäume.<br />
Schlechter Ruf<br />
Die Zeiten waren hart: Ein Taglöhner<br />
erhielt mit Einschluss der<br />
Kost täglich 12 Kreuzer (Frauen<br />
erhielten nur 10 Kreuzer). Für zwei<br />
Pfund Brot (ein Kilo) mussten aber<br />
schon vier Kreuzer und für eine<br />
Maß Bier fünf Kreuzer bezahlt<br />
werden. Der Bericht des Rentam-<br />
tes Schwabmünchen stellt deshalb<br />
am Ende fest, dass viele Einwohner<br />
nicht einmal ihr notdürftigstes<br />
Auskommen hatten, sondern gezwungen<br />
waren, durch Taglöhnerarbeiten<br />
in anderen Gemeinden<br />
ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />
Interessant ist folgende Bewertung:<br />
„Als das wesentlichste<br />
Hindernis stellt sich hier lediglich<br />
nur die ungleiche Verteilung des<br />
Areals entgegen, indem eine Familie<br />
190 Tgw ökonomisches Bauland<br />
besitzt, sohin auf die weitere<br />
Bevölkerung von 68 Familien zusammen<br />
nur 189 Tgw oder auf eine<br />
Familie 2,5 Tgw kommen.“ Trotz<br />
der misslichen Einkommenssituation<br />
blieb die Bevölkerungszahl in<br />
Straßberg während des 19. Jahrhunderts<br />
ziemlich konstant. Neben<br />
Taglohn und Handwerk scheinen<br />
viele mit Hausiererhandel und<br />
anderen Handelsschaften ihren<br />
Lebensunterhalt bestritten zu haben.<br />
Der Broterwerb war eine Sache<br />
der ganzen Familie, auch die<br />
Kinder trugen dazu bei. Sie sammelten<br />
in den damals noch dichten<br />
Wäldern was diese an Ess- und<br />
Nutzbarem boten: Himbeeren,<br />
Brombeeren, süße wilde Erdbee-<br />
Meine Kreissparkasse.<br />
Was sonst!<br />
ORTSTEILE<br />
ren, Pilze und Brennholz. Hunger<br />
und Not begünstigten trotzdem<br />
die Kriminalität. Wen verwundert<br />
es, wenn so mancher arme Straßberger<br />
mit dem Gesetz in Konflikt<br />
kam, um die hungrigen Mäuler zu<br />
Hause zu stopfen? Trotzdem<br />
brachte genau dies dem ganzen Ort<br />
einen schlechten Ruf in der Umgebung<br />
ein.<br />
Die Lage<br />
bessert sich<br />
Eine deutliche Verbesserung der<br />
wirtschaftlichen Lage Straßbergs<br />
ergab sich erst 1880 durch den<br />
Kauf des Schlossgutes durch die<br />
Familie Forster. Zum einen fanden<br />
viele Arbeit im Schloss und auf<br />
dem Gutshof, zum anderen war<br />
diese Familie gegenüber allen Anliegen<br />
und Bitten der Gemeinde<br />
sehr aufgeschlossen und zur Hilfe<br />
bereit. Dass die Gemeinde aus diesen<br />
Gründen auch gerne gefällig<br />
war, kann man einem Protokoll<br />
vom 6. August 1905 entnehmen:<br />
„Auf Gesuch der Forsterschen<br />
Gutsverwaltung erlässt die Ge-<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
7
ORTSTEILE<br />
Die Kirche heute. Bilder: Anja Fischer<br />
meindeverwaltung eine ortspolizeiliche<br />
Vorschrift dahingehend,<br />
dass für die Zukunft das Bergabfahren<br />
am Schlossberg mit Velozipeden<br />
und anderen ähnlichen Vehikeln<br />
verboten ist.“ Die Erwerbsmöglichkeiten<br />
verbesserten sich<br />
später vor allem durch die Arbeitsmöglichkeiten<br />
in der Industrie,<br />
wobei die meisten im nahe gelegenen<br />
Werk Bobingen der IG Farben<br />
beschäftigt waren.<br />
Nach einer Statistik von 1939 hatte<br />
Straßberg mit 40,8 Prozent<br />
Auspendlern eine der höchsten<br />
Quoten. Im Straßberger Flurteil<br />
„untere Ösch“ hatte die IG Farben-Industrie<br />
1936 vom Gutsbesitzer<br />
Schlecht ein Areal erworben,<br />
auf dem sich Arbeiter Wohnstätten<br />
bauen konnten. 1940 war am<br />
Leitenberg zwischen Turnhalle<br />
und Kapelle ein Barackenlager errichtet<br />
worden, in dem anfangs<br />
Volksdeutsche aus Russland und<br />
Rumänien untergebracht wurden.<br />
Nach Ende des Krieges fanden<br />
dort Heimatvertriebene ihre erste<br />
Unterkunft. Von Kampfhandlun-<br />
Denkmal an alte Erinnerungen.<br />
8<br />
gen während des Zweiten Weltkriegs<br />
blieb Straßberg verschont,<br />
allerdings wurden durch Bombenabwürfe<br />
alliierter Flugzeuge im<br />
März 1944 mehrere Waldarbeiter<br />
verwundet und größere Waldbestände<br />
zerstört.<br />
Aufbruch in<br />
die Neuzeit<br />
Mit dem Einzug amerikanischer<br />
Truppen am 30. April 1945 war<br />
für Straßberg die eigentliche<br />
Kriegszeit vorüber. Hauptproblem<br />
der folgenden Jahre war der gewaltige<br />
Bevölkerungszuwachs von<br />
653 Einwohnern (1939) auf 910<br />
(1950). Es bedurfte einiger Anstrengung<br />
der Gemeindeverwaltung<br />
allen Neuzugezogenen wenigstens<br />
ein Dach über dem Kopf<br />
zu besorgen. Die Belegstärke des<br />
Barackenlagers lag 1949 bei 261<br />
Personen. 1950/51 errichtete die<br />
Gemeinde die Gemeindehäuser<br />
an der heutigen Villenbachstraße,<br />
im Eichkobel entstand in den Jah-<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
ren 1955 bis 1962 eine kleine Siedlung<br />
der Landeswohnungsfürsorge,<br />
ein weiteres Baugebiet wurde<br />
am Leitenberg ausgewiesen.<br />
Straßberg entwickelte sich in der<br />
Folgezeit zu einem schmucken<br />
Dorf, das weitere Neubürger anzog<br />
und führt seit dem 21. Dezember<br />
1965 ein eigenes Wappen.<br />
Dessen amtliche Beschreibung<br />
lautet: „Unter einem unten gezinnten<br />
roten Schildhaupt, dreimal<br />
schräg geteilt von Silber und<br />
Schwarz, belegt mit einer von<br />
Gold und Rot schräg geteilten heraldischen<br />
Rose.“<br />
Eingemeindung<br />
nach Bobingen<br />
Nach den Verhandlungen mit Bobingen<br />
über die Modalitäten eines<br />
freiwilligen Zusammenschlusses<br />
fasste der Gemeinderat Straßberg<br />
am 22. Februar 1971 den Beschluss,<br />
Antrag auf Eingliederung<br />
in die Stadt Bobingen zu stellen.<br />
Diesem Beschluss stimmte die<br />
Straßberger Bevölkerung in geheimer<br />
Abstimmung mehrheitlich<br />
zu. Nach Stand vom 4. März 1992<br />
hatten im <strong>Bobinger</strong> Stadtteil<br />
Straßberg 1.095 Personen ihre<br />
Haupt-, 42 ihre Nebenwohnung.<br />
Dennoch hat Straßberg seinen<br />
dörflichen Charakter und seine lebensfrohe<br />
Dorfgemeinschaft nicht<br />
aufgegeben. Aktive Vereine und<br />
Bürger sorgen dafür.<br />
Roy Black<br />
Der wohl berühmteste Straßberger<br />
ist heute Gerhard Höllerich,<br />
besser bekannt unter seinem<br />
Künstlernamen Roy Black. Er<br />
wurde am 25. Januar 1943 in<br />
Straßenansicht.<br />
Roy Black<br />
Bild:<br />
Kulturamt<br />
Bobingen<br />
Straßberg geboren.<br />
Auch<br />
nach seinem<br />
Wegzug nach<br />
Augsburg-<br />
Göggingen riss<br />
der Kontakt<br />
zum Ort seiner<br />
Jugendzeit nie<br />
ganz ab. Schon<br />
in der Schulzeit<br />
war Roy Black<br />
musikalisch aktiv,<br />
bevor er<br />
1965 nach seinem ersten großen<br />
Hit „Du bist nicht allein“ eine aufsehenerregende<br />
Karriere startete.<br />
Am meisten wird er wohl mit seinem<br />
Erfolgstitel „Ganz in Weiß“<br />
identifiziert, für den er 1968 die<br />
Goldene Schallplatte verliehen bekam.<br />
Roy Black war zudem ein beliebter<br />
Film- und Fernsehstar der<br />
60er und 70er Jahre. Wo immer er<br />
war und mit seiner Band „The<br />
Cannons“ auftrat, standen Horden<br />
junger Mädchen kreischend im<br />
Publikum. Später wurde es ruhiger<br />
um ihn, bevor er mit der TV-Serie<br />
„Ein Schloss am Wörthersee“ wieder<br />
an frühere Erfolge anknüpfen<br />
konnte. Am 9. Oktober 1991 starb<br />
der Künstler überraschend im Alter<br />
von nur 48 Jahren in seiner<br />
Waldhütte an Herzversagen. Er<br />
wurde begraben, aber nicht vergessen.<br />
Alljährlich strömen zu seinem<br />
Todes- und Geburtstag zahlreiche<br />
Fans zu seinem Grab auf dem<br />
Straßberger Friedhof.<br />
In der Singoldhalle Bobingen finden<br />
jedes Jahr gut besuchte Konzertabende<br />
und Gedenkveranstaltungen<br />
statt, zu denen seine Bewunderer<br />
aus ganz Deutschland<br />
und den Nachbarländern anreisen.<br />
Quelle: Buch: Bobingen und seine<br />
<strong>Geschichte</strong>
Von Anja Fischer<br />
AKTUELLES<br />
AKTUELLES<br />
Hydrokultur und Gartenanlage<br />
Hier, in der Nähe des Stausees,<br />
fanden die Baumschule und eine<br />
Arbeitshalle eine neue Heimat.<br />
Noch bis zum letzten Jahr wurde<br />
das Hydrokultursortiment im Laden<br />
in Göggingen gehalten, bis<br />
dieses auch an den neuen Standort<br />
umziehen konnte. Mit der Schließung<br />
des alten Ladengeschäfts haben<br />
die Kunden nun die Möglichkeit,<br />
direkt an der Baumschule ihre<br />
Pflanzen auszuwählen und die<br />
Ware dort abzuholen. Einen Tipp<br />
von den langjährigen und qualifizierten<br />
Mitarbeitern gibt es dann<br />
meist gleich mit dazu.<br />
Andreas Klüppel ist der kreative<br />
Kopf, wenn es um Gartengestaltung<br />
geht. Sein Leistungsspektrum<br />
umfasst neben Kübelpflanzen,<br />
Planung und Anlage von Gärten,<br />
Dachterrassen, Bewässerungsanlagen<br />
und Teichbau auch<br />
die Pflege der eingesetzten Pflanzen<br />
und Bäume, die in der eigenen<br />
Baumschule liebevoll großgezogen<br />
werden. Es zeichnet den Betrieb<br />
aus, dass die Pflanzen aus der<br />
eigenen Zucht kommen und Inhaber<br />
Andreas Klüppel sowie Ehefrau<br />
Marion wissen, wie Pflegeaufwand<br />
und Qualität bewertet werden<br />
müssen. Das ist ein Marken-<br />
Es sind über 110 Jahre Tradition, welche die Gärtnerei Klüppel zu einem ganz<br />
besondern Unternehmen machen. 110 Jahre Gärtnereierfahrung mischen<br />
sich dabei mit Kreativität und moderner Gartengestaltung.<br />
War das Unternehmen bisher in Göggingen beheimatet, erfolgte vor<br />
fünf Jahren der Umzug in den Ahweg nach Bobingen.<br />
Andreas und Marion Klüppel.<br />
zeichen der Gärtnerei, deren<br />
Bandbreite bei den Gartenanlagen<br />
von der Umgestaltung kleiner<br />
Vorgärten bis zu großen Neuanlagen<br />
reicht und die für jeden Geldbeutel<br />
erschwinglich bleiben will.<br />
Größtes<br />
Hydrokultursortiment<br />
Hydrokultur und Innenraumbegrünung<br />
sind ein weiteres Standbein<br />
des Unternehmens und kaum<br />
wegzudenken. Immerhin war Vater<br />
Wolfgang Klüppel Mitbegründer<br />
von Hydrokultur. So ist es<br />
selbstverständlich, dass hier das<br />
größte Sortiment Schwabens in<br />
den Gewächshäusern zu finden ist,<br />
Pflanzen für Drinnen und Draußen.<br />
neben Erdpflanzen wie Orchideen,<br />
Anthurien, Calla und anderen<br />
originellen Dingen, die sich<br />
gerne mal als Geschenk eignen.<br />
Der Duft lockt den Besucher dann<br />
ein Glashaus weiter zu den mediterranen<br />
Pflanzen wie Oliven, Zitrusbäumen,<br />
Oleander, Palmen<br />
oder Strelizien. Aus der <strong>Geschichte</strong><br />
heraus bietet die Gärtnerei<br />
Klüppel zudem Grabanlage,<br />
Grabpflege und Dauergrabpflege<br />
für den Friedhof an.<br />
Ergänzend im Sortiment sind<br />
Frühlings- und Sommerblüher,<br />
Rosen oder Kräuter nebst allerhand<br />
Dekoartikeln vorhanden, die<br />
zum vergnüglichen Bummeln<br />
durch die Gewächshäuser einladen.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
9
RÜCKBLICKE<br />
Von Georg Fritz<br />
Die Bezeichnungen „Hofnamen“<br />
und „Hausnamen“ sind fast identisch.<br />
Von Hausnamen spricht<br />
man in den Städten (Häuser) und<br />
von Hofnamen auf dem Land<br />
(Bauernhof: Hofnamen). In Bobingen<br />
sagt man aber trotzdem seit<br />
eh und je „Hausnamen“. Bis etwa<br />
1200 genügte auf dem Land der<br />
Vorname des Hofbesitzers als Erkennungsmerkmal.<br />
Die Orte waren<br />
so klein, dass ohnehin jeder jeden<br />
kannte. Das Wachstum der<br />
Gemeinden hatte schließlich zur<br />
Folge, dass es in einem Dorf bald<br />
mehrere Personen mit dem gleichen<br />
Vornamen gab. Eine genauere<br />
Bezeichnung der Personen wur-<br />
10<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
IMMER NOCH BELIEBT UND BEKANNT<br />
<strong>Bobinger</strong> Hausnamen<br />
Heute ist es üblich, die Adresse mit Straße und Hausnummer anzugeben.<br />
In Bobingen wurden die Straßennamen aber erst 1938 eingeführt.<br />
Um trotzdem den richtigen Adressaten zu finden, behalf man sich mit<br />
Haus- oder Hofnamen.<br />
Der Bergheimer-Utzenhof. Bildarchiv: Georg Fritz<br />
de deshalb erforderlich: Die ersten<br />
Hausnamen entstanden. Sie bezogen<br />
sich erstmals nicht mehr nur<br />
auf eine einzelne Person, sondern<br />
auf die gesamte Familie. Hausnamen<br />
wurden von der Dorfbevölkerung<br />
verliehen. Erst um 1300 kam<br />
es zur Bildung von Familiennamen.<br />
Einige Hausnamen wurden<br />
dabei als Familiennamen übernommen<br />
und später auch umgekehrt.<br />
Motive für die<br />
Hausnamenbildung<br />
Die häufigsten Motive für die Bildung<br />
von Hausnamen sind (die<br />
nachgenannten Gebäude sind zum<br />
Teil schon abgegangen):<br />
bauliche Besonderheiten:<br />
„Stadelschuster“ (Römerstraße 37,<br />
westlicher Teil): Der Schuhmacher<br />
<strong>Bobinger</strong> hatte seine Werkstatt<br />
im domkapitlichen Zehentstadel.<br />
„Hochhaus“ (Römerstraße<br />
20): ein hohes Gebäude. „Kreuzwirt“<br />
(Bahnhofstraße 32): Im Garten<br />
des Gasthofs „zur Eisenbahn“<br />
stand früher ein Kreuz.<br />
Berufe: „Kaminfeger“ (Lindauer<br />
Straße 8), „Saliter“ (zwischen<br />
Bahnhofstraße 2 und Lindauer<br />
Straße 1): Der Saliter sammelte in<br />
den Ställen Salpeter für die Herstellung<br />
von Schwarzpulver.<br />
„Brunnenmacher“ (Vogelberg 3),<br />
„Wegmacher“ (Singoldanger 12),<br />
„Nachtwächter“ (Singoldanger 8),<br />
„Uhrmacher“ (Römerstraße 55),<br />
„Flachsbauer“ (Schalmeistraße 3),<br />
„Rechenmacher“ (Inselweg 5),<br />
„Bösmann“ (Schalmeistraße 20):<br />
Die Nähe zu den Schinderwiesen<br />
(heute „Vogelsiedlung“) lässt dort<br />
den Sitz des ehemaligen Abdeckers<br />
vermuten. Sein Handwerk<br />
galt als unrein, daher der Name<br />
„Bösmann“).<br />
Familiennamen: „Klockerbauer“<br />
(Hochstraße 70, früher: Johann<br />
Klocker), „Dempf“ (Hochstraße 8,<br />
früher: Jakob Dempf), „Schmitzer“<br />
(Hochstr. 43, früher: Adalbert<br />
Schmitzer).<br />
Ortsnamen: Wenn jemand von<br />
auswärts zugezogen ist, hat man<br />
häufig seinen Herkunftsort als
Beim Sinkelbauer. Bildarchiv: Georg Fritz<br />
Solche Tafeln weisen an den Häusern auf die Hausnamen hin.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Hausnamen genommen: „Bergheimer<br />
Utzenhof“ (Vogteiweg 2,<br />
früher: Josef Schempp aus Bergheim),<br />
„Kleinaitinger“ (Hochstraße<br />
21, früher: Georg Dirr aus<br />
Kleinaitingen), „Wehringer Resl“<br />
(Poststraße 34, früher: Theresia<br />
Greisel aus Wehringen).<br />
persönliche Eigenschaften:<br />
„Lang-Lenz“ (Lindauer Straße 17:<br />
war ein sehr großer Mann),<br />
„Krumm-Schneider“ (Lindauer<br />
Straße 19: hatte eine körperliche<br />
Behinderung).<br />
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Vornamen: „Gabrielbauer“<br />
(Augsburger Straße 2), „Sylvest“<br />
(Hochstraße 31).<br />
Lage des Grundstücks: „Bruckbäuerle“<br />
(Wolfsgäßchen 11: an der<br />
Singoldbrücke gelegen), „Wiesschuster“<br />
(Singoldanger 8: Der<br />
Singoldanger wurde auch „Wies“<br />
genannt), „Sinkelbauer“ (Römerstraße<br />
59: an der Singold gelegen),<br />
„Kapellwirt“ (Hochstraße 74:<br />
Gasthof neben der St. Wendelinskapelle),<br />
„Kirchbräu“ (Hochstraße<br />
1: Brauerei neben der Pfarrkirche),<br />
„Feldschuster“ (Hochstraße 50:<br />
Das Anwesen war eines der ersten<br />
an der lange Zeit unbebauten Ostseite<br />
der Hochstraße, d. h. Anwesen<br />
bei den Feldern), „Bergbauer“<br />
(Bäckerstraße 4: Grundstück am<br />
Berg).<br />
Scherz-, Spitz- und Kosenamen:<br />
„Hännsle“ (Lindauer Straße 1),<br />
„Millionenschreiner“ (Römerstraße<br />
77: Einer der Vorbesitzer nahm<br />
alle Dinge „millionig“ wichtig),<br />
RÜCKBLICKE<br />
„Schepperle“ (Augsburger Straße<br />
19), „Muggen-Schuster“ (Wolfsgäßchen<br />
9: dort gab es wegen der<br />
Nähe zur Singold viele Mücken).<br />
Hausnamen sind<br />
immer noch üblich<br />
Viele Hausnamen haben eine lange<br />
Tradition. Franz Xaver Holzhauser<br />
hat herausgefunden, dass<br />
80 Hausnamen bis ins 17. Jahrhundert<br />
zurückreichen, 25 sogar<br />
bis ins 16. Jahrhundert. Trotz der<br />
Einführung von Familiennamen<br />
und später von Hausnummern<br />
(1785 und 1808) sind die Hausnamen<br />
nie in Vergessenheit geraten.<br />
So schrieben z. B. die Notare selbst<br />
nach der Einführung von Hausnummern<br />
immer noch zusätzlich<br />
die Hausnamen in ihre Protokolle.<br />
Nicht einmal die Einführung von<br />
Straßennamen (1938) hat die<br />
Hausnamen verdrängt. Die alteingesessenen<br />
<strong>Bobinger</strong> verwenden<br />
noch viele davon, auch sehr alte aus<br />
dem 17. Jahrhundert wie z.B.:<br />
„Wies-Hansl“, „Rößle Michl“,<br />
„Zähbauer“ oder aus dem 16. Jahrhundert<br />
wie z.B.: „Sinkelbauer“,<br />
„Wiesbauer“, „Veitenbauer“. Bei<br />
Namensgleichheiten bezeichnen<br />
die Hofnamen damit immer noch<br />
das Anwesen, welches gemeint ist.<br />
Schilder am Haus<br />
An mehreren <strong>Bobinger</strong> Häusern<br />
befinden sich einheitliche Schilder<br />
mit den ehemaligen Hausnamen,<br />
damit diese in Erinnerung bleiben.<br />
Wenn Sie in Bobingen spazieren<br />
gehen, schauen Sie doch einfach<br />
mal nach dem alten Hausnamen.<br />
Vielleicht können Sie ja dabei auch<br />
etwas über ihre Entstehung herausfinden.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
11
HISTORIE<br />
Vergangene Zeiten.<br />
Von Anja Fischer<br />
Ein Vorgängerbau des heutigen<br />
Schloss Straßberg wird bereits in<br />
Prozessakten aus dem Jahr 1246<br />
erwähnt. Damals befand es sich im<br />
Besitz der Bischöfe von Augsburg<br />
und war anfänglich mit deren Ministerialen<br />
besetzt. Doch der damalige<br />
Bischof Hartmann hielt<br />
sich zumindest zeitweise selbst auf<br />
der Burg Straßberg auf, das belegt<br />
eine Schenkungsurkunde, die er<br />
dort am 19. Juni 1252 zeichnete.<br />
Auch ein Vorfall aus dem Jahr<br />
1266 spielt sich auf Schloss Straßberg<br />
ab. Hintergrund ist eine Fehde<br />
zwischen Bischof Hartmann<br />
und Ritter Swigger der Jüngere<br />
12<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
FRÜHER UND HEUTE<br />
Schloss Straßberg<br />
Es ist kein Schloss im Sinne der bayerischen Märchenschlösser. Mehr ein<br />
hochherrschaftliches Herrenhaus. Schloss Straßberg hat dennoch eine<br />
wechselvolle <strong>Geschichte</strong> und diente vielen Zwecken, beispielsweise als<br />
Altersruhesitz oder als Internat. Heute ist es wieder zu neuem Glanz erstrahlt.<br />
von Mindelberg. Ob es sich dabei<br />
um Grundstückstreitigkeiten oder<br />
etwa gar um Frauengeschichten<br />
handelte, ist heute nicht mehr bekannt.<br />
Jedenfalls nahm der Ritter<br />
vermutlich während der Sommermonate<br />
Bischof Hartmann in<br />
Straßberg gefangen – und brannte<br />
dabei die Befestigung völlig nieder.<br />
Kampf um<br />
das Schloss<br />
So könnte es damals gewesen sein:<br />
Gemeinsam mit seinen Waffenknechten<br />
stürmte Ritter Swigger<br />
Neuer Glanz. Bilder: Anja Fischer<br />
über den Grund von Schloss<br />
Straßberg, sein großes, braunes<br />
Streitross wiehert und schnaubte.<br />
Die Hufe der Pferde donnerten<br />
über die Erde und versetzte das<br />
Gesinde in Angst und Schrecken.<br />
Zu spät wollte der Torwächter das<br />
Burgtor schließen lassen. Ritter<br />
Swigger, der Jüngere von Mindelberg,<br />
fiel mit seinen Mannen in<br />
Straßberg ein und zerstörte auf der<br />
Suche nach dem Bischof die Burg.<br />
Noch während seine Knechte das<br />
Vieh wegtrieben, brannten die ersten<br />
Gebäude schon lichterloh.<br />
Wer konnte, floh vor den Angreifern,<br />
vor allem die Frauen und<br />
Mädchen, deren Leben zu dieser<br />
Zeit nichts galt, machten, dass sie<br />
davon kamen oder versteckten<br />
sich. Doch auch die Männer suchten<br />
ihr Heil in der Flucht vor den<br />
Kriegsknechten. Die Knechte und<br />
Mägde des Bischofs konnten sich<br />
am Ende glücklich schätzen, mit<br />
dem Leben davon gekommen zu<br />
sein. Mehr, als das, was sie auf dem<br />
Leib trugen, konnten sie nicht vor<br />
den rauen Gesellen retten – und<br />
mussten dafür noch dankbar sein.<br />
Anderen mag es nicht so gut ergangen<br />
sein. Sie werden bei dem<br />
Versuch, ihren Herrn und Bischof<br />
zu verteidigen, ihr Leben gelassen<br />
haben. Der Bischof selbst musste<br />
schließlich einsehen, dass Gegenwehr<br />
nicht mehr viel nützte. Er ergab<br />
sich und wurde zu Pferd auf
Auf einer alten Postkarte. Bild: Anja Fischer<br />
die Burg des Mindelbergers gebracht.<br />
Schon im Oktober 1266 kam es in<br />
Augsburg aber zu einer Schlichtung<br />
des Vorfalls. Bischof Hartmann<br />
musste dem Mindelberger<br />
Ritter nachgeben und ihm volle<br />
Verzeihung gewähren. Auch das<br />
Augsburger Domkapitel, welches<br />
den Angriff auf ihren Bischof persönlich<br />
nahm, durfte keine Klage<br />
gegen den Ritter erheben. Damit<br />
wird es still um Schloss Straßberg.<br />
In den nächsten einhundertsiebenunddreißig<br />
Jahren wird Straßberg<br />
in keiner Urkunde mehr genannt.<br />
Es gibt keine Berichte über<br />
den Wiederaufbau der Befestigung.<br />
Lehensherren<br />
Der erste namentlich bekannte<br />
Lehensmann ist Hartmann Onsorg,<br />
der zusammen mit seinen<br />
Söhnen Hartmann, Stephan und<br />
Jos am 23. Juni 1403 den Burgstall<br />
und verschiedene Ländereien an<br />
Albrecht von Villenbach um 180<br />
Gulden verkaufte. Onsorg war ein<br />
Augsburger Patrizier, der mit der<br />
Stadt in Fehde lag und bereits<br />
1396 der Stadt verwiesen worden<br />
war, weil er sein Unwesen auf den<br />
Handelsstraßen trieb und Kaufmannsfuhrwerke<br />
von und nach<br />
Augsburg ausraubte. Von Albrecht<br />
von Villenbach kam das Lehensgut<br />
an Ulrich von Villenbach.<br />
Letztere bekam es vom damaligen<br />
Augsburger Bischof Peter von<br />
Schaumberg verliehen. Der Wortlaut<br />
der Urkunde war folgender:<br />
„Item Ulrich von Villenbach haut<br />
emphangen das burgstal zu Straßberg<br />
neben Bobingen und einen anger<br />
da bey. Item ain holtz, haißt der<br />
Schellenberg, auch dabey. Item weyer<br />
und weyertal dabey mit holtz und<br />
holtzmarcken und aller zugehörde.<br />
Item ain holtz, haißt des Tiwelstal“.<br />
Erbe innerhalb<br />
der Familie<br />
Nach denen von Villenbach war ab<br />
1457 der Leibarzt des Augsburger<br />
Fürstbischofs, Dr. Johann Diem,<br />
Inhaber von Straßberg. Zu dessen<br />
Gunsten wurde das bisherige<br />
Mannlehen ab 1466 in ein Mannund<br />
Fraulehen umgewandelt. Als<br />
Diem am 8. Juni 1471 starb,<br />
ging das Lehen an seine drei Kinder<br />
Christine, Veit und Heinrich.<br />
In dieser Zeit wurde das Lehen<br />
meist durch Erbe innerhalb der<br />
Familie weitergegeben und vom<br />
Lehensgeber nur wieder bestätigt.<br />
Erst gab der Lehensherr einem<br />
getreuen Lehensmann für<br />
seine Verdienste Grundbesitz.<br />
Dafür musste dieser genau<br />
festgelegte Dienste ableisten. Nun<br />
wurden diese Dienstleistungen<br />
oft in Geld abgegolten. So ist es<br />
auch nicht verwunderlich, dass<br />
Georg Conzelmann, Ehemann<br />
von Christine Diem, der im Jahre<br />
1489 die Burg Straßberg übernahm,<br />
in einen Interessenskonflikt<br />
geriet: war er zum einen<br />
als Inhaber von Straßberg Lehensmann<br />
des Bischofs, war er auch<br />
HISTORIE<br />
zum anderen als Augsburger Patrizier<br />
ein bestellter Vertreter des<br />
Rates der Stadt. Als nun der<br />
damalige Bischof Friedrich von<br />
Zollern und die Freie Reichsstadt<br />
Augsburg in Streit gerieten,<br />
schwor er seine Bauern aus der<br />
Straßvogtei auf den Landfrieden<br />
ein. Er wollte sich weder auf die<br />
eine noch auf die andere Seite<br />
schlagen und damit keinen Ärger<br />
heraufbeschwören.<br />
Besitz der<br />
Augsburger<br />
Familien<br />
Schloss Straßberg war die meiste<br />
Zeit im Besitz von Augsburger Familien,<br />
Patriziern oder später Industriellen,<br />
die dort sicher nicht<br />
ständig wohnten. Es war wohl<br />
eher ein schöner Landsitz, den die<br />
Anlage darstellte. Mit dem erhobenen<br />
Bau, dem freien Blick über<br />
Wertach und Singold und der damals<br />
noch unverbauten Landschaft<br />
am Fuße des Berges muss es<br />
schön gewesen sein, als Schlossherr<br />
dort zu wohnen. Einer dieser<br />
Patrizier war Leonhart Menhart,<br />
dem die Straßberger ihre Rose im<br />
Mehr Spaß mit<br />
neuen Schuhen<br />
Tolle Schuhe, tolle Farben<br />
bringt bringtder der Sommer Sommer bei uns. uns.<br />
Damenschuhe:<br />
Bei einer Tasse Espresso<br />
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Kennel & Schmenger oder Paul Green,<br />
Ara oder Gabor, Tamaris oder<br />
Ecco zu probieren.<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
13
HISTORIE<br />
Blick in die Innenräume. Bilder: Avanza Gruppe<br />
späteren Gemeindewappen verdankten.<br />
Er übernahm Straßberg<br />
1495 als Ehemann von Felizitas<br />
Conzelmann und gab das Gut seiner<br />
Tochter Sybille 1534 als Mitgift<br />
in ihre Ehe mit Dr. Ulrich<br />
Jung ein. Dieser war ein bedeutender<br />
Augsburger Arzt, den Kaiser<br />
Karl V. zu seinem Leibarzt ernannt<br />
hatte.<br />
Zu dieser Zeit brach zwischen Dr.<br />
Jung und den <strong>Bobinger</strong>n ein Streit<br />
um die Weide aus. Weil die Straßberger<br />
Flur sehr klein war und die<br />
Besitzer darauf angewiesen waren,<br />
ihr Vieh in den umgebenden Wäldern<br />
weiden zu lassen, gab es immer<br />
wieder Ärger. Der sogenannte<br />
„Blumenbesuch“ der Tiere im <strong>Bobinger</strong><br />
Gemeindewald oder in den<br />
Wäldern des <strong>Bobinger</strong> und Wehringer<br />
Bistums wurde von deren<br />
Besitzern natürlich nicht gerne gesehen<br />
und vor allem nicht unentgeltlich<br />
gewährt. Schließlich richtete<br />
das Vieh vor allem im jungen<br />
Wald enorme Schäden an. Die<br />
Streitigkeiten gingen auch unter<br />
dem Nachfolger Jungs, der Familie<br />
Dr. Konrad Heel, weiter. Dessen<br />
Witwe erhielt schließlich das Weiderecht<br />
mit genau festgelegten<br />
Verpflichtungen und für nur<br />
60 Stück Vieh, musste dies aber<br />
Jahr für Jahr neu beantragen.<br />
Lehens(un-)treue<br />
Die darauffolgenden Inhaber des<br />
Gutes Straßberg waren Protestanten.<br />
Der damalige Augsburger Bischof<br />
Heinrich von Knöringen ließ<br />
deshalb nach dem Abzug der<br />
14<br />
roner und Hopfer aus Straßberg<br />
vertreiben, bezichtigte sie der Lehensuntreue<br />
und zog ihre Güter<br />
ein. Kurz darauf wurden sie an Dr.<br />
Johann Jakob Holzapfel verliehen,<br />
doch bereits 1637 mussten sich alle<br />
einer kaiserlichen Anordnung fügen<br />
und das Lehen an die früheren<br />
Inhaber zurückgeben. Diese forderten<br />
nun eine entsprechende<br />
Entschädigung für die entgangene<br />
Nutzung des Gutes. Äcker und<br />
Wiesen hatten unter der Kriegszeit<br />
stark gelitten. Der Viehbestand<br />
war drastisch abgesunken, so<br />
dass das Gut bald von Georg<br />
Christof Hopfer weiterveräußert<br />
wurde und in der Folgezeit mehrere<br />
Besitzer und Pächter sah. Ab<br />
dem Jahr 1709 war die <strong>Geschichte</strong><br />
des Schlosses Straßberg etwa 60<br />
Jahre lang mit dem Namen der Familie<br />
von Grenzing verbunden.<br />
Schulden<br />
und Brände<br />
Schon zu dieser Zeit deckten die<br />
Einnahmen des Gutes nicht dessen<br />
Ausgaben. Etwa 117 Gulden<br />
auf der Habenseite standen 321<br />
Gulden auf der Sollseite gegenüber.<br />
Letztere setzten sich hauptsächlich<br />
aus der Entlohnung der<br />
Handwerker und Helfer zusammen.<br />
So erhielt beispielsweise ein<br />
Schweizer 30 Gulden, ein Oberknecht<br />
22 Gulden und der Mittelknecht<br />
15 Gulden jährlich. Bereits<br />
1716 zeichnete sich die prekäre finanzielle<br />
Situation der vielköpfigen<br />
Familie von Grenzing ab, die<br />
aus dem Gut ihren Unterhalt nicht<br />
bestreiten konnte und in immer<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
größere Schwierigkeiten geriet.<br />
Die Liste der Schulden war<br />
schließlich riesengroß und reichte<br />
von stattlichen Geldbeträgen bis<br />
hin zu der Forderung der Äbtissin<br />
von Oberschönenfeld, „entliehenes<br />
Ziegelzeug und Schubkarren“<br />
zurückzugeben oder zu ersetzen.<br />
Aufgrund der starken Verschuldung<br />
und der fortschreitenden<br />
Wertminderung, die durch einen<br />
verheerenden Brand des Schlosses<br />
1755 eingetreten war, löste Fürstbischof<br />
Clemens Wenzeslaus am<br />
31. August 1772 das Lehensgut<br />
Straßberg um 13.500 Gulden ein<br />
und machte es zum bischöflichen<br />
Kammergut. Auch die jetzigen<br />
Pächter hatten nicht viel Glück<br />
mit dem Gut. Halbverfallene Gebäude,<br />
keine Weidemöglichkeiten<br />
und erheblicher Protest gegen die<br />
Viehhaltung in den Wäldern sorgten<br />
dafür, dass mit dem Einkommen<br />
kein Auskommen war. 1786<br />
wurde das ganze Gut für 1.000<br />
Gulden verkauft.<br />
Gepflegter Landsitz<br />
1791 kam das Schloss für<br />
1.325 Gulden an den Augsburger<br />
Fabrikanten Johann Michael<br />
Schöppler, der von dem landschaftlich<br />
herrlich gelegenen Besitz<br />
sehr angetan war und alle Anstrengungen<br />
unternahm, aus dem<br />
heruntergekommenen Gut einen<br />
gepflegten Landsitz zu machen.<br />
Er kaufte nach und nach eine große<br />
Menge an Grundstücken auf,<br />
deren landwirtschaftliche Nutzung<br />
er Pächtern überließ. Die<br />
Schweden 1635 die Familien Bu- Moderner Badkomfort.<br />
Umgebung des Schlosses ließ<br />
Schöppler zu einer großflächigen<br />
Garten- und Parkanlage<br />
gestalten, die den romantischen<br />
Vorstellungen dieser Zeit entsprach.<br />
Man muss sich vorstellen,<br />
dass damals zwischen dem Dorf<br />
Bobingen und dem Gut Straßberg<br />
nur Wiesen und Äcker lagen,<br />
dazu zogen sich die beiden Flüsse<br />
Singold und Wertach wie<br />
blaue Bänder durch die Landschaft.<br />
Der Blick war frei auf die<br />
am Fuße des Schlossberg liegende<br />
Natur. Ein wahrlich schönes<br />
Plätzchen für den, der es sich leisten<br />
konnte.<br />
Erneuter Ruin<br />
1839 übergab Schöppler das Gut,<br />
welches nun immerhin einen Wert<br />
von 9.300 Gulden hatte, per<br />
Schenkung an seinen Adoptivsohn<br />
Karl Fischer. Dieser jedoch liebte<br />
das gute Leben, die Jagd und Feste.<br />
Er starb 1857 mit nur 52 Jahren<br />
und hatte Gut und Schloss Straßberg<br />
abermals ruiniert. Selbst der<br />
Ertrag aus großen Holzrodungen<br />
am heutigen Leitenberg vermochte<br />
nicht zum Erhalt des Gutes auszureichen,<br />
das unruhigen Zeiten<br />
entgegensah. In den nächsten<br />
dreißig Jahren sollte es neun verschiedene<br />
Besitzer haben.<br />
Erst mit dem Kauf des Gutes<br />
durch Frieda Forster im Juni 1880<br />
begann für Straßberg wieder eine<br />
schönere und stabile Zeit. Auch<br />
der mittlerweile gewachsene Ort<br />
sollte davon profitieren.
Ein Dankeschön der Avanza Gruppe für die gute Zusammenarbeit zur<br />
Realisierung des Projektes „Schloss Straßberg“ geht an die Stadt Bobingen,<br />
das Landesamt für Denkmalpfl ege, die Untere Denkmalbehörde am<br />
Landratsamt Augsburg, die beteiligten Firmen und natürlich die Käufer.
HISTORIE<br />
Die Zufahrt einst.<br />
Die Vermögensverhältnisse Forsters<br />
ließen es zu, dass sie durch<br />
mehrere Neubauten Straßberg ein<br />
völlig neues Aussehen gab, das ihren<br />
Vorstellungen für ihren Altersruhesitz<br />
entsprach. Sie „modellierte“<br />
quasi Straßberg nach ihren<br />
Wünschen. Das landwirtschaftliche<br />
Gut wurde an den Fuß des<br />
Schlossberges verlegt, Wohn-,<br />
Stall- und Nebengebäude wurden<br />
alle in einem einheitlichen Baustil<br />
neu errichtet. Das Schloss selbst<br />
wurde vom Augsburger Architekten<br />
Karl Albrecht Gollwitzer neu<br />
erbaut, der das Gebäude im italienischen<br />
Renaissancestil ausführte.<br />
Für die Renovierung des Schlosses<br />
in den letzten Jahren bezogen sich<br />
Architekt Edgar Albrecht und das<br />
Landesamt für Denkmalpflege erneut<br />
auf Gollwitzers Arbeiten. Zur<br />
Talseite hin rundeten 1880 zwei<br />
Ecktürme das stattliche Gebäude<br />
ab, das von einem mächtigen,<br />
39 Meter hohen Hauptturm überragt<br />
wurde. Da Frieda Forster die<br />
Zwiebeldächer missfielen, mussten<br />
diese 1883 durch Balustradenkrönungen<br />
ersetzt werden.<br />
16<br />
Vielseitige Nutzung<br />
Am 27. Juli 1930 erwarb der Gütermakler<br />
Gustav Einstein das<br />
Schloss und den gesamten Besitz<br />
von Eugen Forster, dem Urenkel<br />
der Frieda Forster. Er zertrümmerte<br />
den Besitz und verkaufte die<br />
Einzelteile. Damit sorgte er erstmalig<br />
für eine Trennung zwischen<br />
Schloss und Gut Straßberg. Den<br />
Gutshof mit dem Hauptanteil des<br />
Grundbesitzes erwarb der Bauer<br />
Georg Schlecht aus Heimpersdorf.<br />
Das Schloss fand lange Zeit keinen<br />
Käufer – am 7. Dezember 1930<br />
hatte es dort noch einmal gebrannt,<br />
wobei einige Räume des<br />
Gebäudes beschädigt worden waren.<br />
1932 kam es in den Besitz einer<br />
Müncher Bank, die es an die<br />
Nationalsozialistische Volkswohlfahrt<br />
weiterveräußerte. Das<br />
Schloss wurde von Grund auf renoviert<br />
und mit einer zweckmäßigeren<br />
Inneneinrichtung versehen,<br />
so dass ab 1935 im neuen NSV-<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
Zufahrt heute. Bilder: Anja Fischer<br />
Mütterheim erholungsbedürftige<br />
Mütter einige Wochen der Ruhe<br />
und Erholung verbringen konnten.<br />
Dringend notwendig in den<br />
Kriegsjahren, die ja sonst an Entbehrungen<br />
reich waren. Anscheinend<br />
muss es in Straßberg und damit<br />
auf dem Land recht schön gewesen<br />
sein, denn auf einer Postkarte<br />
vom 21. September 1940<br />
schreibt der Absender: „Die herzlichsten<br />
Grüße von hier sendet dir,<br />
liebe Hede, dein Schwager Gustav.<br />
Die Gegend hier ist wundervoll. Hier<br />
kann man die Nächte ruhig schlafen<br />
und zu Essen gibt es auch noch reichlich.<br />
Nächsten Sonntag bin ich wahrscheinlich<br />
wieder zu Haus...“<br />
Ab 1943 wurden in Straßberg<br />
Kinder aus bombenzerstörten<br />
Städten untergebracht, nach<br />
Kriegsende diente das Gebäude<br />
amerikanischen Soldaten als<br />
Quartier. Erst ab 1948, als das<br />
Schloss im Besitz des Bayerischen<br />
Staates war, wurde es wieder sinnvoll<br />
genutzt: es wurde zu einer<br />
Heilstätte für Tuberkulosekranke,<br />
die 60 Patienten Platz bot. Betrei-<br />
ber des Krankenhauses war die<br />
Stadt Augsburg, die einen Pachtvertrag<br />
auf zehn Jahre abgeschlossen<br />
hatte. Nach dessen Ablauf<br />
wollte die Stadt das Schloss kaufen<br />
und vergrößern, die Verhandlungen<br />
zerschlugen sich aber. 1958<br />
wurden zunächst für einige Monate<br />
jüdische Kinder im Schloss untergebracht.<br />
Schule und Heim<br />
1959 pachtete Alfred Ankele das<br />
Schloss und richtete eine private<br />
Oberrealschule mit Internat für<br />
etwa 80 Schüler ein. Er hatte sich<br />
mit seinem Projekt aber sowohl in<br />
finanzieller, als auch in pädagogischer<br />
Hinsicht übernommen und<br />
flüchtete 1960 in die damalige<br />
Ost-Zone. Einige Lehrer versuchten,<br />
die Schule und das Internat<br />
noch aufrecht zu erhalten, scheiterten<br />
aber aus finanziellen Gründen.<br />
Mit anderer Leitung wurde<br />
die Schule vom bayerischen Kultusministerium<br />
noch bis 1962 weitergeführt.<br />
Nachdem das Schloss
Neue Fassadengestaltung. Bilder: Avanza Gruppe<br />
wieder leer stand, dachte die Gemeinde<br />
daran, das Gebäude zu<br />
kaufen und als Schule zu nutzen,<br />
aber bereits im April 1962 pachteten<br />
die Farbwerke Hoechst AG<br />
das Gebäude für fünf Jahre als<br />
Wohnheim für ausländische Mitarbeiter.<br />
Nachdem die Gemeinde<br />
noch einige Male versucht hatte,<br />
das Schloss zu kaufen, sah sie Ende<br />
der 60er Jahre endgültig davon ab.<br />
Der Kaufpreis war am Ende doch<br />
zu hoch. Am 6. Mai, als bisher vorletzter<br />
Besitzer, erwarb der „Verein<br />
der Missionare vom kostbaren<br />
Blut“ das Straßberger Schloss. Im<br />
Januar 1967 wurde mit einem<br />
großzügigen Umbau begonnen,<br />
dem nicht nur der markante<br />
Hauptturm zum Opfer fiel, sondern<br />
auch die komplette Fassadenstruktur<br />
zum Opfer fielen, weil die<br />
anstehenden Reparaturkosten zu<br />
hoch gewesen waren. Damit wurden<br />
die typischen Schlosscharaktere<br />
zerstört. Von 1968 bis 1982<br />
wurde das Internat Paulinum im<br />
Schloss untergebracht. Es beherbergte<br />
Schüler, die im Gymnasium<br />
St. Stephan in Augsburg zur Schule<br />
gingen.<br />
Aktive Schule<br />
Später fand die Aktive Schule im<br />
Schloss Straßberg Unterschlupf.<br />
Aus dem Waldkindergarten<br />
Augsburg entwickelte sich eine<br />
Elterninitiative, die zur Fortführung<br />
des pädagogischen Weges die<br />
Aktive Schule Straßberg und den<br />
Verein „Leben und Lernen<br />
Schwaben e.V.“ gründete. Mit<br />
dem Straßberger Schloss waren<br />
2003 ideale Räumlichkeiten und<br />
vor allem ein großes Grundstück<br />
für die pädagogische Arbeit im<br />
Freien gefunden. Erst startete der<br />
Kindergarten, dann die Aktive<br />
Schule, die sich am Konzept der<br />
Montessori-Schulen orientierte.<br />
Schlechte Bewertungen bei einer<br />
staatlichen Überprüfung sorgten<br />
dafür, dass sich die Aktive Schule<br />
privat finanzieren musste. Trotzdem<br />
war auf langfristige Sicht sogar<br />
ein Kauf des Schlosses angedacht.<br />
Deshalb wurde beispielsweise<br />
der Einbau einer Pelletsheizung<br />
getätigt. Doch der Verein<br />
und die Besitzer, die „Missionare<br />
vom kostbaren Blut“ kamen nicht<br />
zusammen. 2008 musste die Schule<br />
das Gebäude verlassen.<br />
IG Schloss<br />
Straßberg<br />
Von da an stand lange offen, was<br />
mit dem Straßberger Schloss passiert.<br />
2009 bildete sich eine „Interessengemeinschaft<br />
Straßberger<br />
Schloss“ (IG), die Gebäude und<br />
Park für die Menschen aus der Region<br />
öffnen wollte. Das vorgelegte<br />
Konzept bekam sogar die<br />
Zustimmung der Patres vom Orden<br />
vom kostbaren Blut. Es sah<br />
vor, dass sich die Bürger an Kauf<br />
und Renovierung des Schlosses<br />
durch den Erwerb von Anteilen<br />
beteiligen können. Der Kaufpreis<br />
von damals rund einer Million<br />
Euro und die mit etwa zwei<br />
Millionen Euro angesetzten Renovierungskosten<br />
sollten durch<br />
eine Mischung aus finanzieller<br />
Beteiligung und Arbeitseinsatz erbracht<br />
werden. Ein Anteil im<br />
Wert von 1.000 Euro (Mindesteinlage)<br />
konnte von den sich beteiligenden<br />
Bürgern entweder bar<br />
bezahlt oder mit einer Anzahl<br />
von Arbeitsstunden erarbeitet<br />
werden. So hätten die Bürger der<br />
Umgebung das Schloss selbst besessen,<br />
jeder hätte mit einer Einlage<br />
Eigentümer werden können. Es<br />
sollte ein Bürgerprojekt von Bürgern<br />
für Bürger sein. Das zeigte<br />
auch die geplante Aufteilung der<br />
Räumlichkeiten: die obersten beiden<br />
Stockwerke sollten als Praxen<br />
und Büros vermietet werden, der<br />
erste Stock mit Tagungs- und Seminarräumen<br />
vielseitig nutzbar<br />
sein. Im Erdgeschoss war ein großer<br />
Ballsaal mit neuer Sonnenterrasse<br />
geplant, im Souterrain sogar<br />
eine Lehrküche. Das Dachgeschoss<br />
war Ausstellungsräumen<br />
vorbehalten. Im Sommer sollte es<br />
für Familien möglich sein, im neu<br />
angelegten Park zu picknicken.<br />
Schöne Vorstellungen aus denen<br />
leider nichts wurde. Das Interesse<br />
der Bevölkerung war nicht groß<br />
genug, obwohl der Orden der Interessengemeinschaft<br />
zeitlich entgegengekommen<br />
war.<br />
Zurück zur alten<br />
Schönheit<br />
Am Ende nahm sich die Avanza-<br />
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HISTORIE<br />
Altes erhalten: im<br />
Treppenhaus.<br />
lienunternehmen, dem alten und<br />
baufälligen Gebäude an. Das Unternehmen<br />
kaufte das Straßberger<br />
Schloss Ende 2010 und reichte<br />
2011 bei der Stadt Bobingen den<br />
Bauantrag ein. Damit führte es das<br />
hochherrschaftliche Anwesen zurück<br />
in seine ursprüngliche Schönheit.<br />
Heute erhebt sich das Schloss<br />
wieder in vollem Glanz auf seinem<br />
Hügel und ist ein Blickfang für alle<br />
Vorüberkommenden. Bis dahin<br />
aber war es ein langes Stück Ar-<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
17
HISTORIE<br />
Der Ausblick vom Schloss über Bobingen. Bild: Anja Fischer<br />
beit. Das denkmalgeschützte Gebäude<br />
war mittlerweile stark sanierungsbedürftig<br />
und bot viele Hürden<br />
auf dem Weg zu einer Sanierung.<br />
„Beim Sanierungskonzept<br />
haben wir uns an das Vermächtnis<br />
von Karl Albert Gollwitzer gehalten,<br />
dem Erbauer des Schlosses“,<br />
erzählt Architekt Edgar Albrecht.<br />
Gollwitzer war ein renommierter<br />
Augsburger Architekt, Bauunternehmer<br />
und Bauingenieur der<br />
Gründerzeit und lebte von 1839<br />
bis 1917. In den Jahren 1880/81<br />
schuf er das Schloss in Straßberg<br />
nach seinen Vorstellungen neu.<br />
Gemeinsam mit dem Landesamt<br />
für Denkmalpflege und der Unte-<br />
18<br />
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aufsPapier…<br />
ren Denkmalbehörde am Landratsamt<br />
machte sich die Avanza-<br />
Gruppe nun daran, aus dem baufälligen<br />
Gebäude wieder ein<br />
Schloss zu machen. „Alles wurde<br />
nach den Anforderungen der<br />
Denkmalpflege umgesetzt, die Sanierung<br />
erfolgte streng nach deren<br />
Vorgaben“, so Architekt Albrecht.<br />
„Es war ein Risiko, den Kauf und<br />
den Umbau anzugehen. Die besonderen<br />
Sanierungsmaßnahmen<br />
bei einem Einzeldenkmal sind<br />
teurer, als es bei einer anderen Sanierung<br />
der Fall ist. Es ging uns<br />
zudem darum, das Ganze schlüssig<br />
durchzuziehen.“ Schön sei es aber<br />
gewesen, dass der <strong>Bobinger</strong> Stadt-<br />
…mit modernster Druckund<br />
Medientechnik<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
rat hinter dem Projekt gestanden<br />
habe.<br />
Die Akzeptanz des Vorhabens war<br />
allgemein sehr gut. Der Bestand<br />
wurde geschützt, von der alten<br />
Substanz wurden weitgehend alle<br />
bestehenden Wände erhalten,<br />
ebenso die Erlebbarkeit der großzügigen<br />
Erschließungsflure und<br />
des Parkettbodens in diesem Bereich.<br />
Die Türen tragen die typische<br />
Kassettengestaltung. Fassadengestalterisch<br />
sagt ein Vergleich<br />
der Bilder genügend aus. So gibt es<br />
am Haus keine Balkone, um den<br />
schlosstypischen Baustil zu erhalten,<br />
dafür aber das rund 4.500 m²<br />
große Schlossgrundstück, welches<br />
im passenden Stil angelegt wurde<br />
und nun als Aufenthaltsfläche<br />
dient.<br />
Neues Gesicht und<br />
alte <strong>Geschichte</strong><br />
Im Schloss selbst entstanden 19<br />
Wohneinheiten, die mit einem<br />
großartigen Blick in östlicher<br />
Richtung über Bobingen aufwarten<br />
können. Weit sieht man von<br />
den großen Fenstern in die Ferne,<br />
kann dort noch Königsbrunn erblicken<br />
und bei Fernsicht natürlich<br />
bis zu den Bergen sehen.<br />
Im Nebengebäude gibt es zusätzliche<br />
vier Wohneinheiten und eine<br />
Hausmeisterwohnung. Insgesamt<br />
wurde hochwertiges, zeitgemäßes<br />
Wohnen mit der geschichtsträchtigen<br />
Vergangenheit der Anlage<br />
verbunden.<br />
„Der endgültige Abschluss der Sanierungsarbeiten<br />
ist im April geplant,<br />
eine Teilfläche der Zufahrt,<br />
sowie die Außenanlagen der Nebengebäude<br />
müssen noch geringfügig<br />
ergänzt werden,“ fasst Edgar<br />
Albrecht die letzten Schritte in<br />
Worte. Dann wird das Schloss<br />
wieder seinem ursprünglichen<br />
Zweck dienen und stilvoller<br />
Wohnort für viele Menschen sein.<br />
Neuer Glanz und alte Patina zeigen<br />
sich so zu einer Einheit verbunden.<br />
Dazu passt ein Satz der<br />
Avanza Gruppe: „Jeder Ort hat<br />
seine <strong>Geschichte</strong> – und diese wird<br />
bei einer Denkmalimmobilie<br />
sichtbar!“<br />
In Straßberg jedenfalls hat diese<br />
<strong>Geschichte</strong> ein neues und doch altes<br />
Gesicht bekommen und schaut<br />
nun ihren Besuchern mit einem<br />
Lächeln entgegen.<br />
ZEITUNGSDRUCK AKZIDENZROLLENDRUCK BOGENDRUCK
Von Anja Fischer<br />
Es sind schöne Pläne für die nahe<br />
Zukunft: Die Stadt Bobingen erstellt<br />
zusammen mit dem Begegnungsland<br />
LECHWERTACH<br />
und dem Landratsamt Augsburg<br />
ein Experimentarium für junge<br />
Forscher, das auf dem bundesweiten<br />
Netzwerk „Haus der kleinen<br />
Forscher“ basiert. Dafür kann sich<br />
die Stadt über einen LEADER-<br />
Zuschuss von rund 24.000 Euro<br />
freuen. Von diesem Geld profitieren<br />
insbesondere die jüngsten Einwohner<br />
der Region Begegnungsland<br />
LECHWERTACH. Die<br />
Begleitung der Fördermaßnahme<br />
erfolgt über das Amt für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Forsten<br />
in Nördlingen sowie die Regionalentwicklung<br />
Begegnungsland<br />
LECHWERTACH. Ab Ende<br />
des Jahres wird die Stadt zwei Räume<br />
und eine Betreuungsstelle einrichten,<br />
so dass stationäre Einrichtungen<br />
und Interessierte aus der<br />
ganzen Region anhand von Alltagsgegenständenexperimentieren<br />
können. Das ist nämlich das<br />
Markenzeichen der Stiftung<br />
„Haus der kleinen Forscher“, die<br />
für die Region vom Landratsamt<br />
Augsburg betreut wird. Bisher<br />
fehlt im Begegnungsland LECH-<br />
BEGEGUNGSLAND LECHWERTACH<br />
LEADER-PROJEKT<br />
Experimentarium für<br />
kleine Forscher<br />
Die Stadt Bobingen freut sich über das neue LEADER-Projekt im<br />
Begegnungsland LECHWERTACH. Es fördert den frühkindlichen Kontakt<br />
mit Naturwissenschaften.<br />
Schon im Vorfeld wird eifrig gebastelt und erforscht.<br />
WERTACH noch eine feste Einrichtung,<br />
wo Eltern oder auch<br />
Coaches geschult werden können,<br />
oder interessierte Gruppen stationär<br />
an Geräten experimentieren<br />
können. Laut Bobingens erstem<br />
Bürgermeister Bernd Müller passt<br />
diese neue Einrichtung wunderbar<br />
in die Bildungsstrategie der Stadt<br />
Bobingen und er freute sich zusammen<br />
mit dem 1. Vorsitzenden<br />
Getreide · Mehl · Naturkost · Futtermittel<br />
Römerstraße 7 · 86399 Bobingen<br />
Telefon: 08234/4057<br />
des Begegnungslands LECH-<br />
WERTACH, Ludwig Fröhlich,<br />
über den Erhalt des Förderbescheids.<br />
Das Haus der<br />
kleinen Forscher<br />
Es geht der Stiftung vor allem um<br />
Lernfreude und Problemlösekompetenzen.<br />
Dabei sollen Kinder gerade<br />
nicht nach Erwachsenenverständnis<br />
„richtige“ Erklärungen<br />
für bestimmte Phänomene lernen<br />
und diese auf Abruf wiedergeben<br />
können. Vielmehr sollen die Kinder<br />
bei einem forschenden Entdeckungsprozess,<br />
der sich von seiner<br />
Vorgehensweise her an den Naturwissenschaften<br />
orientiert, begleitet<br />
werden. Dazu gehören u.a. das<br />
Beobachten, Vergleichen und Kategorisieren,<br />
das sich Kinder zunutze<br />
machen, um die Welt um<br />
sich herum zu erkunden: siehe<br />
Methode „Forschungskreis“. Die<br />
Stiftung möchte eine nachhaltig<br />
positive Einstellung zu Naturwissenschaften,<br />
Mathematik und<br />
Technik fördern. Experimentieren<br />
fördert nicht nur die Neugier und<br />
Begeisterung für naturwissenschaftliche<br />
und technische Phänomene,<br />
sondern auch eine Reihe<br />
weiterer Basiskompetenzen, die<br />
die Kinder für ihren späteren Lebensweg<br />
benötigen. Dazu gehören<br />
u. a. Sprachkompetenz, Sozialkompetenz<br />
und Feinmotorik sowie<br />
ein Zugewinn an Selbstbewusstsein<br />
und innerer Stärke.<br />
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Montag 8 – 12.30 Uhr, 14 – 18 Uhr<br />
Dienstag, Mittwoch geschlossen<br />
Donnerstag, Freitag 8 – 12.30 Uhr, 14 – 18 Uhr<br />
Samstag 8 – 12 Uhr<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
©VDR - Fotolia.com<br />
19
STRASSENNAMEN<br />
Von Anja Fischer<br />
Östlich der Hoch- und Lindauerstraße<br />
gab es früher nur eine spärliche<br />
Bebauung. Der Grund dafür<br />
war einfach: durch die hohe Lage<br />
mussten tiefe Brunnen geschlagen<br />
werden. Das konnte sich nicht jeder<br />
leisten. Wasser war aber lebenswichtig.<br />
Nicht nur für die<br />
Menschen, auch das Vieh der<br />
Dörfler, die oft Tiere zur Eigenversorgung<br />
hielten, musste versorgt<br />
werden. Die benötigten<br />
Mengen an Wasser konnten aber<br />
auch nicht täglich von der Singold<br />
heraufgetragen werden. So also<br />
wurde nur vereinzelt in diesem Bereich<br />
gebaut. Erst ab 1929 fand<br />
eine intensive Bebauung statt.<br />
Dann wurde in Bobingen die öf-<br />
20<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
BAHNHOFSTRASSE UND SINGOLDANGER<br />
Vom Volksmund erzählt<br />
Auch in dieser Ausgabe der „<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“ erklären wir<br />
Ihnen wieder die Entstehung zweier Straßennamen.<br />
Heute kommt einmal der Volksmund zu Wort, der beispielsweise der<br />
Bahnhofstraße einen ganz anderen Namen gab.<br />
Die Bahnhofstraße 2013. Bild: Anja Fischer<br />
fentliche Wasserleitung verlegt<br />
und so konnte auf den teuren<br />
Brunnen verzichtet werden. Der<br />
Hausbau im <strong>Bobinger</strong> Osten begann.<br />
Traditionell lag der Bahnhof in<br />
früheren Zeiten ein wenig außerhalb<br />
des Ortes in Richtung der<br />
Felder. Denn viele Güter und Erzeugnisse<br />
wurden noch per Zug<br />
transportiert. Ab 1929 wurden immer<br />
mehr Häuser in Richtung des<br />
Bahnhofes gebaut, in der heutigen<br />
Bahnhofstraße. Im Volksmund<br />
wurde diese „Judengasse“ genannt.<br />
Nicht etwa, weil dort jüdische<br />
Bürger gewohnt hätten, sondern<br />
weil dort einige Häuser durch die<br />
Hände jüdischer Makler gingen.<br />
Ein weiterer Grund lag bei den jü-<br />
Die Bahnhofstraße vor 1951. Bildarchiv Georg Fritz
dischen Viehhändlern. Diese<br />
pachteten Ställe in der Bahnhofstraße,<br />
denn auch das Vieh wurde<br />
mit der Bahn transportiert. Heute<br />
erinnert sich daran kaum noch jemand<br />
und Viehställe sucht man in<br />
der Bahnhofstraße mittlerweile<br />
vergebens.<br />
Der Singoldanger<br />
Ein Anger ist eine von Häusern<br />
umbaute Wiese. Der Singoldanger,<br />
also der Anger an der Singold,<br />
erhielt seinen Namen genau dadurch.<br />
In früheren Zeiten war die<br />
östliche Seite des Singoldangers<br />
nicht bebaut, auf der westlichen<br />
Seite der Straße dagegen standen<br />
einige kleine Höfe und Häuser.<br />
Die östliche Seite war also eine<br />
umbaute Wiese, der Singoldanger.<br />
Zu ihm gibt es eine schöne Sage,<br />
denn dort, beim „Wiesschuster“<br />
(heute etwa Höhe Singoldanger<br />
Nr. 8) wurde einst das Geräucherte<br />
erfunden:<br />
Es war im 30-jährigen Krieg. Die<br />
Schweden waren auf dem Weg<br />
Der Singoldanger 2013. Bild: Anja Fischer<br />
nach Bobingen. Die Bauern und<br />
Bürger flüchteten mit Weib und<br />
Kind in den damals noch mit hohen<br />
Mauern befestigten Kirchhof.<br />
Im Singoldanger besaß der „Wiesschuster“<br />
einen kleinen Bauernhof.<br />
Er hatte am Tag zuvor ein fettes<br />
Schwein geschlachtet und mit<br />
Salz, Wacholderbeeren und Kräutern<br />
eingepökelt. Der Wiesschuster<br />
dachte, man werde den Feind<br />
wohl rasch wieder vertreiben und<br />
suchte deshalb zusammen mit seiner<br />
Frau nach einem geeigneten<br />
Versteck für das geschlachtete<br />
Schwein. Lange überlegten sein<br />
STRASSENNAMEN<br />
Die Bahnhofstraße 1968. Bildarchiv Georg Fritz<br />
Weib und er, ob sie das Fleisch<br />
eingraben oder im Heu verstecken<br />
sollten. Da kam seiner Frau Monika<br />
der rettende Gedanke: „Wir<br />
verstecken das Fleisch im Kamin,<br />
da sucht bestimmt kein Schwede.“<br />
Gesagt, getan.<br />
Als der Wiesschuster später – als<br />
die Schweden schon da waren –<br />
von der Kirchhofmauer aus auf<br />
sein Haus schaute, sah er, wie aus<br />
dem Kamin dicke Rauchwolken<br />
aufstiegen. Die Schweden hatten<br />
im Herd Feuer gemacht. Da dachte<br />
der Wiesschuster: „Jetzt ist das<br />
ganze Fleisch verdorben von dem<br />
vielen Rauch!“<br />
Als die Feinde wieder fort waren,<br />
gingen der Wiesschuster und seine<br />
Frau in ihr Haus zurück. Ihr<br />
Fleisch hing – wie erwartet –<br />
schwarz wie <strong>Kohl</strong>e im Kamin. Der<br />
Wiesschuster wollte das rußige<br />
Fleisch schon wegwerfen, aber da<br />
wusch seine sparsame Frau noch<br />
rasch den Ruß von einem Stück<br />
Fleisch ab, versuchte ein Stücklein<br />
und fand, dass es sehr gut<br />
schmeckt. Gleich ließ sie auch ihren<br />
Mann probieren. Auch ihm<br />
schmeckte das rauchige Fleisch<br />
sehr gut – und so war das Geräucherte<br />
erfunden.<br />
Quelle: Bildarchiv Georg Fritz<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
21
LEBENSLINIEN<br />
Spengler- und Installateurmeister Ludwig <strong>Kohl</strong>.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
Von Anja Fischer<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong> wurde am 22. März<br />
1940 in Augsburg geboren. Er war<br />
das erste Kind von Ludwig und<br />
Maria <strong>Kohl</strong>, die später noch seine<br />
Schwester Anneliese bekamen.<br />
Um die Familie herum herrschten<br />
bei der Geburt des Sohnes die<br />
Wirren des Zweiten Weltkrieges.<br />
„So klein ich damals war, an die<br />
Bombardierung Augsburgs 1944<br />
kann ich mich noch erinnern“; erzählt<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong>. „Den Bombenangriff<br />
haben wir bis nach Bobingen<br />
gehört.“ Gemeinsam mit<br />
Oma, Mutter, Schwester und der<br />
Magd musste der Vierjährige damals<br />
zum Schutz in den häuslichen<br />
Keller. Der Großvater, selbst Feuerwehrkommandant,<br />
sah während<br />
der Angriffe im Ort nach dem<br />
Rechten, der Vater war von 1941<br />
bis 1948 im Krieg und in der Gefangenschaft.<br />
22<br />
Der Einmarsch<br />
der Amerikaner<br />
1945 marschierten die Amerikaner<br />
in Bobingen ein, der Krieg war<br />
verloren. Auch der kleine Ort Bobingen<br />
wurde unter Aufsicht der<br />
Besatzungsmacht gestellt. „Jedes<br />
Gebäude wurde durchsucht“, erinnert<br />
sich Ludwig <strong>Kohl</strong>. Der Großvater<br />
hatte aus alten Patronenhülsen<br />
einen Brieföffner gebaut. Dieser<br />
erregte das Misstrauen der<br />
Amis. Auch eine alte Flasche<br />
Schnaps im Keller fiel auf. „Ein<br />
Amerikaner zeigte darauf“, berichtet<br />
<strong>Kohl</strong>. „Schnaps,“ sagte mein<br />
Großvater.“ Doch die Besatzer<br />
trauten der Sache nicht. „Mein<br />
Opa musste erst einen Schluck aus<br />
der Flasche trinken. Als nichts<br />
passierte, nahmen die Amis die<br />
Flasche mit.“ Doch nicht nur sol-<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
LUDWIG KOHL<br />
Spenglermeister, Installateurmeister<br />
& Feuerwehrkommandant<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong> ist in Bobingen bekannt wie kaum ein anderer. Mit dem Geschäft<br />
an der Hochstraße prägen er und seine Familie zudem seit Jahrzehnten<br />
das Ortsbild. Ludwig <strong>Kohl</strong> schöpfte stets aus seiner Verbundenheit mit<br />
Familie und Heimat die Kraft und Ruhe, die er für seine Aufgaben als<br />
Betriebsleiter und Feuerwehrkommandant, aber auch für sein Hobby,<br />
den Modellbau brauchte.<br />
Baby Ludwig. Bild: Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
che Erinnerungen hat Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong> aus dieser Zeit. Freundlich<br />
seien sie gewesen, die Amerikaner,<br />
sagt er. Sie errichteten südlich des<br />
heutigen Friedhofs ein Zeltlager.<br />
„Wir Kinder gingen oft hinüber<br />
und bettelten um Schokolade und<br />
Kaugummi. Eigentlich haben wir<br />
immer etwas bekommen“, sagt der<br />
heute 73-jährige, dessen Familie<br />
nicht aus ihrem Haus vertrieben<br />
wurde. „Weil wir nur ein Plumpsklo<br />
hatten“, schmunzelt er noch<br />
heute. Der Komfort war den Besatzern<br />
wohl nicht groß genug.<br />
Der Familie <strong>Kohl</strong> und ihren Einquartierungen<br />
aber musste er noch<br />
einige Zeit reichen.<br />
Kindheit<br />
Die Kindheit verlief ohne große<br />
Zwänge: an einen geregelten Kindergartenalltag<br />
im Haus der Bäuerin<br />
(heute Unteres Schlösschen)
LEBENSLINIEN<br />
Der kleine Soldat.<br />
war während des Krieges nicht zu<br />
denken. Der Bub ging zum Fußballspielen<br />
zum Nachbarn Hans<br />
Rottenegger und war sonst zur<br />
Freude seiner Eltern recht brav.<br />
Häufig schaute er dem Großvater<br />
bei seiner Arbeit über die Schulter.<br />
Dieser ersetzte ihm in den ersten<br />
Jahren den Vater. „Der war ja im<br />
Krieg und später in der Gefangenschaft“,<br />
erzählt <strong>Kohl</strong>. Der Großvater<br />
war es, der dem Jungen einen<br />
Roller zusammenschweißte. Das<br />
fertige Spielzeug hatte dann angeblich<br />
der Osterhase gebracht.<br />
Das konnte der Bub aber nicht<br />
recht glauben. „Der Roller war aus<br />
Stahlrohren mit Gummireifen, so<br />
etwas kann doch kein Osterhase<br />
legen“, bezweifelte er. Trotzdem:<br />
„Das war schon ein ganz besonderes<br />
Geschenk, so etwas hatte nicht<br />
jeder.“ Der Opa war es auch, der<br />
für Ludwig <strong>Kohl</strong> und seine<br />
Schwester Anneliese eine Schiffschaukel<br />
baute und in der <strong>Kohl</strong>enhütte<br />
aufhängte. „Da haben wir<br />
stundenlang geschaukelt“, freut<br />
sich Ludwig <strong>Kohl</strong> noch heute.<br />
24<br />
Schulzeit<br />
Mit Beginn der Schulzeit wurde<br />
der Tagesablauf strenger. 1946<br />
wurde Ludwig <strong>Kohl</strong> eingeschult.<br />
„In der Schule waren auch viele<br />
Flüchtlingskinder“, berichtet er.<br />
Die Schülerzahlen waren dementsprechend<br />
hoch. 64 Schüler waren<br />
es in der dritten Klasse. „Da hat<br />
man folgen müssen, sonst gab es<br />
Tatzen“, erzählt Ludwig <strong>Kohl</strong>. Er<br />
selber habe zum Glück nie welche<br />
bekommen. Überhaupt sei er<br />
ein braver und guter Schüler gewesen.<br />
„Außer im Singen, da hatte<br />
ich im Zeugnis nur eine Vier“,<br />
schmunzelt <strong>Kohl</strong>. Und das, obwohl<br />
der Vater bei der Liedertafel<br />
gewesen war. Zur Erstkommunion<br />
1949 gab es als Geschenke<br />
vor allem Eier und Butter. „Und<br />
einen Kuchen mit Zuckerglasur,<br />
das war etwas ganz besonderes“,<br />
erinnert sich der spätere<br />
Installateurmeister. Etwa um<br />
diese Zeit bekam Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
sein erstes Fahrrad. Es war<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
ein Tauschgeschäft, wie zu dieser<br />
Zeit üblich. „Wir lieferten an die<br />
Bauern <strong>Kohl</strong>en zum Heizen“, erzählt<br />
er. „Dafür bekamen wir Getreide.<br />
Einen Sack Getreide hat<br />
mein Vater in Inningen dann gegen<br />
ein Fahrrad für mich eingetauscht.“<br />
Ausbildung<br />
Nach dem Volksschulabschluss<br />
begann Ludwig <strong>Kohl</strong> an der Frenzelschule<br />
und der Fachschule für<br />
Spengler eine Ausbildung zum<br />
Spengler und Installateur. Zwei<br />
Jahre ging er in Augsburg in die<br />
Schule, fuhr täglich mit dem Zug<br />
dorthin. Die Monatskarte kostete<br />
6 DM. Viel gelernt habe er dort,<br />
erzählt Ludwig <strong>Kohl</strong>. Er war ein<br />
Musterschüler, zeigte Talent für<br />
seine Arbeit und fertigte die<br />
schönsten Stücke an. „Einmal<br />
habe ich eine Guglhupfform aus<br />
einer 42cm Kupferscheibe nahtlos<br />
herausgetrieben“, beschreibt er.<br />
„Ich dachte, die kann ich mit nach<br />
Hause nehmen. Dann kam der Direktor<br />
der Schule vorbei und wollte<br />
sie selbst für seine Frau haben, weil<br />
sie ihm so gut gefallen hat.“ Auch<br />
eine Blumenvase aus Aluminiumblech<br />
blieb als Ansichtsstück für<br />
nachfolgende Schüler in der Fachschule.<br />
Und selbst im Innungshaus<br />
der Spengler und Installateure sind<br />
bis heute Arbeitsproben von Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong> zu sehen. Sein Meisterstück<br />
war ein Schirmständer, den<br />
durfte er mit nach Hause nehmen.<br />
Dort tut er noch heute seinen<br />
Dienst. Talent und vor allem Geduld<br />
und Ruhe sorgen dafür, dass<br />
<strong>Kohl</strong> ein besonders guter Lehrling<br />
war. Schülerstreiche waren ihm<br />
fremd. „Man hat ja zu der Zeit<br />
auch noch Angst gehabt vor da-<br />
heim“, erinnert er sich. „Wenn es<br />
in der Schule was gegeben hätte,<br />
hätte man ganz schön Ärger bekommen.“<br />
Führerschein<br />
1958 machte Ludwig <strong>Kohl</strong> den<br />
Führerschein der Klasse 2 mit nur<br />
acht Fahrstunden. Das kostete damals<br />
etwa 300 DM. „Selbstverständlich<br />
bin ich vorher ein bisschen<br />
schwarz gefahren“, verrät<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong> nun, dass er doch<br />
nicht immer brav war. „Das war<br />
damals ja schon fast üblich. Viel<br />
Geld hatte man nicht, da durften<br />
die Fahrstunden nicht zu teuer<br />
kommen.“ Mit einem alten „Sputnik“<br />
ging es mit dem Großvater<br />
auf die Straße nach Oberottmarshausen,<br />
„da war man so gut wie immer<br />
alleine auf der Straße unterwegs“.<br />
An die abschließende Fahrprüfung<br />
erinnert sich Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong> noch gut. „Wir sind eigentlich<br />
nur geradeaus gefahren“, berichtet<br />
er. „Rückwärts einparken<br />
oder Wenden in drei Zügen – das<br />
musste ich nicht vorzeigen.“ In<br />
dieser Zeit arbeitete Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
bereits im elterlichen Betrieb mit.<br />
Wehrdienst<br />
Zwei Jahre später trat er in die<br />
Freiwillige Feuerwehr Bobingen<br />
ein. Ein weiteres Jahr verging,<br />
dann trat der Spengler und Installateur<br />
seinen Wehrdienst beim<br />
Heer in Dillingen an. „Als ich eingezogen<br />
wurde, sollten wir nur ein<br />
Jahr dienen“, erzählt <strong>Kohl</strong>. „Während<br />
meiner Dienstzeit wurde das<br />
dann auf 15 Monate verlängert.“<br />
Dennoch erinnert er sich gerne an<br />
diese Zeit. „Ich war hauptsächlich<br />
In der dritten Klasse 1949, Lehrerin war Frau Luise Butzer,<br />
verh. Kirrstetter. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong>
LEBENSLINIEN<br />
In der Tanzstunde. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong> Die Tankstelle der Familie <strong>Kohl</strong> im Juli 1980.<br />
als Kraftfahrer und Schreiber tätig.<br />
Mein Vorgesetzter war damals<br />
schon ein bisschen von mir abhängig,<br />
weil er nicht auf der Maschine<br />
schreiben konnte.“ Deshalb musste<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong> meist abends um<br />
10 Uhr beim Stubenrundgang die<br />
Meldung machen. Dann hieß es:<br />
Stube mit sechs Mann belegt und<br />
geputzt! „Das musste ich melden,<br />
weil dann normalerweise nicht<br />
mehr nachgeprüft wurde. Die Kameraden<br />
sagten immer, mit Dir<br />
kommen wir am leichtesten<br />
durch“, schmunzelt <strong>Kohl</strong>, der in<br />
dieser Zeit seine ersten Erfahrungen<br />
mit dem Skifahren machte.<br />
„Ich habe mich für eine Skifahrt in<br />
Oberjoch angemeldet und gesagt,<br />
dass ich schon Skifahren kann,<br />
sonst hätte ich nicht mitfahren<br />
dürfen“, erinnert er sich. „Als ich<br />
dann tatsächlich auf den Brettern<br />
stand und abfahren sollte, bin ich<br />
nur zum Stehen gekommen, wenn<br />
mich ein Baum gebremst hat.“<br />
Feuerwehr<br />
Zu Hause arbeitete Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
als Angestellter in der Firma seines<br />
Vaters. 1962 musste er ins Krankenhaus,<br />
ihm wurde der Blinddarm<br />
entfernt. Als Fachmann bemerkte<br />
der gelernte Installateur<br />
sofort, dass Tropfen etlicher Wasserhähne.<br />
Frisch operiert, gerade<br />
verbunden und quasi noch aus dem<br />
Krankenbett heraus, übernahm er<br />
gleich den Kundendienst und reparierte<br />
und überprüfte die Wasserhähne<br />
im Krankenhaus an der<br />
Lindauer Straße (heute Michael-<br />
Schäffer-Seniorenheim). 1966<br />
übernahm Ludwig <strong>Kohl</strong> bei der<br />
Freiwilligen Feuerwehr Bobingen<br />
das Amt des zweiten Kommandanten.<br />
Die technische Ausrüstung<br />
konnte man mit der heutigen<br />
nicht vergleichen. „Wir hatten<br />
nur 120 Meter Schlauch zur<br />
Verfügung. Bei Bränden wurde<br />
daher immer die Werksfeuerwehr<br />
von Hoechst geholt“, berichtet er.<br />
Von seinem Eltern- und Wohnhaus<br />
hatte er es dafür nicht weit<br />
zum Feuerwehrhaus. Dort, wo<br />
heute der „Schreitende Arbeiter“<br />
vor dem Zentrumsplatz steht,<br />
stand zu dieser Zeit in etwa die<br />
Feuerwache. Viel hat Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong> dort erlebt. Über manche<br />
Dinge kann er heute noch lachen.<br />
Andere Erinnerungen fallen dem<br />
73-Jährigen auch jetzt noch<br />
schwer. „Sehr geschlaucht hat<br />
mich ein Unglück am Bahnübergang<br />
in Kleinaitingen“, gibt <strong>Kohl</strong><br />
zu. „Damals starben fünf Menschen,<br />
darunter zwei Kinder. Es<br />
war schrecklich, als wir die leblosen<br />
Körper aus dem Auto herausziehen<br />
mussten.“ Auch der tödliche<br />
Unfall seines Bekannten Martin<br />
Neser traf den Feuerwehrler<br />
schwer. Trotzdem konnte ihn<br />
nichts davon abhalten, anderen<br />
Menschen zu helfen. Unzählige<br />
Male rückte er mit seinen Kameraden<br />
bei Bränden, Verkehrsunfällen<br />
oder zu technischen Hilfeleistungen<br />
aus. Die Feuerwehr – ein<br />
Hobby, das für Ludwig <strong>Kohl</strong> zur<br />
Berufung wurde und bis heute eine<br />
große Bedeutung für ihn hat. Beispielhaft<br />
übernahm er nicht nur<br />
die Aufgabe des zweiten Kommandanten,<br />
sondern von 1982 bis<br />
1991 auch die des ersten Kommandanten.<br />
In den Anfangszeiten<br />
wurde noch per Telefon alarmiert.<br />
„Manchmal ging man bei einem<br />
Einsatz auch vorne bei der Krone<br />
vorbei und sah nach, ob dort einige<br />
Kameraden saßen“, erinnert sich<br />
<strong>Kohl</strong>. Da habe es aber dann auch<br />
vorkommen können, dass der eine<br />
oder andere schon angetrunken<br />
gewesen sei. Die Fahrt zum Einsatz<br />
dürfte doch für Ernüchterung<br />
gesorgt haben. Beispielsweise zu<br />
einem Feldstadelbrand in Kleinaitingen.<br />
„Der Stadel war voller<br />
Stroh und brannte lichterloh“, erzählt<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong>. Schon im<br />
Hinweg habe man von weitem den<br />
Feuerschein gesehen. Die Kleinaitinger<br />
Feuerwehr habe auch schon<br />
gefunkt, man solle langsam und<br />
ohne Licht fahren, denn man hatte<br />
sich entschlossen, den Stadel kontrolliert<br />
abbrennen zu lassen. „Das<br />
wäre das Gescheiteste gewesen“,<br />
ist sich <strong>Kohl</strong> heute noch sicher. „Es<br />
war ja ein Feldstadel, da konnte<br />
außen rum nichts passieren.“ Sonst<br />
hätte man noch ein paar hundert<br />
Meter Schlauchleitung legen müssen,<br />
bis zur nächsten Wasserquel-<br />
Das liebste Spielzeug<br />
des Mannes ... sein Grill!<br />
SCHUSTER<br />
& KOHL<br />
Hochstraße 17, Bobingen<br />
Telefon 0 82 34-90 22 80<br />
www.schuster-kohl.de<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
25
LEBENSLINIEN<br />
Bei einem Brand im Mayerweg. Ludwig <strong>Kohl</strong> (mitte) trägt Atemschutz. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
le. Dann sei die Kripo gekommen<br />
und habe gedroht, die Feuerwehr<br />
aus Lechfeld rufen zu lassen, wenn<br />
nicht gelöscht wurde. „So haben<br />
die Kameraden drei Tage gelöscht“,<br />
weiß <strong>Kohl</strong> noch. So lange<br />
dauerte es, bis alle Brandnester im<br />
Stroh gefunden und gelöscht waren.<br />
Heirat mit Felizitas<br />
„Damals war alles noch unbürokratischer“,<br />
sagt Ludwig <strong>Kohl</strong>.<br />
„Später habe ich oft gesagt: Für<br />
was man als Kommandant alles gerade<br />
stehen muss, da steht man im-<br />
26<br />
mer mit einem Fuß im Gefängnis!“<br />
Freiwillig in Ketten begab er<br />
sich aber gerne: als er seine Frau<br />
Felizitas kennen lernte. „Sie bediente<br />
in der Wirtschaft „beim<br />
Ochsen“ im Ort“, erzählt er. Die<br />
gehörte ihren Eltern. Mit Kolping<br />
und Feuerwehr sei er oft dort gewesen.<br />
Irgendwann fasst sich Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong> ein Herz und lud das<br />
hübsche Mädchen zu einem Ausflug<br />
ein. Am 17. Juni 1970 fuhren<br />
die beiden dann nach Rothenburg<br />
ob der Tauber. „Sonst sah man sich<br />
ja nur Sonntags, selten unter der<br />
Woche. Da hatte man keine Zeit,<br />
sich zu treffen.“ Mit dem Hochzeitstag<br />
im Juli 1974 zog das Pär-<br />
Beim Handwerker- und Bauernmarkt 1994 zeigt Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
seine Kunst.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
chen erst zusammen. „Wir hatten<br />
zwar ein eigenes Zimmer, meist<br />
aber saß man in der Wohnstube<br />
mit der Familie beieinander“, sagt<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong>, der an seinem eigenen<br />
Hochzeitstag noch bis Mittag<br />
arbeitete und die elterliche Tankstelle<br />
betreute. „Um 13.30 Uhr<br />
wurde erst geheiratet, da konnte<br />
man vorher schon noch arbeiten“,<br />
schmunzelt er. Die Tankstelle<br />
wurde in der Früh schon um 8 Uhr<br />
geöffnet. Das galt auch für den<br />
nächsten Tag, obwohl Freunde des<br />
Paares am Abend zuvor einiges<br />
„angestellt“ hatten. „Wir standen<br />
deshalb gleich in der Früh wieder<br />
auf, da war nichts mit liegen blei-<br />
ben, es sollte alles wieder ordentlich<br />
sein, bis die ersten Kunden<br />
kommen.“ Doch da waren Mutter<br />
Maria und Schwester Anneliese<br />
bereits schneller gewesen. Sie<br />
wollten dem frischverheirateten<br />
Pärchen etwas Gutes tun und hatten<br />
schon die Unordnung vor dem<br />
Haus beseitigt.<br />
Die Kinder<br />
Schon ein Jahr später kam am<br />
3. Januar 1975 Sohn Albert auf die<br />
Welt. Anderthalb Jahr später am<br />
27. Juli 1976 Sohn Bernhard. „Es<br />
war eine schöne Zeit damals mit<br />
Hebauf für das jetzige Feuerwehrgerätehaus mit Bürgermeister<br />
Alois Häring.
Beim Modellbau.<br />
den Kindern“, sagt Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
rückblickend. „Wir hatten im Hof<br />
einen abgezäunten Garten, in dem<br />
die Buben sicher spielen konnten.<br />
Hinter zur Werkstatt fuhren ja<br />
laufend Autos durch, das wäre zu<br />
gefährlich gewesen.“ 1973 starb<br />
Ludwig <strong>Kohl</strong>s Vater. Seine Mutter<br />
Maria übernahm noch drei Jahre<br />
das Geschäft, bis sie es 1976 an ihren<br />
Sohn übergab. Es bestand damals<br />
aus einer Werkstatt, dem Laden<br />
und der Tankstelle. Schon<br />
früh zeigten beide Jungen Interesse<br />
an der Arbeit ihres Vaters und<br />
wollten gerne in der Werkstatt<br />
mithelfen. Sohn Bernhard beispielsweise<br />
liebte es, wenn sein Vater<br />
nach Augsburg zu den Großhändlern<br />
fuhr und war daher fast<br />
immer mit von der Partie. Kein<br />
Wunder also, dass die beiden Buben<br />
später einmal das Familiengeschäft<br />
übernahmen. 1999 wurde<br />
mangels Erweiterungsmöglichkeiten<br />
an der Hochstraße der Betrieb<br />
geteilt: Albert <strong>Kohl</strong> zog mit<br />
<strong>Kohl</strong> Wasser & Wärme in die Gutenbergstraße,<br />
Bernhard <strong>Kohl</strong><br />
blieb mit Schuster & <strong>Kohl</strong> am angestammten<br />
Platz, erweiterte<br />
Schritt für Schritt das Sortiment<br />
Das erste Schiffsmodell: ein Zerstörer.<br />
und sorgte 2004 mit einem Ladenumbau<br />
für ein weithin attraktives<br />
Geschäft.<br />
Rückzug aus dem<br />
Betrieb<br />
Im Laden lässt sich Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
noch regelmäßig blicken und auch<br />
bei <strong>Kohl</strong> Wasser & Wärme sah er<br />
in den Anfangszeiten täglich nach<br />
dem Rechten. Doch trotz aller<br />
Präsenz redete er seinen Söhnen<br />
nie in ihre Arbeit und Ideen hinein.<br />
„Ich habe erlebt, wie mein<br />
Großvater das immer bei meinem<br />
Vater machte und wollte das ganz<br />
bewusst vermeiden“, erzählt <strong>Kohl</strong>.<br />
„Ich habe mir vorgenommen, so<br />
Die Takellage wird mit der Pinzette geknotet. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong><br />
LEBENSLINIEN<br />
einen Fehler nicht zu machen und<br />
meine Söhne selber machen zu lassen.“<br />
Deshalb habe er sich gleich<br />
nach der Übergabe schon sehr zurückgezogen<br />
und bald gesehen,<br />
dass die Entscheidung richtig gewesen<br />
sei. „Die Jungen haben ihre<br />
Betriebe im Griff“, weiß er heute.<br />
Hobby Modellbau<br />
Einen Ausgleich zum Berufsleben<br />
fand Ludwig <strong>Kohl</strong> stets in seinem<br />
liebsten Hobby, dem Modellbau.<br />
Mit fünfzehn Jahren baute er sein<br />
erstes Schiff. Später, vor allem als<br />
seine beiden Söhne noch klein waren,<br />
kamen ferngesteuerte Autos<br />
und Eisenbahnen dazu. „Die<br />
Technik hat mich daran immer<br />
fasziniert“, berichtet Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong>. „Gerade bei den Autos<br />
musste ja der ganze Motor aus<br />
Einzelteilen zusammengesetzt<br />
werden.“ So baute <strong>Kohl</strong> auch eine<br />
Dampfmaschine, sein Herz gehörte<br />
allerdings weiterhin dem<br />
Schiffsmodellbau. Zu seinem<br />
50ten Geburtstag bekam er von<br />
seinen Feuerwehrkameraden ein<br />
Modell der „Victory“ geschenkt.<br />
„Aber das musste noch bis zu meinem<br />
Ruhestand warten, dazu<br />
brauchte ich viel Zeit“, erzählt der<br />
Installateur- und Spenglermeister,<br />
der einmal ein Schiff mit italienischer<br />
Beschreibung fertigte.<br />
Strickleitern und Flaschenzüge<br />
mussten bei seinem großen Werk<br />
mit Pinzetten geknüpft werden.<br />
Viel Geduld benötigte Ludwig<br />
<strong>Kohl</strong> für diese Arbeiten. „Es war<br />
ein Ausgleich für die Hektik im<br />
Geschäft“, meint er.<br />
Heute hat das große Modell einen<br />
Ehrenplatz bekommen. Hinter<br />
Glas erinnert es an unzählige Arbeitsstunden<br />
und begeistert die<br />
Besucher.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
27
KIRCHE<br />
Von Anja Fischer<br />
Die Pestzeit während des Dreißigjährigen<br />
Krieges mit ihren<br />
Schrecknissen übte einen nachhaltig<br />
tiefen Eindruck auf die Menschen<br />
aus. Allethalben wurden damals<br />
St. Sebastianbruderschaften<br />
gegründet, da St. Sebastian als<br />
Pestheiliger angerufen wurde. Er<br />
28<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
SEBASTIANKAPELLE<br />
St. Sebastian und die Pest<br />
Sie gehört zum Ortsbild und wird dennoch oft übersehen:<br />
Die Sebastiankapelle an der Kreuzung Bischof-Ulrich-Straße und<br />
Sebastianweg. Die kleine Grotte hat schon ein Stück <strong>Geschichte</strong><br />
hinter sich gebracht. Obwohl St. Sebastian als Pestheiliger verehrt<br />
wird, erinnert er in Bobingen an etwas anderes.<br />
Die ehemalige Sebastiankapelle und heutige Mariengrotte.<br />
sollte die Menschen, die an ihn<br />
glaubten und ihn um Hilfe baten,<br />
vor dem „schwarzen Tod“ schützen.<br />
Trotzdem verwüstete und<br />
entvölkerte die Pest regelmäßig<br />
ganze Landstriche. Umherziehende<br />
Soldaten, fahrendes Volk oder<br />
schwedische Truppen mögen es<br />
gewesen sein, die während des<br />
Dreißigjährigen Krieges die Pest<br />
Ein Blick in die Grotte. Bilder: Anja Fischer<br />
nach Bobingen brachten. Im Jahre<br />
1628 sprang der Schwarze Tod<br />
von Gehöft zu Gehöft und schlich<br />
sich in die Sölden ein, um dort ein<br />
Menschenleben nach dem anderen<br />
unter grauenvollen Schmerzen<br />
zu beenden. Der damalige Pfarrer<br />
Flexlin erkrankte ebenfalls schwer<br />
und weil seit 1550 das Frühmeßbenefizium<br />
mit der Pfarrei vereinigt<br />
war, starben die Leute in Massen<br />
ohne geistlichen Beistand. Die<br />
Bemühungen des bischöflichen<br />
Sieglers, einen Ordenspriester von<br />
den Barfüßern oder Kapuzinern<br />
nach Bobingen senden zu können,<br />
scheiterten an den fadenscheinigen<br />
Ausreden der Angesprochenen.<br />
Kein Pfarrer da<br />
Daraufhin schickte das Generalvikariat<br />
den Pfarrer Georg Huber<br />
von Winkel. Nach wenigen Tagen<br />
hatte sich der mutige Geistliche<br />
tödlich infiziert und nach zehn<br />
Tagen starb er an der Pest. Nach<br />
sechs Wochen schickte das Generalvikariat<br />
den jungen Pfarrer<br />
Hans Vögelin aus Schwabeck. Zu<br />
diesem Zeitpunkt waren bereits<br />
200 Einwohner „sine luce et cruce“<br />
(ohne geistlichen Beistand) an der<br />
Pest gestorben. Die Pest endete<br />
dann unvermittelt, wie sie begonnen<br />
hatte. Vorerst....<br />
1635 überfiel die Pest erneut Bobingen<br />
und der damalige Pfarrer<br />
Georg Merz starb, wie viele andere<br />
auch. Von Göggingen bis Schwabmünchen<br />
waren damals die Gemeinden<br />
ohne Priester, weil alle<br />
durch die Pest hinweggerafft worden<br />
waren. In Bobingen überlebten<br />
nur 30 Frauen und 30 Männer<br />
diesen zweiten, furchtbaren Pestzug.<br />
Nur 4 Jauchert Gerste (4 Tagwerk)<br />
wurde in diesem Jahr eingesät.<br />
St. Sebastian als<br />
Pestheiliger<br />
In der Kunst des Mittelalters wurde<br />
die Pest durch schwarze Pfeile<br />
dargestellt, die Gott vom Himmel<br />
auf die sündige Menschheit herabschleudert.<br />
Die Menschen damals<br />
glaubten, Gott strafe sie mit<br />
Krankheit und Tod für ihr sündiges<br />
Treiben auf Erden. Dagegen<br />
half allenfalls das Gelübde eines<br />
fortan sündenfreien und ordentlichen<br />
Lebenswandels oder das Gebet<br />
zum Pestheiligen St. Sebastian.<br />
Dieser gilt seit den Pestjahren<br />
680 (Pest in Rom), 1575 (Pest in<br />
Mailand) und 1599 (Pest in Lissabon)<br />
als Patron gegen Pest und<br />
Viehseuchen, denn man schreibt<br />
es ihm zu, dass in den genannten<br />
Städten die Pest schließlich erlosch.<br />
Sebastian wurde in Narbonne<br />
(Frankreich) geboren und<br />
in Mailand zum Soldaten erzogen.<br />
Endlich wurde er Befehlshaber der<br />
kaiserlichen Leibwache des römischen<br />
Cäsaren Diokletian (284 bis
In der Hochstraße wachte der heilige Sebastian über ein Haus.<br />
305 n. Chr.) Wegen seiner christlichen<br />
Gesinnung, ließ ihn der<br />
Kaiser im Jahre 288 von Bogenschützen<br />
erschießen. Sebastian<br />
wurde, ohne tödlich getroffen zu<br />
sein, heimlich von christlichen<br />
Freunden gerettet. Kaum wieder<br />
genesen, wurde er jedoch in der<br />
Rennbahn seines Palastes mit<br />
Keulen erschlagen.<br />
Wegen der Darstellung der Pest in<br />
Gestalt von schwarzen Pfeilen,<br />
wurde Sebastian, der ja mit seinem<br />
Körper ebensolche Pfeile aufgefangen<br />
hatte, als Pestheiliger verehrt.<br />
Man errichtete in und nach<br />
Pestzeiten zu seinen Ehren Standbilder<br />
und Kapellen. Die Überlebenden<br />
der Pest schlossen sich zudem<br />
zu Bruderschaften zusammen<br />
und legten Gelübde ab, die sie<br />
Jahrhunderte durch streng beachteten.<br />
Gelöbnis der Bauern<br />
Als die Pest in Bobingen 1635,<br />
also nach sieben grauenvollen Jahren,<br />
erlosch, gelobten die <strong>Bobinger</strong><br />
Bauern, an den Vorabenden vor<br />
Weihnachten, Neujahr und Heilige<br />
Drei Könige durch den Pfarrmeßner<br />
nach der Vesper mit geweihtem<br />
Rauch die Häuser im<br />
Dorf ausräuchern zu lassen. Während<br />
der Ausräucherung wurde die<br />
große Glocke geläutet, der Meßner<br />
sprach ein bestimmtes Gebet<br />
aus dem Ritual und die gesamte<br />
Einwohnerschaft betete um Abwendung<br />
des Schwarzen Todes<br />
und der Viehseuchen. Der Meßner<br />
erhielt dafür beim ersten und<br />
zweiten Mal von jedem Haus einen<br />
Laib Brot. Beim dritten Ausräuchern<br />
zahlten die Bauern zwei<br />
bis drei Kreuzer, die Söldner einen<br />
Kreuzer oder vierzehn Heller.<br />
1754 wurde das Häuserausräuchern<br />
durch die fürstbischöfliche<br />
Regierung verboten. Die in Bobingen<br />
gegründete St. Sebastianbruderschaft<br />
löste sich vollkommen<br />
auf.<br />
Das einzige, was an diese Bruderschaft<br />
noch erinnert, ist der feierliche<br />
Gottesdienst am Sebastiantag<br />
(20. Januar) und die Betstunde am<br />
Sonntag nach St. Sebastian, welche<br />
die Gemeinde Bobingen in der<br />
Pestzeit für ewige Zeiten einzuhalten<br />
gelobte, zur Erinnerung an<br />
jene furchtbare Seuchenzeit.<br />
Hintergrund der<br />
Kapelle<br />
Die Sebastiankapelle in Bobingen<br />
hat einen anderen Hintergrund<br />
und eine andere <strong>Geschichte</strong>. Das<br />
kleine Kapellchen am Wegesrand,<br />
an dem die Fußgänger meist vorüberschreiten,<br />
ohne einmal innezuhalten,<br />
ist ein Ort, an dem sicherlich<br />
so manches Stoßgebet in den<br />
Himmel gesandt wurde. Und<br />
trotzdem ist es heute ein wenig in<br />
Vergessenheit geraten. Einzig die<br />
Kinder stehen oft staunend am<br />
Gitter und schauen sich die Figuren<br />
und den Blumenschmuck an.<br />
Die Kapelle wurde in der Mitte des<br />
vergangenen Jahrhunderts vom<br />
Besitzer des Anwesens erbaut. Er<br />
spendete den Schrein nach einer<br />
überstandenen Roßseuche und rief<br />
den Heiligen damit in seiner<br />
Funktion als Schutzpatron gegen<br />
Viehseuchen an. Seither steht die<br />
Kapelle am gleichen Fleck.<br />
Wandlung zur<br />
Mariengrotte<br />
1889 und 1893 strömte bei plötzlichem<br />
Tauwetter das Schneewasser<br />
von den höher gelegenen Feldern<br />
auf dem Lechfeld in das Dorf Bobingen.<br />
Die St. Sebastiankapelle,<br />
die damals noch tiefer lag als heute<br />
und unter dem im Laufe der Zeit<br />
erhöhten Feldweg stand, lief voll<br />
Wasser und Schlamm. Dies wiederholte<br />
sich fast in jedem Frühjahr<br />
der folgenden Jahre.<br />
Bei einer schweren Geburt im<br />
März 1913 gelobte die Brauereibesitzersehefrau<br />
Schempp die Renovierung<br />
der St. Sebastiankapelle,<br />
wenn der liebe Gott ihr nur das<br />
Kindlein lassen wollte. Nachdem<br />
sie und das Kind die Geburt gesund<br />
überstanden hatten, löste sie<br />
ihr Versprechen an den Himmelsvater<br />
ein. Im Juni 1913 führte der<br />
Flußmeister Schmied aus Augs-<br />
KIRCHE<br />
Der heilige Sebastian in der<br />
Pfarrkirche St. Felizitas.<br />
Bilder: Anja Fischer<br />
burg-Oberhausen die Instandsetzung<br />
der Kapelle durch. Er nahm<br />
dabei die Grotte von Lourdes als<br />
Vorbild und machte aus der Sebastiankapelle<br />
eine Mariengrotte. Vor<br />
einer Marienerscheinung auf der<br />
künstlichen Grottenwand kniet<br />
nun ein betendes Mädchen. Der<br />
Boden der Kapelle wurde erhöht.<br />
Zudem wurde 1960 eine Madonnenstatue<br />
erworben und vervollständigt<br />
nun das Bild.<br />
Quellen:<br />
Meinrad Hafner, Georg Fritz, Buch:<br />
Bobingen – Beiträge zur Heimatgeschichte,<br />
Dr. Herbert Schäfer<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
29
SOZIALES<br />
Von Anja Fischer<br />
30<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
WELTLADEN BOBINGEN<br />
Jedes Produkt hat ein Gesicht<br />
Hartmut und Hertha Blauert hätten<br />
es sich vor knapp zehn Jahren<br />
nicht träumen lassen, dass aus ihrer<br />
Idee von einem Weltladen in Bobingen<br />
einmal ein gutgehendes<br />
Unternehmen wird. Auf Reisen<br />
durch Peru und Mexico hatten die<br />
beiden hautnah erlebt, wie sich die<br />
Gesetze des konventionellen<br />
Welthandels auf die dortige Bevölkerung<br />
auswirken. „Seit einer<br />
Reise 1997 nach Südamerika ließ<br />
mich der Gedanke nicht los, etwas<br />
für die sogenannte „Dritte“ Welt<br />
zu tun“, beschrieb es damals Herta<br />
Blauert. Aufgrund dieser Eindrücke<br />
startete das umtriebige Ehepaar,<br />
das sich damals schon viele<br />
Jahre im Ehrenamt engagierte, die<br />
Gründung des Weltladens Bobingen.<br />
Herta Blauert arbeitete bereits<br />
seit Oktober 2003 im Weltladen<br />
Augsburg und empfand ihre<br />
Tätigkeit dort als persönliche Bereicherung.<br />
Sie wollte aber mehr<br />
tun, sich mehr für den „Fairen<br />
Handel“ einsetzen. So kam die<br />
Idee auf, den Weltladen in Bobingen<br />
als Filiale des Weltladens<br />
Augsburg ins Leben zu rufen. Der<br />
Laden wird heute sehr gut angenommen,<br />
überwiegend kaufen<br />
Stammkunden die fair gehandelten<br />
Produkte. Neue Besucher sind<br />
„Wenn die Länder des Überflusses den Entwicklungsländern gerechte Preise<br />
für ihre Produkte zahlen würden, könnten sie ihre Unterstützung und ihre<br />
Hilfspläne für sich behalten.“ Zitat von Dom Helder Camara, „Bischof der<br />
Armen und Unterdrückten“, Brasilien.<br />
Ein Blick in den Weltladen. Bilder: Anja Fischer<br />
zumeist erstaunt, wenn sie zum<br />
ersten Mal im Weltladen einkaufen.<br />
„Für die angebotene Qualität<br />
sind wir nicht teuer, gerade beim<br />
Kunsthandwerk“, erzählt Herta<br />
Blauert. „Viele sind darüber erstaunt.“<br />
Geburtsstunde<br />
Am 3. Mai 2004 um 18 Uhr war<br />
die Geburtsstunde des Weltladens<br />
Bobingen. Im Treffpunkt „Soziale<br />
Stadt“, direkt neben den späteren<br />
Räumlichkeiten, fand das erste<br />
Treffen statt, bei dem ehrenamtli-<br />
Riefen den Weltladen ins Leben: Hartmut und Herta Blauert.<br />
che Mitarbeiter für die Arbeit im<br />
Laden gesucht wurden. Über dreißig<br />
interessierte Bürger kamen zur<br />
Gründungsversammlung der neuen<br />
Filiale des Weltladens Augsburg.<br />
Zehn Freiwillige fanden<br />
sich, um in ehrenamtlicher Arbeit<br />
den ersten <strong>Bobinger</strong> Weltladen zu<br />
betreiben, der schon nach kurzer<br />
Zeit eröffnet werden konnte. Sie<br />
waren von nun an zuständig für die<br />
Betreuung des Ladens während<br />
der Öffnungszeiten. Ergänzend<br />
wurden und werden sie durch<br />
die Dritte-Welt-Laden GmbH<br />
Augsburg in den Fragen der Organisation,<br />
der Verwaltung und der<br />
Einladend auch von außen.<br />
Geschäftsführung unterstützt.<br />
Untergebracht wurde der kleine<br />
Laden im Treffpunkt Soziale<br />
Stadt – ein Vorschlag, von dem<br />
Stadt, Quartiersmanagement und<br />
Weltladen profitierten.<br />
Gute Partnerschaft<br />
Das Konzept des Weltladens passt<br />
optimal zum Konzept der Sozialen<br />
Stadt. Die Räume im zur Hochstraße<br />
liegenden Bereich des<br />
Treffpunkts boten große Schaufenster<br />
und genügend Platz.<br />
Chancen boten sich in der Zentrumslage,<br />
die Treffpunktbesucher<br />
konnten zwanglos in Kontakt zum<br />
Laden treten, daneben baute Interesse<br />
am Weltladen Hemmungen<br />
gegenüber dem Treffpunkt ab.<br />
Kurz gesagt: Treffpunkt und<br />
Weltladen unterstützen und stützten<br />
einander in ihrer Aufbauphase<br />
und sorgten gemeinsam dafür,<br />
dass aus beiden Projekten eine Erfolgsgeschichte<br />
wurde. Die evangelische<br />
und katholische Pfarrei<br />
der Gemeinde sah den Aufbau des<br />
Weltladens zusätzlich positiv,<br />
ebenso wie die Stadt Bobingen.<br />
Alle zogen an einem Strang, um<br />
die gute Sache ins Leben zu rufen.<br />
„Ohne die Dritte-Welt-Laden<br />
GmbH und ohne die gute Zusam-
Praktisch und schön.<br />
menarbeit mit der Stadt Bobingen<br />
sowie dem Quartiersmanagement<br />
und dem Netzwerk Soziale Stadt<br />
hätte der Aufbau des Weltladens<br />
Bobingen nicht so schnell funktionieren<br />
können“, veröffentlichte<br />
das Team im Juni 2004 im <strong>Bobinger</strong><br />
Stadtboten. „Alle im Hinblick<br />
auf die Filiale Bobingen anfallenden<br />
Kosten werden von der Dritte-<br />
Welt-Laden GmbH getragen. Die<br />
Tagesgeschäfte werden von den<br />
<strong>Bobinger</strong> Freiwilligen selbstverantwortlich<br />
übernommen.“<br />
Die Eröffnung<br />
Die offizielle Eröffnung des Ladens<br />
erfolgte am 2. Juli 2004 mit<br />
einem Einweihungsfest. Gefeiert<br />
wurde mit Musik aus fernen Ländern,<br />
türkischen und mexikanischen<br />
Folkloretänzen. Darüber hinaus<br />
stellte das Weltladen-Team<br />
seine Produkte vor. Kaffee und<br />
Tee aus Fairem Handel, sowie<br />
weitere Lebensmittel, beispielsweise<br />
Honig und Nüsse, konnten<br />
an diesem Abend an einem selbstgemachten<br />
Buffet gekostet werden.<br />
„Solidarität geht uns alle an“,<br />
war das Schlagwort der Eröffnungsfeier.<br />
„Täglich sterben mehr<br />
als 20.000 Menschen weltweit am<br />
Hunger“, erklärte der ehrenamtliche<br />
Geschäftsführer der Weltladen<br />
GmbH, Raimund Kamm.<br />
„Was nützt Entwicklungshilfe,<br />
wenn der unfaire Handel gefördert<br />
wird.“ Im Weltladen würden dagegen<br />
Waren aus der Dritten Welt<br />
zu Fairen Preisen verkauft, damit<br />
auch die Erzeuger leben können.<br />
Dabei wollen die Läden nicht nur<br />
„lieb und nett“ sein und Kaffee anbieten.<br />
Vielmehr sehen sie sich als<br />
Forum, wo Menschen kritisch, engagiert<br />
und eigenverantwortlich<br />
handeln und auch „den Mund aufmachen“,<br />
wenn es um Skandale in<br />
der Welt geht.<br />
Vorerst an zwei Wochentagen<br />
konnten die Waren aus Fairem<br />
Handel nun in Bobingen erworben<br />
werden. Vor allem Kaffee, Tee,<br />
Kleinkunst und Spielzeug aus<br />
der Dritten Welt gehören auch<br />
heute noch zum umfangreichen<br />
Sortiment. Schokolade, Honig,<br />
Schmuck, kleine Mitbringsel und<br />
Geschenke wie Specksteinherzen,<br />
Badesalze und Seifen, Klangschalen,<br />
Räucherstäbchen, Kinderbücher<br />
oder Musik-CD’s werden neben<br />
vielen anderen Gegenständen<br />
angeboten. Aus allen Dingen fertigen<br />
die Mitarbeiter auch individuelle<br />
Geschenkpackungen an.<br />
Philosophie<br />
Der Weltladen bietet Produkte aus<br />
Fairem Handel. Für diese Produkte<br />
erhalten die Erzeuger höhere<br />
Preise als auf dem Weltmarkt üblich.<br />
Längerfristige Abnahmegarantien<br />
und Vorfinanzierung stabilisieren<br />
die wirtschaftliche Lage<br />
der Partner. Unter diesen gerechteren<br />
Bedingungen können sie<br />
sich aus eigener Kraft eine menschenwürdige<br />
Existenz aufbauen.<br />
Die Handelspartner sind Kleinproduzenten<br />
in Selbsthilfegruppen<br />
und Genossenschaften.<br />
Einkaufen heißt dabei entscheiden:<br />
Ein neuer gerechterer Handel<br />
wird nicht nur für die Zukunft gefordert,<br />
sondern bereits heute<br />
Stück für Stück realisiert. Denn<br />
der Faire Handel trägt seit über<br />
40 Jahren zur Verbesserung der<br />
Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />
in den Ländern des Südens bei. Es<br />
ist den Mitarbeitern im Weltladen<br />
Bobingen wichtig, immer wieder<br />
über die Produkte und deren Herkunft,<br />
als auch über den Sinn und<br />
die Hintergründe des Fairen Handels<br />
zu informieren. Immerhin<br />
tragen die Kunden mit dem Kauf<br />
der Produkte dazu bei, dass immer<br />
mehr Produzenten in den Ländern<br />
des Südens gerechte Löhne erhalten,<br />
deren Kindern eine Schulausbildung<br />
gewährleistet und denen<br />
ein menschenwürdiges Leben ermöglicht<br />
wird.<br />
Vorträge<br />
Immer wieder machte der Weltladen<br />
in den letzten zehn Jahren<br />
SOZIALES<br />
Kinderbücher vermitteln das Thema Fairer Handel.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
durch Vorträge auf sich und seine<br />
Thematik aufmerksam. Ein Vortrag<br />
über Bananen aus Fairem<br />
Handel machte 2004 den Anfang,<br />
ihm folgte ein Vortrag über Blumen<br />
aus schonendem Anbau. Veranstaltungen<br />
wie ein Faires Frühstück<br />
oder ein Motto wie die Faire<br />
Woche im Weltladen waren immer<br />
wieder Anziehungspunkte für<br />
Kunden und große Erfolge für das<br />
Team. Denn die Menschen vom<br />
<strong>Bobinger</strong> Weltladen sehen es nicht<br />
nur als ihre Aufgabe an, durch den<br />
Verkauf der fair gehandelten Wa-<br />
ren die Bauern und Erzeuger in armen<br />
Ländern zu unterstützen,<br />
sondern auch die Verbraucher zu<br />
informieren. Über die Geschäftsbedingungen<br />
großer Konzerne,<br />
über den Einsatz von Spritzmitteln<br />
und Pestiziden per Hand, über<br />
Kinderarbeit und über Familien,<br />
die verhungern müssen, obwohl sie<br />
den ganzen Tag hart arbeiten. Die<br />
Liste ließe sich wohl noch lange<br />
fortsetzen und genau da setzt das<br />
Team vom Weltladen mit seiner<br />
Informationspolitik an. „Menschen<br />
müssen informiert werden,<br />
www.hausmaurer-service.de<br />
Nach überdurchschnittlich erfolgreich abgelegter Meisterprüfung<br />
vor der Handwerkskammer Unterfranken, wurde Richard Zerle<br />
1996 der Meisterpreis der bayerischen Staatsregierung verliehen.<br />
Die anschließend gegründete Einzelfi rma ist seit Juni 2007<br />
als Zerle Bau GmbH im Handelsregister eingetragen.<br />
Die Leistungen des Bauunternehmens umfassen im Wesentlichen die Bereiche<br />
Sanierung, Um- bzw. Neubau, Innen- und Außenputze<br />
sowie Wärmedämmung.<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
31
SOZIALES<br />
was auf der Welt geschieht und<br />
warum wir uns für den Fairen<br />
Handel einsetzen“, findet Hartmut<br />
Blauert, der lange Jahre für die<br />
Öffentlichkeitsarbeit zuständig<br />
war. So wurde schon im ersten Jahr<br />
des Weltladens mit den Vorträgen<br />
und Informationsveranstaltungen<br />
begonnen.<br />
32<br />
Der Weltladen<br />
etabliert sich<br />
Das Jahr 2005 begann mit einem<br />
Frühstück für die Flutopfer in Sri<br />
Lanka. Fair gehandelte Produkte<br />
halfen damit nicht nur den Produzenten,<br />
sondern auch Menschen in<br />
Not. Die Mitarbeiter des Weltladens<br />
stellten dabei die Frage in den<br />
Raum, ob Menschen nach der Katastrophe<br />
auch in Ruhe frühstücken<br />
können. Oder ob sie überhaupt<br />
etwas zum Frühstücken haben<br />
und entschlossen sich zu dieser<br />
Hilfsaktion. Die Mitarbeiterinnen<br />
bereiteten mit viel Engagement<br />
ein schmackhaftes Frühstück zu,<br />
zu dem sich rund 150 Personen im<br />
Treffpunkt einfanden. So kamen<br />
Spenden von knapp 560 Euro zu-<br />
sammen, die noch einmal um<br />
450 Euro aufgestockt wurden.<br />
Warenverkauf am Misereorsonntag,<br />
die Präsentation des Weltladens<br />
am Internationalen Frauentag<br />
und bei zahlreichen anderen<br />
Veranstaltungen – bald war der<br />
Weltladen aus dem <strong>Bobinger</strong> Veranstaltungsprogramm<br />
nicht mehr<br />
wegzudenken.<br />
Schokoladentag<br />
Eine ganz besondere Veranstaltung<br />
fand im Ferienprogramm der<br />
Stadt Bobingen statt. Einen<br />
„Schokoladentag“ veranstaltete<br />
der Weltladen im „Treffpunkt Soziale<br />
Stadt“. Mit Begeisterung bereiteten<br />
sich 21 Kinder selbst ein<br />
Schokoladen-Fondue zu. Vor dem<br />
leckeren Vergnügen erfuhren sie<br />
aber, wo die Schokolade herkommt,<br />
die sie so gerne essen.<br />
Christine Müller und Jutta Fricke<br />
vom Weltladen erklärten den fünf<br />
bis zehn Jahre alten Mädchen und<br />
Buben anhand von Bildtafeln die<br />
Herkunft und Produktion der Nascherei,<br />
die es in Europa erst seit<br />
etwa 500 Jahren gibt. Besonders<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
erwähnt wurde dabei natürlich,<br />
dass der Weltladen durch den Verkauf<br />
von „fairer Schokolade“ die<br />
Anbauer unterstützt, die dadurch<br />
mit ihren Familien ein besseres<br />
Leben führen können. Nach dem<br />
Vortrag kam das Vergnügen: unter<br />
der fachkundigen Leitung von<br />
Helga Fischer bereiteten die Kinder<br />
das Fondue zu. Äpfel, Birnen<br />
und Bananen wurden sorgfältig<br />
geschnitten, auf Fonduegabeln gespießt<br />
und schließlich in die Töpfe<br />
mit geschmolzener weißer und<br />
dunkler Schokolade getaucht. An<br />
den strahlenden Gesichtern der<br />
Kinder konnte man den Erfolg der<br />
Aktion ablesen. Diese werden sich<br />
beim nächsten Stück Schokolade<br />
hoffentlich überlegen, wie sie produziert<br />
wurde.<br />
Persönlicher Besuch<br />
Um die Verbraucher zu informieren,<br />
versuchten Hartmut und Herta<br />
Blauert, auch das persönliche<br />
Gespräch mit Produzenten in die<br />
Wege zu leiten. So berichteten<br />
Norma Mugar und Gilde Caduya,<br />
Vertreterinnen der Vermarktungsorganisation<br />
Alter Trade<br />
Company, persönlich in Bobingen<br />
über die Situation der Zuckerbauern<br />
auf den Philippinen. Die Alter<br />
Trade Company (ATC), die mit<br />
dem Fair Handelshaus gepa zusammenarbeitet,<br />
möchte vor allem<br />
den armen Menschen dort helfen<br />
und mit ihrer Arbeit und der besseren<br />
– weil faireren – Bezahlung<br />
für die erzeugten Produkte neue<br />
Perspektiven für die Bauern schaffen.<br />
Eines dieser Produkte ist der<br />
aus Zuckerrohr gewonnene „Mascobado“-Zucker,<br />
der vor allem in<br />
Lecker, so ein Schokoladentag. Bild: Weltladen Bobingen Das 5-jährige Jubiläum wird gefeiert.<br />
Fairer Kaffee für Bobingen.<br />
Bilder: Anja Fischer<br />
den gepa Bio Fairena-Schokoladen<br />
verwendet wird. Dieses Sortiment<br />
hat auch der Weltladen Bobingen<br />
im Angebot. „Für uns ist es<br />
wichtig, dass die Kunden wissen:<br />
Warum sollen wir die fair gehandelten<br />
Produkte kaufen“, ließ sich<br />
Hartmut Blauert anlässlich des<br />
ersten Produzentenbesuches in<br />
Bobingen zitieren. Dieses Engagement<br />
zeichnet bis heute die<br />
Führung des Weltladens aus und<br />
kommt an. Schon beim ersten<br />
Vortrag interessierte zahlreiche<br />
<strong>Bobinger</strong> der persönliche Kontakt<br />
und sie wollten wissen, was der<br />
Kauf von fair gehandelten Produkten<br />
bei den Erzeugern bewirkt.<br />
5-jähriges Jubiläum<br />
Seinen fünften Geburtstag feierte<br />
der Weltladen Bobingen mit einem<br />
großen Fest, welches damals<br />
Teil des Entdeckertages des Ge
Ehrenamtlich mit dabei:<br />
Andrea Krammer.<br />
werbevereins Bobingen war. Begonnen<br />
wurde mit einem „Fairen<br />
Frühstück“, zu dem die Initiatoren<br />
einen Vertreter der GEPA, Jorge<br />
Inostroza geladen hatten. Er hatte<br />
Bio-Honig aus Nicaragua, Schokolade<br />
aus Peru und Rote Bio Quinoa<br />
aus Boliven dabei. Das besondere<br />
an diesen Waren: auf dem<br />
Etikett ist der Hersteller vermerkt.<br />
Kunden wissen also genau, wer das<br />
eben gekaufte Lebensmittel produziert<br />
hat und wo. Auch sonst<br />
war zum Festtag einiges im Weltladen<br />
geboten. Kunden konnten<br />
den „Jubiläumskaffee“ verkosten,<br />
einen Agenda 21-Kaffee, mit <strong>Bobinger</strong><br />
Etikett und heute ein erfolgreich<br />
eingeführter Regionalund<br />
Stadtkaffee. Am Nachmittag<br />
gab es Mangokuchen mit Mangopüree<br />
aus dem Weltladen, Besucher<br />
konnten einem Didgeridoospieler<br />
zuhören und sich bei Lazi<br />
Schmid aus Augsburg ansehen,<br />
wie Rohkaffee professionell geröstet<br />
wird. Danach ging es im bewährten<br />
Konzept weiter. Immer<br />
wieder aber beteiligte sich das<br />
Team des Weltladens zusätzlich<br />
an örtlichen Festen und Veranstaltungen<br />
und machte dort auf sein<br />
Tun und sein Angebot aufmerksam.<br />
Arbeit im Weltladen<br />
Im Frühjahr 2013 haben Hartmut<br />
und Herta Blauert die Leitung des<br />
Weltladens Bobingen in jüngere<br />
Hände abgegeben. Monika Böhler<br />
heißt die neue Frau an der Spitze<br />
des Weltladen-Teams. Doch sie<br />
steht nicht alleine da. Schon früh<br />
haben die Blauerts darauf geachtet,<br />
die anfallenden Arbeiten auf<br />
viele Schultern zu verteilen. „Dann<br />
ist die Arbeit und die Mithilfe für<br />
jeden machbar und nicht zu viel“,<br />
erklärt Herta Blauert. Neue Ware<br />
holen, das Schaufenster gestalten,<br />
die Inneneinrichtung dekorieren,<br />
neue Bücher organisieren, die allgemeine<br />
Organisation, die Ladenleitung,<br />
das Führen der Chronik,<br />
die Entsorgung des Verpackungsmaterials,<br />
die Kontrolle nach dem<br />
Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums,<br />
das Aufräumen des Lagerraums,<br />
das Auszeichnen der<br />
Ware und die Öffentlichkeitsarbeit<br />
– jeder Punkt wird von einem<br />
anderen Mitarbeiter betreut. So<br />
bleibt der persönliche Arbeitsanspruch<br />
überschaubar, denn es gibt<br />
viel zu tun, um einen Laden zu<br />
führen. Im Wochenplan kann jeder<br />
selbst eintragen, wann er arbeiten<br />
möchte. Eine Schicht geht<br />
über zweieinhalb Stunden. „Sonst<br />
wird es für eine ehrenamtliche Tätigkeit<br />
zu lange“, meint Herta<br />
Blauert. Die „neuen“ Ehrenamtlichen<br />
werden gründlich eingearbeitet.<br />
Zu ihren Aufgaben gehört es<br />
neben der selbstverständlichen<br />
Kundenbetreuung auch, sich in die<br />
Produkte einzuarbeiten – schließlich<br />
möchte das Team bei Bedarf<br />
eine kompetente Beratung abgeben<br />
können. „Jedes Produkt hat<br />
ein Gesicht“, erklärt Hartmut<br />
Blauert. „Und das sollten die Mitarbeiter<br />
im Weltladen kennen.<br />
Nur so können wir diese Gesichter<br />
an unsere Kunden weitergeben.“<br />
Da reiche es dann nicht, nur einen<br />
Flyer abzugeben, man müsse auch<br />
etwas über die Produkte erzählen<br />
können.<br />
Bei Mitarbeitertreffen, die regelmäßig<br />
alle drei Wochen stattfinden,<br />
wird Wichtiges besprochen.<br />
Vor allem, wenn es Veranstaltungen<br />
nach außen zu organisieren<br />
gibt, werden dann die Aufgaben<br />
verteilt. Auch hier gilt der Grundsatz:<br />
„Viele Hände, schnelles<br />
Ende!“<br />
Stellenangebot<br />
Immer wieder sucht der Weltladen<br />
neue Mitarbeiter. Es ist wie überall:<br />
verteilen sich die Arbeiten auf<br />
vielen Schultern, muss der Einzelne<br />
nur wenig Zeit für die gute Sache<br />
aufwenden. Dabei bleibt noch<br />
genügend Zeit für Familie und<br />
SOZIALES<br />
Kunsthandwerk aus Fairem Handel. Bilder: Anja Fischer<br />
Bezirksdirektion Versicherungs-Team Seitz<br />
86399 Bobingen, Lindauer Str. 11<br />
Tel. 08234 2455, Fax 08234 5518<br />
info.seitz@continentale.de<br />
ortsnah<br />
schnell<br />
unbürokratisch<br />
Freunde. Das wissen auch die Verantwortlichen<br />
im Weltladen. So<br />
liest sich ihre Stellenbeschreibung<br />
recht humorvoll, mit einem Fünkchen<br />
Ernst im Hintergrund. Es<br />
werden Frauen und Männer gesucht,<br />
die als Vergütung (ohne<br />
Gewähr) vielleicht einen Platz im<br />
Himmel für ihre ehrenamtliche<br />
Arbeit erhalten. Die Arbeitszeit ist<br />
mal mehr, mal weniger (lieber<br />
mehr), dafür sind Alter, Konfession<br />
und Herkunft unwichtig. Das<br />
Angebot ist ein Betätigungsfeld<br />
für Ideenreichtum und jegliche<br />
Begabung, die benötigten Fähigkeiten<br />
sind sehende Augen, hörende<br />
Ohren und offene Herzen!<br />
Wer jetzt denkt: „Ich versuch’s<br />
mal“, der kann sich im Weltladen<br />
unter Telefon 08234/99 88 33<br />
melden.<br />
Garantiert sind Freude am eigenen<br />
Tun, Anerkennung von der Gruppe<br />
und von den Handelspartnern<br />
in den Entwicklungsländern.<br />
Quellen:<br />
Herta und Hartmut Blauert<br />
Chronik des Weltladen Bobingen<br />
Seit 40 Jahren sind wir die kompetenten<br />
Ansprechpartner in allen Versicherungsfragen<br />
für Sie vor Ort.<br />
Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gern!<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
33
HINTERGRUND<br />
Von Anja Fischer<br />
Bobingen, Anfang der 90er Jahre.<br />
Die an der Römerstraße gelegene<br />
Mittlere Mühle ist dem Verfall<br />
preisgegeben. Das Dach ist undicht,<br />
das Gebäude sieht von außen<br />
so aus, als würde nur noch eiserner<br />
Wille die Ziegelsteine übereinander<br />
und den Putz an der<br />
Mauer halten. Schon lange haben<br />
die Mahlwerke kein Mehl mehr<br />
gemahlen, auch sie funktionieren<br />
nicht mehr. Fast scheint es, als<br />
würde dem Gebäude nur noch eines<br />
bleiben: der Abriss. Tatsächlich<br />
hat die Bauträgergesellschaft<br />
bwl, die das rund 3.600 m² große<br />
Anwesen der Mittleren Mühle mit<br />
landwirtschaftlichen Gebäuden<br />
und der Singoldinsel von den Erben<br />
der im Jahre 1982 verstorbenen<br />
letzten Mühlenbesitzerin<br />
Anna Grotz erworben hat, genau<br />
dieses im Sinn. Sie möchte auf<br />
dem Grundstück in Zentrumsnähe<br />
zwei Eigentumswohnanlagen<br />
errichten.<br />
34<br />
Der Beginn der<br />
Mühle<br />
Bobingen, im Jahr 1427. Die<br />
Mittlere Mühle wird erstmals erwähnt.<br />
Sie ist im Besitz des Hochstifts<br />
Augsburg, also des Bischofs<br />
von Augsburg. Dieser verlieh das<br />
Mühlrecht als Lehen an die Ritter<br />
von Knöringen. Lehensrechte<br />
konnten verliehen und entzogen,<br />
als Belohnung oder Bestrafung für<br />
ritterliche Treue oder Tapferkeit<br />
eingesetzt werden. Bis zum Jahr<br />
1502 verlieh das Hochstift Augsburg<br />
das Mühlrecht und damit die<br />
<strong>Bobinger</strong> Mühle an verschiedene<br />
Ritter wie die Familie Stein zu<br />
Klingenstein, von Benzenau zu<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
MITTLERE MÜHLE<br />
Von der Mehlmühle<br />
zum Kulturzentrum<br />
Die <strong>Geschichte</strong> der Mittleren Mühle in Bobingen ist ein Zeichen von<br />
gemeinschaftlichem Unternehmersinn und Eigeninitiative. Mit einer<br />
unglaublichen ehrenamtlichen Leistung wurde nicht nur ein verloren<br />
geglaubtes bauliches Denkmal erhalten, sondern auch eine Begegnungsstätte<br />
mit ganz besonderem Flair geschaffen.<br />
Die Mittlere Mühle von einst. Bild: Reinhold Lenski<br />
Kemnat, von Freiberg oder von<br />
Fraunberg zu Haydenburg. Ab<br />
1502 wurde das Lehen an wohlhabende<br />
Augsburger Patrizier vergeben:<br />
an die Schellenberg, die Herwart,<br />
die Ravenspurger und die<br />
Neidhart.<br />
Die Mehlmühle<br />
Der erste bekannte Müller war um<br />
1476 Hans Müller. Das Mühlrad<br />
der alten Wassermühle dreht sich<br />
nun schon seit über 600 Jahren.<br />
Mit der Kraft des Wassers wurde<br />
das Getreide dort zu Mehl gemahlen<br />
und von Bäckern und Bürgersfrauen<br />
daraus Brot gebacken. Die<br />
Mühle war darüber hinaus stets<br />
auch ein Ort der Kommunikation.<br />
Beim Müller trafen sich Menschen<br />
aus allen Himmelsrichtungen,<br />
um ihr Korn mahlen zu lassen.<br />
Aus den daraus oft resultie-<br />
renden Wartezeiten ergab sich der<br />
Spruch: „Wer zuerst kommt,<br />
mahlt zuerst.“ Diese Wartezeiten<br />
aber waren manchmal gar nicht so<br />
unerwünscht. Im Gespräch mit<br />
anderen erfuhr man Neuigkeiten,<br />
konnte Kontakte pflegen und Erfahrungen<br />
austauschen. Da die<br />
Mühlen nicht von den hohen<br />
Herrschaften selbst betrieben wurden,<br />
sondern von eingesetzten<br />
Müllern, wurde die Getreidebearbeitung<br />
durch Mühlenordnungen<br />
streng geregelt. Getreide war zu jener<br />
Zeit schließlich ein kostbares<br />
Gut: ein Sack Getreide konnte darüber<br />
entscheiden, ob eine Familie<br />
hungern musste, oder nicht. Im<br />
Jahr 1563 erließ Bischof Otto<br />
Truchseß von Waldburg beispielsweise<br />
eine Mühlenordnung, in der<br />
vor allem die technischen Anforderungen<br />
aufgezählt wurden:<br />
„Zum ersten soll sich ein jeder Miller<br />
befleißen, das er ein gueten geendeten<br />
Zeug hab, aiß nemblich guete Röder<br />
(Mühlräder) vßen vnnd Innen, auch<br />
guete scharpfe stein (Mühlsteine), die<br />
fleißig ynnd woll abgedreet seind,<br />
vnnd die vnndern Stain uff das nehist<br />
zusamen gesetzt.“<br />
Mühle als<br />
Broterwerb<br />
Um 1583 kaufte die evangelische<br />
Sankt-Jakobs-Pfründe die <strong>Bobinger</strong><br />
Mühle. Die jeweiligen Pächter<br />
der Mühle hatten nun an das<br />
Augsburger Pilger-, Armen- und<br />
Altenspital neben Getreideabgaben<br />
jährlich zwei Schweine oder<br />
zwei Gulden zu entrichten. Trotzdem<br />
ging es den Müllern nicht<br />
schlecht.<br />
Das harte Tagewerk und die vielen<br />
schweren Mehlsäcke, die ge-
schleppt werden mussten, machten<br />
sich bezahlt. Aus den Steuerbüchern<br />
von 1667 geht hervor,<br />
dass die <strong>Bobinger</strong> Müller im Hinblick<br />
auf ihr Vermögen zur dörflichen<br />
Oberschicht gehörten. So besaß<br />
der Mittelmüller Johann Müller<br />
in diesem Jahr 1210 Gulden.<br />
Laut Steuerregister gehörte 1667<br />
zur Mittleren Mühle eine Bäckerei<br />
sowie sieben Tagwerk Wiesen,<br />
zwei Rösser, drei Kühe, zwei Jungvieh,<br />
Ackerflächen und eine Viertel<br />
Hofstatt. 1685 erfolgte ein<br />
Rückkauf der Güter durch das<br />
Hochstift Augsburg, das die Mittlere<br />
Mühle seinerseits durch verschiedene<br />
Müller betreiben ließ.<br />
Ein Jahrhundert später, um 1784,<br />
erbaute der damalige Besitzer,<br />
Freiherr Johann Adam von Herresdorf,<br />
der auch das Mittlere<br />
Schlösschen besaß, die Mühle von<br />
Grund auf neu. Teile der heutigen<br />
Bausubstanz wie etwa der barocke<br />
Dachstuhl stammen aus dieser<br />
Zeit.<br />
Familie Egger<br />
Im Jahr 1786 kaufte der aus Reinhartshausen<br />
stammende und in<br />
Bobingen mit Afra Hartmann verheiratete<br />
Bauer Josef Egger sen.<br />
die Mühle für 5.000 Gulden von<br />
Freiherr von Herresdorf. Damit<br />
begründete er eine 200 Jahre dauernde<br />
Müller-Tradition. 1790 legte<br />
Egger gegen den Widerstand<br />
des Untermüllers Altheimer eine<br />
neue Sägemühle an, die er zusammen<br />
mit der Mahlmühle 1797 an<br />
seinen Sohn Josef Egger jun. übergab.<br />
Immer wieder ging die Mühle<br />
fortan vom Vater an einen Sohn<br />
über. 1907 wurde das Mühlengebäude<br />
auf der Nordseite erweitert<br />
und das Wasserrad der Mühle<br />
durch eine moderne, immer noch<br />
bestehende Francis-Schachtturbi-<br />
Frühere Renovierungsarbeiten.<br />
ne ersetzt. Doch ein Schicksalsschlag<br />
sollte viele Bemühungen<br />
wieder zunichte machen: am 30.<br />
Oktober 1920 brach ein Feuer aus.<br />
Die Sägemühle brannte komplett<br />
nieder und musste wieder aufgebaut<br />
werden. 1923 übernahm Karl<br />
Egger als Nachfolger seines Vaters<br />
die Mühle. Er heiratete im selben<br />
Jahr Anna Stuhler aus Dietkirch.<br />
1926 kam der einzige Sohn Karl<br />
zur Welt. Doch im August 1927<br />
brach abermals ein Feuer in der<br />
Mittelmühle aus. Das Ökonomiegebäude<br />
mit Pferde-, Vieh- und<br />
Schweineställen, Stadel und die<br />
Mühlradhütte brannten komplett<br />
nieder und verursachten einen Gesamtschaden<br />
von rund 30.000<br />
Reichsmark. Das Ökonomiegebäude<br />
wurde wieder aufgebaut.<br />
Mühlensterben<br />
Karl Egger verstarb mit nur<br />
34 Jahren. Seine Witwe Anna heiratete<br />
1931 in Altötting den<br />
Schwabegger Müller Johann<br />
Grotz, der nun Müller in der Mittleren<br />
Mühle wurde. Das Ehepaar<br />
blieb kinderlos. Um 1950 übernahm<br />
Anna Grotz zusammen mit<br />
ihrem Sohn Karl die Führung der<br />
Mühle und des Sägewerks unter<br />
dem Namen „Firma Grotz & Egger“.<br />
Das allgemeine Mühlensterben<br />
traf auch die Mittlere<br />
Mühle in Bobingen. Sie wurde am<br />
1. Oktober 1970 stillgelegt. Nach<br />
dem Tod ihres Sohnes Karl 1973<br />
war Anna Grotz alleinige Besitzerin<br />
der nun stillgelegten Mühle<br />
und der zugehörigen Ländereien.<br />
Sie verstarb am 17. Oktober 1982<br />
im Alter von 86 Jahren. Nach ihrem<br />
Tod wurde der gesamte Besitz<br />
von einer Erbengemeinschaft<br />
verwaltet, die das Grundstück<br />
schließlich an einen Bauträger verkaufte.<br />
Langsamer Verfall.<br />
Einsatz für Erhalt<br />
Der <strong>Bobinger</strong> Heimatverein<br />
„d’Hochsträssler“ setzte sich in einem<br />
eindringlichen Appell an die<br />
Stadt für den Erhalt der Mittleren<br />
Mühle ein. Sie hielten die ehemalige<br />
Getreidemühle, die im Jahr<br />
1427 erstmals als im Besitz des Bischofs<br />
von Augsburg befindlich,<br />
erwähnt wird, für erhaltenswert.<br />
Die Mühle besitzt vier Mahlgänge,<br />
Dachstuhl und Treppengiebel<br />
sind im barocken Stil. Da Bobingen<br />
nicht gerade reich an historischen<br />
Gebäuden ist, hielt der Heimatverein<br />
den Erhalt des Gebäudes<br />
für sinnvoll. In Verhandlungen<br />
mit der bwl GmbH konnte erreicht<br />
werden, dass die Firma der<br />
Stadt die Grundstücksteilfläche,<br />
auf der das Mühlengebäude steht,<br />
sowie die Singoldinsel zum Verkauf<br />
anbot. Der Stadtrat entschied<br />
sich schließlich am 1. Juli 1991 für<br />
eine Kaufoption für zwei Monate.<br />
In dieser Zeit sollte mit einem<br />
Verwandten von Anna Grotz über<br />
einen Weiterverkauf der Mühle<br />
HINTERGRUND<br />
verhandelt werden. Diese Verhandlungen<br />
zerschlugen sich. Mit<br />
knapper Mehrheit stimmte der<br />
Stadtrat am 1. Oktober 1991 dann<br />
trotzdem für einen Kauf der Mühle<br />
und bewahrte diese damit vor<br />
dem Abbruch.<br />
Suche nach<br />
Sanierungskonzept<br />
Doch was sollte man mit dem sanierungsbedürftigen<br />
Gebäude nun<br />
anfangen? Jahre vergingen, in denen<br />
ein Sanierungskonzept nach<br />
dem anderen verworfen wurde – es<br />
scheiterte am Nutzungskonzept<br />
und an der Finanzierung. Der<br />
Durchbruch gelang erst, als<br />
38 Bürger, darunter auch mehrere<br />
Stadträte, auf Initiative des Stadtrats<br />
Michael Hefele am 1. Juli<br />
1997 den „Förderverein Mittlere<br />
Mühle Bobingen e.V.“ gründeten.<br />
Der Verein legte, aufbauend auf<br />
einem Vorschlag dieses Stadtrates,<br />
der Stadt vier Monate später ein<br />
„Konzept zur Sanierung und künf-<br />
Sanierungsarbeiten im Mai 2002. Bilder: Reinhold Lenski<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
35
HINTERGRUND<br />
Die Rentnerband. Bild: Reinhold Lenski<br />
tigen Nutzung der Mittleren<br />
Mühle“ vor. Dieses sah darin vor,<br />
die Stadt bei der Sanierung und<br />
deren Finanzierung vor allem<br />
durch: Eigenleistung der Mitglieder<br />
und Eigenmittel des Vereins,<br />
sowie der Koordinierung des Einsatzes<br />
von Eigenleistungen und<br />
Eigenmitteln möglichst vieler örtlicher<br />
Vereine und Organisationen<br />
Blick ins baufällige<br />
Innenleben.<br />
Bild: Reinhold Lenski<br />
Die fertige Mühle – ein Schmuckstück. Willkommen zum Mühlentag. Bilder: Anja Fischer<br />
36<br />
zu unterstützen. Darüber hinaus<br />
sollte die Werbung und Koordinierung<br />
von Sponsoringleistungen<br />
örtlicher und überörtlicher Firmen<br />
übernommen werden.<br />
Ziel war der Erhalt des Mühlengebäudes<br />
und der Mühleneinrichtung<br />
für die Nachwelt und das<br />
Schaffen eines Gemeinschaftswerkes,<br />
das den künftigen Generationen<br />
die Möglichkeit geben sollte,<br />
Erfahrungen mit diesem wichtigen<br />
Teil der Ortsgeschichte zu<br />
machen. „Ich hätte damals nicht<br />
gedacht, dass die Mühle so ein<br />
schönes Gebäude wird,“ gibt Michael<br />
Hefele ehrlich zu, wenn er<br />
heute zurückdenkt. „Es sah von<br />
außen wirklich so aus, als würde<br />
die Mühle nur noch zum Abreißen<br />
taugen. Jetzt sieht man, was man<br />
alles aus einem alten Gebäude machen<br />
kann.“ Das Konzept überzeugte<br />
schließlich auch den Stadtrat,<br />
der sich wegen der Mühle teilweise<br />
schon schwer in den Haaren<br />
gelegen hatte. Doch die Stadtväter<br />
sprangen über ihre jeweiligen<br />
Schatten, einigten sich und man<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
machte sich schließlich gemeinsam<br />
auf, das ehrgeizige Ziel, die<br />
Sanierung der Mittleren Mühle zu<br />
beginnen und endlich auch abzuschließen.<br />
„Es hat lange gedauert,<br />
bis wir überhaupt wussten, welches<br />
Bild das Haus zeigt. Viele An- und<br />
Umbauten über die Jahre veränderten<br />
den Blick auf das Gebäude“,<br />
erzählt Hefele. Mit rund<br />
750.000 Euro Finanzierungskosten<br />
rechneten die Planer. Etwa die<br />
Hälfte davon sollte durch Eigenleistung,<br />
Sponsoring und Spenden<br />
aufgebracht werden.<br />
Fachkundige<br />
Sanierungsarbeiten<br />
Die Sanierungsarbeiten wurden<br />
fachkundig vom Stadtbauamt geleitet<br />
und durchgeführt. Dem Förderverein<br />
oblag es nun, das Stadtbauamt<br />
bei dieser Arbeit zu unterstützen<br />
und für das Projekt zu werben.<br />
Die Koordinierung der ehrenamtlichen<br />
Helfer war nicht immer<br />
einfach. Auch die Abstimmung<br />
zwischen Ehrenamt und<br />
Stadtbauamt, dem Förderverein<br />
als Sponsor und der Stadt als Bauherr<br />
verlief zu Beginn nicht reibungslos.<br />
Zahllose Gespräche, die<br />
Verteilung von Aufgaben an Verantwortliche<br />
und regelmäßige<br />
Baubesprechungen im gegenseitigen<br />
Dialog und Miteinander sorgten<br />
endlich dafür, dass dem Projekt<br />
ein guter Verlauf beschieden<br />
war. Ja, im Rückblick kann man<br />
sogar von einem in der jüngeren<br />
<strong>Geschichte</strong> der Stadt beispiellosen<br />
ehrenamtlichen Engagement<br />
sprechen! Auch damit hätte zu Beginn<br />
des Projektes kaum einer gerechnet.<br />
Michael Hefele war zwar<br />
immer von dem Erhalt der Mühle<br />
überzeugt, weiß aber noch: „Ich<br />
hätte erst nicht erwartet, dass sich<br />
so viele Leute engagieren. Es waren<br />
auch auffällig viele Auswärtige,<br />
Zugezogene dabei, die eigentlich<br />
von der <strong>Geschichte</strong> her nichts mit<br />
der Mühle zu tun hatten. Sie sind<br />
ja nicht mit der Mühle aufgewachsen.“<br />
Zwar steht hinter diesem Engagement<br />
auch eine relativ lange<br />
Sanierungszeit von fast zehn Jahren,<br />
dafür aber konnte mit der<br />
Mittleren Mühle der Stadt und ihren<br />
Bewohnern ein ganz besonderes<br />
Begegnungs- und Kulturzentrum<br />
übergeben werden.<br />
Wasserkraft<br />
Einzig und allein das Wasserkraftwerk<br />
musste bei diesem beispiellosen<br />
Einsatz in fremde Hände gegeben<br />
werden. Wirtschaftliche<br />
Berechnungen zeigten, dass sich<br />
ein Betrieb in Eigenregie, wegen<br />
der hohen Kosten für die Wiederinstandsetzung<br />
der seit 1970 stillgelegten<br />
Turbine, nicht rechnet.<br />
Es wurde deshalb entschieden, den<br />
Betrieb der Wasserkraftanlage im<br />
Erbbaurecht an einen privaten Betreiber<br />
zu vergeben. Seit 1999 ist<br />
die Wasserkraftanlage wieder in<br />
Betrieb und speist den erzeugten<br />
Strom gegen Vergütung in das öffentliche<br />
Netz ein. Der Erlös aus<br />
der Vergabe der Wasserkraft in<br />
Höhe von 26.000 Euro wurde für<br />
die Mühlensanierung verwendet.<br />
Mühle heute<br />
Heute sind die Verantwortlichen<br />
mit dem Erfolg zufrieden. Peter<br />
Geißler, Erster Vorsitzender des<br />
Fördervereins, im Gespräch: „Es<br />
läuft besser, als wir es uns hätten<br />
wünschen können“, meint er. Erstens<br />
laufe die Zusammenarbeit mit
HINTERGRUND<br />
Immer wieder beliebt: Führungen durch die Mühle. Bild: A. F. Brot backen mit dem Backteam. Bild: Reinhold Lenski<br />
der Stadt hervorragend. Man kenne<br />
sich und komme gut miteinander<br />
klar. Die Mühle werde vielfältig<br />
als Plattform genutzt. „Viele<br />
Volkshochschulkurse finden in der<br />
Mühle statt“, berichtet Geißler.<br />
Zudem hat sich aus dem Förderverein<br />
heraus ein Backteam entwickelt,<br />
das mit seinen vielfältigen<br />
Veranstaltungen wie dem Mühlenadvent<br />
die Mittlere Mühle über<br />
Bobingen hinaus bekannt macht.<br />
Der große Holzbackofen, in dem<br />
das Backteam seine Köstlichkeiten<br />
zubereitet, war damals ein soziales,<br />
gemeinschaftliches Projekt mit der<br />
Dr.-Jaufmann-Mittelschule Bobingen<br />
und Maurermeister Richard<br />
Zerle, ganz im Zeichen der<br />
Gemeinsamkeit, wie schon die<br />
Mühlensanierung. Geißler zieht<br />
sein Fazit: „Es wäre ein Drama gewesen,<br />
wenn die Mühle damals<br />
abgerissen worden wäre. Wenn<br />
man sieht, was jetzt alles in der<br />
Mühle los ist und sich da bewegt,<br />
wäre es schade, wenn es das nicht<br />
mehr gäbe.“ Die Mittlere Mühle<br />
bedeute heute soziale Zusammenarbeit,<br />
Vereinszusammenarbeit<br />
und sozialer Treffpunkt zu sein.<br />
„Die Mühle lebt für Jung und Alt“,<br />
meint Peter Geißler schlicht.<br />
Mühlenstube<br />
Über eines kann er sich als Vorsitzender<br />
des Fördervereins allerdings<br />
besonders freuen: „In den<br />
letzten Jahren ist es uns gelungen,<br />
die alte Mühlenstube wieder zu-<br />
Das Wasserkraftwerk. Bild: Reinhold Lenski<br />
Der Brotbackofen. Bild: Anja Fischer<br />
sammenzutragen und einzuräumen“,<br />
erzählt Geißler. Nicht ganz<br />
einfach sei es gewesen, die alten<br />
Möbel von den damaligen Besitzern<br />
zurückzukaufen, um die Originale<br />
wieder zeigen zu können.<br />
Dazu kommt in der Mühlenstube<br />
die wunderschöne Kassettendecke,<br />
welche die Kerbschnitzgruppe<br />
des <strong>Bobinger</strong> Heimatvereins<br />
„d’Hochsträssler“ unter der Leitung<br />
von Fritz Schlitt angefertigt<br />
hatte. Von ihnen stammen auch<br />
sieben zusätzliche Stühle mit<br />
handgeschnitzten Rückenlehnen<br />
für die Mühlenstube, damit der<br />
Raum beispielsweise für Sitzungen<br />
oder Lesungen besser genutzt werden<br />
kann. Die Lehnen zeigen das<br />
<strong>Bobinger</strong> Wappen, ein Blumenornament<br />
und ein Mühlenemblem.<br />
Zusammen mit dem alten Tresor,<br />
Vertiko, Schreibtisch und Stuhl,<br />
einem Regulator sowie einer geschnitzten<br />
Eckbank mit Tisch ist<br />
der Raum wieder so ausgestattet,<br />
wie es zu den Zeiten, in denen dort<br />
noch Mehl gemahlen wurde, üblich<br />
war. Das zeigt ein Bild aus<br />
dem Jahr 1917, das als Vorlage<br />
galt. Und so dreht sich der Kreislauf<br />
wieder zurück: die Moderne<br />
nutzt das Alte, um mit diesem<br />
Hintergrund eine neue Kultur zu<br />
schaffen.<br />
Festschrift zur Einweihung und<br />
Übergabe der Mittleren Mühle<br />
Reinhold Lenski<br />
<strong>Geschichte</strong> wird gemacht. Tagtäglich setzen sich<br />
Sozialdemokraten in Bobingen für die Bürgerinnen<br />
und Bürger ein. Als Stadträte, Bürgermeister und im<br />
Ortsverein. Das geht nur gemeinsam mit den Menschen.<br />
Kluge Köpfe mit klaren Konzepten sind der<br />
Garant für eine gute Entwicklung unserer Stadt.<br />
Machen Sie daher mit bei der <strong>Bobinger</strong> SPD<br />
Bobingen braucht eine starke SPD!<br />
SPD Stadtratsfraktion<br />
Helmut Jesske<br />
in Bobingen<br />
Bürgermeister<br />
Bernd Müller<br />
SPD-Ortsverein<br />
Otto Schurr<br />
Internet: www.spd-bobingen.de<br />
E-Mail: buergermeinung@spd-bobingen.de<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
37
ORTSGESCHICHTE<br />
38<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
DAMALS UND HEUTE<br />
Bobingen und die „Fabrik“ (2)<br />
Die Bleicherei von Max Fischer war der Grundstein für die <strong>Bobinger</strong><br />
Fabrikgeschichte. Die Farbwerke Hoechst hielten lange Zeit den <strong>Bobinger</strong><br />
Standort und wurden im Volksmund nur die „Fabrik“ genannt.<br />
Heute hat der Industriepark West noch viel mehr für Firmen zu bieten.<br />
Farbwerke Hoechst im Sommer 1960. Bilder: Stadtarchiv Bobingen<br />
Von Anja Fischer<br />
Die Basis für die spätere Werkstruktur<br />
wurde in den 50er Jahren<br />
gelegt. Im Januar 1950 lief die Perlon-Faserproduktion<br />
im ehemaligen<br />
Montanwerk an. Mitte des<br />
Jahres erreichte diese Produktion<br />
ein Maximum, die Belegschaft<br />
steigt auf über 1.900 Personen an.<br />
Im Jahr 1952 wurde das <strong>Bobinger</strong><br />
Werk als Tochtergesellschaft den<br />
Farbwerken Hoechst angegliedert.<br />
Die Situation bei der Übernahme<br />
war für das Werk nicht gerade rosig:<br />
zwar wurden Viskose-Kunst-<br />
seide, Perlonborsten und -Fasern<br />
hergestellt, schon damals aber war<br />
die Arbeit der 1.850 Mitarbeiter<br />
von den Absatzzahlen abhängig.<br />
Diese fehlten und so herrschte<br />
Kurzarbeit. Eine Situation, die im<br />
Laufe der Jahrzehnte immer wieder<br />
bewältigt werden musste – bis<br />
heute. Doch schon damals zeigten<br />
sich Arbeiter und Geschäftsführer<br />
kämpferisch und bereit, mit neuen<br />
Ideen zum Erhalt der Arbeit beizutragen.<br />
So konnte 1953 im<br />
Werk III die Produktion von Perlon-Fäden<br />
aufgenommen werden.<br />
Der Erfinder des Polyamid 6, Pro-<br />
Beide Bilder zeigen die Trevira Produktion Faser 1969.<br />
fessor Paul Schlack, hatte nach<br />
Kriegsende im Werk mit der Herstellung<br />
von Synthesefaser begonnen.<br />
Im gleichen Jahr fanden erste<br />
Spinnversuche mit dem Rohstoff<br />
Polyester im Technikum statt.<br />
Professor<br />
Paul Schlack<br />
Professor Paul Schlack hatte 1946<br />
die Betriebsleitung des <strong>Bobinger</strong><br />
Werkes übernommen. Als Betriebsleiter<br />
war er für die Fabrika-<br />
tion von Perlon für zivile Zwecke<br />
zuständig, beispielsweise Förderbänder,<br />
Schnüre, Seile, Gurte,<br />
Reifencord und Kleidung. Später<br />
wechselte er als technischer Direktor<br />
in die Kunstseidenfabrik der<br />
ehemaligen I.G. Farben in Bobingen.<br />
1955 wurde er schließlich<br />
Leiter der Faserforschung in der<br />
Fa. Hoechst. Dazu schreibt Max<br />
Geisenheyner in einem 1952 erschienen<br />
Buch der <strong>Bobinger</strong> Aktiengesellschaft<br />
für Textilfaser: „...<br />
Dann stürmt der Erfinder des Perlons<br />
ins Zimmer und erklärt mir auf<br />
die liebenswürdigste Weise mit einer<br />
kleinen Ironie in den Mundwinkeln,<br />
was er zu meinem Manuskript über<br />
die beschriebenen chemischen Vorgänge<br />
zu sagen habe. Der Leser wird<br />
es schon spüren, wenn er bei der Schilderung<br />
der Perlon-Fabrikation angelangt<br />
sein wird...“<br />
Perlon<br />
Das Buch blickt auf 50 Jahre Fabrik<br />
zurück und war ein Geschenk<br />
an die Mitarbeiter und Kunden.<br />
Darin wird die Perlon-Produktion<br />
wie folgt beschrieben: „... Nun begreife<br />
ich erst aus den sichtbaren Vorgängen,<br />
dass die <strong>Bobinger</strong> Perlon-<br />
Faser durch chemische Synthese,<br />
durch Aneinanderreihen kleinster<br />
Teilchen, der Molekühle, zu großen,<br />
dem Auge aber immer noch unsicht-
Trevira Produktion Fäden 1969.<br />
baren Fadenmolekühlen entsteht. In<br />
diesen Fadenmolekühlen ist schon die<br />
Gestalt des Spinnfadens vorgeformt.<br />
Die bildliche Darstellung des Produktionsverlaufs,<br />
die Besichtigung<br />
der technischen Vorgänge, regen die<br />
Phantasie, also die menschliche Vorstellungskraft<br />
an, und nun nehmen<br />
auch die chemischen Formeln der<br />
schematischen Darstellung Gestalt<br />
an: Die Carbonamidgruppe, mit<br />
ihrem Symbol >-CO-NH-
ORTSGESCHICHTE<br />
Trevira Produktion Fäden 1969.<br />
zeichnet durch einen fast stetigen<br />
Anstieg der Produktion von<br />
14.200 t im Jahr 1961 auf 65.900 t<br />
im Jahr 1971. Das deutsche Wirtschaftwunder<br />
hatte damit auch in<br />
Bobingen Einzug gehalten und<br />
benötigte ständig Nachschub. Im<br />
gleichen Zeitraum erhöhte sich die<br />
Zahl der Beschäftigten von 2.768<br />
auf 4.291. Zahlen, von denen man<br />
heute am Standort Bobingen nur<br />
träumen kann. Äußerlich sichtbare<br />
Kennzeichen des Wachstums<br />
waren der Bau der Kantine, die im<br />
Mai 1962 eröffnet wurde und im<br />
Jahr 1964 die Errichtung eines<br />
zweiten Schornsteines mit 83 Metern<br />
Höhe. 1967 wurde der Wasserturm<br />
erbaut, der seither ein typisches<br />
Merkmal der Werksilhouette<br />
darstellt. Langsam liefen einige<br />
Perlon-Produkte aus. Mit der<br />
Stilllegung der Perlon-Filament-<br />
Produktion 1971 ging dann die<br />
Perlon-Ära endgültig zu Ende.<br />
Die Produktion in Bobingen bestand<br />
nun nur noch aus Trevira.<br />
Das Werk Bobingen genoss weltweit<br />
den Ruf als herausragender<br />
Trevira-Standort des Geschäftsbereichs<br />
Fasern und Faservorprodukte.<br />
Die weltweite Trevira-Anwendungsentwicklung<br />
und<br />
Forschung waren hier konzentriert.<br />
40<br />
Die 70er Jahre<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
Farbwerke Hoechst 1969.<br />
Die Belegschaft hatte sich in den<br />
60er Jahren nahezu verdoppelt und<br />
1970 das Maximum überschritten:<br />
Im Juli 1970 war der höchste Personalstand<br />
mit 4.837 Beschäftigten<br />
erreicht. Die Jahre von 1972<br />
bis 1982 brachten Rückschläge<br />
und Krisen, aber auch technischen<br />
Fortschritt und Konsolidierung<br />
(dieses Wort ist noch heute in der<br />
Geschäftswelt sehr beliebt!).<br />
Im Jahr 1973 hatte ein Wechsel<br />
der Werksleitung stattgefunden:<br />
Direktor Frowein, der die Geschicke<br />
des Werkes über 26 Jahre lang<br />
geleitet hatte, trat in den Ruhestand.<br />
Nachfolger wurde Dr. Laber,<br />
bis dahin Produktionsleiter im<br />
Werk. Er hatte bald nach Amtsantritt<br />
mit starkem wirtschaftlichem<br />
Gegenwind zu kämpfen. Schon im<br />
Jahr 1974 wurde wegen schlechter<br />
Absatzlage Kurzarbeit in den Produktionsbetrieben<br />
erforderlich.<br />
Man suchte nach Einsparpotential.<br />
Die größte Ersparnis brachte<br />
die Zusammenführung des Verstreckprozesses<br />
von Filament mit<br />
dem Texturierprozess zum<br />
„Strecktexturieren“. Diese Verfahrensvereinfachung<br />
verbesserte<br />
Trevira Produktion Laborarbeiten. Bilder: Stadtarchiv Bobingen<br />
zwar die Wettbewerbsfähigkeit,<br />
kostete aber andererseits eine große<br />
Zahl von Arbeitsplätzen im<br />
Werk Bobingen. Besonders betroffen<br />
waren die Arbeitsplätze<br />
von Frauen. Durch Ausnutzen der<br />
Fluktuation, durch vorzeitigen<br />
Ruhestand, aber vorwiegend über<br />
Abfindungsverträge erniedrigte<br />
sich der Personalstand stetig und<br />
erreichte im Jahresschnitt 1982<br />
seinen Tiefstwert mit 2.483 Beschäftigten.<br />
Diese Halbierung der<br />
Belegschaft seit 1970 war nicht nur<br />
durch technische Verfahrensverbesserungen<br />
bedingt, sondern<br />
auch dadurch, dass die Organisation<br />
gestrafft wurde.<br />
1983 bis 1990<br />
Das wirtschaftliche Umfeld besserte<br />
sich in den 80er Jahren. Die<br />
Produkte für technische Einsatzgebiete,<br />
Trevira-Hochfest,- Monofil<br />
und insbesondere -Spunbond<br />
(Vlies), fanden guten Absatz. Bis<br />
1989 stieg die Zahl der Beschäftigten<br />
wieder auf 2.758 an, die Produktionsmenge<br />
steigerte sich von<br />
96.850 Tonnen auf 125.640 Tonnen.<br />
Der höchste Umsatz mit 800<br />
Millionen DM wurde 1989 erzielt.<br />
Den erneuten wirtschaftlichen<br />
Aufschwung bekamen auch die<br />
Arbeitnehmer zu spüren: sie erhielten<br />
über die Tarifverträge Verbesserungen<br />
wie die Einführung<br />
der Altersfreizeit, die Möglichkeiten<br />
der Altersteilzeitarbeit und<br />
vorzeitigen Ruhestand oder die<br />
Verkürzung der Wochenarbeitszeit<br />
auf 39 Stunden (1989). Schon<br />
1986 wurde der Monatslohn (vorher<br />
wöchentlich) für alle gewerblichen<br />
Mitarbeiter im Werk eingeführt.<br />
Die Investitionen betrafen die<br />
Modernisierung von Anlagen sowie<br />
die Erweiterung der Spunbondproduktion.<br />
Im Jahr 1988<br />
konnte eine neue Reifencordanlage<br />
in Betrieb genommen werden.<br />
Daneben wurde eine neue Lehrwerkstatt<br />
für 4,5 Millionen DM<br />
errichtet, die ebenfalls 1988 eingeweiht<br />
werden konnte. Die Ausbildungsaktivitäten<br />
waren auch in<br />
den wirtschaftlich schlechten Jahren<br />
aufrechterhalten worden. Die<br />
höchste Zahl an Auszubildenden<br />
wurde mit 177 in den Jahren 1986/<br />
87 erreicht.<br />
Schon in den 80er Jahren wurde<br />
auch dem Umweltschutz Sorge<br />
getragen. Anlagen zur katalytischen<br />
Abluftreinigung der Spunbondproduktion<br />
wurden gebaut,<br />
in anderen Betrieben erfolgte eine<br />
thermische Abgas-Reinigung. Die<br />
eigene Energieversorgung wurde<br />
1987 auf Erdgas umgestellt.<br />
Die 90er Jahre<br />
Seit dem Jahr 1989, das dem Werk<br />
Bobingen den bisher höchsten<br />
Umsatz brachte, ist eine rückläufige<br />
Entwicklung eingetreten. Dafür<br />
gibt es mehrere Gründe: Konjunkturabschwächung,kostenbedingte<br />
Wettbewerbsnachteile,<br />
Zusammenbruch von Märkten im<br />
Osten, Abwandern von Textilkunden<br />
in Niedriglohn-Länder,<br />
Lenken von Investitionen in die<br />
neuen Bundesländer. An die sinkende<br />
Auslastung passte sich das<br />
Werk mit Personalveränderungen<br />
an. Dies geschah erst über die normale<br />
Fluktuation und über vorzeitige<br />
Pensionierungen, später leider<br />
auch über Entlassungen. Zum Jahresbeginn<br />
1993 zählte das Werk<br />
noch 2.535 Mitarbeiter.<br />
Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />
für TREVIRA in<br />
Westeuropa sind im Werk Bobingen<br />
konzentriert. Jeder sechste<br />
Mitarbeiter arbeitete in dieser Abteilung.<br />
Hier und in der Ingenieurtechnik<br />
wird auch verfahrenstechnische<br />
Entwicklung betrieben.<br />
Die gut ausgestattete Zentralwerkstatt<br />
befasste sich nicht nur<br />
mit Montage- und Instandhaltungsarbeiten,<br />
sondern in gewissem<br />
Umfang auch mit der Anfertigung<br />
von Neuteilen.<br />
Das neue<br />
Jahrtausend<br />
1998 entstanden durch die Zerschlagung<br />
von Hoechst in Bobin-
Der „Fabrikturm“.<br />
gen rechtlich und wirtschaftlich<br />
selbständige Unternehmen. Der<br />
Industriepark Werk Bobingen war<br />
geboren. Alle textilen Fasern und<br />
Filamente gingen zunächst an die<br />
Firma Polysindo aus Indonesien<br />
unter Mitnahme des Markennamens<br />
TREVIRA, später übernahm<br />
den Bereich der Deutsche<br />
Bank Investor DBI. Im TREVI-<br />
RA Werk Bobingen werden neben<br />
textilen Fasern auch Filamente<br />
hergestellt. Bei Temperaturen von<br />
290 Grad Celsius können in einem<br />
Schmelzspinnverfahren jährlich<br />
100.000 Tonnen Polyesterfasern<br />
und Multifilamente erzeugt wirden.<br />
Dabei passt man sie schon<br />
während der Produktion dem Einsatzzweck<br />
an: Typen für Mischungen<br />
mit Baumwolle oder Wolle,<br />
microfein, pillfrei, hochfest, elastisch<br />
oder schwerentflammbar.<br />
Einsatzgebiete sind beispielsweise<br />
in der Automobilindustrie oder bei<br />
der Herstellung von Sportkleidung.<br />
Bundestagsabgeordnete sitzen<br />
auf Trevira CS-Material, der<br />
Vorhang der Metropolitan Opera<br />
in New York ist aus dem gleichen<br />
Stoff und nicht nur im Hotel Luxor<br />
in Las Vegas schlafen die Gäste<br />
damit sicher und kuschelig.<br />
IWB<br />
Der Industriepark Werk Bobingen<br />
ist als Gesellschaft Ansprechpartner<br />
für interessierte Unternehmen,<br />
die einen neuen Sitz suchen<br />
und sich dort ansiedeln möchten.<br />
Selbst beschreibt sich der Standort<br />
auf seiner Homepage als „Moderner<br />
Industriestandort mit Tradition<br />
– Ideale Voraussetzungen für<br />
Mittelständler und Gewerbetreibende“.<br />
Der IWB „bietet mittelständischen<br />
Unternehmen ein<br />
ideales Umfeld. Auf einer Fläche<br />
von ca. 80 Hektar voll erschlossenem<br />
Industriegebiet sind derzeit<br />
16 Unternehmen mit rund 1.450<br />
Beschäftigten tätig. Die vorhandenen<br />
Freiflächen stehen im Eigentum<br />
der Standortgesellschaften<br />
und dienen der Expansion und<br />
Ansiedlung neuer Unternehmen.<br />
Der Standort verfügt über Gleisanschluss<br />
und groß angelegte<br />
Parkflächen außerhalb der Grenzen<br />
der betrieblichen Anlagen.<br />
Namhafte Firmen garantieren am<br />
Standort Spitzenleistungen in den<br />
Bereichen Engieneering, Energietechnik,<br />
Werkstätten, Kommunikation<br />
und Logistik. Von rechtlich<br />
selbständigen Firmen werden<br />
werksärztliche Dienste, Kantinenbetrieb<br />
und Personalabrechnungsservice<br />
angeboten.“<br />
Aktuelles<br />
Trotzdem war und ist TREVIRA,<br />
beziehungsweise deren wechselnde<br />
Inhaberfirmen, ebenso wie der<br />
Industriepark in den letzten Jahren<br />
immer wieder in den Medien. Es<br />
kursieren Gerüchte über eine<br />
Schließung der Standorte und öfter<br />
als es den <strong>Bobinger</strong>n und den<br />
Arbeitern dort lieb ist, erweisen<br />
sich diese Gerüchte als wahr. Derzeit<br />
ist es die Firma ABB, die Ausbildungswerkstatt<br />
am Standort Industriepark,<br />
die zum 31.12.2013<br />
ihren Betrieb niederlegen soll. Bisher<br />
wurden dort rund 100 Auszubildende<br />
in 13 Lehrberufen ausgebildet.<br />
Die Schließung wäre<br />
ein unglaublicher Verlust für die<br />
Region und unsere Stadt. Die Verträge<br />
mit den Standortfirmen laufen<br />
aber nur noch bis Jahresende.<br />
Aktuell werden Gespräche ge-<br />
IWB 2012.<br />
ORTSGESCHICHTE<br />
führt, ein Ergebnis ist noch nicht<br />
abzusehen.<br />
Schlussworte<br />
Den Blick in die Zukunft möchte<br />
die Autorin an dieser Stelle nicht<br />
wagen. Vielmehr einen Abschluss<br />
für die Vergangenheit finden, die<br />
aus einer Bleicherei eine Kunstseidefabrik<br />
und aus einem Bauerndorf<br />
einen Industriestandort gemacht<br />
hat. Hierzu leihe ich mir<br />
noch einmal die Worte von Buchautor<br />
Max Geisenheyner aus: „Daher<br />
mag das Bild eines Hufeisens, im<br />
<strong>Bobinger</strong> Gelände von einem Bauern<br />
gefunden, als Glückszeichen für die<br />
nächsten 50 Jahre die Schlusszeilen<br />
einleiten. Ich schreibe sie nach einem<br />
letzten Gang durch die mir so vertraut<br />
gewordenen Höfe, die schmalen<br />
und breiten Fabrikstraßen, umwandere<br />
die Gebäude, die alten und neuen,<br />
die Schuppen und Hallen. Es ist<br />
Nachtschicht und ringsum stiller als<br />
sonst. Ich blicke vor dem Tor in die<br />
Höhen und Weiten des Sternenhimmels<br />
und muss daran denken, wie selten<br />
ich selber in der großen Stadt, in<br />
der ich lebe, den Himmel sehe. Hier,<br />
IWB 2012. Bilder: Anja Fischer<br />
in Bobingen hat ein jeder die Unermesslichkeit<br />
des blinkenden Lichtergewölbes<br />
über sich, wenn er um diese<br />
Zeit die Fabrik verlässt oder des<br />
Abends vor die Tür seines Wohnhauses<br />
tritt. Von einem solchen Anblick<br />
wird keiner unberührt bleiben. Er<br />
wird ihn nachdenklich stimmen, gerade<br />
ihn, der in seiner Arbeitsstätte<br />
mit enträtselten Geheimnissen zu<br />
tun hat, auch wenn sie sich nicht<br />
mehr als Geheimnisse darstellen, sondern<br />
sich materialisiert haben. ....<br />
Wie ich von der Terrasse eines Hauses<br />
noch einmal zu dem mächtigen <strong>Bobinger</strong><br />
Schornstein hinübersehe, diesem<br />
schlanken, hohen Turm der Arbeit,<br />
um den sich die hohen und niedrigen<br />
Bauten sammeln, vom Mondlicht<br />
sanft angestrahlt, gebe ich im<br />
Gespräch mit Angehörigen des Werkes<br />
dem Gedanken Ausdruck: es sei sicherlich<br />
kein Zufall, dass gerade in<br />
der Stille einer Landschaft, in abseits<br />
gelegenen Fabriken an bedeutenden<br />
Erfindungen gearbeitet werde und<br />
dass für eine solche Arbeit die naturgegebene<br />
Bescheidenheit der Lebensführung,<br />
das Nichtabgelenktwerden<br />
günstig sei, Erfindungen, die dann<br />
oft genug der Masse Mensch in den<br />
großen und kleinen Städten zu dienen<br />
haben.... So winke ich bei der<br />
nächtlichen Abfahrt noch einmal hinüber<br />
von der Höhe der Landstraße<br />
zur Fabrik, zu den Feldern und Wiesen<br />
und zur Singold, aus welcher der<br />
Mond ein Silberband gemacht hat.“<br />
Quellen:<br />
Buch: Bobingen und seine <strong>Geschichte</strong><br />
Buch: Bobingen – Beiträge zur Heimatgeschichte<br />
Buch: Schaffende Gedanken - Schaffende<br />
Hände von Max Geisenheyner<br />
für <strong>Bobinger</strong> AG für Textil-Faser<br />
Buch: Alte Firmen der Wirtschaftsregion<br />
Schwaben<br />
Buch: An den Ufern der Wertach von<br />
Dr. Peter Nowotny<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
41
HOBBY<br />
Von Anja Fischer<br />
Die Bestäubung seiner Obstbäume<br />
war der Grund, dass sich Winfried<br />
Goßner für die Bienenhaltung<br />
interessierte. „Ich war mit<br />
dem Obstertrag unzufrieden“, erzählt<br />
er. „Es fehlte einfach im<br />
Frühjahr die Bestäubung durch die<br />
42<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
IMKER WINFRIED GOSSNER<br />
Von Bienen und Blüten<br />
Das ganze Jahr über muss sich Winfried Goßner um seine Bienen kümmern.<br />
Dafür kann er zweimal den leckeren Honig ernten. Mittlerweile ist er ein<br />
richtiger Profi geworden und züchtet sogar seine Königinnen selbst.<br />
Winfried Goßner beim Imkertag des Gartenbauvereins Bobingen. Bilder: Anja Fischer<br />
Bienen.“ So habe er sich umgehört,<br />
ob sich nicht ein Imker bereit<br />
erklären würde, seine Bienen in<br />
den Goßnerschen Garten zu stellen.<br />
„Aber das war allen zu aufwendig.“<br />
Dann suchte ein Probeimker<br />
aus Bobingen einen Platz für<br />
ein Bienenvolk. Selbstverständlich<br />
stellte Winfried Goßner gerne sei-<br />
nen Garten zur Verfügung. „Ich<br />
sah ihm dann das ganze Jahr über<br />
die Schulter, was er immer machte“,<br />
erzählt Goßner. Dann zog der<br />
Probeimker aus beruflichen Gründen<br />
in den Bayerischen Wald –<br />
und nahm seine Bienenvölker mit.<br />
„So waren wieder keine Bienen im<br />
Garten“, sagt der Imker. „Im da-<br />
Den Kindern bringt er die<br />
Nützlichkeit der Bienen gerne<br />
nahe. Die Bienen beim Anflug an den Stock. Bild: Winfried Goßner<br />
rauffolgenden Herbst kamen die<br />
Bienenvölker vom Bäcker Hornig<br />
zum Verkauf. Da habe ich dann<br />
zugeschlagen und welche gekauft.“<br />
Der Einstieg in die Imkerei war<br />
getan.<br />
Imkerschule<br />
„Dann musste ich mir die Frage<br />
stellen, wie geht man mit den Bienen<br />
um“, berichtet Winfried Goßner.<br />
„Dazu meldete ich mich an<br />
der Schwäbischen Imkerschule in<br />
Kleinkemnat an. Die ist sehr gut.“<br />
Johann Fischer sei dort der zuständige<br />
Fachberater und Lehrer und<br />
mache das ganz Klasse. In der Imkerschule<br />
bekommt der Interessierte<br />
die Grundlagen der Bienenhaltung<br />
vermittelt. Dazu gibt es<br />
jahreszeitlich angepasste Kurse<br />
mit den Dingen, die jeweils zu beachten<br />
sind. „Es sind circa zehn<br />
Kurstage, immer Samstags, an denen<br />
gelehrt wird“, berichtet Winfried<br />
Goßner. „Dann kann man<br />
heimgehen und das Gelernte bei<br />
seinen eigenen Bienen anwenden.“<br />
Ein Schulbesuch lohnt sich auf jeden<br />
Fall: schließlich investiert ein<br />
Imker einiges, bevor er an den ersten<br />
Honig kommt. Eine bienenbesetzte<br />
Wabe kostet in etwa<br />
10 Euro, ein voller Kasten mit<br />
zehn Waben somit rund 100 Euro.<br />
Dazu kommen die Kosten für den<br />
Kasten selbst.<br />
Erste Stiche<br />
Winfried Goßner fing mit drei<br />
Bienenvölkern an. „Die Mädels<br />
waren recht wehrhaft“, weiß er<br />
noch aus seiner Anfangszeit. Soll<br />
heißen, seinen Bienen wollten ihren<br />
neuen Besitzer gerne einmal<br />
stechen. Das meiste verhinderte<br />
zum Glück die Schutzkleidung,<br />
bestehend aus Schlupfjacke,<br />
Schleierhut und Imkerhose oder<br />
Overall, Hand- und Beinschutz.<br />
„Ich habe mich dann bemüht, andere<br />
Königinnen zu bekommen“,<br />
erzählt Goßner. Diese vererben
Der Smoker schützt den Imker beim Öffnen des Kastens.<br />
Bild: Anja Fischer<br />
durch ihre Eiablage die Gene an<br />
die Bienen weiter. Ruhigere Königinnen<br />
bedeuten ruhigere Gene –<br />
und damit Bienen, die deutlich<br />
weniger stechfreudig sind. Sonst<br />
sei es am Anfang recht gut gelaufen.<br />
„Ich hatte Unterstützung<br />
durch meinen Vater, der mir die<br />
Magazine (Bienenwohnungen)<br />
geschreinert hat.“ Hilfe bekam der<br />
Imkeranfänger auch durch den<br />
Imkerverein in Großaitingen, dort<br />
ist er seit langem Mitglied. Bei den<br />
Imkern aus Bobingen nimmt<br />
Winfried Goßner mittlerweile<br />
eine führende Aufgabe bei der Anleitung<br />
junger Probeimker wahr.<br />
„Es ist immer gut, in solchen Vereinen<br />
Mitglied zu werden“, empfiehlt<br />
er. „Man lernt andere Imker<br />
kennen und kann sich austauschen,<br />
wenn man Fragen hat und<br />
selbst nicht weiterkommt.“<br />
Faszinierende<br />
Insekten<br />
Mit einem Schmunzeln denkt<br />
Winfried Goßner heute an seine<br />
ersten Besuche bei den Bienen zurück.<br />
„Im ersten Jahr war ich immer<br />
aufgeregt, wenn ich zu den<br />
Bienen ging“, erzählt er. „Das gibt<br />
sich mit der Zeit.“ Es sei aber immer<br />
noch beeindruckend, wenn<br />
man den Kasten aufmacht und am<br />
Anfang des Jahres gerade zehn<br />
Waben voller Bienen hat. Das sind<br />
immerhin schon rund 10.000 der<br />
Insekten. „Innerhalb von zwei<br />
Monaten sind es dann 30.000 Bienen<br />
und sie füllen drei Magazine.<br />
Diese Dynamik ist absolut beeindruckend“,<br />
findet der Imker, der<br />
Kompetenz für draußen!<br />
· Grünflächenpflege<br />
· Baumfällungen<br />
· Hecken- und Gehölzpflege<br />
· Winterdienst<br />
· Kehrdienste<br />
HOBBY<br />
Hier tummeln sich Bienen auf der Wabe.<br />
Bild: Winfried Goßner<br />
darauf vorbereitet sein muss. Für<br />
die neuen Bienen müssen genügend<br />
Magazine und ausreichend<br />
weitere Rähmchen zur Verfügung<br />
stehen. „In diese Rähmchen werden<br />
dann neue Bienenwachsplatten<br />
„eingelötet“, sagt Goßner. Und<br />
die Bienen bauen diese Vorgaben<br />
zu ihrer neuen Heimat aus.<br />
Der erste Honig<br />
Es kam die erste Honigernte. „Darauf<br />
freut man sich schon“, gibt<br />
Winfried Goßner zu. Beim ersten<br />
Mal lieh er sich die Honigschleuder<br />
noch von seinem Imkerkolle-<br />
gen Georg Egger aus. „Der hatte<br />
damals schon eine Schleuder.“<br />
Fest saßen die Waben in den Rahmen.<br />
Winfried Goßner musste das<br />
Deckelwachs entfernen, um an<br />
den goldgelben Honig zu kommen.<br />
Durch das Schleudern wird<br />
dieser aus den Rahmen gepresst<br />
und in einem Eimer aufgefangen.<br />
„Dann geht’s erst richtig los“, berichtet<br />
der Imker. „Wir wollen ja<br />
keinen harten Honig, sondern einen<br />
cremigen, der sich leicht streichen<br />
lässt und dazu muss man den<br />
Honig rühren.“ Aber wie? Goßner<br />
besorgte sich einen Rührstab und<br />
rührte den Honig seiner Bienen<br />
zweimal am Tag, früh und abend,<br />
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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
43
HOBBY<br />
Schön sieht man, wie die Biene mit Pollen bestäubt ist.<br />
Die Biene sucht Nektar und<br />
Pollen in der Löwenzahnblüte.<br />
kräftig durch. „Dann wird der Honig<br />
langsam feinsteif, so nennt<br />
man das.“ Etwa drei bis fünf Tage<br />
dauert das bei der ersten Honigernte<br />
aus Obstblüten, Raps und<br />
Löwenzahn. Erst jetzt ist der Honig<br />
so weit, dass er ins Glas gefüllt<br />
werden kann. Auch das muss vorher<br />
besorgt werden: Gläser, Deckeleinlagen<br />
und die passenden<br />
Verschlüsse.<br />
44<br />
Zuckerwasser<br />
für den Winter<br />
Während der Honigernte muss<br />
sich ein guter Imker schon darum<br />
kümmern, was seine Bienen im<br />
Winter essen werden. Denn mit<br />
dem Honig nimmt er ihnen ja das<br />
eingelagerte Winterfutter weg.<br />
Üblicherweise wird jetzt Zuckerwasser<br />
eingefüttert. „Das kann<br />
man in sehr guter Qualität fertig<br />
kaufen“, erzählt Winfried Goßner.<br />
Er stellt das Zuckerwasser in einem<br />
Behälter auf die Waben. Dort<br />
finden es die Bienen und lagern die<br />
Nahrung für den Winter ein.<br />
„Hier findet zeitlich passend ein<br />
Kursteil an der Imkerschule statt“,<br />
hat Goßner in seinem ersten Bienenjahr<br />
erfahren. Dann können<br />
Anfänger zum richtigen Zeit-<br />
punkt ihre Bienen zu Hause versorgen.<br />
Kampf der<br />
Varroamilbe<br />
Auch den Kampf gegen die Varroamilbe<br />
nimmt der Imker nach<br />
der Honigernte etwa Mitte Juli<br />
zum ersten Mal auf. Die Varroamilbe<br />
befällt die Larven der Honigbienen.<br />
Sie schädigt und<br />
schwächt sie, so dass weitere schädigende<br />
Viren übertragen werden<br />
können. Auf diese Weise kann die<br />
Varroamilbe ein ganzes Bienenvolk<br />
auslöschen und war für das<br />
große Bienensterben vor einigen<br />
Jahren verantwortlich. Im Bienenstock<br />
von Winfried Goßner (und<br />
in jedem anderen), haben sich die<br />
Varroamilben über den Sommer<br />
vermehrt und müssen nun raus.<br />
Das geschieht mit Hilfe von<br />
Ameisensäure, die auf ein<br />
Schwammtuch gegeben und auf<br />
die Wabenrahmen gelegt wird.<br />
„Die Säure verdampft und die Milben<br />
werden ihrerseits geschädigt<br />
und fallen runter“, beschreibt<br />
Goßner den Vorgang. Dann wird<br />
die restliche Futtermenge aufgefüttert:<br />
ein zweiräumiges Bienenvolk<br />
benötigt etwa 20 kg Winterfutter.<br />
Durch Wiegen des gesamten<br />
Bienenstocks wird kontrolliert,<br />
ob tatsächlich so viel von den Arbeiterinnen<br />
eingelagert wurde.<br />
Nach dem Füttern erfolgen weitere<br />
Varroabehandlungen. Durch<br />
eine weiße Diagnoseplatte kann<br />
der Imker kontrollieren, ob weitere<br />
Behandlungen nötig sind. Drei<br />
Wochen nach den ersten Frösten<br />
erfolgt noch eine Winterbehandlung<br />
mit Oxalsäure oder Milchsäure.<br />
„Das ist dann die Restbehandlung“,<br />
erzählt Winfried Goßner.<br />
„Damit versucht man, alle<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
Vor dem Honigschleudern<br />
müssen die Waben entdeckelt<br />
werden.<br />
restlichen Milben herauszubekommen,<br />
so dass die Bienen Mitte<br />
Januar möglichst milbenarm wieder<br />
mit ihrem Brutgeschäft beginnen<br />
können.“ Und der Imker im<br />
Frühjahr zur Blütezeit wieder ein<br />
gesundes Bienenvolk zur Verfügung<br />
hat.<br />
Eigener<br />
Wachskreislauf<br />
Winfried Goßner verwendet von<br />
seinen Bienen aber nicht nur den<br />
Honig. Die emsigen kleinen Tiere<br />
produzieren auch sonst jede Menge<br />
Dinge, die für die Menschen<br />
wohlschmeckend, gesundheitsfördernd<br />
oder praktisch sind. „Aus<br />
dem Entdeckelungswachs mache<br />
ich beispielsweise neue Mittelwände<br />
für die Bienenwaben, welche<br />
die Bienen für ihre Honigeinlagerung<br />
verwenden“, zählt Goßner<br />
auf. Das ist dann ein eigener<br />
Wachskreislauf. Dadurch ist gewährleistet,<br />
dass der Imker keine<br />
Beim Honigschleudern.<br />
fremden Schadstoffe in den Stock<br />
zieht. „So erlangt der Honig eine<br />
besonders hohe Qualität.“ Aus<br />
dem Wachs der bebrüteten Waben<br />
werden Kerzen gewonnen,<br />
echte Bienenwachskerzen, deren<br />
Duft beim Abbrennen durch das<br />
ganze Haus zieht und nach Honig<br />
und Sommer schmeckt. Sie kann<br />
man im Hause Goßner im Kleiberweg<br />
kaufen. Ebenso wie den leckeren,<br />
mit Honig versetzten Essig,<br />
der so gut zu Salat schmeckt<br />
und selbstverständlich allerlei<br />
köstliche Honigsorten.<br />
Pollen sammeln<br />
Als Nahrungsergänzung bietet<br />
Winfried Goßner zudem Blütenpollen<br />
an. Wenn die Bienen im<br />
Frühjahr mit den Pollenhöschen<br />
an den Hinterbeinen in den Stock<br />
zurückkommen, muss er sich aber<br />
nicht die Arbeit machen und jeder<br />
Biene einzeln ihre Beute nehmen.<br />
„Das wäre eine ganz schöne Fleißarbeit,<br />
bis ich da etwas zusammen<br />
Winfried Goßner beim Pollensammeln. Bilder: Winfried Goßner
Winfried Goßner sucht auf der Wabe nach neuen Königinnen.<br />
hätte“, lacht der Imker. In einem<br />
kurzen Zeitfenster, wenn das Blütenangebot<br />
im Überfluss da ist,<br />
kann er nach dem Einschlupfloch<br />
im Bienenstock ein Lochgitter<br />
einsetzen. Beim Durchkrabbeln<br />
streifen die Bienen selbst die Pollen<br />
ab. „Das ist aber nicht unbegrenzt<br />
möglich, denn die Bienen<br />
leben ja von Nektar und Pollen<br />
und ich kann ihnen nicht ihre ganze<br />
Lebensgrundlage nehmen“,<br />
passt Goßner gut auf.<br />
Gelee royal<br />
Das seltene Gelee Royal, das in jedem<br />
Bienenstock nur in kleinsten<br />
Mengen anfällt, bietet Winfried<br />
Goßner hingegen nicht an. „Es ist<br />
sehr aufwendig zu gewinnen, deshalb<br />
macht das eigentlich keiner“,<br />
erklärt er. Es sehe aus wie Naturjoghurt<br />
und schmecke auch ein bisschen<br />
in diese Richtung. Als Gelee<br />
Royal bezeichnet der Imker das<br />
Futter für die Königinnen. Diese<br />
können damit eine Lebenszeit von<br />
bis zu fünf Jahren erreichen, während<br />
die normale Arbeiterbiene<br />
gerade einmal 45 Tage alt wird.<br />
Nicht so glücklich ist der Imker<br />
auch mit dem Propolis, welches<br />
die Bienen sammeln. Das Kittharz<br />
ist eine von den Bienen hergestellte,<br />
harzartige Masse mit antibiotischer,<br />
antiviraler und antimykotischer<br />
Wirkung. Es dient zum Abdichten<br />
kleinerer Ritzen und Löcher<br />
im Bienenstock. „Leider kleben<br />
die Bienen damit gerne alles<br />
zu, was sie als Ritze ansehen. Die<br />
Kästen lassen sich danach nur<br />
noch schwer von uns Imkern bearbeiten“,<br />
seufzt Winfried Goßner,<br />
der schon einiges mit den nützlichen<br />
Insekten erlebt hat.<br />
Flucht vor den<br />
Stacheln<br />
„Einmal haben mir meine Söhne<br />
Maximilian und Alexander geholfen,<br />
einen Bienenstock aufzuladen,<br />
der versetzt werden sollte“,<br />
erzählt er. „Auf dem Weg zum<br />
Anhänger hat sich der Gurt gelockert,<br />
mit dem der Stock verschlossen<br />
war.“ Die Bienen kamen<br />
heraus. „Meine Söhne haben den<br />
Stock nur noch auf den Boden gestellt<br />
und fluchtartig das Weite gesucht“,<br />
schmunzelt Winfried<br />
Goßner. „Sie hatten großen Respekt<br />
vor den Stacheln der Bienen.“<br />
An einen Transport war dafür an<br />
diesem Tag nicht mehr zu denken.<br />
Bienen fliegen stets an ihren gewohnten<br />
Standort zurück. Deshalb<br />
ist ein Verstellen des Stockes<br />
nur am frühen Morgen vor dem<br />
ersten Ausflug möglich. „Also<br />
hieß es für mich: Schutzanzug anziehen,<br />
den Bienenstock wieder<br />
verschließen und zurückstellen.<br />
Erst am nächsten Tag, als alle Bienen<br />
wieder eingesammelt waren,<br />
konnten wir den Stock an seinen<br />
neuen Standort bringen“, berichtet<br />
Goßner.<br />
Königinnentod<br />
Bei der wöchentlichen Durchsicht<br />
zur Schwarmkontrolle, passierte<br />
ein anderes Unglück. „Wenn man<br />
dabei die Königin auf einer Wabe<br />
sieht, fängt man sie normalerweise<br />
mit einem Fangclip und legt sie zur<br />
Seite, damit ihr nichts passiert“,<br />
beschreibt der Imker die gängige<br />
Praxis. „Als ich meine Königin zur<br />
Seite legte, streckte sie alle sechse<br />
von sich und rührte sich nicht<br />
mehr.“ Das Tier hatte wohl einen<br />
Herzinfarkt bekommen. Was nun<br />
tun? „So ein Volk ohne Königin ist<br />
eine Katastrophe“, meint Winfried<br />
Goßner und erklärt auch gleich<br />
warum: „Bis das Bienenvolk eine<br />
neue Königin aus den vorhandenen<br />
Larven nachgezogen hat, vergehen<br />
rund zwei Monate. Weil bis<br />
dahin keine neue Eiablage erfolgt,<br />
wird das Volk immer schwächer<br />
und schwächer.“ Erst wenn die<br />
neue Königin neue Eier legt, gibt<br />
es wieder neue Honigbienen im<br />
Bienenkorb. „Zum Glück konnte<br />
mir ein Freund mit einer neuen<br />
Königin aushelfen.“ So war die<br />
Bienenwelt am nächsten Tag wieder<br />
in Ordnung.<br />
Hilfe gegen Stiche<br />
Das Leben und Arbeiten mit den<br />
Bienen sorgt beim Imker nicht nur<br />
für leckeren Honig auf dem Frühstückstisch.<br />
„Durch die Bienenhaltung<br />
hat sich mein Bezug zur<br />
HOBBY<br />
Natur verändert“, findet Winfried<br />
Goßner. „Man nimmt bewusster<br />
wahr, wann etwas blüht, ob genügend<br />
Pflanzen im Jahr blühen und<br />
welches Wetter wir haben.“ Goßner<br />
hat gemerkt: „Jedes Jahr ist<br />
wirklich anders: das Wetter ist anders,<br />
die Bienen verhalten sich anders<br />
– das ist faszinierend.“ Trotzdem<br />
ist eines jedes Jahr gleich.<br />
Ganz ohne einen Bienenstich geht<br />
es eben doch nicht. „Mir macht das<br />
mittlerweile nicht mehr viel aus“,<br />
sieht der Imker das locker. „Klar,<br />
gegen den Schmerz ist man nicht<br />
immun, aber ich bekomme keine<br />
Schwellung mehr, bin schon abgehärtet<br />
gegen das Bienengift.“ Für<br />
alle anderen hat er trotzdem einen<br />
Tipp: „Apis-Globuli helfen und<br />
am Anfang habe ich Stiche auch<br />
mit Fenistilgel behandelt.“<br />
Wer das nicht im Haus hat, muss<br />
nicht verzweifeln. Die altbewährte<br />
Zwiebelhälfte auf dem Stich oder<br />
ein Einreiben mit Spitzwegerichblättern<br />
helfen genauso gut.<br />
Der Imker im Schutzanzug. Bilder: Winfried Goßner<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
45
SCHULE<br />
Von Anja Fischer<br />
46<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
GRUNDSCHULE AN DER SINGOLD<br />
Lernen unter dem Regenbogen<br />
Der 1. September 1994 war ein<br />
ganz besonderer Tag: er war nicht<br />
nur der Beginn eines neuen Schuljahres,<br />
sondern in Bobingen auch<br />
der Beginn einer neuen Schule. An<br />
diesem Tag öffnete die Grundschule<br />
an der Singold zum ersten<br />
Mal weit ihre Türen, um die neuen<br />
Schüler zu empfangen. Das wurde<br />
mit einem großen Fest gefeiert.<br />
Die große Anzahl von Kindern in<br />
Bobingen machte den Neubau<br />
notwendig, der damals im Stadtrat<br />
stark diskutiert wurde. Das Gebäude<br />
neben dem Rathaus, die<br />
Die <strong>Geschichte</strong> der Grundschule an der Singold ist noch relativ jung.<br />
Gerade einmal knapp zwanzig Jahre ist sie alt. Kein Wunder also, dass sie<br />
voller jugendlicher Kraft und Elan steckt und in ihr allerhand passiert.<br />
Die Grundschule an der Singold. Bilder: Anja Fischer<br />
Siedlungsschule.<br />
Laurentius-Grundschule reichte<br />
alleine nicht mehr aus. Fast schien<br />
es aber, als würde nach „Mammutdiskussionen“<br />
durch die Politik<br />
doch keine Entscheidung für eine<br />
neue Grundschule fallen: die Frage<br />
des Standorts war das Problem.<br />
Ein anderer Sitz in der Point III<br />
hätte vielen Stadträten ebenso gut<br />
gefallen, doch dann wurde am<br />
Ende einer langen Sitzung der<br />
Neubau neben der Realschule beschlossen.<br />
Die Grundschule wurde<br />
in zwei Schulen mit zwei Schulsprengeln<br />
aufgeteilt. Zur Singoldgrundschule<br />
gehört außerdem die<br />
Außenstelle in der Siedlung, in der<br />
vorwiegend die Siedlerkinder beschult<br />
werden. Insgesamt ergab es<br />
im ersten Schuljahr 16 Klassen in<br />
den ersten vier Jahrgangsstufen.<br />
Rektor war Winfried Blümelhuber,<br />
Konrektorin Elisabeth<br />
Maugg. Heute besteht die Schulleitung<br />
aus Rektorin Gabriele<br />
Glockner und Konrektorin Iris<br />
Schäffler. Beide leben in Bobingen<br />
und stimmen darin überein, dass es<br />
bereichernd ist, am Heimatort<br />
Schulleiter zu sein. So bestünde<br />
eine ganz intensive Identifikation<br />
mit der Schule, die beiden sehr ans<br />
Herz gewachsen ist. Anfangs wurden<br />
die beiden Grundschulen in<br />
West und Ost unterschieden, bevor<br />
beide einen neuen Namen fanden.<br />
Schullogo<br />
Ein Schullogo für die neu erbaute<br />
Unterrichtsstätte war schnell gefunden:<br />
„Gemeinsam unter dem<br />
Regenbogen“. Es begleitet Schüler,<br />
Eltern und Lehrer noch heute<br />
immer wieder. „Wir fragten uns:<br />
Wie wollen wir hier zusammen leben?<br />
Wie soll unsere Schulfamilie<br />
sein?“, denkt die heutige Konrektorin<br />
Iris Schäffler zurück. Dabei<br />
sah man den Regenbogen nicht in<br />
erster Linie als christliches Symbol<br />
an, sondern stellte sich eher unter<br />
den Schutz des Himmels, des Regenbogens.<br />
Dieser ist auch auf<br />
dem Briefkopf der Schule zu finden<br />
und zieht sich durch die ganze<br />
Schule. Mobiles in Regenbogenfarben,<br />
das Symbol als Zeichen des<br />
Friedens, der Regenbogen auf der<br />
Schulfahne – das Schullogo wird<br />
mittlerweile von der dritten Schulleitung<br />
weitergetragen. Es ist ein<br />
Zeichen für die Demokratie in der<br />
Schule, die durch Klassensprecherwahlen<br />
und Schulversammlungen<br />
gelebt wird. Die Schüler<br />
werden, wenn möglich, in Entscheidungen<br />
eingebunden, so dass<br />
demokratisches Mitwirken tatsächlich<br />
möglich ist.<br />
Das <strong>Bobinger</strong><br />
Modell<br />
Wenn Kinder in die Schule kommen,<br />
ist das ein großer Schritt für<br />
sie. Um diesen möglichst reibungslos<br />
zu gestalten, hat die<br />
Grundschule an der Singold überlegt,<br />
wie die Zusammenarbeit mit<br />
Kindergärten verlaufen und struk-
Die Schulfahne mit dem Regenbogen.<br />
turiert werden kann. Daraus entstand<br />
das „<strong>Bobinger</strong> Modell“. Ziel<br />
der Zusammenarbeit ist es, dass<br />
Lehrkräfte ihren künftigen Schulkindern<br />
zeitig genug begegnen,<br />
um eventuelle Stärken und oder<br />
Schwächen rechtzeitig erkennen<br />
und entsprechende Fördermaßnahmen<br />
bis zum Schulstart einleiten<br />
zu können. Die Vorschulkinder<br />
sollen Schule, also dem Gebäude,<br />
der großen Kinderschar,<br />
der Arbeitsatmosphäre und den<br />
Lehrern noch vor dem Schulstart<br />
in zwangloser Atmosphäre begegnen.<br />
Deshalb dürfen sie mehrmals<br />
zusammen mit ihren Erzieherinnen<br />
die Schule besuchen. Voraussetzung<br />
für eine erfolgreiche Zielerreichung<br />
ist eine offene und von<br />
gegenseitigem Vertrauen getragene<br />
Zusammenarbeit zwischen<br />
Schule, Kindergarten und Elternhaus.<br />
Die umfassende und gewissenhaft<br />
durchgeführte Begleitung<br />
der künftigen Schulkinder garantiert<br />
natürlich nicht in jedem Fall<br />
einen reibungslosen Schulstart.<br />
Aber sie hat immer sehr viele Vorteile<br />
für alle Beteiligten: Man<br />
kennt sich bereits, das mehrjährige<br />
Wissen der Erzieherinnen kann<br />
effektiv in die Beratung einfließen,<br />
nötige Maßnahmen sind bereits<br />
vor dem Schulstart angelaufen und<br />
haben positive Wirkung erzielt.<br />
Schule ist eben nicht mehr völlig<br />
fremd, am ersten Tag.<br />
Commenius-<br />
Projekt<br />
Mit einem Lehreraustausch der<br />
Französischlehrer aus dem Regierungsbezirk<br />
Schwaben fing alles<br />
an. Daraus entwickelte sich ein<br />
Comenius-Projekt, in dem drei<br />
Schulen unterschiedlicher europäischer<br />
Länder zusammenarbeiten.<br />
Drei Jahre lang hielt die<br />
Grundschule engen Kontakt mit<br />
Partnerschulen in Frankreich und<br />
Finnland und tauschte sich<br />
mit den Partnern aus. Bilder, Plakate,<br />
Berichte, Fotos und selbstgedrehte<br />
Videos in den verschiedenen<br />
Sprachen Deutsch, Englisch,<br />
Französisch und Finnisch, berichteten<br />
vom Schulalltag der Kinder<br />
in den Partnerländern. Viele interessante<br />
Dinge gab es da zu entdecken,<br />
beispielsweise von<br />
unterschiedlichen Bräuchen an<br />
den Feiertagen. Den Kindern<br />
machte es Spaß, zugleich auch etwas<br />
von sich zu erzählen.<br />
Die Singoldgrundschule war<br />
Gastgeber für Kollegen der „Oinaskatu-Schule“<br />
in Järvenpää,<br />
Finnland, und der Primarschule<br />
„Chant d’Oiseau“, Frankreich.<br />
Das Abschlusstreffen fand in<br />
Frankreich statt. Dort entwickelten<br />
sich wieder interessante Gespräche<br />
über die Schulen mit ihren<br />
SCHULE<br />
Rohbau der Grundschule an der Singold.<br />
Bilder: Grundschule an der Singold<br />
jeweiligen Schwierigkeiten und<br />
die verschiedenen Ansätze zur<br />
Problemlösung. Zwar hat jedes<br />
System seine Stärken und Schwächen<br />
und jedes Land spezifische<br />
Probleme, doch letztlich haben<br />
Kinder, Eltern und Lehrer in den<br />
meisten Punkten die gleichen Bedürfnisse,<br />
Sorgen und Nöte.<br />
Trotzdem lassen es die unterschiedlichenRahmenbedingungen<br />
in den verschiedenen Ländern<br />
nicht immer zu, gewonnene Erkenntnisse<br />
auch umzusetzen. Ein<br />
Blick über den längst abgebauten<br />
Grenzzaun lohnt sich trotzdem.<br />
Daher lässt die Schule den Kontakt<br />
zu ihren Partnerschulen auch<br />
nicht abreißen.<br />
Inklusion<br />
Es war und ist sicherlich keine<br />
Selbstverständlichkeit, ein behindertes<br />
Kind an einer Regelschule<br />
aufzunehmen. So ein Schritt ist ein<br />
Wagnis. Aber eines, das sich gelohnt<br />
hat. Als ganz normale Klasse<br />
hat sich die „Inklusionsklasse“ der<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
47
SCHULE<br />
Grundschule immer bezeichnet.<br />
„Es ist alles wie bei anderen auch,<br />
nur dass ein Kind dabei ist, das ein<br />
bisschen langsamer lernt als alle<br />
anderen“, beschrieben es die Kinder.<br />
Im Schuljahr 2006/07 bot die<br />
Grundschule an der Singold zum<br />
ersten Mal in Bobingen einem<br />
Kind mit einer Behinderung die<br />
Möglichkeit, eine Regelschule am<br />
Wohnort zu besuchen. Der Junge<br />
mit dem Down-Syndrom wurde<br />
von den Kindern herzlich aufgenommen,<br />
denn diese erkannten<br />
schnell: „Keiner von uns kann alles.<br />
Manche Kinder können besonders<br />
schnell rechnen, aber dafür<br />
nicht so gut schreiben. Aber jeder<br />
von uns kann irgendetwas ganz<br />
gut und deshalb helfen wir uns oft<br />
gegenseitig. Das macht Spaß.“<br />
Zwei Jahre später sahen Schüler,<br />
Eltern und Lehrer auf eine ganz<br />
besondere Erfolgsgeschichte zurück.<br />
Viele Anstrengungen, Behörden-<br />
und Bittgänge waren nötig,<br />
bis das Kind endlich in eine<br />
„normale Schule“ mit „normalen<br />
48<br />
Mitschülern“ gehen durfte und auf<br />
diesem Weg in seinem normalen<br />
Lebensbereich aufwachsen konnte.<br />
Denn es gibt keine Sonderwelt<br />
für Sonderschüler! Ihre Erfahrungen<br />
fassten die Schüler in einem<br />
Bilderbuch zusammen. „Fred<br />
Goldfisch“ geht erfolgreich in eine<br />
Schule für Landtiere und nicht,<br />
wie vorgesehen, in eine für Wassertiere.<br />
Doch die Tiere (und die<br />
Kinder) unterstützen sich gegenseitig,<br />
sie lernen voneinander und<br />
alle profitieren aus prägenden Erfahrungen.<br />
SINUS-Projekt<br />
Seit 2007 nahm die Singoldschule<br />
an SINUS, einem bundesweiten<br />
Projekt zur Weiterentwicklung<br />
der Unterrichtsqualität in Mathematik<br />
und den Naturwissenschaften<br />
teil. Im Regierungsbezirk<br />
Schwaben wurden dafür sieben<br />
Schulen ausgewählt. Fünf Jahre<br />
lang beschäftigten sich Lehrkräfte<br />
Gemeinsames Mittagessen gehört bei der Ganztagesklasse<br />
dazu. Bild: Anja Fischer<br />
Immer wieder taucht das Schullogo auf.<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
Die Grundschule inszeniert das Musical „Ritter Rost“.<br />
Bilder: Grundschule an der Singold<br />
des Hauses mit mathematischen<br />
Fragestellungen. Die Schwerpunkte<br />
waren „Gute Aufgaben“,<br />
Geometrie, Sach-Rechnen sowie<br />
die Verbesserung der Lern- und<br />
Leistungskultur. Im vorvergangenen<br />
Schuljahr lag der Schwerpunkt<br />
auf der Gestaltung von sogenannten<br />
Lernumgebungen zu<br />
den Themenbereichen: Erweiterung<br />
des Zahlenraums, Geometrie<br />
und Sachrechnen. Im Oktober<br />
hatte das Lehrerteam sogar die<br />
Gelegenheit, ihre Arbeit im Rahmen<br />
eines internationalen Projekts<br />
an der Universität Augsburg zu<br />
dokumentieren und bekam Besuch<br />
von 35 Lehrern aus Augsburg.<br />
Diese verfolgten den Unterricht<br />
in den einzelnen Jahrgangsstufen<br />
mit und werden sich nun ihrerseits<br />
an SINUS versuchen. Im<br />
Schuljahr 2011/12 wagte man sich<br />
nun an den Sachunterricht heran.<br />
Als Arbeitsziel wurde die spannende<br />
Frage verfolgt: „Wie können<br />
die Kinder in den Naturwissenschaften<br />
fachlich richtiges<br />
Wissen erwerben und anschlussfähige<br />
Vorstellungen aufbauen?“<br />
Dazu entwickelten die Lehrkräfte<br />
in regelmäßigen Treffen<br />
sogenannte Experimentierboxen.<br />
Lehrkräfte der ersten Jahrgangsstufe<br />
erstellten Material zum Thema<br />
„Licht und Schatten“. Für die<br />
zweite Jahrgangsstufe entstand<br />
eine Experimentierbox über<br />
„Temperatur und Thermometer“,<br />
für die dritte Klasse über „Magnetismus“<br />
und die vierte Jahrgangsstufe<br />
fand in ihrer Kiste allerhand<br />
zum Thema „Wasserkreislauf“. In<br />
Versuchen erprobten die Schüler<br />
dann fachliche Arbeitsweisen und<br />
gewannen durch eigenes Tun tiefe<br />
Einblicke in Zusammenhänge.<br />
Nach dem Ablauf des Projektes<br />
will die Schule jetzt auch ohne of-<br />
fiziellen Auftrag weitermachen<br />
und Lernmaterialien für ihre<br />
Schüler entwickeln.<br />
Ganztagesklasse<br />
„Ganztagesklasse, den ganzen Tag<br />
klasse!“ – so beschreiben Kinder,<br />
Eltern und Lehrer die vor knapp<br />
zwei Jahren neu eingeführte<br />
Schulform. Klassenlehrerin Lisa<br />
Unger erzählt, wie es im ersten<br />
Jahr für alle funktioniert hat.<br />
„Am Anfang war alles neu für uns,<br />
mich als Klassenlehrerin eingeschlossen:<br />
eine neue Schule, ein<br />
neues Klassenzimmer, eine neue<br />
Lehrerin, viele neue Klassenkameraden,<br />
Schulbus fahren, externe<br />
Kräfte für die Nachmittagsangebote,<br />
Mittagessen in der Schule,<br />
jeden Tag ein Freizeitangebot in<br />
der Schule, Unterricht bis um<br />
15.30 Uhr, keine schriftlichen<br />
Hausaufgaben mehr, manchmal<br />
zwei Lehrer, die für einen da sind<br />
und eine ganze Schulstunde Wochenplanarbeit.<br />
Es war zuerst<br />
nicht leicht, sich darauf einzustellen<br />
und sich an das viele Neue und<br />
Andere zu gewöhnen. An manchen<br />
Ecken und Enden hat es da<br />
gerumpelt und geraucht. Bis es<br />
nach einiger Zeit ganz normal war,<br />
dass wir nun eine Ganztagesklasse<br />
sind. Dazu haben sicher alle einen<br />
Teil beigetragen.“ In der Ganztagesklasse<br />
werden die Kinder ab der<br />
dritten Jahrgangsstufe bis zum<br />
Nachmittag betreut. Unterricht<br />
und Freizeitangebote wechseln<br />
sich in dieser Zeit ab. Die Kinder<br />
haben mehr Zeit, um in der Schule<br />
zu lernen, schriftliche Hausaufgaben<br />
für zu Hause gibt es nicht<br />
mehr. Kommen die Schüler heim,<br />
haben sie frei. Das klingt nach ei-
nem tollen Angebot an die Familien.<br />
Ganz so einfach war es aber<br />
nicht, die erste Ganztagesklasse an<br />
einer <strong>Bobinger</strong> Grundschule zu<br />
etablieren. So musste neben den behördlichen<br />
Auflagen erst einmal die<br />
nötige Infrastruktur geschaffen<br />
werden: es wurde eine Mensa benötigt,<br />
in der die Kinder täglich ein<br />
warmes Mittagessen bekommen.<br />
Nachdem alle Hürden beseitigt waren<br />
und genügend Kinder für die<br />
neue Schulform angemeldet wurden,<br />
startete die Ganztagesklasse<br />
aber mit großem Erfolg. Derzeit<br />
wird sie für jeweils eine Klasse in der<br />
3. und 4. Jahrgangsstufe angeboten.<br />
Bei den Festen kommt die ganze Schule zusammen.<br />
Bilder: Grundschule an der Singold<br />
Feste und Feiern<br />
Gefeiert wurde in der Grundschule<br />
an der Singold schon immer gerne.<br />
Die Feste gehören zum Schulkreislauf.<br />
Mit dem großen Einweihungsfest<br />
damals wurde quasi<br />
der Grundstein für eine fröhliche<br />
Tradition gelegt: Faschingsfeiern,<br />
Buchstabenfeste, Adventsfeiern<br />
und Sommerfeste zum Abschluss<br />
des Schuljahres – zu einer gut<br />
funktionierenden Schulfamilie gehört<br />
es auch, dass besondere Dinge<br />
gefeiert werden dürfen und können.<br />
So kommt im Advent an den<br />
Montagen die ganze Schule in der<br />
Aula zusammen. Die einzelnen<br />
Klassen beteiligen sich mit kleinen<br />
Beiträgen zu einem bestimmten<br />
Motto, das von den Religionslehrern<br />
vorgegeben wird. Die ganze<br />
Schule nimmt so die Adventszeit<br />
ganz bewusst im Kreis der Schulfamilie<br />
war.<br />
Förderkreis<br />
Der Förderkreis wurde 1995 vom<br />
damaligen Schulleiter Winfried<br />
Blümelhuber zusammen mit sechs<br />
Initiatorinnen aus der Siedlung ins<br />
Leben gerufen. Alles begann aber<br />
schon im Frühjahr 1993. Der<br />
Schulbau an der Singold hatte begonnen,<br />
die räumliche Trennung<br />
der Grundschulen war abzusehen<br />
und die damit verbundenen größeren<br />
Aufgaben. Damals machten<br />
sich einige Eltern und Lehrkräfte<br />
Gedanken, wie es möglich wäre,<br />
einen aktiven Beitrag zur Unterstützung<br />
der Schule, der Lehrkräfte<br />
und der Kinder zu leisten und<br />
darüber hinaus ein Kommunikationsforum<br />
zu schaffen. Es ist das<br />
Anliegen des Förderkreises der<br />
Grundschule, die Schule bei unterschiedlichen<br />
Aktionen finan-<br />
ziell zu unterstützen und bei der<br />
Ausrichtung von Veranstaltungen<br />
und Schulfesten mitzuwirken. So<br />
tritt der Kreis beispielsweise am<br />
ersten Schultag und bei der Schuleinschreibung<br />
in Aktion. Dort<br />
versuchen die Mitglieder, durch<br />
den Verkauf von Kaffee und Kuchen,<br />
die Wartezeiten der Eltern<br />
entspannt zu gestalten. Das eingenommene<br />
Geld kommt wiederum<br />
der Schule zugute. So konnte das<br />
Friedensfest im Schuljahr 2011/12<br />
oder der Auftritt des Moussong-<br />
Theaters durch eine finanzielle<br />
Zuwendung unterstützt werden.<br />
Um seine Aufgaben wahrnehmen<br />
zu können, ist der Förderkreis allerdings<br />
auf die Mithilfe der Elternschaft<br />
angewiesen. Diese können<br />
durch ihre Mitgliedschaft<br />
mithelfen, dass auch weiterhin<br />
zum Wohle der Schule gearbeitet<br />
werden kann.<br />
Gesunde Pause<br />
Seit mehr als zehn Jahren wird an<br />
der Grundschule einmal im Monat<br />
die „Gesunde Pause“ angeboten.<br />
Die Kinder freuen sich jedes Mal<br />
sehr über das besondere „Pausenbrot“,<br />
für welches sie einen Euro<br />
Der Förderkreis bei seiner Arbeit.<br />
bezahlen und so viel essen und<br />
trinken können, wie sie möchten.<br />
Damit die vielen kleinen und gesunden<br />
Leckereien rechtzeitig<br />
zum Pausenbeginn auf dem Tisch<br />
stehen, bereiten zehn bis fünfzehn<br />
Mütter und Väter am Morgen verschiedene<br />
Brote, Rohkostschalen,<br />
Obstsalat, Früchtequark, Früchtemüsli<br />
und verschiedene Getränke<br />
zu. Immerhin mehr als 200 Frühstückseinheiten<br />
müssen rechtzeitig<br />
fertig werden. Die „Gesunde<br />
Pause“ gibt es auch an der Außenstelle<br />
Siedlung. Hier wird sie regelmäßig<br />
unter ein bestimmtes<br />
Motto gestellt: Apfel-Pause, Ni-<br />
Seit 23 Jahren im Herzen der Stadt<br />
- Service und freundliche Beratung<br />
sind unsere Stärke.<br />
- Wir führen alle Arten von Fahrrädern<br />
zu erschwinglichen Preisen.<br />
- E-Bikes stehen zum Testen bereit.<br />
- Sie erhalten bei uns außerdem Mofa-,<br />
Moped- und Rollerersatzteile.<br />
Auf Ihren Besuch freuen sich<br />
Herr und Frau Wagner!<br />
SCHULE<br />
kolaus-Pause, Faschings-Pause,<br />
Oster-Pause, pikante Pause und<br />
am Schuljahresende die sehr beliebte<br />
Erdbeer-Pause locken viele<br />
Kinder, auch mal etwas Gesundes<br />
zu probieren, das sie bisher noch<br />
nicht gegessen haben oder einfach<br />
mal nur nach Herzenslust an<br />
Früchten und Gemüsen zu naschen.<br />
Etwa zehn Mütter schmieren<br />
auch hier im Vorfeld Brote,<br />
schnippeln Obst und Gemüse,<br />
spießen es auf und richten alles ansprechend<br />
auf den großen Tischen<br />
in der Pausenhalle an. Da müssen<br />
die Kinder dann nur noch zulangen!<br />
Bahnhofstraße 7 • 86399 Bobingen<br />
✆ 08234-3572<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
49
SCHULE<br />
Von Anja Fischer<br />
BG: Frau Glockner, Sie sind seit<br />
2011 Schulleiterin der Grundschule<br />
an der Singold. Wie haben Sie die<br />
Zeit bisher empfunden?<br />
Gabriele Glockner: Die Zeit war<br />
gefüllt mit vielen interessanten<br />
und neuen Aufgaben, die teilweise<br />
nicht immer einfach zu lösen waren.<br />
Ingesamt aber war es ein sehr<br />
erfüllendes erstes Schuljahr. Ich<br />
bin in ein sehr engagiertes Kollegium<br />
herzlich aufgenommen worden<br />
und wir haben bereits im ersten<br />
Schuljahr gemeinsam ein großes<br />
Projekt in Angriff genommen.<br />
BG: Was ist das für ein Projekt?<br />
Gabriele Glockner: Das Schlagwort<br />
dazu lautete „Gemeinsam<br />
unter dem Regenbogen – Leben<br />
und Lernen unter dem Regenbogen“.<br />
Es ist wichtig, dass Kinder<br />
50<br />
BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />
INTERVIEW MIT REKTORIN GABRIELE GLOCKNER<br />
Gemeinsam unter<br />
dem Regenbogen<br />
Rektorin Gabriele Glockner hat das Schulmotto verinnerlicht und arbeitet<br />
dafür, dass alle Kinder sich in der Schule wohlfühlen und gut lernen können.<br />
Rektorin Gabriele Glockner. Foto: Schiele<br />
sich in der Schule wohlfühlen und<br />
dort gerne lernen. Auch die Kollegen,<br />
die hier arbeiten, sollen gerne<br />
hier sein. Das Projekt beinhaltet<br />
die Auseinandersetzung mit dem<br />
Schul-Motto, zunächst innerhalb<br />
des Projektteams, dann des Kollegiums<br />
und – vorallem – der Klassen.<br />
Daraus resultieren konkrete<br />
Ziele, die wir uns stecken, und Aktionen,<br />
die uns diese Ziele erreichen<br />
lassen. Hierzu haben wir in<br />
unterschiedlichen Gruppen intensiv<br />
diskutiert und gearbeitet und<br />
viele Ideen entwickelt - bis hin zm<br />
letzten Schulfest, das unter dem<br />
Thema „Frieden“ stand ...<br />
BG: Was macht für Sie ein gelungenes<br />
Schulfest aus?<br />
Gabriele Glockner: Das Gelingen<br />
eines Schulfestes beginnt schon<br />
beim Planen, wenn in der Konferenz<br />
gemeinsam das „Wie“ und<br />
„Was“ besprochen wird und das<br />
Kollegium vor Einfällen nur so<br />
sprüht. Beim Fest selber: Begeisterte<br />
und strahlende Kinder, Eltern,<br />
die sich in geselliger Runde<br />
über Beiträge ihrer Kinder freuen<br />
und entspannt Einblick in die<br />
schulische Welt nehmen können,<br />
abseits von Hausaufgaben und Co.<br />
Es gehören ganz viele helfende<br />
Hände und dienstbare Geister<br />
dazu, dass es gelingt.<br />
BG: Schule besteht ja nicht nur aus<br />
Festen. Wie sehen bei Ihnen die Regeln<br />
für den Schulalltag aus? Worauf<br />
legen Sie Wert?<br />
Gabriele Glockner: Ich kann nur<br />
gut arbeiten und lernen, wenn ich<br />
mich wohlfühle. Deshalb haben<br />
wir gemeinsam in sieben Punkten<br />
zusammengefasst, was uns wichtig<br />
ist:<br />
- Jeder Mensch ist wertvoll.<br />
- Jeder achtet die Meinung des<br />
Anderen.<br />
- Jeder darf ohne Angst reden.<br />
- Jeder darf glauben, was er will.<br />
- Keiner darf den Anderen verletzen.<br />
- Jeder achtet das Eigentum des<br />
Anderen.<br />
- Jeder hat das Recht auf eine gute<br />
Schulbildung.<br />
Alle Schüler kennen diese Punkte,<br />
die im Unterricht immer wieder<br />
besprochen werden.<br />
BG: Wie können solche Regeln<br />
durchgesetzt werden?<br />
Gabriele Glockner: Das Wichtigste<br />
ist, dass das Kollegium gewissenhaft<br />
darauf achtet. Die Regeln<br />
müssen eingefordert und auch vorgelebt<br />
werden, und zwar mit großer<br />
Konsequenz: man muss immer<br />
am Ball bleiben. Die Punkte, die<br />
uns wichtig sind, wurden für die<br />
unterschiedlichen Klassenstufen<br />
altersgerecht aufbereitet und als<br />
konkrete, in den Schulalltag passende<br />
Regeln formuliert. Im letz-<br />
ten Jahr haben wir immer sechs<br />
Wochen lang einzelne dieser Verhaltensregeln<br />
trainiert. Diese hatten<br />
wir im Vorfeld demokratisch<br />
mit allen Schulkindern ausgesucht.<br />
Die Klassen haben zu jeder<br />
Regel Bilder gestaltet. Jede Woche<br />
wurde Rückschau gehalten, ob es<br />
schon klappt.<br />
BG: Was waren das für Punkte?<br />
Gabriele Glockner:<br />
-Wir gehen rücksichtsvoll miteinander<br />
um!<br />
- Wir vermeiden Lärm!<br />
- Wir gehen zügig ins Klassenzimmer!<br />
- Wir achten auf ein sauberes<br />
Schulhaus!<br />
BG: Der Regenbogen als Schulsymbol<br />
steht als Zeichen für die Gemeinschaft.<br />
Was wünschen Sie sich für ihre<br />
Schulgemeinschaft?<br />
Gabriele Glockner: Der Regenbogen<br />
ist bunt. Das steht für mich<br />
auch für die bunte Vielfalt an<br />
Menschen und Wesensarten, die<br />
in der Schule zusammenkommen.<br />
Der Bogen stellt für mich ein<br />
Schutzschild dar, unter dem man<br />
sich geborgen und wohl fühlen<br />
kann. Wenn ein Regenbogen am<br />
Himmel erscheint, ist das etwas<br />
besonderes, das einen aufblicken<br />
lässt. Man lässt die Arbeit liegen<br />
und geht ans Fenster, um zu<br />
schauen. Das wünsche ich mir für<br />
hier auch: die Möglichkeit, immer<br />
mal wieder innezuhalten und den<br />
Blick auf etwas Neues richten zu<br />
können, immer wieder eine Gelegenheit<br />
zum Staunen zu haben<br />
und dieses Staunen mitzunehmen,<br />
wenn der Alltag da ist und der Regenbogen<br />
sich wieder verbirgt.<br />
Dazu passt ein chinesisches<br />
Sprichwort: „Die Arbeit läuft dir<br />
nicht davon, wenn du den Kindern<br />
den Regenbogen zeigst. Aber der<br />
Regenbogen wartet nicht, bis du<br />
mit der Arbeit fertig bist.“
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Aufgabe der Bayerischen Elektrizitätswerke, den Lebensraum Natur<br />
zu schützen. Beispielsweise durch die Entwicklung und Erforschung<br />
neuer Fischaufstiegshilfen.“<br />
Dr. Gerhard Haimerl, Ingenieur für Wasserbau-Technik<br />
bei den Bayerischen Elektrizitätswerken<br />
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