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Bobinger Geschichte - Kohl

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<strong>Bobinger</strong><br />

<strong>Geschichte</strong>(n)<br />

HISTORISCHES, AKTUELLES, WISSENSWERTES UND AMÜSANTES AUS BOBINGEN UND UMGEBUNG<br />

HISTORIE HOBBY<br />

Schloss Straßberg<br />

SCHULE<br />

Lernen unter dem Regenbogen<br />

Seite 12<br />

Seite 46<br />

ORTSGESCHICHTE<br />

Bobingen und<br />

die Fabrik (2)<br />

Seite 38<br />

Von Bienen<br />

und Blüten<br />

HINTERGRUND<br />

Von der Mehlmühle<br />

zum<br />

Kulturzentrum<br />

LEBENSLINIEN<br />

3<br />

Mai<br />

2013<br />

€ 3.–<br />

Seite 42<br />

Seite 34<br />

Aus dem Leben von<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong> Seite 22


vielfältig<br />

zentral<br />

attraktiv<br />

Lebensqualität, die Sie sich leisten können!<br />

Schon die Römer und die Fugger wussten die verkehrsgünstige Lage, an der ehemaligen Via Claudia Augusta, zu schätzen und zu<br />

nutzen. An dieser Verbindungsachse über die Alpen nach Südeuropa gelegen, war und ist Bobingen optimal in das Verkehrsnetz der<br />

Region eingebunden. Die Bundesstraße 17 ist Teil der romantischen Straße – eine der bekanntesten und beliebtesten Ferienstraßen<br />

Deutschlands. Von Bobingen aus sind Sie innerhalb kürzester Zeit sowohl in den Alpen, als auch in Italien – ein Vorteil, den Sie<br />

schnell schätzen und lieben lernen.<br />

Bobingen bietet Raum zum Leben und Arbeiten, und das zu bezahlbaren Preisen. Neben einem außerordentlich hohen Freizeitwert,<br />

finden Sie in Bobingen Alles, a<br />

was a Sie Tag für Tag benötigen, aber auch viele Dinge, die das Leben lebenswert machen. Von der<br />

Lage direkt an den westlichen Wäldern, über vielfältige Sport- und Freizeitmöglichkeiten – in Bobingen finden Sie zum Beispiel den<br />

Heimatgolfclub von Bernhard Langer – bis hin zu einem bunten und abwechslungsreichen Kulturprogramm, bietet Bobingen ideale<br />

Voraussetzungen neue Kräfte zu tanken und das Leben zu genießen.<br />

Bobinge<br />

Charme u<br />

Stadt Bobingen<br />

Rathausplatz 1<br />

86399 Bobingen<br />

Telefon: 08234/8002-0<br />

Telefax: 08234/8002-25<br />

www.bobingen.de<br />

www.gewerbevereinbobingen.de


INHALT<br />

WIRTSCHAFT<br />

Belebung im Zentrum ................................................................................................ 4<br />

ORTSTEILE<br />

Straßberg ............................................................................................................................ 6<br />

AKTUELLES<br />

Hydrokultur und Gartenanlage – Gärtnerei Klüppel .............................. 9<br />

RÜCKBLICKE<br />

<strong>Bobinger</strong> Hausnamen ................................................................................................. 10<br />

HISTORIE<br />

Schloss Straßberg ........................................................................................................... 12<br />

BEGEGNUNGSLAND LECHWERTACH<br />

Experimentarium für kleine Forscher ............................................................... 19<br />

STRASSENNAMEN<br />

Bahnhofstraße und Singoldanger ........................................................................ 20<br />

LEBENSLINIEN<br />

Aus dem Leben von Ludwig <strong>Kohl</strong> ...................................................................... 22<br />

KIRCHE<br />

St. Sebastian und die Pest ......................................................................................... 28<br />

SOZIALES<br />

Weltladen Bobingen – Jedes Produkt hat sein Gesicht .......................... 30<br />

HINTERGRUND<br />

Von der Mehlmühle zum Kulturzentrum ....................................................... 34<br />

ORTSGESCHICHTE<br />

Bobingen und die Fabrik (2) ................................................................................... 38<br />

HOBBY<br />

Imker Winfried Gossner – Von Bienen und Blüten ................................. 42<br />

SCHULE<br />

Lernen unter dem Regenbogen ............................................................................. 46<br />

<strong>Bobinger</strong><br />

<strong>Geschichte</strong>(n)<br />

Stellvertretende Verlagsleitung:<br />

Simona Weiß<br />

Telefon: 0821/5071-456<br />

Fax: 0821/5071-9456<br />

sweiss@herba-verlag.de<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Hilmar Scherer<br />

Telefon: 0821/5071-311<br />

Fax: 0821/5071-9311<br />

hscherer@stadtzeitung.de<br />

IMPRESSUM<br />

Ist DAS Magazin für Bobingen, das<br />

den Ort auf liebenswürdige Weise widerspiegelt.<br />

Jede Ausgabe enthält einen<br />

abwechslungsreichen Themenmix aus<br />

historischen und aktuellen Beiträgen.<br />

Redaktionsleitung:<br />

Christine Hornischer<br />

Telefon: 0821/5071-451<br />

Fax: 0821/5071-9451<br />

chornischer@<br />

herba-verlag.de<br />

Redaktion <strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n):<br />

Anja Fischer<br />

Telefon: 0821/5071-451<br />

Fax: 0821/5071-9451<br />

anja-home@freenet.de<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

Es ist immer wieder schön, eine<br />

neue Ausgabe der „<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“<br />

in den Händen halten<br />

zu können. Und es wurde<br />

Zeit: häufig wurde ich in den<br />

letzten Monaten wieder darauf<br />

angesprochen, ob es denn bald<br />

eine dritte Auflage geben würde.<br />

Heute kann ich mit Stolz sagen:<br />

Ja, es gibt eine dritte Ausgabe,<br />

Sie halten sie gerade in den Händen!<br />

Es ist mir auch diesmal wieder<br />

nicht leicht gefallen, die einzelnen<br />

Themen auszuwählen.<br />

Bobingen und seine Ortsteile haben<br />

einfach viel zu bieten. Eine<br />

jahrhundertelange <strong>Geschichte</strong> –<br />

Wer kann das in ein paar Seiten<br />

zusammenfassen? Wir haben es<br />

wieder versucht, und ich denke,<br />

es ist uns gelungen. Wenn das<br />

eine oder andere diesmal nicht<br />

den Platz in das Heft gefunden<br />

hat, verzeihen Sie mir bitte. Aber<br />

vielleicht haben Sie, liebe Leser,<br />

ja ein Thema, welches Ihnen besonders<br />

am Herzen liegt? Dann<br />

schreiben Sie mir und möglicherweise<br />

lesen Sie diese <strong>Geschichte</strong><br />

dann im nächsten Heft. Ich hoffe,<br />

Ihnen beim Lesen der „<strong>Bobinger</strong><br />

<strong>Geschichte</strong>(n)“ ein wenig<br />

Geschmack auf unsere Heimatgeschichte<br />

machen zu können.<br />

Wir leben in einem schönen Ort<br />

und damit meine ich nicht nur<br />

das vor einigen Jahren neugestaltete<br />

Ortszentrum, sondern vor allem<br />

den dörflichen Charakter,<br />

den sich unsere kleine Stadt bewahrt<br />

hat. Man kennt sich.<br />

Nachbarn achten aufeinander<br />

Herba Werbeverlag Baur GmbH • Klausenberg 4 • 86199 Augsburg • eMail: stadtgeschichten@herba-verlag.de •<br />

Internet: www.herba-verlag.de • Geschäftsführung: Thomas Sixta<br />

Layout/Satz/Druck: Mayer & Söhne Druck- und Mediengruppe GmbH, Oberbernbacher Weg 7, 86551 Aichach<br />

Verbreitung: Als Anzeigenkunde erhalten Sie einige Magazine zur Auslage gratis. Ansonsten kann der Sammelband an<br />

ausgewählten Verkaufsstellen für nur 3,- gekauft werden.<br />

Die namentlich gekennzeichneten Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme des Verlages dar.<br />

ÜBERSICHT<br />

WERBEVERLAG<br />

www.herba-verlag.de<br />

und das ist gut so. Es ist ja nicht<br />

die anonyme Großstadt, in der<br />

wir leben wollen, sondern eben<br />

das „Land“, welches wir schätzen,<br />

zu dem wir gehören und von<br />

dem wir auch leben.<br />

Besonders aufgefallen ist mir das<br />

bei unserer <strong>Geschichte</strong> über die<br />

Haus- und Hofnamen. Hier geht<br />

mein Dank besonders an den<br />

Autor Georg Fritz, der mich in<br />

allen Dingen zusammen mit seiner<br />

Frau Elisabeth sehr unterstützt<br />

hat. Die alten Namen haben<br />

einen bäuerlichen Ursprung.<br />

Auch die <strong>Geschichte</strong> Straßbergs<br />

ist eng verbunden mit der bäuerlichen<br />

Lebensweise, die, weiß<br />

Gott, nicht immer einfach war.<br />

Der Kreis schließt sich bei dem<br />

Bericht über die versteckte Sebastiankapelle.<br />

Sebastian war ein<br />

Schutzheiliger bei Viehseuchen.<br />

Und auch wenn Winfried Gossner<br />

über sein Hobby, die Imkerei<br />

berichtet, geht es dabei um altes,<br />

ländliches Wissen.<br />

Wie seine „Lebenslinien“ verlaufen<br />

sind, verrät uns Ludwig <strong>Kohl</strong>,<br />

langjähriger Firmeninhaber und<br />

Feuerwehrkommandant. Und<br />

die Grundschule an der Singold<br />

berichtet über die vielseitige Arbeit<br />

an und mit der Schulfamilie.<br />

Ihre <strong>Geschichte</strong> geht hoffentlich<br />

noch lange weiter, dafür findet<br />

die <strong>Geschichte</strong> der Fabrik in Bobingen<br />

(zumindest in unseren<br />

<strong>Geschichte</strong>n) ein Ende.<br />

Neu sind die Logos des Begegnungslandes<br />

Lech-Wertach, der<br />

Stadt Bobingen und des Gewerbevereins<br />

auf unserem Titelblatt.<br />

Sie sind die festen Partner der<br />

„<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“ und<br />

unterstützen unsere Arbeit. Gemeinsam<br />

teilen wir das Interesse<br />

an unserer Heimat und ihrer Historie.<br />

Nun liebe Leser wünsche ich Ihnen<br />

aber endlich viel Spaß mit<br />

Ihren „<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“!<br />

Ihre Anja Fischer<br />

Redaktion<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

3


WIRTSCHAFT<br />

4<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

NEUES AUS DER WIRTSCHAFT<br />

Belebung im Zentrum<br />

In Bobingen ist nichts los? Von wegen: mit dem Reisebüro Viva und der<br />

Buchhandlung Di Santo haben in der Stadtmitte zwei Geschäfte eine Heimat<br />

gefunden, die neben ansprechenden Räumlichkeiten vor allem Qualität und<br />

viel freundlichen Service bieten.<br />

Das Team im Reisebüro: Marlies Wiblishauser, Isabell Esau und Ida Heffner.<br />

NEUERÖFFNUNG<br />

Es erwarten Sie die neuesten Schuhtrends,<br />

passende Schals, Taschen und viele weitere Accessoires!<br />

Von Anja Fischer<br />

Lange war Isabell Esau in Bobingen<br />

auf der Suche nach neuen<br />

Räumen für ihr Reisebüro Viva.<br />

Sie fand diese schließlich im Herzen<br />

der Kleinstadt, direkt gegenüber<br />

des Zentrumsplatzes mit dem<br />

schönen Wasserspiel. Dort betreut<br />

sie nun zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen<br />

auf rund 100 m² ihre<br />

Kunden, wenn es um deren Reisepläne<br />

geht.<br />

Die Räume sind gegliedert in einen<br />

Arbeitsbereich und einen gemütlichen<br />

Loungebereich, in dem<br />

es sich gut sitzen und von dem<br />

nächsten Urlaubsziel träumen<br />

lässt. „Mir ist es wichtig, dass sich<br />

unsere Kunden wohl fühlen“, er-<br />

Ab dem 2. MAI finden Sie den<br />

neuen/alten SCHUH STEINBRECHER<br />

in der AUGSBURGER STRASSE 4 in MERING.<br />

Wir freuen uns auf Sie…<br />

…Markus Steinbrecher & Team<br />

www.schuh-steinbrecher.de


klärt Isabell Esau ihr Konzept.<br />

„Wir wollen für unsere Kunden<br />

unser Bestes geben.“ Das gelingt in<br />

den modern, aber auch gemütlich<br />

eingerichteten Räumen sicher.<br />

Dass sie ihr Fach versteht, hat Isabell<br />

Esau in den vergangenen 21<br />

Jahren bewiesen. So lange ist sie<br />

schon in Bobingen die Fachfrau,<br />

wenn es ums Reisen geht. 2010<br />

wurde sie sogar als zweit-bestes<br />

Reisebüro Deutschlands<br />

getestet.<br />

Buchhandlung<br />

Di Santo<br />

Direkt neben dem Reisebüro Viva<br />

hat ein neuer Buchladen vor kurzem<br />

seine Türen geöffnet. Marco<br />

Di Santo empfiehlt dort vom modernen<br />

Roman über den Allgäu-<br />

Krimi bis zum Kinderbuch, was<br />

die Leserherzen höher schlagen<br />

lässt. Zusammen mit seiner<br />

Lebensgefährtin Inge Schubert<br />

lädt er in seinem Laden ein, zu<br />

stöbern und zu schmökern und<br />

gerne auch bei einer gemütlichen<br />

Tasse Kaffee das neu ausgesuchte<br />

Buch anzulesen. Sein Geschäft<br />

bietet neben einem breiten Spek-<br />

WIRTSCHAFT<br />

Marco Di Santo hilft gerne beim Bücherkauf. Bilder: Anja Fischer<br />

trum an Büchern, Grußkarten und<br />

eine kleine, aber feine Auswahl<br />

an Kinderspielen und -spielsa-<br />

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Veranstalter: JAHN REISEN, eine Marke der REWE Touristik<br />

GmbH, Humboldtstr.140, 51149 Köln<br />

Tagesaktuelle Preise –Zwischenverkauf, Druckfehler<br />

und Preisänderungen vorbehalten. Stand Februar 2013<br />

Wir beraten Sie gerne:<br />

Inh. Isabell Esau<br />

Hochstraße 5, 86399 Bobingen<br />

Tel: 08234 7077, Fax: 08234 7001<br />

info@rb-viva.de, www.rb-viva.de<br />

chen. Buchtitel, die nicht im<br />

Regal stehen, können in der Regel<br />

innerhalb 24 Stunden bestellt wer-<br />

den. Gerne sind auch Bestellungen<br />

über das Internet unter<br />

www.buecher-disanto.de möglich.<br />

Bücher · Hörbücher · Kinderspiele<br />

Kalender · eBooks · Musik<br />

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Kommen Sie uns besuchen und schmökern Sie los!<br />

Wir<br />

fr freuen uns auf Sie!<br />

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Hochstr. 5b l 86399 Bobingen<br />

Telefon 08234-5415 l Fax 08234-41328<br />

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Öffnungszeiten:<br />

Mo-Fr 8.30-12.30 und 14.00-18.00<br />

Sa 8.30-12.30<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

5


ORTSTEILE<br />

6<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

VORSTELLUNG EINES ORTSTEILES<br />

Straßberg<br />

Seit der Gebietsreform 1972 gehört Straßberg zu Bobingen. Seine<br />

<strong>Geschichte</strong> reicht viel weiter zurück. Obwohl das Dorf immer wieder mit<br />

Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, behaupteten sich seine Einwohner.<br />

Heute ist Straßberg ein liebenswerter Ortsteil mit einer funktionierenden<br />

dörflichen Gemeinschaft.<br />

Straßberg früher. Bilder: Anja Fischer<br />

Von Anja Fischer<br />

Straßberg, das im Laufe der Jahrhunderte<br />

auch Strazberc, Strasperc,<br />

Strazberch, Straus oder<br />

Straußberg geschrieben wurde, hat<br />

seinen Namen nicht von ungefähr.<br />

Im ersten Teil weist es auf eine<br />

Straße hin. Damit ist vermutlich<br />

die von Augsburg nach Süden führende,<br />

sogenannte Hochstraße gemeint.<br />

Der zweite Namensteil bedeutete<br />

in der früheren Schreibweise<br />

„berch“ eine Feste. Der<br />

Name Straßberg lässt sich heute<br />

also deuten als Berg oder befestigter<br />

Platz an einem wichtigen Verkehrsweg.<br />

Während das Schloss Straßberg<br />

bereits um 1250 erstmals erwähnt<br />

wurde, fanden sich lange Zeit keine<br />

Aufzeichnungen, dass es auf<br />

Straßberger Boden neben dem<br />

Schloss noch weitere Wohngebäude<br />

gibt. Die erste Erwähnung findet<br />

sich in einem Kaufbrief aus<br />

dem Jahre 1457, in dem Hofstätten<br />

genannt werden. Nach der<br />

Grundbeschreibung aus dem Jahre<br />

1542 sind neben dem Schloss ein<br />

Getreidestadel und die Ziegelhütte<br />

vorhanden, sowie unten am<br />

Berg ein Tagelöhnerhäuschen, ein<br />

Heustadel und ein Wasserhaus.<br />

Rund siebzig Jahre später, 1613,<br />

verzeichnete die Karte der Markgrafenschaft<br />

Burgau von Johann<br />

Michael Rauch drei Häuser oben<br />

und eines unten am Berg.<br />

Immer mehr<br />

Einwohner<br />

Bestätigt wird dies auch durch die<br />

vorliegenden Berichte der burgauischen<br />

Vogtsbezirke. So zählte<br />

der vom Vogt in Rommelsried<br />

ausgesandte berittene Knecht in<br />

den Jahren 1605, 1621 und 1622<br />

jeweils vier Feuerstätten in Straßberg.<br />

1721 sind es acht Feuerstät-<br />

ten. Die geringe landwirtschaftliche<br />

Nutzfläche ließ es nicht zu,<br />

dass mehrere Familien daraus ihren<br />

Lebensunterhalt bestreiten<br />

konnten. Die Grundbeschreibung<br />

von 1696 berichtet, was ein Söldner<br />

jährlich an seinen Herrn zu<br />

entrichten hatte: Grundzins waren<br />

ein Gulden und 30 Kreuzer, Gras<br />

Zins noch einmal 30 Kreuzer.<br />

Dazu mussten drei Frondienste<br />

oder 36 Kreuzer und 50 Eier entrichtet<br />

werden. Bedenkt man, dass<br />

ein Huhn am Tag nur ein Ei legt<br />

und die Hühner im Winter eine<br />

Ruhepause einlegen, waren allein<br />

schon die 50 Eier im Jahr eine Belastung<br />

für die Familien. Mit dem<br />

Erwerb des Schlosses durch die<br />

Familie von Grenzing setzte allmählich<br />

ein starker Zuzug nach<br />

Straßberg ein. 1751 wurden zwölf<br />

Söldner gezählt. Dieser vermehrten<br />

Einwohnerzahl stand nicht<br />

mehr Grund zur Verfügung, so kamen<br />

bald Klagen aus Bobingen<br />

und Wehringen, dass die Straß-<br />

berger unberechtigterweise ihr<br />

Vieh in deren Waldungen weiden<br />

ließen. Viele der Neuzugezogenen<br />

verdienten ihr Brot mit Hausiererhandel<br />

oder Scherenschleiferei.<br />

Sie wurden allgemein in der Umgegend<br />

als „unsichere“ Leute eingeschätzt<br />

und standen in keinem<br />

guten Ruf. Trotzdem wuchs der<br />

Ort weiter. 1763 schilderte der<br />

<strong>Bobinger</strong> Pflegverwalter Erasmus<br />

Anton Schmid in einem Brief an<br />

den Bischof, dass Straßberg mit<br />

über dreißig neuen Häusern anfange,<br />

einem Dorf zu gleichen.<br />

Schon 54<br />

Feuerstätten<br />

Im Jahre 1788 fertigte der <strong>Bobinger</strong><br />

Pflegverwalter Wilhelm Joseph<br />

Couven eine Beschreibung<br />

des Pflegeamtes an, welche die<br />

Strukturen dieser Ansiedlung,<br />

„Weiler Straßberg“ genannt, deutlich<br />

macht: „Der Weiler Straßberg<br />

liegt auf einer Anhöhe angenehm<br />

und gesund, jenseits der Wertach<br />

1/2 Stund von Bobingen in Burgovico.<br />

Die Markgrafschaft Burgau<br />

hat die hohe Gerichtsbarkeit inne,<br />

diese erhält auch das Umgeld des<br />

Zapfenwirts, der auch die Bäcker-<br />

Gerechtigkeit hat.“ In Straßberg<br />

gab es zu dieser Zeit 54 Feuerstätten<br />

in 51 durchnummerierten<br />

Häusern. Unter den insgesamt 242<br />

Seelen waren 53 Ehepaare, vierzehn<br />

Witwen(r), 68 Ledige unter<br />

zwölf Jahren und 54 über zwölf<br />

Jahre. 51 Leute wurden als Söldner<br />

bezeichnet, wovon sieben ohne eigenen<br />

Grundbesitz waren.<br />

Das Handwerk war vertreten mit<br />

einem Maurergesellen, einem<br />

Zimmergesellen und zwei Schneidern.<br />

Für die Aufrechterhaltung<br />

der Ordnung sorgten sechs auf Lebenszeit<br />

gewählte „Gerichtsleut“,<br />

die aus ihrem Kreis zwei als Bürgermeister<br />

wählten.


Die Kirche früher.<br />

Ein Blick ins heutige Straßberg.<br />

Agricole Statistik<br />

Mit dem Gemeindeedikt von 1818<br />

wurde die kleine dörfliche Gemeinschaft<br />

Straßberg zur politischen<br />

Gemeinde. Die älteste vorhandene<br />

Urkunde datiert aus dem<br />

Jahre 1822, darin wird unter dem<br />

Hinweis auf einen Beschluss von<br />

1818 dem Ortsvorsteher eine jährliche<br />

Vergütung von 35, dem Pfleger<br />

eine von 12 Gulden zugestanden.<br />

Die wirtschaftliche und soziale<br />

Struktur der Gemeinde lässt<br />

sich ersehen aus der „agricolen Statistik“<br />

des Rentamtes Schwabmünchen<br />

aus dem Jahr 1830. Danach<br />

lebten in Straßberg 87 Familien<br />

mit insgesamt 339 Seelen.<br />

Diese teilten sich in 333 Katholiken,<br />

fünf Lutherische und einen<br />

Reformierten auf. Von den Erwachsenen<br />

waren 99 männlichen<br />

und 136 weiblichen Geschlechts,<br />

bei den Kindern gab es 47 Mädchen<br />

und 57 Buben. Grundlage<br />

des Lebensunterhalts war für 66<br />

Familien mit insgesamt 294 Seelen<br />

die Landwirtschaft. Hier wurden<br />

Landbesitzer, Taglöhner,<br />

Knechte und Mägde mitgezählt.<br />

Fünf Familien mit neunzehn See-<br />

len wurden als industrielle Bevölkerung<br />

ausgewiesen. Darunter<br />

verstand man eine handwerkliche<br />

Beschäftigung. Unter die restlichen<br />

16 Familien fielen ein Beamter,<br />

ein Angestellter und zehn Kapitalisten<br />

und Privatleute. Die Bewirtschaftung<br />

der Äcker geschah<br />

in der jährlichen Fruchtfolge von<br />

Kartoffeln, Hafer, Klee und Dinkel,<br />

eine Brache gab es nicht. Nur<br />

vereinzelt wurden Roggen und<br />

Gerste angebaut. Die auf 37 Tagwerken<br />

angebauten Kartoffeln waren<br />

von bester Qualität und wurden<br />

je zur Hälfte als Viehfutter<br />

und zur Branntweinherstellung<br />

verwendet. Daneben wurde in den<br />

Gärten Gemüse gezogen, es gab<br />

etwa dreißig Bienenstöcke und<br />

insgesamt 2.171 Obstbäume.<br />

Schlechter Ruf<br />

Die Zeiten waren hart: Ein Taglöhner<br />

erhielt mit Einschluss der<br />

Kost täglich 12 Kreuzer (Frauen<br />

erhielten nur 10 Kreuzer). Für zwei<br />

Pfund Brot (ein Kilo) mussten aber<br />

schon vier Kreuzer und für eine<br />

Maß Bier fünf Kreuzer bezahlt<br />

werden. Der Bericht des Rentam-<br />

tes Schwabmünchen stellt deshalb<br />

am Ende fest, dass viele Einwohner<br />

nicht einmal ihr notdürftigstes<br />

Auskommen hatten, sondern gezwungen<br />

waren, durch Taglöhnerarbeiten<br />

in anderen Gemeinden<br />

ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />

Interessant ist folgende Bewertung:<br />

„Als das wesentlichste<br />

Hindernis stellt sich hier lediglich<br />

nur die ungleiche Verteilung des<br />

Areals entgegen, indem eine Familie<br />

190 Tgw ökonomisches Bauland<br />

besitzt, sohin auf die weitere<br />

Bevölkerung von 68 Familien zusammen<br />

nur 189 Tgw oder auf eine<br />

Familie 2,5 Tgw kommen.“ Trotz<br />

der misslichen Einkommenssituation<br />

blieb die Bevölkerungszahl in<br />

Straßberg während des 19. Jahrhunderts<br />

ziemlich konstant. Neben<br />

Taglohn und Handwerk scheinen<br />

viele mit Hausiererhandel und<br />

anderen Handelsschaften ihren<br />

Lebensunterhalt bestritten zu haben.<br />

Der Broterwerb war eine Sache<br />

der ganzen Familie, auch die<br />

Kinder trugen dazu bei. Sie sammelten<br />

in den damals noch dichten<br />

Wäldern was diese an Ess- und<br />

Nutzbarem boten: Himbeeren,<br />

Brombeeren, süße wilde Erdbee-<br />

Meine Kreissparkasse.<br />

Was sonst!<br />

ORTSTEILE<br />

ren, Pilze und Brennholz. Hunger<br />

und Not begünstigten trotzdem<br />

die Kriminalität. Wen verwundert<br />

es, wenn so mancher arme Straßberger<br />

mit dem Gesetz in Konflikt<br />

kam, um die hungrigen Mäuler zu<br />

Hause zu stopfen? Trotzdem<br />

brachte genau dies dem ganzen Ort<br />

einen schlechten Ruf in der Umgebung<br />

ein.<br />

Die Lage<br />

bessert sich<br />

Eine deutliche Verbesserung der<br />

wirtschaftlichen Lage Straßbergs<br />

ergab sich erst 1880 durch den<br />

Kauf des Schlossgutes durch die<br />

Familie Forster. Zum einen fanden<br />

viele Arbeit im Schloss und auf<br />

dem Gutshof, zum anderen war<br />

diese Familie gegenüber allen Anliegen<br />

und Bitten der Gemeinde<br />

sehr aufgeschlossen und zur Hilfe<br />

bereit. Dass die Gemeinde aus diesen<br />

Gründen auch gerne gefällig<br />

war, kann man einem Protokoll<br />

vom 6. August 1905 entnehmen:<br />

„Auf Gesuch der Forsterschen<br />

Gutsverwaltung erlässt die Ge-<br />

www.kreissparkasse-augsburg.de<br />

Wir geben unseren Kunden in bewegten Zeiten Sicherheit und Vertrauen. Persönliche<br />

Nähe, kompetente Beratung und umfassende Finanzdienstleistungen sowie<br />

die Erreichbarkeit über unsere Geschäftsstellen, Telefon, Internet, Mobile Banking<br />

und Mobile Beratung sind ebenso klare Pluspunkte wie die Förderung von Kultur,<br />

Kunst, Sport, Sozialem und Umwelt. In der Summe ein hervorragendes Leistungsangebot,<br />

das unsere privaten, gewerblichen und kommunalen Kunden seit über<br />

155 Jahren schätzen. Besuchen Sie uns doch mal. Wir freuen uns auf Sie!<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

7


ORTSTEILE<br />

Die Kirche heute. Bilder: Anja Fischer<br />

meindeverwaltung eine ortspolizeiliche<br />

Vorschrift dahingehend,<br />

dass für die Zukunft das Bergabfahren<br />

am Schlossberg mit Velozipeden<br />

und anderen ähnlichen Vehikeln<br />

verboten ist.“ Die Erwerbsmöglichkeiten<br />

verbesserten sich<br />

später vor allem durch die Arbeitsmöglichkeiten<br />

in der Industrie,<br />

wobei die meisten im nahe gelegenen<br />

Werk Bobingen der IG Farben<br />

beschäftigt waren.<br />

Nach einer Statistik von 1939 hatte<br />

Straßberg mit 40,8 Prozent<br />

Auspendlern eine der höchsten<br />

Quoten. Im Straßberger Flurteil<br />

„untere Ösch“ hatte die IG Farben-Industrie<br />

1936 vom Gutsbesitzer<br />

Schlecht ein Areal erworben,<br />

auf dem sich Arbeiter Wohnstätten<br />

bauen konnten. 1940 war am<br />

Leitenberg zwischen Turnhalle<br />

und Kapelle ein Barackenlager errichtet<br />

worden, in dem anfangs<br />

Volksdeutsche aus Russland und<br />

Rumänien untergebracht wurden.<br />

Nach Ende des Krieges fanden<br />

dort Heimatvertriebene ihre erste<br />

Unterkunft. Von Kampfhandlun-<br />

Denkmal an alte Erinnerungen.<br />

8<br />

gen während des Zweiten Weltkriegs<br />

blieb Straßberg verschont,<br />

allerdings wurden durch Bombenabwürfe<br />

alliierter Flugzeuge im<br />

März 1944 mehrere Waldarbeiter<br />

verwundet und größere Waldbestände<br />

zerstört.<br />

Aufbruch in<br />

die Neuzeit<br />

Mit dem Einzug amerikanischer<br />

Truppen am 30. April 1945 war<br />

für Straßberg die eigentliche<br />

Kriegszeit vorüber. Hauptproblem<br />

der folgenden Jahre war der gewaltige<br />

Bevölkerungszuwachs von<br />

653 Einwohnern (1939) auf 910<br />

(1950). Es bedurfte einiger Anstrengung<br />

der Gemeindeverwaltung<br />

allen Neuzugezogenen wenigstens<br />

ein Dach über dem Kopf<br />

zu besorgen. Die Belegstärke des<br />

Barackenlagers lag 1949 bei 261<br />

Personen. 1950/51 errichtete die<br />

Gemeinde die Gemeindehäuser<br />

an der heutigen Villenbachstraße,<br />

im Eichkobel entstand in den Jah-<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

ren 1955 bis 1962 eine kleine Siedlung<br />

der Landeswohnungsfürsorge,<br />

ein weiteres Baugebiet wurde<br />

am Leitenberg ausgewiesen.<br />

Straßberg entwickelte sich in der<br />

Folgezeit zu einem schmucken<br />

Dorf, das weitere Neubürger anzog<br />

und führt seit dem 21. Dezember<br />

1965 ein eigenes Wappen.<br />

Dessen amtliche Beschreibung<br />

lautet: „Unter einem unten gezinnten<br />

roten Schildhaupt, dreimal<br />

schräg geteilt von Silber und<br />

Schwarz, belegt mit einer von<br />

Gold und Rot schräg geteilten heraldischen<br />

Rose.“<br />

Eingemeindung<br />

nach Bobingen<br />

Nach den Verhandlungen mit Bobingen<br />

über die Modalitäten eines<br />

freiwilligen Zusammenschlusses<br />

fasste der Gemeinderat Straßberg<br />

am 22. Februar 1971 den Beschluss,<br />

Antrag auf Eingliederung<br />

in die Stadt Bobingen zu stellen.<br />

Diesem Beschluss stimmte die<br />

Straßberger Bevölkerung in geheimer<br />

Abstimmung mehrheitlich<br />

zu. Nach Stand vom 4. März 1992<br />

hatten im <strong>Bobinger</strong> Stadtteil<br />

Straßberg 1.095 Personen ihre<br />

Haupt-, 42 ihre Nebenwohnung.<br />

Dennoch hat Straßberg seinen<br />

dörflichen Charakter und seine lebensfrohe<br />

Dorfgemeinschaft nicht<br />

aufgegeben. Aktive Vereine und<br />

Bürger sorgen dafür.<br />

Roy Black<br />

Der wohl berühmteste Straßberger<br />

ist heute Gerhard Höllerich,<br />

besser bekannt unter seinem<br />

Künstlernamen Roy Black. Er<br />

wurde am 25. Januar 1943 in<br />

Straßenansicht.<br />

Roy Black<br />

Bild:<br />

Kulturamt<br />

Bobingen<br />

Straßberg geboren.<br />

Auch<br />

nach seinem<br />

Wegzug nach<br />

Augsburg-<br />

Göggingen riss<br />

der Kontakt<br />

zum Ort seiner<br />

Jugendzeit nie<br />

ganz ab. Schon<br />

in der Schulzeit<br />

war Roy Black<br />

musikalisch aktiv,<br />

bevor er<br />

1965 nach seinem ersten großen<br />

Hit „Du bist nicht allein“ eine aufsehenerregende<br />

Karriere startete.<br />

Am meisten wird er wohl mit seinem<br />

Erfolgstitel „Ganz in Weiß“<br />

identifiziert, für den er 1968 die<br />

Goldene Schallplatte verliehen bekam.<br />

Roy Black war zudem ein beliebter<br />

Film- und Fernsehstar der<br />

60er und 70er Jahre. Wo immer er<br />

war und mit seiner Band „The<br />

Cannons“ auftrat, standen Horden<br />

junger Mädchen kreischend im<br />

Publikum. Später wurde es ruhiger<br />

um ihn, bevor er mit der TV-Serie<br />

„Ein Schloss am Wörthersee“ wieder<br />

an frühere Erfolge anknüpfen<br />

konnte. Am 9. Oktober 1991 starb<br />

der Künstler überraschend im Alter<br />

von nur 48 Jahren in seiner<br />

Waldhütte an Herzversagen. Er<br />

wurde begraben, aber nicht vergessen.<br />

Alljährlich strömen zu seinem<br />

Todes- und Geburtstag zahlreiche<br />

Fans zu seinem Grab auf dem<br />

Straßberger Friedhof.<br />

In der Singoldhalle Bobingen finden<br />

jedes Jahr gut besuchte Konzertabende<br />

und Gedenkveranstaltungen<br />

statt, zu denen seine Bewunderer<br />

aus ganz Deutschland<br />

und den Nachbarländern anreisen.<br />

Quelle: Buch: Bobingen und seine<br />

<strong>Geschichte</strong>


Von Anja Fischer<br />

AKTUELLES<br />

AKTUELLES<br />

Hydrokultur und Gartenanlage<br />

Hier, in der Nähe des Stausees,<br />

fanden die Baumschule und eine<br />

Arbeitshalle eine neue Heimat.<br />

Noch bis zum letzten Jahr wurde<br />

das Hydrokultursortiment im Laden<br />

in Göggingen gehalten, bis<br />

dieses auch an den neuen Standort<br />

umziehen konnte. Mit der Schließung<br />

des alten Ladengeschäfts haben<br />

die Kunden nun die Möglichkeit,<br />

direkt an der Baumschule ihre<br />

Pflanzen auszuwählen und die<br />

Ware dort abzuholen. Einen Tipp<br />

von den langjährigen und qualifizierten<br />

Mitarbeitern gibt es dann<br />

meist gleich mit dazu.<br />

Andreas Klüppel ist der kreative<br />

Kopf, wenn es um Gartengestaltung<br />

geht. Sein Leistungsspektrum<br />

umfasst neben Kübelpflanzen,<br />

Planung und Anlage von Gärten,<br />

Dachterrassen, Bewässerungsanlagen<br />

und Teichbau auch<br />

die Pflege der eingesetzten Pflanzen<br />

und Bäume, die in der eigenen<br />

Baumschule liebevoll großgezogen<br />

werden. Es zeichnet den Betrieb<br />

aus, dass die Pflanzen aus der<br />

eigenen Zucht kommen und Inhaber<br />

Andreas Klüppel sowie Ehefrau<br />

Marion wissen, wie Pflegeaufwand<br />

und Qualität bewertet werden<br />

müssen. Das ist ein Marken-<br />

Es sind über 110 Jahre Tradition, welche die Gärtnerei Klüppel zu einem ganz<br />

besondern Unternehmen machen. 110 Jahre Gärtnereierfahrung mischen<br />

sich dabei mit Kreativität und moderner Gartengestaltung.<br />

War das Unternehmen bisher in Göggingen beheimatet, erfolgte vor<br />

fünf Jahren der Umzug in den Ahweg nach Bobingen.<br />

Andreas und Marion Klüppel.<br />

zeichen der Gärtnerei, deren<br />

Bandbreite bei den Gartenanlagen<br />

von der Umgestaltung kleiner<br />

Vorgärten bis zu großen Neuanlagen<br />

reicht und die für jeden Geldbeutel<br />

erschwinglich bleiben will.<br />

Größtes<br />

Hydrokultursortiment<br />

Hydrokultur und Innenraumbegrünung<br />

sind ein weiteres Standbein<br />

des Unternehmens und kaum<br />

wegzudenken. Immerhin war Vater<br />

Wolfgang Klüppel Mitbegründer<br />

von Hydrokultur. So ist es<br />

selbstverständlich, dass hier das<br />

größte Sortiment Schwabens in<br />

den Gewächshäusern zu finden ist,<br />

Pflanzen für Drinnen und Draußen.<br />

neben Erdpflanzen wie Orchideen,<br />

Anthurien, Calla und anderen<br />

originellen Dingen, die sich<br />

gerne mal als Geschenk eignen.<br />

Der Duft lockt den Besucher dann<br />

ein Glashaus weiter zu den mediterranen<br />

Pflanzen wie Oliven, Zitrusbäumen,<br />

Oleander, Palmen<br />

oder Strelizien. Aus der <strong>Geschichte</strong><br />

heraus bietet die Gärtnerei<br />

Klüppel zudem Grabanlage,<br />

Grabpflege und Dauergrabpflege<br />

für den Friedhof an.<br />

Ergänzend im Sortiment sind<br />

Frühlings- und Sommerblüher,<br />

Rosen oder Kräuter nebst allerhand<br />

Dekoartikeln vorhanden, die<br />

zum vergnüglichen Bummeln<br />

durch die Gewächshäuser einladen.<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

9


RÜCKBLICKE<br />

Von Georg Fritz<br />

Die Bezeichnungen „Hofnamen“<br />

und „Hausnamen“ sind fast identisch.<br />

Von Hausnamen spricht<br />

man in den Städten (Häuser) und<br />

von Hofnamen auf dem Land<br />

(Bauernhof: Hofnamen). In Bobingen<br />

sagt man aber trotzdem seit<br />

eh und je „Hausnamen“. Bis etwa<br />

1200 genügte auf dem Land der<br />

Vorname des Hofbesitzers als Erkennungsmerkmal.<br />

Die Orte waren<br />

so klein, dass ohnehin jeder jeden<br />

kannte. Das Wachstum der<br />

Gemeinden hatte schließlich zur<br />

Folge, dass es in einem Dorf bald<br />

mehrere Personen mit dem gleichen<br />

Vornamen gab. Eine genauere<br />

Bezeichnung der Personen wur-<br />

10<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

IMMER NOCH BELIEBT UND BEKANNT<br />

<strong>Bobinger</strong> Hausnamen<br />

Heute ist es üblich, die Adresse mit Straße und Hausnummer anzugeben.<br />

In Bobingen wurden die Straßennamen aber erst 1938 eingeführt.<br />

Um trotzdem den richtigen Adressaten zu finden, behalf man sich mit<br />

Haus- oder Hofnamen.<br />

Der Bergheimer-Utzenhof. Bildarchiv: Georg Fritz<br />

de deshalb erforderlich: Die ersten<br />

Hausnamen entstanden. Sie bezogen<br />

sich erstmals nicht mehr nur<br />

auf eine einzelne Person, sondern<br />

auf die gesamte Familie. Hausnamen<br />

wurden von der Dorfbevölkerung<br />

verliehen. Erst um 1300 kam<br />

es zur Bildung von Familiennamen.<br />

Einige Hausnamen wurden<br />

dabei als Familiennamen übernommen<br />

und später auch umgekehrt.<br />

Motive für die<br />

Hausnamenbildung<br />

Die häufigsten Motive für die Bildung<br />

von Hausnamen sind (die<br />

nachgenannten Gebäude sind zum<br />

Teil schon abgegangen):<br />

bauliche Besonderheiten:<br />

„Stadelschuster“ (Römerstraße 37,<br />

westlicher Teil): Der Schuhmacher<br />

<strong>Bobinger</strong> hatte seine Werkstatt<br />

im domkapitlichen Zehentstadel.<br />

„Hochhaus“ (Römerstraße<br />

20): ein hohes Gebäude. „Kreuzwirt“<br />

(Bahnhofstraße 32): Im Garten<br />

des Gasthofs „zur Eisenbahn“<br />

stand früher ein Kreuz.<br />

Berufe: „Kaminfeger“ (Lindauer<br />

Straße 8), „Saliter“ (zwischen<br />

Bahnhofstraße 2 und Lindauer<br />

Straße 1): Der Saliter sammelte in<br />

den Ställen Salpeter für die Herstellung<br />

von Schwarzpulver.<br />

„Brunnenmacher“ (Vogelberg 3),<br />

„Wegmacher“ (Singoldanger 12),<br />

„Nachtwächter“ (Singoldanger 8),<br />

„Uhrmacher“ (Römerstraße 55),<br />

„Flachsbauer“ (Schalmeistraße 3),<br />

„Rechenmacher“ (Inselweg 5),<br />

„Bösmann“ (Schalmeistraße 20):<br />

Die Nähe zu den Schinderwiesen<br />

(heute „Vogelsiedlung“) lässt dort<br />

den Sitz des ehemaligen Abdeckers<br />

vermuten. Sein Handwerk<br />

galt als unrein, daher der Name<br />

„Bösmann“).<br />

Familiennamen: „Klockerbauer“<br />

(Hochstraße 70, früher: Johann<br />

Klocker), „Dempf“ (Hochstraße 8,<br />

früher: Jakob Dempf), „Schmitzer“<br />

(Hochstr. 43, früher: Adalbert<br />

Schmitzer).<br />

Ortsnamen: Wenn jemand von<br />

auswärts zugezogen ist, hat man<br />

häufig seinen Herkunftsort als


Beim Sinkelbauer. Bildarchiv: Georg Fritz<br />

Solche Tafeln weisen an den Häusern auf die Hausnamen hin.<br />

Bild: Anja Fischer<br />

Hausnamen genommen: „Bergheimer<br />

Utzenhof“ (Vogteiweg 2,<br />

früher: Josef Schempp aus Bergheim),<br />

„Kleinaitinger“ (Hochstraße<br />

21, früher: Georg Dirr aus<br />

Kleinaitingen), „Wehringer Resl“<br />

(Poststraße 34, früher: Theresia<br />

Greisel aus Wehringen).<br />

persönliche Eigenschaften:<br />

„Lang-Lenz“ (Lindauer Straße 17:<br />

war ein sehr großer Mann),<br />

„Krumm-Schneider“ (Lindauer<br />

Straße 19: hatte eine körperliche<br />

Behinderung).<br />

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Vornamen: „Gabrielbauer“<br />

(Augsburger Straße 2), „Sylvest“<br />

(Hochstraße 31).<br />

Lage des Grundstücks: „Bruckbäuerle“<br />

(Wolfsgäßchen 11: an der<br />

Singoldbrücke gelegen), „Wiesschuster“<br />

(Singoldanger 8: Der<br />

Singoldanger wurde auch „Wies“<br />

genannt), „Sinkelbauer“ (Römerstraße<br />

59: an der Singold gelegen),<br />

„Kapellwirt“ (Hochstraße 74:<br />

Gasthof neben der St. Wendelinskapelle),<br />

„Kirchbräu“ (Hochstraße<br />

1: Brauerei neben der Pfarrkirche),<br />

„Feldschuster“ (Hochstraße 50:<br />

Das Anwesen war eines der ersten<br />

an der lange Zeit unbebauten Ostseite<br />

der Hochstraße, d. h. Anwesen<br />

bei den Feldern), „Bergbauer“<br />

(Bäckerstraße 4: Grundstück am<br />

Berg).<br />

Scherz-, Spitz- und Kosenamen:<br />

„Hännsle“ (Lindauer Straße 1),<br />

„Millionenschreiner“ (Römerstraße<br />

77: Einer der Vorbesitzer nahm<br />

alle Dinge „millionig“ wichtig),<br />

RÜCKBLICKE<br />

„Schepperle“ (Augsburger Straße<br />

19), „Muggen-Schuster“ (Wolfsgäßchen<br />

9: dort gab es wegen der<br />

Nähe zur Singold viele Mücken).<br />

Hausnamen sind<br />

immer noch üblich<br />

Viele Hausnamen haben eine lange<br />

Tradition. Franz Xaver Holzhauser<br />

hat herausgefunden, dass<br />

80 Hausnamen bis ins 17. Jahrhundert<br />

zurückreichen, 25 sogar<br />

bis ins 16. Jahrhundert. Trotz der<br />

Einführung von Familiennamen<br />

und später von Hausnummern<br />

(1785 und 1808) sind die Hausnamen<br />

nie in Vergessenheit geraten.<br />

So schrieben z. B. die Notare selbst<br />

nach der Einführung von Hausnummern<br />

immer noch zusätzlich<br />

die Hausnamen in ihre Protokolle.<br />

Nicht einmal die Einführung von<br />

Straßennamen (1938) hat die<br />

Hausnamen verdrängt. Die alteingesessenen<br />

<strong>Bobinger</strong> verwenden<br />

noch viele davon, auch sehr alte aus<br />

dem 17. Jahrhundert wie z.B.:<br />

„Wies-Hansl“, „Rößle Michl“,<br />

„Zähbauer“ oder aus dem 16. Jahrhundert<br />

wie z.B.: „Sinkelbauer“,<br />

„Wiesbauer“, „Veitenbauer“. Bei<br />

Namensgleichheiten bezeichnen<br />

die Hofnamen damit immer noch<br />

das Anwesen, welches gemeint ist.<br />

Schilder am Haus<br />

An mehreren <strong>Bobinger</strong> Häusern<br />

befinden sich einheitliche Schilder<br />

mit den ehemaligen Hausnamen,<br />

damit diese in Erinnerung bleiben.<br />

Wenn Sie in Bobingen spazieren<br />

gehen, schauen Sie doch einfach<br />

mal nach dem alten Hausnamen.<br />

Vielleicht können Sie ja dabei auch<br />

etwas über ihre Entstehung herausfinden.<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

11


HISTORIE<br />

Vergangene Zeiten.<br />

Von Anja Fischer<br />

Ein Vorgängerbau des heutigen<br />

Schloss Straßberg wird bereits in<br />

Prozessakten aus dem Jahr 1246<br />

erwähnt. Damals befand es sich im<br />

Besitz der Bischöfe von Augsburg<br />

und war anfänglich mit deren Ministerialen<br />

besetzt. Doch der damalige<br />

Bischof Hartmann hielt<br />

sich zumindest zeitweise selbst auf<br />

der Burg Straßberg auf, das belegt<br />

eine Schenkungsurkunde, die er<br />

dort am 19. Juni 1252 zeichnete.<br />

Auch ein Vorfall aus dem Jahr<br />

1266 spielt sich auf Schloss Straßberg<br />

ab. Hintergrund ist eine Fehde<br />

zwischen Bischof Hartmann<br />

und Ritter Swigger der Jüngere<br />

12<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

FRÜHER UND HEUTE<br />

Schloss Straßberg<br />

Es ist kein Schloss im Sinne der bayerischen Märchenschlösser. Mehr ein<br />

hochherrschaftliches Herrenhaus. Schloss Straßberg hat dennoch eine<br />

wechselvolle <strong>Geschichte</strong> und diente vielen Zwecken, beispielsweise als<br />

Altersruhesitz oder als Internat. Heute ist es wieder zu neuem Glanz erstrahlt.<br />

von Mindelberg. Ob es sich dabei<br />

um Grundstückstreitigkeiten oder<br />

etwa gar um Frauengeschichten<br />

handelte, ist heute nicht mehr bekannt.<br />

Jedenfalls nahm der Ritter<br />

vermutlich während der Sommermonate<br />

Bischof Hartmann in<br />

Straßberg gefangen – und brannte<br />

dabei die Befestigung völlig nieder.<br />

Kampf um<br />

das Schloss<br />

So könnte es damals gewesen sein:<br />

Gemeinsam mit seinen Waffenknechten<br />

stürmte Ritter Swigger<br />

Neuer Glanz. Bilder: Anja Fischer<br />

über den Grund von Schloss<br />

Straßberg, sein großes, braunes<br />

Streitross wiehert und schnaubte.<br />

Die Hufe der Pferde donnerten<br />

über die Erde und versetzte das<br />

Gesinde in Angst und Schrecken.<br />

Zu spät wollte der Torwächter das<br />

Burgtor schließen lassen. Ritter<br />

Swigger, der Jüngere von Mindelberg,<br />

fiel mit seinen Mannen in<br />

Straßberg ein und zerstörte auf der<br />

Suche nach dem Bischof die Burg.<br />

Noch während seine Knechte das<br />

Vieh wegtrieben, brannten die ersten<br />

Gebäude schon lichterloh.<br />

Wer konnte, floh vor den Angreifern,<br />

vor allem die Frauen und<br />

Mädchen, deren Leben zu dieser<br />

Zeit nichts galt, machten, dass sie<br />

davon kamen oder versteckten<br />

sich. Doch auch die Männer suchten<br />

ihr Heil in der Flucht vor den<br />

Kriegsknechten. Die Knechte und<br />

Mägde des Bischofs konnten sich<br />

am Ende glücklich schätzen, mit<br />

dem Leben davon gekommen zu<br />

sein. Mehr, als das, was sie auf dem<br />

Leib trugen, konnten sie nicht vor<br />

den rauen Gesellen retten – und<br />

mussten dafür noch dankbar sein.<br />

Anderen mag es nicht so gut ergangen<br />

sein. Sie werden bei dem<br />

Versuch, ihren Herrn und Bischof<br />

zu verteidigen, ihr Leben gelassen<br />

haben. Der Bischof selbst musste<br />

schließlich einsehen, dass Gegenwehr<br />

nicht mehr viel nützte. Er ergab<br />

sich und wurde zu Pferd auf


Auf einer alten Postkarte. Bild: Anja Fischer<br />

die Burg des Mindelbergers gebracht.<br />

Schon im Oktober 1266 kam es in<br />

Augsburg aber zu einer Schlichtung<br />

des Vorfalls. Bischof Hartmann<br />

musste dem Mindelberger<br />

Ritter nachgeben und ihm volle<br />

Verzeihung gewähren. Auch das<br />

Augsburger Domkapitel, welches<br />

den Angriff auf ihren Bischof persönlich<br />

nahm, durfte keine Klage<br />

gegen den Ritter erheben. Damit<br />

wird es still um Schloss Straßberg.<br />

In den nächsten einhundertsiebenunddreißig<br />

Jahren wird Straßberg<br />

in keiner Urkunde mehr genannt.<br />

Es gibt keine Berichte über<br />

den Wiederaufbau der Befestigung.<br />

Lehensherren<br />

Der erste namentlich bekannte<br />

Lehensmann ist Hartmann Onsorg,<br />

der zusammen mit seinen<br />

Söhnen Hartmann, Stephan und<br />

Jos am 23. Juni 1403 den Burgstall<br />

und verschiedene Ländereien an<br />

Albrecht von Villenbach um 180<br />

Gulden verkaufte. Onsorg war ein<br />

Augsburger Patrizier, der mit der<br />

Stadt in Fehde lag und bereits<br />

1396 der Stadt verwiesen worden<br />

war, weil er sein Unwesen auf den<br />

Handelsstraßen trieb und Kaufmannsfuhrwerke<br />

von und nach<br />

Augsburg ausraubte. Von Albrecht<br />

von Villenbach kam das Lehensgut<br />

an Ulrich von Villenbach.<br />

Letztere bekam es vom damaligen<br />

Augsburger Bischof Peter von<br />

Schaumberg verliehen. Der Wortlaut<br />

der Urkunde war folgender:<br />

„Item Ulrich von Villenbach haut<br />

emphangen das burgstal zu Straßberg<br />

neben Bobingen und einen anger<br />

da bey. Item ain holtz, haißt der<br />

Schellenberg, auch dabey. Item weyer<br />

und weyertal dabey mit holtz und<br />

holtzmarcken und aller zugehörde.<br />

Item ain holtz, haißt des Tiwelstal“.<br />

Erbe innerhalb<br />

der Familie<br />

Nach denen von Villenbach war ab<br />

1457 der Leibarzt des Augsburger<br />

Fürstbischofs, Dr. Johann Diem,<br />

Inhaber von Straßberg. Zu dessen<br />

Gunsten wurde das bisherige<br />

Mannlehen ab 1466 in ein Mannund<br />

Fraulehen umgewandelt. Als<br />

Diem am 8. Juni 1471 starb,<br />

ging das Lehen an seine drei Kinder<br />

Christine, Veit und Heinrich.<br />

In dieser Zeit wurde das Lehen<br />

meist durch Erbe innerhalb der<br />

Familie weitergegeben und vom<br />

Lehensgeber nur wieder bestätigt.<br />

Erst gab der Lehensherr einem<br />

getreuen Lehensmann für<br />

seine Verdienste Grundbesitz.<br />

Dafür musste dieser genau<br />

festgelegte Dienste ableisten. Nun<br />

wurden diese Dienstleistungen<br />

oft in Geld abgegolten. So ist es<br />

auch nicht verwunderlich, dass<br />

Georg Conzelmann, Ehemann<br />

von Christine Diem, der im Jahre<br />

1489 die Burg Straßberg übernahm,<br />

in einen Interessenskonflikt<br />

geriet: war er zum einen<br />

als Inhaber von Straßberg Lehensmann<br />

des Bischofs, war er auch<br />

HISTORIE<br />

zum anderen als Augsburger Patrizier<br />

ein bestellter Vertreter des<br />

Rates der Stadt. Als nun der<br />

damalige Bischof Friedrich von<br />

Zollern und die Freie Reichsstadt<br />

Augsburg in Streit gerieten,<br />

schwor er seine Bauern aus der<br />

Straßvogtei auf den Landfrieden<br />

ein. Er wollte sich weder auf die<br />

eine noch auf die andere Seite<br />

schlagen und damit keinen Ärger<br />

heraufbeschwören.<br />

Besitz der<br />

Augsburger<br />

Familien<br />

Schloss Straßberg war die meiste<br />

Zeit im Besitz von Augsburger Familien,<br />

Patriziern oder später Industriellen,<br />

die dort sicher nicht<br />

ständig wohnten. Es war wohl<br />

eher ein schöner Landsitz, den die<br />

Anlage darstellte. Mit dem erhobenen<br />

Bau, dem freien Blick über<br />

Wertach und Singold und der damals<br />

noch unverbauten Landschaft<br />

am Fuße des Berges muss es<br />

schön gewesen sein, als Schlossherr<br />

dort zu wohnen. Einer dieser<br />

Patrizier war Leonhart Menhart,<br />

dem die Straßberger ihre Rose im<br />

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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

13


HISTORIE<br />

Blick in die Innenräume. Bilder: Avanza Gruppe<br />

späteren Gemeindewappen verdankten.<br />

Er übernahm Straßberg<br />

1495 als Ehemann von Felizitas<br />

Conzelmann und gab das Gut seiner<br />

Tochter Sybille 1534 als Mitgift<br />

in ihre Ehe mit Dr. Ulrich<br />

Jung ein. Dieser war ein bedeutender<br />

Augsburger Arzt, den Kaiser<br />

Karl V. zu seinem Leibarzt ernannt<br />

hatte.<br />

Zu dieser Zeit brach zwischen Dr.<br />

Jung und den <strong>Bobinger</strong>n ein Streit<br />

um die Weide aus. Weil die Straßberger<br />

Flur sehr klein war und die<br />

Besitzer darauf angewiesen waren,<br />

ihr Vieh in den umgebenden Wäldern<br />

weiden zu lassen, gab es immer<br />

wieder Ärger. Der sogenannte<br />

„Blumenbesuch“ der Tiere im <strong>Bobinger</strong><br />

Gemeindewald oder in den<br />

Wäldern des <strong>Bobinger</strong> und Wehringer<br />

Bistums wurde von deren<br />

Besitzern natürlich nicht gerne gesehen<br />

und vor allem nicht unentgeltlich<br />

gewährt. Schließlich richtete<br />

das Vieh vor allem im jungen<br />

Wald enorme Schäden an. Die<br />

Streitigkeiten gingen auch unter<br />

dem Nachfolger Jungs, der Familie<br />

Dr. Konrad Heel, weiter. Dessen<br />

Witwe erhielt schließlich das Weiderecht<br />

mit genau festgelegten<br />

Verpflichtungen und für nur<br />

60 Stück Vieh, musste dies aber<br />

Jahr für Jahr neu beantragen.<br />

Lehens(un-)treue<br />

Die darauffolgenden Inhaber des<br />

Gutes Straßberg waren Protestanten.<br />

Der damalige Augsburger Bischof<br />

Heinrich von Knöringen ließ<br />

deshalb nach dem Abzug der<br />

14<br />

roner und Hopfer aus Straßberg<br />

vertreiben, bezichtigte sie der Lehensuntreue<br />

und zog ihre Güter<br />

ein. Kurz darauf wurden sie an Dr.<br />

Johann Jakob Holzapfel verliehen,<br />

doch bereits 1637 mussten sich alle<br />

einer kaiserlichen Anordnung fügen<br />

und das Lehen an die früheren<br />

Inhaber zurückgeben. Diese forderten<br />

nun eine entsprechende<br />

Entschädigung für die entgangene<br />

Nutzung des Gutes. Äcker und<br />

Wiesen hatten unter der Kriegszeit<br />

stark gelitten. Der Viehbestand<br />

war drastisch abgesunken, so<br />

dass das Gut bald von Georg<br />

Christof Hopfer weiterveräußert<br />

wurde und in der Folgezeit mehrere<br />

Besitzer und Pächter sah. Ab<br />

dem Jahr 1709 war die <strong>Geschichte</strong><br />

des Schlosses Straßberg etwa 60<br />

Jahre lang mit dem Namen der Familie<br />

von Grenzing verbunden.<br />

Schulden<br />

und Brände<br />

Schon zu dieser Zeit deckten die<br />

Einnahmen des Gutes nicht dessen<br />

Ausgaben. Etwa 117 Gulden<br />

auf der Habenseite standen 321<br />

Gulden auf der Sollseite gegenüber.<br />

Letztere setzten sich hauptsächlich<br />

aus der Entlohnung der<br />

Handwerker und Helfer zusammen.<br />

So erhielt beispielsweise ein<br />

Schweizer 30 Gulden, ein Oberknecht<br />

22 Gulden und der Mittelknecht<br />

15 Gulden jährlich. Bereits<br />

1716 zeichnete sich die prekäre finanzielle<br />

Situation der vielköpfigen<br />

Familie von Grenzing ab, die<br />

aus dem Gut ihren Unterhalt nicht<br />

bestreiten konnte und in immer<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

größere Schwierigkeiten geriet.<br />

Die Liste der Schulden war<br />

schließlich riesengroß und reichte<br />

von stattlichen Geldbeträgen bis<br />

hin zu der Forderung der Äbtissin<br />

von Oberschönenfeld, „entliehenes<br />

Ziegelzeug und Schubkarren“<br />

zurückzugeben oder zu ersetzen.<br />

Aufgrund der starken Verschuldung<br />

und der fortschreitenden<br />

Wertminderung, die durch einen<br />

verheerenden Brand des Schlosses<br />

1755 eingetreten war, löste Fürstbischof<br />

Clemens Wenzeslaus am<br />

31. August 1772 das Lehensgut<br />

Straßberg um 13.500 Gulden ein<br />

und machte es zum bischöflichen<br />

Kammergut. Auch die jetzigen<br />

Pächter hatten nicht viel Glück<br />

mit dem Gut. Halbverfallene Gebäude,<br />

keine Weidemöglichkeiten<br />

und erheblicher Protest gegen die<br />

Viehhaltung in den Wäldern sorgten<br />

dafür, dass mit dem Einkommen<br />

kein Auskommen war. 1786<br />

wurde das ganze Gut für 1.000<br />

Gulden verkauft.<br />

Gepflegter Landsitz<br />

1791 kam das Schloss für<br />

1.325 Gulden an den Augsburger<br />

Fabrikanten Johann Michael<br />

Schöppler, der von dem landschaftlich<br />

herrlich gelegenen Besitz<br />

sehr angetan war und alle Anstrengungen<br />

unternahm, aus dem<br />

heruntergekommenen Gut einen<br />

gepflegten Landsitz zu machen.<br />

Er kaufte nach und nach eine große<br />

Menge an Grundstücken auf,<br />

deren landwirtschaftliche Nutzung<br />

er Pächtern überließ. Die<br />

Schweden 1635 die Familien Bu- Moderner Badkomfort.<br />

Umgebung des Schlosses ließ<br />

Schöppler zu einer großflächigen<br />

Garten- und Parkanlage<br />

gestalten, die den romantischen<br />

Vorstellungen dieser Zeit entsprach.<br />

Man muss sich vorstellen,<br />

dass damals zwischen dem Dorf<br />

Bobingen und dem Gut Straßberg<br />

nur Wiesen und Äcker lagen,<br />

dazu zogen sich die beiden Flüsse<br />

Singold und Wertach wie<br />

blaue Bänder durch die Landschaft.<br />

Der Blick war frei auf die<br />

am Fuße des Schlossberg liegende<br />

Natur. Ein wahrlich schönes<br />

Plätzchen für den, der es sich leisten<br />

konnte.<br />

Erneuter Ruin<br />

1839 übergab Schöppler das Gut,<br />

welches nun immerhin einen Wert<br />

von 9.300 Gulden hatte, per<br />

Schenkung an seinen Adoptivsohn<br />

Karl Fischer. Dieser jedoch liebte<br />

das gute Leben, die Jagd und Feste.<br />

Er starb 1857 mit nur 52 Jahren<br />

und hatte Gut und Schloss Straßberg<br />

abermals ruiniert. Selbst der<br />

Ertrag aus großen Holzrodungen<br />

am heutigen Leitenberg vermochte<br />

nicht zum Erhalt des Gutes auszureichen,<br />

das unruhigen Zeiten<br />

entgegensah. In den nächsten<br />

dreißig Jahren sollte es neun verschiedene<br />

Besitzer haben.<br />

Erst mit dem Kauf des Gutes<br />

durch Frieda Forster im Juni 1880<br />

begann für Straßberg wieder eine<br />

schönere und stabile Zeit. Auch<br />

der mittlerweile gewachsene Ort<br />

sollte davon profitieren.


Ein Dankeschön der Avanza Gruppe für die gute Zusammenarbeit zur<br />

Realisierung des Projektes „Schloss Straßberg“ geht an die Stadt Bobingen,<br />

das Landesamt für Denkmalpfl ege, die Untere Denkmalbehörde am<br />

Landratsamt Augsburg, die beteiligten Firmen und natürlich die Käufer.


HISTORIE<br />

Die Zufahrt einst.<br />

Die Vermögensverhältnisse Forsters<br />

ließen es zu, dass sie durch<br />

mehrere Neubauten Straßberg ein<br />

völlig neues Aussehen gab, das ihren<br />

Vorstellungen für ihren Altersruhesitz<br />

entsprach. Sie „modellierte“<br />

quasi Straßberg nach ihren<br />

Wünschen. Das landwirtschaftliche<br />

Gut wurde an den Fuß des<br />

Schlossberges verlegt, Wohn-,<br />

Stall- und Nebengebäude wurden<br />

alle in einem einheitlichen Baustil<br />

neu errichtet. Das Schloss selbst<br />

wurde vom Augsburger Architekten<br />

Karl Albrecht Gollwitzer neu<br />

erbaut, der das Gebäude im italienischen<br />

Renaissancestil ausführte.<br />

Für die Renovierung des Schlosses<br />

in den letzten Jahren bezogen sich<br />

Architekt Edgar Albrecht und das<br />

Landesamt für Denkmalpflege erneut<br />

auf Gollwitzers Arbeiten. Zur<br />

Talseite hin rundeten 1880 zwei<br />

Ecktürme das stattliche Gebäude<br />

ab, das von einem mächtigen,<br />

39 Meter hohen Hauptturm überragt<br />

wurde. Da Frieda Forster die<br />

Zwiebeldächer missfielen, mussten<br />

diese 1883 durch Balustradenkrönungen<br />

ersetzt werden.<br />

16<br />

Vielseitige Nutzung<br />

Am 27. Juli 1930 erwarb der Gütermakler<br />

Gustav Einstein das<br />

Schloss und den gesamten Besitz<br />

von Eugen Forster, dem Urenkel<br />

der Frieda Forster. Er zertrümmerte<br />

den Besitz und verkaufte die<br />

Einzelteile. Damit sorgte er erstmalig<br />

für eine Trennung zwischen<br />

Schloss und Gut Straßberg. Den<br />

Gutshof mit dem Hauptanteil des<br />

Grundbesitzes erwarb der Bauer<br />

Georg Schlecht aus Heimpersdorf.<br />

Das Schloss fand lange Zeit keinen<br />

Käufer – am 7. Dezember 1930<br />

hatte es dort noch einmal gebrannt,<br />

wobei einige Räume des<br />

Gebäudes beschädigt worden waren.<br />

1932 kam es in den Besitz einer<br />

Müncher Bank, die es an die<br />

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt<br />

weiterveräußerte. Das<br />

Schloss wurde von Grund auf renoviert<br />

und mit einer zweckmäßigeren<br />

Inneneinrichtung versehen,<br />

so dass ab 1935 im neuen NSV-<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

Zufahrt heute. Bilder: Anja Fischer<br />

Mütterheim erholungsbedürftige<br />

Mütter einige Wochen der Ruhe<br />

und Erholung verbringen konnten.<br />

Dringend notwendig in den<br />

Kriegsjahren, die ja sonst an Entbehrungen<br />

reich waren. Anscheinend<br />

muss es in Straßberg und damit<br />

auf dem Land recht schön gewesen<br />

sein, denn auf einer Postkarte<br />

vom 21. September 1940<br />

schreibt der Absender: „Die herzlichsten<br />

Grüße von hier sendet dir,<br />

liebe Hede, dein Schwager Gustav.<br />

Die Gegend hier ist wundervoll. Hier<br />

kann man die Nächte ruhig schlafen<br />

und zu Essen gibt es auch noch reichlich.<br />

Nächsten Sonntag bin ich wahrscheinlich<br />

wieder zu Haus...“<br />

Ab 1943 wurden in Straßberg<br />

Kinder aus bombenzerstörten<br />

Städten untergebracht, nach<br />

Kriegsende diente das Gebäude<br />

amerikanischen Soldaten als<br />

Quartier. Erst ab 1948, als das<br />

Schloss im Besitz des Bayerischen<br />

Staates war, wurde es wieder sinnvoll<br />

genutzt: es wurde zu einer<br />

Heilstätte für Tuberkulosekranke,<br />

die 60 Patienten Platz bot. Betrei-<br />

ber des Krankenhauses war die<br />

Stadt Augsburg, die einen Pachtvertrag<br />

auf zehn Jahre abgeschlossen<br />

hatte. Nach dessen Ablauf<br />

wollte die Stadt das Schloss kaufen<br />

und vergrößern, die Verhandlungen<br />

zerschlugen sich aber. 1958<br />

wurden zunächst für einige Monate<br />

jüdische Kinder im Schloss untergebracht.<br />

Schule und Heim<br />

1959 pachtete Alfred Ankele das<br />

Schloss und richtete eine private<br />

Oberrealschule mit Internat für<br />

etwa 80 Schüler ein. Er hatte sich<br />

mit seinem Projekt aber sowohl in<br />

finanzieller, als auch in pädagogischer<br />

Hinsicht übernommen und<br />

flüchtete 1960 in die damalige<br />

Ost-Zone. Einige Lehrer versuchten,<br />

die Schule und das Internat<br />

noch aufrecht zu erhalten, scheiterten<br />

aber aus finanziellen Gründen.<br />

Mit anderer Leitung wurde<br />

die Schule vom bayerischen Kultusministerium<br />

noch bis 1962 weitergeführt.<br />

Nachdem das Schloss


Neue Fassadengestaltung. Bilder: Avanza Gruppe<br />

wieder leer stand, dachte die Gemeinde<br />

daran, das Gebäude zu<br />

kaufen und als Schule zu nutzen,<br />

aber bereits im April 1962 pachteten<br />

die Farbwerke Hoechst AG<br />

das Gebäude für fünf Jahre als<br />

Wohnheim für ausländische Mitarbeiter.<br />

Nachdem die Gemeinde<br />

noch einige Male versucht hatte,<br />

das Schloss zu kaufen, sah sie Ende<br />

der 60er Jahre endgültig davon ab.<br />

Der Kaufpreis war am Ende doch<br />

zu hoch. Am 6. Mai, als bisher vorletzter<br />

Besitzer, erwarb der „Verein<br />

der Missionare vom kostbaren<br />

Blut“ das Straßberger Schloss. Im<br />

Januar 1967 wurde mit einem<br />

großzügigen Umbau begonnen,<br />

dem nicht nur der markante<br />

Hauptturm zum Opfer fiel, sondern<br />

auch die komplette Fassadenstruktur<br />

zum Opfer fielen, weil die<br />

anstehenden Reparaturkosten zu<br />

hoch gewesen waren. Damit wurden<br />

die typischen Schlosscharaktere<br />

zerstört. Von 1968 bis 1982<br />

wurde das Internat Paulinum im<br />

Schloss untergebracht. Es beherbergte<br />

Schüler, die im Gymnasium<br />

St. Stephan in Augsburg zur Schule<br />

gingen.<br />

Aktive Schule<br />

Später fand die Aktive Schule im<br />

Schloss Straßberg Unterschlupf.<br />

Aus dem Waldkindergarten<br />

Augsburg entwickelte sich eine<br />

Elterninitiative, die zur Fortführung<br />

des pädagogischen Weges die<br />

Aktive Schule Straßberg und den<br />

Verein „Leben und Lernen<br />

Schwaben e.V.“ gründete. Mit<br />

dem Straßberger Schloss waren<br />

2003 ideale Räumlichkeiten und<br />

vor allem ein großes Grundstück<br />

für die pädagogische Arbeit im<br />

Freien gefunden. Erst startete der<br />

Kindergarten, dann die Aktive<br />

Schule, die sich am Konzept der<br />

Montessori-Schulen orientierte.<br />

Schlechte Bewertungen bei einer<br />

staatlichen Überprüfung sorgten<br />

dafür, dass sich die Aktive Schule<br />

privat finanzieren musste. Trotzdem<br />

war auf langfristige Sicht sogar<br />

ein Kauf des Schlosses angedacht.<br />

Deshalb wurde beispielsweise<br />

der Einbau einer Pelletsheizung<br />

getätigt. Doch der Verein<br />

und die Besitzer, die „Missionare<br />

vom kostbaren Blut“ kamen nicht<br />

zusammen. 2008 musste die Schule<br />

das Gebäude verlassen.<br />

IG Schloss<br />

Straßberg<br />

Von da an stand lange offen, was<br />

mit dem Straßberger Schloss passiert.<br />

2009 bildete sich eine „Interessengemeinschaft<br />

Straßberger<br />

Schloss“ (IG), die Gebäude und<br />

Park für die Menschen aus der Region<br />

öffnen wollte. Das vorgelegte<br />

Konzept bekam sogar die<br />

Zustimmung der Patres vom Orden<br />

vom kostbaren Blut. Es sah<br />

vor, dass sich die Bürger an Kauf<br />

und Renovierung des Schlosses<br />

durch den Erwerb von Anteilen<br />

beteiligen können. Der Kaufpreis<br />

von damals rund einer Million<br />

Euro und die mit etwa zwei<br />

Millionen Euro angesetzten Renovierungskosten<br />

sollten durch<br />

eine Mischung aus finanzieller<br />

Beteiligung und Arbeitseinsatz erbracht<br />

werden. Ein Anteil im<br />

Wert von 1.000 Euro (Mindesteinlage)<br />

konnte von den sich beteiligenden<br />

Bürgern entweder bar<br />

bezahlt oder mit einer Anzahl<br />

von Arbeitsstunden erarbeitet<br />

werden. So hätten die Bürger der<br />

Umgebung das Schloss selbst besessen,<br />

jeder hätte mit einer Einlage<br />

Eigentümer werden können. Es<br />

sollte ein Bürgerprojekt von Bürgern<br />

für Bürger sein. Das zeigte<br />

auch die geplante Aufteilung der<br />

Räumlichkeiten: die obersten beiden<br />

Stockwerke sollten als Praxen<br />

und Büros vermietet werden, der<br />

erste Stock mit Tagungs- und Seminarräumen<br />

vielseitig nutzbar<br />

sein. Im Erdgeschoss war ein großer<br />

Ballsaal mit neuer Sonnenterrasse<br />

geplant, im Souterrain sogar<br />

eine Lehrküche. Das Dachgeschoss<br />

war Ausstellungsräumen<br />

vorbehalten. Im Sommer sollte es<br />

für Familien möglich sein, im neu<br />

angelegten Park zu picknicken.<br />

Schöne Vorstellungen aus denen<br />

leider nichts wurde. Das Interesse<br />

der Bevölkerung war nicht groß<br />

genug, obwohl der Orden der Interessengemeinschaft<br />

zeitlich entgegengekommen<br />

war.<br />

Zurück zur alten<br />

Schönheit<br />

Am Ende nahm sich die Avanza-<br />

Gruppe, ein Augsburger Immobi-<br />

Neu- und Gebrauchtwagen aufbereiten, Privat- und<br />

Geschäftswagen pflegen und waschen oder ganze<br />

Fahrzeugflotten regelmäßig reinigen.<br />

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HISTORIE<br />

Altes erhalten: im<br />

Treppenhaus.<br />

lienunternehmen, dem alten und<br />

baufälligen Gebäude an. Das Unternehmen<br />

kaufte das Straßberger<br />

Schloss Ende 2010 und reichte<br />

2011 bei der Stadt Bobingen den<br />

Bauantrag ein. Damit führte es das<br />

hochherrschaftliche Anwesen zurück<br />

in seine ursprüngliche Schönheit.<br />

Heute erhebt sich das Schloss<br />

wieder in vollem Glanz auf seinem<br />

Hügel und ist ein Blickfang für alle<br />

Vorüberkommenden. Bis dahin<br />

aber war es ein langes Stück Ar-<br />

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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

17


HISTORIE<br />

Der Ausblick vom Schloss über Bobingen. Bild: Anja Fischer<br />

beit. Das denkmalgeschützte Gebäude<br />

war mittlerweile stark sanierungsbedürftig<br />

und bot viele Hürden<br />

auf dem Weg zu einer Sanierung.<br />

„Beim Sanierungskonzept<br />

haben wir uns an das Vermächtnis<br />

von Karl Albert Gollwitzer gehalten,<br />

dem Erbauer des Schlosses“,<br />

erzählt Architekt Edgar Albrecht.<br />

Gollwitzer war ein renommierter<br />

Augsburger Architekt, Bauunternehmer<br />

und Bauingenieur der<br />

Gründerzeit und lebte von 1839<br />

bis 1917. In den Jahren 1880/81<br />

schuf er das Schloss in Straßberg<br />

nach seinen Vorstellungen neu.<br />

Gemeinsam mit dem Landesamt<br />

für Denkmalpflege und der Unte-<br />

18<br />

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Wir bringen Ihre Ideen<br />

aufsPapier…<br />

ren Denkmalbehörde am Landratsamt<br />

machte sich die Avanza-<br />

Gruppe nun daran, aus dem baufälligen<br />

Gebäude wieder ein<br />

Schloss zu machen. „Alles wurde<br />

nach den Anforderungen der<br />

Denkmalpflege umgesetzt, die Sanierung<br />

erfolgte streng nach deren<br />

Vorgaben“, so Architekt Albrecht.<br />

„Es war ein Risiko, den Kauf und<br />

den Umbau anzugehen. Die besonderen<br />

Sanierungsmaßnahmen<br />

bei einem Einzeldenkmal sind<br />

teurer, als es bei einer anderen Sanierung<br />

der Fall ist. Es ging uns<br />

zudem darum, das Ganze schlüssig<br />

durchzuziehen.“ Schön sei es aber<br />

gewesen, dass der <strong>Bobinger</strong> Stadt-<br />

…mit modernster Druckund<br />

Medientechnik<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

rat hinter dem Projekt gestanden<br />

habe.<br />

Die Akzeptanz des Vorhabens war<br />

allgemein sehr gut. Der Bestand<br />

wurde geschützt, von der alten<br />

Substanz wurden weitgehend alle<br />

bestehenden Wände erhalten,<br />

ebenso die Erlebbarkeit der großzügigen<br />

Erschließungsflure und<br />

des Parkettbodens in diesem Bereich.<br />

Die Türen tragen die typische<br />

Kassettengestaltung. Fassadengestalterisch<br />

sagt ein Vergleich<br />

der Bilder genügend aus. So gibt es<br />

am Haus keine Balkone, um den<br />

schlosstypischen Baustil zu erhalten,<br />

dafür aber das rund 4.500 m²<br />

große Schlossgrundstück, welches<br />

im passenden Stil angelegt wurde<br />

und nun als Aufenthaltsfläche<br />

dient.<br />

Neues Gesicht und<br />

alte <strong>Geschichte</strong><br />

Im Schloss selbst entstanden 19<br />

Wohneinheiten, die mit einem<br />

großartigen Blick in östlicher<br />

Richtung über Bobingen aufwarten<br />

können. Weit sieht man von<br />

den großen Fenstern in die Ferne,<br />

kann dort noch Königsbrunn erblicken<br />

und bei Fernsicht natürlich<br />

bis zu den Bergen sehen.<br />

Im Nebengebäude gibt es zusätzliche<br />

vier Wohneinheiten und eine<br />

Hausmeisterwohnung. Insgesamt<br />

wurde hochwertiges, zeitgemäßes<br />

Wohnen mit der geschichtsträchtigen<br />

Vergangenheit der Anlage<br />

verbunden.<br />

„Der endgültige Abschluss der Sanierungsarbeiten<br />

ist im April geplant,<br />

eine Teilfläche der Zufahrt,<br />

sowie die Außenanlagen der Nebengebäude<br />

müssen noch geringfügig<br />

ergänzt werden,“ fasst Edgar<br />

Albrecht die letzten Schritte in<br />

Worte. Dann wird das Schloss<br />

wieder seinem ursprünglichen<br />

Zweck dienen und stilvoller<br />

Wohnort für viele Menschen sein.<br />

Neuer Glanz und alte Patina zeigen<br />

sich so zu einer Einheit verbunden.<br />

Dazu passt ein Satz der<br />

Avanza Gruppe: „Jeder Ort hat<br />

seine <strong>Geschichte</strong> – und diese wird<br />

bei einer Denkmalimmobilie<br />

sichtbar!“<br />

In Straßberg jedenfalls hat diese<br />

<strong>Geschichte</strong> ein neues und doch altes<br />

Gesicht bekommen und schaut<br />

nun ihren Besuchern mit einem<br />

Lächeln entgegen.<br />

ZEITUNGSDRUCK AKZIDENZROLLENDRUCK BOGENDRUCK


Von Anja Fischer<br />

Es sind schöne Pläne für die nahe<br />

Zukunft: Die Stadt Bobingen erstellt<br />

zusammen mit dem Begegnungsland<br />

LECHWERTACH<br />

und dem Landratsamt Augsburg<br />

ein Experimentarium für junge<br />

Forscher, das auf dem bundesweiten<br />

Netzwerk „Haus der kleinen<br />

Forscher“ basiert. Dafür kann sich<br />

die Stadt über einen LEADER-<br />

Zuschuss von rund 24.000 Euro<br />

freuen. Von diesem Geld profitieren<br />

insbesondere die jüngsten Einwohner<br />

der Region Begegnungsland<br />

LECHWERTACH. Die<br />

Begleitung der Fördermaßnahme<br />

erfolgt über das Amt für Ernährung,<br />

Landwirtschaft und Forsten<br />

in Nördlingen sowie die Regionalentwicklung<br />

Begegnungsland<br />

LECHWERTACH. Ab Ende<br />

des Jahres wird die Stadt zwei Räume<br />

und eine Betreuungsstelle einrichten,<br />

so dass stationäre Einrichtungen<br />

und Interessierte aus der<br />

ganzen Region anhand von Alltagsgegenständenexperimentieren<br />

können. Das ist nämlich das<br />

Markenzeichen der Stiftung<br />

„Haus der kleinen Forscher“, die<br />

für die Region vom Landratsamt<br />

Augsburg betreut wird. Bisher<br />

fehlt im Begegnungsland LECH-<br />

BEGEGUNGSLAND LECHWERTACH<br />

LEADER-PROJEKT<br />

Experimentarium für<br />

kleine Forscher<br />

Die Stadt Bobingen freut sich über das neue LEADER-Projekt im<br />

Begegnungsland LECHWERTACH. Es fördert den frühkindlichen Kontakt<br />

mit Naturwissenschaften.<br />

Schon im Vorfeld wird eifrig gebastelt und erforscht.<br />

WERTACH noch eine feste Einrichtung,<br />

wo Eltern oder auch<br />

Coaches geschult werden können,<br />

oder interessierte Gruppen stationär<br />

an Geräten experimentieren<br />

können. Laut Bobingens erstem<br />

Bürgermeister Bernd Müller passt<br />

diese neue Einrichtung wunderbar<br />

in die Bildungsstrategie der Stadt<br />

Bobingen und er freute sich zusammen<br />

mit dem 1. Vorsitzenden<br />

Getreide · Mehl · Naturkost · Futtermittel<br />

Römerstraße 7 · 86399 Bobingen<br />

Telefon: 08234/4057<br />

des Begegnungslands LECH-<br />

WERTACH, Ludwig Fröhlich,<br />

über den Erhalt des Förderbescheids.<br />

Das Haus der<br />

kleinen Forscher<br />

Es geht der Stiftung vor allem um<br />

Lernfreude und Problemlösekompetenzen.<br />

Dabei sollen Kinder gerade<br />

nicht nach Erwachsenenverständnis<br />

„richtige“ Erklärungen<br />

für bestimmte Phänomene lernen<br />

und diese auf Abruf wiedergeben<br />

können. Vielmehr sollen die Kinder<br />

bei einem forschenden Entdeckungsprozess,<br />

der sich von seiner<br />

Vorgehensweise her an den Naturwissenschaften<br />

orientiert, begleitet<br />

werden. Dazu gehören u.a. das<br />

Beobachten, Vergleichen und Kategorisieren,<br />

das sich Kinder zunutze<br />

machen, um die Welt um<br />

sich herum zu erkunden: siehe<br />

Methode „Forschungskreis“. Die<br />

Stiftung möchte eine nachhaltig<br />

positive Einstellung zu Naturwissenschaften,<br />

Mathematik und<br />

Technik fördern. Experimentieren<br />

fördert nicht nur die Neugier und<br />

Begeisterung für naturwissenschaftliche<br />

und technische Phänomene,<br />

sondern auch eine Reihe<br />

weiterer Basiskompetenzen, die<br />

die Kinder für ihren späteren Lebensweg<br />

benötigen. Dazu gehören<br />

u. a. Sprachkompetenz, Sozialkompetenz<br />

und Feinmotorik sowie<br />

ein Zugewinn an Selbstbewusstsein<br />

und innerer Stärke.<br />

In unserem Mühlenladen bieten wir Ihnen:<br />

- Weizen-, Roggen- und Dinkelmehle<br />

- Getreideprodukte wie Schrot, Grieß etc.<br />

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.... und vieles mehr!<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag 8 – 12.30 Uhr, 14 – 18 Uhr<br />

Dienstag, Mittwoch geschlossen<br />

Donnerstag, Freitag 8 – 12.30 Uhr, 14 – 18 Uhr<br />

Samstag 8 – 12 Uhr<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

©VDR - Fotolia.com<br />

19


STRASSENNAMEN<br />

Von Anja Fischer<br />

Östlich der Hoch- und Lindauerstraße<br />

gab es früher nur eine spärliche<br />

Bebauung. Der Grund dafür<br />

war einfach: durch die hohe Lage<br />

mussten tiefe Brunnen geschlagen<br />

werden. Das konnte sich nicht jeder<br />

leisten. Wasser war aber lebenswichtig.<br />

Nicht nur für die<br />

Menschen, auch das Vieh der<br />

Dörfler, die oft Tiere zur Eigenversorgung<br />

hielten, musste versorgt<br />

werden. Die benötigten<br />

Mengen an Wasser konnten aber<br />

auch nicht täglich von der Singold<br />

heraufgetragen werden. So also<br />

wurde nur vereinzelt in diesem Bereich<br />

gebaut. Erst ab 1929 fand<br />

eine intensive Bebauung statt.<br />

Dann wurde in Bobingen die öf-<br />

20<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

BAHNHOFSTRASSE UND SINGOLDANGER<br />

Vom Volksmund erzählt<br />

Auch in dieser Ausgabe der „<strong>Bobinger</strong> <strong>Geschichte</strong>(n)“ erklären wir<br />

Ihnen wieder die Entstehung zweier Straßennamen.<br />

Heute kommt einmal der Volksmund zu Wort, der beispielsweise der<br />

Bahnhofstraße einen ganz anderen Namen gab.<br />

Die Bahnhofstraße 2013. Bild: Anja Fischer<br />

fentliche Wasserleitung verlegt<br />

und so konnte auf den teuren<br />

Brunnen verzichtet werden. Der<br />

Hausbau im <strong>Bobinger</strong> Osten begann.<br />

Traditionell lag der Bahnhof in<br />

früheren Zeiten ein wenig außerhalb<br />

des Ortes in Richtung der<br />

Felder. Denn viele Güter und Erzeugnisse<br />

wurden noch per Zug<br />

transportiert. Ab 1929 wurden immer<br />

mehr Häuser in Richtung des<br />

Bahnhofes gebaut, in der heutigen<br />

Bahnhofstraße. Im Volksmund<br />

wurde diese „Judengasse“ genannt.<br />

Nicht etwa, weil dort jüdische<br />

Bürger gewohnt hätten, sondern<br />

weil dort einige Häuser durch die<br />

Hände jüdischer Makler gingen.<br />

Ein weiterer Grund lag bei den jü-<br />

Die Bahnhofstraße vor 1951. Bildarchiv Georg Fritz


dischen Viehhändlern. Diese<br />

pachteten Ställe in der Bahnhofstraße,<br />

denn auch das Vieh wurde<br />

mit der Bahn transportiert. Heute<br />

erinnert sich daran kaum noch jemand<br />

und Viehställe sucht man in<br />

der Bahnhofstraße mittlerweile<br />

vergebens.<br />

Der Singoldanger<br />

Ein Anger ist eine von Häusern<br />

umbaute Wiese. Der Singoldanger,<br />

also der Anger an der Singold,<br />

erhielt seinen Namen genau dadurch.<br />

In früheren Zeiten war die<br />

östliche Seite des Singoldangers<br />

nicht bebaut, auf der westlichen<br />

Seite der Straße dagegen standen<br />

einige kleine Höfe und Häuser.<br />

Die östliche Seite war also eine<br />

umbaute Wiese, der Singoldanger.<br />

Zu ihm gibt es eine schöne Sage,<br />

denn dort, beim „Wiesschuster“<br />

(heute etwa Höhe Singoldanger<br />

Nr. 8) wurde einst das Geräucherte<br />

erfunden:<br />

Es war im 30-jährigen Krieg. Die<br />

Schweden waren auf dem Weg<br />

Der Singoldanger 2013. Bild: Anja Fischer<br />

nach Bobingen. Die Bauern und<br />

Bürger flüchteten mit Weib und<br />

Kind in den damals noch mit hohen<br />

Mauern befestigten Kirchhof.<br />

Im Singoldanger besaß der „Wiesschuster“<br />

einen kleinen Bauernhof.<br />

Er hatte am Tag zuvor ein fettes<br />

Schwein geschlachtet und mit<br />

Salz, Wacholderbeeren und Kräutern<br />

eingepökelt. Der Wiesschuster<br />

dachte, man werde den Feind<br />

wohl rasch wieder vertreiben und<br />

suchte deshalb zusammen mit seiner<br />

Frau nach einem geeigneten<br />

Versteck für das geschlachtete<br />

Schwein. Lange überlegten sein<br />

STRASSENNAMEN<br />

Die Bahnhofstraße 1968. Bildarchiv Georg Fritz<br />

Weib und er, ob sie das Fleisch<br />

eingraben oder im Heu verstecken<br />

sollten. Da kam seiner Frau Monika<br />

der rettende Gedanke: „Wir<br />

verstecken das Fleisch im Kamin,<br />

da sucht bestimmt kein Schwede.“<br />

Gesagt, getan.<br />

Als der Wiesschuster später – als<br />

die Schweden schon da waren –<br />

von der Kirchhofmauer aus auf<br />

sein Haus schaute, sah er, wie aus<br />

dem Kamin dicke Rauchwolken<br />

aufstiegen. Die Schweden hatten<br />

im Herd Feuer gemacht. Da dachte<br />

der Wiesschuster: „Jetzt ist das<br />

ganze Fleisch verdorben von dem<br />

vielen Rauch!“<br />

Als die Feinde wieder fort waren,<br />

gingen der Wiesschuster und seine<br />

Frau in ihr Haus zurück. Ihr<br />

Fleisch hing – wie erwartet –<br />

schwarz wie <strong>Kohl</strong>e im Kamin. Der<br />

Wiesschuster wollte das rußige<br />

Fleisch schon wegwerfen, aber da<br />

wusch seine sparsame Frau noch<br />

rasch den Ruß von einem Stück<br />

Fleisch ab, versuchte ein Stücklein<br />

und fand, dass es sehr gut<br />

schmeckt. Gleich ließ sie auch ihren<br />

Mann probieren. Auch ihm<br />

schmeckte das rauchige Fleisch<br />

sehr gut – und so war das Geräucherte<br />

erfunden.<br />

Quelle: Bildarchiv Georg Fritz<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

21


LEBENSLINIEN<br />

Spengler- und Installateurmeister Ludwig <strong>Kohl</strong>.<br />

Bild: Anja Fischer<br />

Von Anja Fischer<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong> wurde am 22. März<br />

1940 in Augsburg geboren. Er war<br />

das erste Kind von Ludwig und<br />

Maria <strong>Kohl</strong>, die später noch seine<br />

Schwester Anneliese bekamen.<br />

Um die Familie herum herrschten<br />

bei der Geburt des Sohnes die<br />

Wirren des Zweiten Weltkrieges.<br />

„So klein ich damals war, an die<br />

Bombardierung Augsburgs 1944<br />

kann ich mich noch erinnern“; erzählt<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong>. „Den Bombenangriff<br />

haben wir bis nach Bobingen<br />

gehört.“ Gemeinsam mit<br />

Oma, Mutter, Schwester und der<br />

Magd musste der Vierjährige damals<br />

zum Schutz in den häuslichen<br />

Keller. Der Großvater, selbst Feuerwehrkommandant,<br />

sah während<br />

der Angriffe im Ort nach dem<br />

Rechten, der Vater war von 1941<br />

bis 1948 im Krieg und in der Gefangenschaft.<br />

22<br />

Der Einmarsch<br />

der Amerikaner<br />

1945 marschierten die Amerikaner<br />

in Bobingen ein, der Krieg war<br />

verloren. Auch der kleine Ort Bobingen<br />

wurde unter Aufsicht der<br />

Besatzungsmacht gestellt. „Jedes<br />

Gebäude wurde durchsucht“, erinnert<br />

sich Ludwig <strong>Kohl</strong>. Der Großvater<br />

hatte aus alten Patronenhülsen<br />

einen Brieföffner gebaut. Dieser<br />

erregte das Misstrauen der<br />

Amis. Auch eine alte Flasche<br />

Schnaps im Keller fiel auf. „Ein<br />

Amerikaner zeigte darauf“, berichtet<br />

<strong>Kohl</strong>. „Schnaps,“ sagte mein<br />

Großvater.“ Doch die Besatzer<br />

trauten der Sache nicht. „Mein<br />

Opa musste erst einen Schluck aus<br />

der Flasche trinken. Als nichts<br />

passierte, nahmen die Amis die<br />

Flasche mit.“ Doch nicht nur sol-<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

LUDWIG KOHL<br />

Spenglermeister, Installateurmeister<br />

& Feuerwehrkommandant<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong> ist in Bobingen bekannt wie kaum ein anderer. Mit dem Geschäft<br />

an der Hochstraße prägen er und seine Familie zudem seit Jahrzehnten<br />

das Ortsbild. Ludwig <strong>Kohl</strong> schöpfte stets aus seiner Verbundenheit mit<br />

Familie und Heimat die Kraft und Ruhe, die er für seine Aufgaben als<br />

Betriebsleiter und Feuerwehrkommandant, aber auch für sein Hobby,<br />

den Modellbau brauchte.<br />

Baby Ludwig. Bild: Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

che Erinnerungen hat Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong> aus dieser Zeit. Freundlich<br />

seien sie gewesen, die Amerikaner,<br />

sagt er. Sie errichteten südlich des<br />

heutigen Friedhofs ein Zeltlager.<br />

„Wir Kinder gingen oft hinüber<br />

und bettelten um Schokolade und<br />

Kaugummi. Eigentlich haben wir<br />

immer etwas bekommen“, sagt der<br />

heute 73-jährige, dessen Familie<br />

nicht aus ihrem Haus vertrieben<br />

wurde. „Weil wir nur ein Plumpsklo<br />

hatten“, schmunzelt er noch<br />

heute. Der Komfort war den Besatzern<br />

wohl nicht groß genug.<br />

Der Familie <strong>Kohl</strong> und ihren Einquartierungen<br />

aber musste er noch<br />

einige Zeit reichen.<br />

Kindheit<br />

Die Kindheit verlief ohne große<br />

Zwänge: an einen geregelten Kindergartenalltag<br />

im Haus der Bäuerin<br />

(heute Unteres Schlösschen)


LEBENSLINIEN<br />

Der kleine Soldat.<br />

war während des Krieges nicht zu<br />

denken. Der Bub ging zum Fußballspielen<br />

zum Nachbarn Hans<br />

Rottenegger und war sonst zur<br />

Freude seiner Eltern recht brav.<br />

Häufig schaute er dem Großvater<br />

bei seiner Arbeit über die Schulter.<br />

Dieser ersetzte ihm in den ersten<br />

Jahren den Vater. „Der war ja im<br />

Krieg und später in der Gefangenschaft“,<br />

erzählt <strong>Kohl</strong>. Der Großvater<br />

war es, der dem Jungen einen<br />

Roller zusammenschweißte. Das<br />

fertige Spielzeug hatte dann angeblich<br />

der Osterhase gebracht.<br />

Das konnte der Bub aber nicht<br />

recht glauben. „Der Roller war aus<br />

Stahlrohren mit Gummireifen, so<br />

etwas kann doch kein Osterhase<br />

legen“, bezweifelte er. Trotzdem:<br />

„Das war schon ein ganz besonderes<br />

Geschenk, so etwas hatte nicht<br />

jeder.“ Der Opa war es auch, der<br />

für Ludwig <strong>Kohl</strong> und seine<br />

Schwester Anneliese eine Schiffschaukel<br />

baute und in der <strong>Kohl</strong>enhütte<br />

aufhängte. „Da haben wir<br />

stundenlang geschaukelt“, freut<br />

sich Ludwig <strong>Kohl</strong> noch heute.<br />

24<br />

Schulzeit<br />

Mit Beginn der Schulzeit wurde<br />

der Tagesablauf strenger. 1946<br />

wurde Ludwig <strong>Kohl</strong> eingeschult.<br />

„In der Schule waren auch viele<br />

Flüchtlingskinder“, berichtet er.<br />

Die Schülerzahlen waren dementsprechend<br />

hoch. 64 Schüler waren<br />

es in der dritten Klasse. „Da hat<br />

man folgen müssen, sonst gab es<br />

Tatzen“, erzählt Ludwig <strong>Kohl</strong>. Er<br />

selber habe zum Glück nie welche<br />

bekommen. Überhaupt sei er<br />

ein braver und guter Schüler gewesen.<br />

„Außer im Singen, da hatte<br />

ich im Zeugnis nur eine Vier“,<br />

schmunzelt <strong>Kohl</strong>. Und das, obwohl<br />

der Vater bei der Liedertafel<br />

gewesen war. Zur Erstkommunion<br />

1949 gab es als Geschenke<br />

vor allem Eier und Butter. „Und<br />

einen Kuchen mit Zuckerglasur,<br />

das war etwas ganz besonderes“,<br />

erinnert sich der spätere<br />

Installateurmeister. Etwa um<br />

diese Zeit bekam Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

sein erstes Fahrrad. Es war<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

ein Tauschgeschäft, wie zu dieser<br />

Zeit üblich. „Wir lieferten an die<br />

Bauern <strong>Kohl</strong>en zum Heizen“, erzählt<br />

er. „Dafür bekamen wir Getreide.<br />

Einen Sack Getreide hat<br />

mein Vater in Inningen dann gegen<br />

ein Fahrrad für mich eingetauscht.“<br />

Ausbildung<br />

Nach dem Volksschulabschluss<br />

begann Ludwig <strong>Kohl</strong> an der Frenzelschule<br />

und der Fachschule für<br />

Spengler eine Ausbildung zum<br />

Spengler und Installateur. Zwei<br />

Jahre ging er in Augsburg in die<br />

Schule, fuhr täglich mit dem Zug<br />

dorthin. Die Monatskarte kostete<br />

6 DM. Viel gelernt habe er dort,<br />

erzählt Ludwig <strong>Kohl</strong>. Er war ein<br />

Musterschüler, zeigte Talent für<br />

seine Arbeit und fertigte die<br />

schönsten Stücke an. „Einmal<br />

habe ich eine Guglhupfform aus<br />

einer 42cm Kupferscheibe nahtlos<br />

herausgetrieben“, beschreibt er.<br />

„Ich dachte, die kann ich mit nach<br />

Hause nehmen. Dann kam der Direktor<br />

der Schule vorbei und wollte<br />

sie selbst für seine Frau haben, weil<br />

sie ihm so gut gefallen hat.“ Auch<br />

eine Blumenvase aus Aluminiumblech<br />

blieb als Ansichtsstück für<br />

nachfolgende Schüler in der Fachschule.<br />

Und selbst im Innungshaus<br />

der Spengler und Installateure sind<br />

bis heute Arbeitsproben von Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong> zu sehen. Sein Meisterstück<br />

war ein Schirmständer, den<br />

durfte er mit nach Hause nehmen.<br />

Dort tut er noch heute seinen<br />

Dienst. Talent und vor allem Geduld<br />

und Ruhe sorgen dafür, dass<br />

<strong>Kohl</strong> ein besonders guter Lehrling<br />

war. Schülerstreiche waren ihm<br />

fremd. „Man hat ja zu der Zeit<br />

auch noch Angst gehabt vor da-<br />

heim“, erinnert er sich. „Wenn es<br />

in der Schule was gegeben hätte,<br />

hätte man ganz schön Ärger bekommen.“<br />

Führerschein<br />

1958 machte Ludwig <strong>Kohl</strong> den<br />

Führerschein der Klasse 2 mit nur<br />

acht Fahrstunden. Das kostete damals<br />

etwa 300 DM. „Selbstverständlich<br />

bin ich vorher ein bisschen<br />

schwarz gefahren“, verrät<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong> nun, dass er doch<br />

nicht immer brav war. „Das war<br />

damals ja schon fast üblich. Viel<br />

Geld hatte man nicht, da durften<br />

die Fahrstunden nicht zu teuer<br />

kommen.“ Mit einem alten „Sputnik“<br />

ging es mit dem Großvater<br />

auf die Straße nach Oberottmarshausen,<br />

„da war man so gut wie immer<br />

alleine auf der Straße unterwegs“.<br />

An die abschließende Fahrprüfung<br />

erinnert sich Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong> noch gut. „Wir sind eigentlich<br />

nur geradeaus gefahren“, berichtet<br />

er. „Rückwärts einparken<br />

oder Wenden in drei Zügen – das<br />

musste ich nicht vorzeigen.“ In<br />

dieser Zeit arbeitete Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

bereits im elterlichen Betrieb mit.<br />

Wehrdienst<br />

Zwei Jahre später trat er in die<br />

Freiwillige Feuerwehr Bobingen<br />

ein. Ein weiteres Jahr verging,<br />

dann trat der Spengler und Installateur<br />

seinen Wehrdienst beim<br />

Heer in Dillingen an. „Als ich eingezogen<br />

wurde, sollten wir nur ein<br />

Jahr dienen“, erzählt <strong>Kohl</strong>. „Während<br />

meiner Dienstzeit wurde das<br />

dann auf 15 Monate verlängert.“<br />

Dennoch erinnert er sich gerne an<br />

diese Zeit. „Ich war hauptsächlich<br />

In der dritten Klasse 1949, Lehrerin war Frau Luise Butzer,<br />

verh. Kirrstetter. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong>


LEBENSLINIEN<br />

In der Tanzstunde. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong> Die Tankstelle der Familie <strong>Kohl</strong> im Juli 1980.<br />

als Kraftfahrer und Schreiber tätig.<br />

Mein Vorgesetzter war damals<br />

schon ein bisschen von mir abhängig,<br />

weil er nicht auf der Maschine<br />

schreiben konnte.“ Deshalb musste<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong> meist abends um<br />

10 Uhr beim Stubenrundgang die<br />

Meldung machen. Dann hieß es:<br />

Stube mit sechs Mann belegt und<br />

geputzt! „Das musste ich melden,<br />

weil dann normalerweise nicht<br />

mehr nachgeprüft wurde. Die Kameraden<br />

sagten immer, mit Dir<br />

kommen wir am leichtesten<br />

durch“, schmunzelt <strong>Kohl</strong>, der in<br />

dieser Zeit seine ersten Erfahrungen<br />

mit dem Skifahren machte.<br />

„Ich habe mich für eine Skifahrt in<br />

Oberjoch angemeldet und gesagt,<br />

dass ich schon Skifahren kann,<br />

sonst hätte ich nicht mitfahren<br />

dürfen“, erinnert er sich. „Als ich<br />

dann tatsächlich auf den Brettern<br />

stand und abfahren sollte, bin ich<br />

nur zum Stehen gekommen, wenn<br />

mich ein Baum gebremst hat.“<br />

Feuerwehr<br />

Zu Hause arbeitete Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

als Angestellter in der Firma seines<br />

Vaters. 1962 musste er ins Krankenhaus,<br />

ihm wurde der Blinddarm<br />

entfernt. Als Fachmann bemerkte<br />

der gelernte Installateur<br />

sofort, dass Tropfen etlicher Wasserhähne.<br />

Frisch operiert, gerade<br />

verbunden und quasi noch aus dem<br />

Krankenbett heraus, übernahm er<br />

gleich den Kundendienst und reparierte<br />

und überprüfte die Wasserhähne<br />

im Krankenhaus an der<br />

Lindauer Straße (heute Michael-<br />

Schäffer-Seniorenheim). 1966<br />

übernahm Ludwig <strong>Kohl</strong> bei der<br />

Freiwilligen Feuerwehr Bobingen<br />

das Amt des zweiten Kommandanten.<br />

Die technische Ausrüstung<br />

konnte man mit der heutigen<br />

nicht vergleichen. „Wir hatten<br />

nur 120 Meter Schlauch zur<br />

Verfügung. Bei Bränden wurde<br />

daher immer die Werksfeuerwehr<br />

von Hoechst geholt“, berichtet er.<br />

Von seinem Eltern- und Wohnhaus<br />

hatte er es dafür nicht weit<br />

zum Feuerwehrhaus. Dort, wo<br />

heute der „Schreitende Arbeiter“<br />

vor dem Zentrumsplatz steht,<br />

stand zu dieser Zeit in etwa die<br />

Feuerwache. Viel hat Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong> dort erlebt. Über manche<br />

Dinge kann er heute noch lachen.<br />

Andere Erinnerungen fallen dem<br />

73-Jährigen auch jetzt noch<br />

schwer. „Sehr geschlaucht hat<br />

mich ein Unglück am Bahnübergang<br />

in Kleinaitingen“, gibt <strong>Kohl</strong><br />

zu. „Damals starben fünf Menschen,<br />

darunter zwei Kinder. Es<br />

war schrecklich, als wir die leblosen<br />

Körper aus dem Auto herausziehen<br />

mussten.“ Auch der tödliche<br />

Unfall seines Bekannten Martin<br />

Neser traf den Feuerwehrler<br />

schwer. Trotzdem konnte ihn<br />

nichts davon abhalten, anderen<br />

Menschen zu helfen. Unzählige<br />

Male rückte er mit seinen Kameraden<br />

bei Bränden, Verkehrsunfällen<br />

oder zu technischen Hilfeleistungen<br />

aus. Die Feuerwehr – ein<br />

Hobby, das für Ludwig <strong>Kohl</strong> zur<br />

Berufung wurde und bis heute eine<br />

große Bedeutung für ihn hat. Beispielhaft<br />

übernahm er nicht nur<br />

die Aufgabe des zweiten Kommandanten,<br />

sondern von 1982 bis<br />

1991 auch die des ersten Kommandanten.<br />

In den Anfangszeiten<br />

wurde noch per Telefon alarmiert.<br />

„Manchmal ging man bei einem<br />

Einsatz auch vorne bei der Krone<br />

vorbei und sah nach, ob dort einige<br />

Kameraden saßen“, erinnert sich<br />

<strong>Kohl</strong>. Da habe es aber dann auch<br />

vorkommen können, dass der eine<br />

oder andere schon angetrunken<br />

gewesen sei. Die Fahrt zum Einsatz<br />

dürfte doch für Ernüchterung<br />

gesorgt haben. Beispielsweise zu<br />

einem Feldstadelbrand in Kleinaitingen.<br />

„Der Stadel war voller<br />

Stroh und brannte lichterloh“, erzählt<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong>. Schon im<br />

Hinweg habe man von weitem den<br />

Feuerschein gesehen. Die Kleinaitinger<br />

Feuerwehr habe auch schon<br />

gefunkt, man solle langsam und<br />

ohne Licht fahren, denn man hatte<br />

sich entschlossen, den Stadel kontrolliert<br />

abbrennen zu lassen. „Das<br />

wäre das Gescheiteste gewesen“,<br />

ist sich <strong>Kohl</strong> heute noch sicher. „Es<br />

war ja ein Feldstadel, da konnte<br />

außen rum nichts passieren.“ Sonst<br />

hätte man noch ein paar hundert<br />

Meter Schlauchleitung legen müssen,<br />

bis zur nächsten Wasserquel-<br />

Das liebste Spielzeug<br />

des Mannes ... sein Grill!<br />

SCHUSTER<br />

& KOHL<br />

Hochstraße 17, Bobingen<br />

Telefon 0 82 34-90 22 80<br />

www.schuster-kohl.de<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

25


LEBENSLINIEN<br />

Bei einem Brand im Mayerweg. Ludwig <strong>Kohl</strong> (mitte) trägt Atemschutz. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

le. Dann sei die Kripo gekommen<br />

und habe gedroht, die Feuerwehr<br />

aus Lechfeld rufen zu lassen, wenn<br />

nicht gelöscht wurde. „So haben<br />

die Kameraden drei Tage gelöscht“,<br />

weiß <strong>Kohl</strong> noch. So lange<br />

dauerte es, bis alle Brandnester im<br />

Stroh gefunden und gelöscht waren.<br />

Heirat mit Felizitas<br />

„Damals war alles noch unbürokratischer“,<br />

sagt Ludwig <strong>Kohl</strong>.<br />

„Später habe ich oft gesagt: Für<br />

was man als Kommandant alles gerade<br />

stehen muss, da steht man im-<br />

26<br />

mer mit einem Fuß im Gefängnis!“<br />

Freiwillig in Ketten begab er<br />

sich aber gerne: als er seine Frau<br />

Felizitas kennen lernte. „Sie bediente<br />

in der Wirtschaft „beim<br />

Ochsen“ im Ort“, erzählt er. Die<br />

gehörte ihren Eltern. Mit Kolping<br />

und Feuerwehr sei er oft dort gewesen.<br />

Irgendwann fasst sich Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong> ein Herz und lud das<br />

hübsche Mädchen zu einem Ausflug<br />

ein. Am 17. Juni 1970 fuhren<br />

die beiden dann nach Rothenburg<br />

ob der Tauber. „Sonst sah man sich<br />

ja nur Sonntags, selten unter der<br />

Woche. Da hatte man keine Zeit,<br />

sich zu treffen.“ Mit dem Hochzeitstag<br />

im Juli 1974 zog das Pär-<br />

Beim Handwerker- und Bauernmarkt 1994 zeigt Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

seine Kunst.<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

chen erst zusammen. „Wir hatten<br />

zwar ein eigenes Zimmer, meist<br />

aber saß man in der Wohnstube<br />

mit der Familie beieinander“, sagt<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong>, der an seinem eigenen<br />

Hochzeitstag noch bis Mittag<br />

arbeitete und die elterliche Tankstelle<br />

betreute. „Um 13.30 Uhr<br />

wurde erst geheiratet, da konnte<br />

man vorher schon noch arbeiten“,<br />

schmunzelt er. Die Tankstelle<br />

wurde in der Früh schon um 8 Uhr<br />

geöffnet. Das galt auch für den<br />

nächsten Tag, obwohl Freunde des<br />

Paares am Abend zuvor einiges<br />

„angestellt“ hatten. „Wir standen<br />

deshalb gleich in der Früh wieder<br />

auf, da war nichts mit liegen blei-<br />

ben, es sollte alles wieder ordentlich<br />

sein, bis die ersten Kunden<br />

kommen.“ Doch da waren Mutter<br />

Maria und Schwester Anneliese<br />

bereits schneller gewesen. Sie<br />

wollten dem frischverheirateten<br />

Pärchen etwas Gutes tun und hatten<br />

schon die Unordnung vor dem<br />

Haus beseitigt.<br />

Die Kinder<br />

Schon ein Jahr später kam am<br />

3. Januar 1975 Sohn Albert auf die<br />

Welt. Anderthalb Jahr später am<br />

27. Juli 1976 Sohn Bernhard. „Es<br />

war eine schöne Zeit damals mit<br />

Hebauf für das jetzige Feuerwehrgerätehaus mit Bürgermeister<br />

Alois Häring.


Beim Modellbau.<br />

den Kindern“, sagt Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

rückblickend. „Wir hatten im Hof<br />

einen abgezäunten Garten, in dem<br />

die Buben sicher spielen konnten.<br />

Hinter zur Werkstatt fuhren ja<br />

laufend Autos durch, das wäre zu<br />

gefährlich gewesen.“ 1973 starb<br />

Ludwig <strong>Kohl</strong>s Vater. Seine Mutter<br />

Maria übernahm noch drei Jahre<br />

das Geschäft, bis sie es 1976 an ihren<br />

Sohn übergab. Es bestand damals<br />

aus einer Werkstatt, dem Laden<br />

und der Tankstelle. Schon<br />

früh zeigten beide Jungen Interesse<br />

an der Arbeit ihres Vaters und<br />

wollten gerne in der Werkstatt<br />

mithelfen. Sohn Bernhard beispielsweise<br />

liebte es, wenn sein Vater<br />

nach Augsburg zu den Großhändlern<br />

fuhr und war daher fast<br />

immer mit von der Partie. Kein<br />

Wunder also, dass die beiden Buben<br />

später einmal das Familiengeschäft<br />

übernahmen. 1999 wurde<br />

mangels Erweiterungsmöglichkeiten<br />

an der Hochstraße der Betrieb<br />

geteilt: Albert <strong>Kohl</strong> zog mit<br />

<strong>Kohl</strong> Wasser & Wärme in die Gutenbergstraße,<br />

Bernhard <strong>Kohl</strong><br />

blieb mit Schuster & <strong>Kohl</strong> am angestammten<br />

Platz, erweiterte<br />

Schritt für Schritt das Sortiment<br />

Das erste Schiffsmodell: ein Zerstörer.<br />

und sorgte 2004 mit einem Ladenumbau<br />

für ein weithin attraktives<br />

Geschäft.<br />

Rückzug aus dem<br />

Betrieb<br />

Im Laden lässt sich Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

noch regelmäßig blicken und auch<br />

bei <strong>Kohl</strong> Wasser & Wärme sah er<br />

in den Anfangszeiten täglich nach<br />

dem Rechten. Doch trotz aller<br />

Präsenz redete er seinen Söhnen<br />

nie in ihre Arbeit und Ideen hinein.<br />

„Ich habe erlebt, wie mein<br />

Großvater das immer bei meinem<br />

Vater machte und wollte das ganz<br />

bewusst vermeiden“, erzählt <strong>Kohl</strong>.<br />

„Ich habe mir vorgenommen, so<br />

Die Takellage wird mit der Pinzette geknotet. Bilder: Ludwig <strong>Kohl</strong><br />

LEBENSLINIEN<br />

einen Fehler nicht zu machen und<br />

meine Söhne selber machen zu lassen.“<br />

Deshalb habe er sich gleich<br />

nach der Übergabe schon sehr zurückgezogen<br />

und bald gesehen,<br />

dass die Entscheidung richtig gewesen<br />

sei. „Die Jungen haben ihre<br />

Betriebe im Griff“, weiß er heute.<br />

Hobby Modellbau<br />

Einen Ausgleich zum Berufsleben<br />

fand Ludwig <strong>Kohl</strong> stets in seinem<br />

liebsten Hobby, dem Modellbau.<br />

Mit fünfzehn Jahren baute er sein<br />

erstes Schiff. Später, vor allem als<br />

seine beiden Söhne noch klein waren,<br />

kamen ferngesteuerte Autos<br />

und Eisenbahnen dazu. „Die<br />

Technik hat mich daran immer<br />

fasziniert“, berichtet Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong>. „Gerade bei den Autos<br />

musste ja der ganze Motor aus<br />

Einzelteilen zusammengesetzt<br />

werden.“ So baute <strong>Kohl</strong> auch eine<br />

Dampfmaschine, sein Herz gehörte<br />

allerdings weiterhin dem<br />

Schiffsmodellbau. Zu seinem<br />

50ten Geburtstag bekam er von<br />

seinen Feuerwehrkameraden ein<br />

Modell der „Victory“ geschenkt.<br />

„Aber das musste noch bis zu meinem<br />

Ruhestand warten, dazu<br />

brauchte ich viel Zeit“, erzählt der<br />

Installateur- und Spenglermeister,<br />

der einmal ein Schiff mit italienischer<br />

Beschreibung fertigte.<br />

Strickleitern und Flaschenzüge<br />

mussten bei seinem großen Werk<br />

mit Pinzetten geknüpft werden.<br />

Viel Geduld benötigte Ludwig<br />

<strong>Kohl</strong> für diese Arbeiten. „Es war<br />

ein Ausgleich für die Hektik im<br />

Geschäft“, meint er.<br />

Heute hat das große Modell einen<br />

Ehrenplatz bekommen. Hinter<br />

Glas erinnert es an unzählige Arbeitsstunden<br />

und begeistert die<br />

Besucher.<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

27


KIRCHE<br />

Von Anja Fischer<br />

Die Pestzeit während des Dreißigjährigen<br />

Krieges mit ihren<br />

Schrecknissen übte einen nachhaltig<br />

tiefen Eindruck auf die Menschen<br />

aus. Allethalben wurden damals<br />

St. Sebastianbruderschaften<br />

gegründet, da St. Sebastian als<br />

Pestheiliger angerufen wurde. Er<br />

28<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

SEBASTIANKAPELLE<br />

St. Sebastian und die Pest<br />

Sie gehört zum Ortsbild und wird dennoch oft übersehen:<br />

Die Sebastiankapelle an der Kreuzung Bischof-Ulrich-Straße und<br />

Sebastianweg. Die kleine Grotte hat schon ein Stück <strong>Geschichte</strong><br />

hinter sich gebracht. Obwohl St. Sebastian als Pestheiliger verehrt<br />

wird, erinnert er in Bobingen an etwas anderes.<br />

Die ehemalige Sebastiankapelle und heutige Mariengrotte.<br />

sollte die Menschen, die an ihn<br />

glaubten und ihn um Hilfe baten,<br />

vor dem „schwarzen Tod“ schützen.<br />

Trotzdem verwüstete und<br />

entvölkerte die Pest regelmäßig<br />

ganze Landstriche. Umherziehende<br />

Soldaten, fahrendes Volk oder<br />

schwedische Truppen mögen es<br />

gewesen sein, die während des<br />

Dreißigjährigen Krieges die Pest<br />

Ein Blick in die Grotte. Bilder: Anja Fischer<br />

nach Bobingen brachten. Im Jahre<br />

1628 sprang der Schwarze Tod<br />

von Gehöft zu Gehöft und schlich<br />

sich in die Sölden ein, um dort ein<br />

Menschenleben nach dem anderen<br />

unter grauenvollen Schmerzen<br />

zu beenden. Der damalige Pfarrer<br />

Flexlin erkrankte ebenfalls schwer<br />

und weil seit 1550 das Frühmeßbenefizium<br />

mit der Pfarrei vereinigt<br />

war, starben die Leute in Massen<br />

ohne geistlichen Beistand. Die<br />

Bemühungen des bischöflichen<br />

Sieglers, einen Ordenspriester von<br />

den Barfüßern oder Kapuzinern<br />

nach Bobingen senden zu können,<br />

scheiterten an den fadenscheinigen<br />

Ausreden der Angesprochenen.<br />

Kein Pfarrer da<br />

Daraufhin schickte das Generalvikariat<br />

den Pfarrer Georg Huber<br />

von Winkel. Nach wenigen Tagen<br />

hatte sich der mutige Geistliche<br />

tödlich infiziert und nach zehn<br />

Tagen starb er an der Pest. Nach<br />

sechs Wochen schickte das Generalvikariat<br />

den jungen Pfarrer<br />

Hans Vögelin aus Schwabeck. Zu<br />

diesem Zeitpunkt waren bereits<br />

200 Einwohner „sine luce et cruce“<br />

(ohne geistlichen Beistand) an der<br />

Pest gestorben. Die Pest endete<br />

dann unvermittelt, wie sie begonnen<br />

hatte. Vorerst....<br />

1635 überfiel die Pest erneut Bobingen<br />

und der damalige Pfarrer<br />

Georg Merz starb, wie viele andere<br />

auch. Von Göggingen bis Schwabmünchen<br />

waren damals die Gemeinden<br />

ohne Priester, weil alle<br />

durch die Pest hinweggerafft worden<br />

waren. In Bobingen überlebten<br />

nur 30 Frauen und 30 Männer<br />

diesen zweiten, furchtbaren Pestzug.<br />

Nur 4 Jauchert Gerste (4 Tagwerk)<br />

wurde in diesem Jahr eingesät.<br />

St. Sebastian als<br />

Pestheiliger<br />

In der Kunst des Mittelalters wurde<br />

die Pest durch schwarze Pfeile<br />

dargestellt, die Gott vom Himmel<br />

auf die sündige Menschheit herabschleudert.<br />

Die Menschen damals<br />

glaubten, Gott strafe sie mit<br />

Krankheit und Tod für ihr sündiges<br />

Treiben auf Erden. Dagegen<br />

half allenfalls das Gelübde eines<br />

fortan sündenfreien und ordentlichen<br />

Lebenswandels oder das Gebet<br />

zum Pestheiligen St. Sebastian.<br />

Dieser gilt seit den Pestjahren<br />

680 (Pest in Rom), 1575 (Pest in<br />

Mailand) und 1599 (Pest in Lissabon)<br />

als Patron gegen Pest und<br />

Viehseuchen, denn man schreibt<br />

es ihm zu, dass in den genannten<br />

Städten die Pest schließlich erlosch.<br />

Sebastian wurde in Narbonne<br />

(Frankreich) geboren und<br />

in Mailand zum Soldaten erzogen.<br />

Endlich wurde er Befehlshaber der<br />

kaiserlichen Leibwache des römischen<br />

Cäsaren Diokletian (284 bis


In der Hochstraße wachte der heilige Sebastian über ein Haus.<br />

305 n. Chr.) Wegen seiner christlichen<br />

Gesinnung, ließ ihn der<br />

Kaiser im Jahre 288 von Bogenschützen<br />

erschießen. Sebastian<br />

wurde, ohne tödlich getroffen zu<br />

sein, heimlich von christlichen<br />

Freunden gerettet. Kaum wieder<br />

genesen, wurde er jedoch in der<br />

Rennbahn seines Palastes mit<br />

Keulen erschlagen.<br />

Wegen der Darstellung der Pest in<br />

Gestalt von schwarzen Pfeilen,<br />

wurde Sebastian, der ja mit seinem<br />

Körper ebensolche Pfeile aufgefangen<br />

hatte, als Pestheiliger verehrt.<br />

Man errichtete in und nach<br />

Pestzeiten zu seinen Ehren Standbilder<br />

und Kapellen. Die Überlebenden<br />

der Pest schlossen sich zudem<br />

zu Bruderschaften zusammen<br />

und legten Gelübde ab, die sie<br />

Jahrhunderte durch streng beachteten.<br />

Gelöbnis der Bauern<br />

Als die Pest in Bobingen 1635,<br />

also nach sieben grauenvollen Jahren,<br />

erlosch, gelobten die <strong>Bobinger</strong><br />

Bauern, an den Vorabenden vor<br />

Weihnachten, Neujahr und Heilige<br />

Drei Könige durch den Pfarrmeßner<br />

nach der Vesper mit geweihtem<br />

Rauch die Häuser im<br />

Dorf ausräuchern zu lassen. Während<br />

der Ausräucherung wurde die<br />

große Glocke geläutet, der Meßner<br />

sprach ein bestimmtes Gebet<br />

aus dem Ritual und die gesamte<br />

Einwohnerschaft betete um Abwendung<br />

des Schwarzen Todes<br />

und der Viehseuchen. Der Meßner<br />

erhielt dafür beim ersten und<br />

zweiten Mal von jedem Haus einen<br />

Laib Brot. Beim dritten Ausräuchern<br />

zahlten die Bauern zwei<br />

bis drei Kreuzer, die Söldner einen<br />

Kreuzer oder vierzehn Heller.<br />

1754 wurde das Häuserausräuchern<br />

durch die fürstbischöfliche<br />

Regierung verboten. Die in Bobingen<br />

gegründete St. Sebastianbruderschaft<br />

löste sich vollkommen<br />

auf.<br />

Das einzige, was an diese Bruderschaft<br />

noch erinnert, ist der feierliche<br />

Gottesdienst am Sebastiantag<br />

(20. Januar) und die Betstunde am<br />

Sonntag nach St. Sebastian, welche<br />

die Gemeinde Bobingen in der<br />

Pestzeit für ewige Zeiten einzuhalten<br />

gelobte, zur Erinnerung an<br />

jene furchtbare Seuchenzeit.<br />

Hintergrund der<br />

Kapelle<br />

Die Sebastiankapelle in Bobingen<br />

hat einen anderen Hintergrund<br />

und eine andere <strong>Geschichte</strong>. Das<br />

kleine Kapellchen am Wegesrand,<br />

an dem die Fußgänger meist vorüberschreiten,<br />

ohne einmal innezuhalten,<br />

ist ein Ort, an dem sicherlich<br />

so manches Stoßgebet in den<br />

Himmel gesandt wurde. Und<br />

trotzdem ist es heute ein wenig in<br />

Vergessenheit geraten. Einzig die<br />

Kinder stehen oft staunend am<br />

Gitter und schauen sich die Figuren<br />

und den Blumenschmuck an.<br />

Die Kapelle wurde in der Mitte des<br />

vergangenen Jahrhunderts vom<br />

Besitzer des Anwesens erbaut. Er<br />

spendete den Schrein nach einer<br />

überstandenen Roßseuche und rief<br />

den Heiligen damit in seiner<br />

Funktion als Schutzpatron gegen<br />

Viehseuchen an. Seither steht die<br />

Kapelle am gleichen Fleck.<br />

Wandlung zur<br />

Mariengrotte<br />

1889 und 1893 strömte bei plötzlichem<br />

Tauwetter das Schneewasser<br />

von den höher gelegenen Feldern<br />

auf dem Lechfeld in das Dorf Bobingen.<br />

Die St. Sebastiankapelle,<br />

die damals noch tiefer lag als heute<br />

und unter dem im Laufe der Zeit<br />

erhöhten Feldweg stand, lief voll<br />

Wasser und Schlamm. Dies wiederholte<br />

sich fast in jedem Frühjahr<br />

der folgenden Jahre.<br />

Bei einer schweren Geburt im<br />

März 1913 gelobte die Brauereibesitzersehefrau<br />

Schempp die Renovierung<br />

der St. Sebastiankapelle,<br />

wenn der liebe Gott ihr nur das<br />

Kindlein lassen wollte. Nachdem<br />

sie und das Kind die Geburt gesund<br />

überstanden hatten, löste sie<br />

ihr Versprechen an den Himmelsvater<br />

ein. Im Juni 1913 führte der<br />

Flußmeister Schmied aus Augs-<br />

KIRCHE<br />

Der heilige Sebastian in der<br />

Pfarrkirche St. Felizitas.<br />

Bilder: Anja Fischer<br />

burg-Oberhausen die Instandsetzung<br />

der Kapelle durch. Er nahm<br />

dabei die Grotte von Lourdes als<br />

Vorbild und machte aus der Sebastiankapelle<br />

eine Mariengrotte. Vor<br />

einer Marienerscheinung auf der<br />

künstlichen Grottenwand kniet<br />

nun ein betendes Mädchen. Der<br />

Boden der Kapelle wurde erhöht.<br />

Zudem wurde 1960 eine Madonnenstatue<br />

erworben und vervollständigt<br />

nun das Bild.<br />

Quellen:<br />

Meinrad Hafner, Georg Fritz, Buch:<br />

Bobingen – Beiträge zur Heimatgeschichte,<br />

Dr. Herbert Schäfer<br />

Transport-Beton<br />

Transport-Mörtel<br />

Sand und Kies<br />

Erdbewegungen<br />

Elementdecken<br />

Doppelwände<br />

Lauter, Haunstetter Straße 5, 86399 Bobingen<br />

Tel: 08234/9600-0,Fax: 96 00-11, www.lauter-beton.de<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

29


SOZIALES<br />

Von Anja Fischer<br />

30<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

WELTLADEN BOBINGEN<br />

Jedes Produkt hat ein Gesicht<br />

Hartmut und Hertha Blauert hätten<br />

es sich vor knapp zehn Jahren<br />

nicht träumen lassen, dass aus ihrer<br />

Idee von einem Weltladen in Bobingen<br />

einmal ein gutgehendes<br />

Unternehmen wird. Auf Reisen<br />

durch Peru und Mexico hatten die<br />

beiden hautnah erlebt, wie sich die<br />

Gesetze des konventionellen<br />

Welthandels auf die dortige Bevölkerung<br />

auswirken. „Seit einer<br />

Reise 1997 nach Südamerika ließ<br />

mich der Gedanke nicht los, etwas<br />

für die sogenannte „Dritte“ Welt<br />

zu tun“, beschrieb es damals Herta<br />

Blauert. Aufgrund dieser Eindrücke<br />

startete das umtriebige Ehepaar,<br />

das sich damals schon viele<br />

Jahre im Ehrenamt engagierte, die<br />

Gründung des Weltladens Bobingen.<br />

Herta Blauert arbeitete bereits<br />

seit Oktober 2003 im Weltladen<br />

Augsburg und empfand ihre<br />

Tätigkeit dort als persönliche Bereicherung.<br />

Sie wollte aber mehr<br />

tun, sich mehr für den „Fairen<br />

Handel“ einsetzen. So kam die<br />

Idee auf, den Weltladen in Bobingen<br />

als Filiale des Weltladens<br />

Augsburg ins Leben zu rufen. Der<br />

Laden wird heute sehr gut angenommen,<br />

überwiegend kaufen<br />

Stammkunden die fair gehandelten<br />

Produkte. Neue Besucher sind<br />

„Wenn die Länder des Überflusses den Entwicklungsländern gerechte Preise<br />

für ihre Produkte zahlen würden, könnten sie ihre Unterstützung und ihre<br />

Hilfspläne für sich behalten.“ Zitat von Dom Helder Camara, „Bischof der<br />

Armen und Unterdrückten“, Brasilien.<br />

Ein Blick in den Weltladen. Bilder: Anja Fischer<br />

zumeist erstaunt, wenn sie zum<br />

ersten Mal im Weltladen einkaufen.<br />

„Für die angebotene Qualität<br />

sind wir nicht teuer, gerade beim<br />

Kunsthandwerk“, erzählt Herta<br />

Blauert. „Viele sind darüber erstaunt.“<br />

Geburtsstunde<br />

Am 3. Mai 2004 um 18 Uhr war<br />

die Geburtsstunde des Weltladens<br />

Bobingen. Im Treffpunkt „Soziale<br />

Stadt“, direkt neben den späteren<br />

Räumlichkeiten, fand das erste<br />

Treffen statt, bei dem ehrenamtli-<br />

Riefen den Weltladen ins Leben: Hartmut und Herta Blauert.<br />

che Mitarbeiter für die Arbeit im<br />

Laden gesucht wurden. Über dreißig<br />

interessierte Bürger kamen zur<br />

Gründungsversammlung der neuen<br />

Filiale des Weltladens Augsburg.<br />

Zehn Freiwillige fanden<br />

sich, um in ehrenamtlicher Arbeit<br />

den ersten <strong>Bobinger</strong> Weltladen zu<br />

betreiben, der schon nach kurzer<br />

Zeit eröffnet werden konnte. Sie<br />

waren von nun an zuständig für die<br />

Betreuung des Ladens während<br />

der Öffnungszeiten. Ergänzend<br />

wurden und werden sie durch<br />

die Dritte-Welt-Laden GmbH<br />

Augsburg in den Fragen der Organisation,<br />

der Verwaltung und der<br />

Einladend auch von außen.<br />

Geschäftsführung unterstützt.<br />

Untergebracht wurde der kleine<br />

Laden im Treffpunkt Soziale<br />

Stadt – ein Vorschlag, von dem<br />

Stadt, Quartiersmanagement und<br />

Weltladen profitierten.<br />

Gute Partnerschaft<br />

Das Konzept des Weltladens passt<br />

optimal zum Konzept der Sozialen<br />

Stadt. Die Räume im zur Hochstraße<br />

liegenden Bereich des<br />

Treffpunkts boten große Schaufenster<br />

und genügend Platz.<br />

Chancen boten sich in der Zentrumslage,<br />

die Treffpunktbesucher<br />

konnten zwanglos in Kontakt zum<br />

Laden treten, daneben baute Interesse<br />

am Weltladen Hemmungen<br />

gegenüber dem Treffpunkt ab.<br />

Kurz gesagt: Treffpunkt und<br />

Weltladen unterstützen und stützten<br />

einander in ihrer Aufbauphase<br />

und sorgten gemeinsam dafür,<br />

dass aus beiden Projekten eine Erfolgsgeschichte<br />

wurde. Die evangelische<br />

und katholische Pfarrei<br />

der Gemeinde sah den Aufbau des<br />

Weltladens zusätzlich positiv,<br />

ebenso wie die Stadt Bobingen.<br />

Alle zogen an einem Strang, um<br />

die gute Sache ins Leben zu rufen.<br />

„Ohne die Dritte-Welt-Laden<br />

GmbH und ohne die gute Zusam-


Praktisch und schön.<br />

menarbeit mit der Stadt Bobingen<br />

sowie dem Quartiersmanagement<br />

und dem Netzwerk Soziale Stadt<br />

hätte der Aufbau des Weltladens<br />

Bobingen nicht so schnell funktionieren<br />

können“, veröffentlichte<br />

das Team im Juni 2004 im <strong>Bobinger</strong><br />

Stadtboten. „Alle im Hinblick<br />

auf die Filiale Bobingen anfallenden<br />

Kosten werden von der Dritte-<br />

Welt-Laden GmbH getragen. Die<br />

Tagesgeschäfte werden von den<br />

<strong>Bobinger</strong> Freiwilligen selbstverantwortlich<br />

übernommen.“<br />

Die Eröffnung<br />

Die offizielle Eröffnung des Ladens<br />

erfolgte am 2. Juli 2004 mit<br />

einem Einweihungsfest. Gefeiert<br />

wurde mit Musik aus fernen Ländern,<br />

türkischen und mexikanischen<br />

Folkloretänzen. Darüber hinaus<br />

stellte das Weltladen-Team<br />

seine Produkte vor. Kaffee und<br />

Tee aus Fairem Handel, sowie<br />

weitere Lebensmittel, beispielsweise<br />

Honig und Nüsse, konnten<br />

an diesem Abend an einem selbstgemachten<br />

Buffet gekostet werden.<br />

„Solidarität geht uns alle an“,<br />

war das Schlagwort der Eröffnungsfeier.<br />

„Täglich sterben mehr<br />

als 20.000 Menschen weltweit am<br />

Hunger“, erklärte der ehrenamtliche<br />

Geschäftsführer der Weltladen<br />

GmbH, Raimund Kamm.<br />

„Was nützt Entwicklungshilfe,<br />

wenn der unfaire Handel gefördert<br />

wird.“ Im Weltladen würden dagegen<br />

Waren aus der Dritten Welt<br />

zu Fairen Preisen verkauft, damit<br />

auch die Erzeuger leben können.<br />

Dabei wollen die Läden nicht nur<br />

„lieb und nett“ sein und Kaffee anbieten.<br />

Vielmehr sehen sie sich als<br />

Forum, wo Menschen kritisch, engagiert<br />

und eigenverantwortlich<br />

handeln und auch „den Mund aufmachen“,<br />

wenn es um Skandale in<br />

der Welt geht.<br />

Vorerst an zwei Wochentagen<br />

konnten die Waren aus Fairem<br />

Handel nun in Bobingen erworben<br />

werden. Vor allem Kaffee, Tee,<br />

Kleinkunst und Spielzeug aus<br />

der Dritten Welt gehören auch<br />

heute noch zum umfangreichen<br />

Sortiment. Schokolade, Honig,<br />

Schmuck, kleine Mitbringsel und<br />

Geschenke wie Specksteinherzen,<br />

Badesalze und Seifen, Klangschalen,<br />

Räucherstäbchen, Kinderbücher<br />

oder Musik-CD’s werden neben<br />

vielen anderen Gegenständen<br />

angeboten. Aus allen Dingen fertigen<br />

die Mitarbeiter auch individuelle<br />

Geschenkpackungen an.<br />

Philosophie<br />

Der Weltladen bietet Produkte aus<br />

Fairem Handel. Für diese Produkte<br />

erhalten die Erzeuger höhere<br />

Preise als auf dem Weltmarkt üblich.<br />

Längerfristige Abnahmegarantien<br />

und Vorfinanzierung stabilisieren<br />

die wirtschaftliche Lage<br />

der Partner. Unter diesen gerechteren<br />

Bedingungen können sie<br />

sich aus eigener Kraft eine menschenwürdige<br />

Existenz aufbauen.<br />

Die Handelspartner sind Kleinproduzenten<br />

in Selbsthilfegruppen<br />

und Genossenschaften.<br />

Einkaufen heißt dabei entscheiden:<br />

Ein neuer gerechterer Handel<br />

wird nicht nur für die Zukunft gefordert,<br />

sondern bereits heute<br />

Stück für Stück realisiert. Denn<br />

der Faire Handel trägt seit über<br />

40 Jahren zur Verbesserung der<br />

Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />

in den Ländern des Südens bei. Es<br />

ist den Mitarbeitern im Weltladen<br />

Bobingen wichtig, immer wieder<br />

über die Produkte und deren Herkunft,<br />

als auch über den Sinn und<br />

die Hintergründe des Fairen Handels<br />

zu informieren. Immerhin<br />

tragen die Kunden mit dem Kauf<br />

der Produkte dazu bei, dass immer<br />

mehr Produzenten in den Ländern<br />

des Südens gerechte Löhne erhalten,<br />

deren Kindern eine Schulausbildung<br />

gewährleistet und denen<br />

ein menschenwürdiges Leben ermöglicht<br />

wird.<br />

Vorträge<br />

Immer wieder machte der Weltladen<br />

in den letzten zehn Jahren<br />

SOZIALES<br />

Kinderbücher vermitteln das Thema Fairer Handel.<br />

Bild: Anja Fischer<br />

durch Vorträge auf sich und seine<br />

Thematik aufmerksam. Ein Vortrag<br />

über Bananen aus Fairem<br />

Handel machte 2004 den Anfang,<br />

ihm folgte ein Vortrag über Blumen<br />

aus schonendem Anbau. Veranstaltungen<br />

wie ein Faires Frühstück<br />

oder ein Motto wie die Faire<br />

Woche im Weltladen waren immer<br />

wieder Anziehungspunkte für<br />

Kunden und große Erfolge für das<br />

Team. Denn die Menschen vom<br />

<strong>Bobinger</strong> Weltladen sehen es nicht<br />

nur als ihre Aufgabe an, durch den<br />

Verkauf der fair gehandelten Wa-<br />

ren die Bauern und Erzeuger in armen<br />

Ländern zu unterstützen,<br />

sondern auch die Verbraucher zu<br />

informieren. Über die Geschäftsbedingungen<br />

großer Konzerne,<br />

über den Einsatz von Spritzmitteln<br />

und Pestiziden per Hand, über<br />

Kinderarbeit und über Familien,<br />

die verhungern müssen, obwohl sie<br />

den ganzen Tag hart arbeiten. Die<br />

Liste ließe sich wohl noch lange<br />

fortsetzen und genau da setzt das<br />

Team vom Weltladen mit seiner<br />

Informationspolitik an. „Menschen<br />

müssen informiert werden,<br />

www.hausmaurer-service.de<br />

Nach überdurchschnittlich erfolgreich abgelegter Meisterprüfung<br />

vor der Handwerkskammer Unterfranken, wurde Richard Zerle<br />

1996 der Meisterpreis der bayerischen Staatsregierung verliehen.<br />

Die anschließend gegründete Einzelfi rma ist seit Juni 2007<br />

als Zerle Bau GmbH im Handelsregister eingetragen.<br />

Die Leistungen des Bauunternehmens umfassen im Wesentlichen die Bereiche<br />

Sanierung, Um- bzw. Neubau, Innen- und Außenputze<br />

sowie Wärmedämmung.<br />

Bei konkreten Fragen und Wünschen stehen wir Ihnen jederzeit gerne<br />

zur Verfügung!<br />

Richard Zerle · Maurermeister<br />

Poststraße 20 · 86399 Bobingen<br />

Telefon: 0 82 34 /90 27 17 · Telefax 0 82 34 /90 27 18<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

31


SOZIALES<br />

was auf der Welt geschieht und<br />

warum wir uns für den Fairen<br />

Handel einsetzen“, findet Hartmut<br />

Blauert, der lange Jahre für die<br />

Öffentlichkeitsarbeit zuständig<br />

war. So wurde schon im ersten Jahr<br />

des Weltladens mit den Vorträgen<br />

und Informationsveranstaltungen<br />

begonnen.<br />

32<br />

Der Weltladen<br />

etabliert sich<br />

Das Jahr 2005 begann mit einem<br />

Frühstück für die Flutopfer in Sri<br />

Lanka. Fair gehandelte Produkte<br />

halfen damit nicht nur den Produzenten,<br />

sondern auch Menschen in<br />

Not. Die Mitarbeiter des Weltladens<br />

stellten dabei die Frage in den<br />

Raum, ob Menschen nach der Katastrophe<br />

auch in Ruhe frühstücken<br />

können. Oder ob sie überhaupt<br />

etwas zum Frühstücken haben<br />

und entschlossen sich zu dieser<br />

Hilfsaktion. Die Mitarbeiterinnen<br />

bereiteten mit viel Engagement<br />

ein schmackhaftes Frühstück zu,<br />

zu dem sich rund 150 Personen im<br />

Treffpunkt einfanden. So kamen<br />

Spenden von knapp 560 Euro zu-<br />

sammen, die noch einmal um<br />

450 Euro aufgestockt wurden.<br />

Warenverkauf am Misereorsonntag,<br />

die Präsentation des Weltladens<br />

am Internationalen Frauentag<br />

und bei zahlreichen anderen<br />

Veranstaltungen – bald war der<br />

Weltladen aus dem <strong>Bobinger</strong> Veranstaltungsprogramm<br />

nicht mehr<br />

wegzudenken.<br />

Schokoladentag<br />

Eine ganz besondere Veranstaltung<br />

fand im Ferienprogramm der<br />

Stadt Bobingen statt. Einen<br />

„Schokoladentag“ veranstaltete<br />

der Weltladen im „Treffpunkt Soziale<br />

Stadt“. Mit Begeisterung bereiteten<br />

sich 21 Kinder selbst ein<br />

Schokoladen-Fondue zu. Vor dem<br />

leckeren Vergnügen erfuhren sie<br />

aber, wo die Schokolade herkommt,<br />

die sie so gerne essen.<br />

Christine Müller und Jutta Fricke<br />

vom Weltladen erklärten den fünf<br />

bis zehn Jahre alten Mädchen und<br />

Buben anhand von Bildtafeln die<br />

Herkunft und Produktion der Nascherei,<br />

die es in Europa erst seit<br />

etwa 500 Jahren gibt. Besonders<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

erwähnt wurde dabei natürlich,<br />

dass der Weltladen durch den Verkauf<br />

von „fairer Schokolade“ die<br />

Anbauer unterstützt, die dadurch<br />

mit ihren Familien ein besseres<br />

Leben führen können. Nach dem<br />

Vortrag kam das Vergnügen: unter<br />

der fachkundigen Leitung von<br />

Helga Fischer bereiteten die Kinder<br />

das Fondue zu. Äpfel, Birnen<br />

und Bananen wurden sorgfältig<br />

geschnitten, auf Fonduegabeln gespießt<br />

und schließlich in die Töpfe<br />

mit geschmolzener weißer und<br />

dunkler Schokolade getaucht. An<br />

den strahlenden Gesichtern der<br />

Kinder konnte man den Erfolg der<br />

Aktion ablesen. Diese werden sich<br />

beim nächsten Stück Schokolade<br />

hoffentlich überlegen, wie sie produziert<br />

wurde.<br />

Persönlicher Besuch<br />

Um die Verbraucher zu informieren,<br />

versuchten Hartmut und Herta<br />

Blauert, auch das persönliche<br />

Gespräch mit Produzenten in die<br />

Wege zu leiten. So berichteten<br />

Norma Mugar und Gilde Caduya,<br />

Vertreterinnen der Vermarktungsorganisation<br />

Alter Trade<br />

Company, persönlich in Bobingen<br />

über die Situation der Zuckerbauern<br />

auf den Philippinen. Die Alter<br />

Trade Company (ATC), die mit<br />

dem Fair Handelshaus gepa zusammenarbeitet,<br />

möchte vor allem<br />

den armen Menschen dort helfen<br />

und mit ihrer Arbeit und der besseren<br />

– weil faireren – Bezahlung<br />

für die erzeugten Produkte neue<br />

Perspektiven für die Bauern schaffen.<br />

Eines dieser Produkte ist der<br />

aus Zuckerrohr gewonnene „Mascobado“-Zucker,<br />

der vor allem in<br />

Lecker, so ein Schokoladentag. Bild: Weltladen Bobingen Das 5-jährige Jubiläum wird gefeiert.<br />

Fairer Kaffee für Bobingen.<br />

Bilder: Anja Fischer<br />

den gepa Bio Fairena-Schokoladen<br />

verwendet wird. Dieses Sortiment<br />

hat auch der Weltladen Bobingen<br />

im Angebot. „Für uns ist es<br />

wichtig, dass die Kunden wissen:<br />

Warum sollen wir die fair gehandelten<br />

Produkte kaufen“, ließ sich<br />

Hartmut Blauert anlässlich des<br />

ersten Produzentenbesuches in<br />

Bobingen zitieren. Dieses Engagement<br />

zeichnet bis heute die<br />

Führung des Weltladens aus und<br />

kommt an. Schon beim ersten<br />

Vortrag interessierte zahlreiche<br />

<strong>Bobinger</strong> der persönliche Kontakt<br />

und sie wollten wissen, was der<br />

Kauf von fair gehandelten Produkten<br />

bei den Erzeugern bewirkt.<br />

5-jähriges Jubiläum<br />

Seinen fünften Geburtstag feierte<br />

der Weltladen Bobingen mit einem<br />

großen Fest, welches damals<br />

Teil des Entdeckertages des Ge


Ehrenamtlich mit dabei:<br />

Andrea Krammer.<br />

werbevereins Bobingen war. Begonnen<br />

wurde mit einem „Fairen<br />

Frühstück“, zu dem die Initiatoren<br />

einen Vertreter der GEPA, Jorge<br />

Inostroza geladen hatten. Er hatte<br />

Bio-Honig aus Nicaragua, Schokolade<br />

aus Peru und Rote Bio Quinoa<br />

aus Boliven dabei. Das besondere<br />

an diesen Waren: auf dem<br />

Etikett ist der Hersteller vermerkt.<br />

Kunden wissen also genau, wer das<br />

eben gekaufte Lebensmittel produziert<br />

hat und wo. Auch sonst<br />

war zum Festtag einiges im Weltladen<br />

geboten. Kunden konnten<br />

den „Jubiläumskaffee“ verkosten,<br />

einen Agenda 21-Kaffee, mit <strong>Bobinger</strong><br />

Etikett und heute ein erfolgreich<br />

eingeführter Regionalund<br />

Stadtkaffee. Am Nachmittag<br />

gab es Mangokuchen mit Mangopüree<br />

aus dem Weltladen, Besucher<br />

konnten einem Didgeridoospieler<br />

zuhören und sich bei Lazi<br />

Schmid aus Augsburg ansehen,<br />

wie Rohkaffee professionell geröstet<br />

wird. Danach ging es im bewährten<br />

Konzept weiter. Immer<br />

wieder aber beteiligte sich das<br />

Team des Weltladens zusätzlich<br />

an örtlichen Festen und Veranstaltungen<br />

und machte dort auf sein<br />

Tun und sein Angebot aufmerksam.<br />

Arbeit im Weltladen<br />

Im Frühjahr 2013 haben Hartmut<br />

und Herta Blauert die Leitung des<br />

Weltladens Bobingen in jüngere<br />

Hände abgegeben. Monika Böhler<br />

heißt die neue Frau an der Spitze<br />

des Weltladen-Teams. Doch sie<br />

steht nicht alleine da. Schon früh<br />

haben die Blauerts darauf geachtet,<br />

die anfallenden Arbeiten auf<br />

viele Schultern zu verteilen. „Dann<br />

ist die Arbeit und die Mithilfe für<br />

jeden machbar und nicht zu viel“,<br />

erklärt Herta Blauert. Neue Ware<br />

holen, das Schaufenster gestalten,<br />

die Inneneinrichtung dekorieren,<br />

neue Bücher organisieren, die allgemeine<br />

Organisation, die Ladenleitung,<br />

das Führen der Chronik,<br />

die Entsorgung des Verpackungsmaterials,<br />

die Kontrolle nach dem<br />

Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums,<br />

das Aufräumen des Lagerraums,<br />

das Auszeichnen der<br />

Ware und die Öffentlichkeitsarbeit<br />

– jeder Punkt wird von einem<br />

anderen Mitarbeiter betreut. So<br />

bleibt der persönliche Arbeitsanspruch<br />

überschaubar, denn es gibt<br />

viel zu tun, um einen Laden zu<br />

führen. Im Wochenplan kann jeder<br />

selbst eintragen, wann er arbeiten<br />

möchte. Eine Schicht geht<br />

über zweieinhalb Stunden. „Sonst<br />

wird es für eine ehrenamtliche Tätigkeit<br />

zu lange“, meint Herta<br />

Blauert. Die „neuen“ Ehrenamtlichen<br />

werden gründlich eingearbeitet.<br />

Zu ihren Aufgaben gehört es<br />

neben der selbstverständlichen<br />

Kundenbetreuung auch, sich in die<br />

Produkte einzuarbeiten – schließlich<br />

möchte das Team bei Bedarf<br />

eine kompetente Beratung abgeben<br />

können. „Jedes Produkt hat<br />

ein Gesicht“, erklärt Hartmut<br />

Blauert. „Und das sollten die Mitarbeiter<br />

im Weltladen kennen.<br />

Nur so können wir diese Gesichter<br />

an unsere Kunden weitergeben.“<br />

Da reiche es dann nicht, nur einen<br />

Flyer abzugeben, man müsse auch<br />

etwas über die Produkte erzählen<br />

können.<br />

Bei Mitarbeitertreffen, die regelmäßig<br />

alle drei Wochen stattfinden,<br />

wird Wichtiges besprochen.<br />

Vor allem, wenn es Veranstaltungen<br />

nach außen zu organisieren<br />

gibt, werden dann die Aufgaben<br />

verteilt. Auch hier gilt der Grundsatz:<br />

„Viele Hände, schnelles<br />

Ende!“<br />

Stellenangebot<br />

Immer wieder sucht der Weltladen<br />

neue Mitarbeiter. Es ist wie überall:<br />

verteilen sich die Arbeiten auf<br />

vielen Schultern, muss der Einzelne<br />

nur wenig Zeit für die gute Sache<br />

aufwenden. Dabei bleibt noch<br />

genügend Zeit für Familie und<br />

SOZIALES<br />

Kunsthandwerk aus Fairem Handel. Bilder: Anja Fischer<br />

Bezirksdirektion Versicherungs-Team Seitz<br />

86399 Bobingen, Lindauer Str. 11<br />

Tel. 08234 2455, Fax 08234 5518<br />

info.seitz@continentale.de<br />

ortsnah<br />

schnell<br />

unbürokratisch<br />

Freunde. Das wissen auch die Verantwortlichen<br />

im Weltladen. So<br />

liest sich ihre Stellenbeschreibung<br />

recht humorvoll, mit einem Fünkchen<br />

Ernst im Hintergrund. Es<br />

werden Frauen und Männer gesucht,<br />

die als Vergütung (ohne<br />

Gewähr) vielleicht einen Platz im<br />

Himmel für ihre ehrenamtliche<br />

Arbeit erhalten. Die Arbeitszeit ist<br />

mal mehr, mal weniger (lieber<br />

mehr), dafür sind Alter, Konfession<br />

und Herkunft unwichtig. Das<br />

Angebot ist ein Betätigungsfeld<br />

für Ideenreichtum und jegliche<br />

Begabung, die benötigten Fähigkeiten<br />

sind sehende Augen, hörende<br />

Ohren und offene Herzen!<br />

Wer jetzt denkt: „Ich versuch’s<br />

mal“, der kann sich im Weltladen<br />

unter Telefon 08234/99 88 33<br />

melden.<br />

Garantiert sind Freude am eigenen<br />

Tun, Anerkennung von der Gruppe<br />

und von den Handelspartnern<br />

in den Entwicklungsländern.<br />

Quellen:<br />

Herta und Hartmut Blauert<br />

Chronik des Weltladen Bobingen<br />

Seit 40 Jahren sind wir die kompetenten<br />

Ansprechpartner in allen Versicherungsfragen<br />

für Sie vor Ort.<br />

Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gern!<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

33


HINTERGRUND<br />

Von Anja Fischer<br />

Bobingen, Anfang der 90er Jahre.<br />

Die an der Römerstraße gelegene<br />

Mittlere Mühle ist dem Verfall<br />

preisgegeben. Das Dach ist undicht,<br />

das Gebäude sieht von außen<br />

so aus, als würde nur noch eiserner<br />

Wille die Ziegelsteine übereinander<br />

und den Putz an der<br />

Mauer halten. Schon lange haben<br />

die Mahlwerke kein Mehl mehr<br />

gemahlen, auch sie funktionieren<br />

nicht mehr. Fast scheint es, als<br />

würde dem Gebäude nur noch eines<br />

bleiben: der Abriss. Tatsächlich<br />

hat die Bauträgergesellschaft<br />

bwl, die das rund 3.600 m² große<br />

Anwesen der Mittleren Mühle mit<br />

landwirtschaftlichen Gebäuden<br />

und der Singoldinsel von den Erben<br />

der im Jahre 1982 verstorbenen<br />

letzten Mühlenbesitzerin<br />

Anna Grotz erworben hat, genau<br />

dieses im Sinn. Sie möchte auf<br />

dem Grundstück in Zentrumsnähe<br />

zwei Eigentumswohnanlagen<br />

errichten.<br />

34<br />

Der Beginn der<br />

Mühle<br />

Bobingen, im Jahr 1427. Die<br />

Mittlere Mühle wird erstmals erwähnt.<br />

Sie ist im Besitz des Hochstifts<br />

Augsburg, also des Bischofs<br />

von Augsburg. Dieser verlieh das<br />

Mühlrecht als Lehen an die Ritter<br />

von Knöringen. Lehensrechte<br />

konnten verliehen und entzogen,<br />

als Belohnung oder Bestrafung für<br />

ritterliche Treue oder Tapferkeit<br />

eingesetzt werden. Bis zum Jahr<br />

1502 verlieh das Hochstift Augsburg<br />

das Mühlrecht und damit die<br />

<strong>Bobinger</strong> Mühle an verschiedene<br />

Ritter wie die Familie Stein zu<br />

Klingenstein, von Benzenau zu<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

MITTLERE MÜHLE<br />

Von der Mehlmühle<br />

zum Kulturzentrum<br />

Die <strong>Geschichte</strong> der Mittleren Mühle in Bobingen ist ein Zeichen von<br />

gemeinschaftlichem Unternehmersinn und Eigeninitiative. Mit einer<br />

unglaublichen ehrenamtlichen Leistung wurde nicht nur ein verloren<br />

geglaubtes bauliches Denkmal erhalten, sondern auch eine Begegnungsstätte<br />

mit ganz besonderem Flair geschaffen.<br />

Die Mittlere Mühle von einst. Bild: Reinhold Lenski<br />

Kemnat, von Freiberg oder von<br />

Fraunberg zu Haydenburg. Ab<br />

1502 wurde das Lehen an wohlhabende<br />

Augsburger Patrizier vergeben:<br />

an die Schellenberg, die Herwart,<br />

die Ravenspurger und die<br />

Neidhart.<br />

Die Mehlmühle<br />

Der erste bekannte Müller war um<br />

1476 Hans Müller. Das Mühlrad<br />

der alten Wassermühle dreht sich<br />

nun schon seit über 600 Jahren.<br />

Mit der Kraft des Wassers wurde<br />

das Getreide dort zu Mehl gemahlen<br />

und von Bäckern und Bürgersfrauen<br />

daraus Brot gebacken. Die<br />

Mühle war darüber hinaus stets<br />

auch ein Ort der Kommunikation.<br />

Beim Müller trafen sich Menschen<br />

aus allen Himmelsrichtungen,<br />

um ihr Korn mahlen zu lassen.<br />

Aus den daraus oft resultie-<br />

renden Wartezeiten ergab sich der<br />

Spruch: „Wer zuerst kommt,<br />

mahlt zuerst.“ Diese Wartezeiten<br />

aber waren manchmal gar nicht so<br />

unerwünscht. Im Gespräch mit<br />

anderen erfuhr man Neuigkeiten,<br />

konnte Kontakte pflegen und Erfahrungen<br />

austauschen. Da die<br />

Mühlen nicht von den hohen<br />

Herrschaften selbst betrieben wurden,<br />

sondern von eingesetzten<br />

Müllern, wurde die Getreidebearbeitung<br />

durch Mühlenordnungen<br />

streng geregelt. Getreide war zu jener<br />

Zeit schließlich ein kostbares<br />

Gut: ein Sack Getreide konnte darüber<br />

entscheiden, ob eine Familie<br />

hungern musste, oder nicht. Im<br />

Jahr 1563 erließ Bischof Otto<br />

Truchseß von Waldburg beispielsweise<br />

eine Mühlenordnung, in der<br />

vor allem die technischen Anforderungen<br />

aufgezählt wurden:<br />

„Zum ersten soll sich ein jeder Miller<br />

befleißen, das er ein gueten geendeten<br />

Zeug hab, aiß nemblich guete Röder<br />

(Mühlräder) vßen vnnd Innen, auch<br />

guete scharpfe stein (Mühlsteine), die<br />

fleißig ynnd woll abgedreet seind,<br />

vnnd die vnndern Stain uff das nehist<br />

zusamen gesetzt.“<br />

Mühle als<br />

Broterwerb<br />

Um 1583 kaufte die evangelische<br />

Sankt-Jakobs-Pfründe die <strong>Bobinger</strong><br />

Mühle. Die jeweiligen Pächter<br />

der Mühle hatten nun an das<br />

Augsburger Pilger-, Armen- und<br />

Altenspital neben Getreideabgaben<br />

jährlich zwei Schweine oder<br />

zwei Gulden zu entrichten. Trotzdem<br />

ging es den Müllern nicht<br />

schlecht.<br />

Das harte Tagewerk und die vielen<br />

schweren Mehlsäcke, die ge-


schleppt werden mussten, machten<br />

sich bezahlt. Aus den Steuerbüchern<br />

von 1667 geht hervor,<br />

dass die <strong>Bobinger</strong> Müller im Hinblick<br />

auf ihr Vermögen zur dörflichen<br />

Oberschicht gehörten. So besaß<br />

der Mittelmüller Johann Müller<br />

in diesem Jahr 1210 Gulden.<br />

Laut Steuerregister gehörte 1667<br />

zur Mittleren Mühle eine Bäckerei<br />

sowie sieben Tagwerk Wiesen,<br />

zwei Rösser, drei Kühe, zwei Jungvieh,<br />

Ackerflächen und eine Viertel<br />

Hofstatt. 1685 erfolgte ein<br />

Rückkauf der Güter durch das<br />

Hochstift Augsburg, das die Mittlere<br />

Mühle seinerseits durch verschiedene<br />

Müller betreiben ließ.<br />

Ein Jahrhundert später, um 1784,<br />

erbaute der damalige Besitzer,<br />

Freiherr Johann Adam von Herresdorf,<br />

der auch das Mittlere<br />

Schlösschen besaß, die Mühle von<br />

Grund auf neu. Teile der heutigen<br />

Bausubstanz wie etwa der barocke<br />

Dachstuhl stammen aus dieser<br />

Zeit.<br />

Familie Egger<br />

Im Jahr 1786 kaufte der aus Reinhartshausen<br />

stammende und in<br />

Bobingen mit Afra Hartmann verheiratete<br />

Bauer Josef Egger sen.<br />

die Mühle für 5.000 Gulden von<br />

Freiherr von Herresdorf. Damit<br />

begründete er eine 200 Jahre dauernde<br />

Müller-Tradition. 1790 legte<br />

Egger gegen den Widerstand<br />

des Untermüllers Altheimer eine<br />

neue Sägemühle an, die er zusammen<br />

mit der Mahlmühle 1797 an<br />

seinen Sohn Josef Egger jun. übergab.<br />

Immer wieder ging die Mühle<br />

fortan vom Vater an einen Sohn<br />

über. 1907 wurde das Mühlengebäude<br />

auf der Nordseite erweitert<br />

und das Wasserrad der Mühle<br />

durch eine moderne, immer noch<br />

bestehende Francis-Schachtturbi-<br />

Frühere Renovierungsarbeiten.<br />

ne ersetzt. Doch ein Schicksalsschlag<br />

sollte viele Bemühungen<br />

wieder zunichte machen: am 30.<br />

Oktober 1920 brach ein Feuer aus.<br />

Die Sägemühle brannte komplett<br />

nieder und musste wieder aufgebaut<br />

werden. 1923 übernahm Karl<br />

Egger als Nachfolger seines Vaters<br />

die Mühle. Er heiratete im selben<br />

Jahr Anna Stuhler aus Dietkirch.<br />

1926 kam der einzige Sohn Karl<br />

zur Welt. Doch im August 1927<br />

brach abermals ein Feuer in der<br />

Mittelmühle aus. Das Ökonomiegebäude<br />

mit Pferde-, Vieh- und<br />

Schweineställen, Stadel und die<br />

Mühlradhütte brannten komplett<br />

nieder und verursachten einen Gesamtschaden<br />

von rund 30.000<br />

Reichsmark. Das Ökonomiegebäude<br />

wurde wieder aufgebaut.<br />

Mühlensterben<br />

Karl Egger verstarb mit nur<br />

34 Jahren. Seine Witwe Anna heiratete<br />

1931 in Altötting den<br />

Schwabegger Müller Johann<br />

Grotz, der nun Müller in der Mittleren<br />

Mühle wurde. Das Ehepaar<br />

blieb kinderlos. Um 1950 übernahm<br />

Anna Grotz zusammen mit<br />

ihrem Sohn Karl die Führung der<br />

Mühle und des Sägewerks unter<br />

dem Namen „Firma Grotz & Egger“.<br />

Das allgemeine Mühlensterben<br />

traf auch die Mittlere<br />

Mühle in Bobingen. Sie wurde am<br />

1. Oktober 1970 stillgelegt. Nach<br />

dem Tod ihres Sohnes Karl 1973<br />

war Anna Grotz alleinige Besitzerin<br />

der nun stillgelegten Mühle<br />

und der zugehörigen Ländereien.<br />

Sie verstarb am 17. Oktober 1982<br />

im Alter von 86 Jahren. Nach ihrem<br />

Tod wurde der gesamte Besitz<br />

von einer Erbengemeinschaft<br />

verwaltet, die das Grundstück<br />

schließlich an einen Bauträger verkaufte.<br />

Langsamer Verfall.<br />

Einsatz für Erhalt<br />

Der <strong>Bobinger</strong> Heimatverein<br />

„d’Hochsträssler“ setzte sich in einem<br />

eindringlichen Appell an die<br />

Stadt für den Erhalt der Mittleren<br />

Mühle ein. Sie hielten die ehemalige<br />

Getreidemühle, die im Jahr<br />

1427 erstmals als im Besitz des Bischofs<br />

von Augsburg befindlich,<br />

erwähnt wird, für erhaltenswert.<br />

Die Mühle besitzt vier Mahlgänge,<br />

Dachstuhl und Treppengiebel<br />

sind im barocken Stil. Da Bobingen<br />

nicht gerade reich an historischen<br />

Gebäuden ist, hielt der Heimatverein<br />

den Erhalt des Gebäudes<br />

für sinnvoll. In Verhandlungen<br />

mit der bwl GmbH konnte erreicht<br />

werden, dass die Firma der<br />

Stadt die Grundstücksteilfläche,<br />

auf der das Mühlengebäude steht,<br />

sowie die Singoldinsel zum Verkauf<br />

anbot. Der Stadtrat entschied<br />

sich schließlich am 1. Juli 1991 für<br />

eine Kaufoption für zwei Monate.<br />

In dieser Zeit sollte mit einem<br />

Verwandten von Anna Grotz über<br />

einen Weiterverkauf der Mühle<br />

HINTERGRUND<br />

verhandelt werden. Diese Verhandlungen<br />

zerschlugen sich. Mit<br />

knapper Mehrheit stimmte der<br />

Stadtrat am 1. Oktober 1991 dann<br />

trotzdem für einen Kauf der Mühle<br />

und bewahrte diese damit vor<br />

dem Abbruch.<br />

Suche nach<br />

Sanierungskonzept<br />

Doch was sollte man mit dem sanierungsbedürftigen<br />

Gebäude nun<br />

anfangen? Jahre vergingen, in denen<br />

ein Sanierungskonzept nach<br />

dem anderen verworfen wurde – es<br />

scheiterte am Nutzungskonzept<br />

und an der Finanzierung. Der<br />

Durchbruch gelang erst, als<br />

38 Bürger, darunter auch mehrere<br />

Stadträte, auf Initiative des Stadtrats<br />

Michael Hefele am 1. Juli<br />

1997 den „Förderverein Mittlere<br />

Mühle Bobingen e.V.“ gründeten.<br />

Der Verein legte, aufbauend auf<br />

einem Vorschlag dieses Stadtrates,<br />

der Stadt vier Monate später ein<br />

„Konzept zur Sanierung und künf-<br />

Sanierungsarbeiten im Mai 2002. Bilder: Reinhold Lenski<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

35


HINTERGRUND<br />

Die Rentnerband. Bild: Reinhold Lenski<br />

tigen Nutzung der Mittleren<br />

Mühle“ vor. Dieses sah darin vor,<br />

die Stadt bei der Sanierung und<br />

deren Finanzierung vor allem<br />

durch: Eigenleistung der Mitglieder<br />

und Eigenmittel des Vereins,<br />

sowie der Koordinierung des Einsatzes<br />

von Eigenleistungen und<br />

Eigenmitteln möglichst vieler örtlicher<br />

Vereine und Organisationen<br />

Blick ins baufällige<br />

Innenleben.<br />

Bild: Reinhold Lenski<br />

Die fertige Mühle – ein Schmuckstück. Willkommen zum Mühlentag. Bilder: Anja Fischer<br />

36<br />

zu unterstützen. Darüber hinaus<br />

sollte die Werbung und Koordinierung<br />

von Sponsoringleistungen<br />

örtlicher und überörtlicher Firmen<br />

übernommen werden.<br />

Ziel war der Erhalt des Mühlengebäudes<br />

und der Mühleneinrichtung<br />

für die Nachwelt und das<br />

Schaffen eines Gemeinschaftswerkes,<br />

das den künftigen Generationen<br />

die Möglichkeit geben sollte,<br />

Erfahrungen mit diesem wichtigen<br />

Teil der Ortsgeschichte zu<br />

machen. „Ich hätte damals nicht<br />

gedacht, dass die Mühle so ein<br />

schönes Gebäude wird,“ gibt Michael<br />

Hefele ehrlich zu, wenn er<br />

heute zurückdenkt. „Es sah von<br />

außen wirklich so aus, als würde<br />

die Mühle nur noch zum Abreißen<br />

taugen. Jetzt sieht man, was man<br />

alles aus einem alten Gebäude machen<br />

kann.“ Das Konzept überzeugte<br />

schließlich auch den Stadtrat,<br />

der sich wegen der Mühle teilweise<br />

schon schwer in den Haaren<br />

gelegen hatte. Doch die Stadtväter<br />

sprangen über ihre jeweiligen<br />

Schatten, einigten sich und man<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

machte sich schließlich gemeinsam<br />

auf, das ehrgeizige Ziel, die<br />

Sanierung der Mittleren Mühle zu<br />

beginnen und endlich auch abzuschließen.<br />

„Es hat lange gedauert,<br />

bis wir überhaupt wussten, welches<br />

Bild das Haus zeigt. Viele An- und<br />

Umbauten über die Jahre veränderten<br />

den Blick auf das Gebäude“,<br />

erzählt Hefele. Mit rund<br />

750.000 Euro Finanzierungskosten<br />

rechneten die Planer. Etwa die<br />

Hälfte davon sollte durch Eigenleistung,<br />

Sponsoring und Spenden<br />

aufgebracht werden.<br />

Fachkundige<br />

Sanierungsarbeiten<br />

Die Sanierungsarbeiten wurden<br />

fachkundig vom Stadtbauamt geleitet<br />

und durchgeführt. Dem Förderverein<br />

oblag es nun, das Stadtbauamt<br />

bei dieser Arbeit zu unterstützen<br />

und für das Projekt zu werben.<br />

Die Koordinierung der ehrenamtlichen<br />

Helfer war nicht immer<br />

einfach. Auch die Abstimmung<br />

zwischen Ehrenamt und<br />

Stadtbauamt, dem Förderverein<br />

als Sponsor und der Stadt als Bauherr<br />

verlief zu Beginn nicht reibungslos.<br />

Zahllose Gespräche, die<br />

Verteilung von Aufgaben an Verantwortliche<br />

und regelmäßige<br />

Baubesprechungen im gegenseitigen<br />

Dialog und Miteinander sorgten<br />

endlich dafür, dass dem Projekt<br />

ein guter Verlauf beschieden<br />

war. Ja, im Rückblick kann man<br />

sogar von einem in der jüngeren<br />

<strong>Geschichte</strong> der Stadt beispiellosen<br />

ehrenamtlichen Engagement<br />

sprechen! Auch damit hätte zu Beginn<br />

des Projektes kaum einer gerechnet.<br />

Michael Hefele war zwar<br />

immer von dem Erhalt der Mühle<br />

überzeugt, weiß aber noch: „Ich<br />

hätte erst nicht erwartet, dass sich<br />

so viele Leute engagieren. Es waren<br />

auch auffällig viele Auswärtige,<br />

Zugezogene dabei, die eigentlich<br />

von der <strong>Geschichte</strong> her nichts mit<br />

der Mühle zu tun hatten. Sie sind<br />

ja nicht mit der Mühle aufgewachsen.“<br />

Zwar steht hinter diesem Engagement<br />

auch eine relativ lange<br />

Sanierungszeit von fast zehn Jahren,<br />

dafür aber konnte mit der<br />

Mittleren Mühle der Stadt und ihren<br />

Bewohnern ein ganz besonderes<br />

Begegnungs- und Kulturzentrum<br />

übergeben werden.<br />

Wasserkraft<br />

Einzig und allein das Wasserkraftwerk<br />

musste bei diesem beispiellosen<br />

Einsatz in fremde Hände gegeben<br />

werden. Wirtschaftliche<br />

Berechnungen zeigten, dass sich<br />

ein Betrieb in Eigenregie, wegen<br />

der hohen Kosten für die Wiederinstandsetzung<br />

der seit 1970 stillgelegten<br />

Turbine, nicht rechnet.<br />

Es wurde deshalb entschieden, den<br />

Betrieb der Wasserkraftanlage im<br />

Erbbaurecht an einen privaten Betreiber<br />

zu vergeben. Seit 1999 ist<br />

die Wasserkraftanlage wieder in<br />

Betrieb und speist den erzeugten<br />

Strom gegen Vergütung in das öffentliche<br />

Netz ein. Der Erlös aus<br />

der Vergabe der Wasserkraft in<br />

Höhe von 26.000 Euro wurde für<br />

die Mühlensanierung verwendet.<br />

Mühle heute<br />

Heute sind die Verantwortlichen<br />

mit dem Erfolg zufrieden. Peter<br />

Geißler, Erster Vorsitzender des<br />

Fördervereins, im Gespräch: „Es<br />

läuft besser, als wir es uns hätten<br />

wünschen können“, meint er. Erstens<br />

laufe die Zusammenarbeit mit


HINTERGRUND<br />

Immer wieder beliebt: Führungen durch die Mühle. Bild: A. F. Brot backen mit dem Backteam. Bild: Reinhold Lenski<br />

der Stadt hervorragend. Man kenne<br />

sich und komme gut miteinander<br />

klar. Die Mühle werde vielfältig<br />

als Plattform genutzt. „Viele<br />

Volkshochschulkurse finden in der<br />

Mühle statt“, berichtet Geißler.<br />

Zudem hat sich aus dem Förderverein<br />

heraus ein Backteam entwickelt,<br />

das mit seinen vielfältigen<br />

Veranstaltungen wie dem Mühlenadvent<br />

die Mittlere Mühle über<br />

Bobingen hinaus bekannt macht.<br />

Der große Holzbackofen, in dem<br />

das Backteam seine Köstlichkeiten<br />

zubereitet, war damals ein soziales,<br />

gemeinschaftliches Projekt mit der<br />

Dr.-Jaufmann-Mittelschule Bobingen<br />

und Maurermeister Richard<br />

Zerle, ganz im Zeichen der<br />

Gemeinsamkeit, wie schon die<br />

Mühlensanierung. Geißler zieht<br />

sein Fazit: „Es wäre ein Drama gewesen,<br />

wenn die Mühle damals<br />

abgerissen worden wäre. Wenn<br />

man sieht, was jetzt alles in der<br />

Mühle los ist und sich da bewegt,<br />

wäre es schade, wenn es das nicht<br />

mehr gäbe.“ Die Mittlere Mühle<br />

bedeute heute soziale Zusammenarbeit,<br />

Vereinszusammenarbeit<br />

und sozialer Treffpunkt zu sein.<br />

„Die Mühle lebt für Jung und Alt“,<br />

meint Peter Geißler schlicht.<br />

Mühlenstube<br />

Über eines kann er sich als Vorsitzender<br />

des Fördervereins allerdings<br />

besonders freuen: „In den<br />

letzten Jahren ist es uns gelungen,<br />

die alte Mühlenstube wieder zu-<br />

Das Wasserkraftwerk. Bild: Reinhold Lenski<br />

Der Brotbackofen. Bild: Anja Fischer<br />

sammenzutragen und einzuräumen“,<br />

erzählt Geißler. Nicht ganz<br />

einfach sei es gewesen, die alten<br />

Möbel von den damaligen Besitzern<br />

zurückzukaufen, um die Originale<br />

wieder zeigen zu können.<br />

Dazu kommt in der Mühlenstube<br />

die wunderschöne Kassettendecke,<br />

welche die Kerbschnitzgruppe<br />

des <strong>Bobinger</strong> Heimatvereins<br />

„d’Hochsträssler“ unter der Leitung<br />

von Fritz Schlitt angefertigt<br />

hatte. Von ihnen stammen auch<br />

sieben zusätzliche Stühle mit<br />

handgeschnitzten Rückenlehnen<br />

für die Mühlenstube, damit der<br />

Raum beispielsweise für Sitzungen<br />

oder Lesungen besser genutzt werden<br />

kann. Die Lehnen zeigen das<br />

<strong>Bobinger</strong> Wappen, ein Blumenornament<br />

und ein Mühlenemblem.<br />

Zusammen mit dem alten Tresor,<br />

Vertiko, Schreibtisch und Stuhl,<br />

einem Regulator sowie einer geschnitzten<br />

Eckbank mit Tisch ist<br />

der Raum wieder so ausgestattet,<br />

wie es zu den Zeiten, in denen dort<br />

noch Mehl gemahlen wurde, üblich<br />

war. Das zeigt ein Bild aus<br />

dem Jahr 1917, das als Vorlage<br />

galt. Und so dreht sich der Kreislauf<br />

wieder zurück: die Moderne<br />

nutzt das Alte, um mit diesem<br />

Hintergrund eine neue Kultur zu<br />

schaffen.<br />

Festschrift zur Einweihung und<br />

Übergabe der Mittleren Mühle<br />

Reinhold Lenski<br />

<strong>Geschichte</strong> wird gemacht. Tagtäglich setzen sich<br />

Sozialdemokraten in Bobingen für die Bürgerinnen<br />

und Bürger ein. Als Stadträte, Bürgermeister und im<br />

Ortsverein. Das geht nur gemeinsam mit den Menschen.<br />

Kluge Köpfe mit klaren Konzepten sind der<br />

Garant für eine gute Entwicklung unserer Stadt.<br />

Machen Sie daher mit bei der <strong>Bobinger</strong> SPD<br />

Bobingen braucht eine starke SPD!<br />

SPD Stadtratsfraktion<br />

Helmut Jesske<br />

in Bobingen<br />

Bürgermeister<br />

Bernd Müller<br />

SPD-Ortsverein<br />

Otto Schurr<br />

Internet: www.spd-bobingen.de<br />

E-Mail: buergermeinung@spd-bobingen.de<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

37


ORTSGESCHICHTE<br />

38<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

DAMALS UND HEUTE<br />

Bobingen und die „Fabrik“ (2)<br />

Die Bleicherei von Max Fischer war der Grundstein für die <strong>Bobinger</strong><br />

Fabrikgeschichte. Die Farbwerke Hoechst hielten lange Zeit den <strong>Bobinger</strong><br />

Standort und wurden im Volksmund nur die „Fabrik“ genannt.<br />

Heute hat der Industriepark West noch viel mehr für Firmen zu bieten.<br />

Farbwerke Hoechst im Sommer 1960. Bilder: Stadtarchiv Bobingen<br />

Von Anja Fischer<br />

Die Basis für die spätere Werkstruktur<br />

wurde in den 50er Jahren<br />

gelegt. Im Januar 1950 lief die Perlon-Faserproduktion<br />

im ehemaligen<br />

Montanwerk an. Mitte des<br />

Jahres erreichte diese Produktion<br />

ein Maximum, die Belegschaft<br />

steigt auf über 1.900 Personen an.<br />

Im Jahr 1952 wurde das <strong>Bobinger</strong><br />

Werk als Tochtergesellschaft den<br />

Farbwerken Hoechst angegliedert.<br />

Die Situation bei der Übernahme<br />

war für das Werk nicht gerade rosig:<br />

zwar wurden Viskose-Kunst-<br />

seide, Perlonborsten und -Fasern<br />

hergestellt, schon damals aber war<br />

die Arbeit der 1.850 Mitarbeiter<br />

von den Absatzzahlen abhängig.<br />

Diese fehlten und so herrschte<br />

Kurzarbeit. Eine Situation, die im<br />

Laufe der Jahrzehnte immer wieder<br />

bewältigt werden musste – bis<br />

heute. Doch schon damals zeigten<br />

sich Arbeiter und Geschäftsführer<br />

kämpferisch und bereit, mit neuen<br />

Ideen zum Erhalt der Arbeit beizutragen.<br />

So konnte 1953 im<br />

Werk III die Produktion von Perlon-Fäden<br />

aufgenommen werden.<br />

Der Erfinder des Polyamid 6, Pro-<br />

Beide Bilder zeigen die Trevira Produktion Faser 1969.<br />

fessor Paul Schlack, hatte nach<br />

Kriegsende im Werk mit der Herstellung<br />

von Synthesefaser begonnen.<br />

Im gleichen Jahr fanden erste<br />

Spinnversuche mit dem Rohstoff<br />

Polyester im Technikum statt.<br />

Professor<br />

Paul Schlack<br />

Professor Paul Schlack hatte 1946<br />

die Betriebsleitung des <strong>Bobinger</strong><br />

Werkes übernommen. Als Betriebsleiter<br />

war er für die Fabrika-<br />

tion von Perlon für zivile Zwecke<br />

zuständig, beispielsweise Förderbänder,<br />

Schnüre, Seile, Gurte,<br />

Reifencord und Kleidung. Später<br />

wechselte er als technischer Direktor<br />

in die Kunstseidenfabrik der<br />

ehemaligen I.G. Farben in Bobingen.<br />

1955 wurde er schließlich<br />

Leiter der Faserforschung in der<br />

Fa. Hoechst. Dazu schreibt Max<br />

Geisenheyner in einem 1952 erschienen<br />

Buch der <strong>Bobinger</strong> Aktiengesellschaft<br />

für Textilfaser: „...<br />

Dann stürmt der Erfinder des Perlons<br />

ins Zimmer und erklärt mir auf<br />

die liebenswürdigste Weise mit einer<br />

kleinen Ironie in den Mundwinkeln,<br />

was er zu meinem Manuskript über<br />

die beschriebenen chemischen Vorgänge<br />

zu sagen habe. Der Leser wird<br />

es schon spüren, wenn er bei der Schilderung<br />

der Perlon-Fabrikation angelangt<br />

sein wird...“<br />

Perlon<br />

Das Buch blickt auf 50 Jahre Fabrik<br />

zurück und war ein Geschenk<br />

an die Mitarbeiter und Kunden.<br />

Darin wird die Perlon-Produktion<br />

wie folgt beschrieben: „... Nun begreife<br />

ich erst aus den sichtbaren Vorgängen,<br />

dass die <strong>Bobinger</strong> Perlon-<br />

Faser durch chemische Synthese,<br />

durch Aneinanderreihen kleinster<br />

Teilchen, der Molekühle, zu großen,<br />

dem Auge aber immer noch unsicht-


Trevira Produktion Fäden 1969.<br />

baren Fadenmolekühlen entsteht. In<br />

diesen Fadenmolekühlen ist schon die<br />

Gestalt des Spinnfadens vorgeformt.<br />

Die bildliche Darstellung des Produktionsverlaufs,<br />

die Besichtigung<br />

der technischen Vorgänge, regen die<br />

Phantasie, also die menschliche Vorstellungskraft<br />

an, und nun nehmen<br />

auch die chemischen Formeln der<br />

schematischen Darstellung Gestalt<br />

an: Die Carbonamidgruppe, mit<br />

ihrem Symbol >-CO-NH-


ORTSGESCHICHTE<br />

Trevira Produktion Fäden 1969.<br />

zeichnet durch einen fast stetigen<br />

Anstieg der Produktion von<br />

14.200 t im Jahr 1961 auf 65.900 t<br />

im Jahr 1971. Das deutsche Wirtschaftwunder<br />

hatte damit auch in<br />

Bobingen Einzug gehalten und<br />

benötigte ständig Nachschub. Im<br />

gleichen Zeitraum erhöhte sich die<br />

Zahl der Beschäftigten von 2.768<br />

auf 4.291. Zahlen, von denen man<br />

heute am Standort Bobingen nur<br />

träumen kann. Äußerlich sichtbare<br />

Kennzeichen des Wachstums<br />

waren der Bau der Kantine, die im<br />

Mai 1962 eröffnet wurde und im<br />

Jahr 1964 die Errichtung eines<br />

zweiten Schornsteines mit 83 Metern<br />

Höhe. 1967 wurde der Wasserturm<br />

erbaut, der seither ein typisches<br />

Merkmal der Werksilhouette<br />

darstellt. Langsam liefen einige<br />

Perlon-Produkte aus. Mit der<br />

Stilllegung der Perlon-Filament-<br />

Produktion 1971 ging dann die<br />

Perlon-Ära endgültig zu Ende.<br />

Die Produktion in Bobingen bestand<br />

nun nur noch aus Trevira.<br />

Das Werk Bobingen genoss weltweit<br />

den Ruf als herausragender<br />

Trevira-Standort des Geschäftsbereichs<br />

Fasern und Faservorprodukte.<br />

Die weltweite Trevira-Anwendungsentwicklung<br />

und<br />

Forschung waren hier konzentriert.<br />

40<br />

Die 70er Jahre<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

Farbwerke Hoechst 1969.<br />

Die Belegschaft hatte sich in den<br />

60er Jahren nahezu verdoppelt und<br />

1970 das Maximum überschritten:<br />

Im Juli 1970 war der höchste Personalstand<br />

mit 4.837 Beschäftigten<br />

erreicht. Die Jahre von 1972<br />

bis 1982 brachten Rückschläge<br />

und Krisen, aber auch technischen<br />

Fortschritt und Konsolidierung<br />

(dieses Wort ist noch heute in der<br />

Geschäftswelt sehr beliebt!).<br />

Im Jahr 1973 hatte ein Wechsel<br />

der Werksleitung stattgefunden:<br />

Direktor Frowein, der die Geschicke<br />

des Werkes über 26 Jahre lang<br />

geleitet hatte, trat in den Ruhestand.<br />

Nachfolger wurde Dr. Laber,<br />

bis dahin Produktionsleiter im<br />

Werk. Er hatte bald nach Amtsantritt<br />

mit starkem wirtschaftlichem<br />

Gegenwind zu kämpfen. Schon im<br />

Jahr 1974 wurde wegen schlechter<br />

Absatzlage Kurzarbeit in den Produktionsbetrieben<br />

erforderlich.<br />

Man suchte nach Einsparpotential.<br />

Die größte Ersparnis brachte<br />

die Zusammenführung des Verstreckprozesses<br />

von Filament mit<br />

dem Texturierprozess zum<br />

„Strecktexturieren“. Diese Verfahrensvereinfachung<br />

verbesserte<br />

Trevira Produktion Laborarbeiten. Bilder: Stadtarchiv Bobingen<br />

zwar die Wettbewerbsfähigkeit,<br />

kostete aber andererseits eine große<br />

Zahl von Arbeitsplätzen im<br />

Werk Bobingen. Besonders betroffen<br />

waren die Arbeitsplätze<br />

von Frauen. Durch Ausnutzen der<br />

Fluktuation, durch vorzeitigen<br />

Ruhestand, aber vorwiegend über<br />

Abfindungsverträge erniedrigte<br />

sich der Personalstand stetig und<br />

erreichte im Jahresschnitt 1982<br />

seinen Tiefstwert mit 2.483 Beschäftigten.<br />

Diese Halbierung der<br />

Belegschaft seit 1970 war nicht nur<br />

durch technische Verfahrensverbesserungen<br />

bedingt, sondern<br />

auch dadurch, dass die Organisation<br />

gestrafft wurde.<br />

1983 bis 1990<br />

Das wirtschaftliche Umfeld besserte<br />

sich in den 80er Jahren. Die<br />

Produkte für technische Einsatzgebiete,<br />

Trevira-Hochfest,- Monofil<br />

und insbesondere -Spunbond<br />

(Vlies), fanden guten Absatz. Bis<br />

1989 stieg die Zahl der Beschäftigten<br />

wieder auf 2.758 an, die Produktionsmenge<br />

steigerte sich von<br />

96.850 Tonnen auf 125.640 Tonnen.<br />

Der höchste Umsatz mit 800<br />

Millionen DM wurde 1989 erzielt.<br />

Den erneuten wirtschaftlichen<br />

Aufschwung bekamen auch die<br />

Arbeitnehmer zu spüren: sie erhielten<br />

über die Tarifverträge Verbesserungen<br />

wie die Einführung<br />

der Altersfreizeit, die Möglichkeiten<br />

der Altersteilzeitarbeit und<br />

vorzeitigen Ruhestand oder die<br />

Verkürzung der Wochenarbeitszeit<br />

auf 39 Stunden (1989). Schon<br />

1986 wurde der Monatslohn (vorher<br />

wöchentlich) für alle gewerblichen<br />

Mitarbeiter im Werk eingeführt.<br />

Die Investitionen betrafen die<br />

Modernisierung von Anlagen sowie<br />

die Erweiterung der Spunbondproduktion.<br />

Im Jahr 1988<br />

konnte eine neue Reifencordanlage<br />

in Betrieb genommen werden.<br />

Daneben wurde eine neue Lehrwerkstatt<br />

für 4,5 Millionen DM<br />

errichtet, die ebenfalls 1988 eingeweiht<br />

werden konnte. Die Ausbildungsaktivitäten<br />

waren auch in<br />

den wirtschaftlich schlechten Jahren<br />

aufrechterhalten worden. Die<br />

höchste Zahl an Auszubildenden<br />

wurde mit 177 in den Jahren 1986/<br />

87 erreicht.<br />

Schon in den 80er Jahren wurde<br />

auch dem Umweltschutz Sorge<br />

getragen. Anlagen zur katalytischen<br />

Abluftreinigung der Spunbondproduktion<br />

wurden gebaut,<br />

in anderen Betrieben erfolgte eine<br />

thermische Abgas-Reinigung. Die<br />

eigene Energieversorgung wurde<br />

1987 auf Erdgas umgestellt.<br />

Die 90er Jahre<br />

Seit dem Jahr 1989, das dem Werk<br />

Bobingen den bisher höchsten<br />

Umsatz brachte, ist eine rückläufige<br />

Entwicklung eingetreten. Dafür<br />

gibt es mehrere Gründe: Konjunkturabschwächung,kostenbedingte<br />

Wettbewerbsnachteile,<br />

Zusammenbruch von Märkten im<br />

Osten, Abwandern von Textilkunden<br />

in Niedriglohn-Länder,<br />

Lenken von Investitionen in die<br />

neuen Bundesländer. An die sinkende<br />

Auslastung passte sich das<br />

Werk mit Personalveränderungen<br />

an. Dies geschah erst über die normale<br />

Fluktuation und über vorzeitige<br />

Pensionierungen, später leider<br />

auch über Entlassungen. Zum Jahresbeginn<br />

1993 zählte das Werk<br />

noch 2.535 Mitarbeiter.<br />

Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten<br />

für TREVIRA in<br />

Westeuropa sind im Werk Bobingen<br />

konzentriert. Jeder sechste<br />

Mitarbeiter arbeitete in dieser Abteilung.<br />

Hier und in der Ingenieurtechnik<br />

wird auch verfahrenstechnische<br />

Entwicklung betrieben.<br />

Die gut ausgestattete Zentralwerkstatt<br />

befasste sich nicht nur<br />

mit Montage- und Instandhaltungsarbeiten,<br />

sondern in gewissem<br />

Umfang auch mit der Anfertigung<br />

von Neuteilen.<br />

Das neue<br />

Jahrtausend<br />

1998 entstanden durch die Zerschlagung<br />

von Hoechst in Bobin-


Der „Fabrikturm“.<br />

gen rechtlich und wirtschaftlich<br />

selbständige Unternehmen. Der<br />

Industriepark Werk Bobingen war<br />

geboren. Alle textilen Fasern und<br />

Filamente gingen zunächst an die<br />

Firma Polysindo aus Indonesien<br />

unter Mitnahme des Markennamens<br />

TREVIRA, später übernahm<br />

den Bereich der Deutsche<br />

Bank Investor DBI. Im TREVI-<br />

RA Werk Bobingen werden neben<br />

textilen Fasern auch Filamente<br />

hergestellt. Bei Temperaturen von<br />

290 Grad Celsius können in einem<br />

Schmelzspinnverfahren jährlich<br />

100.000 Tonnen Polyesterfasern<br />

und Multifilamente erzeugt wirden.<br />

Dabei passt man sie schon<br />

während der Produktion dem Einsatzzweck<br />

an: Typen für Mischungen<br />

mit Baumwolle oder Wolle,<br />

microfein, pillfrei, hochfest, elastisch<br />

oder schwerentflammbar.<br />

Einsatzgebiete sind beispielsweise<br />

in der Automobilindustrie oder bei<br />

der Herstellung von Sportkleidung.<br />

Bundestagsabgeordnete sitzen<br />

auf Trevira CS-Material, der<br />

Vorhang der Metropolitan Opera<br />

in New York ist aus dem gleichen<br />

Stoff und nicht nur im Hotel Luxor<br />

in Las Vegas schlafen die Gäste<br />

damit sicher und kuschelig.<br />

IWB<br />

Der Industriepark Werk Bobingen<br />

ist als Gesellschaft Ansprechpartner<br />

für interessierte Unternehmen,<br />

die einen neuen Sitz suchen<br />

und sich dort ansiedeln möchten.<br />

Selbst beschreibt sich der Standort<br />

auf seiner Homepage als „Moderner<br />

Industriestandort mit Tradition<br />

– Ideale Voraussetzungen für<br />

Mittelständler und Gewerbetreibende“.<br />

Der IWB „bietet mittelständischen<br />

Unternehmen ein<br />

ideales Umfeld. Auf einer Fläche<br />

von ca. 80 Hektar voll erschlossenem<br />

Industriegebiet sind derzeit<br />

16 Unternehmen mit rund 1.450<br />

Beschäftigten tätig. Die vorhandenen<br />

Freiflächen stehen im Eigentum<br />

der Standortgesellschaften<br />

und dienen der Expansion und<br />

Ansiedlung neuer Unternehmen.<br />

Der Standort verfügt über Gleisanschluss<br />

und groß angelegte<br />

Parkflächen außerhalb der Grenzen<br />

der betrieblichen Anlagen.<br />

Namhafte Firmen garantieren am<br />

Standort Spitzenleistungen in den<br />

Bereichen Engieneering, Energietechnik,<br />

Werkstätten, Kommunikation<br />

und Logistik. Von rechtlich<br />

selbständigen Firmen werden<br />

werksärztliche Dienste, Kantinenbetrieb<br />

und Personalabrechnungsservice<br />

angeboten.“<br />

Aktuelles<br />

Trotzdem war und ist TREVIRA,<br />

beziehungsweise deren wechselnde<br />

Inhaberfirmen, ebenso wie der<br />

Industriepark in den letzten Jahren<br />

immer wieder in den Medien. Es<br />

kursieren Gerüchte über eine<br />

Schließung der Standorte und öfter<br />

als es den <strong>Bobinger</strong>n und den<br />

Arbeitern dort lieb ist, erweisen<br />

sich diese Gerüchte als wahr. Derzeit<br />

ist es die Firma ABB, die Ausbildungswerkstatt<br />

am Standort Industriepark,<br />

die zum 31.12.2013<br />

ihren Betrieb niederlegen soll. Bisher<br />

wurden dort rund 100 Auszubildende<br />

in 13 Lehrberufen ausgebildet.<br />

Die Schließung wäre<br />

ein unglaublicher Verlust für die<br />

Region und unsere Stadt. Die Verträge<br />

mit den Standortfirmen laufen<br />

aber nur noch bis Jahresende.<br />

Aktuell werden Gespräche ge-<br />

IWB 2012.<br />

ORTSGESCHICHTE<br />

führt, ein Ergebnis ist noch nicht<br />

abzusehen.<br />

Schlussworte<br />

Den Blick in die Zukunft möchte<br />

die Autorin an dieser Stelle nicht<br />

wagen. Vielmehr einen Abschluss<br />

für die Vergangenheit finden, die<br />

aus einer Bleicherei eine Kunstseidefabrik<br />

und aus einem Bauerndorf<br />

einen Industriestandort gemacht<br />

hat. Hierzu leihe ich mir<br />

noch einmal die Worte von Buchautor<br />

Max Geisenheyner aus: „Daher<br />

mag das Bild eines Hufeisens, im<br />

<strong>Bobinger</strong> Gelände von einem Bauern<br />

gefunden, als Glückszeichen für die<br />

nächsten 50 Jahre die Schlusszeilen<br />

einleiten. Ich schreibe sie nach einem<br />

letzten Gang durch die mir so vertraut<br />

gewordenen Höfe, die schmalen<br />

und breiten Fabrikstraßen, umwandere<br />

die Gebäude, die alten und neuen,<br />

die Schuppen und Hallen. Es ist<br />

Nachtschicht und ringsum stiller als<br />

sonst. Ich blicke vor dem Tor in die<br />

Höhen und Weiten des Sternenhimmels<br />

und muss daran denken, wie selten<br />

ich selber in der großen Stadt, in<br />

der ich lebe, den Himmel sehe. Hier,<br />

IWB 2012. Bilder: Anja Fischer<br />

in Bobingen hat ein jeder die Unermesslichkeit<br />

des blinkenden Lichtergewölbes<br />

über sich, wenn er um diese<br />

Zeit die Fabrik verlässt oder des<br />

Abends vor die Tür seines Wohnhauses<br />

tritt. Von einem solchen Anblick<br />

wird keiner unberührt bleiben. Er<br />

wird ihn nachdenklich stimmen, gerade<br />

ihn, der in seiner Arbeitsstätte<br />

mit enträtselten Geheimnissen zu<br />

tun hat, auch wenn sie sich nicht<br />

mehr als Geheimnisse darstellen, sondern<br />

sich materialisiert haben. ....<br />

Wie ich von der Terrasse eines Hauses<br />

noch einmal zu dem mächtigen <strong>Bobinger</strong><br />

Schornstein hinübersehe, diesem<br />

schlanken, hohen Turm der Arbeit,<br />

um den sich die hohen und niedrigen<br />

Bauten sammeln, vom Mondlicht<br />

sanft angestrahlt, gebe ich im<br />

Gespräch mit Angehörigen des Werkes<br />

dem Gedanken Ausdruck: es sei sicherlich<br />

kein Zufall, dass gerade in<br />

der Stille einer Landschaft, in abseits<br />

gelegenen Fabriken an bedeutenden<br />

Erfindungen gearbeitet werde und<br />

dass für eine solche Arbeit die naturgegebene<br />

Bescheidenheit der Lebensführung,<br />

das Nichtabgelenktwerden<br />

günstig sei, Erfindungen, die dann<br />

oft genug der Masse Mensch in den<br />

großen und kleinen Städten zu dienen<br />

haben.... So winke ich bei der<br />

nächtlichen Abfahrt noch einmal hinüber<br />

von der Höhe der Landstraße<br />

zur Fabrik, zu den Feldern und Wiesen<br />

und zur Singold, aus welcher der<br />

Mond ein Silberband gemacht hat.“<br />

Quellen:<br />

Buch: Bobingen und seine <strong>Geschichte</strong><br />

Buch: Bobingen – Beiträge zur Heimatgeschichte<br />

Buch: Schaffende Gedanken - Schaffende<br />

Hände von Max Geisenheyner<br />

für <strong>Bobinger</strong> AG für Textil-Faser<br />

Buch: Alte Firmen der Wirtschaftsregion<br />

Schwaben<br />

Buch: An den Ufern der Wertach von<br />

Dr. Peter Nowotny<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

41


HOBBY<br />

Von Anja Fischer<br />

Die Bestäubung seiner Obstbäume<br />

war der Grund, dass sich Winfried<br />

Goßner für die Bienenhaltung<br />

interessierte. „Ich war mit<br />

dem Obstertrag unzufrieden“, erzählt<br />

er. „Es fehlte einfach im<br />

Frühjahr die Bestäubung durch die<br />

42<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

IMKER WINFRIED GOSSNER<br />

Von Bienen und Blüten<br />

Das ganze Jahr über muss sich Winfried Goßner um seine Bienen kümmern.<br />

Dafür kann er zweimal den leckeren Honig ernten. Mittlerweile ist er ein<br />

richtiger Profi geworden und züchtet sogar seine Königinnen selbst.<br />

Winfried Goßner beim Imkertag des Gartenbauvereins Bobingen. Bilder: Anja Fischer<br />

Bienen.“ So habe er sich umgehört,<br />

ob sich nicht ein Imker bereit<br />

erklären würde, seine Bienen in<br />

den Goßnerschen Garten zu stellen.<br />

„Aber das war allen zu aufwendig.“<br />

Dann suchte ein Probeimker<br />

aus Bobingen einen Platz für<br />

ein Bienenvolk. Selbstverständlich<br />

stellte Winfried Goßner gerne sei-<br />

nen Garten zur Verfügung. „Ich<br />

sah ihm dann das ganze Jahr über<br />

die Schulter, was er immer machte“,<br />

erzählt Goßner. Dann zog der<br />

Probeimker aus beruflichen Gründen<br />

in den Bayerischen Wald –<br />

und nahm seine Bienenvölker mit.<br />

„So waren wieder keine Bienen im<br />

Garten“, sagt der Imker. „Im da-<br />

Den Kindern bringt er die<br />

Nützlichkeit der Bienen gerne<br />

nahe. Die Bienen beim Anflug an den Stock. Bild: Winfried Goßner<br />

rauffolgenden Herbst kamen die<br />

Bienenvölker vom Bäcker Hornig<br />

zum Verkauf. Da habe ich dann<br />

zugeschlagen und welche gekauft.“<br />

Der Einstieg in die Imkerei war<br />

getan.<br />

Imkerschule<br />

„Dann musste ich mir die Frage<br />

stellen, wie geht man mit den Bienen<br />

um“, berichtet Winfried Goßner.<br />

„Dazu meldete ich mich an<br />

der Schwäbischen Imkerschule in<br />

Kleinkemnat an. Die ist sehr gut.“<br />

Johann Fischer sei dort der zuständige<br />

Fachberater und Lehrer und<br />

mache das ganz Klasse. In der Imkerschule<br />

bekommt der Interessierte<br />

die Grundlagen der Bienenhaltung<br />

vermittelt. Dazu gibt es<br />

jahreszeitlich angepasste Kurse<br />

mit den Dingen, die jeweils zu beachten<br />

sind. „Es sind circa zehn<br />

Kurstage, immer Samstags, an denen<br />

gelehrt wird“, berichtet Winfried<br />

Goßner. „Dann kann man<br />

heimgehen und das Gelernte bei<br />

seinen eigenen Bienen anwenden.“<br />

Ein Schulbesuch lohnt sich auf jeden<br />

Fall: schließlich investiert ein<br />

Imker einiges, bevor er an den ersten<br />

Honig kommt. Eine bienenbesetzte<br />

Wabe kostet in etwa<br />

10 Euro, ein voller Kasten mit<br />

zehn Waben somit rund 100 Euro.<br />

Dazu kommen die Kosten für den<br />

Kasten selbst.<br />

Erste Stiche<br />

Winfried Goßner fing mit drei<br />

Bienenvölkern an. „Die Mädels<br />

waren recht wehrhaft“, weiß er<br />

noch aus seiner Anfangszeit. Soll<br />

heißen, seinen Bienen wollten ihren<br />

neuen Besitzer gerne einmal<br />

stechen. Das meiste verhinderte<br />

zum Glück die Schutzkleidung,<br />

bestehend aus Schlupfjacke,<br />

Schleierhut und Imkerhose oder<br />

Overall, Hand- und Beinschutz.<br />

„Ich habe mich dann bemüht, andere<br />

Königinnen zu bekommen“,<br />

erzählt Goßner. Diese vererben


Der Smoker schützt den Imker beim Öffnen des Kastens.<br />

Bild: Anja Fischer<br />

durch ihre Eiablage die Gene an<br />

die Bienen weiter. Ruhigere Königinnen<br />

bedeuten ruhigere Gene –<br />

und damit Bienen, die deutlich<br />

weniger stechfreudig sind. Sonst<br />

sei es am Anfang recht gut gelaufen.<br />

„Ich hatte Unterstützung<br />

durch meinen Vater, der mir die<br />

Magazine (Bienenwohnungen)<br />

geschreinert hat.“ Hilfe bekam der<br />

Imkeranfänger auch durch den<br />

Imkerverein in Großaitingen, dort<br />

ist er seit langem Mitglied. Bei den<br />

Imkern aus Bobingen nimmt<br />

Winfried Goßner mittlerweile<br />

eine führende Aufgabe bei der Anleitung<br />

junger Probeimker wahr.<br />

„Es ist immer gut, in solchen Vereinen<br />

Mitglied zu werden“, empfiehlt<br />

er. „Man lernt andere Imker<br />

kennen und kann sich austauschen,<br />

wenn man Fragen hat und<br />

selbst nicht weiterkommt.“<br />

Faszinierende<br />

Insekten<br />

Mit einem Schmunzeln denkt<br />

Winfried Goßner heute an seine<br />

ersten Besuche bei den Bienen zurück.<br />

„Im ersten Jahr war ich immer<br />

aufgeregt, wenn ich zu den<br />

Bienen ging“, erzählt er. „Das gibt<br />

sich mit der Zeit.“ Es sei aber immer<br />

noch beeindruckend, wenn<br />

man den Kasten aufmacht und am<br />

Anfang des Jahres gerade zehn<br />

Waben voller Bienen hat. Das sind<br />

immerhin schon rund 10.000 der<br />

Insekten. „Innerhalb von zwei<br />

Monaten sind es dann 30.000 Bienen<br />

und sie füllen drei Magazine.<br />

Diese Dynamik ist absolut beeindruckend“,<br />

findet der Imker, der<br />

Kompetenz für draußen!<br />

· Grünflächenpflege<br />

· Baumfällungen<br />

· Hecken- und Gehölzpflege<br />

· Winterdienst<br />

· Kehrdienste<br />

HOBBY<br />

Hier tummeln sich Bienen auf der Wabe.<br />

Bild: Winfried Goßner<br />

darauf vorbereitet sein muss. Für<br />

die neuen Bienen müssen genügend<br />

Magazine und ausreichend<br />

weitere Rähmchen zur Verfügung<br />

stehen. „In diese Rähmchen werden<br />

dann neue Bienenwachsplatten<br />

„eingelötet“, sagt Goßner. Und<br />

die Bienen bauen diese Vorgaben<br />

zu ihrer neuen Heimat aus.<br />

Der erste Honig<br />

Es kam die erste Honigernte. „Darauf<br />

freut man sich schon“, gibt<br />

Winfried Goßner zu. Beim ersten<br />

Mal lieh er sich die Honigschleuder<br />

noch von seinem Imkerkolle-<br />

gen Georg Egger aus. „Der hatte<br />

damals schon eine Schleuder.“<br />

Fest saßen die Waben in den Rahmen.<br />

Winfried Goßner musste das<br />

Deckelwachs entfernen, um an<br />

den goldgelben Honig zu kommen.<br />

Durch das Schleudern wird<br />

dieser aus den Rahmen gepresst<br />

und in einem Eimer aufgefangen.<br />

„Dann geht’s erst richtig los“, berichtet<br />

der Imker. „Wir wollen ja<br />

keinen harten Honig, sondern einen<br />

cremigen, der sich leicht streichen<br />

lässt und dazu muss man den<br />

Honig rühren.“ Aber wie? Goßner<br />

besorgte sich einen Rührstab und<br />

rührte den Honig seiner Bienen<br />

zweimal am Tag, früh und abend,<br />

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BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

43


HOBBY<br />

Schön sieht man, wie die Biene mit Pollen bestäubt ist.<br />

Die Biene sucht Nektar und<br />

Pollen in der Löwenzahnblüte.<br />

kräftig durch. „Dann wird der Honig<br />

langsam feinsteif, so nennt<br />

man das.“ Etwa drei bis fünf Tage<br />

dauert das bei der ersten Honigernte<br />

aus Obstblüten, Raps und<br />

Löwenzahn. Erst jetzt ist der Honig<br />

so weit, dass er ins Glas gefüllt<br />

werden kann. Auch das muss vorher<br />

besorgt werden: Gläser, Deckeleinlagen<br />

und die passenden<br />

Verschlüsse.<br />

44<br />

Zuckerwasser<br />

für den Winter<br />

Während der Honigernte muss<br />

sich ein guter Imker schon darum<br />

kümmern, was seine Bienen im<br />

Winter essen werden. Denn mit<br />

dem Honig nimmt er ihnen ja das<br />

eingelagerte Winterfutter weg.<br />

Üblicherweise wird jetzt Zuckerwasser<br />

eingefüttert. „Das kann<br />

man in sehr guter Qualität fertig<br />

kaufen“, erzählt Winfried Goßner.<br />

Er stellt das Zuckerwasser in einem<br />

Behälter auf die Waben. Dort<br />

finden es die Bienen und lagern die<br />

Nahrung für den Winter ein.<br />

„Hier findet zeitlich passend ein<br />

Kursteil an der Imkerschule statt“,<br />

hat Goßner in seinem ersten Bienenjahr<br />

erfahren. Dann können<br />

Anfänger zum richtigen Zeit-<br />

punkt ihre Bienen zu Hause versorgen.<br />

Kampf der<br />

Varroamilbe<br />

Auch den Kampf gegen die Varroamilbe<br />

nimmt der Imker nach<br />

der Honigernte etwa Mitte Juli<br />

zum ersten Mal auf. Die Varroamilbe<br />

befällt die Larven der Honigbienen.<br />

Sie schädigt und<br />

schwächt sie, so dass weitere schädigende<br />

Viren übertragen werden<br />

können. Auf diese Weise kann die<br />

Varroamilbe ein ganzes Bienenvolk<br />

auslöschen und war für das<br />

große Bienensterben vor einigen<br />

Jahren verantwortlich. Im Bienenstock<br />

von Winfried Goßner (und<br />

in jedem anderen), haben sich die<br />

Varroamilben über den Sommer<br />

vermehrt und müssen nun raus.<br />

Das geschieht mit Hilfe von<br />

Ameisensäure, die auf ein<br />

Schwammtuch gegeben und auf<br />

die Wabenrahmen gelegt wird.<br />

„Die Säure verdampft und die Milben<br />

werden ihrerseits geschädigt<br />

und fallen runter“, beschreibt<br />

Goßner den Vorgang. Dann wird<br />

die restliche Futtermenge aufgefüttert:<br />

ein zweiräumiges Bienenvolk<br />

benötigt etwa 20 kg Winterfutter.<br />

Durch Wiegen des gesamten<br />

Bienenstocks wird kontrolliert,<br />

ob tatsächlich so viel von den Arbeiterinnen<br />

eingelagert wurde.<br />

Nach dem Füttern erfolgen weitere<br />

Varroabehandlungen. Durch<br />

eine weiße Diagnoseplatte kann<br />

der Imker kontrollieren, ob weitere<br />

Behandlungen nötig sind. Drei<br />

Wochen nach den ersten Frösten<br />

erfolgt noch eine Winterbehandlung<br />

mit Oxalsäure oder Milchsäure.<br />

„Das ist dann die Restbehandlung“,<br />

erzählt Winfried Goßner.<br />

„Damit versucht man, alle<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

Vor dem Honigschleudern<br />

müssen die Waben entdeckelt<br />

werden.<br />

restlichen Milben herauszubekommen,<br />

so dass die Bienen Mitte<br />

Januar möglichst milbenarm wieder<br />

mit ihrem Brutgeschäft beginnen<br />

können.“ Und der Imker im<br />

Frühjahr zur Blütezeit wieder ein<br />

gesundes Bienenvolk zur Verfügung<br />

hat.<br />

Eigener<br />

Wachskreislauf<br />

Winfried Goßner verwendet von<br />

seinen Bienen aber nicht nur den<br />

Honig. Die emsigen kleinen Tiere<br />

produzieren auch sonst jede Menge<br />

Dinge, die für die Menschen<br />

wohlschmeckend, gesundheitsfördernd<br />

oder praktisch sind. „Aus<br />

dem Entdeckelungswachs mache<br />

ich beispielsweise neue Mittelwände<br />

für die Bienenwaben, welche<br />

die Bienen für ihre Honigeinlagerung<br />

verwenden“, zählt Goßner<br />

auf. Das ist dann ein eigener<br />

Wachskreislauf. Dadurch ist gewährleistet,<br />

dass der Imker keine<br />

Beim Honigschleudern.<br />

fremden Schadstoffe in den Stock<br />

zieht. „So erlangt der Honig eine<br />

besonders hohe Qualität.“ Aus<br />

dem Wachs der bebrüteten Waben<br />

werden Kerzen gewonnen,<br />

echte Bienenwachskerzen, deren<br />

Duft beim Abbrennen durch das<br />

ganze Haus zieht und nach Honig<br />

und Sommer schmeckt. Sie kann<br />

man im Hause Goßner im Kleiberweg<br />

kaufen. Ebenso wie den leckeren,<br />

mit Honig versetzten Essig,<br />

der so gut zu Salat schmeckt<br />

und selbstverständlich allerlei<br />

köstliche Honigsorten.<br />

Pollen sammeln<br />

Als Nahrungsergänzung bietet<br />

Winfried Goßner zudem Blütenpollen<br />

an. Wenn die Bienen im<br />

Frühjahr mit den Pollenhöschen<br />

an den Hinterbeinen in den Stock<br />

zurückkommen, muss er sich aber<br />

nicht die Arbeit machen und jeder<br />

Biene einzeln ihre Beute nehmen.<br />

„Das wäre eine ganz schöne Fleißarbeit,<br />

bis ich da etwas zusammen<br />

Winfried Goßner beim Pollensammeln. Bilder: Winfried Goßner


Winfried Goßner sucht auf der Wabe nach neuen Königinnen.<br />

hätte“, lacht der Imker. In einem<br />

kurzen Zeitfenster, wenn das Blütenangebot<br />

im Überfluss da ist,<br />

kann er nach dem Einschlupfloch<br />

im Bienenstock ein Lochgitter<br />

einsetzen. Beim Durchkrabbeln<br />

streifen die Bienen selbst die Pollen<br />

ab. „Das ist aber nicht unbegrenzt<br />

möglich, denn die Bienen<br />

leben ja von Nektar und Pollen<br />

und ich kann ihnen nicht ihre ganze<br />

Lebensgrundlage nehmen“,<br />

passt Goßner gut auf.<br />

Gelee royal<br />

Das seltene Gelee Royal, das in jedem<br />

Bienenstock nur in kleinsten<br />

Mengen anfällt, bietet Winfried<br />

Goßner hingegen nicht an. „Es ist<br />

sehr aufwendig zu gewinnen, deshalb<br />

macht das eigentlich keiner“,<br />

erklärt er. Es sehe aus wie Naturjoghurt<br />

und schmecke auch ein bisschen<br />

in diese Richtung. Als Gelee<br />

Royal bezeichnet der Imker das<br />

Futter für die Königinnen. Diese<br />

können damit eine Lebenszeit von<br />

bis zu fünf Jahren erreichen, während<br />

die normale Arbeiterbiene<br />

gerade einmal 45 Tage alt wird.<br />

Nicht so glücklich ist der Imker<br />

auch mit dem Propolis, welches<br />

die Bienen sammeln. Das Kittharz<br />

ist eine von den Bienen hergestellte,<br />

harzartige Masse mit antibiotischer,<br />

antiviraler und antimykotischer<br />

Wirkung. Es dient zum Abdichten<br />

kleinerer Ritzen und Löcher<br />

im Bienenstock. „Leider kleben<br />

die Bienen damit gerne alles<br />

zu, was sie als Ritze ansehen. Die<br />

Kästen lassen sich danach nur<br />

noch schwer von uns Imkern bearbeiten“,<br />

seufzt Winfried Goßner,<br />

der schon einiges mit den nützlichen<br />

Insekten erlebt hat.<br />

Flucht vor den<br />

Stacheln<br />

„Einmal haben mir meine Söhne<br />

Maximilian und Alexander geholfen,<br />

einen Bienenstock aufzuladen,<br />

der versetzt werden sollte“,<br />

erzählt er. „Auf dem Weg zum<br />

Anhänger hat sich der Gurt gelockert,<br />

mit dem der Stock verschlossen<br />

war.“ Die Bienen kamen<br />

heraus. „Meine Söhne haben den<br />

Stock nur noch auf den Boden gestellt<br />

und fluchtartig das Weite gesucht“,<br />

schmunzelt Winfried<br />

Goßner. „Sie hatten großen Respekt<br />

vor den Stacheln der Bienen.“<br />

An einen Transport war dafür an<br />

diesem Tag nicht mehr zu denken.<br />

Bienen fliegen stets an ihren gewohnten<br />

Standort zurück. Deshalb<br />

ist ein Verstellen des Stockes<br />

nur am frühen Morgen vor dem<br />

ersten Ausflug möglich. „Also<br />

hieß es für mich: Schutzanzug anziehen,<br />

den Bienenstock wieder<br />

verschließen und zurückstellen.<br />

Erst am nächsten Tag, als alle Bienen<br />

wieder eingesammelt waren,<br />

konnten wir den Stock an seinen<br />

neuen Standort bringen“, berichtet<br />

Goßner.<br />

Königinnentod<br />

Bei der wöchentlichen Durchsicht<br />

zur Schwarmkontrolle, passierte<br />

ein anderes Unglück. „Wenn man<br />

dabei die Königin auf einer Wabe<br />

sieht, fängt man sie normalerweise<br />

mit einem Fangclip und legt sie zur<br />

Seite, damit ihr nichts passiert“,<br />

beschreibt der Imker die gängige<br />

Praxis. „Als ich meine Königin zur<br />

Seite legte, streckte sie alle sechse<br />

von sich und rührte sich nicht<br />

mehr.“ Das Tier hatte wohl einen<br />

Herzinfarkt bekommen. Was nun<br />

tun? „So ein Volk ohne Königin ist<br />

eine Katastrophe“, meint Winfried<br />

Goßner und erklärt auch gleich<br />

warum: „Bis das Bienenvolk eine<br />

neue Königin aus den vorhandenen<br />

Larven nachgezogen hat, vergehen<br />

rund zwei Monate. Weil bis<br />

dahin keine neue Eiablage erfolgt,<br />

wird das Volk immer schwächer<br />

und schwächer.“ Erst wenn die<br />

neue Königin neue Eier legt, gibt<br />

es wieder neue Honigbienen im<br />

Bienenkorb. „Zum Glück konnte<br />

mir ein Freund mit einer neuen<br />

Königin aushelfen.“ So war die<br />

Bienenwelt am nächsten Tag wieder<br />

in Ordnung.<br />

Hilfe gegen Stiche<br />

Das Leben und Arbeiten mit den<br />

Bienen sorgt beim Imker nicht nur<br />

für leckeren Honig auf dem Frühstückstisch.<br />

„Durch die Bienenhaltung<br />

hat sich mein Bezug zur<br />

HOBBY<br />

Natur verändert“, findet Winfried<br />

Goßner. „Man nimmt bewusster<br />

wahr, wann etwas blüht, ob genügend<br />

Pflanzen im Jahr blühen und<br />

welches Wetter wir haben.“ Goßner<br />

hat gemerkt: „Jedes Jahr ist<br />

wirklich anders: das Wetter ist anders,<br />

die Bienen verhalten sich anders<br />

– das ist faszinierend.“ Trotzdem<br />

ist eines jedes Jahr gleich.<br />

Ganz ohne einen Bienenstich geht<br />

es eben doch nicht. „Mir macht das<br />

mittlerweile nicht mehr viel aus“,<br />

sieht der Imker das locker. „Klar,<br />

gegen den Schmerz ist man nicht<br />

immun, aber ich bekomme keine<br />

Schwellung mehr, bin schon abgehärtet<br />

gegen das Bienengift.“ Für<br />

alle anderen hat er trotzdem einen<br />

Tipp: „Apis-Globuli helfen und<br />

am Anfang habe ich Stiche auch<br />

mit Fenistilgel behandelt.“<br />

Wer das nicht im Haus hat, muss<br />

nicht verzweifeln. Die altbewährte<br />

Zwiebelhälfte auf dem Stich oder<br />

ein Einreiben mit Spitzwegerichblättern<br />

helfen genauso gut.<br />

Der Imker im Schutzanzug. Bilder: Winfried Goßner<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

45


SCHULE<br />

Von Anja Fischer<br />

46<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

GRUNDSCHULE AN DER SINGOLD<br />

Lernen unter dem Regenbogen<br />

Der 1. September 1994 war ein<br />

ganz besonderer Tag: er war nicht<br />

nur der Beginn eines neuen Schuljahres,<br />

sondern in Bobingen auch<br />

der Beginn einer neuen Schule. An<br />

diesem Tag öffnete die Grundschule<br />

an der Singold zum ersten<br />

Mal weit ihre Türen, um die neuen<br />

Schüler zu empfangen. Das wurde<br />

mit einem großen Fest gefeiert.<br />

Die große Anzahl von Kindern in<br />

Bobingen machte den Neubau<br />

notwendig, der damals im Stadtrat<br />

stark diskutiert wurde. Das Gebäude<br />

neben dem Rathaus, die<br />

Die <strong>Geschichte</strong> der Grundschule an der Singold ist noch relativ jung.<br />

Gerade einmal knapp zwanzig Jahre ist sie alt. Kein Wunder also, dass sie<br />

voller jugendlicher Kraft und Elan steckt und in ihr allerhand passiert.<br />

Die Grundschule an der Singold. Bilder: Anja Fischer<br />

Siedlungsschule.<br />

Laurentius-Grundschule reichte<br />

alleine nicht mehr aus. Fast schien<br />

es aber, als würde nach „Mammutdiskussionen“<br />

durch die Politik<br />

doch keine Entscheidung für eine<br />

neue Grundschule fallen: die Frage<br />

des Standorts war das Problem.<br />

Ein anderer Sitz in der Point III<br />

hätte vielen Stadträten ebenso gut<br />

gefallen, doch dann wurde am<br />

Ende einer langen Sitzung der<br />

Neubau neben der Realschule beschlossen.<br />

Die Grundschule wurde<br />

in zwei Schulen mit zwei Schulsprengeln<br />

aufgeteilt. Zur Singoldgrundschule<br />

gehört außerdem die<br />

Außenstelle in der Siedlung, in der<br />

vorwiegend die Siedlerkinder beschult<br />

werden. Insgesamt ergab es<br />

im ersten Schuljahr 16 Klassen in<br />

den ersten vier Jahrgangsstufen.<br />

Rektor war Winfried Blümelhuber,<br />

Konrektorin Elisabeth<br />

Maugg. Heute besteht die Schulleitung<br />

aus Rektorin Gabriele<br />

Glockner und Konrektorin Iris<br />

Schäffler. Beide leben in Bobingen<br />

und stimmen darin überein, dass es<br />

bereichernd ist, am Heimatort<br />

Schulleiter zu sein. So bestünde<br />

eine ganz intensive Identifikation<br />

mit der Schule, die beiden sehr ans<br />

Herz gewachsen ist. Anfangs wurden<br />

die beiden Grundschulen in<br />

West und Ost unterschieden, bevor<br />

beide einen neuen Namen fanden.<br />

Schullogo<br />

Ein Schullogo für die neu erbaute<br />

Unterrichtsstätte war schnell gefunden:<br />

„Gemeinsam unter dem<br />

Regenbogen“. Es begleitet Schüler,<br />

Eltern und Lehrer noch heute<br />

immer wieder. „Wir fragten uns:<br />

Wie wollen wir hier zusammen leben?<br />

Wie soll unsere Schulfamilie<br />

sein?“, denkt die heutige Konrektorin<br />

Iris Schäffler zurück. Dabei<br />

sah man den Regenbogen nicht in<br />

erster Linie als christliches Symbol<br />

an, sondern stellte sich eher unter<br />

den Schutz des Himmels, des Regenbogens.<br />

Dieser ist auch auf<br />

dem Briefkopf der Schule zu finden<br />

und zieht sich durch die ganze<br />

Schule. Mobiles in Regenbogenfarben,<br />

das Symbol als Zeichen des<br />

Friedens, der Regenbogen auf der<br />

Schulfahne – das Schullogo wird<br />

mittlerweile von der dritten Schulleitung<br />

weitergetragen. Es ist ein<br />

Zeichen für die Demokratie in der<br />

Schule, die durch Klassensprecherwahlen<br />

und Schulversammlungen<br />

gelebt wird. Die Schüler<br />

werden, wenn möglich, in Entscheidungen<br />

eingebunden, so dass<br />

demokratisches Mitwirken tatsächlich<br />

möglich ist.<br />

Das <strong>Bobinger</strong><br />

Modell<br />

Wenn Kinder in die Schule kommen,<br />

ist das ein großer Schritt für<br />

sie. Um diesen möglichst reibungslos<br />

zu gestalten, hat die<br />

Grundschule an der Singold überlegt,<br />

wie die Zusammenarbeit mit<br />

Kindergärten verlaufen und struk-


Die Schulfahne mit dem Regenbogen.<br />

turiert werden kann. Daraus entstand<br />

das „<strong>Bobinger</strong> Modell“. Ziel<br />

der Zusammenarbeit ist es, dass<br />

Lehrkräfte ihren künftigen Schulkindern<br />

zeitig genug begegnen,<br />

um eventuelle Stärken und oder<br />

Schwächen rechtzeitig erkennen<br />

und entsprechende Fördermaßnahmen<br />

bis zum Schulstart einleiten<br />

zu können. Die Vorschulkinder<br />

sollen Schule, also dem Gebäude,<br />

der großen Kinderschar,<br />

der Arbeitsatmosphäre und den<br />

Lehrern noch vor dem Schulstart<br />

in zwangloser Atmosphäre begegnen.<br />

Deshalb dürfen sie mehrmals<br />

zusammen mit ihren Erzieherinnen<br />

die Schule besuchen. Voraussetzung<br />

für eine erfolgreiche Zielerreichung<br />

ist eine offene und von<br />

gegenseitigem Vertrauen getragene<br />

Zusammenarbeit zwischen<br />

Schule, Kindergarten und Elternhaus.<br />

Die umfassende und gewissenhaft<br />

durchgeführte Begleitung<br />

der künftigen Schulkinder garantiert<br />

natürlich nicht in jedem Fall<br />

einen reibungslosen Schulstart.<br />

Aber sie hat immer sehr viele Vorteile<br />

für alle Beteiligten: Man<br />

kennt sich bereits, das mehrjährige<br />

Wissen der Erzieherinnen kann<br />

effektiv in die Beratung einfließen,<br />

nötige Maßnahmen sind bereits<br />

vor dem Schulstart angelaufen und<br />

haben positive Wirkung erzielt.<br />

Schule ist eben nicht mehr völlig<br />

fremd, am ersten Tag.<br />

Commenius-<br />

Projekt<br />

Mit einem Lehreraustausch der<br />

Französischlehrer aus dem Regierungsbezirk<br />

Schwaben fing alles<br />

an. Daraus entwickelte sich ein<br />

Comenius-Projekt, in dem drei<br />

Schulen unterschiedlicher europäischer<br />

Länder zusammenarbeiten.<br />

Drei Jahre lang hielt die<br />

Grundschule engen Kontakt mit<br />

Partnerschulen in Frankreich und<br />

Finnland und tauschte sich<br />

mit den Partnern aus. Bilder, Plakate,<br />

Berichte, Fotos und selbstgedrehte<br />

Videos in den verschiedenen<br />

Sprachen Deutsch, Englisch,<br />

Französisch und Finnisch, berichteten<br />

vom Schulalltag der Kinder<br />

in den Partnerländern. Viele interessante<br />

Dinge gab es da zu entdecken,<br />

beispielsweise von<br />

unterschiedlichen Bräuchen an<br />

den Feiertagen. Den Kindern<br />

machte es Spaß, zugleich auch etwas<br />

von sich zu erzählen.<br />

Die Singoldgrundschule war<br />

Gastgeber für Kollegen der „Oinaskatu-Schule“<br />

in Järvenpää,<br />

Finnland, und der Primarschule<br />

„Chant d’Oiseau“, Frankreich.<br />

Das Abschlusstreffen fand in<br />

Frankreich statt. Dort entwickelten<br />

sich wieder interessante Gespräche<br />

über die Schulen mit ihren<br />

SCHULE<br />

Rohbau der Grundschule an der Singold.<br />

Bilder: Grundschule an der Singold<br />

jeweiligen Schwierigkeiten und<br />

die verschiedenen Ansätze zur<br />

Problemlösung. Zwar hat jedes<br />

System seine Stärken und Schwächen<br />

und jedes Land spezifische<br />

Probleme, doch letztlich haben<br />

Kinder, Eltern und Lehrer in den<br />

meisten Punkten die gleichen Bedürfnisse,<br />

Sorgen und Nöte.<br />

Trotzdem lassen es die unterschiedlichenRahmenbedingungen<br />

in den verschiedenen Ländern<br />

nicht immer zu, gewonnene Erkenntnisse<br />

auch umzusetzen. Ein<br />

Blick über den längst abgebauten<br />

Grenzzaun lohnt sich trotzdem.<br />

Daher lässt die Schule den Kontakt<br />

zu ihren Partnerschulen auch<br />

nicht abreißen.<br />

Inklusion<br />

Es war und ist sicherlich keine<br />

Selbstverständlichkeit, ein behindertes<br />

Kind an einer Regelschule<br />

aufzunehmen. So ein Schritt ist ein<br />

Wagnis. Aber eines, das sich gelohnt<br />

hat. Als ganz normale Klasse<br />

hat sich die „Inklusionsklasse“ der<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

47


SCHULE<br />

Grundschule immer bezeichnet.<br />

„Es ist alles wie bei anderen auch,<br />

nur dass ein Kind dabei ist, das ein<br />

bisschen langsamer lernt als alle<br />

anderen“, beschrieben es die Kinder.<br />

Im Schuljahr 2006/07 bot die<br />

Grundschule an der Singold zum<br />

ersten Mal in Bobingen einem<br />

Kind mit einer Behinderung die<br />

Möglichkeit, eine Regelschule am<br />

Wohnort zu besuchen. Der Junge<br />

mit dem Down-Syndrom wurde<br />

von den Kindern herzlich aufgenommen,<br />

denn diese erkannten<br />

schnell: „Keiner von uns kann alles.<br />

Manche Kinder können besonders<br />

schnell rechnen, aber dafür<br />

nicht so gut schreiben. Aber jeder<br />

von uns kann irgendetwas ganz<br />

gut und deshalb helfen wir uns oft<br />

gegenseitig. Das macht Spaß.“<br />

Zwei Jahre später sahen Schüler,<br />

Eltern und Lehrer auf eine ganz<br />

besondere Erfolgsgeschichte zurück.<br />

Viele Anstrengungen, Behörden-<br />

und Bittgänge waren nötig,<br />

bis das Kind endlich in eine<br />

„normale Schule“ mit „normalen<br />

48<br />

Mitschülern“ gehen durfte und auf<br />

diesem Weg in seinem normalen<br />

Lebensbereich aufwachsen konnte.<br />

Denn es gibt keine Sonderwelt<br />

für Sonderschüler! Ihre Erfahrungen<br />

fassten die Schüler in einem<br />

Bilderbuch zusammen. „Fred<br />

Goldfisch“ geht erfolgreich in eine<br />

Schule für Landtiere und nicht,<br />

wie vorgesehen, in eine für Wassertiere.<br />

Doch die Tiere (und die<br />

Kinder) unterstützen sich gegenseitig,<br />

sie lernen voneinander und<br />

alle profitieren aus prägenden Erfahrungen.<br />

SINUS-Projekt<br />

Seit 2007 nahm die Singoldschule<br />

an SINUS, einem bundesweiten<br />

Projekt zur Weiterentwicklung<br />

der Unterrichtsqualität in Mathematik<br />

und den Naturwissenschaften<br />

teil. Im Regierungsbezirk<br />

Schwaben wurden dafür sieben<br />

Schulen ausgewählt. Fünf Jahre<br />

lang beschäftigten sich Lehrkräfte<br />

Gemeinsames Mittagessen gehört bei der Ganztagesklasse<br />

dazu. Bild: Anja Fischer<br />

Immer wieder taucht das Schullogo auf.<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

Die Grundschule inszeniert das Musical „Ritter Rost“.<br />

Bilder: Grundschule an der Singold<br />

des Hauses mit mathematischen<br />

Fragestellungen. Die Schwerpunkte<br />

waren „Gute Aufgaben“,<br />

Geometrie, Sach-Rechnen sowie<br />

die Verbesserung der Lern- und<br />

Leistungskultur. Im vorvergangenen<br />

Schuljahr lag der Schwerpunkt<br />

auf der Gestaltung von sogenannten<br />

Lernumgebungen zu<br />

den Themenbereichen: Erweiterung<br />

des Zahlenraums, Geometrie<br />

und Sachrechnen. Im Oktober<br />

hatte das Lehrerteam sogar die<br />

Gelegenheit, ihre Arbeit im Rahmen<br />

eines internationalen Projekts<br />

an der Universität Augsburg zu<br />

dokumentieren und bekam Besuch<br />

von 35 Lehrern aus Augsburg.<br />

Diese verfolgten den Unterricht<br />

in den einzelnen Jahrgangsstufen<br />

mit und werden sich nun ihrerseits<br />

an SINUS versuchen. Im<br />

Schuljahr 2011/12 wagte man sich<br />

nun an den Sachunterricht heran.<br />

Als Arbeitsziel wurde die spannende<br />

Frage verfolgt: „Wie können<br />

die Kinder in den Naturwissenschaften<br />

fachlich richtiges<br />

Wissen erwerben und anschlussfähige<br />

Vorstellungen aufbauen?“<br />

Dazu entwickelten die Lehrkräfte<br />

in regelmäßigen Treffen<br />

sogenannte Experimentierboxen.<br />

Lehrkräfte der ersten Jahrgangsstufe<br />

erstellten Material zum Thema<br />

„Licht und Schatten“. Für die<br />

zweite Jahrgangsstufe entstand<br />

eine Experimentierbox über<br />

„Temperatur und Thermometer“,<br />

für die dritte Klasse über „Magnetismus“<br />

und die vierte Jahrgangsstufe<br />

fand in ihrer Kiste allerhand<br />

zum Thema „Wasserkreislauf“. In<br />

Versuchen erprobten die Schüler<br />

dann fachliche Arbeitsweisen und<br />

gewannen durch eigenes Tun tiefe<br />

Einblicke in Zusammenhänge.<br />

Nach dem Ablauf des Projektes<br />

will die Schule jetzt auch ohne of-<br />

fiziellen Auftrag weitermachen<br />

und Lernmaterialien für ihre<br />

Schüler entwickeln.<br />

Ganztagesklasse<br />

„Ganztagesklasse, den ganzen Tag<br />

klasse!“ – so beschreiben Kinder,<br />

Eltern und Lehrer die vor knapp<br />

zwei Jahren neu eingeführte<br />

Schulform. Klassenlehrerin Lisa<br />

Unger erzählt, wie es im ersten<br />

Jahr für alle funktioniert hat.<br />

„Am Anfang war alles neu für uns,<br />

mich als Klassenlehrerin eingeschlossen:<br />

eine neue Schule, ein<br />

neues Klassenzimmer, eine neue<br />

Lehrerin, viele neue Klassenkameraden,<br />

Schulbus fahren, externe<br />

Kräfte für die Nachmittagsangebote,<br />

Mittagessen in der Schule,<br />

jeden Tag ein Freizeitangebot in<br />

der Schule, Unterricht bis um<br />

15.30 Uhr, keine schriftlichen<br />

Hausaufgaben mehr, manchmal<br />

zwei Lehrer, die für einen da sind<br />

und eine ganze Schulstunde Wochenplanarbeit.<br />

Es war zuerst<br />

nicht leicht, sich darauf einzustellen<br />

und sich an das viele Neue und<br />

Andere zu gewöhnen. An manchen<br />

Ecken und Enden hat es da<br />

gerumpelt und geraucht. Bis es<br />

nach einiger Zeit ganz normal war,<br />

dass wir nun eine Ganztagesklasse<br />

sind. Dazu haben sicher alle einen<br />

Teil beigetragen.“ In der Ganztagesklasse<br />

werden die Kinder ab der<br />

dritten Jahrgangsstufe bis zum<br />

Nachmittag betreut. Unterricht<br />

und Freizeitangebote wechseln<br />

sich in dieser Zeit ab. Die Kinder<br />

haben mehr Zeit, um in der Schule<br />

zu lernen, schriftliche Hausaufgaben<br />

für zu Hause gibt es nicht<br />

mehr. Kommen die Schüler heim,<br />

haben sie frei. Das klingt nach ei-


nem tollen Angebot an die Familien.<br />

Ganz so einfach war es aber<br />

nicht, die erste Ganztagesklasse an<br />

einer <strong>Bobinger</strong> Grundschule zu<br />

etablieren. So musste neben den behördlichen<br />

Auflagen erst einmal die<br />

nötige Infrastruktur geschaffen<br />

werden: es wurde eine Mensa benötigt,<br />

in der die Kinder täglich ein<br />

warmes Mittagessen bekommen.<br />

Nachdem alle Hürden beseitigt waren<br />

und genügend Kinder für die<br />

neue Schulform angemeldet wurden,<br />

startete die Ganztagesklasse<br />

aber mit großem Erfolg. Derzeit<br />

wird sie für jeweils eine Klasse in der<br />

3. und 4. Jahrgangsstufe angeboten.<br />

Bei den Festen kommt die ganze Schule zusammen.<br />

Bilder: Grundschule an der Singold<br />

Feste und Feiern<br />

Gefeiert wurde in der Grundschule<br />

an der Singold schon immer gerne.<br />

Die Feste gehören zum Schulkreislauf.<br />

Mit dem großen Einweihungsfest<br />

damals wurde quasi<br />

der Grundstein für eine fröhliche<br />

Tradition gelegt: Faschingsfeiern,<br />

Buchstabenfeste, Adventsfeiern<br />

und Sommerfeste zum Abschluss<br />

des Schuljahres – zu einer gut<br />

funktionierenden Schulfamilie gehört<br />

es auch, dass besondere Dinge<br />

gefeiert werden dürfen und können.<br />

So kommt im Advent an den<br />

Montagen die ganze Schule in der<br />

Aula zusammen. Die einzelnen<br />

Klassen beteiligen sich mit kleinen<br />

Beiträgen zu einem bestimmten<br />

Motto, das von den Religionslehrern<br />

vorgegeben wird. Die ganze<br />

Schule nimmt so die Adventszeit<br />

ganz bewusst im Kreis der Schulfamilie<br />

war.<br />

Förderkreis<br />

Der Förderkreis wurde 1995 vom<br />

damaligen Schulleiter Winfried<br />

Blümelhuber zusammen mit sechs<br />

Initiatorinnen aus der Siedlung ins<br />

Leben gerufen. Alles begann aber<br />

schon im Frühjahr 1993. Der<br />

Schulbau an der Singold hatte begonnen,<br />

die räumliche Trennung<br />

der Grundschulen war abzusehen<br />

und die damit verbundenen größeren<br />

Aufgaben. Damals machten<br />

sich einige Eltern und Lehrkräfte<br />

Gedanken, wie es möglich wäre,<br />

einen aktiven Beitrag zur Unterstützung<br />

der Schule, der Lehrkräfte<br />

und der Kinder zu leisten und<br />

darüber hinaus ein Kommunikationsforum<br />

zu schaffen. Es ist das<br />

Anliegen des Förderkreises der<br />

Grundschule, die Schule bei unterschiedlichen<br />

Aktionen finan-<br />

ziell zu unterstützen und bei der<br />

Ausrichtung von Veranstaltungen<br />

und Schulfesten mitzuwirken. So<br />

tritt der Kreis beispielsweise am<br />

ersten Schultag und bei der Schuleinschreibung<br />

in Aktion. Dort<br />

versuchen die Mitglieder, durch<br />

den Verkauf von Kaffee und Kuchen,<br />

die Wartezeiten der Eltern<br />

entspannt zu gestalten. Das eingenommene<br />

Geld kommt wiederum<br />

der Schule zugute. So konnte das<br />

Friedensfest im Schuljahr 2011/12<br />

oder der Auftritt des Moussong-<br />

Theaters durch eine finanzielle<br />

Zuwendung unterstützt werden.<br />

Um seine Aufgaben wahrnehmen<br />

zu können, ist der Förderkreis allerdings<br />

auf die Mithilfe der Elternschaft<br />

angewiesen. Diese können<br />

durch ihre Mitgliedschaft<br />

mithelfen, dass auch weiterhin<br />

zum Wohle der Schule gearbeitet<br />

werden kann.<br />

Gesunde Pause<br />

Seit mehr als zehn Jahren wird an<br />

der Grundschule einmal im Monat<br />

die „Gesunde Pause“ angeboten.<br />

Die Kinder freuen sich jedes Mal<br />

sehr über das besondere „Pausenbrot“,<br />

für welches sie einen Euro<br />

Der Förderkreis bei seiner Arbeit.<br />

bezahlen und so viel essen und<br />

trinken können, wie sie möchten.<br />

Damit die vielen kleinen und gesunden<br />

Leckereien rechtzeitig<br />

zum Pausenbeginn auf dem Tisch<br />

stehen, bereiten zehn bis fünfzehn<br />

Mütter und Väter am Morgen verschiedene<br />

Brote, Rohkostschalen,<br />

Obstsalat, Früchtequark, Früchtemüsli<br />

und verschiedene Getränke<br />

zu. Immerhin mehr als 200 Frühstückseinheiten<br />

müssen rechtzeitig<br />

fertig werden. Die „Gesunde<br />

Pause“ gibt es auch an der Außenstelle<br />

Siedlung. Hier wird sie regelmäßig<br />

unter ein bestimmtes<br />

Motto gestellt: Apfel-Pause, Ni-<br />

Seit 23 Jahren im Herzen der Stadt<br />

- Service und freundliche Beratung<br />

sind unsere Stärke.<br />

- Wir führen alle Arten von Fahrrädern<br />

zu erschwinglichen Preisen.<br />

- E-Bikes stehen zum Testen bereit.<br />

- Sie erhalten bei uns außerdem Mofa-,<br />

Moped- und Rollerersatzteile.<br />

Auf Ihren Besuch freuen sich<br />

Herr und Frau Wagner!<br />

SCHULE<br />

kolaus-Pause, Faschings-Pause,<br />

Oster-Pause, pikante Pause und<br />

am Schuljahresende die sehr beliebte<br />

Erdbeer-Pause locken viele<br />

Kinder, auch mal etwas Gesundes<br />

zu probieren, das sie bisher noch<br />

nicht gegessen haben oder einfach<br />

mal nur nach Herzenslust an<br />

Früchten und Gemüsen zu naschen.<br />

Etwa zehn Mütter schmieren<br />

auch hier im Vorfeld Brote,<br />

schnippeln Obst und Gemüse,<br />

spießen es auf und richten alles ansprechend<br />

auf den großen Tischen<br />

in der Pausenhalle an. Da müssen<br />

die Kinder dann nur noch zulangen!<br />

Bahnhofstraße 7 • 86399 Bobingen<br />

✆ 08234-3572<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

49


SCHULE<br />

Von Anja Fischer<br />

BG: Frau Glockner, Sie sind seit<br />

2011 Schulleiterin der Grundschule<br />

an der Singold. Wie haben Sie die<br />

Zeit bisher empfunden?<br />

Gabriele Glockner: Die Zeit war<br />

gefüllt mit vielen interessanten<br />

und neuen Aufgaben, die teilweise<br />

nicht immer einfach zu lösen waren.<br />

Ingesamt aber war es ein sehr<br />

erfüllendes erstes Schuljahr. Ich<br />

bin in ein sehr engagiertes Kollegium<br />

herzlich aufgenommen worden<br />

und wir haben bereits im ersten<br />

Schuljahr gemeinsam ein großes<br />

Projekt in Angriff genommen.<br />

BG: Was ist das für ein Projekt?<br />

Gabriele Glockner: Das Schlagwort<br />

dazu lautete „Gemeinsam<br />

unter dem Regenbogen – Leben<br />

und Lernen unter dem Regenbogen“.<br />

Es ist wichtig, dass Kinder<br />

50<br />

BOBINGER GESCHICHTE(N), Band 3, Mai 2013<br />

INTERVIEW MIT REKTORIN GABRIELE GLOCKNER<br />

Gemeinsam unter<br />

dem Regenbogen<br />

Rektorin Gabriele Glockner hat das Schulmotto verinnerlicht und arbeitet<br />

dafür, dass alle Kinder sich in der Schule wohlfühlen und gut lernen können.<br />

Rektorin Gabriele Glockner. Foto: Schiele<br />

sich in der Schule wohlfühlen und<br />

dort gerne lernen. Auch die Kollegen,<br />

die hier arbeiten, sollen gerne<br />

hier sein. Das Projekt beinhaltet<br />

die Auseinandersetzung mit dem<br />

Schul-Motto, zunächst innerhalb<br />

des Projektteams, dann des Kollegiums<br />

und – vorallem – der Klassen.<br />

Daraus resultieren konkrete<br />

Ziele, die wir uns stecken, und Aktionen,<br />

die uns diese Ziele erreichen<br />

lassen. Hierzu haben wir in<br />

unterschiedlichen Gruppen intensiv<br />

diskutiert und gearbeitet und<br />

viele Ideen entwickelt - bis hin zm<br />

letzten Schulfest, das unter dem<br />

Thema „Frieden“ stand ...<br />

BG: Was macht für Sie ein gelungenes<br />

Schulfest aus?<br />

Gabriele Glockner: Das Gelingen<br />

eines Schulfestes beginnt schon<br />

beim Planen, wenn in der Konferenz<br />

gemeinsam das „Wie“ und<br />

„Was“ besprochen wird und das<br />

Kollegium vor Einfällen nur so<br />

sprüht. Beim Fest selber: Begeisterte<br />

und strahlende Kinder, Eltern,<br />

die sich in geselliger Runde<br />

über Beiträge ihrer Kinder freuen<br />

und entspannt Einblick in die<br />

schulische Welt nehmen können,<br />

abseits von Hausaufgaben und Co.<br />

Es gehören ganz viele helfende<br />

Hände und dienstbare Geister<br />

dazu, dass es gelingt.<br />

BG: Schule besteht ja nicht nur aus<br />

Festen. Wie sehen bei Ihnen die Regeln<br />

für den Schulalltag aus? Worauf<br />

legen Sie Wert?<br />

Gabriele Glockner: Ich kann nur<br />

gut arbeiten und lernen, wenn ich<br />

mich wohlfühle. Deshalb haben<br />

wir gemeinsam in sieben Punkten<br />

zusammengefasst, was uns wichtig<br />

ist:<br />

- Jeder Mensch ist wertvoll.<br />

- Jeder achtet die Meinung des<br />

Anderen.<br />

- Jeder darf ohne Angst reden.<br />

- Jeder darf glauben, was er will.<br />

- Keiner darf den Anderen verletzen.<br />

- Jeder achtet das Eigentum des<br />

Anderen.<br />

- Jeder hat das Recht auf eine gute<br />

Schulbildung.<br />

Alle Schüler kennen diese Punkte,<br />

die im Unterricht immer wieder<br />

besprochen werden.<br />

BG: Wie können solche Regeln<br />

durchgesetzt werden?<br />

Gabriele Glockner: Das Wichtigste<br />

ist, dass das Kollegium gewissenhaft<br />

darauf achtet. Die Regeln<br />

müssen eingefordert und auch vorgelebt<br />

werden, und zwar mit großer<br />

Konsequenz: man muss immer<br />

am Ball bleiben. Die Punkte, die<br />

uns wichtig sind, wurden für die<br />

unterschiedlichen Klassenstufen<br />

altersgerecht aufbereitet und als<br />

konkrete, in den Schulalltag passende<br />

Regeln formuliert. Im letz-<br />

ten Jahr haben wir immer sechs<br />

Wochen lang einzelne dieser Verhaltensregeln<br />

trainiert. Diese hatten<br />

wir im Vorfeld demokratisch<br />

mit allen Schulkindern ausgesucht.<br />

Die Klassen haben zu jeder<br />

Regel Bilder gestaltet. Jede Woche<br />

wurde Rückschau gehalten, ob es<br />

schon klappt.<br />

BG: Was waren das für Punkte?<br />

Gabriele Glockner:<br />

-Wir gehen rücksichtsvoll miteinander<br />

um!<br />

- Wir vermeiden Lärm!<br />

- Wir gehen zügig ins Klassenzimmer!<br />

- Wir achten auf ein sauberes<br />

Schulhaus!<br />

BG: Der Regenbogen als Schulsymbol<br />

steht als Zeichen für die Gemeinschaft.<br />

Was wünschen Sie sich für ihre<br />

Schulgemeinschaft?<br />

Gabriele Glockner: Der Regenbogen<br />

ist bunt. Das steht für mich<br />

auch für die bunte Vielfalt an<br />

Menschen und Wesensarten, die<br />

in der Schule zusammenkommen.<br />

Der Bogen stellt für mich ein<br />

Schutzschild dar, unter dem man<br />

sich geborgen und wohl fühlen<br />

kann. Wenn ein Regenbogen am<br />

Himmel erscheint, ist das etwas<br />

besonderes, das einen aufblicken<br />

lässt. Man lässt die Arbeit liegen<br />

und geht ans Fenster, um zu<br />

schauen. Das wünsche ich mir für<br />

hier auch: die Möglichkeit, immer<br />

mal wieder innezuhalten und den<br />

Blick auf etwas Neues richten zu<br />

können, immer wieder eine Gelegenheit<br />

zum Staunen zu haben<br />

und dieses Staunen mitzunehmen,<br />

wenn der Alltag da ist und der Regenbogen<br />

sich wieder verbirgt.<br />

Dazu passt ein chinesisches<br />

Sprichwort: „Die Arbeit läuft dir<br />

nicht davon, wenn du den Kindern<br />

den Regenbogen zeigst. Aber der<br />

Regenbogen wartet nicht, bis du<br />

mit der Arbeit fertig bist.“


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„Als Betreiber von 35 Wasserkraftwerken der LEW-Gruppe ist es<br />

Aufgabe der Bayerischen Elektrizitätswerke, den Lebensraum Natur<br />

zu schützen. Beispielsweise durch die Entwicklung und Erforschung<br />

neuer Fischaufstiegshilfen.“<br />

Dr. Gerhard Haimerl, Ingenieur für Wasserbau-Technik<br />

bei den Bayerischen Elektrizitätswerken<br />

www.lew.de


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