05.06.2013 Aufrufe

biber - Ausgabe JUNI 2013 - Magazin für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund

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Sara Meister, bereitgestellt<br />

HEISSE OSTBLOCK-MÄDELS, gestohlene<br />

Autos, Putzfrauen, Bauarbeiter <strong>und</strong> Kirche –<br />

am Stereotyp Polens scheint nichts zu rütteln<br />

zu sein. Das ändert wohl auch der Status als<br />

neues EU-Land <strong>und</strong> Veranstalter der letzten<br />

Fußball-EM nicht. Aber: Der Kommunismus<br />

ist längst vorüber, der Ostblock existiert nicht<br />

mehr <strong>und</strong> eure Autos stehen immer noch vor<br />

der Tür – vermutlich. Ich, selbst waschechter<br />

Polak, habe mich auf die Suche nach den Polen<br />

Wiens gemacht. Immerhin leben hier oziell<br />

40.000. Und: Die Polen sind beliebt. Auf jeden<br />

Fall historisch gesehen, denn 1683 hat König<br />

Jan III. Sobieski die Osmanen geschlagen <strong>und</strong><br />

da<strong>mit</strong> die Zweite Wiener Türkenbelagerung<br />

beendet. Seitdem gilt der Pole als Retter Wiens<br />

<strong>und</strong> zum Dank wurde eine Gasse im 9. Bezirk<br />

nach ihm benannt.<br />

Doch, wer sind diese Wiener Polen eigentlich?<br />

Was tun sie? Wo leben, arbeiten, essen,<br />

tanzen <strong>und</strong> beten sie? Bei meiner Tour haben<br />

mich die eigenen Landsleute überrascht. Nur<br />

eins war eh klar: Polen <strong>und</strong> Party, ein Dreamteam.<br />

FÜR IMMER JUNG<br />

Es ist Montag, 18 Uhr. Im Nebenraum der Gartenstadt-Kirche<br />

in Floridsdorf plaudert Frau<br />

Irena (81), Pensionistin <strong>und</strong> seit 30 Jahren in<br />

Österreich, <strong>mit</strong> Frau Ewa (70), ebenfalls Pensionistin<br />

<strong>und</strong> seit 30 Jahren da. Sie sind bester<br />

Laune. „Du musst noch die drei Euro bezahlen“,<br />

erinnert Frau Ewa ihre ältere Fre<strong>und</strong>in.<br />

Von diesen drei Euro werden die Kosten des<br />

Vortrags über ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>für</strong> ältere<br />

<strong>Menschen</strong> nanziert.<br />

Die beiden sitzen nicht etwa in einem<br />

VHS-Kurs, sondern in einer Vorlesung der<br />

„Universität des dritten Lebensalters“ (UTW),<br />

die 2012 vom polnischen <strong>Magazin</strong> „Polonika“<br />

ins Leben gerufen wurde. Student kann jeder<br />

Pole in Österreich werden, der über 50 Jahre<br />

alt ist. Unabhängig von Ausbildung <strong>und</strong> Beruf.<br />

Die Vorträge werden auf Polnisch gehalten.<br />

„Die Migranten fühlen sich einsam, vor allem<br />

Pensionisten <strong>und</strong> Rentner, ihre sozialen Kontakte<br />

sind begrenzt. Unser Ziel ist es, ihnen zu<br />

ermöglichen, sich weiterzubilden, aber auch<br />

neue Kontakte zu knüpfen. Wir wollen ihnen<br />

helfen, nicht mehr einsam zu sein“, sagt Slawomir<br />

Iwanowski, Herausgeber von „Polonika“<br />

<strong>und</strong> Gründer der Universität. Bis dato gelingt<br />

dies auch sehr gut, die Erwartungen sind übertroen<br />

worden. Die UTW zählt derzeit über<br />

220 Mitglieder, Tendenz steigend.<br />

Frau Irena erzählt ungefragt ihre Lebensgeschichte.<br />

„Ich fühle mich, als wäre ich achtzehn“,<br />

sagt die 81-Jährige. „Ich habe Skype,<br />

meine eigene E-Mail-Adresse <strong>und</strong> gehe regelmäßig<br />

<strong>mit</strong> meinen Fre<strong>und</strong>innen von der Uni<br />

tanzen“.<br />

Der Saal füllt sich langsam. „Es sind wesentlich<br />

mehr Frauen als Männer da“, sagt Frau<br />

Ewa. „Aber die Männer, die da sind, sind brav.<br />

Beim Tanzen sind sie immer ein bisschen steif<br />

am Anfang, wir laden sie aber auf ein Glas<br />

Wein oder einen Tee <strong>mit</strong> Strom ein. Danach<br />

werden sie schon lockerer“, lacht Frau Ewa.<br />

Tee <strong>mit</strong> Strom? „Die Jüngeren kennen diesen<br />

Ausdruck nicht mehr. Strom ist Vodka.“<br />

Galvanigasse 1, 1210. Trepunkt der polnischen<br />

Universität des drien Lebensalters<br />

POLEN UND PARTY,<br />

EIN DREAMTEAM.<br />

POLNISCHE HERZEN<br />

Singles in Wien aufgepasst!<br />

Ania (29) lebt in Wien <strong>und</strong> liebt Reisen, ist<br />

kreativ, optimistisch, ehrgeizig, mutig <strong>und</strong><br />

schüchtern zugleich. Romantisch, aber <strong>ohne</strong><br />

es zu übertreiben. Eine bodenständige Träumerin.<br />

Sie sucht einen humorvollen, mutigen,<br />

ehrgeizigen, kreativen Mann, der es liebt, aktiv<br />

die Zeit zu verbringen. Es soll jemand sein, <strong>mit</strong><br />

dem man über alles reden <strong>und</strong> lachen kann.<br />

eo_KBH (25) liebt neue Herausforderungen,<br />

interessante <strong>Menschen</strong>, überraschende<br />

Situationen. „Das Leben ist voll von<br />

w<strong>und</strong>erschönen <strong>und</strong> wertvollen Events, wenn<br />

man weiß, wo man nach diesen suchen soll“,<br />

schreibt er in seiner Beschreibung. Er fühlt<br />

sich hingezogen zu Frauen <strong>mit</strong> Persönlichkeit,<br />

Leidenscha <strong>und</strong>… sauberen Haaren! Er interessiert<br />

sich <strong>für</strong> schöne Frauen, die wissen, was<br />

sie wollen. Solche, die mutig sind <strong>und</strong> die keine<br />

Angst davor haben zu handeln, um ihre Ziele<br />

zu erreichen.<br />

Interessiert? Das Internetportal www.polnischeherzen.at<br />

bietet jedem einsamen (nicht<br />

nur) polnischen Herzen in Österreich die<br />

Möglichkeit, die (polnische) Liebe seines Lebens<br />

zu nden. Registrieren, anmelden <strong>und</strong><br />

los geht’s!<br />

In der Kirche fühlen sich Polen wie zu Hause.<br />

Jan Kaczmarek, Pfarrer der polnischen Kirche<br />

Wien.<br />

MESSEN FÜR DIE SEELE<br />

Es ist keine Neuigkeit, dass die Polen sehr religiös<br />

sind – auch wenn sie im Ausland w<strong>ohne</strong>n.<br />

In Wien haben sie ihre eigene Kirche, in der<br />

jeden Sonntag acht Messen auf Polnisch statt-<br />

nden. Sie werden regelmäßig von 3500 Polen<br />

besucht. „Es kommen alle Altersgruppen in die<br />

Kirche“, sagt Pfarrer Jan Kaczmarek, der seit<br />

2006 in Wien lebt. „Viele Jugendliche <strong>und</strong> Studenten,<br />

ganze Familien <strong>mit</strong> Kindern. Vor allem<br />

Polen, die nicht so lange in Österreich leben.<br />

Es ist einfacher <strong>für</strong> sie, das Religionswissen auf<br />

Polnisch zu vertiefen, ihre Identität zu nden.<br />

Die Muttersprache ist doch die Herzenssprache.<br />

Es ist o eine Art Heimatland-Ersatz. Sie<br />

fühlen sich hier wie zu Hause.“<br />

www.polonika.at<br />

OUT OF AUT<br />

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