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Sara Meister, bereitgestellt<br />
HEISSE OSTBLOCK-MÄDELS, gestohlene<br />
Autos, Putzfrauen, Bauarbeiter <strong>und</strong> Kirche –<br />
am Stereotyp Polens scheint nichts zu rütteln<br />
zu sein. Das ändert wohl auch der Status als<br />
neues EU-Land <strong>und</strong> Veranstalter der letzten<br />
Fußball-EM nicht. Aber: Der Kommunismus<br />
ist längst vorüber, der Ostblock existiert nicht<br />
mehr <strong>und</strong> eure Autos stehen immer noch vor<br />
der Tür – vermutlich. Ich, selbst waschechter<br />
Polak, habe mich auf die Suche nach den Polen<br />
Wiens gemacht. Immerhin leben hier oziell<br />
40.000. Und: Die Polen sind beliebt. Auf jeden<br />
Fall historisch gesehen, denn 1683 hat König<br />
Jan III. Sobieski die Osmanen geschlagen <strong>und</strong><br />
da<strong>mit</strong> die Zweite Wiener Türkenbelagerung<br />
beendet. Seitdem gilt der Pole als Retter Wiens<br />
<strong>und</strong> zum Dank wurde eine Gasse im 9. Bezirk<br />
nach ihm benannt.<br />
Doch, wer sind diese Wiener Polen eigentlich?<br />
Was tun sie? Wo leben, arbeiten, essen,<br />
tanzen <strong>und</strong> beten sie? Bei meiner Tour haben<br />
mich die eigenen Landsleute überrascht. Nur<br />
eins war eh klar: Polen <strong>und</strong> Party, ein Dreamteam.<br />
FÜR IMMER JUNG<br />
Es ist Montag, 18 Uhr. Im Nebenraum der Gartenstadt-Kirche<br />
in Floridsdorf plaudert Frau<br />
Irena (81), Pensionistin <strong>und</strong> seit 30 Jahren in<br />
Österreich, <strong>mit</strong> Frau Ewa (70), ebenfalls Pensionistin<br />
<strong>und</strong> seit 30 Jahren da. Sie sind bester<br />
Laune. „Du musst noch die drei Euro bezahlen“,<br />
erinnert Frau Ewa ihre ältere Fre<strong>und</strong>in.<br />
Von diesen drei Euro werden die Kosten des<br />
Vortrags über ges<strong>und</strong>e Ernährung <strong>für</strong> ältere<br />
<strong>Menschen</strong> nanziert.<br />
Die beiden sitzen nicht etwa in einem<br />
VHS-Kurs, sondern in einer Vorlesung der<br />
„Universität des dritten Lebensalters“ (UTW),<br />
die 2012 vom polnischen <strong>Magazin</strong> „Polonika“<br />
ins Leben gerufen wurde. Student kann jeder<br />
Pole in Österreich werden, der über 50 Jahre<br />
alt ist. Unabhängig von Ausbildung <strong>und</strong> Beruf.<br />
Die Vorträge werden auf Polnisch gehalten.<br />
„Die Migranten fühlen sich einsam, vor allem<br />
Pensionisten <strong>und</strong> Rentner, ihre sozialen Kontakte<br />
sind begrenzt. Unser Ziel ist es, ihnen zu<br />
ermöglichen, sich weiterzubilden, aber auch<br />
neue Kontakte zu knüpfen. Wir wollen ihnen<br />
helfen, nicht mehr einsam zu sein“, sagt Slawomir<br />
Iwanowski, Herausgeber von „Polonika“<br />
<strong>und</strong> Gründer der Universität. Bis dato gelingt<br />
dies auch sehr gut, die Erwartungen sind übertroen<br />
worden. Die UTW zählt derzeit über<br />
220 Mitglieder, Tendenz steigend.<br />
Frau Irena erzählt ungefragt ihre Lebensgeschichte.<br />
„Ich fühle mich, als wäre ich achtzehn“,<br />
sagt die 81-Jährige. „Ich habe Skype,<br />
meine eigene E-Mail-Adresse <strong>und</strong> gehe regelmäßig<br />
<strong>mit</strong> meinen Fre<strong>und</strong>innen von der Uni<br />
tanzen“.<br />
Der Saal füllt sich langsam. „Es sind wesentlich<br />
mehr Frauen als Männer da“, sagt Frau<br />
Ewa. „Aber die Männer, die da sind, sind brav.<br />
Beim Tanzen sind sie immer ein bisschen steif<br />
am Anfang, wir laden sie aber auf ein Glas<br />
Wein oder einen Tee <strong>mit</strong> Strom ein. Danach<br />
werden sie schon lockerer“, lacht Frau Ewa.<br />
Tee <strong>mit</strong> Strom? „Die Jüngeren kennen diesen<br />
Ausdruck nicht mehr. Strom ist Vodka.“<br />
Galvanigasse 1, 1210. Trepunkt der polnischen<br />
Universität des drien Lebensalters<br />
POLEN UND PARTY,<br />
EIN DREAMTEAM.<br />
POLNISCHE HERZEN<br />
Singles in Wien aufgepasst!<br />
Ania (29) lebt in Wien <strong>und</strong> liebt Reisen, ist<br />
kreativ, optimistisch, ehrgeizig, mutig <strong>und</strong><br />
schüchtern zugleich. Romantisch, aber <strong>ohne</strong><br />
es zu übertreiben. Eine bodenständige Träumerin.<br />
Sie sucht einen humorvollen, mutigen,<br />
ehrgeizigen, kreativen Mann, der es liebt, aktiv<br />
die Zeit zu verbringen. Es soll jemand sein, <strong>mit</strong><br />
dem man über alles reden <strong>und</strong> lachen kann.<br />
eo_KBH (25) liebt neue Herausforderungen,<br />
interessante <strong>Menschen</strong>, überraschende<br />
Situationen. „Das Leben ist voll von<br />
w<strong>und</strong>erschönen <strong>und</strong> wertvollen Events, wenn<br />
man weiß, wo man nach diesen suchen soll“,<br />
schreibt er in seiner Beschreibung. Er fühlt<br />
sich hingezogen zu Frauen <strong>mit</strong> Persönlichkeit,<br />
Leidenscha <strong>und</strong>… sauberen Haaren! Er interessiert<br />
sich <strong>für</strong> schöne Frauen, die wissen, was<br />
sie wollen. Solche, die mutig sind <strong>und</strong> die keine<br />
Angst davor haben zu handeln, um ihre Ziele<br />
zu erreichen.<br />
Interessiert? Das Internetportal www.polnischeherzen.at<br />
bietet jedem einsamen (nicht<br />
nur) polnischen Herzen in Österreich die<br />
Möglichkeit, die (polnische) Liebe seines Lebens<br />
zu nden. Registrieren, anmelden <strong>und</strong><br />
los geht’s!<br />
In der Kirche fühlen sich Polen wie zu Hause.<br />
Jan Kaczmarek, Pfarrer der polnischen Kirche<br />
Wien.<br />
MESSEN FÜR DIE SEELE<br />
Es ist keine Neuigkeit, dass die Polen sehr religiös<br />
sind – auch wenn sie im Ausland w<strong>ohne</strong>n.<br />
In Wien haben sie ihre eigene Kirche, in der<br />
jeden Sonntag acht Messen auf Polnisch statt-<br />
nden. Sie werden regelmäßig von 3500 Polen<br />
besucht. „Es kommen alle Altersgruppen in die<br />
Kirche“, sagt Pfarrer Jan Kaczmarek, der seit<br />
2006 in Wien lebt. „Viele Jugendliche <strong>und</strong> Studenten,<br />
ganze Familien <strong>mit</strong> Kindern. Vor allem<br />
Polen, die nicht so lange in Österreich leben.<br />
Es ist einfacher <strong>für</strong> sie, das Religionswissen auf<br />
Polnisch zu vertiefen, ihre Identität zu nden.<br />
Die Muttersprache ist doch die Herzenssprache.<br />
Es ist o eine Art Heimatland-Ersatz. Sie<br />
fühlen sich hier wie zu Hause.“<br />
www.polonika.at<br />
OUT OF AUT<br />
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