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biber - Ausgabe JUNI 2013 - Magazin für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund

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„Es ist an der Zeit“ - Viktor Orban hat viele Fre<strong>und</strong>e, trotz autoritärem Kurs. Kritisches Graffito in Budapest<br />

der Regierung geleitet. Auf diese Weise kontrollieren<br />

Orbán <strong>und</strong> Co. den gesamten Kulturbetrieb<br />

Ungarns.<br />

ZENSUR LIGHT<br />

Auch die Medien liegen seit 2011 in Fidesz‘<br />

Hand – dank der eigens gegründeten Medienbehörde<br />

NMHH. Ihre Aufgabe: Da<strong>für</strong> zu<br />

sorgen, dass sämtliche Medien des Landes<br />

ausgewogen über Politik <strong>und</strong> Parteien berichten.<br />

Die Behörde wird von einem fünöpgen<br />

Gremium geleitet, das ausschließlich von Fidesz<br />

ernannt wurde. Ob dessen Urteile wirklich<br />

neutral ausfallen, ist mehr als fraglich. Die<br />

Medienbehörde kann unter anderem empndliche<br />

Strafen bis zu 750.000 Euro gegen Medien<br />

aussprechen, die sich nicht an die Regeln<br />

halten. „Es gibt zwar auch weiterhin Medien,<br />

die sich dem widersetzen <strong>und</strong> unabhängig<br />

berichten“, sagt Dr. Vedran Džihić, Politikwissenschaler<br />

an der Universität Wien, „aber<br />

die stehen zunehmend unter politischem <strong>und</strong><br />

wirtschalichem Druck <strong>und</strong> können kaum<br />

überleben.“ Daher verzichten die meisten kleinen<br />

Sender, Verlage <strong>und</strong> Radiostationen lieber<br />

gleich ganz auf politische Berichterstattung.<br />

„Das führt zu einem zensurähnlichen Zustand,<br />

dem immer wieder der Anschein der Legiti<strong>mit</strong>ät<br />

gegeben wird“, so Džihić.<br />

„Ich habe das Gefühl, dass im Fernsehen<br />

vieles verschwiegen wird“, sagt Zsóa, Verkäuferin<br />

in einem Budapester Kleidungsgeschä.<br />

Und Klára, eine ehemalige Lehrerin, ist der<br />

Meinung, dass die Nachrichten im staatlichen<br />

Fernsehen Ähnlichkeiten <strong>mit</strong> Gute-Nacht-<br />

Geschichten haben. „Wir Ungarn sollen <strong>mit</strong><br />

einem guten Gefühl ins Bett gehen“, meint sie.<br />

16 POLITIKA & GESELLSCHAFT<br />

Das hat seine Gründe: Die öentlich-rechtlichen<br />

Radio- <strong>und</strong> Fernsehsender Ungarns sind<br />

gezwungen, die Nachrichten zu senden, die<br />

ihnen die staatliche Nachrichtenagentur MTI<br />

zur Verfügung stellt. So ist zumindest im Radio<br />

<strong>und</strong> TV nichts von Finanz- <strong>und</strong> sonstigen<br />

Krisen zu spüren.<br />

Trotzdem wird den ungarischen Fernsehzuschauern<br />

je nach politischer Ausrichtung<br />

das passende Programm geboten: Sind die öffentlich-rechtlichen<br />

Sender regierungsfre<strong>und</strong>lich,<br />

so haben die privaten eher eine kritische<br />

Färbung. „Seit ihrer Gründung im Jahr 1997<br />

sind die beiden größten privaten Fernsehsender<br />

Ungarns, RTL Klub <strong>und</strong> tv2, linksliberal<br />

eingestellt“, erklärt Dr. Zsolt Antal, Medienwissenschaler<br />

an der Katholischen Péter-Pázmány-Universität<br />

Budapest. Allerdings halten<br />

die privaten Sender den politischen Teil ihrer<br />

Nachrichten so kurz wie möglich. „Wie Medienanalysen<br />

zeigen, interessieren sich die Ungarn<br />

weit weniger <strong>für</strong> Politik als <strong>für</strong> Berichte<br />

über Kriminalität <strong>und</strong> Katastrophen", weiß<br />

Antal.<br />

Mediale Kritik an der ungarischen Regierung<br />

kommt vor allem von ausländischen<br />

Journalisten. Deren negative Äußerungen<br />

kommentiert Fidesz gerne als „ungarnfeindlich“<br />

<strong>und</strong> „linksgerichtet“. Als der deutsche<br />

Kinderkanal im März seine jungen Zuschauer<br />

über die Lage in Ungarn informierte, erklärte<br />

Viktor Orbán persönlich die deutschen Kinder<br />

zu „Opfern politischer Gehirnwäsche“. Selbst<br />

bei wiederholten Ermahnungen der EU, sich<br />

an die Verträge der Union zu halten, reagierte<br />

Orbán <strong>mit</strong> Beleidigungen <strong>und</strong> Hinhaltungen.<br />

Und er kann es sich leisten: Vor einem Aus-<br />

schluss aus der Europäischen Union <strong>für</strong>chtet<br />

er sich nicht, die kontinentale Staatengemeinscha<br />

entspricht <strong>ohne</strong>hin nicht seinen nationalistischen<br />

Plänen. Ganz nebenbei wird so,<br />

laut Džihić, „eines der Vorzeigeländer im Hinblick<br />

auf den Demokratisierungsprozess langsam<br />

zum Buhmann in Europa“.<br />

MACHT ERWEITERN, MACHT<br />

BEHALTEN<br />

Im nächsten Jahr wählt Ungarn wieder – <strong>und</strong><br />

Fidesz tut einiges, um auch danach noch die<br />

absolute Macht im Land zu haben. So wurde<br />

die Chen der schon erwähnten Medienbehörde<br />

gleich <strong>für</strong> neun Jahre vereidigt, also <strong>für</strong><br />

mehr als zwei präsidiale Legislaturperioden.<br />

Die Medien bleiben also noch eine Weile unter<br />

Fidesz‘ Kontrolle. Erstmal dürfen 2014 auch<br />

Ungarn an die Urne treten, die keinen festen<br />

Wohnsitz im Land haben. Das führt dazu, dass<br />

dann r<strong>und</strong> 2,5 Millionen Auslandsungarn,<br />

vor allem aus Rumänien, Serbien, der Slowakei<br />

<strong>und</strong> der Ukraine, das ungarische Parlament<br />

wählen dürfen. Für deren Kreuz an der<br />

richtigen Stelle sorgte Fidesz, als sie 2011 die<br />

Verleihung der doppelten Staatsbürgerscha<br />

erheblich vereinfachte. Da<strong>mit</strong> haben die Auslandsungarn<br />

fortan einen besseren Zugri auf<br />

das Ges<strong>und</strong>heitssystem <strong>und</strong> den Arbeitsmarkt<br />

im Inland – <strong>und</strong> sind schlagartig Fre<strong>und</strong>e von<br />

Fidesz.<br />

MEIN FREUND, DER NAZI<br />

Neben der rechtskonservativen Fidesz sitzt<br />

eine weitere nationalistische Partei im ungarischen<br />

Parlament: die rechtsextreme Jobbik.<br />

Deren Vorsitzender Gábor Vona forderte un-<br />

BALAZS MOHAI / EPA / picturedesk.com, JANOS MARJAI / EPA / picturedesk.com

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