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Vor dem Budapester Parlament wird gerade<br />
umgebaut. Drinnen auch.<br />
DER PLATZ VOR DEM UNGARISCHEN<br />
PARLAMENT in Budapest ist zur Zeit eine<br />
riesige Baustelle. Der Asphalt ist aufgerissen,<br />
Bagger <strong>und</strong> Kräne tun eißig ihre Arbeit, Sicherheitsleute<br />
achten darauf, dass sich niemand<br />
auf das Schotterfeld verirrt. Der gesamte<br />
Kossuth-Platz wird gerade r<strong>und</strong>erneuert <strong>und</strong><br />
sein momentaner Zustand kann als Sinnbild<br />
<strong>für</strong> die politische Lage in Ungarn interpretiert<br />
werden. Denn nicht nur vor, sondern auch im<br />
Parlament wird abgerissen, um neu aufzubauen.<br />
Dabei erinnert vieles, was die Regierung<br />
tut, an eine aueimende Diktatur.<br />
Ungarn wird von der Fidesz Partei regiert,<br />
ihr Vorsitzender Viktor Orbán ist Ministerpräsident<br />
des Landes. Das Programm von<br />
Fidesz ist nationalistisch-konservativ ausgerichtet<br />
<strong>und</strong> stark auf kirchliche <strong>und</strong> familiäre<br />
Werte bedacht. Bei der Wahl im April 2010<br />
erreichte die Partei eine Zweidrittelmehrheit<br />
im Parlament, die es ihr erlaubt, Gesetze <strong>ohne</strong><br />
Zustimmung der Opposition zu beschließen,<br />
zu ändern <strong>und</strong> abzuschaen. Ihre Allmacht<br />
nutzt Fidesz geradezu exzessiv: So schuf die<br />
Partei im Alleingang ein neues Gr<strong>und</strong>gesetz<br />
<strong>und</strong> setzte es zu Jahresbeginn 2012 in Kra.<br />
National wie international sorgte es <strong>für</strong> heftige<br />
Kritik, weil es unter anderem die Kompetenzen<br />
des Verfassungsgerichts beschränkt<br />
<strong>und</strong> der Regierung über Umwege ermöglicht,<br />
selbstständig das Parlament aufzulösen <strong>und</strong><br />
Neuwahlen zu erzwingen.<br />
TOTALE KONTROLLE<br />
Eine belebte Einkaufsstraße in Budapest: Zwei<br />
junge Männer, beide Studenten, verteilen Flyer<br />
<strong>für</strong> ein klassisches Konzert. Dávid studiert Philosophie,<br />
Balázs wird Ingenieur. Beide sehen<br />
ihre beruiche Zukun nicht in Ungarn <strong>und</strong><br />
überlegen, nach dem Studium nach Österreich<br />
oder Deutschland zu gehen. Die Bildungsreform,<br />
die 2012 in Kra trat, betri sie glücklicherweise<br />
nicht; sie mussten noch nicht den<br />
Vertrag unterschreiben, der Studenten dazu<br />
verpichtet, nach ihrem Studium mindestens<br />
doppelt so lange in Ungarn zu bleiben <strong>und</strong> zu<br />
arbeiten. Was sie jedoch persönlich betri:<br />
Viele ihrer Professoren wurden aus politischen<br />
Gründen von der Uni entlassen.<br />
Die junge Buchhändlerin Erzsébet erzählt<br />
davon, dass 50 Prozent der im Radio gespielten<br />
Lieder <strong>und</strong> der im Fernsehen gezeigten Filme<br />
ungarisch sein müssen. Sie mag es, wie die Regierung<br />
durch solche Regelungen <strong>für</strong> nationale<br />
Werte einsteht. Allerdings ndet sie den Stil<br />
der Fidesz aufdringlich, wie sie meint. Viele<br />
Partei<strong>mit</strong>glieder <strong>und</strong> -sympathisanten werden<br />
in führenden Positionen eingesetzt, obwohl sie<br />
o nicht die nötige Kompetenz <strong>und</strong> Erfahrung<br />
aufweisen <strong>und</strong> ihre Vorgänger zudem gute Arbeit<br />
geleistet haben.<br />
Tatsächlich ist Fidesz sehr darum bemüht,<br />
vor allem die Kunst- <strong>und</strong> Kulturhäuser des<br />
Landes <strong>mit</strong> parteinahen Führungskräen zu<br />
besetzen. So wird der im Sommer auslaufende<br />
Vertrag des seit Jahren erfolgreichen Nationaltheater-Direktors<br />
nicht verlängert, die Position<br />
übernimmt ein konservativer Nationalist. Das<br />
Neue eater in Budapest wird bereits seit Anfang<br />
2012 von einem rechtsradikalen Fre<strong>und</strong><br />
POLITIKA & GESELLSCHAFT<br />
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