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biber - Ausgabe JUNI 2013 - Magazin für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund

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Vor dem Budapester Parlament wird gerade<br />

umgebaut. Drinnen auch.<br />

DER PLATZ VOR DEM UNGARISCHEN<br />

PARLAMENT in Budapest ist zur Zeit eine<br />

riesige Baustelle. Der Asphalt ist aufgerissen,<br />

Bagger <strong>und</strong> Kräne tun eißig ihre Arbeit, Sicherheitsleute<br />

achten darauf, dass sich niemand<br />

auf das Schotterfeld verirrt. Der gesamte<br />

Kossuth-Platz wird gerade r<strong>und</strong>erneuert <strong>und</strong><br />

sein momentaner Zustand kann als Sinnbild<br />

<strong>für</strong> die politische Lage in Ungarn interpretiert<br />

werden. Denn nicht nur vor, sondern auch im<br />

Parlament wird abgerissen, um neu aufzubauen.<br />

Dabei erinnert vieles, was die Regierung<br />

tut, an eine aueimende Diktatur.<br />

Ungarn wird von der Fidesz Partei regiert,<br />

ihr Vorsitzender Viktor Orbán ist Ministerpräsident<br />

des Landes. Das Programm von<br />

Fidesz ist nationalistisch-konservativ ausgerichtet<br />

<strong>und</strong> stark auf kirchliche <strong>und</strong> familiäre<br />

Werte bedacht. Bei der Wahl im April 2010<br />

erreichte die Partei eine Zweidrittelmehrheit<br />

im Parlament, die es ihr erlaubt, Gesetze <strong>ohne</strong><br />

Zustimmung der Opposition zu beschließen,<br />

zu ändern <strong>und</strong> abzuschaen. Ihre Allmacht<br />

nutzt Fidesz geradezu exzessiv: So schuf die<br />

Partei im Alleingang ein neues Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

<strong>und</strong> setzte es zu Jahresbeginn 2012 in Kra.<br />

National wie international sorgte es <strong>für</strong> heftige<br />

Kritik, weil es unter anderem die Kompetenzen<br />

des Verfassungsgerichts beschränkt<br />

<strong>und</strong> der Regierung über Umwege ermöglicht,<br />

selbstständig das Parlament aufzulösen <strong>und</strong><br />

Neuwahlen zu erzwingen.<br />

TOTALE KONTROLLE<br />

Eine belebte Einkaufsstraße in Budapest: Zwei<br />

junge Männer, beide Studenten, verteilen Flyer<br />

<strong>für</strong> ein klassisches Konzert. Dávid studiert Philosophie,<br />

Balázs wird Ingenieur. Beide sehen<br />

ihre beruiche Zukun nicht in Ungarn <strong>und</strong><br />

überlegen, nach dem Studium nach Österreich<br />

oder Deutschland zu gehen. Die Bildungsreform,<br />

die 2012 in Kra trat, betri sie glücklicherweise<br />

nicht; sie mussten noch nicht den<br />

Vertrag unterschreiben, der Studenten dazu<br />

verpichtet, nach ihrem Studium mindestens<br />

doppelt so lange in Ungarn zu bleiben <strong>und</strong> zu<br />

arbeiten. Was sie jedoch persönlich betri:<br />

Viele ihrer Professoren wurden aus politischen<br />

Gründen von der Uni entlassen.<br />

Die junge Buchhändlerin Erzsébet erzählt<br />

davon, dass 50 Prozent der im Radio gespielten<br />

Lieder <strong>und</strong> der im Fernsehen gezeigten Filme<br />

ungarisch sein müssen. Sie mag es, wie die Regierung<br />

durch solche Regelungen <strong>für</strong> nationale<br />

Werte einsteht. Allerdings ndet sie den Stil<br />

der Fidesz aufdringlich, wie sie meint. Viele<br />

Partei<strong>mit</strong>glieder <strong>und</strong> -sympathisanten werden<br />

in führenden Positionen eingesetzt, obwohl sie<br />

o nicht die nötige Kompetenz <strong>und</strong> Erfahrung<br />

aufweisen <strong>und</strong> ihre Vorgänger zudem gute Arbeit<br />

geleistet haben.<br />

Tatsächlich ist Fidesz sehr darum bemüht,<br />

vor allem die Kunst- <strong>und</strong> Kulturhäuser des<br />

Landes <strong>mit</strong> parteinahen Führungskräen zu<br />

besetzen. So wird der im Sommer auslaufende<br />

Vertrag des seit Jahren erfolgreichen Nationaltheater-Direktors<br />

nicht verlängert, die Position<br />

übernimmt ein konservativer Nationalist. Das<br />

Neue eater in Budapest wird bereits seit Anfang<br />

2012 von einem rechtsradikalen Fre<strong>und</strong><br />

POLITIKA & GESELLSCHAFT<br />

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