biber - Ausgabe JUNI 2013 - Magazin für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund

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MEIN NACHBAR, DER DIKTATOR WIR BEFINDEN UNS IM JAHR 2013. IN GANZ EUROPA HERRSCHT MEINUNGSFREIHEIT, UNEINGESCHRÄNKTE PRESSE UND DEMOKRATIE. IN GANZ EUROPA? NEIN! DIE REGIERUNG UNSERES NACHBARLANDES UNGARN UNTERNIMMT GERADE EINE GEFÄHRLICHE GRATWANDERUNG – IN RICHTUNG DIKTATUR? Von Alexander Kords 14 POLITIKA & GESELLSCHAFT Gefahr von rechts: Ungarns Regierung fährt einen kompromisslosen nationalistischen Kurs. Balint PORNECZI / Gamma / picturedesk.com, ATTILA KISBENEDEK / AFP / picturedesk.com
Vor dem Budapester Parlament wird gerade umgebaut. Drinnen auch. DER PLATZ VOR DEM UNGARISCHEN PARLAMENT in Budapest ist zur Zeit eine riesige Baustelle. Der Asphalt ist aufgerissen, Bagger und Kräne tun eißig ihre Arbeit, Sicherheitsleute achten darauf, dass sich niemand auf das Schotterfeld verirrt. Der gesamte Kossuth-Platz wird gerade runderneuert und sein momentaner Zustand kann als Sinnbild für die politische Lage in Ungarn interpretiert werden. Denn nicht nur vor, sondern auch im Parlament wird abgerissen, um neu aufzubauen. Dabei erinnert vieles, was die Regierung tut, an eine aueimende Diktatur. Ungarn wird von der Fidesz Partei regiert, ihr Vorsitzender Viktor Orbán ist Ministerpräsident des Landes. Das Programm von Fidesz ist nationalistisch-konservativ ausgerichtet und stark auf kirchliche und familiäre Werte bedacht. Bei der Wahl im April 2010 erreichte die Partei eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, die es ihr erlaubt, Gesetze ohne Zustimmung der Opposition zu beschließen, zu ändern und abzuschaen. Ihre Allmacht nutzt Fidesz geradezu exzessiv: So schuf die Partei im Alleingang ein neues Grundgesetz und setzte es zu Jahresbeginn 2012 in Kra. National wie international sorgte es für heftige Kritik, weil es unter anderem die Kompetenzen des Verfassungsgerichts beschränkt und der Regierung über Umwege ermöglicht, selbstständig das Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu erzwingen. TOTALE KONTROLLE Eine belebte Einkaufsstraße in Budapest: Zwei junge Männer, beide Studenten, verteilen Flyer für ein klassisches Konzert. Dávid studiert Philosophie, Balázs wird Ingenieur. Beide sehen ihre beruiche Zukun nicht in Ungarn und überlegen, nach dem Studium nach Österreich oder Deutschland zu gehen. Die Bildungsreform, die 2012 in Kra trat, betri sie glücklicherweise nicht; sie mussten noch nicht den Vertrag unterschreiben, der Studenten dazu verpichtet, nach ihrem Studium mindestens doppelt so lange in Ungarn zu bleiben und zu arbeiten. Was sie jedoch persönlich betri: Viele ihrer Professoren wurden aus politischen Gründen von der Uni entlassen. Die junge Buchhändlerin Erzsébet erzählt davon, dass 50 Prozent der im Radio gespielten Lieder und der im Fernsehen gezeigten Filme ungarisch sein müssen. Sie mag es, wie die Regierung durch solche Regelungen für nationale Werte einsteht. Allerdings ndet sie den Stil der Fidesz aufdringlich, wie sie meint. Viele Parteimitglieder und -sympathisanten werden in führenden Positionen eingesetzt, obwohl sie o nicht die nötige Kompetenz und Erfahrung aufweisen und ihre Vorgänger zudem gute Arbeit geleistet haben. Tatsächlich ist Fidesz sehr darum bemüht, vor allem die Kunst- und Kulturhäuser des Landes mit parteinahen Führungskräen zu besetzen. So wird der im Sommer auslaufende Vertrag des seit Jahren erfolgreichen Nationaltheater-Direktors nicht verlängert, die Position übernimmt ein konservativer Nationalist. Das Neue eater in Budapest wird bereits seit Anfang 2012 von einem rechtsradikalen Freund POLITIKA & GESELLSCHAFT 15
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