Sebastian Kurtenbach
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RUHR-‐UNIVERSITÄT BOCHUM<br />
FAKULTÄT FÜR SOZIALWISSENSCHAFT<br />
Urbane Integrationsschleuse<br />
Rolle und Funktion sozial passiv segregierter Stadtquartiere<br />
und die damit einhergehende Herausforderung für die Stadtpolitik<br />
Vorgelegt von:<br />
<strong>Sebastian</strong> <strong>Kurtenbach</strong><br />
Betreut durch:<br />
Prof. Dr. Strohmeier<br />
und<br />
Prof. Dr. Schräpler<br />
am Beispiel von Mülheim an der Ruhr<br />
Masterarbeit<br />
Bochum, Dezember 2012
Zusammenfassung<br />
Ausgehend von der Beobachtung, dass Städte als relativ große, dichte und heterogene<br />
Siedlungen durch Zuwanderung und nicht durch Geburtenüberschuss wachsen, fragt die<br />
vorliegende Arbeit nach der sozialräumlich verorteten Funktion armutsbelasteter Stadtgebiete<br />
für den Integrationsprozess der Zuwanderer. Dazu wird zu Beginn der theoretische Rahmen<br />
hinsichtlich dieser Funktionsübernahme durch die Transformation von der industriellen zur<br />
postindustriellen Stadt gespannt und es werden die drängendsten Herausforderungen benannt,<br />
vor denen Städte heute stehen. Darauf aufbauend wird die zunehmende Differenzierung in<br />
urbanen Räumen anhand des Dreistufenmodells von Hamm strukturiert. Aus der funktionalen<br />
und sozialen Differenzierung ergibt sich somit in Bezug auf die Fragestellung der Untersuchung<br />
die Konzeption der urbanen Integrationsschleuse. Diese bietet Erklärungsansätze, wie<br />
Zuwanderung sozialräumlich organisiert wird. Den Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass<br />
sich Zuwanderer nicht proportional über die Stadt verteilen, sondern in bestimmte Stadtgebiete<br />
ziehen. Dieser Ungleichverteilung liegen Segregationsmechanismen zugrunde. Zugleich findet<br />
der Weg zur Integration in die Aufnahmegesellschaft in diesen Gebieten auch räumlich seinen<br />
Anfang. Im positiven Sinne finden dort Zuwanderer Bewohner mit ähnlichen Erfahrungen wie<br />
die eigenen vor, die ihnen beim Ankommen helfen können. Zudem helfen vorhandene<br />
Strukturen wie Arbeitsgelegenheiten, auch ökonomisch Fuß zu fassen. Somit hat die urbane<br />
Integrationsschleuse zwei wesentliche Merkmale: die Sockelbevölkerung und die<br />
Verteilerfunktion. Die Sockelbevölkerung besteht aus Zuwanderern, die seit längerer Zeit im<br />
Gebiet leben und Neuankömmlingen durch Know-‐how-‐Transfer und Arbeits-‐ sowie<br />
Wohngelegenheiten helfen können. Die Verteilerfunktion wird daran deutlich, dass es zwar eine<br />
hohe Zuwanderungsrate ins Gebiet gibt, die Zugezogenen jedoch nicht lange dort leben.<br />
Entweder ziehen sie in ein anderes armutsbelastetes Gebiet oder in ein besseres Gebiet. Im Falle<br />
einer urbanen Integrationsschleuse ziehen die meisten in bessere Gebiete. Da urbane<br />
Integrationsschleusen die Stadtpolitik vor eine Reihe von Herausforderungen stellen, wurden<br />
vier besonders relevante Politikfelder identifiziert. Diese beschreiben zugleich die Aufgaben, die<br />
bewältigt werden sollten, um urbane Integrationsschleusen positiv zu gestalten. Das Konzept<br />
der urbanen Integrationsschleuse wurde am Beispiel Mülheim an der Ruhr untersucht. Dazu<br />
wurden drei Hypothesen aufgestellt. Die erste befasst sich mit der Identifizierung einer urbanen<br />
Integrationsschleuse. Die zweite geht von der Existenz einer Sockelbevölkerung aus, und die<br />
dritte fokussiert auf die Verteilerfunktion. Alle drei Hypothesen wurden bestätigt. Die Arbeit<br />
schließt mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Stadt Mülheim an der Ruhr, wie sie mit<br />
der urbanen Integrationsschleuse adäquat umgehen kann. Diese Handlungsempfehlungen<br />
orientieren sich an den vier besonders relevanten Politikfeldern: Arbeitsmarkt, Integration,<br />
Bildung und Stadtentwicklung. Das Fazit fasst die inhaltlichen Erkenntnisse der Arbeit<br />
zusammen und liefert zugleich die Grundlage für weiterführende Arbeiten.<br />
2
I N H A L T S V E R ZE I C H N I S<br />
TABELLENVERZEICHNIS .............................................................................................................................. 5<br />
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS........................................................................................................................ 6<br />
EINLEITUNG ..................................................................................................................................................... 7<br />
1 STADTSOZIOLOGISCHE GRUNDLAGEN ............................................................................................ 9<br />
1.1 STADT ALS SOZIOLOGISCHER INTERESSENGEGENSTAND.................................................................................9<br />
1.2 DIE POSTINDUSTRIELLE STADT......................................................................................................................... 11<br />
1.2.1 Industrialisierung als Grundvoraussetzung der modernen Stadt .......................................... 12<br />
1.2.2 Fordistische Stadtentwicklung............................................................................................................... 12<br />
1.2.3 Fünf Herausforderungen der Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts.................................. 14<br />
1.3 DAS DREISTUFENMODELL .................................................................................................................................. 16<br />
1.4 FUNKTIONALE DIFFERENZIERUNG ................................................................................................................... 18<br />
1.4.1 Städtische Funktionsräume..................................................................................................................... 18<br />
1.4.2 Sozialökologische Theorie der Stadt ................................................................................................... 19<br />
1.4.3 Stadtmodell von Burgess .......................................................................................................................... 20<br />
1.4.4 Zone in transition als urbaner Funktionsraum .............................................................................. 22<br />
1.4.5 Invasions-‐Sukzessions-‐Zyklen................................................................................................................. 23<br />
1.4.6 Kritik an der sozialökologischen Theorie.......................................................................................... 24<br />
1.4.7 Kritische Anmerkung zu Bernd Hamm............................................................................................... 25<br />
1.4.8 Urbane Integrationsschleuse als zone in transition der postindustriellen Stadt............. 25<br />
1.5 SOZIALE DIFFERENZIERUNG .............................................................................................................................. 27<br />
1.5.1 Segregation als urbanes Phänomen .................................................................................................... 27<br />
1.5.2 Soziale Segregation..................................................................................................................................... 29<br />
1.5.3 Ethnische Segregation ............................................................................................................................... 29<br />
1.5.4 Demografische Segregation .................................................................................................................... 30<br />
1.5.5 Überlagerung der Segregationsarten................................................................................................. 30<br />
1.5.6 Quartier als soziologischer Interessensgegenstand...................................................................... 31<br />
1.5.7 Armutsquartiere in der postindustriellen Stadt............................................................................. 33<br />
1.6 KONZEPTION DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE................................................................................ 35<br />
1.6.1 Der Gebietscharakter der urbanen Integrationsschleuse .......................................................... 38<br />
1.6.2 Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse........................................................ 38<br />
1.6.3 Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse........................................................... 39<br />
2 RELEVANTE KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER FÜR DEN UMGANG MIT<br />
URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSEN .................................................................................................42<br />
2.1 KOMMUNALE ARBEITSMARKTPOLITIK ............................................................................................................ 42<br />
2.2 KOMMUNALE BILDUNGSPOLITIK....................................................................................................................... 44<br />
2.3 KOMMUNALE INTEGRATIONSPOLITIK.............................................................................................................. 45<br />
2.4 KOMMUNALE STADT-‐ UND QUARTIERSENTWICKLUNGSPOLITIK................................................................ 46<br />
2.5 INTEGRIERTES KOMMUNALES HANDELN ALS PARADIGMA ZUM UMGANG MIT URBANEN<br />
INTEGRATIONSSCHLEUSEN............................................................................................................................................. 48<br />
3 METHODISCHE UNTERSUCHUNG.....................................................................................................50<br />
3.1 DAS PRAXISBEISPIEL MÜLHEIM AN DER RUHR.............................................................................................. 50<br />
3.2 FORSCHUNGSHYPOTHESEN UND OPERATIONALISIERUNG ........................................................................... 52<br />
3.2.1 Forschungshypothese I – Urbane Integrationsschleuse.............................................................. 52<br />
3.2.2 Forschungshypothese II – Sockelbevölkerung................................................................................. 53<br />
3.2.3 Forschungshypothese III – Verteilerfunktion .................................................................................. 53<br />
3.3 DATENBESCHREIBUNG UND BESTAND............................................................................................................. 54<br />
3.4 BESCHREIBUNG DER VORGEHENSWEISE ......................................................................................................... 55<br />
3.4.1 Vorgehensweise des erster Forschungsschritts .............................................................................. 55<br />
3
3.4.2 Vorgehensweise des zweiten Forschungsschritts .......................................................................... 56<br />
3.4.3 Alternative Möglichkeiten der Vorgehensweise ............................................................................. 57<br />
3.5 FORSCHUNGSTEIL 1: ERMITTLUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ......................................... 58<br />
3.5.1 Datenüberblick.............................................................................................................................................. 59<br />
3.5.2 Untersuchung der Verteilung – Streudiagramme ......................................................................... 61<br />
3.5.3 Untersuchung der Verteilung – GIS...................................................................................................... 63<br />
3.5.4 Statistische Zusammenhangsuntersuchung mittels Pearsons Korrelationskoeffizient 68<br />
3.5.5 Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse .......................................................................... 69<br />
3.6 FORSCHUNGSTEIL 2: UNTERSUCHUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ................................... 72<br />
3.6.1 Gebietsprofil Altstadt II Südwest........................................................................................................... 72<br />
3.6.2 Untersuchung der Sockelbevölkerung................................................................................................ 78<br />
3.6.3 Untersuchung der Wanderungen.......................................................................................................... 80<br />
3.6.4 Untersuchung der innerstädtischen Wanderungsziele ............................................................... 84<br />
4 AUSWERTUNG UND ÜBERTRAGUNG DER FORSCHUNGSERGEBNISSE AUF<br />
KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER..................................................................................86<br />
4.1 ÜBERPRÜFUNG DER FORSCHUNGSHYPOTHESEN............................................................................................ 86<br />
4.1.1 Forschungshypothese 1 – Identifikation der urbanen Integrationsschleuse..................... 86<br />
4.1.2 Forschungshypothese 2 – Untersuchung der Sockelbevölkerung........................................... 87<br />
4.1.3 Forschungshypothese 3 – Untersuchung der Verteilerfunktion.............................................. 87<br />
4.2 INHALTLICHE INTERPRETATION DER FORSCHUNGSERGEBNISSE ............................................................... 88<br />
4.3 KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN................................................................................ 89<br />
4.3.1 Handlungsfeld 1: Beschäftigungs-‐ und Wirtschaftsförderung................................................. 90<br />
4.3.2 Handlungsfeld 2: Bildungsförderung – Ungleiches ungleich behandeln............................. 93<br />
4.3.3 Handlungsfeld 3: Integrationspolitik – Humanvermögen sichern......................................... 95<br />
4.3.4 Handlungsfeld 4: Quartiersentwicklung – Von Bedarfs-‐ zu Bedürfnisorientierung....... 96<br />
5 ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT.....................................................................................................99<br />
6 VERZEICHNIS GENUTZTER MEDIEN ............................................................................................102<br />
6.1 MONOGRAPHIEN/BEITRÄGE IN SAMMELBÄNDEN.......................................................................................102<br />
6.2 ARTIKEL AUS FACHZEITSCHRIFTEN................................................................................................................109<br />
6.3 ONLINE-‐QUELLEN..............................................................................................................................................110<br />
7 ANHANG ................................................................................................................................................112<br />
8 EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG...............................................................................................113<br />
4
Abbildungsverzeichnis<br />
ABBILDUNG 1: STADTMODELL VON BURGESS.................................................................................................................... 21<br />
ABBILDUNG 2: KARTE VON MÜLHEIM AN DER RUHR....................................................................................................... 51<br />
ABBILDUNG 3: STREUDIAGRAMM BEVÖLKERUNGSANTEIL DER ÜBER 65-‐JÄHRIGEN UND AUSLÄNDERANTEIL ...... 61<br />
ABBILDUNG 4: STREUDIAGRAMM „BEVÖLKERUNG AB 18 JAHREN MIT EINER WOHNDAUER UNTER 5 JAHREN“ UND<br />
„ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE“ IN MÜLHEIM AN DER RUHR AUF<br />
EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE ...................................................................................................................... 62<br />
ABBILDUNG 5: KARTE ANTEIL DER AB 65 JÄHRIGEN AN DER BEVÖLKERUNG IN MÜLHEIM AN DER RUHR............. 64<br />
ABBILDUNG 6: KARTE ANTEIL BEVÖLKERUNG AB 18 JAHRE MIT EINER WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE IN MÜLHEIM<br />
AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 65<br />
ABBILDUNG 7: AUSLÄNDERANTEIL IN MÜLHEIM AN DER RUHR.................................................................................... 66<br />
ABBILDUNG 8: KARTE ARBEITSLOSENANTEIL AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE IN MÜLHEIM<br />
AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 67<br />
ABBILDUNG 9: KORRELATIONSMATRIX DER MERKMALE „WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE“, „AUSLÄNDERANTEIL“,<br />
„ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE“ UND „ANTEIL DER BEVÖLKERUNG<br />
ÜBER 65 JAHRE“ AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE VON MÜLHEIM AN DER RUHR ZUM<br />
MESSZEITPUNKT 31.12.2012 .................................................................................................................................. 68<br />
ABBILDUNG 10: BESCHREIBUNG DER QUINTILSGRUPPEN............................................................................................... 71<br />
ABBILDUNG 11: DEMOGRAFISCHES PROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER<br />
GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)..................................................................... 73<br />
ABBILDUNG 12: ETHNISCHES PROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER<br />
GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)..................................................................... 74<br />
ABBILDUNG 13: FLÄCHENPROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT<br />
MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)................................................................................................ 75<br />
ABBILDUNG 14: SOZIALES PROFIL DES STATISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT<br />
MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)................................................................................................ 76<br />
ABBILDUNG 15: WANDERUNGSPROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER<br />
GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)..................................................................... 77<br />
ABBILDUNG 16: SOCKELBEVÖLKERUNG – BEVÖLKERUNGS-‐ UND AUSLÄNDERANTEIL (EIGENE DARSTELLUNG) .. 78<br />
ABBILDUNG 17: KARTE DER SOCKELBEVÖLKERUNG........................................................................................................ 79<br />
ABBILDUNG 18: VERTEILERFUNKTION – ALTSTADT II-‐SÜDWEST UND MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE<br />
DARSTELLUNG)............................................................................................................................................................ 81<br />
ABBILDUNG 19: ALTERSGRUPPEN DER WANDERNDEN BEVÖLKERUNG (EIGENE DARSTELLUNG)............................ 83<br />
Tabellenverzeichnis<br />
TABELLE 1: GENUTZTE DATENSÄTZE................................................................................................................................. 54<br />
TABELLE 2: DATEN DER INDIKATOREN „ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG IM ERWERBSFÄHIGEN ALTER“,<br />
„AUSLÄNDERANTEIL“,„BEVÖLKERUNG AB 65 JAHRE“ UND „WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE“ IN MÜLHEIM AN<br />
DER RUHR AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE ........................................................................................... 60<br />
TABELLE 3: INDEXTABELLE ZUR IDENTIFIZIERUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE IN MÜLHEIM AN DER<br />
RUHR............................................................................................................................................................................. 70<br />
TABELLE 4: ECKDATEN DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM<br />
AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 72<br />
TABELLE 5: WANDERUNGSART UND ERLÄUTERUNG ZUM QUELL-‐ UND ZIELGEBIET.................................................. 80<br />
TABELLE 6: ALTERS-‐ UND WANDERUNGSGRUPPEN......................................................................................................... 82<br />
TABELLE 7: ANTEIL DER UMZÜGE IN EIN GEBIET DER GRUPPEN 1 BIS 4 SOWIE ANTEIL DER UMZÜGE IN EIN<br />
GEBIET DER GRUPPE 5 ............................................................................................................................................... 84<br />
5
Abkürzungsverzeichnis<br />
AufenthaltG Aufenthaltsgesetz<br />
BW Baden-‐Württemberg<br />
d.h. das heißt<br />
GG Grundgesetz<br />
ggf. gegebenfalls<br />
GIS Geografische Informationssysteme<br />
ILS Institut für Landes-‐ und Stadtentwicklungsforschung<br />
MwSt Mehrwertsteuer<br />
NRW Nordrhein-‐Westfalen<br />
LzPB Landeszentrale für politische Bildung<br />
SGB Sozialgesetzbuch<br />
vgl. vergleiche<br />
u.a. unter anderem<br />
z.B. zum Beispiel<br />
ZfT Zentrum für Türkeistudien<br />
ZEFIR Zentrum für interdisziplinäre Regionalentwicklung<br />
6
Einleitung<br />
Heute wie vor hundert Jahren wachsen Städte durch Zuwanderung: in westlichen Ländern durch<br />
internationale Zuwanderung und in Schwellenländern durch Landflucht. Jedoch ist der Begriff<br />
Stadt als Zuwanderungsziel undifferenziert und zeigt nicht die Herausforderungen und die<br />
Realitäten der Zuwanderer und der Stadtpolitik auf. Denn zugewandert wird vorrangig in einige<br />
wenige Stadtbezirke einer jeden Stadt. Bereits die Sozialforscher der Chicagoer Schule haben<br />
dies durch Begehungen beobachtet und in ihre grundlegenden stadtsoziologischen Arbeiten<br />
aufgenommen.<br />
Auch heute sehen wir Zeugnisse dieser räumlich konzentrierten Zuwanderung, wie sie z.B. der<br />
Journalist Doug Saunders dokumentiert hat. In den städtischen Ankunftsgebieten finden<br />
Zuwanderer erste Arbeitsmöglichkeiten, und die „Platzkarte“ für ein Leben in der neuen<br />
Umgebung wird hier vergeben. Oftmals sind diese Gebiete armutsgeprägt und zugleich<br />
interkulturell. Nur wenige Zuwanderer bleiben längere Zeit in diesen Gebieten. Viele ziehen<br />
weiter oder zurück ins Migrationsquellgebiet. Sie alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben<br />
für sich oder ihre Familie.<br />
Solche Ankunftsorte können also auch als Durchgangsgebiet oder urbane Integrationsschleuse<br />
bezeichnet werden, wenn es gelingt, sozialen Aufstieg zu organisieren und erlebbar zu machen.<br />
Wenn diese Hoffnung enttäuscht wird, kann es beim Betroffenen zur Resignation kommen. Orte,<br />
in denen viele Menschen mit derartigen Erfahrungen leben, sind keine hoffnungsvollen<br />
Ankunftsorte mehr; sie haben einen anderen Charakter. Im Englischen gibt es dafür die recht<br />
anschauliche Bezeichnung „depressed area“ oder im Französischen den Begriff „relegation“. Es<br />
gibt somit zwei Arten von armuts-‐ und zuwanderungsgeprägten städtischen Gebieten, die sich<br />
zugleich in ihrer Funktion voneinander unterscheiden: zum einen die Integrationsschleusen und<br />
zum anderen die Orte der Relegation.<br />
Für die Stadtpolitik ist es demnach entscheidend zu wissen, welche Orte in ihrer Stadt welches<br />
Profil aufweisen und wie angemessene integrationsunterstützende Maßnahmen aussehen<br />
können. In diesem Sinne wird der inhaltliche Fokus der Arbeit, die sich als Zielgruppe an<br />
Stadtforscher und Kommunalpolitiker richtet, auf die urbanen Integrationsschleusen gelegt. Die<br />
Arbeit orientiert sich im Wesentlichen an vier Leitfragen:<br />
• Inwieweit haben städtische Teilgebiete, wenn sie sozial passiv segregiert sind, eine<br />
soziale Schleusenfunktion inne?<br />
• Wie ist eine solche Schleusenfunktion zu operationalisieren?<br />
• Welche Bevölkerungsgruppen leben wie lange in der urbanen Integrationsschleuse und<br />
wohin wandern sie ggf.?<br />
7
• Wie kann Stadtpolitik auf eine solche Schleusenfunktion unterstützend reagieren?<br />
Den theoretischen Hintergrund liefern die ersten beiden Abschnitte der vorliegenden Arbeit.<br />
Zunächst werden dabei stadtsoziologische Überlegungen behandelt. Zu ihnen gehört das<br />
Verständnis von Segregation sowie soziologischer Stadt-‐ sowie Quartiersmodelle. Neben den<br />
soziologischen Aspekten wird auch die Auseinandersetzung mit kommunalpolitischen<br />
Möglichkeiten zur Einwirkung auf urbane Integrationsschleusen anhand einschlägiger<br />
Politikfelder beleuchtet.<br />
Der dritte Abschnitt erläutert das methodische Vorgehen. Dazu werden zu Beginn drei<br />
Forschungshypothesen gebildet und operationalisiert. In zwei Schritten wird anhand des<br />
Beispiels Mülheim an der Ruhr untersucht, ob es städtische Gebiete gibt, die eine soziale<br />
Schleusenfunktion innehaben, und wie sich diese zeigt.<br />
Im vierten Abschnitt werden die Ergebnisse ausgewertet und Handlungsempfehlungen für die<br />
Stadtpolitik formuliert, die aus ihnen hervorgehen. Im Fazit werden die Forschungsfragen und<br />
Hypothesen abschließend beantwortet.<br />
Zur Übersicht werden am Ende der Abschnitte 1 bis 4 die jeweiligen Inhalte kurz stichpunktartig<br />
zusammengefasst. Weiterführende Anmerkungen seitens des Autors finden sich in den<br />
Fußzeilen.<br />
Sofern nicht anders beschrieben, handelt es sich um Daten der Stadt Mülheim an der Ruhr,<br />
Referat V.1 Statistik und Stadtforschung.<br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der Ausdrucksweise nur die männliche Form<br />
benutzt. Frauen sind selbstverständlich in gleicher Weise angesprochen.<br />
8
1 Stadtsoziologische Grundlagen<br />
Städte als Orte des Zusammenlebens, als Laboratorien, als Kristallisationspunkte ökonomischer<br />
Prozesse und damit als Spiegel der Gesellschaft bieten der Soziologie eine Reihe von Themen<br />
und sind bereits dadurch ein vielfältiges Forschungsfeld. Stadt als soziologischer<br />
Interessensgegenstand stellt den Forschenden zugleich vor viele Herausforderungen, Fragen<br />
und Phänomene. Schon allein die räumlich sinnvolle Abgrenzung einer Stadt ist ein schwieriges<br />
Unterfangen 1. Um sich diesem komplexen Forschungsgegenstand zu nähern, werden zu Beginn<br />
dieses Abschnitts soziologische Überlegungen zur Stadt inklusive einer zweckdienlichen<br />
Begriffsdefinition vorgestellt. Zudem wird das Konzept der postindustriellen Stadt erörtert.<br />
Darauf aufbauend werden die städtische Struktur und Entwicklungen anhand des<br />
Dreistufenmodells von Bernd Hamm beleuchtet. Da aus diesem zwei wesentliche<br />
Differenzierungen resultieren, werden beide Richtungen getrennt voneinander ausführlich in<br />
unterschiedlichen Aspekten diskutiert. Beide Stränge führen zu einer je eigenen und im<br />
nächsten Schritt zur gemeinsamen Konzeption und grundlegenden Operationalisierung der<br />
urbanen Integrationsschleuse, was zugleich den Abschluss des Abschnittes bildet.<br />
1.1 Stadt als soziologischer Interessengegenstand<br />
Schon zu Beginn der Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand „Stadt“ fällt ein<br />
grundlegendes Problem auf: Aus soziologischer Sicht ist nicht definiert oder festgelegt, was eine<br />
Stadt ist (vgl. u.a. Häußermann/Siebel 2004, S. 11; Eckhardt 2004, S. 7). Es gibt zwar eine Reihe<br />
von Versuchen zur Definition von Städten (vgl. u.a. Häußermann/Siebel 1987, S. 7; Friedrichs<br />
1995, S. 17; Weber 2006, S. 833ff.), aber keiner dieser Vorschläge hat sich durchgesetzt oder<br />
Gültigkeit erlangt. All diesen und weiteren Stadtdefinitionen sind die drei grundlegenden<br />
Eigenschaften gemein, die bereits Lois Wirth beschrieben hat: Größe, Dichte und Heterogenität<br />
(vgl. Wirth in Schäfers 2010, S. 84). Somit sind Städte im soziologischen Sinne relativ große<br />
Siedlungen, die eine relativ hohe Dichte und eine relativ heterogene Bevölkerung aufweisen.<br />
Die soziologische Auseinandersetzung mit der Stadt erschöpft sich jedoch nicht in der Definition<br />
des Forschungsgegenstandes selbst. Sie untersucht vielmehr soziale und bedingt<br />
umweltbezogene Prozesse im städtischen Raum. Solche spiegeln sich zum Teil auch in ihrer<br />
(sozialen) urbanen Struktur wider (vgl. u.a. Friedrichs 1995, S. 17f.; Löw 2010, S. 24f.).<br />
Außerdem – und das ist einem Großteil der stadtsoziologischen Fachliteratur gemeinsam – fragt<br />
1 Zur Entwicklung von Städten und zum Stadtverständnis in Abgrenzung von ruralen Räumen bis hin zur nach wie vor<br />
aktuellen Diskussion über die Metropolisierung des Stadtbegriffs siehe Häußermann/Siebel 1987.<br />
9
sie auch nach speziellen städtischen Verhaltensweisen von Menschen 2. Solche Verhaltensweisen<br />
wurden bereits in dem Aufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“ aus dem Jahr 1903 (vgl.<br />
Simmel 2010, S. 9ff.), der als einer der ersten stadtsoziologischen Texte gilt 3, von Georg Simmel<br />
beschrieben (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 35). Simmel definierte drei typische<br />
Eigenschaften des Großstädters: Reserviertheit, Blasiertheit und Intellektualismus (vgl. Siebel<br />
2010, S. 9ff). Er beschreibt die Reserviertheit als Art und Weise, wie sich Großstadtbewohner<br />
untereinander begegnen. „Die geistige Haltung des Großstädters zueinander wird man in<br />
formaler Hinsicht als Reserviertheit bezeichnen dürfen.“ (Simmel 2010, S. 16) Blasiertheit<br />
wiederum ist eine Reaktion auf die städtische Umwelt. Menschen reagieren, wie er es nennt, mit<br />
einer „Steigerung des Nervenlebens“ (Simmel 2010, S. 9) auf die Großstadt. „Sie [die<br />
Blasiertheit] ist zunächst die Folge jener rasch wechselnden und in ihren Gegensätzen eng<br />
zusammendrängenden Nervenreize, aus denen uns auch die Steigerung der großstädtischen<br />
Intellektualität hervorzugehen schien; weshalb denn auch dumme und von vornherein geistig<br />
unlebendige Menschen nicht gerade blasiert zu sein pflegen.“ (Simmel 2010, S. 14) Aufgrund der<br />
sinnlichen Überforderung eines jeden Einzelnen sind Großstadtbewohner abgestumpft. „Das<br />
Wesen der Blasiertheit ist die Abstumpfung gegen die Unterschiede der Dinge, nicht in dem<br />
Sinne, daß sie nicht wahrgenommen würden, wie von Stumpfsinnigen, sondern so, daß die<br />
Bedeutung und der Wert der Unterschiede der Dinge selbst als nichtig empfunden wird.“<br />
(Simmel 2010, S. 15) Das heißt, dass Großstadtbewohner nur noch relativ selektiv ihre Umwelt<br />
wahrnehmen.<br />
Simmels Ausführungen zur Blasiertheit sind insbesondere vor dem Hintergrund des damals<br />
stark ausgeprägten Stadt-‐Land-‐Gegensatzes zu sehen. Die Blasiertheit spiegelt sich auch in<br />
seiner Beschreibung der Intellektualität wider. „Daraus wird vor allem der intellektualistische<br />
Charakter des großstädtischen Seelenlebens begreiflich, gegenüber dem kleinstädtischen, das<br />
vielmehr auf das Gemüt und gefühlsmäßige Beziehungen gestellt ist.“ (Simmel 2010, S. 10)<br />
Simmel beschreibt die Stadt somit nicht aus ihrer Größe heraus, sondern aus dem Verhalten, das<br />
die Großstadtbewohner zeigen. Somit ergeben sich zwei wichtige Punkte für das soziologische<br />
Verständnis für Städte. Erstens sind Städte relativ groß, dicht bebaut, weisen eine relativ gute<br />
2 Die Diskussion um das Städtische ist begründet im Stadt-‐Land-‐Gegensatz, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch<br />
gegeben war (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 34). Heute spielen weitere Faktoren wie Globalisierung,<br />
Digitalisierung usw. eine zunehmende Rolle (vgl. Sassen 2006, S. 18f.).<br />
3 Schon vor Simmel haben Friedrich Engels und Karl Marx Eigenheiten des städtischen Lebens beschrieben und die<br />
Beseitigung des Unterschieds zwischen Stadt und Land als bedeutenden Punkt ihrer Theorie benannt (vgl.<br />
Marx/Engels 1969, S. 4). Allerdings hat Simmel diese Eigenheiten als Erster klassifiziert. Weitere Berichte über die<br />
Lebenswirklichkeiten in der industriellen Großstadt der frühen Industrialisierung: siehe Reiseberichte zu London aus<br />
dem Jahr 1775 von Georg Lichtenberg (vgl. Lichtenberg 1979) oder auch Heinrich Heine (vgl. Heine 2006).<br />
10
Infrastruktur auf etc. Diese dinglichen Merkmale werden als Verstädterung (vgl.<br />
Häußermann/Siebel 2004, S. 19) bezeichnet. Zweitens charakterisieren Merkmale, wie sie<br />
Simmel beschrieben hat, also jene, die die spezifische Lebensart von Stadtbewohnern betreffen,<br />
den Begriff Urbanität. In Europa ging während der Industrialisierung die Verstädterung zeitlich<br />
einher mit der Urbanisierung, dies ist aber nicht zwingend der Fall (vgl. Häußermann/Siebel<br />
2004, S. 19). Die Stadtsoziologie betrachtet daher Phänomene städtischen Zusammenlebens<br />
unter Berücksichtigung der dinglichen Umwelt sowie auch der Veränderung in ihrer sozialen<br />
Struktur. In Teilbereichen der neueren stadtsoziologischen Literatur wird ebenfalls über den Ort<br />
des Städtischen gesprochen, also über raumsoziologische Aspekte der Stadt (vgl. u.a. Löw 2010;<br />
Löw/Steet/Stoetze 2007). Kern dieser Arbeiten ist es, Raum bzw. Stadt nicht mehr als Container<br />
zu begreifen, sondern als im weiteren Sinne als Anordnung von Räumen, die sozial und<br />
kommunikativ produziert und gegliedert werden (vgl. Friedrichs 2011, S. 35f.).<br />
Selbstverständlich ist, wie Friedrich schreibt, Raum wichtig für soziologische Untersuchungen,<br />
aber nicht „das entscheidende Merkmal des Städtischen“(Friedrichs 2011, S. 36). Das ist eher in<br />
der urbanen Opportunitätsstruktur zu sehen. Solche Opportunitätsstrukturen sind u.a. „Arbeit,<br />
Bevölkerung, Wohnen, Infrastruktur und Normen“. (Friedrichs 2011, S. 36) Die Verteilungen<br />
solcher Merkmale sind allerdings nur innerhalb eines klar abgrenzbaren Bereichs, also eines<br />
Containers, zu beobachten. Somit wird für die vorliegende Arbeit das Containerkonzept der<br />
Stadt akzeptiert. In diesem werden städtische Phänomene lokal verortet. Somit ergibt sich die<br />
Möglichkeit, Verteilungen und Prozesse im Raum zu beschreiben (vgl. Friedrichs 2011, S. 35) 4.<br />
Neben dem Containermodell ist zudem die Berücksichtigung der aktuellen Stadtentwicklung (in<br />
Deutschland) für die vorliegende Arbeit von grundlegender Bedeutung. Im Zuge der<br />
Industrialisierung sind die Städte gewachsen, und auch die Phase des Wiederaufbaus nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg hat an der industriellen Basis der Städte nichts geändert. Heute gibt es<br />
zunehmend weniger Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe in (deutschen) Städten. Diese<br />
Phase wird als postindustrielle Stadtentwicklung bezeichnet und wird im Folgenden näher<br />
erläutert.<br />
1.2 Die postindustrielle Stadt<br />
Während im 19. und in weiten Teilen des 20. Jahrhunderts Städte aufgrund der industriellen<br />
Entwicklung wuchsen, ist dieser Trend zu Beginn des 21. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen<br />
(vgl. Siebel 2007, S. 5). Industrielle Arbeitsplätze haben die Städte verlassen, wenn sie überhaupt<br />
4Eine kurze Zusammenfassung der raumsoziologischen Überlegungen von Bourdieu, die in diesem Zusammenhang zu<br />
einem vertieften Verständnis beitragen können, findet sich in Teicke 2012, S. 16ff..<br />
11
noch in Deutschland sind. Diese Phase der postindustriellen Stadt und der mit ihr verbundenen<br />
Herausforderungen für die Städte ist nur durch die Berücksichtigung der industriegeprägten<br />
Stadtentwicklung zu erklären.<br />
1.2.1 Industrialisierung als Grundvoraussetzung der modernen Stadt<br />
Unter Industrialisierung wird die Phase des Übergangs der Güterproduktion von<br />
landwirtschaftlichen Erzeugnissen hin zu Massenwaren bezeichnet (vgl. Baum 2012, S. 574). An<br />
jeweils spezifisch günstigen Standorten wurden Manufakturen und Fabriken errichtet. Oftmals<br />
fanden sich solche Standorte in Städten, da diese bereits eine relativ gute Infrastruktur<br />
aufwiesen 5. Solche Standorte zogen zunehmend Menschen aus der Region und zum Teil darüber<br />
hinaus an. Es kam zur Verstädterung und zur Urbanisierung. Die Arbeiter erwarben ihren<br />
Unterhalt nun durch Lohnarbeit und nicht mehr durch Subsistenzwirtschaft. Zumeist lebten die<br />
Arbeiter nahe den Fabriken in Wohngebäuden, die als überfüllt und elend beschrieben werden<br />
(vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 47). Die Fabriken wiederum wurden relativ nahe am<br />
Stadtzentrum errichtet und verfügten zumeist über Verbindungen zur Transportinfrastruktur<br />
wie Schienen oder großen Verkehrsstraßen.<br />
Aufgrund dieser Dominanz der Ökonomie in der städtischen Entwicklung wird von der<br />
industriellen Stadt gesprochen. Auf Basis dieser Anforderungen, die die Industrie an die Städte<br />
stellte, wurde Stadtplanung betrieben bzw. gab es Interdependenzen zwischen industriellen<br />
Anforderungen und städtebaulicher Planung. Ein Beispiel dafür ist die Schienenanbindung<br />
ehemaliger innerstädtischer Industrieanlagen. In Deutschland war dieses Modell bis in die<br />
Nachkriegszeit nachweisbar, was sich allerdings mit zunehmender Motorisierung und positiver<br />
Lohnentwicklung und der damit verbundenen Mobilität potenzieller Arbeiter änderte.<br />
Arbeitsplätze wurden aufgrund des zunehmenden Flächenbedarfs ins Umland verlagert. Diese<br />
Entwicklung wird als Fordismus bezeichnet und ist als Übergang zwischen der industriellen und<br />
der postindustriellen Stadt anzusehen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2007, S. 135f.).<br />
1.2.2 Fordistische Stadtentwicklung<br />
Der sogenannte Fordismus geht auf den amerikanischen Unternehmer Henry Ford zurück (vgl.<br />
Häußermann/Läpple/Siebel 2007, S. 136) 6. Er gründete 1903 die Ford Motor Company in<br />
5Ein solches Beispiel bietet die Stadt Wuppertal im Bergischen Land. Es gab in Deutschland jedoch auch andere<br />
Entwicklungen, die sich an Rohstoffvorkommen orientierten, wie am Beispiel des Ruhrgebiets zu sehen ist.<br />
Weiterführend zur Industrialisierung in Deutschland siehe Hahn 2011.<br />
6Mit dem Fordismus ist der sog. Taylorismus eng verbunden. Siehe dazu Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136 ff..<br />
12
Detroit und produzierte dort die ersten Automobile. Der erste Standort befand sich „in einem<br />
kleinem Ziegelschuppen und [sie] zog einige Jahre später in derselben Stadt in ein größeres<br />
Gebäude.“ (Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 138) Der städtische Standort bot zwei wichtige<br />
Vorteile. Zum einen gab es ein schier unerschöpfliches Reservoir an Arbeitskräften und zum<br />
anderen war die Stadt ein wichtiger Testmarkt für Ford (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008,<br />
S. 138). Bei Ford wurde standardisiert produziert und die Fertigung in einzelne Schritte zerlegt.<br />
So wurde die Massenproduktion eines relativ komplexen Produktes mit un-‐ bzw. angelernten<br />
Arbeitern realisiert. Dadurch sank der Stückpreis des Automobils und die Firma konnte<br />
expandieren.<br />
Mit zunehmender Produktionskapazität wuchs allerdings auch der Flächenbedarf, was hohe<br />
Kosten für neue Grundstücke nach sich zog. Ford entschloss sich, dezentral zu expandieren, d.h.<br />
jeder Firmenbereich suchte einen eigenen exurbanen Standort. Dabei berücksichtigte er<br />
allerdings nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch volkswirtschaftliche Aspekte des<br />
Unternehmertums. Er zahlte relativ hohe Löhne, um für seine Produkte ein Nachfragepotenzial<br />
auf dem Markt zu schaffen. Durch diese Standort-‐, Lohn-‐ und Produktionspolitik wurden in den<br />
Vorstädten große Betriebsstätten errichtet und industrielle Arbeitsplätze waren nicht mehr von<br />
städtischer Umgebung abhängig. Vielmehr spielte die Mobilität eine wichtige Rolle, da viele<br />
Arbeiter bei Ford ein eigenes Auto hatten, das sie sich durch hohe Löhne und sinkende<br />
Produktkosten leisten konnten. In diesem Zusammenhang wird auch von der Demokratisierung<br />
des Automobils gesprochen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136ff.).<br />
Fordistische Stadtentwicklung, also die Emanzipation des industriellen Produktionsortes vom<br />
urbanen (Kern-‐)Raum, trat in Deutschland mit der Massenautomobilisierung der 1960er-‐ und<br />
1970er-‐Jahre auf (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136). Mit den Produktionsorten<br />
wurden auch zunehmend Wohn-‐ und Konsumstrukturen in suburbane Standorte verlagert (vgl.<br />
Hesse 2004, S. 5). Die Städte wurden zunehmend zu Dienstleistungs-‐, Verwaltungs-‐, Bildungs-‐<br />
und Kulturorten. Die Epoche der fordistischen Stadtentwicklung ist jedoch abgeschlossen, da<br />
zahlreiche Firmen ihre Produktion internationalisiert haben, um Lohnkosten einzusparen.<br />
Der Fordismus kann ebenfalls als Übergang zwischen der Industrialisierung der Städte und der<br />
Internationalisierung der Produktion verstanden werden. Die heutigen Entwicklungen sind<br />
nicht mehr klar abzugrenzen und zu benennen. Von daher wird vom Postfordismus oder auch<br />
von der postindustriellen Stadt gesprochen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 135). In<br />
ihr überlagern sich unterschiedliche Herausforderungen und Problemlagen wie sinkende<br />
steuerliche Einnahmen, Armut und zunehmende Alterung. Diese Entwicklungen stellen Städte<br />
und Stadtpolitik vor immense Herausforderungen, die im Folgenden aufgezeigt werden.<br />
13
1.2.3 Fünf Herausforderungen der Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
Jede Stadt hat eigene Problemlagen und Ressourcen, mit denen die jeweilige Stadtpolitik<br />
umgehen muss. Allerdings zeigen sich zentrale Problemlagen, die allen deutschen Städten<br />
gemeinsam sind. Strohmeier hat in Anlehnung an Kaufmann fünf zentrale Herausforderungen<br />
für Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts formuliert (vgl. Strohmeier 2007, S. 246):<br />
1. Die ökonomische Herausforderung<br />
Zahlreiche Kommunen haben nicht genügend finanzielle Mittel, um allen Anforderungen<br />
adäquat gerecht werden zu können. „Sie besteht in der Krise der kommunalen Finanzen<br />
und (speziell in der BRD) in der zunehmenden Belastung der Kommunen durch<br />
Problemverschiebungen von der Bund-‐Länder-‐Ebene.“ (Strohmeier 2007, S. 246) Daraus<br />
resultieren zum einen kommunale Haushaltskrisen und zum anderen, damit verbunden,<br />
eine notwendige Prioritätensetzung und Sparzwänge der Stadtpolitik (vgl. Strohmeier<br />
2007, S. 247) als ökonomische Herausforderung.<br />
2. Die demografische Herausforderung<br />
Tiefgreifende demografische Veränderungen der Bevölkerungsstruktur hin zu immer<br />
mehr Senioren 7 und die selektive Abwanderung von Familien aus den Städten ins<br />
Umland (Suburbanisierung) 8 bilden gemeinsam die demografische Herausforderung.<br />
Innerhalb der Städte sind ebenso Disparitäten in der demografischen Zusammensetzung<br />
der Stadtteilbevölkerungen zu erkennen, wie Strohmeier zeigt (vgl. Strohmeier 2006a,<br />
S. 15). Insgesamt muss allerdings zunehmend für eine ältere Stadtgesellschaft gesorgt<br />
werden. Somit ist zu differenzieren zwischen regionalen und innerstädtischen<br />
demografischen Herausforderungen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247).<br />
3. Die soziale Herausforderung<br />
Bei der sozialen Herausforderung ist eine „Polarisierung der sozialen Lage“ (Strohmeier<br />
2007, S. 246) innerhalb der Städte ein zunehmendes Problem. Arme Haushalte, Isolation<br />
und erodierende nachbarschaftliche und familiäre Netzwerke führen in einigen<br />
Stadtteilen zu Problemen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247), wobei in einigen Teilen der<br />
Stadt zunehmend ökonomisch Bessergestellte leben, die sich, falls notwendig,<br />
Dienstleistungen hinzukaufen können (Siebel 2007, S. 128). Ausgleichend zu wirken und<br />
die soziale Infrastruktur passgenau herzustellen und aufrechtzuerhalten, ist die soziale<br />
Herausforderung.<br />
7 Für alle Städte und Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern stellt die Bertelsmann Stiftung unter der Website<br />
www.wegweiser-‐kommune.de kostenfrei eine Bevölkerungsprognose bis 2030 zur Verfügung.<br />
8 Weiterführend zur Thematik der Suburbanisierung siehe www.suburbanisierung.de.<br />
14
4. Die kulturelle Herausforderung<br />
Die kulturelle Herausforderung ist bedingt durch eine schwindende Identifikation der<br />
Bürger mit politischen Entscheidungen und Entscheidungsprozessen. Dies lässt sich an<br />
den sinkenden Wahlbeteiligungen bei (Kommunal-‐)Wahlen ablesen. „In den<br />
Armutsvierteln der Städte und in den Stadtteilen mit den höchsten Migrantenanteilen<br />
sind in der Kommunalpolitik faktisch nicht mehr repräsentierte ‚demokratiefreie Zonen‘<br />
entstanden, in denen eine Minorität der erwachsenen Bevölkerung am politischen Leben<br />
partizipiert.“ (Strohmeier 2007, S. 247) Gründe dafür sind sozial instabile Milieus und<br />
Netzwerke sowie Gestaltungspessimismus (vgl. Strohmeier 2007, S. 247).<br />
5. Die internationale Herausforderung<br />
Zunehmende internationale Zuwanderung und die Konzentration von Migranten in<br />
wenigen innerstädtischen Wohngebieten sind weitverbreitete Phänomene. Allerdings<br />
sind die Zuwanderer mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. „Der zugewanderte<br />
Nachwuchs der Stadtgesellschaft ist besonders von Einkommens-‐ und Bildungsarmut<br />
betroffen, die zudem einander in hohem Maße bedingen.“ (Strohmeier 2007, S. 247) Die<br />
Städte stehen vor der Herausforderung, Integration zu organisieren und entsprechende<br />
Angebote und Infrastruktur bereitzustellen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247).<br />
Insbesondere der internationalen Herausforderung kommt, auch vor dem Hintergrund der vier<br />
anderen Themen, eine wachsende Bedeutung zu. Migranten sind überdurchschnittlich oft von<br />
Armut betroffen, bekommen tendenziell mehr Kinder pro Frau und erzielen geringere<br />
Bildungsabschlüsse (vgl. u.a. Hanesch 2001; Strohmeier 2007; Kopp 2009). Die Integration von<br />
Zuwanderern ist ein wichtiger Schritt, um den Herausforderungen, vor denen Städte zu Beginn<br />
des 21. Jahrhunderts stehen, gerecht zu werden. Bei der Integration, also der Eingliederung<br />
eines Individuums in eine gesellschaftliche Majorität 9, sind zwei Bereiche zu unterscheiden: die<br />
strukturelle und die kulturelle Integration. Die strukturelle Integration meint „die Teilhabe an<br />
den Ressourcen und Positionen des Aufnahmelandes“. (Häußermann/Läpple/Siebel 2008,<br />
S. 315). Die kulturelle Integration meint die Akzeptanz und Verinnerlichung gesellschaftlicher<br />
Normen. Dabei bedingt die strukturelle die kulturelle Integration (vgl.<br />
Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 315). Demnach besteht die Aufgabe primär darin,<br />
Migranten am Wohnungs-‐ und Arbeitsmarkt gleichberechtigt teilhaben zu lassen. Da sich<br />
Migranten in städtischen Teilgebieten konzentrieren, zeigt sich, dass die städtische Struktur<br />
differenziert ist. Eine solche Differenzierung eröffnet auch (im wahrsten Sinne des Wortes)<br />
Handlungsräume für integrationspolitische Maßnahmen. Das Verständnis der Mechanismen, die<br />
9 Es wird unterstellt, dass es sich dabei um einen Zuwanderer handelt, der dauerhaft am Migrationszielort leben<br />
möchte.<br />
15
hinter dieser sozialräumlichen Fragmentierung stehen, ist für die Implikation<br />
integrationspolitischer Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Diese Mechanismen der<br />
sozialräumlichen Differenzierung werden im Dreistufenmodell von Bernd Hamm deutlich.<br />
1.3 Das Dreistufenmodell<br />
Bei der Betrachtung städtischer Strukturen sind Unterschiede der verschiedenen Sozialräume zu<br />
erkennen. Es gibt z.B. Bereiche, in denen nur Büros zu finden sind, wie beispielsweise die City of<br />
London oder der Central Business District Melbourne. Zudem ist auch eine unterschiedliche<br />
Verteilung bzw. Differenzierung der Wohnbevölkerung, abhängig vom Stadtteil, zu erkennen.<br />
Beispiele dafür sind die armutsgeprägten französischen Banlieues oder im Gegensatz dazu die<br />
reichtumsgeprägten gated communitys in Südafrika. Hamm hat diesen Differenzierungen in<br />
seinem Dreistufenmodell Rechnung getragen. Er sieht drei zentrale<br />
Differenzierungsmechanismen, die zugleich Verteilungsmechanismen darstellen.<br />
1. Spezialisierung der Funktion als primärer Verteilungsmechanismus<br />
Die Spezialisierung oder auch funktionsräumliche Differenzierung ist abhängig vom<br />
Wachstum einer Stadt (vgl. Hamm 1977, S. 128). Der wichtigste Antrieb der<br />
Spezialisierung städtischer Teilgebiete ist der Bodenpreis, der infolge des Wachstums<br />
steigt. „Mit zunehmender Bevölkerungszahl – die ja auch ein ökonomisches Potenzial<br />
darstellt – nimmt der Wettbewerb um zentrale Standorte infolge steigender<br />
Grundrentenerwartungen zu, und damit gehen die Bodenpreise in die Höhe.“ (Hamm<br />
1977, S. 128) Eine Spezialisierung bedeutet dabei die ökonomisch bedingte Festlegung<br />
der Nutzung des jeweiligen Grundstücks (vgl. Hamm 1977, S. 128). Daraus folgt, dass<br />
eine Spezialisierung ökonomisch sinnvoll sein muss. Allerdings kann nicht jede<br />
Spezialisierung in jeder Stadt auftreten. Ausschlaggebend sind die örtlichen<br />
Gegebenheiten. Zum einen wird auf vorgefundene Strukturen wie z.B. historische<br />
Stadtkerne oder die lokale Industriestruktur aufgebaut. Zum anderen gibt es physische<br />
Voraussetzungen wie Berghänge, Wasserflächen usw., die nicht jede Bodennutzung und<br />
damit funktionale Differenzierung zulassen (vgl. Hamm 1977, S. 128f.). Der Grad der<br />
Spezialisierung ist abhängig von der Distanz zum Stadtzentrum, das zugleich die stärkste<br />
Spezialisierung aufweist. Distanz wird hier nicht verstanden als räumlicher Abstand<br />
zwischen zwei Orten, sondern als Zeit-‐Kosten-‐Maß (vgl. Hamm 1977, S. 129): Der<br />
zeitliche Aufwand X, der in Kauf genommen werden muss, um zum Ort Y zu gelangen, ist<br />
entscheidend. Die Spezialisierung als funktionale Differenzierung ist in diesem Modell<br />
der primäre Verteilungsmechanismus sozialräumlicher Differenzierung.<br />
16
2. Soziale Segregation als sekundärer Verteilungsmechanismus<br />
Hamm berücksichtigt in seinem Dreistufenmodell, dass städtische Strukturen nicht<br />
ausschließlich funktionell sind (vgl. Hamm 1977, S. 129). Er definiert als sekundären<br />
Mechanismus die Segregation zur Differenzierung sozialräumlicher Strukturen. Mit<br />
dieser ist die Verteilung von Wohnstandorten anhand der sozialen Schichtzugehörigkeit<br />
gemeint. Sie zeigt sich nach Hamm am deutlichsten bei der Wohnstandortwahl der<br />
Unterschicht. Da das Verhältnis von Mietpreis und Einkommen die entscheidende Rolle<br />
spielt, ist der Entscheidungsspielraum bei der Wohnstandortwahl relativ gering (vgl.<br />
Hamm 1977, S. 130). Segregation nach sozialer Schichtzugehörigkeit ist somit der<br />
sekundäre Verteilungsmechanismus.<br />
3. Symbolische Segregation als tertiärer Verteilungsmechanismus<br />
Ähnlich wie der sekundäre Verteilungsmechanismus verhält es sich bei der<br />
symbolischen oder auch subjektiven, Segregation. Dieser liegt die Beobachtung<br />
zugrunde, dass Reiche sich zwar durch das Verhältnis von Einkommen zum Bodenpreis<br />
jeden Wohnstandort in der Stadt aussuchen können, jedoch konzentriert in städtischen<br />
Räumen leben. Es besteht offenbar eine symbolische Identifikation mit einem Ort (vgl.<br />
Hamm 1977, S. 130). Die symbolische Segregation ist damit der tertiäre<br />
Verteilungsmechanismus sozialräumlicher Strukturen.<br />
Das Dreistufenmodell von Hamm bildet somit den Bezugsrahmen für die sozialräumliche<br />
Differenzierung der Stadt. „Nach diesem Bezugsrahmen vollzieht sich also der Prozess der<br />
sozialräumlichen Differenzierung in drei Stufen, wobei die primäre Verteilung wichtiger ist als<br />
die sekundäre, diese wichtiger als die tertiäre. Die übergeordnete Verteilung begrenzt jeweils<br />
objektiv den Spielraum für Standortentscheide der nachfolgenden.“ (Hamm 1977, S. 130)<br />
Durch die beschriebenen Verteilungsmechanismen des Dreistufenmodells kommt es zu<br />
Differenzierungen zweier Effekte: durch den primären Verteilungsmechanismus zur<br />
funktionalen Differenzierung und durch den sekundären und tertiären Verteilungsmechanismus<br />
zur sozialen Differenzierung urbaner Strukturen. Daraus resultierend werden für die<br />
vorliegende Arbeit die Effekte der funktionalen und der sozialen Differenzierung als zentrale<br />
Punkte zur Verteilung städtischer Strukturen berücksichtigt, wobei funktionale Differenzierung<br />
der primäre und soziale Differenzierung der sekundäre Steuerungsmechanismus ist. Sie werden<br />
im Folgenden jeweils ausführlich diskutiert, da beide, und auch jede für sich genommen, für die<br />
Konzeption urbaner Integrationsschleusen von grundlegender theoretischer Bedeutung sind.<br />
Die Erkenntnisse aus der funktionalen und sozialen Differenzierung hinsichtlich der urbanen<br />
Integrationsschleuse werden anschließend miteinander in Beziehung gesetzt. Dadurch wird die<br />
theoretische Grundlage zur Konzeption und Operationalisierung der urbanen<br />
Integrationsschleuse gelegt.<br />
17
1.4 Funktionale Differenzierung<br />
Funktionale Differenzierung als primärer Mechanismus zur Verteilung städtischer Strukturen<br />
produziert räumliche und soziale Strukturen. Durch sie entstehen spezialisierte städtische<br />
Teilgebiete wie Bankenviertel oder armutsgeprägte Wohngebiete, und zugleich schafft sie die<br />
Voraussetzung zur sozialen Differenzierung. Im Folgenden werden städtische Funktionsräume<br />
als Ausdruck funktionaler Differenzierung beschrieben. Zudem wird die sozialökologische<br />
Theorie vorgestellt, die funktionale Differenzierungsprozesse strukturiert und die Dynamiken<br />
der städtischen (Wachstums-‐)Entwicklung berücksichtigt. Auf dieser Basis wird das Konzept der<br />
urbanen Integrationsschleuse unter Berücksichtigung der sozialökologischen Stadtforschung in<br />
einem ersten Schritt konkretisiert.<br />
1.4.1 Städtische Funktionsräume<br />
Um eine Stadt in Gänze funktionsfähig zu halten, bedarf es unterschiedlicher Funktionsräume 10<br />
wie Wohnbereiche, Geschäfts-‐ bzw. Industrieareale, Verkehrs-‐ und Freizeitflächen.<br />
„[Segregation] … bezeichnet die räumliche Verteilung unterschiedlicher Funktionen (Arbeiten,<br />
Wohnen, Freizeit, Verkehr) in einer Stadt.“ (Werheim 2007, S. 580) Anhand der Betrachtung der<br />
Nutzungsintensität, des Bodenpreises und weiterer Hinweise können zusätzliche<br />
Differenzierungen getroffen werden (vgl. Hamm 1977, S. 128ff.), so z.B. günstiges Wohnen mit<br />
hoher Nutzungsdichte (Hochhaus in einer Trabantensiedlung). Gesteuert wird diese Verteilung<br />
von Bodennutzung primär durch den Flächennutzungsplan der Kommune (vgl.<br />
Häußermann/Siebel 2004, S. 228). Eine reine Trennung der Funktionen ist nicht immer möglich,<br />
sodass es auch sogenannte Mischbauflächen bzw. Mischnutzung gibt (vgl. Schwalbach 2009,<br />
S. 43). Ein Beispiel dafür sind Ladenlokale im Erdgeschoss und Wohnnutzung in den<br />
darüberliegenden Etagen. Städtische Funktionsräume sind demnach Orte, die eine primäre<br />
Funktion erfüllen, ohne dabei andere Funktionen zwingend auszuschließen. Eine solche<br />
Differenzierung zeigt sich auf der städtischen Ebene durch die Herausbildung von<br />
spezialisierten städtischen Funktionsräumen. Solche sind zum Beispiel Industriegebiete,<br />
Wohngebiete oder Geschäftsviertel. Funktionsräumliche Differenzierungen verlaufen nach<br />
erkennbaren Mustern. Die sozialökologische Stadtforschung hat solche funktionsräumlichen<br />
Differenzierungserscheinungen bereits vor mehr als hundert Jahren erkannt und beschrieben.<br />
Ihre Erkenntnisse werden im Folgenden vorgestellt und diskutiert.<br />
10 Die funktionale Differenzierung in Funktionsräume wird auch als funktionale Segregation bezeichnet. Zum<br />
Segregationsbegriff siehe Abschnitt 1.5 der vorliegenden Arbeit.<br />
18
1.4.2 Sozialökologische Theorie der Stadt<br />
Die sozialökologische Theorie gehört zu den einflussreichsten und bekanntesten soziologischen<br />
Stadttheorien (vgl. Schnur 2008, S. 11) 11. Sie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts u.a. von den<br />
amerikanischen Soziologen Robert Ezra Park und Ernest Burgess begründet. Sie untersuchten<br />
Wachstums-‐ und Segregationsprozesse am Beispiel der Stadt Chicago 12 . Ihre Methodik<br />
orientierte sich am Journalismus und war durch eigenes Begehen und Dokumentieren des<br />
Forschungsgebietes geprägt. Bekannt wurde dieses Vorgehen unter dem Schlagwort to see life.<br />
Im Kern bedient sich die Sozialökologie Analogien 13 aus der Natur (vgl. Häußermann/Siebel<br />
2004, S. 49f). Prozesse aus der Natur werden auf die städtische Umwelt übertragen. Dabei geht<br />
es um eine „Interdependenz zwischen Sozialem und Territorialem“. (Schnur 2008, S. 12) Das<br />
bedeutet, dass es Orte in der Stadt gibt, die spezifische Funktionen übernehmen (vgl. Schnur<br />
2008, S. 12), wie z.B. Wohnraum für eine spezifische Einwanderergruppe 14 . Solche<br />
Funktionsräume werden im Jargon der Sozialökologie als natural area bezeichnet (vgl. Park<br />
1974, S. 90). Sie sind Produkte eines Verteilungsprozesses und aus ökologischen Verhältnissen<br />
entstanden (vgl. Schnur 2008, S. 12). „Natural Areas sollten physisch abgrenzbar sein, eine nach<br />
sozialen, demografischen oder ethnischen Merkmalen relativ homogene Bevölkerung aufweisen,<br />
soziale Normen und Sanktionen besitzen und aggregierte Lebensstile oder Verhaltensweisen,<br />
die sich in der Summe von anderen Gebieten unterscheiden.“ (Schnur 2008, S. 13). Sie sind<br />
demnach hoch spezialisierte funktionale Räume. Damit bringen sie allerdings auch eigene<br />
Verhaltensweisen mit sich, die als Ausdruck der urbanen Kultur zu verstehen sind.<br />
Welche konkrete Form und welches Ausmaß die Spezialisierung innerhalb einer Stadt annimmt,<br />
hängt dabei vom gesamten innerstädtischen Beziehungsgefüge ab (vgl. McKenzie 1925, S. 77).<br />
Eine natural area ist somit nicht isoliert vom gesamtbiotopischen Zusammenhang. Vielmehr<br />
bildet die Verquickung mit anderen natural areas das sogenannte web of life (vgl. Park 1936,<br />
S. 1). Verbindungen im web of life werden nicht nur durch Kommunikation oder temporäre<br />
Mobilität, sondern auch durch Wanderungsbewegungen gehalten (vgl. Park 1936, S. 7ff). Durch<br />
die beschriebenen Mechanismen entstehen somit in ihrem sozialen Profil relativ klar<br />
voneinander abzugrenzende funktionale Zonen in der Stadt, die sich nach klaren Mustern<br />
11 Selbstverständlich gibt es neben der Sozialökologie noch zahlreiche weitere theoretische Ansätze. Einen guten<br />
Überblick bieten u.a. Saunders 1987, Friedrichs 1995, Schäfers 2010 oder auch eingeschränkt auf das europäische<br />
Stadtmodell Frey/Koch 2011.<br />
12 Deswegen ist auch die Bezeichnung „Chicago School“ für die sozialökologische Stadtsoziologie geläufig.<br />
13 Zur Kritik an der sozialökologischen Theorie siehe Abschnitt 1.4.6 der vorliegenden Arbeit.<br />
14 Die Sozialökologie ist im Hinblick auf wachsende Städte der frühen Industrialisierung entwickelt worden.<br />
19
strukturieren (vgl. Strohmeier 1983, S. 94ff.). Auf Grundlage dieser Überlegungen entwickelte<br />
Burgess sein Zonenmodell der Stadt, welches im Folgenden vorgestellt wird.<br />
1.4.3 Stadtmodell von Burgess<br />
Das Stadtmodell von Burgess gehört zu den bekanntesten und ältesten Modellen der modernen<br />
Stadt. 1923 stellte er es auf einer Tagung der American Sociological Assosiation vor. Das Modell<br />
geht von einem aufgeschichteten ringförmigen Aufbau der Gesamtstadt aus (vgl. Strohmeier<br />
1983, S. 97). Burgess entwickelte sein Modell auf Basis der Annahme, dass es eine stetige<br />
Variation, ein regelmäßiges Muster, der natural areas in Bezug auf ein Zentrum gebe (vgl. Hamm<br />
1977, S. 33).<br />
Sein Modell besteht aus fünf aufgeschichteten Ringen. „Im Zentrum liegt der central business<br />
district, dessen Bodennutzung von Handel, Banken und Versicherungsgebäuden bestimmt wird.“<br />
(Strohmeier 1983, S. 98) Für das Zentrum ist auch der Begriff Loop gebräuchlich (vgl. Friedrichs<br />
1995, S. 40). Eine Wohnnutzung ist im Loop idealtypisch nicht vorhanden (vgl. Friedrichs 1995,<br />
S. 40). Der zweite Ring wird von der zone in transition gebildet. Dort wohnen Migranten, die in<br />
erster Generation in der Stadt leben (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 184). Zudem findet sich dort<br />
Gewerbefläche der Leichtindustrie und Einzelhandel (vgl. Friedrichs 1995, S. 40). Friedrichs<br />
beschreibt die zone in transition mit Schlagwörtern wie: „Gebiet des Lasters, Vergnügungsviertel,<br />
hohe Raten von Geisteskranken, Konzentration von Armut, …“ (Friedrich 1995, S. 40). Die<br />
Gebäude dort sind in der Regel in schlechtem Zustand und werden von den Bewohnern, die<br />
idealtypisch zur Miete wohnen, „heruntergewohnt“. Dadurch kommt es zu Bodenspekulationen,<br />
denn die Hausbesitzer gehen davon aus, dass sie das Gebäude aufgrund des Wachstums der<br />
ersten Zone gewinnbringend umwandeln oder veräußern können (vgl. Hamm/Neumann 1996,<br />
S. 207). Auf diese Weise wächst die innere Stadt (Loop) in die Gebiete der zone in transition und<br />
verändert diese. Die zone in transition wiederum wächst in den dritten Ring hinein, die zone of<br />
workingmen’s homes. In diesem Ring leben die Facharbeiter und Immigranten der zweiten<br />
Generation bereits in Wohnungen besseren Zustands (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 185). Auch<br />
dieser Bereich wächst, gedrückt vom zweiten Ring, in den vierten Ring hinein, die residential<br />
zone (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Die residential zone umfasst die besseren Wohngegenden<br />
einer Stadt. Sie besteht aus dem „Villenviertel sowie Einfamilienhaus-‐ und Reihenhausarealen“.<br />
(Strohmeier 1983, S. 98). Den letzten Ring bildet die commuters zone, die oftmals auch jenseits<br />
der Stadtgrenze liegt (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Der gesamte Stadtaufbau ist somit auf ein<br />
Zentrum ausgerichtet, in das zur Arbeit eingependelt und das am Abend wieder verlassen wird.<br />
„Deswegen wird dem CBD [Central Business District] auch die Eigenschaft der ,Dominanz‘<br />
zugeschrieben.“ (Hamm 1977, S. 35)<br />
20
Abbildung 1: Stadtmodell von Burgess<br />
Quelle: www.mchp-appserv.cpe.umanitoba.ca;abgerufen am30.11.2012<br />
Um das Zentrum der Stadt zu erreichen, müssen somit zum Teil erhebliche Distanzen<br />
zurückgelegt werden. Aus diesem Grund ist Mobilität nicht nur ein städtisches Merkmal,<br />
sondern auch Grundvoraussetzung zur Entstehung von Urbanität. Sie ist ebenfalls vor dem<br />
Hintergrund notwendig, dass sich das Siedlungsgebiet von innen nach außen entwickelt. Durch<br />
das Ineinanderwachsen der einzelnen Ringe kommt es auch zu Verdrängungsprozessen in den<br />
natural areas. Eine solche Verdrängung ist dem Mechanismus der Bodenrendite geschuldet. Es<br />
gibt Nutzungen, die eine höhere Bodenrendite erwarten lassen als andere (vgl. Hamm 1977,<br />
S. 129) und damit Spekulationen ermöglichen (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 206). Auf diese<br />
Weise können natural areas durch Verdrängung ihre Funktion bzw. Spezialisierung verlieren<br />
bzw. verändern. In der Logik der Sozialökologie passiert dies durch Verdrängung beispielsweise,<br />
wenn der dritte in den vierten Ring wächst und die dort ansässige Bevölkerung verdrängt und<br />
somit den Charakter des Gebietes und der Bewohnerschaft verändert 15.<br />
Das Modell von Burgess genoss bereits zur damaligen Zeit hohe Aufmerksamkeit und wurde in<br />
der Folge weiter modifiziert. Daneben entwickelten Harris und Uhlman sowie Hoyt in<br />
Anlehnung an Burgess’ Stadtmodell andere Modelle, die sich aber im Grunde nur insoweit von<br />
diesem unterscheiden, dass nicht mehr von Ringen, sondern von Sektoren bzw. Mehrkernen 16<br />
ausgegangen wird (vgl. Schnur 2008 S. 12). Aber das Modell von Burgess und die<br />
dahinterstehende Theorie wurden auch vielfach kritisiert. Dazu gab es eine Reihe<br />
faktorialökologischer Untersuchungen, die alle das Ziel hatten, die sozialökologische Theorie<br />
entweder zu widerlegen oder zu untermauern (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 188). Allerdings<br />
15 Wie solche Austauschprozesse vonstattengehen, ist in Abschnitt 1.4.5 der vorliegenden Arbeit beschrieben.<br />
16 Für eine ausführliche Darstellung der genannten Stadtmodelle siehe Schnur 2008, S. 12 oder Teicke 2012, S. 22.<br />
21
ist unbestreitbar, dass es die beschriebenen Funktionsräume gab und gibt, wie besonders an<br />
migrantengeprägten Stadtgebieten zu sehen ist. Auf diesen urbanen Funktionsraum wird in der<br />
vorliegenden Arbeit besonderes Augenmerk gerichtet.<br />
1.4.4 Zone in transition als urbaner Funktionsraum<br />
Burgess beschreibt die zone in transition mit den drastischen Worten: „Within a deteriorating<br />
area are rooming-‐housing, the purgatory of ,lost souls‘“. (Burgess 1984, S. 57) Es sind seiner<br />
Auffassung nach Orte der Desintegration, die jedoch auch Kreative anziehen und Wohnraum für<br />
Migranten und ärmere Bürger bereithalten. Innerhalb der zone in transition bilden Migranten<br />
auch natural areas, die durch monoethnische Gegenden, wie z.B. Little Italy in New York, geprägt<br />
werden. Den Einwohnern wird zugeschrieben, dass sie die zone in transition, in die sie vor noch<br />
nicht allzu langer Zeit zugezogen sind, bald wieder verlassen wollen, denn mit einem Verlassen<br />
des Ortes ist auch ein sozialer Aufstieg verbunden (vgl. Burgess 1984, S. 56). Die zone in<br />
transition ist demnach der Ort, an dem Migranten ankommen, in dem sie Orientierung finden<br />
und von dem sie schnellstmöglich wieder fortziehen möchten. Sie bietet aber auch Gelegenheit<br />
zur Arbeit und ermöglicht soziale Unterstützung (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008,<br />
S. 313ff.).<br />
Zwar ist der bauliche Zustand der Wohnungen schlecht und das soziale Milieu tendenziell<br />
ethnisch und/oder sozial homogen, doch ist es auch der Ort der Künstler und des Neuen in der<br />
Stadt. Neben Angehörigen ethnischer Minoritäten leben dort auch „junge, alleinstehende<br />
Erwachsene, die am Beginn ihrer beruflichen und familiären Karriere stehen. Sie sind dort<br />
eingezogen, weil sie für die meist schlecht ausgestatteten Altbauwohnungen geringe Mieten<br />
zahlen müssen.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 206) Auch finden sich Leichtindustrie,<br />
Handwerksbetriebe und Vergnügungsstätten in der zone in transition (vgl. Hamm/Neumann<br />
1996, S. 184). Solche Gewerbebetriebe sind oftmals mit Lärm und Emissionen verbunden, die<br />
ruhige Wohnverhältnisse eher schwierig machen. Sie ermöglichen den dort ansässigen<br />
Bewohnern allerdings ein geringes Einkommen durch erste, auch informelle,<br />
Arbeitsmöglichkeiten.<br />
Doug Saunders hat in seinen journalistischen Berichten über solche Ankunftsstädte überall auf<br />
der Welt dieselben Entwicklungen beschrieben (vgl. Saunders 2011). Es gibt in jeder Stadt ein<br />
Gebiet, in dem Migranten ankommen. In einigen Fällen wird dieser Ankunftsort durch diese<br />
selbst transformiert. In anderen Quartieren dient er als soziale Schleuse. Gemeinsam ist diesen<br />
Orten –und das deckt sich mit den Beschreibungen der Chicagoer Schule, dass sie eine<br />
Brückenkopffunktion innehaben. Das bedeutet, wenn in einem Gebiet bereits Migranten aus<br />
Land X oder Dorf Y wohnen, werden auch weitere Migranten mit demselben kulturellen<br />
22
Hintergrund hinzuziehen, was wiederum mit der Invasions-‐Sukzessions-‐Theorie 17<br />
übereinstimmt. Es gibt in urbanen Strukturen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Stadtgebiete,<br />
in die Migranten bevorzugt ziehen, wo sie aber nur eine kurze Zeit verweilen, um<br />
weiterzuziehen, nachdem sie sich wirtschaftlich und kulturell etabliert haben – so der Idealfall.<br />
Ein Quartier, das solche Eigenschaften erfüllt, hat den Charakter einer zone in transition.<br />
Solche Entwicklungen sind allerdings weder räumlich noch sozial als statisch anzusehen.<br />
Vielmehr sind städtische Funktionsräume, und damit auch urbane Integrationsschleusen,<br />
Dynamiken unterworfen. Bereits den Sozialökologen Burgess und Park war bewusst, dass sich<br />
unterscheidbare soziale Phänomene in kleineren Gebietseinheiten als der gesamtstädtischen<br />
Ebene zeigen (vgl. Park 1974, S. 90). Wie solche Dynamiken ablaufen und wie beispielsweise<br />
städtische Funktionsräume wie die zone in transition produziert und verändert werden, wird in<br />
der sozialökologischen Stadtforschung mittels Invasion und Sukzession erklärt.<br />
1.4.5 Invasions-‐Sukzessions-‐Zyklen<br />
Wie beim gesamtstädtischen Modell wird auch innerhalb des Konzepts des Invasions-‐<br />
Sukzessions-‐Zyklus davon ausgegangen, dass es sich um ökologische Prozesse handelt, die in<br />
Analogie zur Natur zu beschreiben sind. Der Grundgedanke dabei ist, dass in einem Gebiet zu<br />
Beginn des Beobachtungszeitraums eine andere Bevölkerungsgruppe lebt als zum Ende des<br />
Beobachtungszeitraums (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212).Durch Wanderungsbewegungen<br />
hin zu und fort vom Beobachtungsgebiet ändert sich die Gebietsbevölkerung. „Dies geschieht in<br />
der Regel dann, wenn der soziale Status einer der beiden Gruppen[Zuwanderer oder<br />
Fortzeihende] sich verändert.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 212) Eine solche Statusänderung<br />
könnte beispielsweise der soziale Aufstieg einer ethnischen Minorität sein, die sich im Raum<br />
manifestiert. In der Fachliteratur wird zum Teil das Beispiel des Zuzugs afroamerikanischer<br />
Bewohner in ein von weißen Bewohnern geprägtes Gebiet angesprochen (vgl. Hamm/Neumann<br />
1996, S. 212). Der Invasions-‐Sukzessions-‐Zyklus verläuft idealtypisch in mehreren Phasen und<br />
beginnt mit dem Zuzug weniger Angehöriger einer Minderheitsgruppe. Nach und nach ziehen<br />
weitere Angehörige dieser Minorität nach. Nach einiger Zeit versuchen die Einheimischen dies<br />
zu verhindern oder empören sich darüber. „Wenn die Zahl der ,Invasoren‘ aber einen gewissen<br />
Umfang (,tipping-‐point‘) erreicht hat, dann sehen die bisher Ansässigen ihren Widerstand als<br />
zwecklos und beginnen fluchtartig das Wohngebiet zu verlassen, in das dann rasch weitere<br />
Invasoren nachziehen.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 212) Sobald in einem Gebiet die Minderheit<br />
zur Mehrheit geworden ist, etabliert sie auch ihre eigene Infrastruktur wie z.B. kulturspezifische<br />
17 Vgl. Abschnitt 1.4.5<br />
23
Geschäfte. Der Verdrängungsprozess der ehemaligen Bevölkerung geht soweit, bis es eine<br />
nahezu homogene Quartiersbevölkerung gibt (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212f.).<br />
Auch in diesem Konzept ist das Element der Dominanz zu erkennen, das typisch für die<br />
Chicagoer Schule ist. Allerdings ist hier nicht ein Gebiet dominant, sondern eine<br />
Bevölkerungsgruppe. Angelehnt an die Logik des Invasions-‐Sukzessions-‐Zyklus wurden weitere<br />
theoretische Modelle zur Erklärung von Gebietstransformationen entwickelt, dessen<br />
geläufigstes sicher das der Gentrification ist 18. Anhand all dieser Modelle, ob sie empirisch zu<br />
belegen sind oder nicht, wird deutlich, dass funktionale Differenzierung auch von Dynamiken<br />
und Wanderungen geprägt ist.<br />
1.4.6 Kritik an der sozialökologischen Theorie<br />
Die sozialökologische Theorie wurde oftmals und auch nicht zu Unrecht kritisiert. Erste Kritik<br />
kam bereits kurz nach der Veröffentlichung von Burgess’ Stadtmodell auf und hielt bis in die<br />
Nachkriegszeit an. Heute gilt die Theorie als weitgehend überholt, hat jedoch nach wie vor einen<br />
hohen Einflussfaktor auf das Verständnis von Städten (vgl. Schnur 2008, S. 11). Insbesondere<br />
wird der Sozialökologie vorgeworfen, dass sie ideologisch sei, da sie im Konkurrenzkampf oder<br />
auch Wettbewerb zwischen den sozialen Gruppen einer Stadt um soziale Güter und<br />
Bodennutzung den primären Mechanismus sieht. Ein solches Verständnis würde die<br />
Wettbewerbsethik der damaligen Zeit widerspiegeln (vgl. Aliha in Saunders 1987, S. 82). Zudem<br />
ist das Stadtmodell von Burgess nur auf Wachstumsbedingungen ausgelegt und liefert keine<br />
Erklärungsansätze für schrumpfende Städte, wie sie heute, demografisch bedingt in Europa oder<br />
Teilen Asiens, zu beobachten sind(vgl. United Nations 2012, S. 1).<br />
Weiterhin wurde das Modell dahin gehend kritisiert, dass es keinen empirisch nachzuweisenden<br />
ringförmigen Aufbau einer Stadt gäbe. Diese Kritik ist nicht vollends haltbar, wie Hamm und<br />
Neumann schreiben: „Im überwiegenden Teil der Untersuchungen, die sich mit räumlichen<br />
Verteilungsmustern beschäftigt haben, liegen methodisch falsche, nämlich rein schematische<br />
statt theoretisch angeleitete Operationalisierungen vor. […] Es ist schlicht Unsinn, das Modell<br />
der konzentrischen Zonen untersuchen zu wollen, indem mit einem Zirkel Kreise auf eine Karte<br />
gezeichnet werden.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 191) Vielmehr muss Distanz in diesem Modell<br />
als Kosten-‐Nutzen-‐Aufwand angesehen werden (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Ein weiterer<br />
wichtiger Kritikpunkt ist die Vernachlässigung der Möglichkeit der politischen Einflussnahme<br />
auf die Stadtentwicklung (vgl. Schnur 2008, S. 21). Tatsächlich findet eine solche Möglichkeit<br />
18 Zur ausführlichen Erläuterung der Gentrification siehe Schnur 2008, S. 17. Ein Zeugnis der Popularität dieser<br />
Theorie bietet Twickel 2010.<br />
24
keine Beachtung, was wiederum für die zeitgenössische Logik spricht, in der die Theorie<br />
entwickelt wurde. Zudem wird die Analogie zur Natur als nicht zulässig kritisiert, da es sich<br />
nicht um biologische, sondern um soziale Prozesse handele (vgl. Saunders 1987, S. 83).<br />
Wie die Kritik an der Sozialökologie zeigt, sind einige, zum Teil grundlegende Punkte den<br />
Stadtstrukturen des 21. Jahrhunderts nicht mehr angemessen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass<br />
es keine Konzepte innerhalb dieser Theorie gibt, die auch heute noch erhebliche Erklärungskraft<br />
besitzen. Sie müssen jedoch im Kontext der postindustriellen Stadt angewendet werden. Daher<br />
wird für die weitere Arbeit das Konzept der zone in transition sowie des Invasions-‐Sukzessions-‐<br />
Zyklus unter Beachtung der genannten Punkte weiterhin akzeptiert.<br />
1.4.7 Kritische Anmerkung zu Bernd Hamm<br />
Neben der Kritik an der sozialökologischen Theorie weist auch Hamms theoretische<br />
Auseinandersetzung mit der Produktion städtischer Strukturen Kritikpunkte auf. Hamm hat in<br />
seiner Erklärung städtischer Prozesse weite Teile der sozialökologischen Stadtforschung nahezu<br />
vorbehaltlos übernommen. Jedoch werden dabei zentrale Punkte städtischer Strukturen und<br />
Entwicklungen vernachlässigt. Zum einen – und das zeigt auch Hamms Dreistufenmodell – wird<br />
immer von wachsenden Städten ausgegangen, und es bestehen keine Erklärungsansätze für<br />
schrumpfende urbane Räume. Die Frage bleibt offen, ob die genannten Prozesse auch<br />
„rückwärts“ verlaufen, und es werden keine eindeutigen Erklärungsansätze dafür geliefert, dass<br />
es in schrumpfenden Städten zu verstärkten Entmischungstendenzen der Wohnbevölkerung<br />
kommt. Zum anderen werden ähnlich wie bei der Sozialökologischen Schule gesamtstädtische<br />
Strukturen als Ganzes untersucht und dabei die Stadtteil-‐ bzw. Quartiersebene als zweitrangig<br />
behandelt. Dennoch zeigt Hamm in seiner Differenzierungsannahme die herausstechenden<br />
Mechanismen städtischer und quartiersbezogener Entwicklungen. Bei der Übertragung dieser<br />
Annahmen auf die postindustrielle Stadt des 21. Jahrhunderts in Verbindung mit den daraus<br />
resultierenden Herausforderungen zeigt sich in der funktionsräumlichen Ausdifferenzierung<br />
diezone in transition als urbane Integrationsschleuse.<br />
1.4.8 Urbane Integrationsschleuse als zone in transition der postindustriellen Stadt<br />
Entwickelt wurde die Theorie, die das Konzept der zone in transition beinhaltet, durch<br />
Beobachtung amerikanischer Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es ist sinnvoll, sich den<br />
Charakter solcher Stadtviertel zu der Zeit zu vergegenwärtigen, auch um die Entwicklungen in<br />
europäischen Städten nachzuvollziehen.<br />
25
Die europäischen Städte erlebten keine internationale, sondern zuvordererst eine nationale<br />
Zuwanderung (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 20). So unterscheidet sich zum einen das<br />
Ausmaß und zum anderen auf den ersten Blick die internationale Herausforderung, vor denen<br />
Städte standen und stehen (vgl. Strohmeier 2007, S. 246). Bei der Betrachtung der Situation im<br />
industriellen Zeitalter sind die Beschreibungen von Engels über die Lage der Arbeiter in England<br />
ein eindrucksvolles Zeugnis über solche Ankunftsgebiete. Zwar berichtet er in erster Linie über<br />
die mangelnden Hygieneverhältnisse und den niedrigen Wohnstandard, doch wird aus seinen<br />
Beschreibungen ebenfalls deutlich, dass die dort ansässige Bevölkerung u.a. dadurch<br />
gekennzeichnet ist, dass sie diesen Ort schnellstmöglich wieder verlassen möchte (vgl. Engels<br />
1954, S. 91ff.). Daraus lässt sich schließen, dass solche Arbeiterquartiere der damaligen Zeit<br />
bereits von Fluktuation und Dynamik gekennzeichnet waren. Auch gab es zum Teil erhebliche<br />
Bevölkerungsbewegungen zwischen Stadt und Land, z.B. in der Erntezeit (vgl.<br />
Häußermann/Siebel 2004, S. 22) 19. Somit benötigten ärmere Einwohner Wohnraum, der leicht<br />
zu bekommen, billig und austauschbar war. Sie strebten aber zugleich nach Wohnraum in<br />
„besseren“ Gegenden oder auch wieder zurück in ländlichere Gebiete (vgl. Häußermann/Siebel<br />
2004, S. 22).<br />
Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert und im weiteren Verlauf, mit Einschränkungen<br />
bezüglich der beiden Weltkriege, änderte sich dies für kurze Zeit. Durch wirtschaftliches<br />
Wachstum und soziale Sicherheit, die einer betrieblichen Sozialpolitik zu verdanken war, kam es<br />
zur Spezialisierung städtischer Teilgebiete. Aufgrund dessen ließen sich Arbeiter in eigenen<br />
Arbeitergebieten nieder und die Austauschbeziehung mit den Migrationsquellgebieten kam zum<br />
Erliegen. In dieser Zeit entstand eine städtische Arbeiterklasse. Dadurch kam es in den<br />
Arbeiterquartieren der Großindustrie weder zu sozialer noch zu räumlicher Mobilität (vgl.<br />
Ulrich 1985, S. 233ff.). Diese Quartiere entwickelten, bedingt durch soziale Homogenität und<br />
zum Teil verwandtschaftliche Beziehungen, eigene feste soziale Netzwerke (vgl. Mackensen et<br />
al.1959, S. 223f.). Solche sozial homogenen Gebiete finden sich in (deutschen) Großstädten in<br />
dieser Form nicht mehr. Statt Gebieten mit derartig festen sozialen Strukturen gibt es, zumeist<br />
sogar in den gleichen städtischen Teilgebieten wie damals, Ankunftsorte. Zwar ist auch dort ein<br />
erhebliches Maß an Solidarität und Hilfeleistung zu beobachten, dieses ist aber primär an<br />
ethnische und nicht an soziale Zugehörigkeit gebunden (vgl. Ceylan 2006, S. 51). Dort leben die<br />
meisten Zuwanderer und die Ärmsten der Stadtgesellschaft. Zuwanderer ziehen tendenziell als<br />
19 Solche Bevölkerungsbewegungen, die auf landwirtschaftliche Gründe zurückzuführen sind, finden sich auch heute<br />
noch z.B. in Indien. Dazu weiterführend LZpB BW 2009. Neben solchen gibt es periodische Wanderungsbewegungen<br />
zu kulturellen Anlässen, was in China zu den chinesischen Neujahrsfeiertagen zu beobachten ist, die einen erheblichen<br />
Bevölkerungsaustausch zwischen Stadt und Land mit sich bringen, weil zu diesem Anlass kurzzeitig alle Menschen in<br />
ihre Heimatregionen wandern. Dazu weiterführend Kissinger 2011 oder auch Heberer/Rudolph 2010.<br />
26
Erstes dorthin, und dies zumeist wegen des relativ günstigen Mietpreises. Das wiederum<br />
impliziert, dass es sich um relativ arme Zuwanderer handelt. Somit sind solche<br />
Übergangsgebiete wie die zone in transition der Chicagoer Schule armutsgeprägte Gebiete.<br />
In der industriellen Stadt des 20. Jahrhunderts waren es primär Arbeitsmigranten, die in diese<br />
Gebiete zogen. In der postindustriellen Stadt des 21. Jahrhunderts ist dies nicht mehr eindeutig<br />
zu klassifizieren. Es überlagern sich unterschiedliche Zuwanderungsströme in Städte und damit<br />
auch in solch beschriebene Stadtgebiete. Dazu zählt nach wie vor die Arbeitswanderung, aber<br />
auch die Bildungswanderung, insbesondere in Universitätsstädten (vgl. BBSR 2011, S. 16). Die<br />
Zugezogenen verbleiben allerdings nicht lange im Stadtteil, sondern verteilen sich nach relativ<br />
geringer Wohndauer in andere Wohnorte in-‐ und außerhalb der Stadt. Somit gibt es, im Sinne<br />
der funktionellen Differenzierung, Stadtteile, die eine Ankunfts-‐ und Verteilerfunktion<br />
innehaben.<br />
1.5 Soziale Differenzierung<br />
Die soziale Differenzierung als sekundärer Verteilungsmechanismus städtischer Strukturen<br />
führt zur Nutzung oder auch Ausgestaltung der durch funktionelle Differenzierung geschaffenen<br />
städtischen Strukturen. Durch die soziale Differenzierung werden Wohnstandorte verteilt, und<br />
somit werden durch sie auch urbane Integrationsschleusen produziert. Die soziale<br />
Differenzierung innerhalb städtischer Räume vollzieht sich auf der Ebene von Stadtteilen und<br />
Quartieren. Entlang dieser Punkte zeichnet die folgende Betrachtung die soziale Differenzierung<br />
hin zur Konzeption der urbanen Integrationsschleuse als deren Konsequenz nach.<br />
1.5.1 Segregation als urbanes Phänomen<br />
Die ungleiche Verteilung unterschiedlicher Gruppen innerhalb eines Gebietes (hier: der Stadt)<br />
hat es schon immer gegeben. Beispielsweisewaren im alten Ägypten Teile der Stadt nur der Elite<br />
vorbehalten. In den mittelalterlichen Städten Europas waren Städte nach Zünften gegliedert. Das<br />
bedeutete, dass nur Angehörige einer Zunft in einem speziell dafür ausgewiesenen Gebiet leben<br />
durften (vgl. u.a. Hamm/Neumann 1996, S. 205; Gehne 2012, S. 18f.). Heutzutage gibt es z.B.<br />
gated communities, die aufgrund ihrer Bodenpreise nur für Reiche erschwinglich und somit<br />
ihnen vorbehalten sind.<br />
Es zeigt sich, dass Segregation zwar kein neues, aber nach wie vor ein aktuelles städtisches<br />
Phänomen ist. Für ein tieferes Verständnis von Segregation ist es ebenso notwendig zu<br />
berücksichtigen, dass nicht überall innerhalb eines Gebietes Menschen leben, d.h. verteilt sein<br />
können. Deutlich wird dies, wenn man beachtet, dass auf einer Wasserfläche oder an einem<br />
27
steilen Berghang niemand leben, d.h. keine Bevölkerung konzentriert oder verteilt sein kann. Es<br />
sind also nicht ausschließlich gesellschaftlich produzierte Umstände, die zur ungleichen<br />
Verteilung und Konzentration von Merkmalen im Merkmalsraum beitragen, sondern auch<br />
physisch bestimmte Gegebenheiten.<br />
Anders als beim Stadtbegriff findet sich in der soziologischen Literatur ein hohes Maß an<br />
Übereinstimmung, was unter Segregation verstanden wird. Gemeint ist damit eine<br />
Konzentration homogener Merkmalsträger innerhalb eines heterogenen Merkmalsraumes. Es<br />
wird also im Merkmalsraum, z.B. einer Stadt, eine Vielfalt, bezogen auf Merkmale wie z.B. Alter,<br />
vorausgesetzt. Wenn es nur Bewohner gäbe, die 30 Jahre alt wären, würden überall Menschen<br />
desselben Alters leben, und sie wären somit nicht segregiert. Im soziologischen Wörterbuch<br />
findet sich die Definition von Segregation wie folgt: „Segregation, zumeist räumliche Aufteilung<br />
von Individuen nach Hautfarbe, Konfession, Geschlecht, Status und anderen Merkmalen, die sich<br />
in der Art der Zugangsmöglichkeit zu Wohnbezirken, Schulen, Kirchen, Klubs, öffentlichen<br />
Einrichtungen niederschlägt.“ (Wienold 2007, S. 581) In dieser Definition ist bereits der Effekt<br />
von Segregation angedeutet: Segregation entscheidet über die Zugangschancen zu<br />
gesellschaftlich relevanten Gütern und ist deshalb auch als ein Maß an Ungleichheit innerhalb<br />
einer Gesellschaft zu betrachten (vgl. u.a. Friedrichs 1995, S. 79; Häußermann/Siebel 2004,<br />
S. 140; Strohmeier 2006a, S. 12). Jedoch wird diese Ungleichheit nicht immer als problematisch<br />
gewertet. „Generell wird die räumliche Segregation nur dann als problematisch gesehen, wenn<br />
damit Ungleichheit verfestigt oder sogar verstärkt wird.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 3)<br />
Auch zu beachten ist, dass zwar oft über segregierte Gebiete gesprochen wird, es sich aber<br />
immer um segregierte Personen handelt, die räumlich konzentriert sind. Vielmehr kommt<br />
Ungleichheit erst in Räumen, in denen Segregation stattfindet, zum Ausdruck (vgl. Häußermann<br />
2008, S. 336). Grundsätzlich gibt es zwei Wege der Segregation: die aktive, also freiwillige<br />
Segregation und die passive, also erzwungene 20 Segregation (vgl. Wienold 2007, S. 581.). Aktive<br />
Segregation zeigt sich z.B. in dem Phänomen, dass Reiche die am stärksten segregierte Gruppe<br />
innerhalb einer Stadt bilden (ILS/ZEFIR 2003, S. 3). Passive Segregation ist in Armutsstadtteilen,<br />
in denen die Ärmsten der Stadtgesellschaft leben, zu erkennen. Aus der Einteilung in passive und<br />
aktive Segregation resultiert auch der primäre Segregationsmechanismus 21 , der<br />
Immobilienmarkt (vgl. Strohmeier 1983, S. 95). In erster Linie werden Standorte durch<br />
Marktprozesse verteilt. Beispielsweise sind besonders begehrte Wohnstandorte entsprechend<br />
20 Erzwungene Segregation im Sinne von Apartheid wird für die vorliegende Arbeit nicht berücksichtigt. Dazu<br />
weiterführend am Beispiel Südafrikas Adam/Mooley 1998.<br />
21 Die symbolische Segregation als sekundärer Segregationsfaktor wird im Rahmen dieses Abschnitts nicht direkt<br />
behandelt. Weiterführend dazu siehe u.a. ILS/ZfT 2008, S. 22ff.<br />
28
teuer und können nur von denjenigen bewohnt werden, die es sich leisten können dort zu leben.<br />
So ist der Grad der Segregation auch ein Zeichen dafür, ob es sich tendenziell um einen<br />
angespannten Wohnungsmarkt handelt. Denn je entspannter ein Wohnungsmarkt ist, desto<br />
stärker ist das Ausmaß der Segregation (vgl. Strohmeier 2006b, S. 1), denn dann können sich<br />
auch Menschen mit geringerem Einkommen eher aussuchen, wo sie wohnen möchten. Bei<br />
angespannten Wohnungsmärkten können Menschen trotz evtl. steigenden Einkommens zum<br />
einen nicht überall in der Stadt eine Wohnung finden, die frei ist, und zum anderen zwingen die<br />
Mietpreise zum Verbleib in der günstigeren Wohnung 22. Bei einer differenzierten Betrachtung<br />
von Segregation als sozialer Differenzierung ist eine Klassifizierung der Segregation nach<br />
Merkmalsart ebenfalls sinnvoll. Im Folgenden werden drei relevante Segregationsarten<br />
vorgestellt.<br />
1.5.2 Soziale Segregation<br />
Soziale Segregation „umschreibt die Verteilung sozialer Gruppen […] in einer Stadt anhand ihres<br />
Wohnortes“ (Werheim 2007, S. 580). Beispiele für sozial segregierte Stadtgebiete sind<br />
Villenviertel oder auch Stadtteile mit vielen armen Bewohnern. Mit sozialen Gruppen sind hier<br />
in erster Linie Einkommensgruppen gemeint. Der zugrunde liegende Verteilungsmechanismus<br />
sozialer Gruppen in einer Stadt ist, wie eingangs schon erläutert, der Wohnungsmarkt. Negativ<br />
betroffen von sozialer Segregation in deutschen Großstädten sind vor allem Familien bzw.<br />
Kinder. Denn in den sozial passiv segregierten großstädtischen Gebieten leben die meisten<br />
Familien. Dem liegt das Phänomen zugrunde, dass Familien, die es sich leisten können, aus der<br />
Stadt ins Umland ziehen (Suburbanisierung) und tendenziell die ärmeren Familien in der Stadt<br />
verbleiben, die zudem die meisten Kinder haben (vgl. Strohmeier 2008, S. 491f.). Gemessen<br />
werden kann soziale Segregation z.B. durch den Indikator Arbeitslosenanteil. Jedoch muss dieser<br />
Indikator für mehrere Teilgebiete und/oder für die Gesamtstadt vorliegen, um Ungleichheiten<br />
zu erkennen.<br />
1.5.3 Ethnische Segregation<br />
Ethnische Segregation „umschreibt die Verteilung ethnischer Gruppen in einer Stadt anhand<br />
ihres Wohnortes“ (Werheim 2007, S. 580). Beispiele für ethnisch (zum Teil auch kulturell<br />
genannte) Segregation sind türkisch geprägte Stadtteile im Ruhrgebiet oder auch sogenannte<br />
Chinatowns in US-‐amerikanischen Städten. Das Ausmaß der ethnischen Segregation allein sagt<br />
22Über den in diesem Kontext wichtigen Zusammenhang zwischen Wohnungsmarkt und demografischer Entwicklung<br />
siehe weiterführend Häußermann/Siebel 1987, S. 149ff. oder auch Schnur 2008, S. 29ff.<br />
29
nichts darüber aus, ob es sich um aktive oder passive Segregation handelt. Messbar ist die<br />
ethnische Segregation durch den Anteil von Migranten pro 100 Einwohner in einem Gebiet. Dazu<br />
sind, wie bei der sozialen Segregation, entsprechende Vergleichsdaten nötig, um das Ausmaß<br />
der Ungleichverteilung zu definieren. Auf diese Weise wird eine Vergleichbarkeit zwischen den<br />
betrachteten Teilgebieten geschaffen und Segregation verdeutlicht. Um die relative Dimension<br />
der Segregation von Minoritäten zu operationalisieren, gibt es den Segregationsindex von<br />
Duncan und Duncan, der das Ausmaß der Segregation im jeweiligen städtischen Kontext<br />
beschreibt, jedoch keine Vergleichbarkeit zwischen Städten ermöglicht (vgl. Friedrichs 1995,<br />
S. 79; Häußermann/Siebel 2004, S. 140f. ; Farwick 2004, S. 257).<br />
1.5.4 Demografische Segregation<br />
„Eine spezifische Form in den Städten ist die demografische Segregation, die nach den<br />
Merkmalen Alter, Haushaltstyp bzw. Lebenszyklusphase charakterisiert wird. Die<br />
Stadtbevölkerung verteilt sich nach Altersgruppen und Haushaltszusammensetzung nicht<br />
gleichmäßig über alle Quartiere.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 4) Dieser Definition folgend gibt es Gebiete<br />
in einer Stadt, in denen tendenziell eher ältere Menschen wohnen als in anderen Gebieten. Die<br />
Möglichkeit zur Operationalisierung besteht durch das Bilden des Medianalters für die<br />
interessierenden Gebiete sowie für die Gesamtstadt. Abweichungen vom gesamtstädtischen<br />
Durchschnitt und zwischen den einzelnen Teilgebieten sind somit leicht zu erkennen.<br />
1.5.5 Überlagerung der Segregationsarten<br />
Die Mechanismen der Ungleichverteilung, die in den verschiedenen Segregationsarten zum<br />
Ausdruck kommen, können sich zum Teil auch gegenseitig überlagern bzw. verstärken.<br />
„Segregation stellt dabei in der Regel – wie Armut – ein multidimensionales Phänomen dar.<br />
Vielfach fallen in städtischen Problemlagen alle drei Erscheinungsformen zusammen und<br />
überlagern sich räumlich.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 4) Daraus folgt, dass es Gebiete in der Stadt gibt,<br />
in denen unterschiedliche Arten passiver Segregation relativ stark vorkommen. Geprägt sind<br />
solche „Armutsgebiete“ von relativ vielen armen, ausländischen und zumeist auch jungen<br />
Menschen, wie Strohmeier am Beispiel des Ruhrgebiets veranschaulicht (vgl. Strohmeier 2001,<br />
S. 13ff.).<br />
Um Segregation zu messen, bedarf es statistischer Verfahren. Eines dieser Verfahren wurde von<br />
den US-‐amerikanischen Forschern Shevky und Bell entwickelt. Ihr bedeutendes Konzept der<br />
Operationalisierung verschiedener Segregationsarten ist die Sozialraumanalyse<br />
30
(vgl. Bell/Shevky 1974, S. 128). Dazu werden mittels einer Faktorenanalyse 23 drei Indizes für<br />
jeden städtischen Teilraum erstellt: soziale Position (soziale Segregation), Verstädterung<br />
(demografische Segregation) und Segregation (ethnische Segregation) (vgl. Bell/Shevky 1974,<br />
S. 128f) 24. Dadurch wird die Lage eines jeden untersuchten Gebietes im „sozialen Raum“ sichtbar<br />
gemacht. Wenn die unterschiedlichen Segregationsarten in einem Gebiet verstärkt auftreten,<br />
würde das allerdings noch nicht zwingend bedeuten, dass es einen Zusammenhang gibt. Soziale<br />
Segregation könnte auch unabhängig von den anderen beiden Segregationsarten in einem Gebiet<br />
auftreten. Zumindest für deutsche Großstädte wurde ein solcher Zusammenhang jedoch<br />
nachgewiesen. Innerhalb städtischer Räume zeigen sich demnach Polarisierungstendenzen,<br />
wodurch sich die von Armut und Reichtum geprägten Gebiete (zunehmend) voneinander<br />
unterscheiden lassen. Innerhalb armutsgeprägter Stadtgebiete leben zudem auch die meisten<br />
Kinder und die Mehrzahl der Migranten der Stadt(vgl. u.a. Häußermann/Siebel 2001, S. 24ff.;<br />
Neu/Strohmeier/Kersting 2004, S. 225ff.).<br />
Eine solche Sozialraumanalyse ist jedoch nur ein Abbild der örtlichen Gegebenheiten.<br />
Mechanismen, die zu einer Ungleichverteilung führen, werden nicht aufgedeckt. Die Ebene, auf<br />
der eine solche Analyse durchgeführt wird, liegt unterhalb der städtischen und oberhalb der<br />
Individualebene. Sie wird durch Stadtquartiere gebildet. Was unter Quartier in diesem<br />
Zusammenhang zu verstehen wird im Folgenden erläutert.<br />
1.5.6 Quartier als soziologischer Interessensgegenstand<br />
Wie bereits die Theorie der Sozialökologie gezeigt hat, sind innerhalb einer Stadt raumbezogene<br />
Unterschiede hinsichtlich der Nutzung und Bewohnerschaft festzustellen. Für die soziologische<br />
Stadtforschung ergibt sich damit das Problem, welche Einteilung für die städtischen Teilräume<br />
vorgenommen werden sollte. Auch kommt eine statische Einteilung eines Stadtgebiets nicht<br />
unbedingt den Lebensrealitäten der Bewohner nahe.<br />
In der Quartiersforschung als Teil der Stadtforschung können grundsätzlich zwei Auffassungen<br />
des Quartiersbegriffs unterschieden werden: zum einen die theoretische Überlegung über das<br />
Quartier als lebensweltlicher Ort und zum anderen als statistisches bzw. administratives Gebiet.<br />
Beide Sichtweisen schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus und können in einer<br />
Gesamtherangehensweise sowohl separat als auch gemeinsam Gültigkeit besitzen. Beide werden<br />
im Folgenden vorgestellt und anschließend miteinander verbunden.<br />
23 Auch ist es gebräuchlich, inhaltlich valide Schätzer, wie z.B. die SGB-‐II-‐Quote, für den sozialen Rang zu nutzen, um<br />
das statistische Verfahren möglichst einfach und überschaubar zu halten. Auch wird so eventuell auftretenden<br />
mathematischen Fehlern im Verfahren vorgebeugt.<br />
24 Weiteres zur Sozialraumanalyse siehe u.a. Riege/Schubert 2005 sowie Urban/Weiser 2006.<br />
31
1.5.6.1 Das Quartier als lebensweltlicher Ort<br />
Unter Berücksichtigung der Lebenswelt der Bewohnerwerden städtische Teilgebiete als<br />
Quartierbezeichnet. Für Quartiere gibt es eine Reihe von Begriffen, wie beispielsweise Bahnhofs-‐<br />
oder Bankenviertel, um eine Funktion zu beschreiben, aber auch – abhängig von der jeweiligen<br />
Stadt – ortseigene Bezeichnungen, wie z.B. Veedel in Köln, Kolonie im Ruhrgebiet oder Kiez in<br />
Berlin (vgl. Schnur 2008, S. 8). All diese und auch weitere Begriffe beschreiben einen städtischen<br />
Teilraum, der nicht unbedingt mit administrativen Grenzen übereinstimmen muss. Vielmehr<br />
orientiert sich eine solche Einteilung an individuellen Sichtweisen oder den Funktionen, die dem<br />
jeweiligen Gebiet zugeschrieben werden. Schnur hat vor diesem Hintergrund Quartier wie folgt<br />
definiert: „Ein Quartier ist ein kontextuell eingebetteter, durch externe und interne Handlungen<br />
sozial konstruierter, jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-‐Ort alltäglicher Lebenswelten<br />
und individueller sozialer Sphären, deren Schnittmengen sich im räumlich-‐identifikatorischen<br />
Zusammenhang eines überschaubaren Wohnumfelds abbilden.“ (Schnur 2008, S. 79)<br />
Unter theoretischen Gesichtspunkten ist dies eine, wie er selber schreibt, Fuzzy-‐Definition (vgl.<br />
Schnur 2008, S. 79). Sie hat keine scharfen Grenzen, beschreibt aber die individuelle Einteilung<br />
der eigenen Umwelt. Dadurch ist ein Quartier ein lebensweltlicher „Mittelpunktort“, der<br />
Ressourcen und Normen für seine Bewohner beinhaltet. Auswirkungen, die auf kumulierte<br />
quartiersbezogene Faktoren bzw. Ressourcen zurückzuführen sind, werden als Kontexteffekte<br />
verstanden. Solche quartiersbezogenen Kontexteffekte sind insbesondere in sozial belasteten<br />
Quartieren zu beobachten, wie Strohmeier zeigt (vgl. Strohmeier 2010, S. 318ff). Somit sind<br />
grundlegende theoretische Konzepte, was ein Quartier ist und wie es auf seine Bewohner wirkt,<br />
als Ausdruck sozialer Differenzierung vorhanden. Allerdings fehlen nach wie vor Theorien, nach<br />
welchen Gesetzmäßigkeiten sich Quartiere entwickeln. Für die vorliegende Arbeit werden im<br />
Folgenden Überlegungen skizziert, wie ein Quartier so abgegrenzt werden kann, dass<br />
quantitative Stadtforschung umsetzbar wird 25.<br />
1.5.6.2 Das Quartier als abgrenzbare Einheit<br />
Ein Quartier ist, so die theoretische Vorüberlegung, eine städtische Teileinheit, die zugleich<br />
Funktionen wie Wohnraum, Erholungsgelegenheiten, Bildungseinrichtungen usw. beheimatet.<br />
Ein Quartier hat demnach eine zusammenhängende Flächenausdehnung, die geringer ist als die<br />
gesamte betrachtete Fläche. Diese wiederum ist zu bilden aus der Summe aller Teilflächen, d.h.<br />
aller Quartiere. Daher ist jeder Ort in einer Stadt Teil eines Quartiers. Anders als in der<br />
25 Eine ausführliche Darstellung unterschiedlicher Quartierskonzepte bietet Schnur 2008.<br />
32
(theoretisch richtigen) Fuzzy-‐Definition ist ein Ort bei der Operationalisierung nur Teil eines<br />
Quartiers und nicht von mehreren.<br />
Solche grundsätzlichen Überlegungen zur Operationalisierung sind nur ein erster Schritt, auf<br />
den die Überlegung bezüglich der Größe des Quartiers folgt. Da ein Quartier ein lebensweltlicher<br />
Ort ist, kann und darf es nicht so groß sein, dass es von einem Menschen kognitiv nicht mehr zu<br />
erfassen ist. Daraus folgt, dass es umso bessere Ergebnisse im Sinne der Vorüberlegungen gibt,<br />
je kleiner die betrachtete Einheit ist. Dem stimmt auch Friedrichs zu, wenn er schreibt, dass „je<br />
höher wir aggregieren, desto heterogener werden die räumlichen Einheiten und desto<br />
ungenauer[…] unsere wissenschaftlichen Aussagen.“ (Friedrichs 1997, S. 20) Dem stehen aber<br />
zum Teil datenschutzrechtliche Restriktionen gegenüber. Also sollte im Sinne der<br />
wissenschaftlichen Zielführung pragmatisch gearbeitet werden, da auch oftmals die verfügbaren<br />
Daten nicht die besten (also kleinräumigsten) Daten sind. Denn oftmals gibt es (in der amtlichen<br />
Statistik) Daten auf z.B. Blockdatenebene, diese sind jedoch aus den o.g. Gründen nicht immer<br />
verfügbar. Es muss also mit dem gearbeitet werden, was zur Verfügung steht, und das sind meist<br />
Angaben in Gebietseinheiten wie „statistische Viertel“ 26 (vgl. Strohmeier 2001, S. 4). Diese sind<br />
zumeist kleiner als die Stadtteilebene und zumeist bilden zwei bis vier solcher Viertel einen<br />
Stadtteil. Alle Stadtteile zusammen bilden dann die gesamte Stadt. Daten auf Blockebene wären<br />
für statistische Sozialraumanalysen selbstverständlich die zweckdienlichste Variante, diese<br />
liegen jedoch nicht für jede Kommune flächendeckend und/oder zugänglich vor. Bei einer<br />
empirischen quantitativen Operationalisierung eines Quartiers sollte jedoch nicht vergessen<br />
werden, dass es sich dadurch um ein intersubjektiv nachvollziehbares Objekt handelt.<br />
1.5.7 Armutsquartiere in der postindustriellen Stadt<br />
Nach diesen theoretischen Konzeptionierungen des Quartiersbegriffs und der anschließenden<br />
Überlegung zur Operationalisierung zum Zwecke der quantitativen Forschung wird im<br />
Folgenden die Rolle des Quartiers im gesamtstädtischen Kontext betrachtet. Im Vordergrund<br />
stehen dabei Quartiere, in denen sich passive soziale, ethnische und demografische<br />
Segregationserscheinungen überlagern.<br />
Beim Übergang von der industriellen zur postindustriellen Stadt haben sich die Arbeitsplätze<br />
und Arbeitsverhältnisse verändert. Aus Arbeitern wurden Angestellte,<br />
Normalarbeitsverhältnisse seltener und Beschäftigung im produzierenden Gewerbe die<br />
Ausnahme. Diese Entwicklungen schlagen sich in den Städten auch räumlich nieder. Aus<br />
einstigen Arbeiterquartieren sind heute oftmals Armutsquartiere geworden, in denen sich die<br />
26 Die Bezeichnung variiert zwischen den Kommunen.<br />
33
eschriebenen Segregationsarten (vgl. Abschnitt 1.5) überlagern. Arbeiterquartiere waren<br />
zumeist geprägt von gegenseitiger nachbarschaftlicher Solidarität, Hilfe und sozialer Kontrolle<br />
(vgl. u.a. Croon/Utermann 1958; Mackensen et al. 1959; Elias/Scotson 1993). Durch den<br />
Rückzug der Produktionsstätten aus den Städten kam es vermehrt zu Fortzügen, was bis dahin<br />
die Ausnahme war (vgl. Neu 2007, S. 8). Die nachbarschaftlichen Netzwerke erodierten, und da<br />
es sich in diesen Quartieren meist um Wohnungen in schlechtem baulichem Zustand zu geringer<br />
Miete handelte, zogen nach und nach sozial schlechter gestellte Haushalte hinzu. Nicht selten<br />
waren dies Migrantenhaushalte. Wer in diesem Quartier blieb, konnte sich in der Regel einen<br />
Umzug entweder nicht leisten oder wollte aufgrund seines Alters nicht mehr umziehen (vgl.<br />
Strohmeier 2008, S. 492).<br />
Aber nicht nur ehemalige Arbeiterquartiere sind die Armutsquartiere der postindustriellen<br />
Stadt. Großwohnsiedlungen, die nur durch Automobilisierung breiter Bevölkerungsschichten so<br />
ermöglicht werden konnten, weisen oftmals ähnliche kumulierte Problemlagen auf. Zumeist sind<br />
diese Großwohnsiedlungen an den Stadträndern errichtet und geplant worden für Haushalte mit<br />
einem Ernährer, einer Hausfrau und Kindern. Das entsprach dem Rollenbild der damaligen Zeit.<br />
Das Auto war notwendig, um die Arbeitsstätte zu erreichen, und die Häuser lagen in<br />
Grünanlagen fernab des Stadtzentrums (vgl. Brailich et al. 2008, S. 128ff.). Diese<br />
monostrukturelle Wohnweise war allerdings für breite Bevölkerungsschichten nicht lange von<br />
Interesse. Da die Mietpreise aufgrund der geringen Nachfrage fielen, zogen auch dorthin nach<br />
und nach Migranten und Arme. Somit sind die Armutsquartiere der postindustriellen Stadt zum<br />
einen ehemalige Arbeiterquartiere und zum anderen Großwohnsiedlungen der 1960er-‐ und<br />
1970er-‐Jahre.<br />
Armutsquartiere können allerdings im Sinne der sozialräumlichen Differenzierung zwei<br />
unterschiedliche Funktionen erfüllen: entweder die Funktion eines sozialen Relegationsgebietes<br />
oder die einer urbanen Integrationsschleuse. Beide Funktionen werden im Folgenden<br />
konzeptionell und idealtypisch beschrieben.<br />
1.5.7.1 Typisierung: Armutsquartier als „Relegationsgebiet“<br />
Quartiere, die als Relegationsgebiet oder auch Getto, soziale Endstationen oder Banlieues<br />
bezeichnet werden, beheimaten Menschen, die primär von passiver sozialer Segregation<br />
betroffen sind (vgl. Wacquant 2004, S. 148f.). Hinzu kommen ethnische wie auch demografische<br />
Segregation. Die Wanderungsbeziehungen mit anderen städtischen Quartieren oder über die<br />
Stadtgrenze hinaus sind nahezu zum Erliegen gekommen, Umzüge finden, wenn überhaupt, nur<br />
innerhalb des Quartiers statt. Trotz geringer Fluktuation sind nachbarschaftliche Hilfsnetzwerke<br />
kaum zu beobachten. Austauschbeziehungen finden primär innerhalb von familiären<br />
34
Netzwerken und nur vereinzelt zu Menschen in gleichen Lebenslagen statt. Durch mangelnde<br />
Vorbilder ist für die nachwachsende Generation das Normalarbeitsverhältnis ein fremder und<br />
der Bezug von Mitteln aus sozialstaatlichen Sicherungssystemen ein vertrauter Zustand. Eine<br />
Identifikation mit dem Quartier wird zumeist nur als Trotz oder Abwehrmechanismus<br />
hergestellt. Der Wunsch, das Quartier zu verlassen, herrscht zwar vor, doch wird dieser aus<br />
ökonomischen Gründen und/oder mangelndem Selbstvertrauen nicht umgesetzt (vgl.<br />
Friedrichs/ Blasius 2000, S. 193ff.).<br />
1.5.7.2 Typisierung: Armutsquartier als urbane Integrationsschleuse<br />
In urbanen Integrationsschleusen leben, im Sinne der sozialen Differenzierung, primär<br />
Menschen, die von passiver sozialer Segregation betroffen sind. Außerdem ist eine ausgeprägte<br />
ethnische und demografische Segregation zu beobachten. Es besteht ein reger<br />
Wanderungsaustausch mit anderen Stadtquartieren und über die Stadtgrenze hinaus. Zumeist<br />
ziehen Migranten in das Gebiet, verlassen es aber auch wieder. Gründe sind die Aufnahme einer<br />
Arbeit oder bessere Wohnverhältnisse in einem anderen Quartier. Es bestehen leistungsfähige,<br />
meist ethnisch geprägte soziale Netzwerke im Quartier. Unstetige Arbeitsverhältnisse und<br />
prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind die Regel. Allerdings wird formelle oder auch<br />
informelle Erwerbsarbeit von weiten Teilen der Bevölkerung als erstrebenswert angesehen.<br />
Eine Identifikation mit dem Quartier besteht nur selektiv bzw. bei der „Sockelbevölkerung“, die<br />
nicht fluktuiert und als eine Art sozialer Brückenkopf fungiert (vgl. Eichener 2006, S. 7). Diese<br />
hilft den Neuankömmlingen Orientierung zu finden und verschafft zum Teil Zugang zum<br />
informellen oder ethnischen Arbeitsmarkt im Quartier.<br />
1.6 Konzeption der urbanen Integrationsschleuse<br />
Nach der Auseinandersetzung mit der funktionalen Differenzierung und der sozialen<br />
Differenzierung als Verteilungsmechanismen städtischer Strukturen zeigt sich, dass das Konzept<br />
der urbanen Integrationsschleuse einen strukturellen Funktionsraum eröffnet, der sozial<br />
ausgestaltet wird. Für die weitere Arbeit wird im Folgenden die urbane Integrationsschleuse<br />
konzipiert.<br />
Wie in der theoretischen Definition beschrieben, ist ein Quartier ein lebensweltlicher Ort der<br />
Bewohner. Das lebensweltliche Verständnis beinhaltetet auch Austauschbeziehungen zwischen<br />
den Quartieren (vgl. Park 1936, S. 4), denn der Ort kann gewechselt bzw. Ressourcen in anderen<br />
Quartieren in Anspruch genommen werden. Für die Bewohner eines Quartiers ist es somit nur<br />
bedingt notwendig, dass ein Quartier alle alltagsrelevanten Ressourcen vorhalten muss, da<br />
35
dieses gewechselt oder verlassen werden kann. Andersherum ist eine Art Spezialisierung oder<br />
Differenzierung des Ressourcenangebots, z.B. Wohnraumausstattung oder Gastronomiestätten,<br />
möglich (vgl. Durkheim 1992, S. 96). Damit hätten Quartiere jeweils nur noch wenige<br />
Ressourcen, jedes für sich aber hoch spezialisierte Angebote. Zu beobachten ist dies<br />
beispielsweise in Form von Villensiedlungen, Kneipenstraßen oder Szenevierteln.<br />
Eine solche „Profilbildung“ eines Quartiers ist aber nicht überall zu beobachten, was zum Teil<br />
daran liegt, dass dort Menschen leben, die nicht mobil sind oder sein können. Mobilität ist<br />
demnach ein wichtiger urbaner Faktor (vgl. Burgess 1984, S. 59f.), der aber im Kapitalismus an<br />
ökonomische Ressourcen gebunden ist. Mit anderen Worten, Mobilität kostet Geld, und das steht<br />
Teilen der Stadtbevölkerung nicht immer ausreichend zur Verfügung. Andererseits besteht für<br />
einige Bevölkerungsgruppen, je nach Lebenslage, auch keine Notwendigkeit für alltägliche<br />
Mobilität. Wenn keine Arbeitsstätte aufgesucht werden muss, muss auch kein Weg dorthin – und<br />
damit aus dem Quartier– zurückgelegt werden, oder der Arbeitsplatz ist nur fußläufig vom<br />
Wohnort entfernt (vgl. Gebauer 2007, S. 235). Solche Arbeitsstätten sind in (post-‐)industriellen<br />
Städten jedoch die absolute Minderheit. Jene immobilen Bevölkerungsgruppen sind z.B.<br />
Arbeitssuchende oder Menschen, die in der Reproduktionsarbeit beschäftigt sind<br />
(Häußermann/Siebel 1987, S. 183). Es handelt sich damit vorrangig um Gruppen, die temporär<br />
vom ökonomischen Erwerbsprozess ausgeschlossen sind.<br />
In Städten sind solche Gruppenangehörige durch Segregationsprozesse räumlich ungleich<br />
verteilt, und wie weiter oben bereits aufgezeigt überlagern sich diese Prozesse und Effekte<br />
gegenseitig. Es kann also davon ausgegangen werden, dass sich Quartiere von ihren<br />
Möglichkeitsstrukturen her, also ihrem alltagsrelevanten Ressourcenangebot, für ihre Bewohner<br />
voneinander unterscheiden, was Park folgendermaßen ausdrückt: „Jede große Stadt hat ihr<br />
Greenwich Village, genauso wie sie ihre Wallstreet hat.“ (Park 1974, S. 91) Solche spezifischen<br />
und quartierseigenen Möglichkeitsstrukturen, die sich im (Container-‐)Raum verorten, bringen<br />
dadurch auch jeweils eigene Handlungsoptionen mit sich (vgl. Friedrichs 2012, S. 36). In einem<br />
armutsbelasteten Migrantenviertel beispielsweise gibt es unter Umständen kulturell eigene<br />
Gastronomieangebote der unterschiedlichen Minoritäten. Dort finden ungelernte Arbeitskräfte,<br />
bedingt durch soziale und ethnische Netzwerke, eher Arbeitsmöglichkeiten als in<br />
Bankenvierteln (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Dass es solche<br />
(nachbarschaftlichen) Netzwerke gibt, haben unterschiedliche Untersuchungen gezeigt (vgl. u.a.<br />
Mackensen et al. 1959; Strohmeier 1984; Florida 2003; Ceylan 2006; Bude 2006;<br />
Friedrichs/Blasius/Klöckner 2009), wobei kultureller Hintergrund nicht mit ethnischem<br />
Hintergrund gleichzusetzen ist. Es ist erwiesen, dass Gruppen derselben kulturellen<br />
Zugehörigkeit, z.B. Migranten aus denselben Herkunftsregionen, Beschäftigte in der<br />
Kreativindustrie oder auch Arbeiter im Kohlebergbau ihre eigenen informellen Netzwerke<br />
36
ilden. Solche haben individuell eigene Leistungsmöglichkeiten und Zugangsvoraussetzungen.<br />
Zudem sind sie auf Face-‐to-‐Face-‐Kontakte angewiesen, was z.B. auch für Kreative und nicht nur<br />
für armutsgefährdete Bewohner gilt (vgl. Heider 2011 S. 139). Durch Segregation (ob passiv<br />
oder aktiv) werden demnach ähnliche kulturelle Strukturen gebildet, die häufig mit einer<br />
homogenen sozialen Lage einhergehen (vgl. Strohmeier 2009, S. 156 ff.). Daraus ist zu schließen,<br />
dass es Gebiete geben kann, in denen eine hohe Zahl von Erwerbslosen lebt, die gleichzeitig<br />
ausländische Wurzeln haben. Nicht nur die Forscher der Chicagoer Schule haben diesen<br />
Zusammenhang beobachtet, sondern er ist auch durch neuere empirische Untersuchungen<br />
nachgewiesen worden (u.a. Strohmeier 2001; Häußermann/Siebel 2001; Ceylan 2006;<br />
Friedrichs/Triemer 2012). In solchen Gebieten sind oftmals funktionierende ethnisch homogene<br />
soziale Netzwerke etabliert (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313).<br />
Im Quartier werden somit bewohnerspezifische Ressourcen produziert, die zum Teil speziell auf<br />
die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzergruppen, z.B. derselben Ethnie, ausgerichtet sind<br />
(vgl. Ceylan 2006, S. 251). Auf diese Weise werden in Quartieren, in denen sozial und ethnisch<br />
passiv segregierte Menschen leben, die alltäglichen Grundbedarfe befriedigt, und die<br />
Notwendigkeit der Mobilität schwindet. Zu bedenken ist, dass insbesondere Migranten keine<br />
Möglichkeit haben, woanders eine Arbeit zu finden (vgl. Park in Farwick 2009, S. 28f.) oder<br />
aufgrund von Diskriminierung eine Wohnung zu mieten, auch wenn die ökonomischen<br />
Ressourcen dafür vorhanden wären (vgl. Strohmeier 2006a, S. 18). Zum Teil entspricht eine<br />
solche eingeschränkte Mobilität auch den Wünschen eines Teils der Migranten-‐Community<br />
(ILS/ZfT 2008, S. 59). Migranten finden soziale ethnisch homogene Netzwerke vor und können<br />
sich relativ leicht in ihnen integrieren und zurechtfinden und müssen keinen, oder nur einen<br />
sehr geringen, Mobilitätsaufwand betreiben. Zudem versprechen diese Quartiere Sicherheit und<br />
Unterstützung und geben Orientierung in einer fremden Umwelt (vgl.<br />
Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Jedoch können sie auch soziale Kontrolle mit sich<br />
bringen und Möglichkeiten z.B. der interethnischen Kontaktaufnahme einschränken (vgl.<br />
Farwick 2009, S. 230). Zwar sind solche sozialen Netzwerke nichts migrantenspezifisches,<br />
jedoch können sie für diese Bevölkerungsgruppe integrationsstützend 27 wirken. Die Grundlage<br />
solcher Netzwerke bilden Bewohner, die zumeist seit längerer Zeit im Quartier leben. Sie sind<br />
ein zentraler Bestandteil des Konzepts der urbanen Integrationsschleuse.<br />
27 Zum Integrationsbegriff und der dazugehörigen Debatte siehe u.a. Luft/Schimany 2010; Löffler 2011.<br />
37
1.6.1 Der Gebietscharakter der urbanen Integrationsschleuse<br />
Die urbane Integrationsschleuse ist in ihrem Wesen und ihrer Funktion Ziel-‐ und Lebensort von<br />
Zuwanderern und Menschen mit geringen ökonomischen Ressourcen. Dort leben die meisten<br />
Armen, die meisten Ausländer und die meisten Kinder bzw. zugleich die wenigsten Senioren.<br />
Armutsgeprägt ist die urbane Integrationsschleuse vor allem deswegen, weil die dort Lebenden<br />
zumeist über keine arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen verfügen, keine Arbeitserlaubnis<br />
besitzen oder noch keine Arbeitsstelle gefunden haben (vgl. Dangschat 1999, S. 16f; Friedrichs<br />
2009, S. 15; Fuhr 2011, S. 552). Ethnisch von Auswanderern geprägt ist die urbane<br />
Integrationsschleuse durch ihre Funktion als Ankunftsort. Dorthin wandern überproportional<br />
viele Menschen im Vergleich zur Gesamtstadt zu. Die demografische Segregation ist geprägt<br />
durch die relative Abwesenheit von Alten. Ihr Anteil ist deswegen in einer urbanen<br />
Integrationsschleuse so gering, weil dort Zuwanderer die größte Gruppe stellen und diese<br />
zumeist nicht im Rentenalter sind (vgl. Statistisches Bundesamt 2012, S. 11). Zudem ist die<br />
Fluktuation in der urbanen Integrationsschleuse bedingt durch Außenwanderungsbewegungen<br />
(Zu-‐ und Fortzüge) hoch, und ein solches Umfeld zählt nicht zu den Wohnstandortpräferenzen<br />
von Senioren (vgl. Kaiser/Pohlan 2008, S. 73). Trotz abnehmender Suburbanisierungstendenzen<br />
von Familien (vgl. BBSR 2001, S. 4) leben innerhalb von Städten dort, wo die meisten<br />
Zuwanderer leben, auch die meisten Kinder, wie zahlreiche Studien belegt haben (vgl. u.a.<br />
Strohmeier 2001, 2007, 2008, 2010). Charakterisiert werden kann die urbane<br />
Integrationsschleuse demnach mit den Schlagworten: arm, jung, bunt.<br />
1.6.2 Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse<br />
Das Konzept der Sockelbevölkerung in Zusammenhang mit Migration wird in der einschlägigen<br />
Fachliteratur aus unterschiedlichen Blickwinkeln thematisiert (vgl. u.a. von Oppen 1958, S. 15;<br />
Haug 2000, S. 6; Heckmann 2009, S. 9; Farwick 2009, S. 43; Wildner 2012, S. 223), ohne<br />
allerdings diesen Namen zu verwenden. Unter Sockelbevölkerung sind quartiersansässige<br />
Bewohner zu verstehen. In jedem städtischen Teilgebiet finden sich Menschen, die dort seit<br />
längerer Zeit leben. Die Ortsansässigkeit war, wie unterschiedliche Studien zeigen, in<br />
präindustrieller Zeit auch der Normalfall (vgl. u.a. von Oppen 1958, S. 76; Croon/Utermann<br />
1958; S. 14). Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse zeigt allerdings, dass es sich um ein<br />
Quartier handelt, in dem sehr viel Fluktuation stattfindet, es also wenige Ortsansässige gibt.<br />
Zudem ist der Charakter eines solchen Gebietes von seiner Funktion her bereits stark ethnisch<br />
diversifiziert. Daraus ist abzuleiten, dass die Sockelbevölkerung zum einen kleiner ist als<br />
diejenige der Gesamtstadt und zum anderen einen höheren Ausländeranteil aufweist.<br />
38
Die Sockelbevölkerung einer urbanen Integrationsschleuse ist allerdings nicht losgelöst von den<br />
Zuwanderern zu betrachten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sockelbevölkerung<br />
den Ankommenden erste Arbeits-‐ und Wohnmöglichkeiten vermittelt (vgl. Ceylan 2006, S. 86).<br />
Zudem finden sie dort Hilfe und Beratung durch informelle, ethnisch geprägte familiäre<br />
und/oder nachbarschaftliche Netzwerke. Solche Unterstützungsleistungen, die primär von der<br />
Sockelbevölkerung geleistet werden, können Arbeitsmöglichkeiten und Qualifizierungsangebote<br />
sein, aber z.B. auch Know-‐how-‐Transfer über beispielsweise das Schulsystem, von dem<br />
wiederum die Kinder der Zuwanderer profitieren können.<br />
Die Sockelbevölkerung fungiert als eine Art Brückenkopf in die alte und als Wegweiser in der<br />
neuen Heimat. Sie haben sich im Gebiet der urbanen Integrationsschleuse niedergelassen, halten<br />
Kontakt ins Migrationsquellgebiet und sind idealtypisch ökonomisch und sozial, aber nicht<br />
vollständig kulturell in ihrer neuen Heimat integriert. Letzteres ist die Voraussetzung dafür, als<br />
eine Art Mittler zwischen den Welten, den Ankommenden und der neuen Umwelt, aufzutreten.<br />
Durch dieses „Dazwischen“ gelingt es ihnen, Neuankömmlingen den Beginn in der neuen<br />
Umwelt zu organisieren. Die Sockelbevölkerung hilft dabei, dass diejenigen, die zuwandern, die<br />
Kompetenzen erhalten, die es ihnen ermöglichen, in der Aufnahmegesellschaft Fuß zu fassen.<br />
Denn idealtypisch ziehen Zuwanderer nach einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer wieder aus<br />
dem Gebiet fort und erleben entweder einen sozialen Abstieg oder aber einen Aufstieg. Somit<br />
hat die urbane Integrationsschleuse ein zweites gewichtiges Merkmal neben der<br />
Brückenkopffunktion der Sockelbevölkerung: die Verteilerfunktion.<br />
1.6.3 Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse<br />
Zuwanderer verbleiben nicht allzu lange in der urbanen Integrationsschleuse, denn wie in der<br />
Literatur zur zone in transition der Chicagoer Schule beschrieben, sind die Wohnungen in relativ<br />
schlechtem Zustand (vgl. Strohmeier 1983, S. 99) und nicht allzu groß, mitunter auch<br />
überbelegt. Im Sinne der urbanen Integrationsschleuse verbleiben Migranten im<br />
Integrationsprozess, der ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen<br />
Ressourcen und Positionen verschafft, dort nicht sehr lange. Nach einigen Jahren ziehen die<br />
Migranten meist wieder fort, um in einem anderen Quartier hochwertigeren Wohnraum zu<br />
beziehen, den sie sich aufgrund der Qualifikations-‐ und Arbeitsmöglichkeiten, die sie im Quartier<br />
erfahren haben, nun bezahlen können. Wie lange die Aufenthaltsdauer in der urbanen<br />
Integrationsschleuse genau ist, hängt von spezifischen, kontextbezogenen Rahmenbedingungen<br />
ab und kann zwischen wenigen Monaten und mehreren Generationen liegen (vgl.<br />
Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 325). Wer keinen sozialen Aufstieg erlebt etabliert sich im<br />
Milieu der verfestigten Armut und lebt zumeist in den urbanen Relegationszonen.<br />
39
Wie die Charakterisierung der urbanen Integrationsschleuse zeigt, sind auf der Quartiersebene<br />
unterschiedliche Opportunitätsstrukturen vorhanden, die das Quartier als Ort für<br />
Integrationsprozesse formen:<br />
• Relative kulturelle, ethnische und/oder soziale Homogenität, da dies zu vermehrten<br />
Kontakten zu Menschen in gleichen Lebenslagen führt (vgl. Farwick 2007, S. 230).<br />
Hergestellt durch ethnische Segregation.<br />
• Vermittlung von Arbeitsmöglichkeiten durch ethnisch homogene Netzwerke innerhalb<br />
der ethnischen Ökonomie (vgl. Fincke 2008, S. 139), insbesondere durch die<br />
Sockelbevölkerung.<br />
• Know-‐how-‐Transfer durch ethnisch-‐homogene Austauschstrukturen wie z.B. türkische<br />
Kaffeehäuser (vgl. Ceylan 2001, S. 181), ebenfalls geleistet durch die Sockelbevölkerung.<br />
• Günstiger Wohnraum, der unkompliziert und schnell zur Verfügung steht und bei dessen<br />
Vergabe Migranten nicht diskriminiert werden (vgl. ILS 2003, S. 16), bedingt durch<br />
passive soziale und ethnische Segregation sowie die Leistung der Sockelbevölkerung.<br />
• Bildungsangebote, die dem Bedarf von Migranten und deren Kindern besonders<br />
angepasst sind, oder anders ausgedrückt: „Ungleiches ungleich behandeln“ (Strohmeier<br />
2007, S. 261), was vor allem bei Quartieren notwendig ist, in denen besonders viele von<br />
passiver sozialer und ethnischer Segregation betroffene Menschen leben.<br />
Diese Punkte sind zum einen Ausdruck funktionaler sowie sozialer Differenzierung und weisen<br />
zugleich auf die politischen Handlungsnotwendigkeiten hin. Diese werden im folgenden<br />
Abschnitt, geordnet nach Politikfeldern, schematisch vorgestellt.<br />
40
Zusammenfassung: Abschnitt 1<br />
• Städtische Strukturen manifestieren sich im Raum, der als Container begriffen wird.<br />
• Es gibt fünf Herausforderungen für Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts: die<br />
ökonomische, die demografische, die soziale, die kulturelle und die internationale<br />
Herausforderung. Integration kann einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung<br />
dieser Herausforderungen leisten.<br />
• Unter Integration wird der gleichberechtigte Zugang zu gesellschaftlichen Gütern und<br />
Positionen von Minoritäts-‐ und Majoritätsangehörigen verstanden.<br />
• Die drei unterschiedlichen Segregationsarten ethnische, soziale und demografische<br />
Segregation überlagern und verstärken sich zum Teil gegenseitig.<br />
• Es gibt den theoretischen und den operationalisierten Quartiersbegriff, die<br />
nebeneinander gelten können.<br />
• Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse als Produkt funktionaler und sozialer<br />
Differenzierung, die auf Hamms Dreistufenmodell zurückgeht, berücksichtigt die<br />
Überlagerung der drei Segregationsarten zuzüglich hoher Fluktuation. Zudem helfen<br />
die vorhandenen Opportunitätsstrukturen beim Integrationsprozess von<br />
Zuwanderern. Insbesondere diese setzen eine nichtmobile Teilbevölkerung aus<br />
demselben sozialen oder ethnischen Milieu voraus, die eine Brückenkopffunktion<br />
erfüllt.<br />
41
2 Relevante kommunalpolitische Handlungsfelder für den Umgang<br />
mit urbanen Integrationsschleusen<br />
Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse ist auch für kommunalpolitisches Handeln<br />
bedeutsam, da die Kommune der Ort ist, an dem Menschen politische Entscheidungen<br />
unmittelbar in ihren Auswirkungen erfahren. Somit sind kommunalpolitische<br />
Entscheidungsträger mit den Herausforderungen, die urbane Integrationsschleusen mit sich<br />
bringen, direkt konfrontiert und können aktiv auf die Gestaltung eines solchen Gebietes Einfluss<br />
ausüben. Viel mehr als auf der landes-‐ oder bundespolitischen Ebene 28 kann somit auf der<br />
kommunalen Ebene auf urbane Integrationsschleusen passgenau eingegangen werden. Für diese<br />
sind insbesondere die Politikfelder Arbeit, Bildung, Integration und Quartiersentwicklung von<br />
Bedeutung. Jedes dieser Handlungsfelder wird im folgenden Abschnitt mit einem<br />
kommunalpolitischen Schwerpunkt schematisch vorgestellt und abschließend<br />
zusammenfassend betrachtet. Im Vordergrund steht dabei die Zuspitzung auf die<br />
Einflussmöglichkeiten der Kommune im jeweiligen Politikbereich hinsichtlich des Umgangs mit<br />
urbanen Integrationsschleusen.<br />
2.1 Kommunale Arbeitsmarktpolitik<br />
Arbeitsmarktpolitik als Teil der Sozialpolitik, ist im föderalen Bundesstaat, primär Aufgabe des<br />
Bundes (vgl. Frevel/Dietz 2004, S. 77) 29. Politische Instrumente der Arbeitsmarktpolitik sind<br />
beispielsweise die Arbeitslosenversicherung, aber auch Maßnahmen zur Stützung und<br />
Förderung der Konjunktur. Dass der Bund die primäre Aufgabenerfüllung innehat, bedeutet<br />
jedoch nicht, dass die Länder keine Arbeitsmarktpolitik betreiben. Sie sind für die Segmente der<br />
Berufsbildung (vgl. Hockel/Schwarz 2010, S. 10) und zum Teil der Wirtschaftsförderung (vgl. am<br />
Beispiel NRW: www.nrwinvest.com) zuständig. Allerdings haben Kommunen nach Artikel 28<br />
des Grundgesetzes (GG) die sogenannte Allzuständigkeit (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 9;<br />
Art. 28 GG). Das bedeutet, sie können sich auch eigene Aufgaben kreieren, die nicht zu ihrem<br />
engeren Aufgabenspektrum gehören. Es gibt somit Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben der<br />
Kommunen (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 51; § 6 SGB II). Eine freiwillige Aufgabe ist z.B. ein<br />
Stadtteiltreff mit sozialen Angeboten für Arbeitssuchende. Damit gibt es Bereiche in der<br />
28 Die europäische Ebene wird hier außen vorgelassen, da sie, trotz zunehmender Wichtigkeit, keine staatliche Ebene<br />
bildet. Dazu weiterführend Münch 2006.<br />
29 Nach Art. 50 GG wirken die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mit, sind also nicht von der Gestaltung<br />
sozialpolitischer Maßnahmen ausgeschlossen. Allerdings ist der Bund nach Art. 31 GG in der Praxis die gestaltende<br />
Kraft der Sozial-‐ und Arbeitsmarktpolitik.<br />
42
kommunalen Arbeitsmarktpolitik, welche die Gemeinden selber gestalten können, und<br />
Segmente, in denen sie Gesetze ausführen, ohne deren Inhalt beeinflussen zu können. Für die<br />
vorliegende Arbeit werden im Weiteren nur die freiwilligen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik<br />
betrachtet, in denen die Kommunen auch die inhaltlichen Ausgestaltungen selber bestimmen 30.<br />
Denn in diesem Aufgabensegment sind die entsprechenden Maßnahmen möglich, um urbane<br />
Integrationsschleusen auch arbeitsmarktpolitisch zu gestalten.<br />
Solche Maßnahmen haben zwar den Vorteil, dass sie passgenau auf die jeweilige Situation bzw.<br />
das Quartier zugeschnitten werden können. Andererseits trägt die Kommune alle Kosten selber.<br />
Dementsprechend sind für viele Kommunen solche freiwilligen Leistungen schlichtweg nicht zu<br />
bezahlen (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 56). Oftmals haben diejenigen Kommunen<br />
Schwierigkeiten mit der Finanzierung freiwilliger Aufgaben, in denen solche Leistungen<br />
besonders notwendig wären. Somit bleiben Kommunen (nicht nur) im Bereich der<br />
Arbeitsmarktpolitikzwei Möglichkeiten: zum einen die Einwerbung von Fördermitteln z.B. bei<br />
der Europäischen Union (vgl. ESF 2012), zum anderen kostenneutrale Lösungen. Diese können<br />
durch Output-‐orientierte Organisationsmodelle, die sich am Bedarf der Zielgruppen ausrichten,<br />
erreicht werden. Strohmeier stellt die kumulierten positiven Effekte solcher Maßnahmen<br />
anhand eines Beispiels aus dem Ruhrgebiet wie folgt dar: „Eine Qualifizierungsmaßnahme<br />
alleinerziehender Mütter mit Sozialhilfebezug in einer Ruhrgebietsstadt hat ihre Klientel aus<br />
dem Wohnbereich und nicht nach dem Buchstabenprinzip rekrutiert. Auf diese Weise entstand<br />
nach weniger als einem Jahr ein lokales Netzwerk von Frauen in ähnlicher Lebenssituation, die<br />
noch vor Beginn der Maßnahme ihre soziale Isolation beklagt hatten.“ (Strohmeier 2009, S. 171)<br />
Ein solches Netzwerk ist nicht nur wichtig, um Humanvermögen zu bilden, sondern auch um<br />
Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Kinderbetreuung zu schaffen, damit z.B.<br />
erste Gelegenheitsjobs angenommen werden können. Außerdem haben Kommunen auch die<br />
Möglichkeit, ihr Know-‐how zur Verfügung zu stellen, z.B. bei Absichten einer Existenzgründung<br />
oder der korrekten Einrichtung einer Betriebsstätte. Damit sind die Möglichkeiten<br />
arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in urbanen Integrationsschleusen durch<br />
Drittmitteleinwerbung und Organisationsmodelle auch für finanzschwache Kommunen möglich.<br />
Zumeist hängt die Umsetzbarkeit solcher Modelle vom politischen Willen der kommunalen<br />
Verwaltungsspitze und des Rates ab (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 68).<br />
30 Neben den beschriebenen Pflichtaufgaben haben Kommunen noch die Möglichkeit, als alleiniger Träger der<br />
Leistungen nach dem II. Sozialgesetzbuch aufzutreten (§ 6a, SGB II). Diese Mischform, das sog. Optionsmodell, wird in<br />
der vorliegenden Arbeit außen vor gelassen. Weiterführend dazu: Noe 2010 sowie www.kommunenfuerarbeit.de.<br />
43
2.2 Kommunale Bildungspolitik<br />
Bildung ist originäre Aufgabe der Bundesländer (vgl. KMK 2012). Allerdings haben Kommunen,<br />
als Teil der Länder, damit eine Mitverantwortung in der Bildungspolitik (vgl. Weiß 2009, S. 1).<br />
Betrachtet man das Feld der Bildungspolitik genauer, sind unterschiedliche Sektoren<br />
auszumachen:<br />
1.) der Elementarbereich, der vorschulische Bildungsangebote beinhaltet,<br />
2.) der schulische Bildungsbereich,<br />
3.) die Berufsbildung und<br />
4.) die Erwachsenen-‐ und Familienbildung 31.<br />
Für die positive Gestaltung einer urbanen Integrationsschleuse sind alle Bausteine von<br />
Bedeutung. Jedoch hat eine Kommune nicht in allen Bereichen dieselbe inhaltliche<br />
Gestaltungsfreiheit. Im Schulbereich hat die Kommune keinen Einfluss auf die inhaltliche<br />
Ausrichtung. Sie ist Schulträger und hat als solcher vielmehr die Pflicht, die Schulinfrastruktur<br />
vorzuhalten, stellt also nichtlehrendes Personal und ist zuständig für den Schülertransport (vgl.<br />
Weiß 2009, S. 2). Durch die Verpflichtung, eine angemessene Schulinfrastruktur bereitzustellen,<br />
kann die Kommune Schulstandort-‐ und unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
auch Schulformentscheidungen treffen 32. Inhaltlich können Kommunen Schulen nur indirekt<br />
beeinflussen, beispielsweise durch die Beschäftigung von Schulsozialarbeitern und Psychologen<br />
(vgl. Wilhelmsen 2009, S. 89). Allerdings hat sich in einigen Bundesländern durch die<br />
Einführung des Modells der offenen Ganztagsschule ein neues kommunales Arbeitsfeld zwischen<br />
Jugendhilfe und Schule eröffnet (vgl. Deinet 2010, S. 33).<br />
Darüber hinaus besteht auch der Bereich der außerschulischen Bildung. Die Organisation der<br />
vorschulischen Bildung variiert erheblich zwischen den Bundesländern (vgl. BMFSJ 2005,<br />
S. 510). Das Grundprinzip ist jedoch, dass die Kommunen Personal und Infrastruktur stellen und<br />
dafür Mittel von Bund und Ländern erhalten (vgl. Hebborn 2007, S. 10) 33. Dadurch kann eine<br />
Kommune aber zugleich stärker auf die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeit in den<br />
Kindertagesstätten einwirken, auch wenn diese gesetzlichen Rahmenbedingungen unterworfen<br />
sind (vgl. § 22 SGB VIII). Den größten inhaltlichen Spielraum haben Kommunen bei der<br />
Erwachsenen-‐ und Familienbildung, da diese nur eingeschränkt gesetzlichen Regelungen<br />
31 Alternativ zu dieser eher an formalen Bildungsinstitutionen orientierten Auffassung von Lernangeboten existiert<br />
zudem das Konzept des „Lebenslangen Lernens“, das zusätzlich nonformales und informelles Lernen einschließt. Dazu<br />
weiterführend Schuetze 2006.<br />
32 Die Rahmenbedingungen variieren zwischen den Ländern.<br />
33 Für die berufsbildenden Schulen verhält sich die Aufteilung zwischen Ländern und Kommunen genauso wie beim<br />
Regelschulsystem (vgl. Hockel/Schwartz 2010, S. 11).<br />
44
unterliegen (vgl. Niedersächsischer Landtag 2007, S. 337), wobei sie allerdings auch die<br />
finanziellen Lasten alleine schultern müssen. Dafür ist es den Kommunen und freien Trägern<br />
freigestellt, wie sie die Erwachsenen-‐ und Familienbildung inhaltlich ausgestalten.<br />
Für urbane Integrationsschleusen bedeutet dies, dass kommunale Bildungspolitik an den<br />
Spielräumen der jeweiligen bildungspolitischen Handlungsfelder ausgerichtet werden muss. Im<br />
vorschulischen Bereich sowie im Schulbereich können Kommunen die Integrationsleistungen<br />
unterstützen, indem sie eine möglichst hochwertige Infrastruktur vorhalten. Dies impliziert auch<br />
eine möglichst gute Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften. Zudem ist insbesondere eine<br />
qualitativ hochwertige frühkindliche Förderung (vgl. Förster/Taubert 2008, S. 131ff.) ein<br />
Baustein, um der nachwachsenden Generation bessere Bildungs-‐ und damit Zukunftschancen zu<br />
ermöglichen (vgl. Geißler 2008, S. 273ff.). Tatsächlich können Kommunen die Erwachsenen-‐ und<br />
Familienbildung passgenau auf die Gegebenheiten in der urbanen Integrationsschleuse<br />
ausrichten, wie Beispiele aus dem Programm Soziale Stadt zeigen (vgl. Soziale Stadt 2012).<br />
2.3 Kommunale Integrationspolitik<br />
Der Bund hat in Einwanderungsfragen die Gesetzgebungskompetenz, und die Länder haben<br />
mittels Polizeigewalt für die Durchführung der Gesetze zu sorgen. Somit bleibt den Kommunen<br />
nur die Gestaltung weicher Integrationsfaktoren, oder anders gesagt: Der Bund und die Länder<br />
regeln die Zuwanderung, in den Kommunen wird sie zur Integrationsaufgabe. An ihnen hängt<br />
Integration allerdings im besonderen Ausmaß, denn Migranten erfahren die jeweiligen<br />
Förderungsangebote in ihrer unmittelbaren Lebensumwelt, dem Quartier (vgl. Farwick 2004,<br />
S. 254f.). Dieses Umstandes sind sich die meisten Kommunen bewusst und reagieren mit<br />
unterschiedlichen politischen Maßnahmen. Solche Maßnahmen unterliegen keinen gesetzlichen<br />
Regelungen und sind freiwillige Aufgaben der Kommunen 34.<br />
Die wachsenden Integrationsbemühungen von Kommunen sind ebenfalls an der Entwicklung<br />
dieses Politikfeldes abzulesen, denn seit spätestens 2005 hat sich die Kommunalpolitik von der<br />
Ausländer-‐ zur Integrationspolitik weiterentwickelt (vgl. Heinrich 2012, S. 1). Kommunale<br />
Integrationspolitik hat sich somit, auch aufgrund unterschiedlicher öffentlicher und<br />
gesellschaftlicher Debatten, als prominentes Politikfeld etabliert (vgl. u.a. Schwarz 2010; Spiegel<br />
2010). Dabei wird sie von den Kommunen oftmals als sogenannte Querschnittsaufgabe<br />
34 Zwar gibt es eine Bundesbeauftragte für Integration, diese hat jedoch keine Kompetenz in der Gesetzgebung (§ 92<br />
AufenthG). Die Länder nehmen sich des Politikfeldes Integrationsförderung ebenfalls an, ohne jedoch Gesetze zu<br />
erlassen. Eher werden Projekte und Programme ausgeschrieben, die Kommunen Fördergelder für vorgeplante<br />
Integrationsprojekte sichern (vgl. am Beispiel NRW www.integration.nrw.de/foerderung/index.php, abgerufen am<br />
15.11.2012).<br />
45
etrachtet, was allerdings auch dazu führen kann, dass es zu einer organisierten<br />
Unverantwortlichkeit kommt (vgl. Banner 1991, S. 6). Dadurch gibt es zwar eine Förderung auf<br />
dem Papier, die jedoch keiner gemeinsamen Strategie folgt. Deshalb haben einige Kommunen<br />
sogenannte Integrationsbeauftragte 35 eingeführt, die sich allerdings in ihrem Aufgabenspektrum<br />
und ihren Kompetenzen unterscheiden. Durch einen Ansprechpartner innerhalb der<br />
Kommunalverwaltung wird Integrationsarbeit stärker betont und durchsetzungsfähiger (vgl.<br />
Detmers 2008, S. 105).<br />
Die inhaltliche Ausrichtung der kommunalen Integrationsarbeit ist nicht definiert und eine<br />
Kommune kann das Arbeitsfeld im Rahmen der Allzuständigkeit passgenau kreieren (vgl.<br />
Gesemann/Roth 2009, S. 12). Dabei reicht die Spannweite von innerer<br />
Verwaltungssensibilisierung bis hin zu Quartierskonzepten mit einem breiten Repertoire an<br />
sozialen Angeboten (vgl. u.a. Mansury 2007; BMVBS 2010). Eine solche Flexibilität in der<br />
Organisation ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es weder eine verlässliche Finanzierung<br />
für die Kommunen gibt noch eine Möglichkeit, integrationspolitische Leistungen einzufordern.<br />
Segen, weil passgenaue Lösungen generiert werden können, die dort greifen, wo sie besonders<br />
notwendig sind: nämlich in jenen Quartieren, die die Funktion einer urbanen<br />
Integrationsschleuse innehaben (vgl. Mansury 2007, S. 41ff.).<br />
Zu den Leistungen kommunaler Integrationspolitik gehört auch die Sprachförderung 36,da<br />
Sprache ein grundlegender Integrationsfaktor ist, deren Erwerb politisch gefördert werden kann<br />
(vgl. Pasler 2007, S. 7). Der Spracherwerb begünstigt die Möglichkeit, eine Arbeitsstelle zu<br />
erhalten und zu besseren Schulabschlüssen zu gelangen und fördert somit Teilhabechancen.<br />
Kommunale Integrationspolitik soll somit im weiteren Sinne als kommunales<br />
Leistungsspektrum verstanden werden, das primär auf die Förderung der Teilhabe von<br />
Migranten an relevanten Gütern abzielt. Damit können Kommunen ohne Einschränkungen<br />
passgenaue Angebote zur Förderung von Integration und damit auch zur Gestaltung urbaner<br />
Integrationsschleusen entwickeln.<br />
2.4 Kommunale Stadt-‐ und Quartiersentwicklungspolitik<br />
Stadt-‐ und damit auch Quartiersentwicklung gehört nach § 8 Raumordnungsgesetz zu den<br />
grundlegenden kommunalen Pflichtaufgaben. Die Gemeinden haben die Aufgaben, Strukturen<br />
von öffentlichem Interesse, wie z.B. Straßen, und zum Teil geförderten Wohnraum vorzuhalten.<br />
Da es sich meist um sehr kostenintensive Maßnahmen handelt, unterstützen Bund und Länder<br />
35 Die Bezeichnung variiert zwischen den Kommunen.<br />
36 An diesem Punkt gibt es eine inhaltliche Überschneidung mit der kommunalen Bildungspolitik.<br />
46
die Kommunen bei der Erledigung solcher Aufgaben qua Zuweisungen und<br />
Förderprogrammen 37. Zu den bedeutendsten Förderprogrammen der Quartiersentwicklung in<br />
Deutschland 38 gehören die Programme Soziale Stadt (vgl. Stolpe 2003, S. 5) sowie Stadtumbau<br />
West für die alten (vgl. Boba 2011, S. 9) und Stadtumbau Ost für die neuen Länder (vgl.<br />
Ramsauer 2012, S. 3). Die Rechtsgrundlage der Programme beruht auf Art. 104 GG sowie § 171<br />
BauGB, und sie werden von allen drei staatlichen Ebenen finanziert. Beide Programme haben<br />
das Ziel, innerhalb eines Projektzeitraums von fünf bis fünfzehn Jahren ein im kommunalen<br />
Kontext 39 benachteiligtes Quartier 40 städtebaulich und sozial besonders zu fördern bzw.<br />
aufzuwerten. Dazu gehören z.B. Fassadensanierungen und die Aufwertung des öffentlichen<br />
Raumes.<br />
In Programmgebieten der Sozialen Stadt, genauso wie in Stadtumbauquartieren, werden Bürger,<br />
privatwirtschaftliche Akteure, die Wohnungswirtschaft, öffentliche Einrichtungen und soziale<br />
Träger bei der Planung und Umsetzung der städtebaulichen Maßnahmen beteiligt (vgl. BMVBS<br />
2008a, S. 19ff). Im Rahmen des Programms Soziale Stadt wird im Quartier für einen begrenzten<br />
Umsetzungszeitraum eine Anlaufstelle für die Einwohner des Quartiers eingerichtet. Diese<br />
Anlaufstelle ist ebenso Sitz des lokalen Quartiersmanagements, das in der Regel mit Fachkräften<br />
aus dem sozialen und dem raumplanerischen Bereich besetzt ist (vgl. Eickhoff 2006, S. 106) 41.<br />
Für den Bereich der sozialen Maßnahmen stehen im Programm Soziale Stadt ebenfalls<br />
finanzielle Mittel zur Verfügung, um unterschiedliche Projekte im Stadtteil anzustoßen und zu<br />
etablieren.<br />
37 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf den Bereich der Förderprogramme gelegt, da dieser es<br />
ermöglicht, auf die Herausforderungen, die urbane Integrationsschleusen mit sich bringen, adäquat zu reagieren. Für<br />
den Bereich der Regelförderung von Bund und Ländern zur Stadtentwicklung siehe<br />
www.bbsr.bund.de/nn_21972/BBSR/DE/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/GrundlagenZieleFinanzierung/gr<br />
undlagen__node.html?__nnn=true, abgerufen am 16.11.2012.<br />
38 Beispiele von ähnlichen Projekten wie Soziale Stadt aus England, Frankreich, den Niederlanden und den USA finden<br />
sich in Häußermann 2009, S. 151ff.<br />
39 Der Prozess zur Aufnahme als Programmquartier für Soziale Stadt am Beispiel NRW siehe<br />
www.sozialestadt.nrw.de/antrag_finanzierung/aufnahme.php, abgerufen am 16.11.2012; für Stadtumbau West am<br />
Beispiel NRW siehe www.stadtumbaunrw.de, abgerufen am 16.11.2012; für Stadtumbau Ost am Beispiel<br />
Mecklenburg-‐Vorpommerns siehe http://www.lfi-‐<br />
mv.de/cms2/LFI_prod/LFI/content/de/Foerderungen/Wohnungsbaufoerderung/_Foerderungen/Stadtumbau_Ost__<br />
Rueckbau/index.jsp?&view=911, abgerufen am 16.11.2012.<br />
40 Die Umsetzung orientiert sich an einem Planungsgebiet und nicht zwingend an politischen Grenzen; vgl. z.B. Stadt<br />
Bergheim, www.eg-‐bm.de, abgerufen am 15.11.2012.<br />
41 Aktuelle Debatte zur Finanzierung des Programms Soziale Stadt siehe sozialestadt2011.wordpress.com, abgerufen<br />
am 16.11.2012.<br />
47
Der soziale Aspekt ist bei den Stadtumbauprogrammen nur als freiwilliger Bestandteil<br />
vorhanden. Viel eher steht die Bewältigung großer städtebaulicher Herausforderungen, wie z.B.<br />
Verwertung von Konvergenzflächen, Umnutzung ehemaliger Industrieareale, Rückbau von<br />
Großwohnsiedlungen etc., im Vordergrund (vgl. BMVBS 2008a, S. 26). Gesteuert werden die<br />
Stadtumbauprogramme sowie die Programmgebiete der Sozialen Stadt auf der kommunalen<br />
Ebene, ämter-‐ bzw. fachbereichsübergreifend. Diese Querschnittsorganisation wird auch als<br />
integriertes Handeln bezeichnet (vgl. ISSAB 2008, S. 5). Da solche integrierten<br />
Stadtteilentwicklungsprogramme oftmals in Quartieren umgesetzt werden, in denen die meisten<br />
Migranten leben (vgl. Strohmeier 2008, S. 488), sind sie somit besonders relevant, um auf<br />
urbane Integrationsschleusen zu reagieren. Dazu sind nicht unbedingt die Programme der Stadt-‐<br />
und Quartiersentwicklung vonnöten, sondern im Kern das integrierte Handeln aller relevanten<br />
Akteure.<br />
2.5 Integriertes kommunales Handeln als Paradigma zum Umgang mit urbanen<br />
Integrationsschleusen<br />
Die Politikbereiche, die im vorigen Abschnitt behandelt worden sind, machen die Themenvielfalt<br />
deutlich, die für die (Kommunal-‐)Politik mit urbanen Integrationsschleusen einhergehen. Schon<br />
jedes Feld für sich ist ein komplexes Segment, und die Abstimmung unter den jeweiligen<br />
Fachressorts einer Verwaltung im Rahmen eines Projekts ist bereits eine große<br />
Herausforderung, wie Programme der Quartiersentwicklung deutlich machen. Dennoch ist das<br />
integrierte Handeln unerlässlich, wenn die Rahmenbedingungen für Migranten während ihrer<br />
„Durchlaufzeit“ im Quartier optimal gestaltet werden sollen. Im Verbund können Synergieeffekte<br />
erreicht und kumulierte positive Effekte für die Bewohner des Quartiers erzielt werden. Wie<br />
Beispiele aus den Programmgebieten zeigen, sind insbesondere diejenigen Projekte erfolgreich,<br />
die passgenaue Lösungen und eine klare Output-‐Orientierung aufweisen. Um auf die<br />
Herausforderungen urbaner Integrationsschleusen von kommunalpolitischer Seite aus adäquat<br />
eingehen zu können, empfiehlt es sich somit, die vier Bereiche Arbeit, Integration, Bildung und<br />
Städtebauintegriert und zielorientiert zu betrachten.<br />
48
Zusammenfassung: Abschnitt 2<br />
• Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Förderung von Erwerbstätigkeit im<br />
Quartier können durch Output-‐Orientierung in der Kommunalverwaltung<br />
gefördert werden.<br />
• In der frühkindlichen Bildung sowie im Bereich der offenen Ganztagsschule<br />
haben Kommunen begrenzte inhaltliche Entscheidungskompetenz und<br />
können somit bedingt urbane Integrationsschleusen unterstützen.<br />
• Insbesondere die Bereiche der Familien-‐ und Erwachsenenbildung gehen mit<br />
einem hohen inhaltlichen Spielraum für die Kommune einher.<br />
• Integration findet in der Kommune statt und noch viel eher im Quartier. Dort<br />
setzen praktische Integrationsbemühungen an, die von der Kommunalpolitik<br />
frei gestaltet werden können.<br />
• Stadt-‐ bzw. Quartiersentwicklung ist sozialräumlich integriertes Handeln, das<br />
urbane Integrationsschleusen in ihrer Leistungserbringung unterstützen kann.<br />
49
3 Methodische Untersuchung<br />
Nach der vorangegangenen theoretischen Diskussion und Konzeption der urbanen<br />
Integrationsschleuse wird zu Beginn des folgenden Abschnitts Mülheim an der Ruhr als<br />
Praxisbeispiel vorgestellt. Anschließend werden drei Forschungshypothesen aufgestellt, an<br />
denen sich die weitere Arbeit orientiert. Die Dokumentation der Forschungsarbeit 42 in<br />
chronologischer und inhaltlich logischer Reihenfolge beginnt mit der Operationalisierung der<br />
aufgestellten Forschungsthesen. Daran schließt sich die Vorstellung des vorliegenden<br />
Datenmaterials an. Im Zuge der Erläuterung des methodischen Vorgehens wird gleichzeitig<br />
dargestellt, welche statistischen Methoden alternativ hätten angewendet werden können und<br />
welche Indikatoren ausgewählt wurden, um die Forschungshypothesen zu überprüfen. Nach<br />
diesen Vorarbeiten folgt die gesamtstädtische Betrachtung der Stadt Mülheim, um dort eine<br />
urbane Integrationsschleuse zu identifizieren. Dieses Gebiet wird im zweiten Forschungsteil in<br />
den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.<br />
3.1 Das Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr<br />
Mülheim an der Ruhr ist eine Großstadt im mittleren Ruhrgebiet mit knapp 170.000<br />
Einwohnern (vgl. Stadt Mülheim an der Ruhr 2012). Die Wurzeln der Stadtgeschichte reichen bis<br />
ins Mittelalter zurück. Geprägt wurde Mülheim in seiner heutigen Form besonders durch die<br />
Industrialisierung. Wie in den anderen Ruhrgebietsgroßstädten war auch in Mülheim an der<br />
Ruhr die Montanindustrie angesiedelt. Mit dem Zechensterben in der Nachkriegszeit setzte der<br />
Strukturwandel ein, der bis heute anhält. Die Stadt hat einen dicht besiedelten Kern, durch den<br />
die Ruhr fließt, und ländlichere Stadtrandbezirke. Sozial ist die Stadt in Nord und Süd gespalten<br />
(Kersting et.al. 2009, S.143). Im nördlichen Teil der Stadt leben eher Arme, Ausländer und deren<br />
Kinder, im Süden eher Reiche ohne Zuwanderungsgeschichte und mit tendenziell wenigen<br />
Kindern. Den sozialen Problemen in den nördlichen Gebieten wird mit einer Reihe von<br />
Maßnahmen wie z.B. dem Programm Soziale Stadt begegnet. Es gibt insgesamt neun Stadtteile,<br />
die durch 27 statistische Bezirke gebildet werden (Stadt Mülheim an der Ruhr 2012). Auf diese<br />
Ebene der statistischen Bezirke konzentriert sich die vorliegende Untersuchung. Die räumliche<br />
Verortung der statistischen Bezirke zeigt Abbildung 2.<br />
42 Die ethischen Grundsätze nach dem Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (siehe Anhang 3.1) werden<br />
selbstverständlich eingehalten.<br />
50
Abbildung 2: Karte von Mülheim an der Ruhr<br />
51
3.2 Forschungshypothesen und Operationalisierung<br />
Um die theoretische Diskussion anhand des Beispiels Mülheim an der Ruhr in der Praxis zu<br />
testen, werden im Folgenden drei Forschungshypothesen aufgestellt und unter<br />
Berücksichtigung des vorliegenden Materials operationalisiert.<br />
3.2.1 Forschungshypothese I – Urbane Integrationsschleuse<br />
In Mülheim an der Ruhr lässt sich ein Gebiet identifizieren, das das Profil einer urbanen<br />
Integrationsschleuse aufweist. Dazu gehört, dass sich dort soziale, ethnische und demografische<br />
Segregation überlagern und zudem hohe Wanderungsraten auftreten.<br />
Operationalisierung:<br />
Eine urbane Integrationsschleuse hat vier signifikant zusammenhängende Merkmale:<br />
1.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil von Erwerbslosen an der Bevölkerung im<br />
erwerbsfähigen Alter.<br />
àPassive Soziale Segregation<br />
2.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil von Ausländern 43 an der Gebietsbevölkerung.<br />
àEthnische Segregation<br />
3.) Einen relativ geringen (prozentualen) Anteil von Einwohnern über 65 Jahre.<br />
àDemografische Segregation<br />
4.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil der Einwohner mit einer Wohndauer unter<br />
fünf Jahren an der jeweiligen Adresse.<br />
àFluktuation<br />
o Die urbane Integrationsschleuse weist bei allen vier Indikatoren die höchsten Werte<br />
auf. Diejenigen Werte werden als hoch angesehen, die im fünften Quintil der<br />
Verteilung liegen 44 . Dazu wird eigens ein additiver Index gebildet.<br />
43 Der Indikator Ausländeranteil ist im Anhang beschrieben. Insbesondere der Aspekt, wer zur Gruppe der Ausländer<br />
zählt, wird dort erläutert (siehe Anhang 3.2).<br />
44 Dies bedeutet allerdings nicht, dass theoretisch nicht auch andere Gebiete eine solche Funktion aufweisen könnten.<br />
52
3.2.2 Forschungshypothese II – Sockelbevölkerung<br />
Innerhalb eines Gebiets, das die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehat, gibt es<br />
eine Sockelbevölkerung, die nicht umzieht. Sie fungiert als Brückenkopf und bietet erste<br />
Orientierung und Hilfen für die Ankommenden.<br />
Operationalisierung:<br />
• Die Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse hat eine Wohndauer von<br />
mindestens zehn Jahren an der jeweiligen Adresse.<br />
o Ihr Bevölkerungsanteil in der urbanen Integrationsschleuse ist kleiner als ihr<br />
Bevölkerungsanteil an der Gesamtstadt.<br />
• Der Ausländeranteil der gesamtstädtischen Sockelbevölkerung ist in der urbanen<br />
Integrationsschleuse höher als der gesamtstädtische Ausländeranteil.<br />
• Der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse liegt<br />
unter dem Ausländeranteil der Gesamtbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse.<br />
3.2.3 Forschungshypothese III – Verteilerfunktion<br />
Eine urbane Integrationsschleuse hat eine Verteilerfunktion inne. Es findet sich ein hohes Maß<br />
an außer-‐ und innerstädtischer Zu-‐ und Abwanderung. Durch innerstädtische Umzüge aus dem<br />
Gebiet, das die Rolle einer urbanen Integrationsschleuse innehat, geht für die Mehrzahl der<br />
Fortziehenden ein sozialer Aufstieg einher.<br />
Operationalisierung:<br />
• Die Gruppe der Ankommenden ist dreigeteilt:<br />
1. Bildungswanderer<br />
2. Gering qualifizierte ausländische Zuwanderer oder auch Arbeitsmigranten<br />
3. Sonstige Zuwanderer<br />
• Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse wird anhand der Zu-‐ und<br />
Fortwanderung in den Kategorien<br />
1. „Internationale Zuwanderung“,<br />
2. „Nationale Zuwanderung“,<br />
3. „Regionale Zuwanderung“<br />
4. „Innerstädtische Abwanderung“ gemessen.<br />
o Die Annahme gilt als bestätigt, wenn alle gebietsbezogenen Werte über den<br />
gesamtstädtischen Werten liegen.<br />
53
• Die Gruppe der Zuziehenden besteht zu mindestens zwei Drittel aus dem<br />
demografischen Mittelbau zwischen 18 und 65 Jahren, unabhängig woher sie<br />
zuwandern.<br />
• Fortzüge aus dem Gebiet, das im städtischen Kontext die Funktion einer urbanen<br />
Integrationsschleuse aufweist, werden in Bezug auf einen zu bildenden Index<br />
eingeordnet.<br />
o Die Annahme gilt als bestätigt, wenn mehr als 60 Prozent der Fortzüge aus dem<br />
Gebiet in ein anderes Gebiet mit einem sozialen Aufstieg verbunden sind.<br />
3.3 Datenbeschreibung und Bestand<br />
Die Datengrundlage bilden Lieferungen des Referats V.1 Statistik und Stadtforschung der Stadt<br />
Mülheim an der Ruhr. Die Daten stammen aus vier verschiedenen Datensätzen, wie Tabelle 1<br />
zeigt. Für den ersten Forschungsschritt wurden Daten für die innere Raumbeobachtung des<br />
Bundesamtes für Siedlungs-‐ und Raumwesen und die Bestandsdaten 2009 verwendet. Für den<br />
zweiten Forschungsschritt wurden Daten aus der internen Bewegungs-‐und Bestandsstatistik<br />
zusammengestellt, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nur in aggregierter Form<br />
veröffentlich werden dürfen. Das Bestandsjahr der Daten, mit Ausnahme der<br />
Wanderungsangaben, ist 2010. Bei Wanderungsangaben wurde das Jahr 2009 hinzugenommen.<br />
Aus beiden Jahren wurde ggf. das arithmetische Mittel gebildet, um eventuelle Effekte von<br />
Extremereignissen, wie z.B. große Umsiedlungsmaßnahmen aufgrund von Abrisstätigkeiten,<br />
abzumildern. Die für die Arbeit geeigneten Indikatoren lassen sich in Anlehnung an die vier<br />
Dimensionen der Merkmale der urbanen Integrationsschleuse in vier Kategorien einteilen. Eine<br />
ausführliche Liste aller verwendeten Indikatoren und der genannten Kategorisierung, inklusive<br />
ihrer Berechnung und beschriebenen Bedeutung, befindet sich im Anhang (vgl. Anhang 3.2).<br />
Datensatz Datenstand<br />
Bestandsdaten 2009 31.12.2009<br />
Innere Raumbeobachtung (IRB) 31.12.2010<br />
Bewegungsdaten 2009 31.12.2009<br />
Bewegungsdaten 2010 31.12.2010<br />
Tabelle 1: Genutzte Datensätze<br />
54
3.4 Beschreibung der Vorgehensweise<br />
Die Untersuchung vollzieht sich in zwei Schritten: zunächst wird das vorhandene Datenmaterial<br />
ausgewertet, um die urbane Integrationsschleuse von Mülheim an der Ruhr zu identifizieren.<br />
Sollte der erste Schritt zu einem positiven Ergebnis kommen, wird in einem zweiten Schritt die<br />
urbane Integrationsschleuse mit ihren prägenden Merkmalen, der Sockelbevölkerung und der<br />
Verteilerfunktion, untersucht.<br />
3.4.1 Vorgehensweise des erster Forschungsschritts<br />
Der erste Teil des ersten Forschungsschritts wird durch die Diskussion der Daten aller vier<br />
Merkmale gestaltet. Dabei wird der Abstand des jeweils größten und jeweils kleinsten Wertes<br />
zum Mittelwert gemessen, um einen Eindruck von der Verteilung und eventuellen<br />
Extremwerten zu erhalten. Der jeweils größte Wert der Verteilung ist das sog. Maximum (max).<br />
Der kleinste Wert der Verteilung ist das sog. Minimum (min). Als Mittelwert wird an dieser<br />
Stelle der Median genommen. Der Median teilt die Verteilung in zwei gleichgroße Teile und<br />
reagiert somit, im Gegensatz zum arithmetischen Mittel, nicht auf Ausreißer (vgl. Gehring/Weins<br />
2009, S. 123). Der Abstand zum Mittelwert ergibt sich somit als Differenz zwischen Maximum<br />
und Median bzw. Minimum und Median. Maximum und Minimum werden als Extremwerte<br />
angesehen und durch Hervorhebung kenntlich gemacht.<br />
Durch die Visualisierung der Streuung, wie sie im zweiten Teil des ersten Forschungsschritts<br />
unternommen wird, können die Verteilung und damit auch die vermuteten Zusammenhänge<br />
bildlich dargestellt werden. Somit lassen sich auch Fehlschlüsse für die weitere Arbeit<br />
korrigieren oder Vermutungen untermauern.<br />
Der dritte Teil des ersten Forschungsschritts bildet die Visualisierung der Verteilung der vier<br />
genannten Merkmale auf räumlicher Ebene mittels eines Geografischen Informationssystems<br />
(GIS). Auf diese Weise können die Trends, die von den Streudiagrammen angezeigt werden, auch<br />
räumlich zugeordnet werden. Dazu bedarf es allerdings einer sinnvollen Einteilung bzw.<br />
Klassifizierung der vier Verteilungen. Von daher wird das einfache Verfahren der<br />
Klassenbildung anhand der Quintile gewählt. Auf diese Weise werden für jede Verteilung jeweils<br />
fünf gleichgroße Gruppen gebildet. Somit erhält jeder statistische Bezirk einen Wert zwischen 1<br />
und 5 pro Merkmalsverteilung.<br />
Da ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen „Wohndauer unter 5 Jahre“, „Ausländeranteil“,<br />
„Arbeitslose an Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ und „Anteil der über 65-‐Jährigen an der<br />
Bevölkerung“ vermutet wird, wird dieser im ersten Forschungsschritt anhand des<br />
Korrelationskoeffizienten nach Pearsons (Pearsons r, auch Produkt-‐Moment-‐Korrelation<br />
55
genannt) untersucht. Dieses Zusammenhangsmaß eignet sich deswegen, da alle genutzten<br />
Variablen metrisch skaliert sind (vgl. Kuckartz et al.2010, S. 200). Die Korrelation berechnet sich<br />
aus der Kovarianz (kurz: Cov) und der Standardabweichung (kurz: s) der Variablen, deren<br />
Zusammenhang überprüft wird. Durch Pearsons Korrelationskoeffizient kann somit nur der<br />
statistische Zusammenhang zwischen zwei Variablen bzw. Wertepaaren gemessen werden (vgl.<br />
Kellerer 1960, S. 176). Die Ausprägung variiert zwischen -‐1 und +1, wobei -‐1 einen stark<br />
negativen Zusammenhang (je mehr, desto weniger) und +1 einen stark positiven<br />
Zusammenhang (je mehr, desto mehr) bedeutet. 0 sagt aus, dass es überhaupt keinen statistisch<br />
messbaren Zusammenhang zwischen den Variablen gibt (vgl. Kühnel/Krebs2010, S. 401).<br />
Allerdings bedeutet eine Korrelation nicht zwingend, dass es einen tatsächlichen inhaltlichen<br />
Zusammenhang, also eine Kausalität, gibt. Ein Beispiel dafür wäre, wenn eine höhere<br />
Geburtenhäufigkeit positiv mit der Storchenpopulation korreliert. Ein inhaltlicher<br />
Zusammenhang ist nicht logisch herzustellen. Die Erklärung für die hohe Korrelation wäre, dass<br />
Storche in ländlichen Regionen leben und dort die Fertilitätsrate höher ist. Somit ist eine<br />
Korrelation ein Hinweis, der ggf. inhaltlich ausgestaltet oder hinterfragt werden muss, um<br />
zweckdienlich zu sein; die Überprüfung geht also von der Korrelation hin zur Kausalität.<br />
Im abschließenden Teil des ersten Forschungsschritts werden die Verteilungspunkte pro Bezirk<br />
aufaddiert. Beim Arbeitslosenanteil, der Fluktuation und dem Ausländeranteil werden die<br />
Punkte steigend zum Anteil vergeben. Das heißt, je höher die Eingruppierung, desto mehr<br />
Punkte gibt es. Beim Indikator „Anteil der über 65-‐Jährigen an der Bevölkerung“ ist es aufgrund<br />
der theoretischen Vorüberlegungen anders herum, da eine urbane Integrationsschleuse relativ<br />
wenige Senioren beheimatet. Somit werden bei diesem Indikator mit steigendem Anteil weniger<br />
Punkte vergeben. Das Ergebnis ist damit ein additiver Index. Durch den Index erhält jeder<br />
statistische Bezirk einen Wert zwischen 4 und 20 Punkten. Die statistischen Bezirke werden,<br />
geordnet nach den Indexpunkten in fünf gleichgroße Gruppen geteilt und die dadurch gewonnen<br />
Gruppen inhaltlich beschrieben.<br />
3.4.2 Vorgehensweise des zweiten Forschungsschritts<br />
Im zweiten Forschungsschritt steht das Gebiet der urbanen Integrationsschleuse im Mittelpunkt<br />
der Betrachtung. Dazu wird zu Beginn der Bezirk im statistischen Profil vorgestellt 45 .<br />
Anschließend wird über den Indikator „Wohndauer ab 10 Jahren an der jeweiligen Adresse“ die<br />
Sockelbevölkerung untersucht. Er erfasst die Sockelbevölkerung, da davon ausgegangen werden<br />
kann, dass mit einer Wohndauer ab 10 Jahren eine subjektive Identifikation mit dem<br />
45 Statistische Profile aller statistischen Bezirke Mülheims an der Ruhr befinden sich im Anhang 3.3.<br />
56
Wohnquartier besteht und Kontakte zu anderen Bewohnern des Quartiers bereits länger<br />
Bestand haben können. Untersucht wird die Sockelbevölkerung anhand der Variable<br />
Ausländeranteil.<br />
Weiterhin wird die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse anhand der<br />
Wanderungsbewegungen hin zum und fort vom statistischen Bezirk betrachtet. Dazu wird<br />
zuerst die Zuwanderung in den Kategorien „International“, „National“, „Regional“ und<br />
„Innerstädtisch“ untersucht. Die Zu-‐ und Abwanderer werden anhand der Indikatoren<br />
Ausländeranteil und Alter beschrieben.<br />
Der abschließende Schritt der Untersuchung ist die Beschreibung und Kategorisierung der<br />
innerstädtischen Abwanderungsziele mittels des additiven Index des Forschungsteils 1. Es wird<br />
davon ausgegangen, dass durch einen Wohnortwechsel in einen Bezirk, der einer höheren<br />
Gruppe angehört, ein sozialer Aufstieg einhergeht. Dies ist allerdings nur ein Hinweis und die<br />
Gefahr einer ungültigen Verallgemeinerung ist an dieser Stelle in besonderer Weise gegeben.<br />
Abschließend wird ausgezählt, wie hoch der Anteil derjenigen war, der in ein „statushöheres“<br />
Gebiet gezogen ist.<br />
3.4.3 Alternative Möglichkeiten der Vorgehensweise<br />
Bei der demografischen Segregation ist der Indikator „Anteil der ab 65-‐Jährigen“ redundant zu<br />
„Anteil der unter 18-‐Jährigen“. Ersterer schlägt jedoch tendenziell eher bei „reicheren“ Gebieten<br />
an, da dort mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Bewohner, die jetzt Senioren sind, die Stadt in<br />
der Familiengründungsphase nicht verlassen haben, im Gegensatz zu Familien mit mittlerem<br />
und hohem Einkommen. Somit kommt es zu keiner Betrachtung, die von vornherein von<br />
inhaltlich falschen Umständen ausgeht. Der Indikator „Wohndauer unter 5 Jahre an der<br />
jeweiligen Adresse“ wurde deswegen gewählt, weil er einfacher zu kommunizieren ist und<br />
zugleich inhaltlich valide ist, was für die Handlungsempfehlungen von großer Bedeutung ist.<br />
Zur Datenbeschreibung im zweiten Teil des ersten Forschungsschritts hätte auch das<br />
arithmetische Mittel verwendet werden können, was allerdings den Nachteil hat, dass es auf<br />
Ausreißer reagiert. Zudem ist das gewählte einfache Verfahren auch für Fachfremde<br />
nachvollziehbar. Zur Klassifikation der Gebiete könnten multivariate Analysemethoden<br />
herangezogen werden. Statt der Gruppierung nach Quintilen hätten entweder z-‐Werte<br />
zugeordnet werden können oder entsprechend standardisierte Werte mittels Faktorenanalyse.<br />
Mit diesen hätte zudem auch eine Clusteranalyse durchgeführt werden können. Da es für die<br />
Identifizierung und Untersuchung der urbanen Integrationsschleuse allerdings keine<br />
explorativen Methoden (vgl. zur Z-‐Standardisierung: Kühnel/Krebs 2010, S. 631; Zur<br />
Faktorenanalyse: Backhaus et al. 2011, S. 330; Zur Clusteranalyse: Bacher/Pöge/Wenzig 2010,<br />
57
S. 22) benötigt, wird auf multivariate Analysemethoden verzichtet. Im zweiten<br />
Forschungsschritt wird das betrachtete Gebiet nur mit der Gesamtstadt verglichen und nicht mit<br />
anderen Gebieten Mülheims, was den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde, auch<br />
wenn es durchaus sinnvoll wäre. Die Sockelbevölkerung könnte auch anhand von<br />
armutsbezogenen Daten untersucht werden, um ein klareres Bild ihrer sozialen Situation zu<br />
erhalten, was allerdings aufgrund der verfügbaren Daten nicht möglich ist. Der Index der<br />
Wanderungsanalyse sollte zudem nach dem adressbezogenen Ziel fragen und die Baublöcke<br />
betrachten, die Wanderungsziel sind. Dieses Verfahren wäre zwar sinnvoll, jedoch aufgrund<br />
datenschutzrechtlicher Restriktionen, aufgrund zu geringer Fallzahl, nicht zulässig.<br />
Der Segregationsindikator „Mietpreis pro Quadratmeter“ konnte nicht verwendet werden,<br />
obwohl er für Segregationsprozesse ein zentraler Indikator ist. Leider liegt dieser nicht vor.<br />
3.5 Forschungsteil 1: Ermittlung der urbanen Integrationsschleuse<br />
Um die urbane Integrationsschleuse zu ermitteln, werden im Folgenden fünf Schritte<br />
unternommen. Erstens werden die Daten der vier Merkmale<br />
• Anteil der über 65-‐Jährigen an der Gesamtbevölkerung,<br />
• Ausländeranteil,<br />
• Wohndauer unter 5 Jahren der Bevölkerung und<br />
• Arbeitslose an Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter<br />
auf Ebene der statistischen Bezirke der Stadt Mülheim an der Ruhr betrachtet. Dazu werden die<br />
vier Merkmale einzeln anhand des Medians und der Spannweite bzw. Minimal-‐ und<br />
Maximalwerte gesichtet und analysiert. Zudem wird die Streuung der Merkmale paarweise<br />
dargestellt. Somit ergibt sich schon ein erster Eindruck, welches Gebiet die Funktion einer<br />
urbanen Integrationsschleuse innehaben könnte. Anschließend werden diese auf vier<br />
thematischen Stadtkarten geovisualisiert. Daraufhin wird ihr Zusammenhang mittels des<br />
Korrelationskoeffizienten von Pearson überprüft. Der letzte Forschungsschritt des ersten Teils<br />
ist die Klassifizierung der urbanen Integrationsschleuse in Mülheim an der Ruhr anhand eines<br />
additiven Verfahrens. Zuletzt werden die Gebiete mittels ihrer Indexwerte klassifiziert.<br />
58
3.5.1 Datenüberblick<br />
Der erste Schritt zur Ermittlung einer urbanen Integrationsschleuse ist die differenzierte<br />
Betrachtung der vorliegenden Daten. Beim ersten Indikator, „Arbeitslose an der Bevölkerung im<br />
erwerbsfähigen Alter“, zeigt sich eine Spannweite von 15,13 Prozent, die von 0,98 Prozent in<br />
Holthausen-‐Südost bis zu 16,10 Prozent in Altstadt II Südwest reicht. Der Median der Verteilung<br />
beträgt 6,81 Prozent. Insbesondere der Wert von Altstadt II Südwest ist sehr auffällig.<br />
Beim zweiten Indikator, dem „Ausländeranteil“, beträgt die Spannweite 31,50 Prozent. Dabei ist<br />
der kleinste Wert mit 2,12 Prozent in Holthausen-‐Südost zu finden und der größte in Altstadt II<br />
Südwest mit 33,65 Prozent. Der Median der Verteilung beträgt 8,93 Prozent. Somit ist, wie beim<br />
ersten Indikator, Altstadt II Südwest das Gebiet mit einem Extremwert, der auf eine urbane<br />
Integrationsschleuse hinweist.<br />
Der demografische Indikator, „Anteil der Bevölkerung ab 65 Jahre“, weist eine Spannweite von<br />
15,60 Prozentpunkten auf. Der geringste Wert findet sich mit 17,36 Prozent in Altstadt II<br />
Südwest, der größte in Holthausen-‐Südost mit 32,96 Prozent. Der Median liegt bei<br />
24,33 Prozent.<br />
Der Fluktuationsindikator „Wohndauer unter 5 Jahren“ hingegen zeigt wieder ein relativ breit<br />
gestreutes Feld. Die Spannweite beträgt 28,01 Prozent. Die beiden Enden der Streuung bilden<br />
Holthausen-‐Südost mit 21,23 Prozent als kleinster und Altstadt I Stadtmitte mit 49,24 Prozent<br />
als größter Wert. Der Median der Verteilung beträgt 31,53 Prozent.<br />
59
Arbeitslose an<br />
der Bevölkerung<br />
im<br />
erwerbsfähigen<br />
Alter<br />
Ausländer-‐<br />
anteil<br />
Bevölkerung<br />
ab 65 Jahre<br />
Wohndauer<br />
unter<br />
5 Jahre<br />
Altstadt I Nordost 8,43% 10,24% 25,95% 33,80%<br />
Altstadt I<br />
Stadtmitte<br />
13,00% 29,84% 19,63% 49,24%<br />
Altstadt I Südost 10,65% 16,30% 25,46% 40,80%<br />
Altstadt I Südwest 5,11% 7,91% 28,33% 42,42%<br />
Altstadt II Nord 6,81% 8,97% 24,62% 28,19%<br />
Altstadt II<br />
Nordost<br />
8,11% 11,46% 23,45% 30,50%<br />
Altstadt II Südost 11,74% 19,00% 19,43% 44,00%<br />
Altstadt II<br />
Südwest<br />
16,10% 33,65% 17,36% 45,04%<br />
Broich-‐Ost 8,89% 9,22% 25,23% 32,13%<br />
Broich-‐West +<br />
Waldgebiet<br />
5,62% 7,11% 25,18% 32,05%<br />
Dümpten-‐Ost 7,87% 8,93% 23,57% 26,24%<br />
Dümpten-‐West 7,40% 9,93% 24,40% 33,99%<br />
Heißen-‐Mitte 7,54% 8,68% 22,33% 30,06%<br />
Heißen-‐Nord 3,20% 3,90% 22,20% 24,56%<br />
Heißen-‐Süd 4,71% 4,21% 25,68% 25,56%<br />
Holthausen-‐Nord 2,57% 3,66% 24,25% 25,55%<br />
Holthausen-‐<br />
Südost<br />
0,98% 2,12% 32,96% 21,23%<br />
Holthausen-‐West 2,72% 4,42% 22,83% 30,51%<br />
Menden und<br />
Ickten<br />
1,64% 2,34% 31,06% 31,93%<br />
Saarn-‐Mitte 4,99% 6,34% 21,81% 30,25%<br />
Saarn-‐Süd 3,21% 2,55% 25,53% 30,52%<br />
Saarn-‐West 2,50% 3,11% 27,49% 24,11%<br />
Speldorf-‐Nordost 7,59% 10,68% 24,33% 35,05%<br />
Speldorf-‐<br />
Nordwest<br />
2,99% 13,78% 21,23% 34,96%<br />
Speldorf-‐Süd 3,57% 4,36% 28,03% 26,48%<br />
Styrum-‐Nord 8,87% 15,41% 19,67% 34,22%<br />
Styrum-‐Süd 9,52% 24,36% 18,18% 31,85%<br />
Tabelle 2: Daten der Indikatoren „Arbeitslose an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“,<br />
„Ausländeranteil“,„Bevölkerung ab 65 Jahre“ und „Wohndauer unter 5 Jahre“ in Mülheim an der Ruhr auf<br />
Ebene der statistischen Bezirke<br />
60
Aus der Aufstellung wird deutlich, dass bei drei der vier betrachteten Merkmale derselbe<br />
Stadtteil, Altstadt II Südwest, die höchsten Werte erzielt. Zudem sind bei diesem Stadtteil bei<br />
zwei betrachteten Merkmalen auch die Spitzenwerte relative Extremwerte, wenn man den<br />
Median als Lagemaß nimmt. Ein erster Schritt deutet also auf das statistische Viertel Altstadt II<br />
Südwest als urbane Integrationsschleuse hin. Zur Visualisierung der Verteilung und<br />
Überprüfung der Interpretation wird die Verteilung im Folgenden anhand zweier<br />
Streudiagramme visualisiert.<br />
3.5.2 Untersuchung der Verteilung – Streudiagramme<br />
Das erste Streudiagramm zeigt die Streuung der Merkmale „Anteil der über 65-‐Jährigen an der<br />
Bevölkerung“ und „Ausländeranteil an der Bevölkerung“ auf Ebene der statistischen Bezirke.<br />
Abbildung 3: Streudiagramm Bevölkerungsanteil der über 65-‐Jährigen und Ausländeranteil<br />
61
Das zweite Streudiagramm zeigt die Streuung der beiden Merkmale „Wohndauer unter 5 Jahren“<br />
der Bevölkerung und „Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“.<br />
Abbildung 4: Streudiagramm „Bevölkerung ab 18 Jahren mit einer Wohndauer unter 5 Jahren“ und „Arbeitslose an der<br />
Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ in Mülheim an der Ruhr auf Ebene der statistischen Bezirke<br />
Durch die Streudiagramme wird das Ausmaß des Zusammenhangs der Merkmale in der<br />
Verteilung auch visuell deutlich. Zudem bestätigt sich der Trend zunehmend, dass es sich beim<br />
statistischen Bezirk Altstadt II Südwest um eine urbane Integrationsschleuse handelt, da sie bei<br />
beiden Streudiagrammen das auffälligste Gebiet ist. Beim ersten der beiden Streudiagramme<br />
liefert es den Spitzenwert der deutlichen Ausreißer und bestätigt das Bild, das sich bei der<br />
Datenuntersuchung bereits ergeben hat. Auch beim zweiten Streudiagramm zeigt sich, dass es<br />
sich mit Altstadt I Stadtmitte um den Spitzenwert handelt.<br />
Somit ergibt sich ein offensichtlicher Trend, der jedoch bislang nicht abschließend bestätigt<br />
werden kann. Es kann ebenso der Fall sein, dass es sich bei Altstadt I Stadtmitte und Altstadt II<br />
Südwest jeweils um eine urbane Integrationsschleuse handelt, insbesondere wenn diese direkt<br />
62
aneinandergrenzen. Es wird jedoch weiterhin davon ausgegangen, dass es auf der Ebene der<br />
statistischen Bezirke in Mülheim an der Ruhr nur eine urbane Integrationsschleuse gibt. Um den<br />
räumlichen Zusammenhang zu untersuchen und ob es sich bei Altstadt II Südwest um die<br />
urbane Integrationsschleuse handelt, wird die Verteilung auf vier thematischen Karten<br />
visualisiert.<br />
3.5.3 Untersuchung der Verteilung – GIS<br />
Die Verteilung wird mittels georeferenzierter Daten auf Ebene der statistischen Bezirke von<br />
Mülheim an der Ruhr visualisiert. Dazu wurden für jede Karte bzw. für jeden verwendeten<br />
Indikator fünf gleich große Gruppen gebildet. Die Grenzwerte für die Gruppen orientieren sich<br />
demnach am 20., 40., 60. und 80. Perzentil der Verteilung.<br />
63
Abbildung 5: Karte Anteil der ab 65 Jährigen an der Bevölkerung in Mülheim an der Ruhr<br />
64
Abbildung 6: Karte Anteil Bevölkerung ab 18 Jahre mit einer Wohndauer unter 5 Jahre in Mülheim an der Ruhr<br />
65
Abbildung 7: Ausländeranteil in Mülheim an der Ruhr<br />
66
Abbildung 8: Karte Arbeitslosenanteil an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre in Mülheim an der Ruhr<br />
Es zeigt sich, dass es bei allen Karten einen deutlichen Unterschied zwischen Stadtmitte und<br />
Stadtrandgebiet gibt. Die einzige relative Ausnahme bildet die Karte des Indikators „Anteil der<br />
über 65-‐Jährigen an der Bevölkerung“. Dort weist die Innenstadt anteilig mehr Einwohner im<br />
Rentenalter auf als die unmittelbar nördlich angrenzenden Gebiete, die in allen anderen<br />
Verteilungen gemeinsam die Spitzengruppe bilden. Es zeigen sich somit zwei Trends: Zum einen<br />
sind die innenstädtischen Gebiete Wohnorte von Einwohnern, die von passiver Segregation<br />
67
etroffen sind, und zum anderen leben in Altstadt I Stadtmitte deutlich mehr Rentner als in<br />
Altstadt II Südwest, was gegen den Charakter einer urbanen Integrationsschleuse spricht.<br />
3.5.4 Statistische Zusammenhangsuntersuchung mittels Pearsons Korrelationskoeffizient<br />
Um einen Zusammenhang zwischen den vier genannten Merkmalen zu untersuchen, werden<br />
diese anhand des Zusammenhangsmaßes Pearsons r beleuchtet. Dieses Zusammenhangsmaß<br />
kann nur bei metrischen Variablen eingesetzt werden und nimmt einen Wert zwischen -‐1 und<br />
+1 an, wobei -‐1 einen sehr starken negativen Zusammenhang (je mehr, desto weniger) angibt, 0<br />
gar keinen Zusammenhang und +1 einen sehr starken positiven Zusammenhang (je mehr, desto<br />
mehr).<br />
Wohndauer<br />
unter 5 Jahre<br />
Ausländer-‐<br />
anteil<br />
Arbeitslose an<br />
der<br />
Bevölkerung<br />
zwischen 18<br />
und 65 Jahre<br />
Anteil der<br />
Bevölkerung<br />
über 65 Jahre<br />
Wohndauer<br />
unter 5 Jahre<br />
Ausländer-‐<br />
anteil<br />
Arbeitslose<br />
an der<br />
Bevölkerung<br />
zwischen 18<br />
und 65 Jahre<br />
Anteil der<br />
Bevölkerung<br />
über 65 Jahre<br />
1 0,777** 0,740** -‐0,472*<br />
0,777** 1 0,889** -‐0,735**<br />
0,740** 0,889** 1 -‐0,664**<br />
-‐0,472* -‐0,735** -‐0,664** 1<br />
* = beidseitige Signifikanz von 0,5 ** = beidseitige Signifikanz von 0,1<br />
Abbildung 9: Korrelationsmatrix der Merkmale „Wohndauer unter 5 Jahre“, „Ausländeranteil“, „Arbeitslose an der<br />
Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ und „Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre“ auf Ebene der statistischen Bezirke<br />
von Mülheim an der Ruhr zum Messzeitpunkt 31.12.2012<br />
Es zeigt sich, dass alle Indikatoren eindeutig miteinander korrelieren: die Wohndauer unter<br />
5 Jahren an der jeweiligen Adresse zu +0,77 mit dem Ausländeranteil und zu +0,74 mit dem<br />
Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre sowie mit -‐0,47 mit dem<br />
Anteil der über 65-‐Jährigen an der Bevölkerung. Zudem korrelieren der Indikator „Arbeitslose<br />
68
an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre mit +0,89 mit dem Ausländeranteil. Der<br />
Ausländeranteil korreliert mit -‐0,74 negativ mit dem Anteil der über 65 Jährigen. Dieser<br />
wiederum korreliert auch negativ mit -‐0,66 mit dem Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung.<br />
Alle Korrelationen sind hochsignifikant. Das bedeutet, dass da, wo die Fluktuation am höchsten<br />
ist, auch die meisten Ausländer leben, die meisten Armen bzw. Arbeitslosen sowie die wenigsten<br />
Einwohner im Rentenalter.<br />
3.5.5 Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse<br />
Zur abschließenden Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse wird ein einfaches<br />
additives Verfahren verwendet. Dazu werden die Daten, die die fünf gleich großen Gruppen<br />
beinhalten, gruppiert. Das heißt, dass die Gruppe im 1. Quintil der Verteilung den Wert 1<br />
zugeordnet bekommt, im 2. Quintil den Wert 2, im 3. Quintil den Wert 3, im 4. Quintil den Wert 4<br />
und im 5. Quintil der Verteilung den Wert 5. Somit erhält jedes Gebiet für jedes der vier<br />
untersuchten Merkmale einen Wert zwischen 1 und 5. Diese Werte werden dann pro<br />
statistischem Bezirk addiert. Somit ergibt sich ein fiktiver Minimalwert von 4 (1+1+1+1=4) und<br />
ein fiktiver Höchstwert von 20 (5+5+5+5=20). Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle<br />
zusammengefasst:<br />
69
Tabelle 3: Indextabelle zur Identifizierung der urbanen Integrationsschleuse in Mülheim an der Ruhr<br />
70
Nur ein statistischer Bezirk erreicht den Spitzenwert von 20 Indexpunkten. Es ist, wie der erste<br />
Trend bereits vermuten ließ, Altstadt II Südwest. Für die weitere Arbeit wird dieses Gebiet<br />
differenzierter betrachtet. Allerdings muss auch dieses Gebiet im Kontext mit den anderen<br />
Gebieten Mülheims untersucht werden. Daher werden die statistischen Bezirke nach den<br />
Quintilen der Indexpunkte kurz typisiert 46.<br />
Beschreibung der quintilsangehörigen Gebieten<br />
Gruppe 1 (4 bis 8 Punkte) Die statistischen Bezirke Mülheims der Gruppe 1 sind an den<br />
südlichen und westlichen Stadträndern zu finden. Sie zeichnen<br />
sich dadurch aus, dass dort eher Reiche, Alte und wenige<br />
Ausländer leben. Sie bilden, bildlich gesprochen, die<br />
„Oberstadt“.<br />
Gruppe 2 (9 und 10 Punkte) Die Gebiete der Gruppe 2 sind in den Innenstadtrandgebieten<br />
verortet. Sie sind zwar nicht im selben Ausmaß als „Oberstadt“<br />
anzusehen, doch sind sie eher Wohnorte von ökonomisch und<br />
sozial Bessergestellten mit tendenziell weniger Kindern.<br />
Gruppe 3 (11 bis 13 Punkte) Die statistischen Bezirke der Gruppe 3 bieten ein heterogenes<br />
Bild. Einige von ihnen liegen an den Stadträndern, andere in den<br />
innenstadtnahen Bereichen. Ihre Sozialstruktur ist ebenfalls<br />
heterogen, und somit ist die Gesamtgruppe 3 eher unauffällig. In<br />
Bezirken, die dieser Gruppe angehören, leben eher Angehörige<br />
der gesellschaftlichen Mittelschicht.<br />
Gruppe 4 (14 Punkte) Die statistischen Bezirke der Gruppe 4 liegen, mit einer<br />
Ausnahme, alle im östlichen Teil der Stadt und vermehrt an den<br />
Stadtrandbereichen. Dort finden sich eine Reihe von sozial<br />
belasteten Haushalten, allerdings auch zahlreiche<br />
mittelständische Haushalte. Somit kann von einer sozialen<br />
Mischung der Gebiete der Gruppe 4 gesprochen werden, auch<br />
wenn es deutliche Anzeichen sozialer Belastung gibt.<br />
Gruppe 5 (15 bis 20 Punkte) Statistische Bezirke, die der Gruppe 5 angehören, liegen<br />
allesamt im nördlichen Teil der Stadt und ziehen sich von der<br />
Innenstadt bis an den nördlichen Stadtrand. Dort finden sich<br />
eine Reihe von sozial belasteten Haushalten, wenige Alte (viele<br />
Kinder) und die meisten Ausländer. Die urbane<br />
Integrationsschleuse Mülheims, Altstadt II Südwest, ist Teil<br />
dieser Gruppe. Man kann die Gruppe 5, bildlich gesprochen, als<br />
„Unterstadt“ bezeichnen.<br />
Abbildung 10: Beschreibung der Quintilsgruppen<br />
46 In den Fällen, in denen die Quintilsgruppengrenze zwei Fälle mit derselben Indexpunktezahl zwei<br />
unterschiedlichen Quintilen zugeordnet hat, wurde dieser inhaltliche Fehler händisch korrigiert.<br />
71
3.6 Forschungsteil 2: Untersuchung der urbanen Integrationsschleuse<br />
Das statistische Gebiet Altstadt II Südwest wurde eindeutig als urbane Integrationsschleuse<br />
identifiziert und wird daher im zweiten Teil der Untersuchung in den Mittelpunkt gestellt. Dazu<br />
wird das Gebiet zu Beginn anhand einschlägiger Daten und Grafiken beschrieben. In einem<br />
zweiten Schritt wird die Sockelbevölkerung, wie in der Forschungshypothese 2 erläutert,<br />
betrachtet. Um die Verteilerfunktion des Bezirks zu untersuchen, wird als Drittes mittels<br />
deskriptiver Verfahren eine Wanderungsanalyse vorgenommen. Den Abschluss bildet eine<br />
Kategorisierung der innerstädtischen Wanderungsziele.<br />
3.6.1 Gebietsprofil Altstadt II Südwest<br />
Der statistische Bezirk Altstadt IISüdwest wird anhand einschlägiger Eckdaten, des<br />
demografischen Aufbaus, der ethnischen Zusammensetzung, der vorhandenen Flächen,<br />
ausgewählter Sozialindikatoren, Fluktuationsklassen und der Anteile der unterschiedlichen<br />
Wohngebäudetypen an allen Wohngebäuden beschrieben.<br />
3.6.1.1 Eckdaten<br />
Einwohner:<br />
Anteil an allen Einwohnern:<br />
Medianalter:<br />
Größte Ausländergruppe:<br />
Ausländeranteil:<br />
Arbeitslose:<br />
Arbeitslosenquote:<br />
Fläche in ha:<br />
Anteil der Fläche:<br />
Innerstädtische Zuwanderung:<br />
Außerstädtische Zuwanderung:<br />
Innerstädtische Abwanderung:<br />
Außerstädtische Abwanderung:<br />
Altstadt II Südwest Mülheim an der Ruhr<br />
6.217<br />
3,77%<br />
40 Jahre<br />
Türken<br />
33,65%<br />
639<br />
16,10%<br />
279,79<br />
3,06%<br />
Tabelle 4: Eckdaten des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />
611<br />
431<br />
682<br />
271<br />
164.895<br />
100%<br />
46 Jahre<br />
Türken<br />
10,63%<br />
7.264<br />
7,21%<br />
9129<br />
100%<br />
/<br />
6745<br />
/<br />
5797<br />
72
Der statistische Bezirk Altstadt II Südwest ist Teil des Stadtteils Eppinghoven und liegt am<br />
nördlichen Rand der Mülheimer Innenstadt. Die größte Ausländerpopulation des Bezirks sind,<br />
wie in der Gesamtstadt, die türkischstämmigen Zuwanderer. Ausländer sind hier Einwohner mit<br />
einer nichtdeutschen Staatsbürgerschaft. Die Arbeitslosigkeit und damit die vermutete Armut im<br />
Bezirk liegt weit über dem gesamtstädtischen Wert. Das Wanderungssaldo der<br />
Wanderungsbewegungen über die Stadtgrenze ist positiv, d.h. es liegen Wanderungsgewinne<br />
vor. Das innerstädtische Wanderungssaldo dagegen ist negativ, d.h. innerstädtisch liegen<br />
Wanderungsverluste vor.<br />
3.6.1.2 Demografisches Profil<br />
Abbildung 11: Demografisches Profil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der<br />
Ruhr (eigene Darstellung)<br />
Beim statistischen Bezirk Altstadt II Südwest handelt es sich um einen relativ jungen Stadtteil im<br />
Mülheimer Norden der Innenstadt. Das Medianalter liegt 6 Jahre unter dem gesamtstädtischen.<br />
Dort leben auffällig viele Menschen im erwerbsfähigen Alter, d.h. zwischen 18 und 65 Jahren.<br />
Besonders auffällig ist, dass zudem relativ wenige über 65-‐Jährige in dem statistischen Bezirk<br />
leben. Der Anteil der Kinder liegt über dem gesamtstädtischen Niveau.<br />
73
3.6.1.3 Ethnisches Profil<br />
Abbildung 12: Ethnisches Profil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />
(eigene Darstellung)<br />
Die größte Ausländergruppe im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest sind Türken. Sie bilden<br />
auch die größte Ausländergruppe in der Gesamtstadt. Danach folgen die beiden ethnischen<br />
Gruppen Amerikaner und asiatische GUS-‐Migranten, jedoch jeweils mit großem Abstand zur<br />
größten Ausländergruppe 47. Somit gibt es eine dominante Ausländergruppe im Bezirk und<br />
weitere anteilsmäßig kleinere ethnische Gruppen. Der Ausländeranteil im Bezirk liegt mit<br />
33,65 Prozent weit über dem gesamtstädtischen von 10,63 Prozent und ist zudem der höchste<br />
Wert aller statistischen Bezirke.<br />
47 Der Anteil der EU-‐Ausländer beinhaltet weitere aufgeführte Ausländergruppen und wird aus diesem Grund<br />
inhaltlich nicht beachtet, der Vollständigkeit halber allerdings mit aufgeführt.<br />
74
3.6.1.4 Flächenprofil<br />
Abbildung 13: Flächenprofil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />
(eigene Darstellung)<br />
Altstadt II Südwest ist ein sehr dicht bebautes Wohngebiet, fast ohne Erholungsflächen. Die Ruhr<br />
streift das Gebiet, was den Anteil der Wasserfläche erklärt. Verkehrsflächen weisen mit gut<br />
18 Prozent Anteil die zweitgrößte Flächennutzung auf. Vereinzelt finden sich in diesem Bezirk<br />
auch Betriebe bzw. Betriebsflächen. Ein Vergleich mit der Gesamtstadt ist aufgrund der<br />
mangelnden inhaltlichen Vergleichbarkeit der Flächenprofile nicht zielführend.<br />
75
3.6.1.5 Soziales Profil<br />
Abbildung 14: Soziales Profil des statischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />
(eigene Darstellung)<br />
Im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest leben im Vergleich zum städtischen Durchschnitt<br />
sehr viele Arbeitslose. Der Anteil der Haushalte an allen Haushalten mit Kindern ist mit fast<br />
25 Prozent ebenso als sehr hoch anzusehen. In etwa jedem fünften Haushalt in diesem Gebiet<br />
lebt mindestens ein Kind. In diesem Bezirk ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere<br />
soziale Probleme gleichzeitig auftreten relativ hoch.<br />
76
3.6.1.6 Wanderungsprofil<br />
Abbildung 15: Wanderungsprofil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />
(eigene Darstellung)<br />
Die Fluktuation im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest ist relativ hoch. Mehr als ein Fünftel<br />
der Bevölkerung wechselt rechnerisch innerhalb der ersten drei Jahre mindestens einmal die<br />
Adresse, mehr als die Hälfte binnen zehn Jahren. Insbesondere die Wohndauer unter 3 Jahren ist<br />
überdurchschnittlich hoch. Dies spricht dafür, den Bezirk als Durchgangsstation anzusehen.<br />
Gleichzeitig deutet es darauf hin, dass die Herausbildung tragfähiger informeller<br />
nachbarschaftlicher Beziehungen relativ schwierig sein könnte. Jedoch gibt es offensichtlich<br />
auch einen Anteil der Bevölkerung, der nicht häufig umzieht, also sozial im Bezirk „verwurzelt“<br />
ist. Die Fluktuation nimmt, auch im Vergleich zu den gesamtstädtischen Werten, mit<br />
zunehmender Wohndauer ab.<br />
77
3.6.2 Untersuchung der Sockelbevölkerung<br />
Eine urbane Integrationsschleuse ist geprägt von hoher Fluktuation, wie schon der erste<br />
Forschungsschritt gezeigt hat. Für den Integrationsprozess, insbesondere für Migranten, ist es<br />
wichtig, einen ersten Anlaufpunkt und Bekanntschaften in der neuen Umgebung zu haben. Dabei<br />
helfen verwandtschaftliche und soziale Netzwerke, die das Ankommen begleiten. Es ist also<br />
hilfreich, eine Art Brückenkopf im Quartier zu haben: Menschen, die zur selben sozialen Gruppe<br />
gehören, z.B. türkischstämmige Einwanderer, die sich vor Ort auskennen und dort bereits<br />
verwurzelt sind. Besonders unterstützend ist es, wenn sie selbst Arbeits-‐ und<br />
Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Durch Rat und informelle Hilfeleistungen<br />
geben sie den Neuankömmlingen Orientierung und sozialen Halt. Zu messen ist die<br />
Sockelbevölkerung durch die Wohndauer, die in diesem ansonsten sehr von Fluktuation<br />
geprägten Gebiet mehr als 10 Jahre beträgt. Mit dem vorliegenden Material wird außerdem der<br />
Ausländeranteil der Sockelbevölkerung sichtbar.<br />
Abbildung 16: Sockelbevölkerung – Bevölkerungs-‐ und Ausländeranteil (eigene Darstellung)<br />
Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse Altstadt II Südwest ist deutlich kleiner<br />
als die der gesamtstädtischen Bevölkerung. Jeder zweite Mülheimer hat eine Verweildauer von<br />
mindestens 10 Jahren an derselben Adresse, in der urbanen Integrationsschleuse nur jeder<br />
Dritte. Der Ausländeranteil derjenigen, die seit 10 Jahren und mehr an derselben Adresse leben,<br />
beträgt auf der gesamtstädtischen Ebene gut 5 Prozentpunkte. In Altstadt II Südwest ist er mit<br />
gut 20 Prozentpunkten viermal so hoch.<br />
78
Im Vergleich ist der Ausländeranteil der Gesamtstadt fünf Prozentpunkte höher als jener der<br />
gesamtstädtischen Sockelbevölkerung. In Altstadt II Südwest ist der Ausländeranteil<br />
15 Prozentpunkte höher als der der Sockelbevölkerung allein, was die Wahrscheinlichkeit<br />
informeller ethnischer Netzwerke erhöht.<br />
Abbildung 17: Karte der Sockelbevölkerung<br />
79
3.6.3 Untersuchung der Wanderungen<br />
Mobilität als urbanes Merkmal ist in unterschiedlicher Form zu begreifen. Alltägliche Mobilität<br />
umfasst z.B. die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz, die zurückgelegt werden muss.<br />
Zudem gibt es auch Mobilität durch Wanderung, die sich in Form von Zu-‐ und Fortzügen<br />
niederschlägt. Im Kontext städtischer Integration ist es zumal interessant,welches die<br />
Wanderungsquell-‐ und Wanderungszielgebiete sind. Hierbei ist in internationale, nationale,<br />
regionale, innerstädtische und Binnenbezirks-‐Zu-‐ und Fortwanderung zu unterscheiden, wie die<br />
folgende Übersicht in Bezug auf die vorliegende Arbeit beschreibt:<br />
Wanderungsart Quell-‐ oder Zielgebiet<br />
International Außerhalb Deutschland<br />
National Innerhalb Deutschland;<br />
außerhalb von NRW<br />
Regional Innerhalb von NRW;<br />
außerhalb von Mülheim an der Ruhr<br />
Innerstädtisch Innerhalb von Mülheim an der Ruhr;<br />
außerhalb Altstadt II Südwest<br />
Innerbezirk Innerhalb von Altstadt II Südwest<br />
Tabelle 5: Wanderungsart und Erläuterung zum Quell-‐ und Zielgebiet<br />
Da erwartet wird, dass die urbane Integrationsschleuse eine Art „Verteilerfunktion“ innehat,<br />
wird diese anhand der einschlägigen vier Wanderungskategorien „Internationale<br />
Zuwanderung“, „Nationale Zuwanderung“, „Regionale Zuwanderung“ und „Innerstädtische<br />
Abwanderung“ untersucht. Dazu werden die einzelnen Werte in Relation zur<br />
Gesamtbevölkerung des betrachteten Gebiets gesetzt.<br />
80
Abbildung 18: Verteilerfunktion – Altstadt II-‐Südwest und Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung)<br />
Der grafischen Darstellung ist klar zu entnehmen, dass alle Werte von Altstadt II Südwest über<br />
dem gesamtstädtischen Mittel liegen, was für eine Verteilerfunktion dieses Quartiers spricht.<br />
Bei der differenzierten Betrachtung der vier Gruppen fällt auf, dass die internationale<br />
Zuwanderung zwar mit gut 2 Prozentpunkten relativ gering ist, aber den gesamtstädtischen<br />
Wert weit übertrifft. Die Zahl ist dahin gehend zu interpretieren, dass 2,27 Prozent derjenigen,<br />
die im Mittel 2009 und 2010 in Altstadt II Südwest gelebt haben, im selben<br />
Beobachtungszeitraum dorthin zugezogen sind.<br />
Auch bei der Zuwanderung aus Deutschland, ohne Nordrhein-‐Westfalen, liegt Altstadt II<br />
Südwest zwar auf niedrigem Niveau, aber dennoch über dem gesamtstädtischen Wert.<br />
Das Niveau der regionalen Zuwanderung in das jeweils betrachtete Gebiet ist in Altstadt II<br />
Südwest ebenfalls höher als das gesamtstädtische.<br />
81
Die innerstädtische Abwanderung, d.h. der Anteil derjenigen, die im Betrachtungszeitraum<br />
durch Abwanderung und Umzug den statistischen Bezirk verlassen haben, ist bei Altstadt II<br />
Südwest auf einem deutlich höheren Niveau als in der Gesamtstadt.<br />
Zusammengefasst kann somit gesagt werden, dass verhältnismäßig viele Menschen von<br />
außerhalb nach Altstadt II Südwest zuziehen. Ebenso wandern verhältnismäßig viele Menschen<br />
von Altstadt II Südwest in einen anderen statistischen Bezirk ab. In allen Bereichen liegen die<br />
Werte deutlich über dem städtischen Mittel.<br />
Nachdem davon ausgegangen werden kann, dass die Verteilerfunktion gegeben ist, wird nun<br />
untersucht, wer „verteilt“ wird. Dazu werden die Zu-‐ und Fortziehenden des statistischen<br />
Bezirks Altstadt II Südwest anhand ihrer Altersgruppe klassifiziert und eingeordnet. Dafür dient<br />
folgende Übersicht:<br />
Altersgruppe Wanderungsgruppe<br />
Unter 18 Jahre Familienwanderung<br />
18 bis 25 Jahre Bildungswanderung<br />
26 bis 35 Jahre Familien-‐ und/oder Arbeitswanderung<br />
36 bis 65 Jahre Arbeitswanderung<br />
Über 65 Jahre Alterswanderung<br />
Tabelle 6: Alters-‐ und Wanderungsgruppen<br />
Diese Kategorisierung in Wanderungsgruppen ist ausschließlich theoretischer Art. Die Motive,<br />
die zur Wanderung führten, sind nicht flächendeckend durch Befragungen erfasst worden.<br />
Vielmehr orientiert sich diese Einteilung an aktuellen Befunden der Demografieforschung (vgl.<br />
Bertelsmann Stiftung 2012). Wie groß die Altersgruppe an der jeweiligen Wanderungsgruppe<br />
ist, zeigt die folgende Grafik:<br />
82
Abbildung 19: Altersgruppen der wandernden Bevölkerung (eigene Darstellung)<br />
Bei den Zuziehenden aus dem Ausland gibt es niemanden, der im Rentenalter zugezogen ist. Die<br />
Gruppe der 18-‐ bis 24-‐Jährigen ist mit über 40 Prozent eindeutig die größte, gefolgt von fast<br />
40 Prozent der 25-‐ bis 45-‐Jährigen. Die Gruppe derjenigen, die aus Deutschland (ohne NRW) in<br />
den Bezirk zuwandern, ist ebenfalls jung, dennoch überwiegt der Anteil derjenigen, die zwischen<br />
25 und 45 Jahre alt sind. Die regionale Zuwanderung, d.h. aus NRW, ist ähnlich gestaffelt wie die<br />
nationale Zuwanderung. Bei den innerstädtischen Fortzügen liegen die Altersgruppen der unter<br />
18-‐Jährigen und der 18-‐ bis 25-‐Jährigen gleichauf. Die größte Gruppe ist die der 25-‐ bis 45-‐<br />
Jährigen. Auch Senioren verlassen den Bezirk, auch wenn sie die kleinste Gruppe der<br />
Wandernden bilden.<br />
Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse ist Ausdruck dafür, dass dort die<br />
„Platzkarte“ für das Leben in der neuen Umgebung entscheidend mitvergeben wird. Die<br />
bisherige Betrachtung hat gezeigt, dass dort die Wanderungsbewegungen auf die Funktion und<br />
Rolle einer urbanen Integrationsschleuse hindeuten. Um dies näher zu untersuchen, werden nun<br />
die Wanderungsziele der innerstädtischen Abwanderung untersucht.<br />
83
3.6.4 Untersuchung der innerstädtischen Wanderungsziele<br />
Um sozialen Aufstieg durch Fortzug und damit die vermutete grundlegende Funktion einer<br />
urbanen Integrationsschleuse zu messen, werden die innerstädtischen Wanderungsziele, wenn<br />
sie außerhalb von Altstadt II Südwest liegen, betrachtet. Dafür werden die Gruppen aus den<br />
Indexwerten aus dem Forschungsschritt I hinzugezogen. Der Anteil derjenigen, die von Altstadt<br />
II Südwest, einem Gebiet mit 20 Indexpunkten und Teil der Gruppe 5, in ein Gebiet mit maximal<br />
14 Indexpunkten, also nicht Teil der Gruppe 5, ziehen, wird aufaddiert (siehe Abschnitt 3.3.5),<br />
sodass das Ergebnis zeigt, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die die urbane<br />
Integrationsschleuse verlassen haben und dafür in ein „besseres“ Gebiet gezogen sind.<br />
Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppen<br />
1 bis 4<br />
Anteil der Umzüge in ein Gebiet mit der Gruppe<br />
5<br />
64,30 % 35,70%<br />
Tabelle 7: Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppen 1 bis 4 sowie Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppe 5<br />
Das Ergebnis des additiven Verfahrens zeigt, dass 64,30 Prozent derjenigen, die im Mittel 2009<br />
und 2010 Altstadt II Südwest verlassen haben, in ein statushöheres Gebiet mit maximal 14<br />
Indexpunkten gezogen sind, was als Zeichen des sozialen Aufstiegs interpretiert werden kann 48.<br />
48 Allerdings ist dies nur ein Hinweis und sollte idealerweise auf kleinräumiger Ebene, d.h. Blockdatenebene noch<br />
einmal überprüft werden. Sozialer Aufstieg sollte zudem idealerweise mit einer Statusänderung von eventuellen<br />
Transferleistungen oder gestiegenen Äquivalenzeinkommen des wandernden Haushaltes gemessen werden, was aus<br />
datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich ist.<br />
84
Zusammenfassung: Abschnitt 3<br />
• Mülheim an der Ruhr ist das Praxisbeispiel, in dem das Konzept der urbanen<br />
Integrationsschleuse untersucht wird.<br />
• Die erste Forschungshypothese geht davon aus, dass es ein identifizierbares Gebiet<br />
gibt, das das Profil einer urbanen Integrationsschleuse im Mülheimer Kontext<br />
aufweist. Sie hat die höchsten Werte in den Kategorien Soziale, Demografische und<br />
Ethnische Segregation sowie Fluktuation. Zur Untersuchung der ersten<br />
Forschungshypothese wurden einschlägige Daten beschrieben, geovisualisiert und<br />
ein additiver Index gebildet. Durch ihn konnte Altstadt II Südwest als urbane<br />
Integrationsschleuse identifiziert werden.<br />
• Die zweite Forschungshypothese geht davon aus, dass es eine Sockelbevölkerung in<br />
der urbanen Integrationsschleuse gibt. Diese Teilgruppe hat eine Wohndauer über<br />
zehn Jahre. Sie hat einen höheren Ausländeranteil als die der Gesamtstadt und ihr<br />
Anteil ist kleiner als der der Gesamtstadt. Zur Untersuchung der Sockelbevölkerung<br />
wurde ihr Anteil, in Gegenüberstellung zum gesamtstädtischen Niveau, dargestellt<br />
und zudem geovisualisiert.<br />
• Die dritte Forschungshypothese geht davon aus, dass es eine höhere Zuwanderung in<br />
die urbane Integrationsschleuse gibt und zugleich eine höhere innerstädtische<br />
Abwanderung. Mindestens zwei Drittel der innerstädtischen Fortzüge haben Gebiete<br />
eines höheren sozialen Status zum Ziel und so kann auf einen sozialen Aufstieg der<br />
fortziehenden Bevölkerung geschlossen werden der sich räumlich niederschlägt. Die<br />
dritte Forschungshypothese wurde anhand der Wanderungsbewegungen<br />
„internationale Zuwanderung“, „nationale Zuwanderung“, „regionale Zuwanderung“<br />
und „innerstädtische Wegzüge“ untersucht. Die Wanderungsziele wurden anhand<br />
der Indexwerte zur Überprüfung der ersten Forschungshypothese eingeordnet.<br />
85
4 Auswertung und Übertragung der Forschungsergebnisse auf<br />
kommunalpolitische Handlungsfelder<br />
Nach der theoretischen Konzeption der urbanen Integrationsschleuse und ihrer empirischen<br />
Überprüfung am Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr werden im vierten Abschnitt die<br />
Forschungshypothesen den Ergebnissen aus dem dritten Abschnitt gegenübergestellt und<br />
inhaltlich interpretiert. Zudem werden die Erkenntnisse in konkrete kommunalpolitische<br />
Handlungsempfehlungen übersetzt, die sich an den obengenannten Politikbereichen (siehe<br />
Abschnitt 2) orientieren. Jede Handlungsempfehlung wird mit einem Praxisbeispiel<br />
veranschaulicht. Auch wenn die genannten Beispiele nicht vorbehaltlos auf andere Kontexte<br />
übertragen werden können, zeigen sie dennoch, was mit politischem Willen und Engagement<br />
umgesetzt werden kann. Den Abschluss bildet das Fazit, in dem die Ergebnisse dieser Arbeit<br />
zusammengetragen werden. Ein Ausblick auf mögliche weiterführende Arbeiten sowie eine<br />
Stellungnahme des Autors zum bearbeiteten Thema runden die Ausführungen ab.<br />
4.1 Überprüfung der Forschungshypothesen<br />
Zur Überprüfung der eingangs aufgestellten Forschungshypothesen werden diese jeweils<br />
inhaltlich wiederholt und mit den Forschungsergebnissen verglichen. Die drei Teilergebnisse<br />
werden jeweils inhaltlich erläutert und in den Kontext des Konzepts der urbanen<br />
Integrationsschleuse gestellt.<br />
4.1.1 Forschungshypothese 1 – Identifikation der urbanen Integrationsschleuse<br />
Inhaltliche Aussage<br />
Die Forschungshypothese 1 geht davon aus, dass es ein identifizierbares städtisches Teilgebiet<br />
gibt, das die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehat. Diese weist die höchsten<br />
Bevölkerungsanteile auf, die von passiver sozialer, ethnischer und demografischer Segregation<br />
betroffen sind. Zudem sind für die urbane Integrationsschleuse Spitzenwerte hinsichtlich der<br />
Fluktuationsrate zu verzeichnen (vgl. Abschnitt 3.3.5).<br />
Ergebnis der Überprüfung<br />
Die Annahme wurde in allen Aspekten bestätigt. Zur Ermittlung wurden fünf Forschungsschritte<br />
unternommen, die in einem additiven Index mündeten. Mit diesem Index wurde die urbane<br />
Integrationsschleuse Altstadt II Südwest als einzige ihrer Art in Mülheim identifiziert. Das Gebiet<br />
86
erreichte (als einziger statistischer Bezirk) sogar den Spitzenwert von 20 möglichen<br />
Indexpunkten.<br />
4.1.2 Forschungshypothese 2 – Untersuchung der Sockelbevölkerung<br />
Inhaltliche Aussage<br />
Die Forschungshypothese zwei geht davon aus, dass es in der urbanen Integrationsschleuse eine<br />
Sockelbevölkerung gibt, die das Ankommen der Zuwanderer organisiert und somit als<br />
Brückenkopf für sie fungiert.<br />
Ergebnis der Überprüfung<br />
Die zweite Forschungshypothese wurde bestätigt. Die Sockelbevölkerung von Altstadt II<br />
Südwest ist gut 15 Prozentpunkte kleiner als die Sockelbevölkerung der Gesamtstadt. Bei der<br />
differenzierten Betrachtung der Sockelbevölkerung sind zwei weitere Punkte festzustellen:<br />
Erstens ist der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung höher als der Ausländeranteil derjenigen,<br />
die auf gesamtstädtischen Niveau seit mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse leben.<br />
Zweitens ist der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung in Altstadt II Südwest geringer als der<br />
Ausländeranteil der gesamten Bevölkerung in Altstadt II Südwest.<br />
4.1.3 Forschungshypothese 3 – Untersuchung der Verteilerfunktion<br />
Inhaltliche Aussage<br />
Die dritte Forschungshypothese geht davon aus, dass die urbane Integrationsschleuse eine<br />
Verteilerfunktion innehat. Die Zuwanderung von außerhalb Mülheims in die urbane<br />
Integrationsschleuse liegt in allen drei Kategorien, also internationale, nationale und regionale<br />
Zuwanderung, über dem gesamtstädtischen Niveau. Die innerstädtische Abwanderung in einen<br />
anderen statistischen Bezirk liegt ebenso über dem gesamtstädtischen Niveau. Zudem deutet<br />
das Wanderungsmuster darauf hin, dass zwei Drittel derjenigen, die durch einen<br />
innerstädtischen Umzug das Gebiet verlassen, einen sozialen Aufstieg erleben, der sich durch<br />
Fortzug in einen ökonomisch und/oder sozial bessergestellten Stadtbezirk ausdrückt.<br />
Ergebnis der Überprüfung<br />
Die dritte Forschungshypothese ist ebenfalls angenommen. Nach Altstadt II Südwest als urbane<br />
Integrationsschleuse ziehen anteilig und bezogen auf die Gesamtstadt mehr Menschen von<br />
außerhalb Mülheims zu. Ebenso verlassen auch überdurchschnittlich viele Menschen den Bezirk<br />
durch einen innerstädtischen Umzug. Auch die Annahme, dass bei der Mehrheit von mindestens<br />
87
zwei Drittel der Fortziehenden ein sozialer Aufstieg stattgefunden hat, kann angenommen<br />
werden, wie die Kategorisierung der innerstädtischen Wanderungsziele zeigt.<br />
4.2 Inhaltliche Interpretation der Forschungsergebnisse<br />
Es zeigt sich, dass sich das Konzept der urbanen Integrationsschleuse bestätigt hat. Das ist<br />
deswegen bemerkenswert, weil es zeigt, dass ein Stadtgebiet, indem relativ viele von passiver<br />
sozialer Segregation betroffene Menschen leben, eine wichtige gesamtstädtische Funktion und<br />
Rolle innehaben kann. In der urbanen Integrationsschleuse findet der Integrationsprozess in die<br />
neue Umwelt seinen Anfang.<br />
Doch sind solche Gebiete keine Blackbox, sondern sie weisen spezielle Charakteristika auf. Eines<br />
dieser Charakteristika ist die vorhandene Sockelbevölkerung. In ihrer ethnischen Ausprägung<br />
unterscheidet sie sich eindeutig von der gesamtstädtischen Bevölkerung mit einer Wohndauer<br />
von mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse. Vermutlich sind die ausländischen Bürger<br />
mit einer Wohndauer von mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse in der urbanen<br />
Integrationsschleuse auch diejenigen, die das Ankommen neuer Zuwanderer mitorganisieren.<br />
Dafür spricht zum einen, dass sie nach wie vor keine deutschen Staatsbürger sind, obwohl sie<br />
seit mindestens 10 Jahren an der gleichen Adresse leben. Dies ist ein Hinweis auf eine<br />
bestehende Identifikation mit dem Migrationsquellgebiet 49. Zum anderen ist die internationale<br />
Zuwanderung in die urbane Integrationsschleuse höher als im gesamtstädtischen Durchschnitt.<br />
Aber nicht nur die internationale, sondern auch die nationale und die regionale<br />
Zuwanderungsrate sind in der urbanen Integrationsschleuse deutlich überdurchschnittlich<br />
hoch. Auch dies spricht für ihre Verteilerfunktion. Für ausländische Zuziehende sowie für<br />
Bildungs-‐ und Arbeitswanderer ist diese Zone der erste Anlaufpunkt. Zudem ziehen ebenfalls<br />
Ausländer, die bereits in einer anderen Stadt im Auswanderungsland gelebt haben, sich dort<br />
aber nicht sozial oder ökonomisch etablieren konnten, unter Umständen in dieses Gebiet. Auch<br />
Wanderung aufgrund von Familiengründung, z.B. durch Geburt eines Kindes, ist zu<br />
berücksichtigen. Weiterhin ist zu vermuten, dass es in diesem Gebiet relativ unkompliziert und<br />
für Ausländer ohne Diskriminierung möglich ist, Wohnraum zu mieten.<br />
Das alles macht die urbane Integrationsschleuse zugleich auch zum urbanen Experimentierfeld<br />
für Neues in der Stadt, und sie ist somit von Interesse für die kreative Klasse und Studierende.<br />
Zwar ist Mülheim an der Ruhr keine klassische Universitätsstadt, doch liegen die Universitäten<br />
49 Dies könnte auch als Zeichen dafür interpretiert werden, dass Menschen trotz langer Wohndauer im Zuzugsland die<br />
Staatsbürgerschaft verwehrt wird.<br />
88
Duisburg-‐Essen, Bochum, Düsseldorf und Dortmund nicht weit entfernt. Dazu kommen noch<br />
Fachhochschulen, u.a. auch in Mülheim an der Ruhr selbst.<br />
Außerdem ist davon auszugehen, dass die Wohnungen im betrachteten Gebiet in einem relativ<br />
schlechten Zustand sind, was sich wiederum auf die Miethöhe auswirken kann. Dadurch wird<br />
das Wohnen dort für Studierende, Arbeitssuchende und Künstler nicht nur interessant, sondern<br />
auch finanzierbar.<br />
Die urbane Integrationsschleuse ist somit nicht nur ein Ort der Integration für Ausländer,<br />
sondern ebenso für weitere Zuwanderergruppen wie Arbeits-‐ und Bildungswanderer. Durch die<br />
beobachtete relativ geringe Wohndauer an der jeweiligen Adresse und die innerstädtische<br />
Fortzugsrate hat sich zudem die Vermutung der Verteilerfunktion der urbanen<br />
Integrationsschleuse bestätigt. Knapp zwei Drittel derjenigen, die im Beobachtungszeitraum den<br />
statistischen Bezirk dieser Untersuchung verlassen haben, sind in einen Bezirk gezogen, der ein<br />
sozial besseres Profil aufweist. Das bedeutet aber ebenfalls, dass ein Drittel in einen Bezirk<br />
fortgezogen ist, der vermutlich eine gleich hohe Anzahl sozial schwächerer Haushalte<br />
beheimatet.<br />
4.3 Kommunalpolitische Handlungsempfehlungen<br />
Urbane Integrationsschleusen bringen für kommunale Entscheidungsträger eine Reihe von<br />
Herausforderungen mit sich. Um ihnen gerecht zu werden und die Funktion solcher Stadtgebiete<br />
zu unterstützen, bedarf es passgenauer Lösungen vor Ort. Der Umgang mit urbanen<br />
Integrationsschleusen ist primär Aufgabe der kommunalen Ebene. Folgende Punkte können<br />
dabei einen adäquaten Umgang mit solchen Gebieten erschweren:<br />
• Politische Entscheidungen für urbane Integrationsschleusen wirken sich zumeist in<br />
längeren Zeiträumen aus als innerhalb einer Wahlperiode. Somit ist es für politische<br />
Akteure relativ unattraktiv, ein erhöhtes Engagement für diese Gebiete aufzubringen.<br />
• In urbanen Integrationsschleusen leben relativ wenige stimmberechtigte Bürger, was zu<br />
einer mangelnden Artikulation politischer Interessen führt.<br />
• Einige Kommunen (insbesondere im Ruhrgebiet und in strukturschwachen Regionen)<br />
haben finanzielle Probleme, sodass teure Projekte von der Kommune nicht allein<br />
finanziert werden können.<br />
• Durch eine Unterstützung der Schleusenfunktion werden keine raumbezogenen<br />
messbaren Verbesserungen erreicht, da Bewohner, die einen sozialen Aufstieg erleben,<br />
das Gebiet wieder verlassen und durch weitere „Arme“ wieder „ersetzt“ werden. Somit<br />
ist eine öffentliche Präsentation von Erfolgen nicht breitenwirksam möglich.<br />
89
Für Mülheim an der Ruhr werden im Folgenden in vier Handlungsfeldern konkrete<br />
Handlungsempfehlungen abgegeben und mit Praxisbeispielen verdeutlicht. Dabei steht der<br />
statistische Bezirk Altstadt II Südwest im Fokus der Betrachtung. Das bedeutet jedoch nicht, dass<br />
Entwicklungen auf gesamtstädtischer Ebene keine Rolle für dieses Quartier spielen können.<br />
Die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen machen, aus praktischer Sicht, die Bandbreite der<br />
miteinander verknüpften Themen deutlich. Zudem wird durch die Übertragung der<br />
Forschungsergebnisse in konkrete Handlungsempfehlungen die Aktualität des Themas sichtbar.<br />
4.3.1 Handlungsfeld 1: Beschäftigungs-‐ und Wirtschaftsförderung<br />
Dem Handlungsfeld Wirtschafts-‐ und Beschäftigungsförderung wird die größte Bedeutung<br />
beigemessen, da davon ausgegangen wird, dass Integration primär über den Arbeitsmarkt<br />
erreicht wird. Durch Arbeit wird ökonomisches Kapital erwirtschaftet, das erst die soziale und<br />
ökonomische Teilhabe an der Mehrheitsgesellschaft ermöglicht. Arbeitsmarktpolitik ist keine<br />
originäre Aufgabe der Kommune und wird, mit Ausnahme der Aufgabenerfüllung als<br />
Optionskommune, von der Bundesebene geregelt. Allerdings kann eine Kommune zu<br />
wirtschaftsförderlichen Rahmenbedingungen beitragen. An diesem Punkt setzt die<br />
Handlungsempfehlung zur Beschäftigungs-‐ und Wirtschaftsförderung an.<br />
Um die wirtschaftliche Beschäftigung im Bezirk zu fördern, bedarf es vonseiten der Kommune<br />
einer Mehrebenenstrategie. Zum einen muss zwischen lang-‐ und kurzfristigen Möglichkeiten der<br />
Wirtschafts-‐ und Beschäftigungsförderung unterschieden werden. Zum anderen müssen die<br />
unterschiedlichen Potenziale der Bewohner, Zu-‐ und Abwanderer berücksichtigt werden 50.<br />
Da nicht zu erwarten ist, dass sich durch Arbeitgeber und Investoren von außerhalb in<br />
absehbarer Zukunft etwas an der Beschäftigungssituation im Quartier ändert, wird auf die<br />
Potenziale der Bewohner gebaut. Es sind somit oftmals keine wissensintensiven Arbeitsplätze,<br />
die geschaffen werden könnten. Doch bieten sie Auskommen, schaffen Humanvermögen und<br />
können beim Integrationsprozess unterstützend wirken. Es empfiehlt sich, langfristige und<br />
kleinteilige Förderung sowie Leuchtturmprojekte nebeneinander zu initialisieren.<br />
50 Grundsätzlich wäre es wünschens-‐ und förderungswert, wenn große Arbeitgeber sich im Quartier niederlassen und<br />
Bewohner aus Altstadt II Südwest anstellen würden. Allerdings ist das ein Teil der gesamtstädtischen Förderung und<br />
findet in der Handlungsempfehlung zur Wirtschafts-‐ und Beschäftigungsförderung keinen Niederschlag.<br />
90
4.3.1.1 Handlungsempfehlung zur Beschäftigungs-‐ und Wirtschaftsförderung<br />
Leuchtturmprojekt: Existenzgründerhaus<br />
Für alle potenziellen Erwerbstätigen in Altstadt II Südwest wäre die Einrichtung eines<br />
Existenzgründerhauses mit flankierenden Angeboten wie Concierge, Gründungsberatung und<br />
Coaching, flexibler Büronutzung, gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit und geteilter<br />
Infrastrukturnutzung vorteilhaft. Gering Qualifizierte könnten so in Ladenlokalen des<br />
Existenzgründerhauses Kleinstgewerbebetriebe eröffnen, wie z.B. eine Werkstatt für Fahrräder<br />
oder Elektrokleingeräte. Büroflächen könnten von Start-‐up-‐Unternehmen genutzt werden, wie<br />
z.B. Hausmeisterserviceangebote oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Auch für<br />
wissensintensive Dienstleistungen, wie Web-‐Designer, wäre ein solches Existenzgründerhaus<br />
von Interesse. Eine Kooperation mit den Universitäten und/oder Fachhochschulen der Region<br />
kann zudem beschäftigungsfördernd wirken. Zudem sollten Teile des Existenzgründerhauses als<br />
Co-‐Working-‐Arbeitsplätze organisiert werden. Das heißt, dass dort Arbeitsplätze auch für<br />
einzelne Tage angemietet werden können. Ein solches Existenzgründerhaus, das auch die<br />
Belange gering qualifizierter Arbeitskräfte berücksichtigt, kann als Leuchtturmprojekt eine<br />
Strahlkraft für den gesamten Bezirk entfalten. Co-‐finanziert werden kann ein solches Haus mit<br />
Fördermitteln von Europäischer Union, Bund und Land.<br />
Langfristige Maßnahmen: Mikroförderung<br />
Die lösungsorientierte Beratung potenziell Selbstständiger durch Fachkräfte der Kommune, z.B.<br />
der Wirtschaftsförderung, der Bauordnung oder auch des Ordnungsamtes, kann die<br />
sachgerechte Einrichtung von Betriebsstätten fördern. Zudem empfiehlt es sich, Liegenschaften,<br />
die in städtischer Hand sind, für Existenzgründer günstig zur Verfügung zu stellen. Weiterhin<br />
sollte die Kommune darauf hinwirken, dass Existenzgründern in Altstadt II Südwest Kredite<br />
gewährt werden und ihnen bei der Beantragungsphase beratend zur Seite gestanden wird. Eine<br />
solch kleinteilige, langfristige und fokussierte Arbeitsmarktförderung wird aller Voraussicht<br />
nach auf Dauer keine wissensbasierten Dienstleistungen im Quartier verorten können, sondern<br />
eher Gastronomie und Einzelhandel. Allerdings können Familien ihr Auskommen auf diese<br />
Weise erwirtschaften, Ankömmlinge können eine Anstellung finden, die keine Qualifikation<br />
voraussetzt und der kommunale Haushalt wird entlastet. Zudem kommt durch Konsum Kapital<br />
in das Quartier. Auch dadurch können Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden. Eine<br />
solche Förderung muss allerdings langfristig, das bedeutet mindestens 10 Jahre, laufen und<br />
personell werden. Sie verspricht allerdings auch langfristige positive Wirkungen. In Mülheim an<br />
der Ruhr kann mit der Mülheim &Business GmbH auf Erfahrungen mit bereits bestehenden<br />
Förderungsangeboten für Existenzgründer aufgebaut werden.<br />
91
Ausbildungsförderung und Berufsqualifikation<br />
Nicht nur Existenzgründung, sondern auch Berufsausbildung und<br />
Berufsqualifikationsmaßnamen sind für eine nachhaltige Beschäftigungsförderung von hoher<br />
Wichtigkeit. Zur Förderung von Ausbildungsplätzen ist die Qualifikation vorhandener Betriebe<br />
zu Ausbildungsbetrieben anzustreben. Dafür ist auch die Möglichkeit der sogenannten<br />
Verbundausbildung in Betracht zu ziehen. Neben der Ausbildungsförderung können<br />
Berufsqualifikationsmaßnahmen im Quartier stattfinden. Diese können, wenn sie am Bedarf der<br />
Menschen und des Ortes ausgerichtet sind, auch in den Stadtteil hineinwirken. Ein Beispiel wäre<br />
die Qualifikation mit Holzarbeiten in einer Stadtteilwerkstatt, in der Holzzäune für das Quartier<br />
gebaut werden könnten. Eine solche Stadtteilwerkstatt kann zudem mit einem Sozialkaufhaus<br />
verbunden werden. Dorthin können Bürger z.B. nicht mehr funktionstüchtige Elektrogeräte oder<br />
Möbel bringen, die dort repariert werden und für einen geringen Preis verkauft werden. Die<br />
Verkaufspalette kann zudem durch weitere Sachspenden wie Secondhand-‐Kleidung oder<br />
Schulbücher erweitert werden.<br />
Integrierte Betrachtung Handlungsfeld 1<br />
Das vorgeschlagene Existenzgründerhaus sowie die kleinteilige Förderung und Beratung von<br />
Existenzgründungen zielt auch darauf ab, dass Ankommende eine Anstellung in den<br />
Arbeitsstätten finden, die sie für den weiteren Arbeitsmarkt qualifizieren können. Auch<br />
Bildungswanderer können dort, z.B. in der Gastronomie, Jobs finden. Zudem besteht die<br />
Möglichkeit, dass Bildungswanderer nach Abschluss ihrer Ausbildung oder ihres Studiums dort<br />
ebenfalls ein Start-‐up-‐Unternehmen gründen. Sie können ebenso flankierende Maßnahmen und<br />
Beratung des Existenzgründerhauses nutzen, wodurch auch das Risiko des Scheiterns verringert<br />
werden würde. Dasselbe gilt für gering Qualifizierte oder Facharbeiter aus dem Handwerk, die<br />
ein Unternehmen gründen möchten. Durch die Förderung von Ausbildung im Stadtteil kann die<br />
Beschäftigungssituation im Bezirk nachhaltig verbessert werden. Zudem ist es notwendig,<br />
sinnvolle Qualifikations-‐ und Fortbildungsmaßnahmen im Quartier zu verorten, damit potenziell<br />
Erwerbstätige, die sonst keine Chance auf eine Beschäftigung haben, an den Arbeitsmarkt<br />
herangeführt werden können. Wie solche Projekte der Arbeitsmarktförderung umgesetzt<br />
werden können, zeigen auch Erfahrungen aus anderen Kommunen. Das Praxisbeispiel aus der<br />
Stadt Offenbach verdeutlicht, wie ein Existenzgründerhaus in einem Stadtteil des Programms<br />
Soziale Stadt erfolgreich errichtet und verstetigt werden konnte.<br />
92
4.3.1.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 1<br />
In der hessischen Stadt Offenbach wurde in einem Programmgebiet der Sozialen Stadt ein<br />
Existenzgründerhaus eingerichtet, der sogenannte Gründercampus Ostpol. Dazu wurde, in<br />
Kooperation mit der Wohnungswirtschaft, eine Liegenschaft aufgekauft und auf die Bedürfnisse<br />
von Existenzgründern hin saniert. Flankierend dazu wurde die Kooperation mit der Offenburger<br />
Hochschule gesucht. Auch Studierende sollten in diesen Räumlichkeiten nach Abschluss ihres<br />
Studiums die Möglichkeit haben, ein Unternehmen zu gründen. Im Existenzgründerhaus finden<br />
sich unterschiedliche Serviceangebote wie IT-‐Service, Kopierservice und weitere mehr, die<br />
gegen ein relativ geringes Entgelt Dienstleistungen für die Existenzgründer anbieten. Die<br />
monatlichen Mietkosten der Büros belaufen sich auf 350,00 € zzgl. MwSt. Die Ateliermiete<br />
richtet sich nach der Größe. Gemeinschaftlichwerden über die Miete Post-‐ und Empfangsservice<br />
finanziert. Flankiert wird die Existenzgründung im Gründercampus Ostpol durch den<br />
sogenannten Ostpolkredit. Dort bekommen Existenzgründer, die möglicherweise bei freien<br />
Banken kein Startkapital erhalten, einen Existenzgründungskredit. Finanziert wird diese<br />
Kreditvergabe von der Offenburger Sparkasse, der Stadt Offenburg und der KIZ gGmbH.<br />
Website des Gründercampus: www.ostpol-‐gruendercampus.de<br />
Website des Ostpolkredits: www.ostpolkredit.de<br />
Website des Programms Soziale Stadt in Offenburg: www.soziale-‐stadt-‐offenbach.de<br />
4.3.2 Handlungsfeld 2: Bildungsförderung – Ungleiches ungleich behandeln<br />
Für die kommunale Bildungsförderung ist der Adressat der Förderung besonders wichtig. Da<br />
sich im Bezirk Altstadt II Südwest auch Schulen und vorschulische Bildungseinrichtungen<br />
befinden, heißt es den Bedarfen vor Ort angemessen Rechnung zu tragen. Die formalen<br />
Bildungseinrichtungen sind dort vor besondere Herausforderungen gestellt und müssen somit<br />
auch besonders unterstützt werden. Die konkreten Unterstützungsmaßnahmen sollten in einem<br />
moderierten Prozess von Eltern und Lehrkräften gemeinsam entwickelt werden.<br />
4.3.2.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 2<br />
Mülheim an der Ruhr ist mit dem Bildungsbüro, dem Bildungsnetzwerk, Early Excellence und<br />
der Bildungskonferenz bereits auf dem richtigen Weg. Für die Bildungsförderung in der urbanen<br />
Integrationsschleuse wäre die gezielte Information der Sockelbevölkerung über bestehende<br />
Angebote besonders wichtig. Dies kann durch gezielte Ansprachen von Vereinen und<br />
Institutionsbeteiligung sowie Bürgerdialoge im Gebiet organisiert werden. Wichtig ist, dass<br />
93
diejenigen, die aktiv am informellen Integrationsprozess beteiligt sind, über Angebote,<br />
Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten in Mülheim an der Ruhr Bescheid wissen und<br />
dieses Wissen bei Bedarf auch weitergeben können.<br />
4.3.2.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 2<br />
In der fränkischen Stadt Nürnberg wird im Rahmen des Programms Soziale Stadt eine Vielzahl<br />
von sozialen Projekten angeboten. Um möglichst viele Menschen im Programmgebiet zu<br />
erreichen, wurde das Projekt „Netzwerk FUNKtionierende Stadtteilöffentlichkeit“ initialisiert.<br />
Ziel des Projektes ist es, mittels unterschiedlicher Informationskanäle über die Angebote im<br />
Stadtteil zu berichten und so Informationen an eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Das Projekt<br />
umfasst drei Bausteine.<br />
Erstens werden sogenannte Stadtteillotsen gesucht, die Informationen über Projekte und<br />
Angebote im Stadtteil sammeln und auch wieder im Stadtteil verbreiten. Dafür ist ein hohes Maß<br />
an Kommunikationsfähigkeit notwendig. Allerdings können somit informell weite Kreise der<br />
Stadtteilöffentlichkeit erreicht werden.<br />
Der zweite Baustein ist die Einrichtung eines Begegnungsortes in Form eines interkulturellen<br />
Stadtteilcafés. Dort können sich Bewohner unterschiedlicher kultureller Herkunft im Stadtteil<br />
begegnen, austauschen und Informationen über die angebotenen Projekte erhalten. Das<br />
interkulturelle Stadtteilcafé bietet ebenfalls niedrigschwellige Deutschkurse und<br />
Kinderbetreuung für Mütter an.<br />
Der dritte Baustein des Projektes ist ein Videoprojekt namens LENAU.TV. Die Adressaten sind<br />
Jugendliche im Stadtteil, die im Rahmen des Projektes eigene Videos produzieren und<br />
veröffentlichen können. Sie befassen sich mit stadtteilspezifischen Themen aus Sicht der<br />
Jugendlichen und tragen somit zur Ansprache dieser Zielgruppe bei.<br />
Projektwebsite: www.leonhard-‐schweinau.info<br />
94
4.3.3 Handlungsfeld 3: Integrationspolitik – Humanvermögen sichern<br />
Für eine nachhaltige und positive Förderung der Integration von Zuwanderern bedarf es<br />
kultureller und sozialer Inklusionsbemühungen 51. Beide sind besonders durch Spracherwerb<br />
und informelle soziale, nachbarschaftliche und/oder familiäre Netzwerke zu erreichen.<br />
4.3.3.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 3<br />
Der Erwerb der deutschen Sprache muss so früh wie möglich beginnen, bei Kindern bereits im<br />
Vorschulalter, wobei die Eltern miteinbezogen werden sollten. Zudem müssen Spracherwerbs-‐<br />
angebote auch über das Schulalter hinaus für fremdsprachliche Zuwanderer im Quartier<br />
angeboten werden. Dazu bedarf es zum einen der Information der Sockelbevölkerung über die<br />
Angebote und zum anderen ist konkretes Wissen über die Lebenswirklichkeit der Zuwanderer<br />
notwendig, damit passgenaue Angebote entwickelt werden können. Hierdurch können Projekte<br />
initialisiert werden, die über die Anforderungen für den Einbürgerungstest hinausreichen.<br />
Neben dem Spracherwerb ist die interkulturelle Begegnung zwischen Zuwanderern und länger<br />
ansässiger Bevölkerung zu fördern. Außer einmaligen Events bieten sich dafür drei<br />
unterschiedliche Wege an:<br />
• Erstens die Begegnung durch Umstände derselben Lebenslage, wie z.B. Kinder im selben<br />
Alter. Dazu braucht es Orte wie Kinderbetreuungseinrichtungen, die auch<br />
elternbezogene Angebote umsetzen.<br />
• Zweitens die Themensetzung an Orten der Begegnung im öffentlichen Raum, wie z.B.<br />
durch mehrsprachige Informationstafeln neben Bänken an Bushaltestellen oder<br />
Spielplätzen.<br />
• Drittens die Schaffung gemeinsamer Interessensorte, an denen Kommunikation möglich<br />
gemacht wird. Dafür bieten sich sogenannte Nachbarschaftsgärten an, wie sie bereits in<br />
vielen Städten zu finden sind. Solche Orte können auch mit Angeboten des<br />
Spracherwerbs ergänzt werden.<br />
Mülheim an der Ruhr ist mit seinen Erfahrungen aus der Programmumsetzung Soziale Stadt<br />
bereits für diese Themenvielfalt sensibilisiert. Es gilt diesen eingeschlagenen Weg reflektiert<br />
und zugleich konsequent – auch nach Auslaufen der Landesförderung – langfristig<br />
durchzuhalten.<br />
51 Inklusion ist definiert als Konzept für die Teilhabe von Personen an gesellschaftlichen Teilsystemen (vgl. Schimank<br />
2007, S. 296).<br />
95
4.3.3.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 3<br />
Der Prinzessinnengarten in Berlin ist ein Beispiel für einen interkulturellen Austauschort. Das<br />
Projekt befindet sich im zum Teil armutsgeprägten Stadtteil Kreuzberg und wird von einer<br />
Vielzahl von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten genutzt. Im sogenannten<br />
Prinzessinnengarten können Bürger, ohne eine Parzelle zu mieten, Gemüse, Obst oder Blumen<br />
anbauen. Durch gemeinsame Aktivitäten entstehen nachbarschaftliche und interkulturelle<br />
Austauschbeziehungen. Der Prinzessinnengarten betreibt mobilen Gartenanbau, da der Boden<br />
durch Schwermetalle belastet ist und in seiner Qualität nicht für eine Bepflanzung geeignet ist.<br />
Die Pflanzen befinden sich in selbst gebauten Blumenkästen 52 oder umgenutzten Behältern<br />
verschiedenster Art. Neben dem Anbau von Pflanzen wird dort ein Gartencafé betrieben und<br />
Bildungsprojekte z.B. für Schulklassen angeboten. Auf diesem Weg können auch Kinder, die<br />
sonst wenig in Kontakt mit Landwirtschaft kommen, einiges über Anbau und Verarbeitung von<br />
Lebensmitteln erfahren.<br />
Website des Projekts: http: //www.prinzessinnengarten.net<br />
4.3.4 Handlungsfeld 4: Quartiersentwicklung – Von Bedarfs-‐ zu Bedürfnisorientierung<br />
Die städtebauliche Gestaltung und Planung unterliegt zu erheblichen Teilen gesetzlichen<br />
Vorgaben. Allerdings können Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner in die Gestaltung ihres<br />
Quartiers mit einfließen, wenn sie konsequent beteiligt werden. Dazu gehört, dass es nicht nur<br />
Beteiligungs-‐ und Informationsveranstaltungen gibt, wenn konkrete Maßnahmen bereits<br />
umgesetzt werden, sondern die Bedürfnisse der Bewohner abgefragt werden und<br />
Stadtentwicklung danach ausgerichtet wird.<br />
4.3.4.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 4<br />
Im Rahmen des Programms Soziale Stadt wird dies bereits projektbezogen befolgt. Ein einfaches<br />
Beispiel dafür sind abgesenkte Bürgersteige für Kinderwagen, Rollstühle oder Rollatoren, wo<br />
dies lebenspraktisch notwendig ist. Bedürfnisse können durch Stadtteilbegehungen mit Bürgern<br />
ermittelt werden. Auf diese Weise werden Bürger aktiv zu Mitgestaltern ihres Quartiers, und<br />
zugleich treten sie in einen Dialog, der ihnen auch die Grenzen kommunaler Planung vermitteln<br />
kann. Die Umkehr der üblichen Planungspraxis von städtebaulichen Bedarfen zu<br />
52 Diese könnten in der Stadtteilwerkstatt gebaut werden; Siehe Abschnitt4.3.1.1 der vorliegenden Arbeit.<br />
96
Bewohnerbedürfnissen ist somit das Credo. Auch hier kann auf positive Erfahrungen aus dem<br />
Programm Soziale Stadt oder dem 100-‐Häuser-‐Programm der Stadt Mülheim an der Ruhr<br />
aufgebaut werden. Die Stadt verfügt bereits über das Know-‐how, sie kann es auch in weiteren<br />
Projekten nutzen.<br />
4.3.4.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 4<br />
Die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken hat ein städtebauliches Entwicklungskonzept<br />
entwickelt, das die frühe Beteiligung der Bürger bei Planungsvorhaben berücksichtigt. Das<br />
Konzept sieht vor, dass es gesamtstädtische Belange gibt, die auf der Stadtteilebene<br />
konkretisiert werden sollen. Dazu werden sozialräumlich orientierte integrierte<br />
Stadtteilentwicklungskonzepte aufgestellt und jeweils in einem mehrstufigen Verfahren<br />
entwickelt. Die erste Stufe bildet ein Fachworkshop von Planern und ortsansässigen Akteuren.<br />
Die Ergebnisse werden dem Stadtrat vorgelegt, der weiterhin festlegt, dass vom ersten<br />
konkreten Planungsschritt die Bürger ernsthaft miteinbezogen werden müssen. Dazu werden<br />
Projektteams gegründet, die mit der ortsansässigen Bevölkerung regelmäßig in Dialog treten.<br />
Bei der konkreten Ausgestaltung von Projekten wie z.B. Spielplatzbau ist es durch das<br />
städtebauliche Entwicklungskonzept Standard geworden, zielgruppenspezifische<br />
Beteiligungsworkshops durchzuführen.<br />
Da der Planungsprozess allerdings auch gesetzlichen Regelungen unterworfen ist, können<br />
Bürger oftmals nicht als „Entscheider“ eingebunden werden. Allerdings werden durch das<br />
Verfahren ihre Wünsche nun stärker berücksichtigt. Wer genau angesprochen wird, hängt<br />
jeweils vom Projekt selbst ab. Bei Projekten zur gesamtstädtischen Zukunft, wie z.B. der<br />
Gestaltung der Uferpromenade, werden alle Bürger eingeladen, bei stadtteilspezifischen<br />
Belangen wiederum lediglich die Anwohner. Durch die frühe Einbindung soll zum einen<br />
Konflikten vorgebeugt und zugleich bedürfnisgerechte Planung erreicht werden. Das Beispiel<br />
zeigt, dass es einer verwaltungsinternen Steuerung bedarf, um bedürfnisorientiert zu handeln.<br />
Projektwebsite:<br />
www.saarbruecken.de/de/rathaus/stadtentwicklung/stadtentwicklungskonzept<br />
und unterwww.netzwerk-‐buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-‐<br />
Dokumente/newsletter_beitraege/beitrag_kunz_120322.pdf<br />
97
Zusammenfassung: Abschnitt 4<br />
• Die Forschungshypothese 1, die nach dem Vorhandensein einer urbanen<br />
Integrationszone fragt, ist bestätigt worden. Es handelt sich dabei um Altstadt<br />
II Südwest.<br />
• Die Forschungshypothese 2, die nach der Sockelbevölkerung fragt, ist bestätigt<br />
worden. Die Sockelbevölkerung ist vorhanden, kleiner als die der Gesamtstadt,<br />
und ihr Ausländeranteil ist höher als der der Sockelbevölkerung der<br />
Gesamtstadt.<br />
• Die Forschungshypothese 3, die nach der Verteilerfunktion der urbanen<br />
Integrationsschleuse fragt, ist angenommen, da zwei Drittel derjenigen, die das<br />
Gebiet Altstadt II Südwest durch einen innerstädtischen Umzug verlassen<br />
haben, in ein „statushöheres“ Gebiet gezogen sind.<br />
• Kommunalpolitik hat die Möglichkeiten, mit Leuchtturmprojekten und<br />
kleinteiliger Förderung in den Politikbereichen Arbeitsmarkt, Integration,<br />
Bildung und Stadtentwicklung z.B. mit einem Existenzgründerhaus oder auch<br />
einem Nachbarschaftsgarten die Schleusenfunktion auf unterschiedliche<br />
Weise zu unterstützen und damit nachhaltige Gesellschaftspolitik zu<br />
betreiben.<br />
98
5 Zusammenfassung und Fazit<br />
Fokus der Untersuchung lag auf der Beobachtung, dass es in Städten Bereiche mit vermehrtem<br />
Zu-‐ und Fortzug gibt, die zugleich multiethnisch geprägt sind. Viele, wenn nicht jede Großstadt<br />
hat ein solches Gebiet, das unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Allen gemeinsam ist, dass der<br />
Integrationsprozess der Zugewanderten räumlich dort beginnt. Wir leben zwar nicht mehr in<br />
den Zeiten Georg Simmels, als die Zuwanderung vom Land in die Stadt eine Art Schock war, doch<br />
stellt der neue Lebensabschnitt, der mit der Zuwanderung beginnt, jeden Menschen vor neue<br />
Herausforderungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um internationale Zuwanderung<br />
handelt. Zuwanderer ziehen dann oftmals zu Zuwanderern, was bereits die Forscher der<br />
Chicagoer Schule zu Beginn des 20. Jahrhunderts beobachten konnten. Sie nannten diese Orte<br />
zone in transition. Wie der erste Abschnitt der Arbeit gezeigt hat, ist diese, wie alle anderen<br />
städtischen Strukturen, ein Produkt funktionaler Differenzierung, das durch soziale<br />
Differenzierung ausgestaltet wird. Es wandern zwar relativ viele Menschen von außen in dieses<br />
Gebiet zu, doch verlassen sie es, wenn sie können, nach relativ kurzer Zeit wieder. Von daher hat<br />
dieser Ort für die Menschen eine Schleusenfunktion inne. Es ist die urbane Integrationsschleuse<br />
der Stadt. Dort finden Zuwanderer erste Orientierung und die Chance erste<br />
Arbeitsgelegenheiten wahrzunehmen. Die urbane Integrationsschleuse kann allerdings nur ihre<br />
Funktion erfüllen, wenn es Menschen gibt, die den Zuwanderern grundlegende Wohn-‐ und<br />
Arbeitsmöglichkeiten geben, die sogenannte Sockelbevölkerung 53. Diese fungiert als eine Art<br />
Brückenkopf in die alte Heimat, denn bei der Sockelbevölkerung handelt es sich ebenfalls um<br />
Zuwanderer. Doch leben sie bereits seit längerer Zeit in der urbanen Integrationszone. Sie haben<br />
soziale Netzwerke im Stadtteile und kennen die Aufnahmegesellschaft. Dadurch können sie dem<br />
Neuankömmling wichtige Informationen geben und Zugang zu informellen nachbarschaftlichen<br />
Hilfenetzwerken verschaffen.<br />
Nach einiger Zeit, wenn z.B. die Sprache oder auch Qualifikationen erworben worden sind,<br />
können die neu Zugewanderten an einem anderen Ort der Stadt eine besser bezahlte Arbeit<br />
finden und ziehen weg, da der Wohnraum im Gebiet der urbanen Integrationsschleuse zumeist<br />
in schlechtem Zustand ist. Die meisten ziehen entweder, da sie einen sozialen Aufstieg erlebt<br />
haben, in sozial besser gestellte Orte, oder sie suchen sich andere Bleibemöglichkeiten, da sie es<br />
nicht geschafft haben, sich sozial oder ökonomisch in der neuen Stadt zu etablieren. Somit hat<br />
die urbane Integrationsschleuse eine Verteilerfunktion inne. In ihr wird die „Platzkarte“ für die<br />
Zukunft eines Zuwanderers entscheidend mitgeprägt. Solche Ankunftsorte bringen daher für die<br />
53 Dietrich von Oppen hat die Sockelbevölkerung als Gruppe als „Stützpunkt“ für nachziehende Verwandte benannt<br />
(vgl. von Oppen 1958, S. 17).<br />
99
Kommunalpolitik eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die primär die Arbeitsmarkt-‐,<br />
Integrations-‐, Bildungs-‐ und Stadtentwicklungspolitik betreffen.<br />
Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse ist als Antwort auf die erste Leitfrage zu<br />
verstehen, die nach Wesen und Leistung passiv sozial segregierter Stadtteile hinsichtlich ihrer<br />
sozialen Schleusenfunktion fragt. Aus diesen theoretischen Annahmen wurden<br />
Forschungshypothesen formuliert, um am Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr diekonkrete<br />
Ausprägung einer urbanen Integrationsschleuse zu untersuchen. Zum einen wurde ein solches<br />
Gebiet mit Altstadt II Südwest identifiziert, und zum anderen wurde das Vorhandensein einer<br />
Sockelbevölkerung und die tatsächliche Verteilerfunktion analysiert. Zur Operationalisierung<br />
wurde für jeden statistischen Bezirk von Mülheim die soziale, die ethnische unddie<br />
demografische Segregation gemeinsam mit der Fluktuation betrachtet. Dieses Vorgehen<br />
beantwortet die zweite Leitfrage nach der Operationalisierung der Identifikation einer urbanen<br />
Integrationsschleuse. Die Ergebnisse bestätigen die theoretischen Annahmen. Die dritte<br />
Leitfrage befasst sich mit der Untersuchung, welche Bevölkerungsgruppen dort wie lange leben.<br />
Zusammengefasst kann gesagt werden,dass es zumeist ausländische Zuwanderer im bildungs-‐<br />
und arbeitsrelevanten Alter sind, die eine Wohndauer von unter 5 Jahren an der jeweiligen<br />
Adresse haben. Zugleich leben dort aber auch zu einem Drittel Menschen seit mindestens<br />
10 Jahren an der gleichen Adresse.<br />
Die Arbeit erschöpft sich nicht allein in der Beantwortung der Hypothesen, sondern bietet auch<br />
Handlungsempfehlungen für die Stadt Mülheim an der Ruhr, um zu zeigen, wie auf<br />
kommunalpolitischem Wege auf eine urbane Integrationsschleuse reagiert werden kann. Diese<br />
Handlungsempfehlungen orientieren sich an den in diesem Bereich relevanten Politikfeldern:<br />
Arbeitsmarkt, Integration, Bildung und Stadtentwicklung. Sie zielen auf die nachhaltige<br />
Verbesserung der Beschäftigungssituation und damit der Lebensumstände im Quartier ab.<br />
Allerdings, und das bleibt zu betonen und beantwortet dabei zugleich die vierte Leitfrage der<br />
Arbeit, kann Stadtpolitik mit den vorgeschlagenen und weiteren Maßnahmen wie<br />
arbeitsmarktunterstützenden Leistungen oder der Einrichtung interkultureller Begegnungsorte<br />
die Schleusenfunktion des Quartiers unterstützen. Aber der politische Wille dazu muss<br />
nachhaltig und über die Legislaturperiode hinaus parteiübergreifend vorhanden sein. Es muss<br />
auch für gering Qualifizierte in unserer Gesellschaft möglich sein, den Lebensunterhalt<br />
zumindest in Teilen aus eigener Kraft zu bestreiten. Bildung und Bildungsförderung ist eine sehr<br />
wichtige Investition in die Zukunft, doch solange Bildungsabschlüsse vergeben werden, wird es<br />
immer Menschen geben, die den formalen Leistungsanforderungen zum Prüfungszeitpunkt nicht<br />
entsprechen und somit keinen Bildungsabschluss erwerben, oder die aus einem anderen Staat<br />
zugewandert sind und dort vielleicht nie die Möglichkeit hatten, einen Bildungsabschluss zu<br />
erwerben. Auch diese Menschen sollten eine Chance haben, ihr Leben selber gestalten zu<br />
100
können, und dafür bedarf es der Integrationskraft des Arbeitsmarktes und der bewussten<br />
politischen Gestaltung.<br />
Eine Schleusenfunktion ist in der postindustriellen Stadt weder einmalig noch zu verhindern.<br />
Verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Politik sollte sich somit der daraus resultierenden<br />
Herausforderung bewusst stellen und adäquat reagieren. Zwar ist Stadtpolitik alleine nicht in<br />
der Lage, alle Probleme und Herausforderungen in diesem Bereich alleine zu schultern, was<br />
allerdings auch keine Legitimation für Nichthandeln ist.<br />
Neben diesen Erkenntnissen und den daraus abgeleiteten politischen Handlungsempfehlungen<br />
sind im Laufe des Forschungsprozess jedoch auch immer wieder Grenzen deutlich geworden, die<br />
in weiteren Forschungsarbeiten anzugehen sind. Dazu gehört der Datenzugang, der zum Teil<br />
datenschutzrechtlichen Restriktionen unterliegt. Die Stadt Mülheim an der Ruhr hat ihrerseits<br />
alles dazu beigetragen, um diese Arbeit zu unterstützen. Nur wäre es, um z.B. den sozialen<br />
Aufstieg zu untersuchen, sinnvoll, in der geschlossenen Statistikstelle die Möglichkeit zu<br />
offerieren, adressbezogene Daten auf der Individualebene miteinander zu verknüpfen. In<br />
Teilbereichen ist das möglich, jedoch ist es nicht zulässig, adressbezogene Daten mit ALG-‐II-‐<br />
Bezug und dem Indikator Migrationshintergrund zu verknüpfen, um ein Beispiel zu nennen.<br />
Somit muss sozialer Aufstieg über die Klassifikation von Quell-‐ und Zielgebiet definiert werden,<br />
was zu Irrtümern führen kann. Zudem wäre eine Erweiterung des Methodensets durch<br />
qualitative Methoden wünschenswert gewesen, was allerdings den Rahmen der vorliegenden<br />
Arbeit bei Weitem gesprengt hätte. Allerdings würde eine lebensweltzentrierte qualitative<br />
Forschung dazu beitragen, ein tieferes individualbezogenes Verständnis der urbanen<br />
Integrationsschleuse zu erhalten. Darüber hinaus sollten in weiteren Untersuchungen mehrere<br />
Fallbeispiele untersucht werden und hierbei das städtebauliche Profil mit berücksichtigt<br />
werden. Dazu gehört auch – und das war im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich –,<br />
dass Orte der Relegation/sozialen Endstation mit untersucht werden, da auch sie ein ähnliches<br />
soziales Profil aufweisen wie die urbane Integrationsschleuse. Durch die gemeinsame<br />
Untersuchung beider Konzepte in einer Arbeit würden auch die raumbezogenen<br />
integrationsfördernden Mechanismen sichtbar gemacht werden können.<br />
Alles in allem zeigt die Arbeit, dass sozial passiv segregierte Stadtteile eine wichtige Funktion<br />
und Rolle für die gesamtstädtische Struktur innehaben. Es sollte nicht als gesellschaftliche<br />
Aufgabe angesehen werden, solche Orte zu verhindern. Vielmehr muss es Ziel sein, dass jeder<br />
die Möglichkeiten, die die urbane Integrationsschleuse nachweislich bietet, bestmöglich nutzen<br />
kann und niemand, egal woher er kommt, dort länger lebt, als er möchte. Dazu muss<br />
Zuwanderern ermöglicht werden durch eigene Leistung sozialen Aufstieg zu erreichen. Urbane<br />
Integrationsschleusen übernehmen dafür eine grundlegende Funktion und Rolle, die es von<br />
Seiten politischer Akteure zu nutzen gilt.<br />
101
6 Verzeichnis genutzter Medien<br />
6.1 Monographien/Beiträge in Sammelbänden<br />
Adam, Heribert/Moodley, Kogile (1998): Südafrika ohne Apartheid?, Frankfurt am Main<br />
Apolte, Thomas / Funcke, Antje (Hrsg.) (2008): Frühkindliche Bildung und Betreuung –<br />
Reformen aus ökonomischer, pädagogischer und psychologischer Perspektive, Baden-‐Baden<br />
Bacher, Johann / Pöge, Andreas / Wenzig, Knut (2010): Clusteranalyse – Anwendungsorientierte<br />
Einführung in Klassifikationsverfahren, München<br />
Backhaus, Klaus / Erichson, Bernd / Plinke, Wulff / Weiber, Rolf (2011): Multivariate<br />
Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, Heidelberg/Dordrecht/London/<br />
New York<br />
Baum, Detlef (2012): Soziale Arbeit, in: Eckhardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie,<br />
Wiesbaden, S.571–592<br />
Bell, Wendell / Shevky,Eshref (1974): Sozialraumanalyse, in: Atteslander, Peter / Hamm, Bernd<br />
(Hrsg.): Materialien zur Siedlungssoziologie, Köln, S.125–139<br />
Blasius, Jörg / Friedrichs, Jürgen / Klöckner, Jennifer (2009): Doppelt benachteiligt? Leben in<br />
einem deutsch-‐türkischen Stadtteil, Wiesbaden<br />
Bogumil, Jörg / Holtkamp, Lars (2006): Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung – Eine<br />
policyorientierte Einführung, Wiesbaden<br />
Bude, Heinz (2008): Die Ausgeschlossenen – Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft,<br />
Bonn<br />
Bundesministerium für Frauen, Senioren, Jugend und Familie (BMSJF) (Hrsg.) (2005): Zwölfter<br />
Kinder-‐ und Jugendbericht – Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die<br />
Leistungen der Kinder-‐ und Jugendhilfe in Deutschland, Berlin<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2008a): Gutachten<br />
– Evaluierung des Bund-‐Länder-‐Programms Stadtumbau Ost, Berlin<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2008b):<br />
Statusbericht 2008 zum Programm Soziale Stadt, Berlin<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2010): Migration/<br />
Integration und Stadtteilpolitik – Städtebauliche Strategien und Handlungsansätze zur<br />
Förderung der Integration, Bonn<br />
Bundesinstitut für Bau-‐, Stadt-‐ und Raumforschung imBundesamt für Bauwesen und<br />
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16.11.2012<br />
111
7 Anhang<br />
112
8 Eigenständigkeitserklärung<br />
Hiermit versichere ich, dass ich die Masterarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die<br />
angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, alle bildlichen Darstellungen und<br />
Ausführungen, die anderen Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, kenntlich<br />
gemacht sind und die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Fassung noch nicht Bestandteil einer<br />
Prüfungsleistung an dieser oder einer anderen Fakultät oder Prüfungsbehörde war.<br />
Bochum, den<br />
-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐-‐<br />
(Unterschrift)<br />
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