Betrifft: Betreuung 4
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Gesetzliche Vertretungsberechtigung für Angehörige<br />
schieden. Es fehlen die Daten für eine seriöse Analyse. Lediglich hinsichtlich<br />
der Kostenentwicklung in den Justizhaushalten liegen Daten vor, die eine so<br />
nicht erwartete Steigerung ausweisen. Ein weiterer Anstieg der Kosten wird<br />
erwartet. Dabei muss festgestellt werden, dass auch diese Daten wenig differenziert<br />
sind und Einsparungen oder vermiedene Kostensteigerung an anderer<br />
Stelle nicht gegengerechnet werden.<br />
Die vorstehenden Regelungsvorschläge zur Einführung einer gesetzlichen<br />
Vertretungsbefugnis für Angehörige nimmt zwar Abstand von der im Rahmen<br />
der AG 11 des 7. Vormundschaftsgerichtstags vorgelegten und diskutierten<br />
umfassenden Vertretungsbefugnis, enthält aber gleichwohl noch weitgehende<br />
Änderungen, die keineswegs nur als kleine Korrektur zu bewerten sind. Die<br />
Einführung gesetzlicher Vertretungsbefugnisse für Angehörige, wenn die Betroffenen<br />
selbst nicht mehr handeln können und wirksame Vollmachten fehlen,<br />
sei sie auch beschränkt, muss als eine grundlegende Änderung angesehen<br />
werden.<br />
Als Argument für die Einführung gesetzlicher Vertretungsbefugnisse für nahe<br />
Angehörige wird die Privatsphäre der Betroffenen und der Grundsatz der Subsidiarität<br />
angeführt. Der Grundsatz der Subsidiarität ist unbestritten. Der Begriff<br />
Privatsphäre bedarf jedoch der eingehenden Erörterung. Die Diskussion in<br />
der Arbeitsgruppe erstreckte sich unter anderem auf das Bild der modernen<br />
Familie sowie auf die Definition von Individualismus, Autonomie, individuelle<br />
und familiäre Privatsphäre.<br />
Die Einführung gesetzlicher Vertretungsbefugnisse für Angehörige bringt<br />
einen Wertewandel hinsichtlich der dem <strong>Betreuung</strong>srecht zugrundeliegenden<br />
Definition der individuellen Autonomie mit sich. Das <strong>Betreuung</strong>srecht und<br />
insbesondere die Bestimmungen zur Vorsorgevollmacht, <strong>Betreuung</strong>sverfügung<br />
und Patiententestament stellen ganz auf das Recht zur Selbstbestimmung des<br />
einzelnen Bürgers ab. Sie haben das Konzept des mündigen Bürgers zur<br />
Grundlage. Bisher gilt somit ein Vorrang der individuellen Selbstbestimmung<br />
vor dem staatlichen Eingriff. Die Einführung gesetzlicher Vertretungsbefugnisse<br />
für Angehörige würde dies insoweit ändern, als die individuelle Selbstbestimmung<br />
vor der Fremdbestimmung durch Angehörige und diese wiederum<br />
vor dem staatlichen Eingriff rangiert.<br />
Die in der Öffentlichkeit in Gang kommende Auseinandersetzung mit der<br />
Vorsorgevollmacht, der <strong>Betreuung</strong>sverfügung und dem Patiententestament<br />
fordert von jedem einzelnen die aktive Beschäftigung mit dem Gedanken,<br />
selbst einmal nicht mehr im rechtlichen Sinne handlungsfähig zu sein. Ein<br />
Vollmachtgeber ist gehalten sich mit dem Vollmachtnehmer auseinander zu<br />
setzen und aktiv Wünsche und Vorstellungen für den Ereignisfall zu formulieren.<br />
Wie stelle ich mir meinen Lebensabend vor? Wer kann und soll die Last<br />
der Verantwortung für mein Wohlergehen einmal tragen müssen? Wie möchte<br />
<strong>Betrifft</strong>: <strong>Betreuung</strong> 4 99