Betrifft: Betreuung 4
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Lebenssituation älterer Menschen<br />
Einwilligung des Betreuers bei ärztlichen Maßnahmen<br />
Eine weitere Einschränkung gilt für die Einwilligung des Betreuers bei ärztlichen<br />
Maßnahmen. Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des<br />
Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff<br />
bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wenn die begründete<br />
Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen<br />
schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1904<br />
Abs. 1 BGB). Mit Recht wird kritisiert, dass diese Bestimmung unklar ist und<br />
in der Praxis Probleme aufwirft.<br />
Trotz Betreuerbestellung bedarf es bei evtl. auch nur zeitweise bestehender<br />
Einsichts- und Handlungsfähigkeit keiner ergänzenden Zustimmung des Betreuers.<br />
Der Wille des einsichtsfähigen Betreuten hat stets Vorrang. Die<br />
Schutzvorschrift des § 1904 BGB greift erst ein, wenn die Einsichtsfähigkeit<br />
des Betreuten, die nicht mit der Geschäftsfähigkeit gleichzusetzen ist, fehlt.<br />
Die Regelung des § 1904 BGB ist vor allem deswegen problematisch, weil<br />
gerade bei erheblich erkrankten und hochaltrigen Patientinnen und Patienten<br />
häufig Lebensgefahr bei ärztlichen Eingriffen oder die Gefahr eines schweren<br />
und länger dauernden gesundheitlichen Schadens besteht. Die Intention der<br />
Bestimmung ist zwar deutlich: Sie soll leichtfertige und missbräuchliche Einwilligungen<br />
des Betreuers in ärztliche Maßnahmen ausschließen. Das Erfordernis<br />
einer Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht erschwert aber<br />
die sachgemäße Tätigkeit des Betreuers. Es ist zweifelhaft, ob eine staatliche<br />
Kontrolle zum Schutze der Betreuten hier erforderlich und der Sache dienlich<br />
ist. Es ist außerordentlich zweifelhaft, dass der Staat sich hier eine Entscheidungskompetenz<br />
in medizinischen Dingen zumutet. Der Sache nach werden<br />
Arzt und Betreuer damit weitgehend von einer Entscheidungsverantwortung<br />
und auch einem Haftungsrisiko entlastet.<br />
Literatur und Rechtsprechung suchen Kriterien für eine nähere Bestimmung<br />
des Genehmigungserfordernisses. Danach müssen die medizinischen Maßnahmen<br />
(einschl. der Behandlung mit Medikamenten) eine begründete Gefahr<br />
auslösen, dass der Betreute stirbt oder einen schweren Schaden erleidet. Es<br />
werden Prozentsätze einer Wahrscheinlichkeit gesucht. Wenig wahrscheinliche,<br />
jedoch nicht auszuschließende Risiken sind nicht genehmigungspflichtig.<br />
Es muss sich um eine ernste und konkrete Erwartung einer negativen Folge<br />
handeln, die in aller Regel oder aufgrund eines besonders gelagerten Einzelfalles<br />
eintritt (Palandt 2002, § 1904 Rn. 9). Seltene Nebenwirkungen sollen die<br />
Genehmigungsbedürftigkeit nicht auslösen. Andererseits sollte das Vormundschaftsgericht<br />
wegen des bestehenden letalen Risikos u. a. bei Risikooperationen<br />
an Herzkranken eingeschaltet werden.<br />
Diese Formeln zeigen, wie problematisch die vormundschaftsgerichtliche<br />
Kompetenz in solchen Fragen ist. Es sollte überlegt werden, ob nicht alle nor-<br />
72 VormundschaftsGerichtsTag e.V.