Betrifft: Betreuung 4
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Bund-Länder-Arbeitsgruppe „<strong>Betreuung</strong>srecht“<br />
2. Konkretisierung des § 1896 Abs. 2 BGB<br />
Die Rechtsprechung der Obergerichte - insbesondere des BayObLG - hat in<br />
den letzten Jahren die Anforderungen für die Bestellung eines Betreuers weiterentwickelt:<br />
Die Anforderungen für die Feststellung einer psychischen Krankheit oder<br />
seelischen Behinderung wurden ausgebaut. Die Feststellung eines „Altersstarrsinn“<br />
(BayObLG, Beschluss vom 24.08.2001, 3 Z BR 246/01) sowie<br />
eines „Alkoholismus“ (BayObLG FamRZ 2001, 1403) reichen allein nicht<br />
aus, um einen Betreuer zu bestellen. Erforderlich ist vielmehr eine fachpsychiatrische<br />
Konkretisierung, um festzustellen, dass sich der „Altersstarrsinn“<br />
oder „Alkoholismus“ auf die Fähigkeiten des Betroffenen, seinen<br />
Willen frei zu bestimmen, auswirken.<br />
In Erweiterung der Voraussetzung des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt<br />
die obergerichtliche Rechtsprechung, dass der Betroffene aufgrund seiner<br />
psychischen Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Grundlage<br />
für diese Interpretation ist die verfassungskonforme Auslegung des<br />
§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB: Der Staat habe von Verfassungs wegen nicht<br />
das Recht, seine Erwachsenen oder zur freien Willensbestimmung fähigen<br />
Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (BayObLG<br />
Rechtspfleger 2001, 234; BtPrax 2001, 218; FamRZ 2001, 1244; FamRZ<br />
1999,1612).<br />
Die Kausalität der psychischen Erkrankung für die Notwendigkeit der<br />
<strong>Betreuung</strong> ist zu beachten. Ein <strong>Betreuung</strong>sbedürfnis besteht deshalb nicht,<br />
wenn auch ein gesunder Mensch sich der Hilfe eines anderen (Rechtsanwalt,<br />
Steuerberater pp.) bedienen würde, um seine Angelegenheiten zu regeln.<br />
In diesen Fällen darf eine <strong>Betreuung</strong> nur bestellt werden, wenn der<br />
Betroffene psychisch außer Stande ist, solche Hilfe in Anspruch zu nehmen<br />
(BayObLG Rechtspfleger 2001, 234).<br />
Die Aufgabenkreise, für die der Betreuer bestellt wird, sind eng zu fassen.<br />
So wurde die Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge<br />
als zu umfassend angesehen, da die <strong>Betreuung</strong> nur im psychiatrischen<br />
Bereich erforderlich war (BayObLG BtPrax 2001, 37).<br />
Der Handlungsbedarf für die zu bestimmenden Aufgabenkreise muss aktuell<br />
sein. Eine Betreuerbestellung „auf Vorrat“ ist ausgeschlossen (Bay-<br />
ObLG FamRZ 1999, 1612; OLG Köln FamRZ 2000, 908). Besonders instruktiv<br />
ist der Fall des OLG Köln. Dort war ein Betreuer für den Aufgabenkreis<br />
Vermögenssorge bestellt, um die Handlungsfähigkeit des psychisch<br />
kranken Betroffenen in „kritischen Situationen zu sichern“.<br />
Die skizzierte Rechtsprechung der Obergerichte konkretisiert mit unterschiedlichen<br />
Blickwinkeln das Erforderlichkeitsprinzip. Allein eine Hilfebedürftig-<br />
44 VormundschaftsGerichtsTag e.V.