Betrifft: Betreuung 4
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Das Heimsystem auf den Prüfstand stellen<br />
dell der „Assistenzgenossenschaft“, sein können, besteht in der Organisation<br />
stationärer (natürlich auch ambulanter, aber hier leichter kontrollierbarer)<br />
Einrichtungen grundsätzlich ein Widerspruch zwischen Träger- und<br />
Bewohnerinteressen. Die Träger müssen im Konfliktfall der Sorge für das<br />
Wohl der Institution Priorität einräumen. Die Summe aller individuellen Interessen<br />
der Bewohner kann dem Interesse der Institution gar nicht entsprechen,<br />
vor allem wenn man von dem Grundbedürfnis jedes Menschen ausgeht,<br />
für einen Anderen da zu sein, notwendig zu sein, Bedeutung haben zu<br />
wollen. Das Leben in einem Heim, in dem das gesamte Leben - zumeist -<br />
unter einem Dach organisiert ist, erzwingt Personalisierungsdefizite, so<br />
dass z.B. eine Landesärztekammer immer noch meint, ärztliche Eingriffe<br />
erforderten hier keine Aufklärung und Einwilligung. Es wird dem Gesetzgeber<br />
nicht möglich sein, durch Zuerkennung heute selbstverständlicher<br />
Persönlichkeitsrechte das Leben im Heim nennenswert zu beeinflussen, da<br />
die institutionellen Strukturen ihre Umsetzbarkeit verunmöglichen, auch<br />
bei bester Personalausstattung. Heimbeiräte ohne Mitbestimmungsrecht<br />
machen die Diskrepanz nur noch deutlicher. Würden trotzdem alle Bewohner<br />
(möchten Sie so, auf diese Funktion eingeengt, bezeichnet werden?) ihre<br />
individuellen Rechte einklagen, käme es zu einem Zusammenbruch des<br />
Heimsystems, da sich diese Rechte nicht für alle gleichzeitig realisieren<br />
lassen.<br />
Heime stehen in der Tradition der großen Anstalten des 19. Jahrhunderts, sie<br />
sind im 20. Jahrhundert immerhin überwiegend schon kleinteiliger und dezentraler<br />
geworden. Im 21. Jahrhundert entsprechen sie weder in verfassungsrechtlicher<br />
noch in moralisch-politischer, noch in ökonomischer Perspektive<br />
den selbstverständlichen Gegebenheiten heutiger Lebenswelten, schon gar<br />
nicht dem Anspruch eines möglichst selbstbestimmten Lebens. Heime sind<br />
daher heute keine angemessene Problemlösung mehr für hilfebedürftige Menschen,<br />
ein wie großer Restbestand an Heimkapazität für eine kürzere oder<br />
längere Zeit auch immer erforderlich sein wird. Daher muss unter Berücksichtigung<br />
sowohl der Grundrechte als auch der versorgungspolitischen, ökonomischen<br />
und gesellschaftlichen Ressourcen das Heimsystem durch ein ambulantkommunales<br />
Sorge-System ersetzt bzw. dieses zum Grundmodell entwickelt<br />
werden. Nur so können die Hilfebedürftigen ihr weiterhin zu garantierendes<br />
„Recht auf Sicherheit“ - im Sinne ihres Selbstbestimmungswunsches - durch<br />
ein gleichgewichtiges komplementäres „Recht auf Risiko“ ergänzen, denn<br />
ohne Risiko kann ein behindertes wie nicht-behindertes Leben kein freies sein.<br />
Nur so kann den Menschen Würde in dem Sinne wiedergegeben werden, dass<br />
sie nicht mehr überflüssig, sondern notwendig für Andere sind. Auch das gilt<br />
für alle Menschen, „care-giver“ und „care-taker“ oder besser für Menschen mit<br />
kleinerem und größerem Sorge-Bedarf; denn für den Menschen als soziales,<br />
als Beziehungswesen gilt, dass ein Leben ohne (wie immer auf alle Schultern<br />
<strong>Betrifft</strong>: <strong>Betreuung</strong> 4 211