Betrifft: Betreuung 4
Betrifft: Betreuung 4
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Patientenautonomie und Sterbehilfe<br />
Wortlaut hinaus auf Widerruf und Verweigerung der Einwilligung entsprechend<br />
anzuwenden.<br />
Das bedeutet für den Abbruch der Behandlung: Mit der Entscheidung, die<br />
Behandlung des Patienten einzustellen und ihn sterben zu lassen, widerruft der<br />
Betreuer die frühere Einwilligung in die Behandlung und verweigert der weiteren<br />
Behandlung seine Zustimmung. Weil diese Entscheidung das Leben des<br />
Patienten gefährdet, braucht er dazu die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.<br />
c. Wird damit der Vormundschaftsrichter zum Richter über Leben und Tod?<br />
Und ist eine solche Auslegung des § 1904 BGB über seinen Wortlaut hinaus,<br />
der von der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme spricht, überhaupt zulässig?<br />
Beide Einwände beruhen auf der Vorstellung, dass der Vormundschaftsrichter<br />
selbst und unmittelbar über Weiterbehandlung oder Sterben lassen entscheidet<br />
und damit in das Lebensrecht des Patienten eingreift. Diese Vorstellung ist<br />
allerdings unzutreffend. Denn das Vormundschaftsgericht kontrolliert nur die<br />
Entscheidung des Betreuers auf ihre eventuelle Pflichtwidrigkeit 45 , d.h. es<br />
prüft, ob der Betreuer Wunsch und Wohl des Patienten verwirklicht oder seine<br />
Vertretungsmacht missbraucht. Es trifft daher gerade keine eigene Entscheidung<br />
über Leben und Tod des Patienten. Denn das Vormundschaftsgericht<br />
muss die Entscheidung des Betreuers genehmigen, die Behandlung abzubrechen<br />
und den Patienten sterben zu lassen, wenn dies dem Wunsch des Patienten<br />
entspricht und dieser Wunsch nicht Ausdruck gerade seiner Entscheidungsunfähigkeit<br />
ist, oder wenn die Behandlung medizinisch sinnlos geworden<br />
ist.<br />
Unterstellt man den Widerruf der früheren Einwilligung der Genehmigungspflicht<br />
nach § 1904 BGB, schränkt das nur die Kompetenz des Betreuers zur<br />
Alleinentscheidung ein. Die Selbstbestimmung des Patienten bleibt davon<br />
unberührt. Sie wird im Gegenteil durch die präventive Kontrolle des Vormundschaftsgerichts<br />
sogar zusätzlich gesichert 46 . Deshalb steht auch das Analogieverbot<br />
bei Grundrechtseingriffen der Anwendung des § 1904 BGB nicht<br />
terlassen einer ärztlichen Maßnahme (so aber z.B. MünchKommBGB/Schwab (Fn.<br />
42), § 1904 BGB Rn. 10; Frost, Arztrechtliche Probleme des neuen <strong>Betreuung</strong>srechts,<br />
1994, 105 f., 109 f.; Mayer (Fn. 42), 124 f.; Deichmann, MDR 1995, 983<br />
(985); Bernsmann, ZRP 1996, 87 (90 f.)), sondern das Unterlassen des Betreuers<br />
wird demnach von § 1904 BGB nicht erfaßt.<br />
45 Staudinger/Engler, BGB, 12. Aufl. 1994, § 1837 BGB Rn. 1, 17, 20 ff.; Palandt/Diederichsen<br />
(Fn. 42), § 1837 BGB Rn. 12 f.; MünchKommBGB/Schwab (Fn.<br />
25), § 1837 BGB Rn. 18 f.; OLG Schleswig FamRZ 1996, 1368 (1369); BayObLG<br />
FamRZ 1992, 108 (109); ebenso Taupitz (Fn. 8), A 90 f.<br />
46 Taupitz (Fn. 8), A 91; Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2301).<br />
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