Betrifft: Betreuung 4
Betrifft: Betreuung 4
Betrifft: Betreuung 4
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Patientenautonomie und Sterbehilfe<br />
c. Nicht der Arzt, sondern der Betreuer entscheidet demnach über die Einstellung<br />
der Behandlung. Er kann und muss den Abbruch der Behandlung und die<br />
Einleitung des Sterbeprozesses anordnen, wenn die weitere Behandlung nicht<br />
mehr dem Wunsch bzw. dem Interesse des Patienten entspricht.<br />
2. Das wirft die weitere Frage auf, wie die Bindung des Betreuers an Wunsch<br />
und Wohl des Patienten gesichert wird. Entscheidet er allein und wird gegebenenfalls<br />
nachträglich zivil- und strafrechtlich sanktioniert, oder bedarf er der<br />
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts und unterliegt damit dessen präventiver<br />
Kontrolle?<br />
a. Dies führt zu der Vorschrift des § 1904 BGB. Der Gesetzgeber wollte damit<br />
die Einwilligung in besonders riskante und folgenschwere ärztliche Maßnahmen<br />
nicht der alleinigen Entscheidung des Betreuers überlassen, sondern sie an<br />
die vorherige Zustimmung des Vormundschaftsgerichts binden 37 .<br />
Der Zweck des § 1904 BGB liegt daher nicht im Schutz der Gesundheit des<br />
Betreuten, wie man vielfach meint 38 . Denn diesen Schutz gewährleistet schon<br />
die Einschaltung des Betreuers. Der Zweck dieser Vorschrift liegt vielmehr in<br />
der präventiven Kontrolle des Betreuers durch das Vormundschaftsgericht bei<br />
der Einwilligung zu gefährlichen ärztlichen Maßnahmen 39 . Es liegt deshalb<br />
nahe zu sagen: Wenn der Betreuer schon in bestimmte ärztliche Maßnahmen<br />
wegen ihrer Gefährlichkeit nicht allein einwilligen kann, muss dies erst recht<br />
für den Abbruch der Behandlung gelten, der sicher zum Tod des Patienten<br />
führt 40 .<br />
Die Kritiker wenden dagegen ein, dass § 1904 BGB nur den Fall des aktiven<br />
ärztlichen Handelns erfasse, also nicht den Abbruch oder das Unterlassen einer<br />
Behandlung. Der Fall der unterlassenen Behandlung sei vom Gesetzgeber<br />
bewusst nicht geregelt worden. Für eine Analogie fehle es deshalb an einer<br />
Lücke im Gesetz 41 .<br />
37 BT-Drucks. 11/ 4528, 140 f.<br />
38 Seitz, ZRP 1998, 417 (420); LG München I NJW 1999, 1788 (1789).<br />
39 LG Duisburg NJW 1999, 2744; Taupitz (Fn. 8), A 90.<br />
40 BGHSt 40, 257 (261 f.); OLG Frankfurt/M. NJW 1998, 2747 (2748); ebenso<br />
Deutsch, Medizinrecht (Fn. 15), Rn. 398; Rieger (Fn. 23), 121 ff.; Coeppicus, NJW<br />
1998, 3381 (3383); Verrel, JR 1999, 5 (7 f.); ausführlich Saliger, KritV 81 (1998),<br />
118 (122 ff.); ders., JuS 1999, 16 (18 f.); Olzen, ArztR 2000, 116 (120); Baumann/Hartmann,<br />
DNotZ 2000, 594 (602). Dagegen AG Hanau BtPrax 1997, 82 f.;<br />
LG München I NJW 1999, 1788 f.; Laufs, NJW 1998, 3399 (3400 f.); Müller-<br />
Freienfels, JZ 1998, 1122 (1124 ff.); Nickels, MedR 1998, 520 ff.; Seitz, ZRP 1998,<br />
417 (419 f.).<br />
41 LG München, JR 2000, 64 (65); LG Augsburg, FamRZ 2000, 320; Paehler, BtPrax<br />
2000, 21.<br />
<strong>Betrifft</strong>: <strong>Betreuung</strong> 4 147