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Betrifft: Betreuung 4

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Patientenautonomie und Sterbehilfe<br />

Darüber hinaus muss das Handeln des Betreuers verhältnismäßig sein. Das<br />

bedeutet zum einen, dass die Zwangsbehandlung überhaupt Erfolg verspricht,<br />

und zum anderen, dass der Zwang der Schwere des drohenden Schadens entsprechen<br />

muss. In Anlehnung an die Bewertung, die der Gesetzgeber in<br />

§§ 1904 I 1, 1906 I Nr. 1 BGB getroffen hat, erscheint eine zwangsweise Behandlung<br />

demnach erst dann verhältnismäßig, wenn die Gefahr besteht, dass<br />

der Betreute ohne sie stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen<br />

Schaden erleidet 28 .<br />

Bei dem Wunsch des Patienten, seinen eigenen Tod zu sterben und dementsprechend<br />

auf die intensivmedizinische Behandlung zu verzichten, trifft dies<br />

jedoch meist nicht zu. Eine Zwangsbehandlung ist deshalb in aller Regel unzulässig.<br />

Der Wunsch des Patienten wird selten krankheitsbedingt sein, die<br />

zwangsweise Behandlung entweder keinen Erfolg versprechen oder unverhältnismäßig<br />

sein. Der Betreuer ist deshalb an den Wunsch des Patienten nach<br />

seinem eigenen Tod gebunden, d.h. er muss diesen Wunsch dem Arzt gegenüber<br />

durch- und umsetzen. Darin liegt ebenso wenig eine Tötung des Patienten<br />

wie in jedem anderen Fall der Einstellung der Behandlung auf seinen Wunsch.<br />

Aufgabe des Betreuers ist auch hier die Verwirklichung der Patientenautonomie.<br />

b. Häufig wird allerdings der Patient nicht mehr in der Lage sein, Wünsche zu<br />

formulieren. Ist auch keine frühere Erklärung des Patienten, also eine Patientenverfügung,<br />

vorhanden, kennt der Betreuer den aktuellen Willen des Patienten<br />

nicht. Er muss deshalb zuwarten, bis er die Angelegenheit mit dem Patienten<br />

besprechen kann, um ihm die Möglichkeit zur Selbstbestimmung zu erhalten<br />

29 . Nur wenn die Maßnahme dringend ist und nicht aufgeschoben werden<br />

kann, darf der Betreuer sofort entscheiden. Auch hier ist Ziel und Maßstab des<br />

Betreuerhandelns das „Wohl“ des Patienten. Da der Betreuer die Wünsche des<br />

Patienten nicht kennt, muss er sich an dessen objektiven Interessen orientieren<br />

30 .<br />

28 Im Ergebnis ebenso MünchKommBGB/Schwab (Fn. 25), § 1904 BGB Rn. 22;<br />

Jürgens/Marschner, <strong>Betreuung</strong>srecht, 2. Aufl. 2001, § 1904 BGB Rn. 11. Wegen ihrer<br />

verfassungsrechtlichen Dimension müssen dieselben Grenzen auch für die<br />

Zwangsbehandlung des öffentlich-rechtlich Untergebrachten gelten (Saage/Göppinger/Marschner/Volckart,<br />

Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. 2001, C<br />

§ 1904 Rn. 31).<br />

29 Dem liegen dieselben Überlegungen zugrunde, die die Subsidiarität der mutmaßlichen<br />

Einwilligung begründen (dazu oben II.2 und unten IV.1).<br />

30 In diesem Zusammenhang gewinnen die vorher verworfenen inhaltlichen Umschreibungen<br />

des „Wohls des Betreuten“ als Inbegriff seiner Integritäts-, Entfaltungs- und<br />

Vermögensinteressen gemäß der jeweiligen Lebenssituation Bedeutung, indem sie<br />

die Richtung des Betreuerhandelns angeben, vgl. Kollmer, Selbstbestimmung im<br />

<strong>Betrifft</strong>: <strong>Betreuung</strong> 4 145

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