Betrifft: Betreuung 4
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Volker Lipp<br />
Nach dem Gesetz kommt dies nur dann in Betracht, wenn der Wunsch des<br />
Patienten „dessen Wohl zuwiderläuft“.<br />
Das „Wohl des Betreuten“ legitimiert hier den Zwang durch den Betreuer 23 .<br />
Die Zwangsbehandlung, also die Behandlung gegen den Wunsch des Betreuten,<br />
dient nicht dem Schutz Dritter, sondern ausschließlich dem Schutz des<br />
Betreuten vor sich selbst. Die Frage lautet daher nicht, wie das „Wohl des<br />
Betreuten“ inhaltlich zu definieren ist, sondern unter welchen Voraussetzungen<br />
es dem Betreuer erlaubt ist, den Betreuten vor sich selbst zu schützen 24 .<br />
Die Zwangsbehandlung soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zulässig<br />
sein, wenn der Betreute aufgrund seines geistigen Zustands seine Behandlungsbedürftigkeit<br />
nicht erkennen kann und deshalb z.B. seine Zustimmung zu<br />
einer lebensnotwendigen Behandlung verweigert 25 . Das trägt den verfassungsrechtlichen<br />
Anforderungen Rechnung. Denn auch die Zwangsbehandlung<br />
eines Einwilligungsunfähigen, der keinen rechtlich anerkannten Willen zu<br />
bilden vermag, kann einen Eingriff in dessen Grundrechte darstellen 26 , der nur<br />
zulässig ist, wenn die Fähigkeit zur Selbstbestimmung erheblich beeinträchtigt<br />
ist, er sich dadurch selbst zu schädigen droht und die Behandlung verhältnismäßig<br />
ist 27 . Die Selbstschädigung muss auf demselben Grund beruhen, der die<br />
Fähigkeit zur Selbstbestimmung ausschließt. Sonst würde der Betroffene auch<br />
dort bevormundet, wo er noch zur Selbstbestimmung fähig ist. Auf die<br />
Zwangsbehandlung angewandt heißt das: Die Unfähigkeit zur Entscheidung<br />
über die Behandlung und die Weigerung, sich behandeln zu lassen, müssen<br />
beide Ausdruck derjenigen Krankheit sein, wegen der die <strong>Betreuung</strong> in Gesundheitsangelegenheiten<br />
angeordnet worden ist.<br />
23 Schweitzer, FamRZ 1996, 1317 (1319 f.), übersieht, dass der Betreuer grundsätzlich<br />
an den Wunsch auch des einwilligungsunfähigen Betreuten gebunden ist. Nicht seine<br />
Einwilligungsunfähigkeit, sondern nur sein Wohl kann deshalb die Zwangsbehandlung<br />
legitimieren. Auch Rieger, Die mutmaßliche Einwilligung in den Behandlungsabbruch,<br />
1998, 132 f., berücksichtigt nicht, daß der Betreuer gerade gegen den<br />
Wunsch des Betreuten handelt. Dafür bietet dessen mutmaßlicher Wille keine Rechtfertigung.<br />
24 Ausführlich dazu V. Lipp (Fn. 7), S. 149 ff., 164 ff.<br />
25 BT-Drucks. 11/ 4528, 141, 72; ähnlich MünchKommBGB/Schwab, BGB, 3. Aufl.<br />
1992, § 1904 BGB Rn. 22.<br />
26 BVerfGE 10, 302 (309 f.). Hier wäre es ein Eingriff in die Grundrechte des Art. 2 II<br />
1 bzw. Art. 2 I GG.<br />
27 BVerfGE 58, 208 (224 ff.), bestätigt in BVerfGE 63, 340 (342); BayVerfGHE 41,<br />
151 (157); OLG Hamm DAVorm 1997, Sp. 55 (59); Hillgruber, Der Schutz des<br />
Menschen vor sich selbst, 1992, 121; Schwabe, JZ 1998, 66 (70); für die Unterbringung<br />
BT-Drucks. 11/4528, 146; BayObLG FamRZ 1993, 600.<br />
144 VormundschaftsGerichtsTag e.V.