Soweit die Füße tragen – - VDBD
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<strong>Soweit</strong> <strong>die</strong> <strong>Füße</strong> <strong>tragen</strong> <strong>–</strong><br />
Prävention und Behandlung des diabetischen Fußsyndroms (DFS)<br />
Unter <strong>die</strong>sem Motto stand das <strong>die</strong>sjährige <strong>VDBD</strong>-Symposium im Rahmen des<br />
Kirchheim-Forums in Wiesbaden. Die Moderatoren Ruth Kauer und Dr. Bernardo<br />
Mertens begrüßten zahlreiche Fußinteressierte.<br />
Mit dem Statement, dass der Mensch, ob krank oder gesund, seinen <strong>Füße</strong>n nur<br />
wenig Beachtung schenkt, begrüßte <strong>die</strong> Vorsitzende Evelyn Drobinski <strong>die</strong><br />
Anwesenden. Die <strong>Füße</strong> haben es heute sehr schwer. Sie sind nichts zum Vorzeigen.<br />
<strong>Füße</strong> werden unter Deoduft in schicken, spitzen Schuhen versteckt. Dass uns unsere<br />
<strong>Füße</strong> durchs ganze Leben <strong>tragen</strong>, meist ohne Probleme, ist selbstverständlich. Wenn<br />
sie krank sind, werden sie eher lästig, als dass wir uns um sie kümmern. Dieser<br />
Zustand der Fußmissachtung und Falschwahrnehmung muss geändert werden. Vor<br />
allem Menschen mit Diabetes und deren Ärzte müssen lernen, um bereits im Vorfeld<br />
einen diabetischen Fuß zu vermeiden, mehr für <strong>die</strong> <strong>Füße</strong> zu tun. Um möglichst viele<br />
Menschen mit Diabetes vor den schwerwiegenden Folgen eines DFS zu bewahren,<br />
ist der <strong>VDBD</strong> entschlossen mit möglichst vielen qualifizierten Mitgliedern seinen<br />
eigenen Beitrag zur Prävention zu leisten.<br />
Foto: Kirchheim-Verlag<br />
Als erster Referent sprach Sascha Schmidt, Institut für Pflegewissenschaft der<br />
Universität Witten/Herdecke, über krankheitsbedingte Selbstpflege zur<br />
Prävention eines diabetischen Fußsyndroms. Laut evidenzbasierter Leitlinie der<br />
DDG 2005 ist zur Prävention von Fußläsionen <strong>die</strong> unmittelbare und verantwortliche<br />
Beteiligung der Patienten unabdingbar und durchaus realisierbar. Die<br />
Selbstuntersuchung des Menschen mit Diabetes ist unerlässlich. Die Patienten<br />
müssen bestimmte Maßnahmen und Tätigkeiten erlernen und in ihren Alltag<br />
integrieren. Es werden weltweit alle 30 Sekunden diabetesbedingte Amputationen<br />
durchgeführt. Bis zu 70% aller Amputationen sind diabetesbedingt. In<br />
Industrieländern leiden bis zu 5% der Diabetiker an Fußproblemen. Einer von sechs<br />
Diabetikern wird in seinem Leben ein DFS entwickeln. Eine Reduzierung <strong>die</strong>ser<br />
Problematik kann signifikant durch gut organisierte Diabetes-Fuß-Teams, eine gute<br />
Diabeteskontrolle und durch gute Selbstpflege des Menschen mit Diabetes (MmD)<br />
erreicht werden. Selbstpflege wird aus pflegetheoretischer Sicht als bewusst<br />
gesteuertes Verhalten und zielgerichtet zum Erhalt des Lebens, der Gesundheit<br />
sowie des Wohlbefindens verstanden. Zur allgemeinen Selbstpflege gehört u. a. das<br />
tägliche Waschen und das Zähneputzen. Der Mensch mit Diabetes muss zusätzliche<br />
krankheitsbedingte Selbstpflegetätigkeiten erlernen und täglich ausführen.<br />
Dazu gehören <strong>die</strong> Fähigkeit zur Einschätzung der entstandenen Situation, <strong>die</strong><br />
Fähigkeit zur Entscheidung für <strong>die</strong> entsprechende Handlung und <strong>die</strong> Fähigkeit zur<br />
Ausführung derselben. Der MmD sieht bei der täglichen Fußkontrolle z. B. einen<br />
eingerissenen Fußnagel. Er muss entscheiden, wie er mit <strong>die</strong>sem Nagel umgeht und<br />
welche Maßnahmen nun zu treffen sind. Bei einer Neuropathie sollte er sich für <strong>die</strong>
Konsultation eines Podologen entscheiden. Um Selbstpflegedefizite in der Praxis bei<br />
Diabetikern zu erfassen, wurde der Fragebogen FAS-PräDiFuß (Frankfurter<br />
Aktivitätenkatalog der Selbstpflege <strong>–</strong> Prävention Diabetisches Fußsyndrom) vom<br />
Hessischen Institut für Pflegeforschung, Frankfurt am Main, entwickelt. Hierzu<br />
wurden Maßnahmen von Präventionstätigkeiten im Diabetikeralltag erfragt. Diese<br />
wurden in sieben wichtigen Dimensionen erfasst: Schuhe, kalte <strong>Füße</strong>,<br />
Fußinspektion/-kontrolle, Verletzungen und Veränderungen der <strong>Füße</strong>, Fußpflege,<br />
Strümpfe, Fußnagelpflege. Derzeit laufen noch Stu<strong>die</strong>n. Der Fragebogen wird bis<br />
Ende des Jahres über das Hessische Institut für Pflegeforschung, Frankfurt am Main,<br />
zu erhalten sein. Kontaktadresse für Interessierte eMail: buero@hessio.de oder<br />
Sascha.Schmidt@uni-wh.de<br />
Prävention und Diagnose des DFS und was ist an konservativer Behandlung<br />
möglich?<br />
Über <strong>die</strong>se Thematik referierte Dr. Sibylle Brunk-Loch, Diabetologin DDG, DSPP mit<br />
zertifizierter Fußambulanz, Idar Oberstein. Die Definition des DFS lautet:<br />
Diabetesbedingte Folgeerkrankungen führen beim DFS zu komplizierten Verläufen<br />
bis hin zu Amputationen. Bei 5 - 7 Millionen Diabetikern in Deutschland kann in 2 - 10<br />
% aller Betroffenen mit einer Fußulceration gerechnet werden. Ausgelöst durch<br />
verschleppte Infektionen und <strong>die</strong> Unfähigkeit, Alltägliches bewusst wahrzunehmen,<br />
da das Vorhandensein des Fußes nicht wahrgenommen wird. Die<br />
Krankheitsentstehung der Fußulcerationen liegt begründet in der Neuropathie<br />
(sensorisch, motorisch und autonom) als auch der Angiopathie (Mikro- und/oder<br />
Makroangiopathie). Auslöser hierbei sind hauptsächlich schlechtes Schuhwerk,<br />
Infektionen und Traumata. Die Durchführung der Diagnostik stellte sie<br />
folgendermaßen dar. Der Patient muss Schuhe und Strümpfe ausziehen. Hierbei ist<br />
es wichtig, dem Patienten ein Signal zu geben, <strong>die</strong>se <strong>Füße</strong> sind mir als Untersucher<br />
wichtig. Der nackte Fuß wird nun angeschaut und angefasst. Es werden <strong>die</strong><br />
Fußpulse getastet, <strong>die</strong> Fußsohlen und Zehenzwischenräume kontrolliert und der Fuß<br />
auf eventuell vorhandene Deformitäten und eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit<br />
überprüft. Darüber hinaus wird der neurologische Fußstatus mit Reflexkontrolle, Tip-<br />
Therm, 10g Monofilament und Stimmgabeltest durchgeführt. Das Ergebnis der<br />
Untersuchung ist dem Patienten verständlich mitzuteilen. Eine entsprechende<br />
Information über Vorsorge und eventuelle Risiken muss der Patient erhalten. Bei<br />
Auffälligkeiten ist eine entsprechende weitere Diagnostik durchzuführen. Zur<br />
Therapie des DFS gehört eine adäquate klinische Klassifikation der Wunde nach<br />
Wagner und Armstrong. Sie ist für <strong>die</strong> Therapieplanung diabetischer Fußläsionen<br />
unverzichtbar (siehe Untersuchungsbogen, Amputationsbogen, Oppenheimer<br />
Erklärung, usw.). Zu den Grundprinzipien der Therapie gehören: Debridement<br />
avitaler Gewebeanteile (mechanisch, autolytisch oder biomechanisch),<br />
sta<strong>die</strong>ngerechte lokale Wundheilung (feuchte Wundbehandlungsverfahren bei<br />
chronischen, nicht ischämischen Wunden), Druckentlastung (durch<br />
Entlastungsschuh, Gips, Orthese, Unterarm-Gehstützen, Rollstuhl oder Bettruhe),<br />
Infektionsbehandlung, Revaskularisation (falls erforderlich), Normoglykämie und<br />
Behandlung der Begleiterkrankungen. Nach erfolgter Abheilung besteht ein hohes<br />
Rezidivulcusrisiko. Eine lebenslange Nachbetreuung ist erforderlich. Als Empfehlung<br />
gilt: jährliche Kontrolle wenn keine Neuropathie vorhanden ist, halbjährliche Kontrolle<br />
bei sensomotorischer Neuropathie, alle 3 Monate bei PNP+pAVK und/oder<br />
Fußdeformitäten, alle 1 - 3 Monate bei vorangegangenem Ulcus.
Was kann der Podologe hierbei leisten?<br />
Heike Juchem, seit 20 Jahren als medizinische Fußpflegerin und seit 2002 als<br />
Podologin tätig, beschrieb das Tätigkeitsfeld. Der Podologe/<strong>die</strong> Podologin führt unter<br />
Beachtung der hygienischen Erfordernisse am Fuß selbständig fußpflegerische<br />
Behandlungsmaßnahmen durch, erkennt eigenständig pathologische Veränderungen<br />
oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, <strong>die</strong> eine ärztliche Abklärung erforderlich<br />
machen und führt, gegebenenfalls auf ärztliche Verordnung hin, medizinisch<br />
indizierte Behandlungsmaßnahmen am Fuß durch. Dazu gehören neben den rein<br />
vorbeugenden und pflegerischen Maßnahmen eine Reihe von speziellen<br />
Behandlungspraktiken und <strong>–</strong>methoden.<br />
- Nagelbehandlungen: Richtiges Schneiden der Nägel, Behandlung eingerollter<br />
und eingewachsener Nägel, Nagelmykosen oder verdickte Nägel<br />
- Hyperkeratosenbehandlungen: Ab<strong>tragen</strong> von übermäßiger Hornhaut und von<br />
Schwielen<br />
- Behandlung von Clavi und Verrucae: Fachgerechtes Entfernen und<br />
Behandeln von Hühneraugen (ohne ätzende Mittel beim MmD) und Warzen<br />
(auf ärztliche Anordnung)<br />
- Druck- und Reibungsschutz: Maßnahmen zur Entlastung schmerzhafter<br />
Stellen (z. B. Druckentlastungspflaster, Filzring, Zehenstrecker)<br />
- Orthonyxie: Anfertigung spezieller Nagelspangen bei eingewachsenen Nägeln<br />
(setzen der VHO-Spange (Metallnagelspange), oder BS-Spange<br />
(Kunststoffspange für Allergiker oder Menschen mit Diabetes)<br />
- Orthesentechnik: Anfertigung von langlebigen Druckentlastungen<br />
(Einlagenversorgung)<br />
- Nagelprothetik: künstlicher Nagelschutz<br />
- Fuß- und Unterschenkelmassage<br />
- allgemeine und individuelle Beratung zur täglichen Fußpflege.<br />
Vor der Behandlung ist es wichtig einen podologischen Erstbefund mit Anamnese,<br />
Schuhversorgung, Fußbefund, Angiologie und Neurologie an den <strong>Füße</strong>n<br />
durchzuführen. Die Podologie zählt zu den medizinischen Heilberufen und ist im<br />
Vorfeld des Arztes angesiedelt. Die Berufsbezeichnung „Podologe“ und „Med.<br />
Fußpfleger“ ist seit dem 2. Januar 2002 durch das Podologengesetz geschützt. Den<br />
Titel darf nur führen, wer eine qualifizierte Ausbildung nachweisen kann. Zukünftig<br />
muss jeder, der den Titel <strong>tragen</strong> möchte, eine 2jährige vollschulische Ausbildung mit<br />
anschließender staatlicher Prüfung absolvieren.<br />
Foto: Kirchheim-Verlag<br />
Was muss der Orthopä<strong>die</strong>-Schuhmacher sicherstellen?<br />
Dies erläuterte Orthopä<strong>die</strong>schuhmachermeister Siegfried Kramp, Dillingen. Welche<br />
Schritte sind notwendig vom ersten Vorstellen eines Risikofußes über das<br />
Aufnehmen der Fußmaße auf verschiedene Arten, <strong>die</strong> Passformkontrolle im<br />
Probeschuh bis zur endgültigen Anfertigung eines Maßschuhes, sowie Pass- und
Tragekontrollen nach zwei Monaten und nach einem halben Jahr. Die enge<br />
Zusammenarbeit von Orthopä<strong>die</strong>schuhmacher und Arzt (Diabetologe/Fußambulanz)<br />
sollte gewährleistet sein.<br />
Wo legt das Team gemeinsam Hand an?<br />
Hier wurde besprochen, dass eine kontinuierliche Zusammenarbeit von Podolgogie,<br />
Orthopä<strong>die</strong>schuhmacher und Diabetologie für <strong>die</strong> Fußrisikopatienten von großer<br />
Wichtigkeit ist. Jede Berufsgruppe kann, damit <strong>die</strong> läsionsfreie Zeit solange wie<br />
möglich erhalten wird, zu gegebener Zeit entsprechend auf den Menschen mit<br />
Diabetes einwirken. Prävention und Behandlung des DFS kann nur dann erfolgreich<br />
sein, wenn <strong>die</strong> Schlüsselfunktionen interdisziplinär zusammenarbeiten.<br />
Fußdokumentationsbögen können unter www.ag-fuss-ddg.de abgerufen werden.<br />
Informationen über zugelassene Podologen sind über <strong>die</strong> entsprechenden<br />
Krankenkassen oder den Zentralverband der Podologen und Fußpfleger<br />
Deutschland e.V., eMail: www.zfd.de zu erhalten.<br />
Renate Fisch informierte unter „Zeigt her Eure <strong>Füße</strong> <strong>–</strong> aber BARFUSS“<br />
über das BARFUSS Projekt des <strong>VDBD</strong> sowie das Schulungsprogramm „Den <strong>Füße</strong>n<br />
zu liebe“. 1989 wurde in Italien <strong>die</strong> Sankt Vincent Deklaration verabschiedet. Um<br />
hierbei aktiv mitzuwirken <strong>die</strong> Amputationsrate zu senken, wurde das BARFUSS<br />
Projekt ins Leben gerufen. 6 Diabetesberaterinnen, 4 Diabetologen sowie 1<br />
Psychologe haben mit finanzieller Unterstützung der Industrie <strong>die</strong> Bundesweite<br />
Aktion für Risikopatienten mit diabetischem FUSS-Syndrom entwickelt. Im Jahre<br />
2000 fand das erste Pilotseminar BARFUSS statt. Bis Ende 2005 werden ca. 1000<br />
Teilnehmer das Seminar besucht haben. Ziel des Seminars ist eine Qualifizierung<br />
von DB und DA zur Betreuung von Patienten mit DFS. Im Seminar wird <strong>die</strong><br />
Identifikation von Risikopatienten, <strong>die</strong> selbstständige Durchführung der Fußinspektion<br />
mit Dokumentation des Fußbefundbogens wie auch <strong>die</strong> Vermittlung des<br />
Schulungsprogramms für Risikopatienten erlernt. Zu den Inhalten des Seminars<br />
gehören: Anatomie und Physiologie des Fußes, Entstehung des DFS, Diagnostik und<br />
Therapie, Praxis der Fußuntersuchung, Übungen zum Screening, Erste Hilfe und<br />
Behandlungsmöglichkeiten, Fußpflege und Schuhversorgung, Versorgungsstrukturen<br />
sowie Patientenschulung. Das Schulungsprogramm „Den <strong>Füße</strong>n zu liebe“, ist nur für<br />
Risikopatienten gedacht (Patienten mit Neuropathie oder nach Ulcera). Es umfasst<br />
drei Unterrichtseinheiten à 90-120 Min. in einwöchigem Abstand. Es sollten bis zu 4<br />
Patienten in einer Gruppe sein. Ziel der Schulung ist: Die Patienten sollen während<br />
der Schulung <strong>die</strong> Einstellung zu ihren <strong>Füße</strong>n ändern, sich ihrer <strong>Füße</strong> bewusst<br />
werden, <strong>die</strong> <strong>Füße</strong> wertschätzen. Die Patienten sollen lernen wie und warum <strong>die</strong> <strong>Füße</strong><br />
geschützt und gepflegt werden sollen und herausfinden was ihnen gut tut. Die<br />
Patienten erhalten Informationen über <strong>die</strong> Entstehung des DFS, <strong>die</strong> Anzeichen von<br />
PNP und AVK und werden auf <strong>die</strong> Notwendigkeit der regelmäßigen<br />
Vorsorgeuntersuchung hingewiesen. Renate Fisch machte darauf aufmerksam, dass<br />
das Schulungsprogramm zwar nur für Risikopatienten gedacht ist, jedoch <strong>die</strong> positive<br />
Auseinandersetzung mit den <strong>Füße</strong>n, aus Liebe zu den <strong>Füße</strong>n, in jedes ZI-<br />
Schulungsprogramm integriert werden kann.<br />
Evelyn Drobinski bedankte sich bei all denen, <strong>die</strong> zum Gelingen <strong>die</strong>ser Veranstaltung<br />
beige<strong>tragen</strong> haben. Allen Diabetesberatern/innen und Diabetesassistenten/innen<br />
legte sie ans Herz, <strong>die</strong> gewonnenen neuen Erkenntnisse möglichst bald und wirksam
in den Schulungs- und Beratungsalltag einzubauen. Möglichst viele Patienten sollen<br />
profitieren und deren <strong>Füße</strong> sie ein Leben lang <strong>tragen</strong>.<br />
Evi Engelhard