Coping - Schulung - VDBD
Coping - Schulung - VDBD
Coping - Schulung - VDBD
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rainer Paust<br />
Elisabeth-Krankenhaus Essen<br />
Klara-Kopp-Weg 1<br />
45138 Essen<br />
<strong>Coping</strong> - <strong>Schulung</strong><br />
W E G E
I. AUSGANGSSITUATION<br />
Wissen hilft, ist aber nicht alles<br />
<strong>Schulung</strong> vermittelt betroffenen Menschen mit Diabetes notwendiges<br />
Wissen zur Durchführung der tagtäglichen Selbstbehandlung!<br />
Was aber geschieht, wenn es trotz ausreichender Information auch nach<br />
erfolgter <strong>Schulung</strong> in der Umsetzung im Alltag „hapert“?<br />
Die Ursachen für Umsetzungsprobleme sind vielfältig. Allzu häufig spielt<br />
dabei eine problematische seelische Bewältigung und unzureichende<br />
Krankheitsverarbeitung des Diabetes eine Rolle.<br />
Bei der Lösung individueller Schwierigkeiten des Krankheitserlebens und<br />
der Krankheitsverarbeitung gelangen nochmalige Informationsschulungen<br />
häufig an ihre Grenzen. Aber auch nicht jeder Betroffene braucht in dieser<br />
Situation eine Psychotherapie.<br />
An diesen Grenzen setzt die neue strukturierte <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> zur<br />
Verbesserung der Krankheitsverarbeitung und zur Gewinnung neuer<br />
Behandlungsmotivation ein.<br />
Eine kurze Geschichte der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong><br />
Im Jahre 2000 beauftragte das Elisabeth-Krankenhaus Essen die<br />
Mitarbeiter im Diabetes-Zentrum in einer einjährigen interdisziplinären und<br />
multiprofessionellen Projektphase ein Instrument für Patienten zu<br />
entwickeln, die bereits geschult waren und dennoch Schwierigkeiten im<br />
Krankheitserleben und in der Umsetzung der Behandlung hatten.<br />
Das von der Projektgruppe entwickelte Programm, die WEGE <strong>Coping</strong>-<br />
<strong>Schulung</strong> wurde daraufhin im November 2001 erstmalig Mitgliedern der<br />
Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Verhaltensmedizin (DDG) in einem
zweitägigen Seminar vorgestellt. Auf Wunsch der Teilnehmer wurden die<br />
entwickelten Methoden im Februar 2002 in einem weiteren Trainingstag<br />
vertieft.<br />
Nach Prüfung des Programms durch den Ausschuss <strong>Schulung</strong> und<br />
Weiterbildung der DDG wurde die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> von der Deutschen<br />
Diabetes Gesellschaft als aktuelles, bedarfsgemäßes und angemessen<br />
strukturiertes Programm zur Verbesserung der Krankheitsverarbeitung<br />
nach bereits erfolgter Informationsschulung anerkannt.<br />
Bestandteil des Programms ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein<br />
Patientenbuch „Selbstbewusst mit Diabetes“ (Kirchheim-Verlag)<br />
und ein<br />
Trainer-Manual mit Begleitmaterial zur Durchführung der<br />
entwickelten Methoden (<strong>Coping</strong>-TimeLine, Imaginationsübung,<br />
Veränderungsplanung).<br />
<strong>Coping</strong>: Viele WEGE führen zum Ziel<br />
<strong>Coping</strong> bei Diabetes umfasst das komplexe Zusammenspiel aller<br />
Gedanken, Gefühle und Handlungen, die der Betroffene bezüglich seiner<br />
Krankheit erlebt und unternimmt.<br />
Da die Krankheitsverarbeitung keinen allgemeingültigen, festen Regeln<br />
unterliegt, gibt es also auch nicht den einen richtigen Weg, Diabetes zu<br />
bewältigen. <strong>Coping</strong> (die Krankheitsverarbeitung) ist vielmehr ein individuell<br />
ablaufender, vom Betroffenen, seinem Erkrankungsverlauf und der<br />
Umgebung abhängiger Prozess, der nicht ohne weiteres von einem<br />
Menschen auf einen anderen übertragbar ist.<br />
Aus diesem Grund haben wir der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> den Namen WEGE<br />
gegeben. Sie wurde speziell für diejenigen Menschen mit Diabetes<br />
entwickelt, die trotz einmaliger oder mehrmaliger Teilnahme an einer<br />
Informationsschulung im persönlichen Umgang mit ihrem Diabetes und<br />
ihrer Behandlung Schwierigkeiten und Probleme erleben.
II. <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> WEGE<br />
Ein strukturiertes Programm zur Verbesserung der<br />
Krankheitsverarbeitung und Behandlungsmotivation bei Diabetes:<br />
Ziele der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong><br />
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> zielt auf das Erlernen jener Fähigkeiten im Umgang<br />
mit sich selbst, dem Diabetes und anderen Menschen, die den<br />
individuellen Weg erleichtern und eine verbesserte Krankheitsverarbeitung<br />
positiv beeinflussen können.<br />
Durch die Teilnahme am Programm lernen die Patienten anhand ihrer<br />
individuellen Lebenssituation<br />
auftretende Probleme zu analysieren<br />
sich durch sinnvolle Zielsetzungen zu motivieren<br />
Anschluss an Selbstwirksamkeitserfahrungen zu finden und<br />
durch das Bewusstmachen und Aktivieren innerer und äußerer<br />
Ressourcen eigene Veränderungen anzugehen.<br />
Aufbau der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong><br />
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> ist ein strukturiertes 3 x 3-stündiges<br />
Gruppenprogramm für 4-6 Teilnehmer pro Gruppe.
1. <strong>Schulung</strong>seinheit: Ausgangssituation und persönliche Zielsetzung<br />
Inhalte / Ziele<br />
In der ersten <strong>Schulung</strong>seinheit lernen die Teilnehmer mit Hilfe der<br />
entwickelten Methode „<strong>Coping</strong> Time Line“ (Zeitlinie) neuartige<br />
Möglichkeiten kennen, ihre eigene individuelle Lebenssituation und<br />
Diabetesgeschichte / -probleme aber auch persönliche Ziele zu betrachten<br />
und zu verstehen. Die für den einzelnen Teilnehmer bedeutsamen Inhalte<br />
und Aspekte seines Lebens mit Diabetes werden auf Karten visualisiert<br />
und auf der individuellen Time Line platziert. Als eine typische<br />
Patientenäußerung im Anschluss an die Arbeit mit der Time Line ist: „So<br />
habe ich das bisher noch nicht<br />
gesehen“.<br />
Methode<br />
Die angewandte Methode<br />
TIME-LINE der <strong>Coping</strong>-<br />
<strong>Schulung</strong> ermöglicht einen<br />
raschen und im Erleben der<br />
Teilnehmer motivierenden Überblick der individuellen gegenwärtigen<br />
Situation. Zu diesem Zeitpunkt werden keine vorschnellen Empfehlungen<br />
und Ratschläge zur Lösung des Problems vom Trainer / Moderator<br />
angeboten und erörtert.<br />
2. <strong>Schulung</strong>seinheit: Aktivierung von Ressourcen und Kraftquellen<br />
Im Zentrum der zweiten <strong>Schulung</strong>seinheit stehen alle verfügbaren<br />
Kraftquellen und Ressourcen der Teilnehmer, um die<br />
Behandlungsmotivation und Selbsthilfefähigkeiten durch Verbesserung<br />
des Selbstwertgefühls zu fördern. Die Teilnehmer lernen, insbesondere<br />
durch das Bewusstmachen bisheriger positiver Erfahrungen aus dem<br />
eigenen Leben und der Verinnerlichung von<br />
Selbstwirksamkeitserfahrungen verfügbare Ressourcen neu zu aktivieren.
Die entwickelte Methode der Imagination (Vorstellung) geht davon aus,<br />
dass jeder Mensch in seinem Leben bereits schon schwierige Situationen<br />
bewältigt und gemeistert hat. Das Nacherleben und Besprechen dieser<br />
Erfahrungen werden zum Ausgangspunkt neuer persönlicher<br />
Veränderungsmotivation ins Bewusstsein gerufen. Der entwickelte<br />
standardisierte Imaginations- und Vorstellungstext wird den Teilnehmern<br />
vorgelesen. In der anschließenden Gruppenarbeit werden die Kraftquellen<br />
visualisiert und besprochen.<br />
3. <strong>Schulung</strong>seinheit: Veränderungsplanung<br />
Inhalte / Ziele<br />
Die individuelle Veränderungsplanung wird mit Hilfe der Ideen aus der<br />
Gruppe erarbeitet. In dieser Phase der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> wird<br />
insbesondere der wechselseitige Austausch der Teilnehmer untereinander<br />
und deren Anteilnahme am Losungs- und Suchprozeß des Einzelnen<br />
einbezogen.<br />
Methode<br />
Die Gruppe steht dem Einzelnen im „reflecting-team“ mit dem Ziel<br />
zusätzliche Optionen für seinen Weg zur Verfügung zu stellen zur Seite.<br />
Die angewandte Methode (reflecting team) geht von der Überlegung aus,<br />
dass Veränderung optimal da entstehen, wo<br />
es einen Freiraum für den<br />
Gedankenaustausch zwischen den<br />
Gruppenmitgliedern gibt, bei dem die<br />
individuelle Autonomie und<br />
Selbstverantwortung<br />
Personen gesichert ist.<br />
der beteiligten
<strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> als motivierende Kurzintervention<br />
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> wurde als motivierende Kurzintervention konzipiert,<br />
durch die sich menschliche Entwicklung und Veränderung in Gang setzen<br />
lässt. Dabei sind die Inhalte, die mit den entwickelten Methoden<br />
entstehen, nicht planbar oder vorhersagbar, knüpfen dafür aber lebendig<br />
an die Bedingungen der teilnehmenden Menschen mit Diabetes an.<br />
Indikationsklärung<br />
Für die Einschätzung, ob ein Patient von der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> profitieren<br />
wird, haben sich die folgende Fragen als hilfreich erwiesen. Die<br />
Durchführung der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> in Ergänzung vorheriger<br />
Informationsschulungen bietet nach bisherigen Erfahrungen den<br />
geeigneten Kontext für Veränderung möglichst viele der fünf Fragen mit<br />
„ja“ beantwortet werden können.<br />
Ist der Patient ausreichend informiert und geschult?<br />
Erlebt der Patient psychosoziale Schwierigkeiten im<br />
Zusammenhang mit Diabetes?<br />
Ist der Patient an einer Lösung seiner Probleme interessiert?<br />
Ist der Patient bereit, mit anderen in einer Gruppe an einer Lösung<br />
zu arbeiten?
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> im Überblick<br />
Zielgruppe Menschen mit Diabetes (Typ 1- und Typ 2-Diabetes<br />
mellitus), die trotz einer oder mehrmaliger<br />
Informationsschulungen im persönlichen Umgang mit<br />
ihrem Diabetes und ihrer Behandlung Schwierigkeiten<br />
haben<br />
Zeitumfang 3 x 3 Stunden<br />
Methoden <strong>Coping</strong>-Time Line, Imaginations- und<br />
Gruppengröße 4 – 6 Teilnehmer<br />
Vorstellungsübung, Veränderungsplanung als<br />
Reflecting Team in der Teilnehmergruppe
III. Effekte der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> auf die<br />
Krankheitsverarbeitung und<br />
Behandlungsmotivation bei Diabetes mellitus*<br />
(*Artmann, C. Krämer-Paust, R. Paust, R. (2004); Effekte der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> auf die<br />
Krankheitsverarbeitung und Behandlungsmotivation bei Diabetes mellitus; Posterpräsentation auf der<br />
Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Hannover)<br />
Im Rahmen einer Effekterhebung in Kooperation mit den Fachbereichen<br />
Pädagogik und Psychologie der Universität Duisburg-Essen (Prof. H.<br />
Goldbrunner) wurden 26 Patienten zu den Auswirkungen und Effekten der<br />
Teilnahme an der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> auf das Krankheitserleben, die<br />
Behandlungsmotivation und den Stoffwechsel nach drei Monaten befragt.<br />
m w gesamt gesamt in %<br />
Geschlecht 7 19 26 100<br />
Alter 40,6 ± 16,1 43,0 ± 12,6 42,3 ±13,3<br />
Typ-1 5 16 21 80,8<br />
Typ-2 2 3 5 19,2<br />
Diabetesdauer in<br />
Jahren<br />
19,5 ± 11,1 14,1 ± 8,2 18,1 ± 10,5<br />
ICT 4 14 18 69,2<br />
CSII 3 5 8 30,8<br />
Tab. 1 Stichprobe<br />
Auszüge aus den Ergebnissen<br />
81% der Patienten hatten vor Teilnahme an der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong><br />
Schwierigkeiten in ihrem Krankheitserleben und stimmten der Aussage zu:<br />
„Ich habe mir vor der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> häufiger nicht zugetraut, dass ich<br />
meinen Diabetes in den Griff bekomme“. Nur 23% konnten ihre<br />
Behandlung zufriedenstellend in den Alltag integrieren und stimmten der<br />
Aussage „Ich habe mich vor der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> gut mit meinem<br />
Diabetes arrangiert“ zu.
Krankheitserleben<br />
Drei Monate nach Teilnahme an der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> fiel 80% der<br />
Befragten ihr täglicher Umgang mit der Krankheit leichter. Sie hatten eine<br />
höhere Bereitschaft, Verantwortung für die eigene Person, eigenes<br />
Verhalten und die Diabetesbehandlung zu übernehmen.<br />
Behandlungsmotivation<br />
77% konnten auftretende Probleme mit dem Diabetes besser meistern<br />
und hatten nach der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> eine höhere Motivation, den<br />
Diabetes „in den Griff“ zu bekommen.<br />
HbA1c<br />
In 73% verbesserte sich der HbA1c durchschnittlich um 0,63% (±0,46%).<br />
Die Steigerung der Behandlungsmotivation bewirkte eine HbA1c-Senkung<br />
in der Gesamtgruppe von 0,35% ± 0,8 (t(0)7,73% ± 0,74 / t(1) 7,38% ±<br />
0,73).<br />
HbA1c (%)<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
7.73<br />
n=24<br />
7.38<br />
t0 t1<br />
Wer kann die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> durchführen?<br />
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> kann von Fachkräften (Ärzte, DiabetesberaterInnen,<br />
DiabetesassistentInnen, Psychologen, Pädagogen) mit<br />
<strong>Schulung</strong>serfahrung durchgeführt werden. Spezielle Kompetenzen und<br />
den Umgang mit den Methoden der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> werden im Rahmen<br />
eines 16-stündigen (1,5 Tage) Trainerseminar vermittelt. Die <strong>Coping</strong>-<br />
<strong>Schulung</strong> kann sowohl in der ambulanten als auch während einer<br />
stationären Behandlung durchgeführt werden.
IV. Schlussfolgerungen<br />
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong><br />
löst festgefahrene Bewältigungsmuster und Verhaltensweisen<br />
stärkt die Behandlungsmotivation<br />
fördert die Umsetzung diabetesbezogenen Wissens<br />
führt bei der Mehrzahl der Patienten zu einer signifikanten<br />
Verbesserung der Blutzuckereinstellung<br />
Die <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong> sollte deshalb denjenigen Diabetespatienten<br />
angeboten werden, die persönliche Schwierigkeiten im Umgang mit dem<br />
Diabetes und ihrer Behandlung haben.<br />
Die Teilnahme am Trainer-Seminar befähigt diabeteserfahrene Berater<br />
und Therapeuten (z.B. DiabetesberaterInnen, Ärzte, Psychologen,<br />
Pädagogen, Ernährungsberater) mit den Methoden der <strong>Coping</strong>-<strong>Schulung</strong><br />
zu arbeiten.
V. Autoren und Kontakt<br />
Dipl. Päd. Rainer Paust<br />
Elisabeth-Krankenhaus Essen, Diabetes-Zentrum,<br />
Moltkestraße 61, 45138 Essen<br />
0201-897 4594<br />
Dr. med. Renate Krämer-Paust<br />
Praxis für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie<br />
Rüttenscheiderstraße 158, 45131 Essen<br />
r.paust@elisabeth-essen.de<br />
www.coping-schulung.de<br />
www.elisabeth-essen.de