KVH Versorgungsbericht 2008 - Kassenärztliche Vereinigung ...

KVH Versorgungsbericht 2008 - Kassenärztliche Vereinigung ... KVH Versorgungsbericht 2008 - Kassenärztliche Vereinigung ...

04.06.2013 Aufrufe

Versorgungsbericht Versorgungsbericht der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg 2008 Ambulante Versorgung in der Medizinmetropole Hamburg

<strong>Versorgungsbericht</strong><br />

<strong>Versorgungsbericht</strong> der <strong>Kassenärztliche</strong>n <strong>Vereinigung</strong> Hamburg <strong>2008</strong><br />

Ambulante Versorgung<br />

in der Medizinmetropole<br />

Hamburg


Liebe Leserinnen und Leser,<br />

wir kennen es gar nicht anders: Wenn wir uns krank fühlen, gehen wir zu einem niedergelassenen<br />

Arzt, zücken die Krankenversichertenkarte und werden behandelt – in den allermeisten Fällen nicht<br />

nur erfolgreich, sondern auch einfach, schnell und ohne für die Behandlung zahlen zu müssen.<br />

Unser Krankenversicherungssystem ist weit über 100 Jahr alt und noch immer modern: Immer mehr<br />

Staaten interessieren sich für unser System, wollen es ganz oder in Teilen übernehmen. Denn wie<br />

internationale und nationale Studien mehrfach bestätigt haben, gibt es kein System auf der Welt,<br />

in dem Sie so schnell Zugang zu allen Bereichen der Medizin und Psychotherapie haben wie in der<br />

Bundesrepublik und das so viel Qualität und Innovation für vergleichsweise wenig Geld vorhält.<br />

Trotz seiner einfachen Grundstruktur – oder vielleicht gerade deswegen – ist unser System Vielen<br />

nicht bekannt. Wie viele Rädchen im Hintergrund bewegt werden müssen, damit Sie im Falle eines<br />

Falles Hilfe erhalten, wissen nur wenige. Was es heute heißt, eine Arztpraxis zu führen, unterliegt<br />

sehr vielen Missverständnissen. Mit diesem <strong>Versorgungsbericht</strong> der <strong>Kassenärztliche</strong>n <strong>Vereinigung</strong><br />

Hamburg wollen wir Ihnen nicht nur diesen Blick hinter die Kulissen ermöglichen, sondern Ihnen<br />

vor allem zeigen, wie hervorragend die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung<br />

in Hamburg aufgebaut ist. Es gibt keine vergleichbare Region in Deutschland, in der so viel spezialisiertes<br />

ärztliches Know-how in der ambulanten Versorgung für Sie zur Verfügung steht. Mit ihrer<br />

Innovationskraft stehen Ärzte und Psychotherapeuten der Hansestadt an der Spitze.<br />

Begeben Sie sich mit diesem <strong>Versorgungsbericht</strong> auf einen Streifzug durch die ambulante ärztliche<br />

und psychotherapeutische Versorgung! Wir versuchen alles, um Ihnen diese Versorgung auch in<br />

Zukunft anbieten zu können. Hierzu ist es wichtig, dass Sie wissen, was alles nötig ist, damit Sie<br />

auch künftig sicher sein können, dass Ihnen schnell und unkompliziert geholfen wird.<br />

Viel Spaß beim Lesen!<br />

Dieter Bollmann, Vorsitzender der <strong>KVH</strong><br />

Walter Plassmann, Stellv. Vorsitzender der <strong>KVH</strong><br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> Vorwort<br />

3


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

Freie Arztwahl und flächendeckende Versorgung S. 6<br />

Wer versorgt wen? Zahlen und Fakten auf einen Blick<br />

Wer versorgt?<br />

Vom Hausarzt bis zum Spezialisten – Hamburgs Vertragsärzte nach Kategorien S . 1 0<br />

Hamburgs Niedergelassene werden jünger S. 12<br />

Die Medizin wird weiblich S. 13<br />

Ausreichend versorgt?<br />

Zwischen Niederlassungsfreiheit und Steuerung S. 14<br />

Wer wird versorgt?<br />

Hamburgs Einwohner S. 16<br />

Die Vielfalt potentieller Patienten - Hamburgs Speckgürtel, Pendler und Touristen S. 17<br />

Ambulante Medizin auf höchstem Niveau<br />

Hochspezialisierte Leistungen fern stationärer Strukturen<br />

Spezial- und Schwerpunktpraxen S. 22<br />

Versorgung mit Gütesiegel S. 24<br />

Hamburgs Arzneimittelumsätze in der GKV S. 26<br />

„Einzelpraxis oder Kooperation?“: Hamburgs (neue) Praxiskonzepte S. 28<br />

4 I n h a l t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


An die Arzttür geklopft!<br />

Überzeugte „Einzelkämpferin“ in der Kinderheilkunde S. 32<br />

Behandlungskontinuität durch innovative Strukturen S. 34<br />

Chirurgische und orthopädische Kompetenz in allen Sprachen S. 36<br />

High-End-Augenmedizin im Verbund S. 38<br />

Unfallchirurgische Versorgung wie im Krankenhaus S. 40<br />

Qualifizierte neurologische Therapie von Multipler Sklerose S. 42<br />

Breitgefächerte Hausarztmedizin in Hoheluft S. 44<br />

Eine Diabetes-Schwerpunktpraxis auf Aufklärungsmission S. 46<br />

Gemeinsam mit Tinnitustherapie und Akupunktur zum Erfolg S. 48<br />

Orthopädische Versorgung: Von der OP bis zur Nachsorge S. 50<br />

Onkologie und Co.: Ein verbündeter Kampf gegen Krebs S. 52<br />

Fünf Urologen unter einem Dach S. 54<br />

Chirotherapie und Akupunktur – Hausärztlicher Einsatz an zwei Standorten S. 56<br />

Versorgung außerhalb der Praxissprechzeiten<br />

Wohin im Notfall?<br />

Wählen Sie 22 80 22! S. 60<br />

Die Notfallpraxen S. 62<br />

Der Psychotherapeutische Bereitschaftsdienst S. 63<br />

Zwischen Patient & Bürokratie – Die Arbeitszeiten der Vertragsärzte<br />

Von Überstunden und Aktenbergen<br />

Die Unzufriedenheit der Vertragsärzte wächst S. 66<br />

Auch 2050 noch sicher versorgt?<br />

Die Zukunft der ambulanten Medizin S. 68<br />

Impressum<br />

Impressum S. 70<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> I n h a l t<br />

5


Freie Arztwahl und flächendeckende Versorgung<br />

Was die <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> für die Patienten leistet<br />

Hamburg hat sich in den vergangenen<br />

Jahrzehnten zu<br />

einer bedeutenden Medizinmetropole<br />

entwickelt. Mit ins-<br />

Was die Patienten sagen<br />

gesamt mehr als 10.000 Ärzten,<br />

Psychotherapeuten und<br />

Zahnärzten, etwa 50 Krankenhäusern<br />

und fast 500 Apothe-<br />

Die ambulante Versorgung genießt bei den Hamburgern<br />

eine hohe Wertschätzung:<br />

Einer Umfrage der <strong>Kassenärztliche</strong>n Bundesvereinigung<br />

zu Folge, haben fast 90 Prozent der Hamburger ein gutes<br />

oder sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt. [Einer<br />

der Gründe für die hohe Zufriedenheit ist, dass Patienten<br />

ihren Arzt frei wählen können. Bekommt ein Patient keinen<br />

Termin oder fühlt er sich schlecht behandelt, steht<br />

es ihm frei, zu einem anderen Arzt zu gehen.]<br />

Die fachlichen Fähigkeiten der Ärzte beurteilen 94 Prozent<br />

der Befragten als gut oder sehr gut. Der Weg zum Arzt ist<br />

in Hamburg normalerweise nicht weit: Knapp zwei Drittel<br />

der Hamburger waren nicht länger als zehn Minuten<br />

unterwegs, als sie zuletzt einen Arzt aufsuchten. Mit Bus<br />

und Bahn sind innerhalb des Hamburger Stadtgebiets<br />

selbst hochspezialisierte Praxen gut zu erreichen.<br />

Quelle: KBV Umfrage <strong>2008</strong><br />

ken, die sich um die ärztliche<br />

und medizinische Versorgung<br />

der Stadt und des Umlandes<br />

sorgen, zählt Hamburg bereits<br />

heute zu den führenden Medizinmetropolen<br />

Europas.<br />

Die <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong><br />

Hamburg (<strong>KVH</strong>) organisiert<br />

die ambulante ärztliche<br />

und psychotherapeutische Versorgung<br />

in der Hansestadt. Da<br />

alle für die Behandlung von<br />

Kassenpatienten zugelassenen<br />

Ärzte und Psychotherapeuten<br />

Mitglieder der KV sind, können<br />

die Kassenpatienten ihren<br />

Arzt oder Psychotherapeuten<br />

frei wählen. Die von den <strong>Kassenärztliche</strong>n<br />

<strong>Vereinigung</strong>en<br />

abgeschlossenen Kollektivverträge<br />

mit den Krankenkassen<br />

verhindern amerikanische<br />

Verhältnisse in der medizinischen<br />

Grundversorgung.<br />

Bislang muss in Deutschland<br />

kein niedergelassener Arzt zu<br />

einem Patienten sagen: „Tut<br />

6 E I n l E I t u n g<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


mir leid, mit Ihrer Krankenkasse<br />

habe ich keinen Vertrag.<br />

Ich kann Sie nicht behandeln.“<br />

Die Vertragsärzte und -psychotherapeuten<br />

behandeln jeden<br />

Kassenpatienten – egal, bei<br />

welcher Krankenkasse er versichert<br />

ist. Die <strong>KVH</strong> sorgt für<br />

eine einheitliche und flächendeckende<br />

ambulante Medizin.<br />

Und sie sorgt dafür, dass diese<br />

Medizin auf einem hohen,<br />

auch international als vorbildlich<br />

geltenden Qualitätsniveau<br />

stattfindet.<br />

Die Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Metropolregion Hamburg<br />

Der problemlose Zugang zu<br />

Hamburgs hausärztlicher Versorgung<br />

ist für die Gesundheitschancen<br />

der Bevölkerung<br />

von immenser Bedeutung.<br />

Hausärzte und Kinderärzte<br />

müssen deshalb vom gesamten<br />

Stadtgebiet aus gut<br />

zu erreichen sein. Einer Umfrage<br />

der <strong>Kassenärztliche</strong>n<br />

Bundesvereinigung (KBV) zu<br />

Folge, nutzen 86 Prozent der<br />

Hamburger dieses Angebot<br />

und wählen einen Hausarzt<br />

als erste Anlaufstelle, wenn<br />

Die Freie und<br />

Hansestadt Hamburg<br />

Fläche: 755, 26 km²<br />

Einwohner: 1.754.182<br />

Metropolregion<br />

Hamburg<br />

Fläche: 19.801,63 km²<br />

Einwohner: 4.271.678<br />

Stand: Ende 2006<br />

sie krank sind oder ärztlichen<br />

Rat benötigen.<br />

Hamburg zeichnet sich aber<br />

auch durch eine differenzierte<br />

ambulante Spezialversorgung<br />

aus, die Patienten aus den umliegenden<br />

Bundesländern und ganz<br />

Deutschland anzieht. Keine andere<br />

Stadt in Deutschland verfügt<br />

über ein derart hochqualifiziertes<br />

Ärzteaufkommen und ein so<br />

dichtes Netz von Spezialpraxen.<br />

Wir möchten Ihnen diese Versorgungsstruktur<br />

näher vorstellen.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> E I n l E I t u n g<br />

7


8 wE r V E r s o r g t w E n ?<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Wer<br />

versorgt<br />

wen?<br />

Zahlen und Fakten<br />

auf einen Blick<br />

Im Stadtstaat Hamburg nehmen derzeit etwa<br />

4.000 Ärzte und Psychotherapeuten an der<br />

vertragsärztlichen Versorgung teil. Durchschnittlich<br />

kommen auf einen Quadratkilometer<br />

jeweils fünf niedergelassene Ärzte.<br />

Die relativ hohe Arztdichte ist besonders für<br />

ältere Menschen ein Vorteil – immerhin hat<br />

bereits fast ein Drittel der Hanseaten das<br />

60. Lebensjahr überschritten. Aber auch die<br />

Pendler aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen<br />

und Mecklenburg-Vorpommern, die<br />

beruflich in Hamburg tätig sind oder aber<br />

in der Nähe der Landesgrenzen wohnen,<br />

profitieren von Hamburgs guter Versorgung<br />

durch niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten.<br />

An diesem Punkt wird bereits<br />

deutlich, dass man die zweitgrößte Stadt<br />

Deutschlands nicht ausschließlich als Stadtstaat<br />

betrachten sollte. Der angrenzende<br />

Einzugsbereich Hamburgs ist 26 mal so groß<br />

wie der Stadtstaat - und zählt mit seinen<br />

4,3 Millionen Einwohnern zu den führenden<br />

Metropolregionen in Europa.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> wE r V E r s o r g t w E n ?<br />

9


WER versorgt ?<br />

Vom Hausarzt bis zum Spezialisten –<br />

Hamburgs Vertragsärzte nach Kategorien<br />

„Ein Arzt ist nicht gleich ein<br />

Arzt!“ Je nach Spezialisierung<br />

im Verlauf ihrer Ausbildung und<br />

ihrer Praxistätigkeit erlangten<br />

die Mitglieder der <strong>KVH</strong> ihre<br />

Kompetenzen in den unterschiedlichsten<br />

Fachgebieten.<br />

So lassen sich die <strong>KVH</strong>-Mitglieder<br />

zwar grob in die Kate gorien<br />

Hausärzte, Fachärzte und Psy-<br />

chotherapeuten aufteilen, doch<br />

jede Praxis hat ihr eigenes Profil.<br />

Die Bedarfsplanung, auf die<br />

später noch ausführlicher eingegangen<br />

wird, unterteilt die<br />

Hamburger Vertragsärzte in<br />

folgende 14 Fachgruppen: Anästhesisten,<br />

Augenärzte, Chirurgen,<br />

Internisten, Frauenärzte,<br />

HNO-Ärzte, Hausärzte, Haut-<br />

Hamburgs Vertragsärzte nach Kategorien<br />

Hamburgs Vertragsärzte nach Kategorien<br />

Psychotherapeuten<br />

Hausärzte<br />

ermächtigte Ärzte<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 21. September 2007)<br />

Fachärzte<br />

ärzte, Kinderärzte, Nervenärzte,<br />

Orthopäden, Psychotherapeuten,<br />

Radiologen, Urologen.<br />

Daneben gibt es unter anderem<br />

auch Humangenetiker, Nuklear-<br />

und Transfusionsmediziner<br />

und Pathologen. Denn so<br />

weitreichend und umfassend<br />

wie die medizinische Forschung<br />

sind auch die Spezialisierungen<br />

und Zusatzqualifikationen der<br />

in Hamburg ambulant tätigen<br />

Ärzte und Psychotherapeuten.<br />

Wird ein bestimmtes medizinisches<br />

Fachgebiet nicht<br />

ausreichend durch niedergelassene<br />

Ärzte<br />

abgedeckt, besteht<br />

die Möglichkeit<br />

der Ermächtigung.<br />

Das heißt, dass<br />

beispielsweise ein<br />

Krankenhaus für einen<br />

begrenzten Zeit-<br />

10 wE r VErsorgt w E n?<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


aum und in einem begrenzten<br />

Umfang vom Zulassungsausschuss<br />

(siehe Seite 15: Infokasten<br />

Zulassungsausschuss)<br />

die Erlaubnis erhält, in einem<br />

speziellen Fachgebiet an der<br />

vertragsärztlichen Versorgung<br />

für Hamburg mitzuwirken – eine<br />

Ausnahme zur Schließung von<br />

Versorgungslücken.<br />

Auf einen niedergelassenen<br />

Arzt oder Psychotherapeuten<br />

kommen in Hamburg 182 Einwohner.<br />

Damit weist Hamburg<br />

im bundesweiten Vergleich die<br />

höchste Arztdichte auf, gefolgt<br />

von Berlin mit einer Arztdichte<br />

von 199 Einwohnern je Arzt.<br />

Während es im übrigen Bundesgebiet<br />

hohe Zuwachsraten an<br />

niedergelassenen Ärzten und<br />

Psychotherapeuten gibt, ist die<br />

Vertragsärztezahl in Hamburg<br />

seit zwei Jahren relativ stabil.<br />

Hamburgs Vertragsärzte nach Fachgruppen<br />

Anzahl der Zulassungen<br />

Allgemeinmediziner (Hausärzte) 927<br />

Anästhesisten 71<br />

Augenärzte 147<br />

Chirurgen 90<br />

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen 47<br />

Neurochirurgen 8<br />

Frauenärzte 274<br />

HNO-Ärzte 128<br />

Hautärzte 96<br />

Internisten 515<br />

Kinderärzte 139<br />

Laborärzte 14<br />

Lungenärzte 10<br />

Nervenärzte 261<br />

Orthopäden 155<br />

Pathologen 18<br />

Psychotherapeuten / Psychologische<br />

Psychotherapeuten<br />

792<br />

Röntgenologen 95<br />

Urologen 74<br />

Nuklearmediziner 6<br />

Transfusionsmediziner/ Physikalische<br />

und Rehabilitative Medizin<br />

11<br />

Humangenetiker 7<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 21. September 2007)<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> wE r V E r s o r g t w E n ?<br />

11


Hamburgs Niedergelassene werden jünger<br />

Nicht nur das Durchschnittsalter<br />

der deutschen Bevölkerung,<br />

sondern auch das der deutschen<br />

Ärzte nimmt zu. Während<br />

in anderen Bundesländern die<br />

Ärzteverbände bereits vor einer<br />

Pensionierungswelle und<br />

drohendem Ärztemangel in der<br />

ambulanten Versorgung warnen,<br />

sieht in Hamburg die Situation<br />

anders aus. Entgegen dem<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

bundesweiten Trend sank das<br />

Durchschnittsalter der niedergelassenen<br />

Ärzte und Psychotherapeuten<br />

in der vergangenen<br />

Dekade von rund 58 Jahren auf<br />

ungefähr 52 Jahre.<br />

Die Hamburger Vertragsärzte<br />

und -psychotherapeuten werden<br />

immer jünger. Vor allem die<br />

Altersklasse der 30- bis 40-Jäh-<br />

Alter der Hamburger Vertragsärzte und Psychotherapeuten (1995 bis 2007)<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

Altersverteilung der der Hamburger Hausärzte Hausärzte (2002 vs 2007) (2002 vs 2007)<br />

A B C D E<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg<br />

(Jahre)<br />

A 68 und älter<br />

B 61 - 67<br />

C 51 - 60<br />

D 41 - 50<br />

E unter 40<br />

Stand 1.7.02<br />

Stand 1.7.07<br />

rigen, die sich in den vergangenen<br />

Jahren niederließen, hat<br />

zugenommen. Waren im Jahr<br />

2002 nur 33 niedergelassene<br />

Ärzte und Psychotherapeuten<br />

unter 40 Jahre alt, so sind es im<br />

Jahr 2007 bereits 225. Auch das<br />

Alter der Hausärzte sank in den<br />

vergangenen fünf Jahren von<br />

durchschnittlich 55,8 Jahren auf<br />

51,8 Jahre.<br />

Durchschnittsalter der Hamburger Vertragsärzte und Psychotherapeuten<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg<br />

männlich<br />

weiblich<br />

12 wE r VErsorgt w E n?<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

Die Medizin wird weiblich<br />

Bei einem anderen Trend folgt<br />

Hamburg allerdings der Bundesentwicklung:<br />

Die Medizin<br />

wird weiblich! Der Anteil der<br />

Frauen an der Vertragsärzteschaft<br />

nimmt zu. So sind derzeit<br />

in Hamburg mit 1.730 Frauen<br />

Anzahl der der Hamburger Vertragsärzte Vertragsärzte und Psychotherapeuten und Psychotherapeuten nach Geschlecht (1995 bis (1995 2007) bis 2007)<br />

1995 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg<br />

mehr als doppelt so viele Ärztinnen<br />

und Psychotherapeutinnen<br />

zugelassen wie im Jahr 1995.<br />

Der erhöhte Anteil der Frauen<br />

in der Ärzteschaft geht primär<br />

auf die neuen Möglichkeiten der<br />

Niederlassungs- und Anstellungsformen<br />

für die Ärzte und<br />

Psychotherapeuten zurück. So<br />

werden vor allem Modelle der<br />

Teilzeit und Arztanstellung besonders<br />

von Frauen und Müttern<br />

genutzt.<br />

männlich<br />

weiblich<br />

Vertragsärzte gesamt<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> wE r VErsorgt w E n?<br />

13


Ausreichend versorgt?<br />

Zwischen Niederlassungsfreiheit und Steuerung<br />

Ob die ambulante Gesundheitsversorgung<br />

eines Zulassungsgebietes<br />

ausreichend ist, wird<br />

mit den Instrumenten der Bedarfsplanung<br />

ermittelt. Es handelt<br />

sich dabei um statistische<br />

Werte - qualitative Kriterien für<br />

Über- oder Unterversorgung<br />

sind mit diesen Instrumenten<br />

nicht zu erfassen. Die Bedarfs-<br />

Wie Bedarfsplanung funktioniert<br />

planung orientiert sich an der<br />

Arztdichte, also am Verhältnis<br />

Einwohner zu Arzt. Sind die<br />

für jede Fachgruppe definierten<br />

Verhältniszahlen deutlich<br />

unterschritten (Unterversorgung),<br />

müssen Maßnahmen<br />

ergriffen werden, um Ärzte zur<br />

Niederlassung zu animieren.<br />

Werden die Zahlen jedoch<br />

deutlich überschritten (Überversorgung),<br />

können grundsätzlich<br />

keine weiteren Ärzte<br />

im betreffenden Fachgebiet<br />

mehr zugelassen werden. Für<br />

die Anordnung bzw. Aufhebung<br />

von Zulassungsbeschränkungen<br />

ist in Hamburg der Landesausschuss<br />

der Ärzte und<br />

Krankenkassen zuständig.<br />

Die Bedarfsplanung dient der Erfüllung des so genannten Sicherstellungsauftrages, den<br />

der Gesetzgeber den <strong>Kassenärztliche</strong>n <strong>Vereinigung</strong>en übertragen hat. Jeder Bewohner<br />

eines Zulassungsbereiches (Planungsbereiches) soll eine „ausreichende und zweckmäßige“<br />

Versorgung mit ambulanten Leistungen erhalten. Was „ausreichend und zweckmäßig“ ist,<br />

bestimmt hierbei der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der „Bedarfsplanungs-<br />

Richtlinie Ärzte“ in Form von Verhältniszahlen.<br />

Die Verhältniszahlen Einwohner zu Arzt sind bundesweit festgelegt und unterscheiden sich<br />

entsprechend den raumordnungsspezifischen Planungskategorien. Hamburg - mit weit<br />

mehr als 300.000 Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von über 300 Einwohner pro<br />

km² - wird laut Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA als Kernstadt bezeichnet und zählt<br />

zu den „hochverdichteten Regionen“. Je nach Raumgliederungskategorie unterscheiden<br />

sich auch die festgelegten Verhältniszahlen zwischen Arztgruppe und Einwohnerzahl. Für<br />

Kernstädte innerhalb großer Verdichtungsräume wurde beispielsweise festgelegt, dass<br />

ein Augenarzt für die Versorgung von 13.177 Einwohnern aufzukommen hat. Für ländliche<br />

Kreise in ländlichen Regionen gilt hingegen eine andere Verhältniszahl: Hier kommt ein<br />

Augenarzt auf 25.778 potentielle Patienten.<br />

Die Hansestadt gilt als einheitlicher Planungsbereich beziehungsweise als ein einziges<br />

Zulassungsgebiet, da man mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel jeden niedergelassenen<br />

Arzt und Psychotherapeuten in einer zumutbaren Zeit erreichen kann. Der Beschluss,<br />

dass Hamburg nur ein Zulassungsgebiet ist, beruht nicht auf den Entscheidungen der<br />

KV Hamburg, sondern wurde auf Bundesebene vom G-BA festgelegt.<br />

14 wE r V E r s o r g t w E n ?<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Ein kleines Beispiel soll die<br />

Berechnung des Versorgungsstandes<br />

kurz verdeutlichen: Für<br />

hochverdichtete Regionen wie<br />

Hamburg wurde die Verhältniszahl<br />

im Bereich Augenärzte<br />

mit 13.177 Einwohnern pro Arzt<br />

festgelegt. Danach dürften in<br />

der Hansestadt rund 134 Augenärzte<br />

Patienten versorgen.<br />

Das entspräche einem Versorgungsgrad<br />

von 100 Prozent. In<br />

Hamburg nahmen aber im Jahr<br />

2007 146 Augenärzte an der<br />

vertragsärztlichen Versorgung<br />

teil. Dies entsprach einem Versorgungsgrad<br />

von aufgerundet<br />

110 Prozent. 110 Prozent galt<br />

in diesem Zusammenhang als<br />

Versorgungsgrenze, die einen<br />

Niederlassungsstopp nach sich<br />

zog. Anträgen auf zusätzliche<br />

Niederlassungen im Fachgebiet<br />

der Augenärzte, konnte<br />

Hamburgs Versorgungsstand Hamburgs Versorgungsstand (in %)<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Der Zulassungsausschuss<br />

Der Zulassungsausschuss ist kein Gremium der KV,<br />

sondern eine Kommission, die paritätisch mit Vertretern<br />

der Krankenkassen und der Ärzteschaft besetzt<br />

ist und unabhängig entscheidet. Die Kriterien, nach<br />

denen der Zulassungsausschuss einen Praxisnachfolger<br />

bestimmt, sind in § 103 (Absatz 4) SGB V definiert. Zu<br />

berücksichtigen sind vor allem die berufliche Eignung<br />

des Bewerbers, das Approbationsalter, der Lebenslauf<br />

und die Dauer der Eintragung in die Warteliste.<br />

2007 laut des Hamburger Landesausschusses<br />

für Ärzte und<br />

Krankenkassen nicht zugestimmt<br />

werden.<br />

Die meisten Arztgruppen in der<br />

Hansestadt sind derzeit wegen<br />

Überversorgung „gesperrt“.<br />

Neuzulassungen sind damit<br />

Fachgruppe<br />

A Anästhesisten<br />

B Augenärzte<br />

C Chirurgen<br />

D Internisten<br />

E Frauenärzte<br />

F HNO-Ärzte<br />

G Hautärzte<br />

ABCDEFGHIJKMNL<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 2007)<br />

110%<br />

grundsätzlich nur innerhalb<br />

des Praxisnachfolgeverfahrens<br />

möglich. Das heißt: Ein<br />

Vertragsarzt oder -psychotherapeut<br />

übergibt seine Praxis<br />

und seinen Arztsitz an einen<br />

Kollegen. Wer die Nachfolge<br />

antritt, entscheidet der Zulassungsausschuss.<br />

H<br />

I<br />

J<br />

K<br />

L<br />

M<br />

N<br />

Kinderärzte<br />

Nervenärzte<br />

Orthopäden<br />

Psychotherapeuten<br />

Radiologen<br />

Urologen<br />

Hausärzte<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> wE r VErsorgt w E n?<br />

15


Wer wird versorgt?<br />

Hamburgs Einwohner<br />

Betrachtet man die Einwohnerzahlen<br />

der Hansestadt genauer,<br />

so ist deutlich zu sehen, dass es<br />

in den Jahren von 1987 bis 2007<br />

einen Bevölkerungsanstieg um<br />

rund 80.000 Einwohner auf insgesamt<br />

knapp 1,8 Millionen Einwohner<br />

gab. Hier sei zu bemerken,<br />

dass allein 40.000 Menschen<br />

in den vergangenen fünf Jahren<br />

in Hamburg ihre neue Heimat<br />

fanden. Aber auch ein Anstieg um<br />

25.000 Bürger der über 65-Jährigen<br />

ist in den vergangenen 20<br />

Jahren zu registrieren. Dies entspricht<br />

einer Zuwachsrate von<br />

8,5 Prozent - und ist ein Beleg für<br />

den Erfolg der Senats-Initiative<br />

der „wachsenden Stadt“. Die Anzahl<br />

der Geburten verbleibt seit<br />

ca. zehn Jahren mit über 27.000<br />

Geburten pro Jahr relativ stabil.<br />

Ende September 2007 waren für<br />

Hamburg 862.734 männliche und<br />

903.422 weibliche Einwohner registriert.<br />

Der größere Anteil der<br />

weiblichen Bewohner macht sich<br />

vor allem ab dem 50. Lebens-<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

Altersverteilung von Hamburgs Bevölkerung<br />

Altersverteilung von Hamburgs Bevölkerung<br />

A B C D E F G H I<br />

Quelle: Statistikamt Nord (Stand 31. Dezember 2006)<br />

jahr bemerkbar. Im Jahrgang der<br />

über 80-Jährigen dominieren mit<br />

fast 60.000 Einwohnern eindeutig<br />

die Frauen im Vergleich zu rund<br />

25.000 Männern.<br />

[Quelle: Statistikamt Nord]<br />

Altersgruppen<br />

A 0 bis 10<br />

B 10 bis 20<br />

C 20 bis 30<br />

D 30 bis 40<br />

E 40 bis 50<br />

F 50 bis 60<br />

G 60 bis 70<br />

H 70 bis 80<br />

I älter als 80<br />

männlich<br />

weiblich<br />

16 wE r VErsorgt w E n?<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Die Vielfalt potentieller Patienten – Hamburgs<br />

Speckgürtel, Pendler und Touristen<br />

Große Teile der angrenzenden<br />

Bundesländer Schleswig-Holsteins<br />

und Niedersachsens bilden<br />

den sogenannten „Speckgürtel“<br />

Hamburgs.<br />

150.000<br />

120.000<br />

90.000<br />

60.000<br />

30.000<br />

0<br />

So leben heute allein in den vier<br />

Hamburger Randkreisen Pinneberg,<br />

Segeberg, Stormarn und<br />

Herzogtum Lauenburg 970.000<br />

Menschen und Experten prog-<br />

Pendlerzahlen nach Herkunftsländern (bundesweit)<br />

Pendlerzahlen nach Herkunftsländern (bundesweit)<br />

A B C D E<br />

Quelle: Statistikamt Nord (Stand 2007)<br />

A Schleswig-Holstein<br />

B Niedersachsen<br />

C Mecklenburg-Vorpommern<br />

D Bremen<br />

E restliches Bundesgebiet<br />

nostizieren ein weiteres Bevölkerungswachstum<br />

- vor allem<br />

im nördlichen Umland Richtung<br />

Fortsetzung auf S. 18<br />

Die „Top-10<br />

Herkunftsländer“<br />

der Hamburgtouristen<br />

Großbritannien 89.957<br />

Schweiz 67.364<br />

Dänemark 61.162<br />

USA 57.512<br />

Österreich 55.443<br />

Niederlande 47.390<br />

Frankreich 41.649<br />

Schweden 37.871<br />

Italien 29.333<br />

Spanien 24.683<br />

Quelle: Statistikamt Nord (Stand 2007)<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> wE r VErsorgt w E n?<br />

17


Fortsetzung von S. 17<br />

Elmshorn, Kaltenkirchen, Bad<br />

Oldesloe und Geesthacht. Statistiker<br />

nennen dieses Phänomen<br />

„Suburbanisierung durch<br />

einkommensstarke Bevölkerungsschichten<br />

in gut angebun-<br />

4.000.000<br />

3.500.000<br />

3.000.000<br />

2.500.000<br />

2.000.000<br />

1.500.000<br />

1.000.000<br />

500.000<br />

0<br />

Quelle: Statistikamt Nord<br />

Anzahl der Hamburgtouristen (2002 bis 2007)<br />

2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Fallzahlen nach Arztgruppen (zweites Quartal 2007)<br />

Arztgruppe Anzahl Fälle pro Arzt (Durchschnitt)<br />

Allgemeinärzte 695<br />

Intenisten (hausärztlicher Bereich) 716<br />

Kinderärzte 936<br />

Anästhesisten 265<br />

Augenärzte 1.274<br />

Chirurgen 687<br />

Frauenärzte 1.156<br />

HNO-Ärzte 1.052<br />

Hautärzte 1.741<br />

Intenisten (fachärztlicher Bereich) 882<br />

Nervenärzte 581<br />

Kinder- und Jugendpsychiater 201<br />

MKG-Chirurgen 127<br />

Orthopäden 1.156<br />

Urologen 915<br />

Radiologen 1.120<br />

Psychotherapeutische Medizin 38<br />

Psychologische Psychotherapeuten 39<br />

psychotherapeutisch tätige Ärzte 41<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 2007)<br />

denen Umlandgemeinden“. Gemäß<br />

dem Motto „Leben auf dem<br />

Land – Arbeiten in der Stadt“<br />

nutzen Pendler die gut ausgebauten<br />

Verkehrsanbindungen<br />

in die Hansestadt. Die Hälfte<br />

der Unternehmen und Betriebe<br />

der gesamten Metropolre-<br />

Anzahl der Hamburgtouristen (2002 bis 2007)<br />

gion Hamburg befindet sich im<br />

Stadtstaat. Entsprechend groß<br />

ist die Zahl der Pendler, die<br />

täglich nach Hamburg fahren.<br />

Allein 144.742 von ihnen<br />

kommen aus den Schleswig-<br />

Holsteiner Landkreisen, mehr<br />

als 294.456 sind es insgesamt.<br />

Auch der wachsende Tourismus<br />

beeinflusst die Situation der<br />

medizinischen Versorgung in<br />

Hamburg. 3.985.106 Touristen<br />

konnte das Statistikamt Nord<br />

zum Ende des Jahres 2007 für<br />

Hamburg verzeichnen – dies ergibt<br />

mehr als 10.000 Besucher<br />

an einem Tag. Somit führt die<br />

Hansestadt mit insgesamt 13<br />

Prozent die Rangliste der am<br />

häufigsten besuchten Kulturmetropolen<br />

Deutschlands an<br />

– Tendenz steigend.<br />

Was versteht man<br />

unter einem FALL?<br />

Ein Fall bezieht sich<br />

auf einen Versicherten<br />

innerhalb einer<br />

Arztpraxis pro Quartal.<br />

Dies bedeutet:<br />

Ein Patient, der jede<br />

Woche einmal in die<br />

Arztpraxis kommt<br />

und somit zwölfmal<br />

im Quartal behandelt<br />

wird, zählt trotzdem<br />

nur als ein Fall .<br />

18 wE r VErsorgt w E n?<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Anzahl Patientenkontakte nach Herkunftsadresse<br />

Die Auswertung der Fallzahlen von Hamburgs niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten<br />

macht deutlich, dass diese zu großen Teilen Einwohner des Umlandes<br />

mitversorgen. Unter Einberechnung der Versicherten, die im Hamburger Umkreis von<br />

75 km wohnen, ergeben sich folgende Zahlen:<br />

davon aus dem Umland<br />

Facharztgruppe Summe Anzahl Fälle (Pufferzone 75 km) in Prozent<br />

Anästhesisten 19.817 27,0 % (Anzahl: 5.375)<br />

Radiologen 79.735 23,9 % (Anzahl: 24.749)<br />

Frauenärzte 279.862 21,9 % (Anzahl: 61.309)<br />

Orthopäden 161.208 15,5 % (Anzahl: 24.967)<br />

Hautärzte 148.081 15,3 % (Anzahl: 22.628)<br />

Psychotherapeuten 30.230 14,8 % (Anzahl: 4.481)<br />

Bezug auf Datensatz vom ersten Quartal 2007 bei insgesamt 2,3 Millionen Fällen (Quelle: <strong>KVH</strong>)<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> wE r V E r s o r g t w E n ?<br />

19


20 a m b u l a n t E mEdIzIn<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Ambulante<br />

Medizin<br />

auf höchstem<br />

Niveau<br />

Der Gesundheitsstandort Hamburg zeichnet<br />

sich traditionell durch einen hohen Anspruch<br />

an die Qualität der ambulanten Medizin aus.<br />

Auf Initiative engagierter Ärzte und mit Unterstützung<br />

der KV Hamburg entstand in den<br />

vergangenen Jahrzehnten eine hoch- und<br />

höchstspezialisierte ambulante Versorgung,<br />

die es in dieser Konzentration in kaum einer<br />

anderen Stadt in Deutschland gibt. Die Vertragsärzte<br />

und –psychotherapeuten unterwerfen<br />

sich strengen, von der KV Hamburg<br />

durchgeführten Qualitätsprüfungen. Auch die<br />

Vielfalt der Niederlassungsmöglichkeiten trägt<br />

zu einer differenzierten ambulanten Medizin<br />

bei. Ob Netzwerke oder Praxiskooperationen<br />

- mit neuen Organisationsformen lassen sich<br />

die Fachkompetenzen bündeln und effektiver<br />

zum Wohl des Patienten einsetzen.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a m b u l a n t E mEdIzIn<br />

21


Hochspezialisierte Leistungen<br />

fern stationärer Strukturen<br />

Spezial- und Schwerpunktpraxen<br />

Wer als Patient aus größerer<br />

Entfernung nach Hamburg anreist,<br />

sucht vor allem die ärztlichen<br />

Spezialisten auf. Denn<br />

in der Hansestadt hat sich ein<br />

einzigartiges Netz von Schwerpunktpraxen<br />

und Spezialpraxen<br />

entwickelt, die sich ausschließlich<br />

auf die Behandlung<br />

von schweren Erkrankungen<br />

spezialisiert haben und deren<br />

fachliches Können bis weit über<br />

die Grenzen Hamburgs hinaus<br />

bekannt ist. Erwähnt seien beispielsweise<br />

die 28 diabetologischen<br />

Schwerpunktpraxen sowie<br />

die 20 HIV-Schwerpunktpraxen<br />

mit tief reichender Kompetenz<br />

bei infektiologischen Erkrankungen.<br />

Aber auch die sechs<br />

Rheuma-Schwerpunktpraxen,<br />

die acht neurochirurgischen<br />

Praxen, die sich auf schmerztherapeutische<br />

Leistungen<br />

spezialisiert haben, die drei<br />

Schwerpunktpraxen für Multiple<br />

Sklerose und die mehr als 100<br />

Ärzte, die primär onkologische<br />

Erkrankungen behandeln, sollen<br />

hier nicht unbeachtet bleiben.<br />

Einst der stationären Versorgung<br />

vorbehaltene Leistungen<br />

wurden in Hamburg frühzeitig<br />

und umfassend in die ambulante<br />

Medizin transferiert. Hinzu<br />

kommt eine außerordentlich<br />

enge Verzahnung des ambulanten<br />

mit dem stationären Bereich<br />

in Fächern mit besonders<br />

hohem apparativen Aufwand. So<br />

werden die strahlentherapeutischen<br />

Leistungen des UKE und<br />

des AK St. Georg in Zusammenarbeit<br />

mit niedergelassenen<br />

Praxen erbracht. Des Weiteren<br />

kooperieren alle Herzkatheter-<br />

Labore niedergelassener Ärzte<br />

in Hamburg mit Kliniken.<br />

Darüber hinaus bieten fast alle<br />

Arztpraxen in Hamburg Leistungen<br />

innerhalb ihres Fachgebietes<br />

an, für die besondere<br />

Zusatzqualifikationen nötig sind:<br />

Sei es die hausärztliche Behandlung<br />

von Stoffwechselstörungen<br />

mittels Akupunktur, die Erweiterung<br />

der psychotherapeutischen<br />

Versorgung durch spezielle Hypnoseverfahren<br />

oder eine Qualifikation<br />

für die Durchführung<br />

künstlicher Befruchtungen.<br />

Bis zum Ende des Jahres 2007<br />

wurden von der KV Hamburg beispielsweise<br />

fast 1.100 Genehmigungen<br />

für ambulante Operationen,<br />

fast 3.000 Genehmigungen<br />

für den Bereich DMP (Asthma,<br />

Brustkrebs, Diabetes, Koronare<br />

Herzkrankheiten) und mehr als<br />

50 Genehmigungen für den Bereich<br />

Mammographie erteilt.<br />

§ 116 b SGB V – Ambulante Behandlung im Krankenhaus<br />

Nach § 116 b Abs. 2 des SGB V können auch Krankenhäuser<br />

in Ausnahmefällen für sogenannte hochspezialisierte<br />

Leistungen und seltene Erkrankungen an der<br />

ambulanten Versorgung teilnehmen. Die Entscheidung<br />

über die Genehmigung der Krankenhausanträge obliegt<br />

der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und<br />

Verbraucherschutz. Unter Einbeziehung der erteilten<br />

Ermächtigungen gibt es in Hamburg jedoch so gut wie<br />

keine Indikation des Kataloges im § 116 b SGB V, die in<br />

der Hansestadt nicht ambulant erbracht wird. Durch<br />

Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Versorgung<br />

würde man in der Medizinmetropole Hamburg eine<br />

partielle Doppelversorgung schaffen.<br />

22 a m b u l a n t E mEdIzIn<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a m b u l a n t E mEdIzIn<br />

23


24 a m b u l a n t E mEdIzIn<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Versorgung mit Gütesiegel<br />

Die niedergelassenen Ärzte<br />

und Psychotherapeuten unterliegen<br />

wie keine andere<br />

Berufsgruppe einer ständigen<br />

Qualitätsprüfung. Weder in der<br />

privatärztlichen Versorgung<br />

noch im Krankenhaus gibt es<br />

derzeit eine derart umfassende<br />

Qualitätssicherung wie im<br />

vertragsärztlichen Bereich. Die<br />

Ärzte und Psychotherapeuten<br />

sind die einzigen Professionen,<br />

die sich nicht nur selbst einer<br />

Qualitätsprüfung unterziehen,<br />

sondern diese auch selbst finanzieren.<br />

Die Sicherung, Förderung und<br />

Verbesserung der Qualität in<br />

der ambulanten medizinischen<br />

Versorgung von gesetzlich krankenversicherten<br />

Patienten gehört<br />

zu den Aufgaben der KV<br />

Qualitätsmessung<br />

Hamburg. Sie überprüft die<br />

Leistungen, die die niedergelassenen<br />

Ärzte und Psychotherapeuten<br />

erbringen, fortlaufend<br />

auf ihre Qualität. Experten von<br />

Qualitätssicherungskommissionen<br />

begutachten gemeinsam<br />

mit den Fachleuten der KV das<br />

ärztliche Tun. Ziel der Qualitätssicherung<br />

ist es, eine Patientenversorgung<br />

auf höchstem<br />

Niveau zu gewährleisten,<br />

die dem aktuellen Stand der<br />

Wissenschaft entspricht. Die<br />

Anzahl der genehmigungspflichtigen<br />

Leistungen nimmt<br />

kontinuierlich zu. Fast jede<br />

neue Behandlungsmethode<br />

wird heute im ambulanten Bereich<br />

von Qualitätsmaßnahmen<br />

begleitet. Nur Vertragsärzte und<br />

Vertragspsychotherapeuten, die<br />

die geforderten Qualitätsstan-<br />

A) Einzelfallprüfung durch Stichproben<br />

Geprüft werden mindestens vier Prozent der<br />

Ärzte: Patientendokumentation, Häufigkeit durchgeführter<br />

Leistungen (vorgeschriebene Mindestzahl<br />

an Untersuchungen und Behandlungen)<br />

B) Rezertifizierung: Kontrolle des fachlichen Könnens<br />

(Kolloquium)<br />

C) Kontinuierliche Fortbildung<br />

D) Feedback-Berichte<br />

E) Hygieneprüfungen und Praxisbegehungen<br />

F) Qualitätsmanagement<br />

dards erfüllen und nachweisen,<br />

dürfen diese Leistungen<br />

zu Lasten der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung erbringen<br />

und abrechnen. Einer solchen<br />

Genehmigungs- und damit<br />

Prüfungspflicht unterliegen<br />

beispielsweise Röntgen- und<br />

Ultraschalluntersuchungen,<br />

Untersuchungen und Behandlungen<br />

mit dem Herzkatheter,<br />

Darmspiegelungen, ambulante<br />

Operationen sowie die Behandlung<br />

von Diabetikern.<br />

Um den strengen Anforderungen<br />

der Qualitätsprüfungen gerecht<br />

zu werden, sind Fort- und<br />

Weiterbildungen unumgänglich.<br />

Zudem sind Ärzte und Psychotherapeuten<br />

seit Anfang 2004<br />

zur fachlichen Fortbildung verpflichtet.<br />

Dies bedeutet: Innerhalb<br />

des Zeitraumes von fünf<br />

Jahren, muss der niedergelassene<br />

Arzt beziehungsweise Psychotherapeut<br />

einen bestimmten<br />

Fortbildungsstand (gemessen in<br />

Punkten) erworben haben.<br />

Neben Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen<br />

bieten<br />

auch Qualitätszirkel die Möglichkeit<br />

zum strukturierten<br />

Erfahrungs- und Wissensaustausch.<br />

Die Arbeit in den Qualitätszirkeln<br />

ist freiwillig. Im Jahr<br />

2006 arbeiteten in Hamburg<br />

1.299 Ärzte und Psychotherapeuten<br />

in 189 Qualitätszirkeln.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a m b u l a n t E mEdIzIn<br />

25


Hamburgs Arzneimittelumsätze in der GKV<br />

Der Arzneimittelverbrauch einer<br />

Region hängt – neben einer Vielzahl<br />

anderer Faktoren – maßgeblich<br />

vom Verordnungsverhalten<br />

der Ärzte ab. Jedoch sind die<br />

Kosten, die ein niedergelassener<br />

Arzt durch seine Verordnungen<br />

auslösen darf, durch Budgets<br />

nach oben begrenzt. Überschreitet<br />

ein Arzt sein Budget, können<br />

die Krankenkassen verlangen,<br />

dass er den Überschreitungsbetrag<br />

aus eigener Tasche ersetzt.<br />

Somit ist Deutschland im<br />

Bereich der OECD (Organisation<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

for Economic Co-Operation and<br />

Development) das einzige Land,<br />

in dem Arzneimittelregresse<br />

existieren und gegen Ärzte ausgesprochen<br />

werden.<br />

Die Arzneimittelbudgets der Ärzte<br />

beziehen sich auf den gesamten<br />

Produktmarkt. Dies ist ein zu<br />

kritisierender Punkt, wenn man<br />

bedenkt, dass bei der Beurteilung<br />

der Ausgaben nicht danach<br />

unterschieden wird, ob bewährte<br />

Präparate - für die in aller<br />

Regel bereits ein Wettbewerb<br />

Arzneimittelumsätze im bundesweiten Vergleich<br />

(Pro-Kopf-Umsätze in verschiedenen Versorgungssegmenten<br />

nach KV-Regionen)<br />

über„Nachahmerpräparate“ (Generika)<br />

existiert - verordnet werden,<br />

oder ob es sich um notwendige<br />

neue Mittel handelt, für die<br />

es nicht immer Alternativen gibt.<br />

Für Insider ist es folglich kein<br />

Wunder, dass das Arzneimittelbudget<br />

in Hamburg nicht immer<br />

eingehalten werden kann.<br />

Wie die Grafik zeigt, gehört Hamburg<br />

mit rund 400 Euro pro Patient<br />

und Jahr zu den KV-Regionen mit<br />

relativ hohen Arzneimittelausgaben.<br />

Doch es lohnt sich, diese<br />

Arzneimittelumsätze im bundesweiten Vergleich (Pro-Kopf-Umsätze in € je KV-Region)<br />

A B C D E F G H I J K L M N O P Q<br />

Quelle: Arzneimittel-Atlas 2007 – Daten IGES (Stand 2006)<br />

398,77<br />

251,01<br />

99,32<br />

26 a mbulantE mEdIzIn<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Statistik einmal aufzufächern.<br />

Betrachtet man das Segment<br />

der Grundversorgung, dann ist<br />

Hamburg die „drittpreiswerteste“<br />

KV in Deutschland. Wo immer<br />

möglich, verordnen die Ärzte statt<br />

teurer Originalpräparate Generika,<br />

Nachahmerprodukte also, die<br />

den gleichen Wirkstoff enthalten,<br />

aber kostengünstiger sind.<br />

Erst in der Spezialversorgung<br />

zeigt sich, weshalb die Ausgaben<br />

in Hamburg so hoch sind.<br />

In diesem Bereich kommen<br />

A Berlin<br />

B Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

C Sachsen-Anhalt<br />

D Sachsen<br />

E Thüringen<br />

F Saarland<br />

G Hamburg<br />

H Bremen<br />

I Brandenburg<br />

J Nordrhein<br />

K Rheinland-Pfalz<br />

L Niedersachsen<br />

M Baden-Würtemberg<br />

N Westfalen-Lippe<br />

O Hessen<br />

P Schleswig-Holstein<br />

Q Bayern<br />

Gesamtversorgung<br />

(anteilige) Grundversorgung<br />

(anteilige) Spezialversorgung<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

innovative Medikamente zum<br />

Einsatz, für die es noch keine<br />

kostengünstigeren Alternativen<br />

gibt. Die Hansestadt belegt hier<br />

nach Berlin den zweiten Platz.<br />

Genauso sieht es bei der Versorgung<br />

von Patienten mit HIV/<br />

AIDS aus. In beiden Großstädten<br />

gibt es für diese Versicherten<br />

Spezial praxen, deren Patienten<br />

von weit her anreisen. Dies ist<br />

ein weiterer Grund für das hohe<br />

Ausgabenvolumen, das ohnehin<br />

durch den großen Anteil an spezialärztlicher<br />

ambulanter Ver-<br />

sorgung in Hamburg zwangsläufig<br />

höhere Arzneimittelausgaben<br />

nach sich zieht.<br />

Unter dem Strich zeigen die genaueren<br />

Analysen der Arzneimittelausgaben,<br />

dass die Hamburger<br />

Ärzte überaus verantwortungsbewusst<br />

mit dem Rezeptblock<br />

umgehen. Dies gilt insbesondere<br />

für die spezialisierten Fachärzte<br />

in Hamburg, von denen niemand<br />

erwarten darf, dass sie notwendige<br />

innovative Präparate ihren<br />

Patienten vorenthalten.<br />

a mbulantE mEdIzIn<br />

27


„Einzelpraxis oder Kooperation?“: Hamburgs (neue) Praxiskonzepte<br />

Die Möglichkeit, vertragsärztliche<br />

Praxen zu organisieren,<br />

wurde Anfang 2007 durch das<br />

Vertragsarztrechtsänderungsgesetz<br />

(VÄndG) erweitert. Ärzte<br />

und Psychotherapeuten können<br />

fortan ohne ‚Zwang zur Nähe’<br />

kooperieren. Das bedeutet: Kooperationen<br />

sind nicht an ein und<br />

den selben Standort gebunden.<br />

Trotz getrennter Praxen in verschiedenen<br />

Stadtteilen, können<br />

sich die Vertragsärzte in einer<br />

überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft<br />

(BAG) zusammen-<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

schließen und somit von vielen<br />

Vorteilen profitieren: Verlängerung<br />

der Praxisöffnungszeiten,<br />

Abbau von Wartelisten und die<br />

Möglichkeit, schnell auf Personalengpässe,<br />

etwa aufgrund<br />

von Krankheit oder Urlaub, zu<br />

reagieren.<br />

Auch die kombinierten Leistungsangebote<br />

der Partnerpraxen<br />

machen die Praxis für Patienten<br />

attraktiver und die Anschaffung<br />

teurer medizinisch-technischer<br />

Geräte rentiert sich durch eine<br />

höhere Auslastung.<br />

Hamburger Praxiskonzepte (2002 vs. 2007)<br />

Hamburger Praxiskonzepte (2002 vs. 2007)<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

Berufsausübungsgemeinschaften<br />

(BAG)<br />

Einzelpraxen<br />

Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften<br />

2002<br />

2007<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 17. August 2007)<br />

2002<br />

2007<br />

Eine weitere gewinnbringende<br />

Neuerung des Vertragsarztrechtes<br />

wird vor allem in der<br />

Möglichkeit gesehen, dass ein<br />

Vertragsarzt oder -psychotherapeut<br />

Ärzte aus anderen<br />

Fachgebieten anstellen und<br />

sich die Praxis mit angestellten<br />

Psychologen teilen kann.<br />

Bisher durften Praxisinhaber<br />

nur einen ganztags beschäftigten<br />

Arzt oder zwei halbtags beschäftigte<br />

Ärzte einstellen, die<br />

zudem dem gleichen Fachgebiet<br />

wie der Praxisinhaber angehören<br />

mussten. Ob Job-Sharing,<br />

Anstellung von Ärzten, Filialbildung<br />

oder die Auslagerung<br />

von Praxisräumen in andere<br />

Stadtteile – die neuen Möglichkeiten<br />

für die niedergelassenen<br />

Ärzte und Psychotherapeuten<br />

sind vielfältig.<br />

Für die Patienten kann das sowohl<br />

Vor- als auch Nachteile<br />

bringen. Werden beispielsweise<br />

durch die Bildung von Berufsausübungsgemeinschaften<br />

und<br />

Medizinischen Versorgungszentren<br />

(MVZ) Ärzte und Psychotherapeuten<br />

an bestimmten Orten<br />

konzentriert, könnte der „Arzt<br />

um die Ecke“ seltener werden.<br />

Trotz längerer Wegstrecken wird<br />

ein Teil der Patienten aber von<br />

den vernetzten, fachübergreifendenBehandlungsmöglichkeiten<br />

profitieren. Man kann verschiedene<br />

Arzttermine „in einem<br />

Abwasch“ erledigen und viele<br />

Erkrankungen, besonders sol-<br />

28 a mbulantE mEdIzIn<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


che, die die fachübergreifende<br />

Behandlung mehrerer Ärzte erfordern,<br />

an einem Ort behandeln<br />

lassen. Der ständige Austausch<br />

unter den Kollegen, die Möglichkeit<br />

der schnellen Einholung von<br />

Zweitmeinungen oder aber die<br />

Niederlassungsform Merkmale/Besonderheiten Vorteile (Arzt bzw. Patient)<br />

Einzelpraxis ein Arzt ist an einem Praxisstandort tätig<br />

örtliche Berufsausübungsgemeinschaft<br />

(früher Gemeinschaftspraxis)<br />

überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft<br />

MVZ<br />

(Medizinisches<br />

Versorgungszentrum)<br />

Zweigpraxis (Filiale)<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg<br />

Vor- und Nachsorge operativer<br />

Eingriffe an einem Ort, kommen<br />

dem Patienten zu Gute.<br />

Ein Trend zum „Aussterben“<br />

der Einzelpraxis bzw. kleinerer<br />

Betriebseinheiten lässt sich<br />

Praxiskonzepte<br />

Zusammenarbeit mehrerer Ärzte<br />

innerhalb eines gemeinsamen<br />

Praxisstandortes<br />

Zusammenarbeit mehrerer Ärzte verteilt auf mehrere<br />

Praxisstandorte (z.B. in verschiedenen Stadtteilen)<br />

Zusammenarbeit von mind. zwei Ärzten unterschiedlicher<br />

Fach- bzw. Schwerpunktbezeichnung (als Angestellte<br />

bzw. Vertragsärzte), Möglichkeit des Anschlusses anderer<br />

nicht–ärztlicher Heilberufe (Pflegedienst, Apotheker, etc.)<br />

Vertragsarzt/-psychotherapeut kann an weiteren Orten<br />

weitere Praxen führen<br />

bislang allerdings nicht erkennen.<br />

Viele Patienten sind auf<br />

eine wohnortnahe Versorgung<br />

angewiesen und schätzen die<br />

persönlichere Atmosphäre der<br />

Einzelpraxen, wo sie stets der<br />

selbe Arzt behandelt.<br />

Unabhängigkeit, kurze<br />

Entscheidungswege<br />

Betriebskostenersparnis,<br />

Ausweitung des Leistungsspektrums<br />

Ausweitung des<br />

Leistungsspektrums<br />

Ausweitung des<br />

Leistungsspektrums,<br />

verbesserte Kooperation<br />

versch. Fachbereiche<br />

Verbesserung der<br />

Patientenversorgung am<br />

Ort der Zweigpraxis<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a mbulantE mEdIzIn<br />

29


30 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

An die<br />

Arzttür<br />

geklopft!<br />

Hinter jeder Praxistür in Hamburg verbirgt<br />

sich ein interessantes Arztprofil. Die Zahlen<br />

und Fakten, welche die Struktur Hamburgs<br />

ambulanter Versorgung widerspiegeln, sollen<br />

nun ein Gesicht bekommen. Wir stellen<br />

einzelne Arztpraxen vor.<br />

*Natürlich bietet Hamburgs ambulante Gesundheitsstruktur<br />

ein weit größeres Angebots- und Leistungsspektrum, als hier<br />

auszugsweise abgebildet. Die Arztsuchmaschine auf www.kvhh.<br />

de bietet Ihnen die Möglichkeit, mehr über die Mitglieder der<br />

KV Hamburg zu erfahren.<br />

a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

31


Überzeugte „Einzelkämpferin“<br />

in der Kinderheilkunde<br />

Kinderarztpraxis – Dr. med. Hannelore Heuchert<br />

„Die Einzelpraxis entwickelt<br />

sich zur Versorgungsnische“,<br />

sagt Dr. med. Hannelore Heuchert,<br />

die als Kinderärztin in<br />

Uhlenhorst arbeitet. Vor mehr<br />

als 20 Jahren übernahm sie<br />

die schon seit Jahrzehnten<br />

bestehende Einzelpraxis. Vom<br />

Konzept ist sie bis heute überzeugt:<br />

„Schließlich biete ich ei-<br />

nen individuellen Service - also<br />

Versorgung und Informationen<br />

aus einer Hand.“ Wichtig ist<br />

ihr allerdings eine sehr enge<br />

Zusammenarbeit mit Kollegen<br />

aus anderen Praxen und Kinderkliniken,<br />

was zur Gründung<br />

von „PaedNet“, einem Netzwerk<br />

„rund um das Kind“ führte.<br />

Die Kinder- und Jugendärz-<br />

tin schätzt besonders das<br />

freundliche Betriebsklima in<br />

ihrer Praxis und die Ruhe und<br />

Geduld ihrer Mitarbeiterinnen<br />

- Eigenschaften, die besonders<br />

bei noch jungen und noch unsicheren<br />

Eltern gefragt sind.<br />

Chronisch kranke Kinder mit<br />

Asthma und Allergien werden<br />

ebenso versorgt wie Akuter-<br />

32 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


krankungen durch Infekte der<br />

Saison. Auch psychosomatische<br />

Beschwerden, Schul- und<br />

Verhaltensprobleme und ADHS<br />

kommen zur Abklärung. Kinder<br />

von in– und ausländischen<br />

Touristen sorgen für einen ab-<br />

wechslungsreichen Arbeitstag.<br />

Neben berufspolitischem Engagement<br />

ist für Dr. Heuchert<br />

vor allem die Kooperation und<br />

der Austausch unter Kollegen,<br />

aber auch die Fortbildung<br />

wichtig - und dies nicht nur,<br />

um immer auf dem neuesten<br />

und aktuellen Stand zu sein.<br />

„Das Gespräch mit Kollegen<br />

brauche ich auch zur Frustrationsverarbeitung<br />

- gerade<br />

als Einzelkämpferin“, bemerkt<br />

Dr. Heuchert schmunzelnd.<br />

Bilder Die Früherkennungsuntersuchung bereitet nicht nur der vierjährigen Mila Spaß: Dr. Heuchert<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dIE arzttür g E klopft<br />

33


Behandlungskontinuität durch<br />

innovative Strukturen<br />

Psychologische Versorgung am MVZ Falkenried –<br />

Prof. Dr. med. Helmut Peter<br />

„Im MVZ Falkenried können wir<br />

die Patienten vom Beginn bis zum<br />

Ende des psychotherapeutischen<br />

Prozesses begleiten“, erläutert<br />

MVZ-Leiter Prof. Dr. med. Helmut<br />

Peter. „Unser Angebot reicht<br />

von der Vorabberatung über Einzel-<br />

und Gruppentherapie und<br />

psychiatrischer Behandlung bis<br />

hin zur Akut-Psychotherapie.“<br />

Dieses Konzept hatte sich in der<br />

Ambulanz am UKE nicht umset-<br />

zen lassen. Also nutzten Prof.<br />

Peter und seine Kollegen die neue<br />

Gesetzgebung und gründeten ein<br />

MVZ im ambulanten Bereich.<br />

Bild (links o.) Von den Vorteilen guter Zusammenarbeit überzeugt: Prof. Peter<br />

Bild (links u.) MVZ-Mitarbeiter beim wöchentlichen Meeting<br />

Bild (rechts) Nicht nur eine schöne Fassade: Außenansicht des MVZ-Falkenried<br />

34 a n dIE arzttür g E klopft<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Seit nunmehr zwei Jahren arbeiten<br />

Therapeuten aus den Fächern<br />

Psychotherapie und Psychiatrie<br />

fachübergreifend unter<br />

einem Dach in Eppendorf zusammen.<br />

„Unser Ziel ist es, unnötige<br />

Brüche und Reibungsverluste<br />

im therapeutischen Prozess, die<br />

insbesondere bei schwerer erkrankten<br />

Menschen durch den<br />

Wechsel vom ambulanten in den<br />

stationären Sektor entstehen,<br />

zu verhindern“, so Prof. Peter.<br />

Selbst wenn ein Patient latent<br />

suizidal ist, kann er vom Versorgungszentrum<br />

aufgefangen<br />

werden, indem er beispielsweise<br />

über einige Wochen hinweg täglich<br />

betreut wird. Dieses innovative<br />

Konzept steht aufgrund<br />

von Einschränkungen in der<br />

Richtlinienpsychotherapie<br />

und des vertragsärztlichen<br />

Honorarsystems<br />

zurzeit noch nicht allen<br />

Patienten zur<br />

Verfügung. Innerhalb<br />

eines<br />

seit einem<br />

Jahr laufenden<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong><br />

Versorgungsprojektes hat sich<br />

allerdings der Nutzen dieser integrierten<br />

Versorgung für viele<br />

Patienten gezeigt. Prof. Peter<br />

ist überzeugt, „dass sich<br />

auch flächendeckend<br />

die Einsicht durchsetzen<br />

wird, dass<br />

Behandlungskontinuität<br />

und die<br />

Vermeidung<br />

unnötiger<br />

Klinikaufenthalte<br />

eine bessere Versorgung<br />

bei geringeren Kosten<br />

bringt“.<br />

a n dIE arzttür g E klopft<br />

35


Chirurgische und orthopädische<br />

Kompetenz in allen Sprachen<br />

Praxisklinik Mümmelmannsberg – Dr. med. Gerd Fass<br />

Er war einer der ersten, die das<br />

neue Arztrecht in Hamburg nutzten:<br />

Schon Anfang 2007 stellte<br />

der Chirurg Dr. med. Gerd Fass<br />

in seiner in der Praxisklinik<br />

Mümmelmannsberg gelegenen<br />

Praxis einen Orthopäden an. Die<br />

Betriebsstruktur wurde dadurch<br />

wirtschaftlicher, zugleich konnte<br />

er das Angebot erweitern. So<br />

kommen viele Patienten nicht<br />

nur aufgrund von Not- und Arbeitsunfällen<br />

in die Praxis, sondern<br />

suchen diese auch wegen<br />

chronischen Knieschmerzen,<br />

Rücken- und Schulterleiden oder<br />

beispielsweise Leistenbrüchen<br />

sowie Gallensteinen auf. Ambulante<br />

und stationäre Operationen<br />

sind in der Praxisklinik, die<br />

auch über eine Bettenstation<br />

und Operationssäle<br />

verfügt, eine Routinean-<br />

gelegenheit. Der Vorteil<br />

einer solchen Konstruktion:<br />

„Trotz Klinikaufenthalts ist der<br />

Arzt für die Patienten hier kein<br />

anonymer Klinikarzt, der gerade<br />

zufällig zum Dienst eingeteilt<br />

ist“, so Dr. Fass. Auf den Um-<br />

36 a n dIE arzttür g E klopft<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Praxisklinik Mümmelmannsberg<br />

Die Praxisklinik Mümmelmannsberg kann auf eine<br />

turbulente Vergangenheit zurückblicken. Vor etwa 30<br />

Jahren, als die Siedlung Mümmelmannsberg gebaut<br />

wurde, entstand die Idee, ein Krankenhaus zu bauen,<br />

das ausschließlich von niedergelassenen Ärzten geführt<br />

wird. Einer der Mitgründer kaufte die Immobilie und<br />

betreibt seither den OP und die Bettenstation. Heute<br />

ist die Praxisklinik Mümmelmannsberg ein Belegkrankenhaus<br />

mit etwa 30 Betten und weiteren 20 teilstationären<br />

Behandlungsplätzen und einer psychiatrischen<br />

Tagesklinik.<br />

Die stationäre Einweisung erfolgt über die in der Praxisklinik<br />

niedergelassenen oder für die Praxisklinik<br />

arbeitenden Belegärzte. Die Klinik ist gerade groß genug,<br />

um wirtschaftlich zu arbeiten, andererseits jedoch<br />

klein und überschaubar genug, um die Patienten nicht<br />

zu einem „anonymen“ Fall werden zu lassen. Die Vor-<br />

und Nachbehandlungen erfolgen in den anliegenden<br />

Praxen, und auch auf der Station wird der Patient von<br />

seinem behandelnden Arzt betreut.<br />

stand, dass die verschiedensten<br />

Nationalitäten einen Großteil<br />

seiner Patienten ausmachen,<br />

reagierte Fass, indem er multikulturelles<br />

Personal einstellte.<br />

Die meisten Praxismitarbeiter<br />

(er eingeschlossen) wissen sich<br />

mehrsprachig zu verständigen.<br />

“Jeder, der zu uns kommt, kann<br />

mit einer Beratung in seiner<br />

Muttersprache rechnen“, bekräftigt<br />

Dr. Fass.<br />

Bild (links o.) Bald wird er wieder unbeschwert herumtollen<br />

können: Dr. Fass begutachtet den Arm des<br />

kleinen Patienten Sebastian<br />

Bild (links u.) Für einen kompetenten Rat vom Kollegen ist<br />

immer Zeit<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dIE arzttür g E klopft<br />

37


38 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


High-End-<br />

Augenmedizin<br />

im Verbund<br />

Medical Eye-Care –<br />

Dr. med. Udo Heuer<br />

„Hochleistungsmedizin ist nur<br />

im Verbund realisierbar!“ sagt<br />

Dr. med. Udo Heuer, der seit<br />

2005 in der überörtlichen Gemeinschaftspraxis<br />

MEC Augenärzte<br />

in Farmsen tätig ist. In den<br />

insgesamt 16 Behandlungszimmern<br />

werden täglich bis zu 100<br />

Patienten behandelt. „Da spezialisierte<br />

High-End-Medizin sehr<br />

aufwendig ist, muss der Patient<br />

mit kleineren Sorgen, zum Beispiel<br />

mit einem Brillenwunsch,<br />

leider etwas länger warten“, so<br />

Dr. Heuer. Die Wartezeit auf einen<br />

Termin kann schon einmal<br />

bis zu drei Wochen betragen.<br />

In diesem Fall lohnt sich die<br />

Geduld. „Von der Diagnostik bis<br />

hin zur Operation profitieren die<br />

Patienten von einem großen<br />

Leistungsspektrum. Denn der<br />

stete Informationsaustausch<br />

unter den Kollegen und die Kooperation<br />

der insgesamt vier<br />

Praxen untereinander ermöglichen<br />

eine Medizin auf höchstem<br />

Niveau.“<br />

Bild (links)<br />

„Augen sind spannend – ich war<br />

schon immer gegen Langeweile<br />

in der Medizin!“: Dr. Heuer<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

39


Unfallchirurgische Versorgung<br />

wie im Krankenhaus<br />

Ambulanter Operateur – Dr. med. Manfred Giensch<br />

Vier Operationssäle und 15 Behandlungszimmer<br />

- die Praxis<br />

von Dr. med. Manfred Giensch<br />

im Gesundheitszentrum Hamburg-Harburg<br />

wirkt wie ein<br />

ambulantes Krankenhaus. „Die<br />

chirurgische Tätigkeit in einer<br />

Einzelpraxis wäre für mich heute<br />

nicht mehr denkbar“, sagt Dr.<br />

Giensch. „Durch den raschen<br />

Zugriff auf andere Fachdiszi-<br />

plinen wie die Anästhesie sind<br />

nicht nur weit umfassendere<br />

Diagnostiken, sondern auch<br />

sofortige operative Eingriffe<br />

möglich.“ Die unterschiedlichen<br />

Spezialisierungen der<br />

Partner steigert nicht nur die<br />

Qualität der ärztlichen Leistungen,<br />

sondern auch die innovativen<br />

Möglichkeiten in der<br />

Wundbehandlung bei operati-<br />

Bild (rechts) Bereit für den nächsten Eingriff: Dr. Giensch<br />

ven Eingriffen. „Ich bin ständig<br />

auf der Suche nach neuen Verfahrensweisen.<br />

Fortbildungen<br />

und der rege Austausch mit<br />

Kollegen gehören zu meinem<br />

Arztalltag“, erklärt der ambulante<br />

Operateur. Die durchgehende<br />

Unfallbehandlung von<br />

7 bis 19 Uhr und die zusätzliche<br />

Samstagssprechstunde<br />

locken wöchentlich mehr als<br />

1000 Patienten, die sich im Bereich<br />

Chirurgie oder Proktologie<br />

behandeln lassen, in das<br />

Gesundheitszentrum. Der seit<br />

30 Jahren niedergelassene Unfallchirurg,<br />

der nebenher auch<br />

konsiliarärztlich im Harburger<br />

Krankenhaus Mariahilf tätig ist,<br />

muss den Praxisalltag nicht allein<br />

bewältigen: Insgesamt 45<br />

Mitarbeiter – darunter auch drei<br />

angestellte Ärzte – halten die<br />

Berufsausübungsgemeinschaft<br />

„Giensch/Kemnitz/Schäfer“ mit<br />

Erfolg am Laufen.<br />

40 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

41


42 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Qualifizierte neurologische<br />

Therapie von Multipler Sklerose<br />

Schwerpunktpraxis für Multiple Sklerose – Dr. med. Wolfgang-<br />

Gerhard Elias und Dr. med. Cornelia Hebell-Siewers<br />

„Nur das Universitätskrankenhaus<br />

Eppendorf bietet eine Versorgung<br />

für Multiple-Sklerose-<br />

Patienten, die mit der unseren<br />

vergleichbar ist“, erklärt der<br />

Neurologe und Psychiater Dr.<br />

med. Wolfgang-Gerhard Elias.<br />

Die Schwerpunktpraxis Elias<br />

& Hebell-Siewers gehört zu<br />

den anerkanntesten Multiple-<br />

Sklerose-Zentren in Deutschland.<br />

Auf der Suche nach neuen<br />

Zielen und Herausforderungen<br />

und ermutigt durch die Entwicklung<br />

neuer Medikamente und<br />

Therapieformen, hatte sich Dr.<br />

Elias im Jahr 1995 für den Aufbau<br />

einer Schwerpunktpraxis<br />

für qualifizierte Diagnostik und<br />

Therapie von Multiple Sklerose<br />

entschieden. Aber auch Kopfschmerzen<br />

und Depressionen,<br />

allgemeine Erkrankungen des<br />

Gehirns und des Rückenmarkes,<br />

psychische Leiden sowie<br />

Muskel- und Nervenleiden werden<br />

in den Praxisräumen behandelt.<br />

Aufgrund der starken<br />

Patientennachfrage sind die Arbeitstage<br />

für Dr. Elias und seine<br />

Kollegin Dr. Hebell-Siewers<br />

Bild (links) Der Terminkalender ist voll: Dr. Hebell-Siewers (rechts)<br />

lang: Etwa zehn Stunden in der<br />

Praxis und zusätzlich nochmals<br />

zwei Stunden Verwaltungstätigkeiten<br />

zu Hause. Der gute<br />

Ruf des MS-Zentrums geht weit<br />

über die Grenzen Hamburgs hinaus:<br />

„Mehr als 30 Prozent der<br />

Patienten kommen von außerhalb“,<br />

so Dr. Elias.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

43


Breitgefächerte Hausarztmedizin in Hoheluft<br />

Hausärztliche Versorgung – Gabriele Heihn<br />

„Im Gegensatz zu großen Versorgungszentren<br />

sind wir in<br />

diesem Stadtteil fest verankert<br />

und kennen die Patienten mit<br />

ihren familiären und sozialen<br />

Zusammenhängen“, sagt die<br />

Allgemeinmedizinerin Gabriele<br />

Heihn, die zusammen mit zwei<br />

Kollegen eine Hausarztpraxis in<br />

Hoheluft-Ost betreibt. „Wir sind<br />

in der Regel für die Patienten<br />

mit ihren sehr vielfältigen gesundheitlichen<br />

Beschwerden die<br />

erste Anlaufstelle. Neben unserer<br />

Bestellpraxis bemühen wir<br />

uns auch, Patienten mit akuten<br />

Problemen möglichst noch am<br />

selben Tag zu behandeln“, so Gabriele<br />

Heihn. „Das Interessante<br />

an meiner Arbeit ist die Vielsei-<br />

tigkeit, besonders weil unsere<br />

Patienten aus allen Altersgruppen<br />

und den verschiedensten<br />

Kulturkreisen stammen.“<br />

Der Zusammenschluss in einer<br />

Gemeinschaftspraxis ermöglicht<br />

flexiblere Arbeitszeiten,<br />

wodurch Familie und Beruf besser<br />

zu vereinbaren sind. Ihre<br />

44 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Entscheidung, nicht Schulärztin<br />

sondern Allgemeinmedizinerin<br />

zu werden, hat Gabriele Heihn<br />

jedenfalls nie bereut. Jedoch<br />

bemängelt sie die immer enger<br />

werdenden Rahmenbedingun-<br />

Bild Das hört sich nicht gut an: Dr. Heihn<br />

gen für eine patientennahe Versorgung<br />

in der Allgemeinmedizin,<br />

unter denen Engagement<br />

und Freude am Beruf zu leiden<br />

haben. So blickt die Allgemeinmedizinerin<br />

eher skeptisch in<br />

die Zukunft: „Ob diese breit<br />

gefächerte Hausarztmedizin<br />

weiterhin Zukunft hat, wird in<br />

der Selbstverwaltung sowie auf<br />

politischer Ebene entschieden<br />

werden.“<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

45


Eine Diabetes-Schwerpunktpraxis<br />

auf Aufklärungsmission<br />

Diabetologische Schwerpunktpraxis – Dr. med. Stefan Zorn<br />

„Aufgeklärte Patienten setzen<br />

sich gezielter mit ihrer<br />

Erkrankung auseinander und<br />

sind leichter zu therapieren“,<br />

sagt Dr. med. Stefan Zorn. Das<br />

Schulungs- und Beratungszentrum,<br />

in dem regelmäßig strukturierte<br />

Patientenschulungen<br />

durchgeführt werden, ist für<br />

den niedergelassenen Diabetologen<br />

zwar nur ein kleiner,<br />

trotzdem aber ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil seiner Berufsausübungsgemeinschaft<br />

in Hamburgs Süden. „Bei uns<br />

erfahren die Patienten Wissenswertes<br />

und Praktisches,<br />

um mit ihrem Diabetes selbständig<br />

umgehen zu können:<br />

So ist natürlich auch die individuelle<br />

Einzelberatung ein<br />

wichtiges Kriterium unseres<br />

Behandlungserfolges“, fährt<br />

der Facharzt fort. Der Diabetesspezialist<br />

Dr. Zorn führt in<br />

den sieben Behandlungszimmern<br />

seiner Einrichtung nicht<br />

nur Vorsorge-, sondern auch<br />

Kontrolluntersuchungen wie<br />

etwa Fuß- oder Nierenuntersuchungen<br />

durch und ergänzt<br />

hierbei die Behandlung des<br />

Hausarztes, der ebenfalls in<br />

der Berufsausübungsgemeinschaft<br />

ansässig ist.<br />

Es ist eine der ersten Diabetes-<br />

Schwerpunktpraxen, die sich in<br />

Hamburg etabliert hat. Mittlerweile<br />

werden hier täglich bis<br />

zu 300 Patienten betreut und<br />

geschult. Für die zahlreichen<br />

Mitarbeiter, unter anderem drei<br />

Ärzte, eine Praxismanagerin<br />

und drei qualifizierte Diabetesberaterinnen,<br />

stehen kurze<br />

Wartezeiten und vor allem<br />

Vertrauen und Menschlichkeit<br />

an erster Stelle. „So kann<br />

die moderne und zeitgemäße<br />

medizinische Versorgung der<br />

Diabetespatienten im Bereich<br />

Vorsorge, Diagnostik und Therapie<br />

oftmals eine teure und<br />

unangenehme Krankenhausbehandlung<br />

verhindern“, so<br />

Dr. Zorn.<br />

Bild (rechts) Auch Schwangerschaftsdiabetes sollte nicht unterschätzt werden: Dr. Zorn<br />

Bild (oben) Aufklärung ist wichtig: Dr. Zorn im Schulungsraum der Praxiseinrichtung<br />

46 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

47


Gemeinsam mit Tinnitustherapie<br />

und Akupunktur zum Erfolg<br />

HNO-Praxis – Dr. med. Petra Beyer-Niesen und Dr. med. Peter Siege<br />

„Nur Kooperation verspricht<br />

Erfolg!“ lautet seit etwa acht<br />

Jahren die Devise der HNO-<br />

Praxis von Dr. med. Petra<br />

Beyer-Niesen und Dr. med. Peter<br />

Siege in Bramfeld. Dieses<br />

Leitbild bezieht sich nicht nur<br />

auf die Zusammenarbeit beider<br />

Praxisinhaber, sondern auch<br />

auf die interdisziplinäre Vernetzung<br />

mit ärztlichen Kollegen<br />

und Psychotherapeuten. Das<br />

Praxisteam bietet neben dem<br />

gängigen Spektrum der HNO-<br />

Heilkunde auch Akupunktur<br />

und Tinnitustherapie an.<br />

Besonders die Tinnitustherapie<br />

erweist sich als erfolgsversprechende<br />

Spezialisierung.<br />

Etwa 2,7 Millionen Deutsche<br />

leiden an chronischen Kopf-<br />

und Ohrengeräuschen (Tinnitus),<br />

wodurch ihre Lebensqualität<br />

stark eingeschränkt<br />

wird. „Die Retraining-Therapie<br />

verspricht deutliche Erfolge,<br />

da sie beim Patienten den Leidensdruck<br />

stark vermindert“,<br />

erklärt Dr. Beyer-Niesen. Die<br />

langjährige Erfahrung und die<br />

48 a n dIE arzttür g E klopft<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


qualifizierte Ausbildung, aber<br />

auch die enge Zusammenarbeit<br />

in einem Team von HNO-<br />

Ärzten, Psychologen und Hörakustiker<br />

ermöglicht es, die in<br />

Amerika entwickelte Therapie<br />

auch in Hamburg mit Erfolg<br />

anzuwenden. Aber nicht nur<br />

Tinnituspatienten finden ihren<br />

Weg in die Berufsausübungs-<br />

gemeinschaft. Behandelt<br />

werden täglich mehr als 100<br />

Patienten mit Beschwerden<br />

wie Allergien, Gleichgewichtsstörungen,<br />

Schwindel, Hörstörungen<br />

oder auch „Schnarchproblemen“.<br />

„Bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern<br />

hat sich die Behandlung<br />

mit der altchinesi-<br />

Bilder Ein erfolgreiches Team: Dr. Beyer-Niesen und Dr. Siege<br />

schen Lehre der Akupunktur<br />

bewährt“, so Dr. Beyer-Niesen.<br />

„Dank des Wirksamkeitsnachweises<br />

in einem Modellversuch<br />

mit den gesetzlichen Krankenkassen,<br />

lässt sich die Leistung<br />

der Akupunktur bei Schmerzen<br />

der Lendenwirbelsäule oder des<br />

Kniegelenkes auch als Kassenleistung<br />

abrechnen.“<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dIE arzttür g E klopft<br />

49


Orthopädische Versorgung:<br />

Von der OP bis zur Nachsorge<br />

Praxis Dr. med. Carsten Lütten und Dr. med. Johannes Holz<br />

„Durch unser modernes Organisationssystem<br />

mit Integration<br />

der operativen und stationären<br />

Behandlung bekommt der<br />

Patient in unserer Praxis eine<br />

ganzheitliche Versorgung, vom<br />

Belegarzt<br />

Tag der Vorstellung über die<br />

OP bis hin zur Nachsorge“, so<br />

die beiden niedergelassenen<br />

Fachärzte. Bis zu 150 Patienten<br />

kommen täglich zu ihnen, viele<br />

davon zur Notfallsprechstun-<br />

Als Belegarzt bezeichnet man einen niedergelassenen Arzt, der<br />

einige Betten in einem Krankenhaus mit Patienten belegen kann,<br />

die er normalerweise in seiner Praxis behandelt. Der Belegarzt<br />

kann folglich die Dienste, Einrichtungen und Mittel des Krankenhauses<br />

nutzen, erhält aber durch dieses keine Vergütung. Bezahlt<br />

wird er nach dem vertragsärztlichen Honorarsystem sowie nach<br />

gesonderten Fallpauschalen. Das Belegarztwesen dient der<br />

Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung.<br />

In Hamburg und Umgebung sind derzeit 167 niedergelassene<br />

Fachärzte belegärztlich in insgesamt 15 Krankenhäusern tätig.<br />

Die am häufigsten vertretenen Facharztgruppen sind die Orthopäden,<br />

Chirurgen aber auch Gynäkologen. Das bekannteste und<br />

größte Belegarztkrankenhaus ist mit rund 70 niedergelassenen<br />

Fachärzten die Facharztklinik auf dem Gelände des UKE.<br />

de. Die orthopädisch-traumatologische<br />

Praxis setzte ihre<br />

operativen Schwerpunkte und<br />

Spezialisierungen vor allem auf<br />

arthroskopische und minimalinvasive<br />

Eingriffe an den Extremitäten<br />

sowie der Endoprothetik<br />

von Knie- und Hüftgelenk.<br />

Operative Eingriffe an den großen<br />

Gelenken wie Knie, Hüfte,<br />

Fuß, Schulter, Ellenbogen oder<br />

Hand sowie die Behandlung von<br />

Sportverletzungen an Sehnen<br />

und Bändern bedeuten für die<br />

beiden Belegärzte ‚Alltag‘.<br />

Jährlich werden in diesem Bereich<br />

bis zu 2500 Operationen<br />

durchgeführt. Aber auch das<br />

Spektrum an nichtoperativen<br />

Therapien ist weit gefächert:<br />

Es umfasst unter anderem die<br />

Behandlung von Gelenk- sowie<br />

Sehnen- und Muskelverletzungen<br />

aber auch von Gelenkschäden und<br />

Wirbelsäulenerkrankungen.<br />

Bild Mit Knieverletzungen ist nicht zu spaßen: Dr. Holz bei einer Nachuntersuchung<br />

50 a n dIE arzttür g E klopft<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dIE arzttür g E klopft<br />

51


Onkologie und Co.:<br />

Ein verbündeter Kampf gegen Krebs<br />

Hämatologisch-Onkologische Praxis Altona (HOPA) – Dr. med. Erik Engel<br />

Die HOPA ist eine Praxisgemeinschaft<br />

mit integrierter Tagesklinik,<br />

in der 35 Betten zur Verfügung<br />

stehen. „Hier findet der<br />

Patient komplette Versorgung<br />

vor Ort“, erklärt der Onkologe<br />

Dr. med. Erik Engel, der seit<br />

2002 mit vier anderen Ärzten<br />

zusammen in der Praxis niedergelassen<br />

ist. Dem Facharzt ist<br />

es wichtig, dass „die Integration<br />

anderer Fachbereiche wie Hämatologie,<br />

Transfusionsmedizin,<br />

Labormedizin und Gynäkologie<br />

eine zeitnahe interdisziplinäre<br />

Abstimmung ermöglicht und<br />

eine komplexe patientenzentrierte<br />

Versorgung.“ Dementsprechend<br />

wird die Behandlung<br />

der Krebserkrankung sowie die<br />

Therapie von Schmerzen und<br />

weiteren begleitenden Symptomen<br />

stets nach dem neuesten<br />

Stand gesicherter medizinischer<br />

Erkenntnisse erbracht. Ziel der<br />

Berufsausübungsgemeinschaft<br />

ist es, Menschen in besonders<br />

schwierigen Krankheitssituationen<br />

zu helfen. So lässt sich<br />

auch die Philosophie der Praxis<br />

wie folgt zusammenfassen: Angemessen<br />

behandeln heißt, zu<br />

versuchen, ein Leiden zu heilen,<br />

wo Chance auf Heilung besteht<br />

und ein Leiden zu lindern, wo<br />

keine Heilungsmöglichkeit gegeben<br />

ist. Es heißt aber auch,<br />

keine sinnlose, nur belastende<br />

Behandlung durchzuführen.<br />

52 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Bilder Ein sorgfältiger Blick auf den letzten Befund und weiter geht’s<br />

zur Terminabsprache mit dem nächsten Patienten: Dr. Engel<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

53


54 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Fünf Urologen unter einem Dach<br />

Urologikum – Dr. med. Rolf Eichenauer<br />

In den insgesamt acht Behandlungszimmern<br />

des Urologikums<br />

Hamburg gehen täglich bis zu 180<br />

Patienten ein und aus – mehr als<br />

20 Prozent davon kommen nicht<br />

aus der Hansestadt. Diagnostiziert<br />

und behandelt werden in der überörtlichen<br />

Gemeinschafts praxis<br />

primär Beschwerden an den Harnorganen,<br />

aber auch Erkrankungen<br />

an den männlichen Geschlechtsorganen.<br />

„In unseren Praxiseinrichtungen<br />

sind auch ambulante<br />

Operationen und ambulante Chemotherapien<br />

möglich“, sagt der<br />

niedergelassene Urologe Dr. med.<br />

Rolf Eichenauer.<br />

Die Vorteile des gemeinschaftlichen<br />

Praxiskonzeptes sind laut<br />

Dr. Eichenauer nicht nur die wirtschaftlichen<br />

Synergien, sondern<br />

auch die breite Angebotsvielfalt:<br />

„Wir bieten das gesamte Spektrum<br />

der modernen urologischen<br />

Diagnostik - das heißt Sonographie,<br />

Röntgenuntersuchungen,<br />

Blasenspiegelungen und -druckmessung,<br />

aber auch Labor – sowie<br />

Fertilitätsuntersuchungen.“<br />

Bild (links) Ein letzter prüfender Blick: Dr. Eichenauer bereitet sich auf die nächste Untersuchung vor<br />

Gruppenbild (v.l.n.r.) Dr. Suttmann, Dr. Osieka; Dr. Heinemann, Dr. Eichenauer, Dr. Wiechmann<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

55


Chirotherapie und Akupunktur –<br />

Hausärztlicher Einsatz an zwei Standorten<br />

Dr. med. Abolghassem Mahaleh<br />

Es sind vor allem die Vorteile<br />

der „Zusammenarbeit mit<br />

anderen Kollegen in unterschiedlichen<br />

Stadtteilen und die<br />

damit einhergehende bessere<br />

Koordination der Behandlungsmöglichkeiten“,<br />

die der Allgemeinmediziner<br />

Dr. med. Abolghassem<br />

Mahaleh an seinem<br />

neuen Praxiskonzept schätzt.<br />

Der gebürtige Iraner betreibt<br />

seit <strong>2008</strong> zusätzlich zu seiner<br />

Hausarztpraxis in Wilhelmsburg<br />

eine Praxisfiliale auf Finkenwerder.<br />

„Unterschiedliche<br />

Patienten- und Kollegenkreise<br />

führen natürlich auch zu neuen<br />

vielfältigen Erfahrungen“, sagt<br />

der Allgemeinmediziner.<br />

Besonders im strukturschwachen<br />

Finkenwerder ist die in<br />

einer alten Traditionspraxis<br />

eröffnete Filiale für die Versorgung<br />

der Einwohner wichtig.<br />

Verteilt auf beide Praxisstandorte<br />

suchen täglich mehr als<br />

200 Patienten den ärztlichen<br />

Rat des Doktors - ein hohes<br />

Patientenaufkommen, das alleine<br />

nicht zu bewältigen wäre.<br />

Seit gut einem Jahr unterstützt<br />

ihn die Ärztin Jolanta Mosior<br />

in der Hausarztpraxis in Wilhelmsburg.<br />

Mittelfristig plant<br />

Dr. Mahaleh einen zweiten Arzt<br />

anzustellen und die Praxisräumlichkeiten<br />

auszubauen.<br />

Behandelt wird natürlich das<br />

„gesamte Spektrum der Allgemeinmedizin“,<br />

so Dr. Mahaleh,<br />

„jedoch zunehmend auch orthopädische<br />

Beschwerden“.<br />

Mit Hilfe seiner Zusatzqualifikationen<br />

in der Chirotherapie<br />

und der Akupunktur sind vor<br />

allem bessere diagnostische<br />

Einblicke und ganzheitliche<br />

Therapiekonzepte möglich<br />

„und die Patienten fühlen<br />

sich besser verstanden“, so<br />

Dr. Mahaleh.<br />

Bilder Eine kurze Rücksprache mit den Arzthelferinnen genügt –<br />

denn bei der Akupunktur bedarf es Ruhe und Konzentration: Dr. Mahaleh<br />

56 a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> a n dI E ar z t t ü r g E k l o p f t<br />

57


58 Ä rztlI chE r EI nsatz<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Versorgung<br />

außerhalb der<br />

Praxissprechzeiten<br />

Hamburgs ärztlicher<br />

Bereitschaftsdienst<br />

für Notfälle<br />

Was tun, wenn die Arztpraxen geschlossen<br />

sind? Die KV stellt sicher, dass die<br />

Hamburger auch nachts und an Sonn- und<br />

Feiertagen ambulante ärztliche Hilfe bekommen.<br />

Die Entwicklung von ärztlichen<br />

Notfalldienstsystemen begann in Hamburg<br />

bereits in den 30er Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts, erhielt aber erst Ende<br />

der 60er Jahre einen kräftigen Schub mit<br />

der Gründung des „Taxinotdienstes“. Seit<br />

1969 kommen Vertragsärzte außerhalb der<br />

Praxisöffnungszeiten zu den Patienten nach<br />

Hause, um sie zu versorgen. Im Jahr 1982<br />

wurde eine Notfallpraxis in Farmsen und<br />

1987 eine weitere in Altona eingerichtet.<br />

1987 kam ein spezieller kinderärztlicher<br />

Notfalldienst und 1997 der psychotherapeutische<br />

Bereitschaftsdienst hinzu. Ob<br />

telefonische Beratung, Besuch des Arztes<br />

beim Patienten, Weiterleitung eines Notfalles<br />

an Rettungskräfte oder die Versorgung<br />

der Patienten in den Notfallpraxen – unter<br />

der Regie der KV Hamburg spannt sich auch<br />

nachts und an Sonn- und Feiertagen ein<br />

flächendeckendes Versorgungsnetz über<br />

die Stadt.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> Ä rztlI chE r EI nsatz<br />

59


Wohin im Notfall?<br />

Wählen Sie 22 80 22!<br />

Jeder niedergelassene Arzt in<br />

Hamburg ist verpflichtet und<br />

berechtigt, am Notfalldienst<br />

der KV teilzunehmen. Die KV<br />

teilt hierbei die Ärzte zu den<br />

unterschiedlichen Diensten<br />

ein. So ist gewährleistet, dass<br />

auch außerhalb der regulären<br />

Praxissprechzeiten, vor allem<br />

während der Abend- und Nachtstunden<br />

sowie an Wochenenden<br />

und Feiertagen, Haus- und<br />

Fachärzte auf Abruf zur Verfügung<br />

stehen. Wenn erforderlich,<br />

kommen sie auch zu den<br />

Patienten nach Hause.<br />

Ein Anruf genügt und der Patient<br />

bekommt schnelle und qualifizierte<br />

Hilfe. Die Mitarbeiter<br />

und Ärzte in der Telefonzentrale<br />

agieren hierbei als „Lotsen“.<br />

Auch für gehörlose Hamburger<br />

ist gesorgt: Diese erreichen<br />

die Notfallzentrale mittels<br />

eines Schreibtelefons (22 502<br />

300) oder des Faxgerätes (22<br />

802 475).<br />

Je nach Dringlichkeit kümmern<br />

sich die „Lotsen“ im Ärztehaus<br />

um die geeignete medizinische<br />

Der Ärztliche Notfalldienst Hamburg ist ein ärztlicher<br />

Bereitschaftsdienst und setzt sich heute aus folgenden<br />

fünf Bestandteilen zusammen:<br />

• Zentraler Notfalldienst – Der „fahrende<br />

Notfalldienst“ (früher „Taxinotdienst“)<br />

• Notfallpraxen Farmsen und Altona<br />

• vier kinderärztliche Notfallambulanzen<br />

an den Krankenhäusern<br />

• Bereitschaftsdienst in den Stadtteilen<br />

• Psychotherapeutischer Bereitschaftsdienst<br />

Versorgung des Anrufers und<br />

entscheiden:<br />

• Ist eine Beratung am Telefon<br />

(ggf. durch einen Arzt)<br />

ausreichend?<br />

• Ist in Abhängigkeit des „Notfalls“<br />

eine direkte Weiterleitung<br />

an Rettungsdienste<br />

angebracht?<br />

• Ist ein Besuch des diensthabenden<br />

„fahrenden“ Arztes<br />

beim Patienten zu Hause zu<br />

empfehlen?<br />

Oft genügt es bereits, die Anrufer<br />

auf die beiden Notfallpraxen<br />

Farmsen oder Altona<br />

hinzuweisen, damit sie sich<br />

dort einer erweiterten Diagnose<br />

und Behandlung unterziehen.<br />

Haben die Notfallpraxen<br />

bereits geschlossen oder ist<br />

der Patient nicht in der Lage,<br />

diese aufzusuchen, wird der<br />

Einsatz an einen diensthabenden<br />

Arzt weitergeleitet,<br />

der den Patienten zu Hause<br />

besucht.<br />

60 Ä rztlI chE r EI nsatz<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


15.000<br />

12.000<br />

9.000<br />

6.000<br />

3.000<br />

0<br />

Schnelle Hilfe auf vier Rädern – Der „fahrende Notfalldienst“<br />

Die professionelle Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienstunternehmen G.A.R.D ermöglicht<br />

dem „Notfallarzt“, schnell zum Patienten zu gelangen. Die Koordination der<br />

Einsätze erfolgt durch eine moderne Leitstelle. Seit Juli <strong>2008</strong> werden die Ärzte von einem<br />

Rettungsassistenten begleitet. Das Einsatzfahrzeug ist mit einer Satellitennavigation und<br />

einen Bordcomputer ausgestattet. Dank digitaler Datenübermittlungstechniken verfügt<br />

der Arzt bereits über alle wichtigen Informationen des Notfalls, bevor er beim Patienten<br />

eintrifft.<br />

Der „fahrende Notdienst“ versteht sich als allgemeinärztliche Versorgung außerhalb der<br />

Sprechstundenzeiten. In lebensbedrohlichen Situationen (beispielsweise bei Herzinfarkt,<br />

Schlaganfall, Atemstillstand, starken Blutungen) sollte man direkt den Rettungsdienst<br />

der Feuerwehr unter der Telefonnummer 112 anrufen.<br />

G.A.R.D. – Neuer Partner der KV Hamburg<br />

Die „Gemeinnützige Ambulanz und Rettungsdienst GmbH“ (G.A.R.D) ist ein privates Rettungsdienstunternehmen,<br />

das 1983 gegründet wurde. 1985 bekam G.A.R.D. von der Hamburger<br />

Feuerwehr die Genehmigung zur Durchführung von Notfallrettungsdiensten – was<br />

für ein Privatunternehmen ungewöhnlich ist. Neben Krankentransport und Notfallrettung<br />

übernimmt das Unternehmen auch die medizinische Versorgung bei Sportveranstaltungen<br />

oder Konzerten. Von der Hamburger Einsatzzentrale aus werden nach Angaben des<br />

Unternehmens jährlich 200.000 Einsätze gesteuert.<br />

Anzahl der Besuche und Beratungen durch den ärztlichen Notfalldienst (2007)<br />

Anzahl der Besuche und Beratungen durch den ärztlichen Notfalldienst (2007)<br />

A B C D E F G H I J K L<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 2007)<br />

Jahr<br />

A Januar<br />

B Februar<br />

C März<br />

D April<br />

E Mai<br />

F Juni<br />

G Juli<br />

H August<br />

I September<br />

J Oktober<br />

K November<br />

L Dezember<br />

telefonische Beratungen<br />

Besuch des Patienten zu Hause<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> Ä rztlI chE r EI nsatz<br />

61


Die Notfallpraxen<br />

Ob Schnittwunde, Bandscheibenvorfall<br />

oder Herz- und<br />

Kreislaufbeschwerden: Jedes<br />

Jahr suchen etwa 80.000<br />

Hamburger Patienten Hilfe in<br />

den Notfallpraxen Altona und<br />

Farmsen. Seit der Eröffnung<br />

der ersten Notfallpraxis in<br />

Farmsen vor 26 Jahren profitierten<br />

fast zwei Millionen<br />

Menschen vom Bereitschaftsdienst<br />

der niedergelassenen<br />

Hamburger Ärzte. Behandeln<br />

lassen sich die Patienten hierbei<br />

von derzeit 55 niedergelassenen<br />

Hausärzten, für die<br />

Häufigkeiten von Diagnosen in der Notfallpraxis Altona<br />

Häufigkeiten von Diagnosen in der Notfallpraxis Altona (in %)<br />

K<br />

L<br />

A BC D E<br />

J<br />

Quelle: <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg (Stand 2007)<br />

F<br />

I<br />

G<br />

H<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F<br />

G<br />

H<br />

I<br />

J<br />

K<br />

L<br />

das Schließen der eigenen<br />

Praxistür nicht automatisch<br />

„Feierabend“ bedeutet. Sie<br />

verbringen außerhalb ihrer<br />

regulären Sprechzeiten mehr<br />

als 130 Stunden – verteilt auf<br />

ein Jahr – in einer der beiden<br />

Hamburger Notfallpraxen.<br />

Um das Wohl der Patienten<br />

sorgen sich neben den diensthabenden<br />

Hausärzten noch<br />

Fachärzte fünf verschiedener<br />

Fachrichtungen (Kinder-,<br />

Augen-, HNO-Ärzte sowie Chirurgen<br />

und Orthopäden), die auf<br />

Abruf zur Verfügung stehen.<br />

Dank der räumlichen Ausstattung<br />

der Praxen – es gibt beispielsweise<br />

einen septischen<br />

Behandlungsraum, einen Gipsraum,<br />

einen Röntgenraum, ein<br />

Labor oder einen HNO-Raum,<br />

kann auf alle Arten von Notfällen<br />

schnell und angemessen<br />

reagiert werden.<br />

Suizidversuch, Depressionen etc.<br />

Scharlach, Varicellen,Windeldermatitis, Windpocken<br />

Ausschluss Herzinfarkt, Angina pectoris, Tachykardie<br />

Prellungen, Nasenbeinfraktur etc.<br />

Frakturen, knöcherne Absprrengung, Muskelfaserrisse etc.<br />

Abzesse, Furunkel, infizierte Wunden, kleine Verbrennungen etc.<br />

Gerstenkorn, Fremdkörper im Auge etc.<br />

Platz-, Schnitt-, Schürf-, Biss- und Kratzwunden an Extremitäten<br />

und Körper, Nasenbluten und Verbrennungen etc.<br />

Lumbago, Bandscheibenvorfall, Schiefhals etc.<br />

Angina, Tonsillitis, Otitis, Pharyngitis, Sinusitis etc.<br />

Magen- und Darmbeschwerden, Asthma, Erkältung, Grippe,<br />

Bronchitis, Kopfschmerzen, Allergie, Gichtanfall, Muskelkrämpfe<br />

sonstige Erkrankungen<br />

62 Ä rztlI chE r EI nsatz<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Der Psychotherapeutische Bereitschaftsdienst<br />

Ob Orientierungshilfe, Beratungsgespräch<br />

oder die Vermittlung<br />

freier Therapieplätze<br />

- der Psychotherapeutische<br />

Bereitschaftsdienst der KV<br />

Hamburg steht Ratsuchenden<br />

von Montag bis Freitag, täglich<br />

für drei Stunden, telefonisch<br />

(22 802 777) zur Seite. Neben einem<br />

Orientierungs- beziehungs-<br />

weise Krisengespräch erhalten<br />

die Anrufer auch Hilfestellungen<br />

für mögliche Therapieansätze<br />

oder bekommen kurzfristige<br />

Therapieplätze vermittelt.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> Ä rztlI chE r EI nsatz<br />

63


64 z w I s c h E n pa t I E n t & bü r o k r a t I E<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Zwischen<br />

Patient &<br />

Die Arbeitszeiten<br />

Bürokratie<br />

der Vertragsärzte<br />

Ein missgestimmtes Raunen zieht sich durch<br />

Deutschlands Arztpraxen: „Die deutschen<br />

Ärzte arbeiten zu lang, behandeln zu viele<br />

Patienten in zu kurzer Zeit und fühlen sich<br />

durch die mit der ärztlichen Tätigkeit verbundene<br />

Bürokratie überlastet.“ Kurzum:<br />

Deutschlands Vertragsärzte sind unzufrieden.<br />

Und diese Unzufriedenheit ist nicht unbegründet.<br />

Überstunden und Bürokratie - sprich<br />

die Schreibtischtätigkeit, die folgt, nachdem<br />

der letzte Patient die Praxis verlassen hat –<br />

geben den Ton an. Interessant hierbei ist,<br />

dass fast 80 Prozent dieser Bürokratie von<br />

der Politik ausgelöst wird, die mit teilweise<br />

sehr detaillierten Vorschriften die Papierflut<br />

in den Praxen „munter“ am Leben erhält.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> z w I schE n p atIEnt & b ürokratIE<br />

65


Von Überstunden und Aktenbergen<br />

Die Unzufriedenheit der Vertragsärzte wächst<br />

Fakt ist, im internationalen Vergleich<br />

arbeiten die niedergelassenen<br />

Ärzte in Deutschland<br />

am längsten. Mit einer durchschnittlichenWochenarbeitszeit<br />

von 50,6 Stunden übertreffen<br />

die deutschen Ärzte ihre<br />

Fachgenossen in Australien,<br />

mit einer Arbeitswoche von nur<br />

39,9 Stunden, bei weitem.<br />

[Quelle: IQWiG].<br />

Zu ähnlichen Ergebnissen gelangte<br />

auch eine 2007 durchgeführte<br />

Studie im Auftrag<br />

des NAV-Virchow-Bundes. Mit<br />

durchschnittlich 10,8 Stunden<br />

arbeiten mehr als 85 Prozent<br />

der deutschen Vertragsärzte<br />

überwiegend zehn Stunden<br />

täglich. Als Konsequenz dieses<br />

langen Arbeitstages haben<br />

bereits 35 Prozent der Ärzte in<br />

den vergangenen drei Jahren<br />

ihre Praxisöffnungszeiten eingeschränkt.<br />

55,9 Patienten werden im<br />

Durchschnitt jeden Tag<br />

[NAV], bzw. 243 Patienten in<br />

einer Woche [IQWiG], von einem<br />

Arzt behandelt. Würde<br />

man beispielsweise die rund<br />

56 Patienten auf einen zehn<br />

Stunden Arbeitstag verteilen,<br />

verblieben nach einer einfachen<br />

Milchmädchenrechnung<br />

etwa elf Minuten pro Patient.<br />

Dies ist jedoch nicht der Fall:<br />

Liegt in den anderen Ländern<br />

die durchschnittliche Zeit pro<br />

Patientenkontakt zwischen elf<br />

und 19 Minuten, verbleiben den<br />

deutschen Ärzten im Endeffekt<br />

nur sieben bis acht Minuten.<br />

Des Rätsels Lösung ist,<br />

Verteilung der Tätigkeiten in den Praxen<br />

Verteilung der Tätigkeiten in den Praxen (in %)<br />

Arztbriefe und Gutachten<br />

Anleitung des Praxisteams<br />

Abrechnung<br />

Fort- und Weiterbildung<br />

Quelle: NAV-Virchow-Bund (Stand 2007)<br />

Arbeit am Patienten<br />

dass eigentlich nur 64 Prozent<br />

der zur Verfügung stehenden<br />

Zeit der Arbeit dem Patienten<br />

gewidmet werden kann. Der<br />

verbleibende Rest des Arbeitstages<br />

fällt dem Schreiben von<br />

Arztbriefen und Gutachten zum<br />

Opfer, aber auch der Fortbildung,<br />

Abrechnung und der<br />

Anleitung des Praxisteams.<br />

Durchschnittlich 14 Stunden<br />

pro Woche gehen für administrative<br />

Tätigkeiten drauf.<br />

Die „Top 5“ der<br />

bürokratischen<br />

Regelungen,<br />

die die Ärzte am<br />

häufigsten ärgern<br />

1. Praxisgebühr<br />

2. Krankenkassenanfragen<br />

3. Dokumentationen<br />

für strukturierte<br />

Behandlungsprogramme<br />

(DMP)<br />

4. Abrechnung<br />

5. Diagnoseverschlüsselung<br />

mittels ICD 10<br />

[Internationale<br />

Klassifikation von<br />

Krankheiten]<br />

Quelle: KBV-Studie 2005<br />

66 z w I schE n p atIEnt & b ürokratIE<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Studienhintergründe<br />

IQWiG – Studie (2006)<br />

Studie des Commonwealth Fund, OECD und<br />

WHO; deutsche Studie finanziert vom IQWiG<br />

Teilnehmer: 6.088 Allgemeinärzte/Primärärzte<br />

aus Australien, Kanada, Deutschland<br />

(1.006), Niederlande, Neuseeland; GB, USA<br />

Methode: strukturiertes Interview<br />

NAV-Studie (2007)<br />

Studie der Brendan-Schmittmann-Stiftung im Auftrag des NAV-Virchow-Bundes<br />

Teilnehmer: 6.400 Vertragsärzte (Fachrichtungen: Allgemeinmediziner, Internisten,<br />

Gynäkologen, HNO-Ärzte, Pädiater, Urologen, Orthopäden, Dermatologen,<br />

Augenärzte, Anästhesisten, Neurologen, etc.); Durchschnittsalter: 52,1 Jahre;<br />

Frauenanteil: 46 Prozent<br />

Methode: schriftliche Befragung<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> z w I schE n p atIEnt & b ürokratIE<br />

67


Auch 2050 noch sicher versorgt?<br />

Die Zukunft der ambulanten Medizin<br />

Weitgehend unbeachtet von<br />

der Öffentlichkeit wurden mit<br />

der letzten Gesundheitsreform<br />

Weichenstellungen vorgenommen,<br />

die das ambulante<br />

Versorgungssystem grundlegend<br />

verändern werden. Den<br />

gesetzlichen Krankenkassen<br />

steht es offen, die einheitliche<br />

Regelversorgung durch einen<br />

Flickenteppich aus einzelnen<br />

Versorgungsmodellen zu ersetzen.<br />

Der zwischen Krankenkassen<br />

und KV geschlossene<br />

Kollektivvertrag könnte durch<br />

viele kleine Selektivverträge,<br />

die an den <strong>Kassenärztliche</strong>n<br />

<strong>Vereinigung</strong>en vorbei direkt<br />

mit einzelnen Ärzten und Ärztegruppen<br />

geschlossen werden,<br />

abgelöst werden. Bislang haben<br />

die Patienten diesen Systembruch<br />

noch nicht zu spüren bekommen,<br />

weil es sich bei der<br />

ersten Generation von Selektivverträgen<br />

um Zusatzverträge<br />

handelte – um Verträge also,<br />

bei denen es nicht um einen<br />

Ersatz für die normale Regelversorgung,<br />

sondern lediglich<br />

um einige zusätzliche medizinische<br />

Leistungen geht.<br />

Doch nun wird erstmals mit<br />

Selektivverträgen experimentiert,<br />

die einen Teil der hausärztlichen<br />

Versorgung aus der<br />

normalen Regelversorgung herausbrechen,<br />

um diese nach Vorgaben<br />

einzelner Krankenkassen<br />

gesondert zu organisieren.<br />

Wird die qualitätsgeprüfte ambulante<br />

Regelversorgung Schritt<br />

für Schritt zurückgedrängt und<br />

von einem Selektivvertragssystem<br />

abgelöst, entfällt die freie<br />

Arztwahl: Statt im Krankheitsfall<br />

einfach zu einem Arzt ihrer<br />

Wahl gehen zu können, müssen<br />

sich die Patienten schon im<br />

Vorwege zwischen unzähligen<br />

Krankenkassen, Wahltarifen<br />

und speziellen Leistungsangeboten<br />

mit festgelegten Behandlungswegen<br />

und den dafür<br />

jeweils unter Vertrag genommenen<br />

Ärzten entscheiden. Diese<br />

Art von Wettbewerb bedeutet<br />

für die Patienten, sich selbst<br />

aussuchen zu dürfen, wie sie<br />

ihre freie Arztwahl einschränken<br />

wollen. Eingeschränkt wird<br />

sie auf jeden Fall.<br />

Für gesunde Versicherte, die<br />

gerne nach günstigen Tarifen<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

fahnden, mag das bisweilen ein<br />

Vorteil sein. Denjenigen, die<br />

medizinische Versorgung am<br />

nötigsten haben, wird es schwerer<br />

fallen, den Überblick zu behalten.<br />

Nicht jeder behinderte<br />

oder schwerkranke Mensch<br />

kann als Kunde agieren.<br />

Ein Blick in die USA zeigt, dass<br />

ein dem Markt unterworfenes<br />

Gesundheitssystem für einen<br />

großen Teil der Bevölkerung<br />

unbefriedigende Leistungsergebnisse<br />

erbringt. Auch<br />

die Hoffnung auf finanzielle<br />

Effektivität erfüllt sich nicht:<br />

Die USA haben das teuerste<br />

Gesundheitssystem der Welt.<br />

Sechzehn Prozent ihres Bruttosozialproduktes<br />

geben die<br />

Amerikaner für das Gesundheitswesen<br />

aus. In Deutschland<br />

liegt der Anteil bei elf Prozent.<br />

„Ein großer Teil der höheren<br />

Bevölkerungsentwicklung für Hamburg<br />

Bevölkerungsentwicklung für Hamburg<br />

2005 2015 2025 2035 2050<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

jünger 20 Jahre<br />

20-64 Jahre<br />

65+ Jahre<br />

68 d E r blIck I n dIE zukunft<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


Ausgaben entfällt auf Marketing<br />

und Verwaltung“, sagt der<br />

in den USA arbeitende Ökonom<br />

Uwe E. Reinhardt. „Es ist in den<br />

USA nicht ungewöhnlich, dass<br />

Familien an Arztrechnungen<br />

bankrott gehen. Mehr Markt ist<br />

das schon. Ich bezweifle aber,<br />

dass es zur deutschen Sozialethik<br />

passt.“<br />

Wie überall in der westlichen<br />

Welt wird der demographische<br />

Wandel auch in Hamburg die<br />

Nachfrage nach medizinischen<br />

Leistungen erhöhen. Statistischen<br />

Hochrechnungen zu<br />

Folge wird der Bevölkerungsanteil<br />

der über 65-Jährigen in<br />

Hamburg bis zum Jahr 2050 auf<br />

etwa 32 Prozent ansteigen.<br />

Hinzu kommt, dass der medizinische<br />

Fortschritt zu einer<br />

ständigen Erweiterung der<br />

Möglichkeiten ärztlicher Heilkunst<br />

führt. Auf diese Herausforderungen<br />

müssen sich die<br />

Akteure im Gesundheitswesen<br />

einstellen, indem sie bewährte<br />

und zukunftsfähige Strukturen<br />

ausbauen.<br />

Die <strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong><br />

Hamburg arbeitet dafür,<br />

dass die einheitliche ambulante<br />

Versorgung nicht in unzählige<br />

Versorgungsinseln zersplittert<br />

– damit sich die Versicherten<br />

auch zukünftig beim Arzt oder<br />

Psychotherapeuten ihrer Wahl<br />

behandeln lassen können, und<br />

damit eine qualitativ hochwertige<br />

Versorgung nicht zum Privileg<br />

einiger Weniger wird.<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong> d E r bl I c k In d I E zu k u n f t<br />

69


Impressum<br />

Herausgeber<br />

<strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg<br />

Humboldtstraße 56<br />

22083 Hamburg<br />

www.kvhh.de<br />

Abdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers<br />

Redaktion<br />

Abteilung Öffentlichkeitsarbeit<br />

Franziska Schott, Tel. (040) 22802-378<br />

Mitarbeit<br />

Martin Niggeschmidt, Tel. (040) 22802-655<br />

Layout und Satz<br />

Headquarters Hamburg<br />

www.hqhh.de<br />

Fotos<br />

Michael Zapf, Felix Faller (alinea design), dreamstime, istockphoto<br />

* Anmerkung: Die im Bericht verwendeten Begriffe Arzt und Psychotherapeut<br />

stehen selbstverständlich auch für die weiblichen Berufsbezeichnungen.<br />

70 I m p r E s s u m<br />

<strong>KVH</strong> <strong>Versorgungsbericht</strong> <strong>2008</strong>


<strong>Kassenärztliche</strong> <strong>Vereinigung</strong> Hamburg | Humboldtstraße 56 | 22083 Hamburg<br />

Tel.: 040 / 22802-0 | Fax.: 040 / 22802-420

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!