Wirth, Herman – Die Ura Linda Chronik - Gnostic Liberation Front

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04.06.2013 Aufrufe

Auf dem ersten Wehrfest, als alle ihre Landsassen gewappnet waren, ließ sie Tonnen Bier ausschenken. In das Bier hatte sie Zaubertrank getan. Als nun das Volk allesamt betrunken war, stellte sie sich oben auf ihr Kampfroß, mit ihrem Haupte gegen ihren Speer gelehnt. Das Morgenrot konnte nicht schöner sein. Da sie sah, daß alle Augen auf sie gerichtet waren, öffnete sie ihre Lippen und kündete : »Söhne und Töchter Fryas! Ihr wißt wohl, daß wir in der letzten Zeit viel Gebrechen und Mangel gelitten haben dadurch, daß die Seeleute nicht länger kommen, um unseren Schreibfilz zu verkaufen. Aber ihr wißt nicht, wodurch es so gekommen ist. Lange habe ich mich darob zurückgehalten, doch nun kann ich es nicht länger. Hört denn, Freunde, auf daß ihr wissen möget, wonach ihr beißen sollt. An der anderen Seite der Schelde, wo man zumal die Fahrt von allen Seen hat, da macht man heutigentages Schreibfilz von Plumpenblättern. Damit ersparen sie Leinen und können uns entbehren. Nachdem nun das Machen von Schreibfilz allezeit unser größter Betrieb gewesen ist, so hat die Mutter gewollt, daß man es uns lassen solle. Aber Minerva hat all das Volk verhext, ja verhext, Freunde, gleich all unserem Vieh, das letzthin gestorben ist. Heraus muß es, ich will es euch erzählen. Wäre ich nicht Burgmaid, ich würde es schon wissen : ich würde die Hexe in ihrem Nest verbrennen.« Da sie die letzten Worte gesprochen hatte, sputete sie sich zu ihrer Burg hin. Aber das betrunkene Volk war dermaßen erregt, daß es über seine Sinne nicht mehr zu wachen vermochte. In tollmütigem Eifer gingen sie über den Sandfall, und nachdem die Nacht mittlerweil sich niedergesenkt hatte, zogen sie eben dreist auf die Burg los. Doch Kelta verfehlte schon wieder ihr Ziel, denn Minerva, ihre Maiden und die Lampe wurden alle von den flinken Seeleuten gerettet. Hierzu kommt die Geschichte von Jon Jôn, Jân, Jhon und Jan ist alles eins mit »geben«, doch das liegt an der Aussprache der Seeleute, die durch Gewohnheit alles abkürzen, um es fern und laut rufen zu können. Jon, das ist »gegeben«, war Seekönig, geboren zu Alderga, von der Flysee ausgefahren mit hundertundsiebenundzwanzig Schif- 56

fen, zugerüstet für eine große Außenfahrt, reich geladen mit Barnstein, Zinn, Kupfer, Eisen, Laken, Leinen, Filz, Frauenfilz von Ottern, Biber- und Kaninchenhaar. Nun sollte er von, hier noch Schreibfilz mitnehmen. Doch als Jon hier kam und sah, wie Kelta unsere ruhmreiche Burg zerstört hatte, da ward er so außermaßen zornig, daß er mit all seinen Leuten auf die Flyburg losging und darauf zum Widergelt den roten Hahn setzte. Aber durch seinen Schultbei-Nacht und manche seiner Leute wurden die Lampe und die Mai-, den gerettet. Doch Syrhed ober Kelta vermochten sie nicht zu fassen. Sie kletterte auf die äußerste Zinne; jedweder glaubte, daß sie in der Lohe umkommen mußte. Doch was geschah? Derweil all ihre Leute starr und steif vor Schrecken standen, kam sie schöner als je zuvor auf ihrem Rosse zutage, rufend : »Zu Kelta Minhis« 1 . Da strömte das andere Schelde-Volk zuhauf. Als die Seeleute das sahen, riefen sie : »Für Minerva wir!« Ein Krieg ist daraus entstanden, wodurch Tausendende gefallen sind. In dieser Zeit war Rosamund, das ist Rosa-munde, Mutter. Sie hatte viel in Minne erstrebt, um den Frieden zu wahren. Aber da es also arg kam, da machte sie es kurz. Zur Stund sandte sie Boten durch die Landpfähle und ließ einen gemeinen Notbann künden. Da kamen die Landwehrer aus allen Orten heran. Das kämpfende Landvolk wurde gefaßt; aber Jon barg sich mit seinen Leuten auf seiner Flotte und nahm die beiden Lampen nebst Minerva und die Maiden von den beiden Burgen mit. Helprik, der Heermann, ließ ihn einbannen ; aber derweilen alle Wehrer noch jenseits der Schelde waren, fuhr Jon zurück nach der Flysee und fürder weiter nach unseren Inseln. Seine Leute und viele unseres Volkes schifften Weib und Kinder ein, und als Jon nun sah, daß man ihn und seine Leute als Missetäter strafen wollte, machten sie sich im stillen auf und davon. Er tat recht, denn all unsere Inselleute und alles andere Scheldevolk, die gefochten hatten, wurden nach Britannien gebracht. Dieser Schritt war fehlgetan, denn nun kam der Anfang vom Ende. Kelta, die wie man sagt, ebenso leicht auf dem Wasser wie auf dem Land zu laufen vermochte, ging nach dem festen Wall und fürder nach Missellja 1 Verdorbene Stelle, unübersetzbar. 57

Auf dem ersten Wehrfest, als alle ihre Landsassen gewappnet waren, ließ<br />

sie Tonnen Bier ausschenken. In das Bier hatte sie Zaubertrank getan. Als nun<br />

das Volk allesamt betrunken war, stellte sie sich oben auf ihr Kampfroß, mit<br />

ihrem Haupte gegen ihren Speer gelehnt. Das Morgenrot konnte nicht schöner<br />

sein. Da sie sah, daß alle Augen auf sie gerichtet waren, öffnete sie ihre Lippen<br />

und kündete : »Söhne und Töchter Fryas! Ihr wißt wohl, daß wir in der letzten<br />

Zeit viel Gebrechen und Mangel gelitten haben dadurch, daß die Seeleute nicht<br />

länger kommen, um unseren Schreibfilz zu verkaufen. Aber ihr wißt nicht,<br />

wodurch es so gekommen ist. Lange habe ich mich darob zurückgehalten,<br />

doch nun kann ich es nicht länger. Hört denn, Freunde, auf daß ihr wissen<br />

möget, wonach ihr beißen sollt.<br />

An der anderen Seite der Schelde, wo man zumal die Fahrt von allen Seen<br />

hat, da macht man heutigentages Schreibfilz von Plumpenblättern. Damit ersparen<br />

sie Leinen und können uns entbehren. Nachdem nun das Machen von<br />

Schreibfilz allezeit unser größter Betrieb gewesen ist, so hat die Mutter gewollt,<br />

daß man es uns lassen solle. Aber Minerva hat all das Volk verhext, ja verhext,<br />

Freunde, gleich all unserem Vieh, das letzthin gestorben ist. Heraus muß es,<br />

ich will es euch erzählen. Wäre ich nicht Burgmaid, ich würde es schon wissen<br />

: ich würde die Hexe in ihrem Nest verbrennen.«<br />

Da sie die letzten Worte gesprochen hatte, sputete sie sich zu ihrer Burg<br />

hin. Aber das betrunkene Volk war dermaßen erregt, daß es über seine Sinne<br />

nicht mehr zu wachen vermochte. In tollmütigem Eifer gingen sie über den<br />

Sandfall, und nachdem die Nacht mittlerweil sich niedergesenkt hatte, zogen<br />

sie eben dreist auf die Burg los. Doch Kelta verfehlte schon wieder ihr Ziel,<br />

denn Minerva, ihre Maiden und die Lampe wurden alle von den flinken Seeleuten<br />

gerettet.<br />

Hierzu kommt die Geschichte von Jon<br />

Jôn, Jân, Jhon und Jan ist alles eins mit »geben«, doch das liegt an der Aussprache<br />

der Seeleute, die durch Gewohnheit alles abkürzen, um es fern<br />

und laut rufen zu können. Jon, das ist »gegeben«, war Seekönig, geboren zu<br />

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