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Erfolgskriterien betrieblicher Suchtberatung

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Kontaktstelle für Alkoholprobleme und Sucht<br />

Auswertung der Behandlungsverläufe<br />

aus den Jahren 1992 – 1999<br />

Universitätsklinikum Freiburg, Kontaktstelle für Alkoholprobleme und Sucht, G. Heiner, S. Höferlin


Einleitung<br />

Die Uniklinik Freiburg kann inzwischen auf eine lange Erfahrung in der betrieblichen<br />

Suchtkrankenhilfe zurückblicken. Ausgelöst durch aktuelle Fälle traf sich im Mai<br />

1987 zum ersten mal die Projektgruppe für Alkohol- und Suchterkrankung. Fünf<br />

Monate später wurde die Kontaktstelle für Alkoholprobleme und Sucht eingerichtet.<br />

Eine Pionieraufgabe für den öffentlichen Dienst stellte damals die Entwicklung eines<br />

Handlungskonzeptes für den Umgang mit suchtkranken Mitarbeitern dar. Es wurde<br />

1990 fertiggestellt und dient bis heute als Grundlage des Suchtprogramms. Heute,<br />

10 Jahre nach der Erstellung dieses Konzeptes möchten wir eine Bilanz ziehen und<br />

die Ergebnisse unserer Arbeit vorstellen.<br />

Wir haben dazu die Fälle aus den Jahren 1992 bis 1998 mit mehr als 5 Kontakten<br />

untersucht. Die letzte Auswertung wurde im Dezember 1999 vorgenommen; sie<br />

erfolgte also mindestens 1 Jahr nach Beratungsbeginn. Der Beginn der Beratung<br />

liegt im Durchschnitt der insgesamt 60 Fälle 5 Jahre und 2 Monate vor der<br />

Überprüfung im Dezember 1999. Bei einer durchschnittlichen Beratungsdauer von<br />

18 Monaten (vgl. Tab.4) entspricht dies im Schnitt einem Beobachtungszeitraum des<br />

Einzelfalls von 3,5 Jahren nach Abschluß der Beratung (Katamnesezeitraum). Die<br />

Klientenzahl teilt sich auf in 28 Frauen mit einer Altersspanne von 30 - 58 Jahren<br />

(Durchschnittsalter 43,3 Jahre) und 32 Männer mit einer Altersspanne von 24 - 60<br />

Jahren (Durchschnittsalter 40,2 Jahre). 7 KlientInnen waren in Führungsfunktionen<br />

tätig.<br />

Die Tabellen 1 - 4 stellen dar:<br />

in welchen Berufs- und Tätigkeitsbereichen die betroffenen Beschäftigten<br />

arbeiten (Tab. 1),<br />

wie sie zur Kontaktstelle gekommen sind (Tab. 2),<br />

von welchem Suchtmittel sie abhängig waren (Tab. 3) und<br />

wie lange und wie oft sie die Beratung in Anspruch genommen haben<br />

(Tab. 4).<br />

In Tabelle 5<br />

werden zunächst die Beratungsverläufe in vier Fallgruppen unterteilt.<br />

Die Fallgruppen ergeben sich aus den möglichen Kombinationen der beiden<br />

dem Handlungskonzept zugrunde liegenden Faktoren, nämlich<br />

A: der Anwendung arbeitsrechtlicher Maßnahmen und<br />

B: der Annahme externer Hilfen.<br />

Die Ergebnisse der Fallgruppen unterscheiden sich signifikant.<br />

Der Anhang enthält zwei Artikel aus der Badischen Zeitung, die auf Interviews mit<br />

einem Vorgesetzten und einem betroffenen Mitarbeiter der Uniklinik basieren. Sie<br />

veranschaulichen die im Interventionsprozeß enthaltene Dynamik, die insbesondere<br />

bei den Fällen der Fallgruppe IV wirksam ist.<br />

Weiterhin ist im Anhang die Auswertung aller Fälle geordnet nach Fallgruppen in<br />

anonymisierter Form dargestellt.<br />

Universitätsklinikum Freiburg, Kontaktstelle für Alkoholprobleme und Sucht, G. Heiner, S. Höferlin 2


Tabelle 1: Tätigkeiten und Geschlecht<br />

Bereich Art der Tätigkeit Frauen Männer insg. in %<br />

Medizinischer<br />

Bereich<br />

Verwaltung<br />

Ärzte 1 1 2<br />

Pflege 12 12 24<br />

Medizin-Technik 2 2 4<br />

Verwaltende Tätigkeit 6 8 14<br />

Technisch-handwerkl.<br />

Tätigkeit 5 9 14<br />

50%<br />

46,6%<br />

Sonstige Pädagogische Tätigkeit 2 - 2 3,3%<br />

Summe 28 32 60<br />

Tabelle 1<br />

zeigt, daß beide Geschlechter etwa zur Hälfte vertreten sind. Daß hier kein starkes<br />

Übergewicht der Männer besteht, muß darauf zurückgeführt werden, daß 75% der<br />

Beschäftigten der Uniklinik Frauen sind; denn im Bevölkerungsdurchschnitt ist die<br />

Zahl der alkoholabhängigen Männer doppelt so hoch wie die der Frauen.<br />

[Die Zahl der MitarbeiterInnen aus den verschiedenen Tätigkeitsbereichen sagt nichts über die Häufigkeit von<br />

Suchterkrankungen in den verschiedenen Gruppen aus. Sie muß vielmehr als ein Indikator für den Grad der Kooperation<br />

zwischen den Führungskräften des jeweiligen Bereichs und der Kontaktstelle gesehen werden.]<br />

Tabelle 2: Wie kam der Beratungskontakt zustande?<br />

vom Vorgesetzten<br />

angeordnet<br />

Anzahl der<br />

Klienten<br />

in %<br />

48 80%<br />

freiwillig 5 8,3%<br />

aufgrund von<br />

Empfehlungen Dritter<br />

(Personalrat, Personalärzte,<br />

Heimleitung, u.a.)<br />

7 11,7%<br />

Tabelle 2<br />

zeigt, daß 80% der KlientInnen eine dienstliche Auflage hatten, sich bei uns zu<br />

melden. Das weist auf den hohen Stellenwert der Kooperation mit Vorgesetzten hin.<br />

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Tabelle 3: Suchtmittel<br />

Suchtmittel<br />

Anzahl der<br />

Klienten<br />

in %<br />

Alkohol 52 87<br />

Medikamente 1 1,7<br />

Kombination: Alkohol u.<br />

Medikamente 4 6,7<br />

Illegale Drogen 2 3,3<br />

Magersucht 1 1,7<br />

Tabelle 3<br />

zeigt, daß die MitarbeiterInnen am häufigsten wegen Alkoholabhängigkeit auffällig<br />

werden. Die sogenannten „Frauensüchte“, wie z.B. Medikamentenabhängigkeit,<br />

Eß-, Magersucht und Bulimie oder deren Kombinationen, machen zusammen nur<br />

etwa 10% der Fälle aus, obwohl die Griffnähe zu psychoaktiven Medikamenten<br />

arbeitsplatzbedingt sehr gering und der Frauenanteil hoch ist.<br />

Der entscheidende Grund dafür, daß nahezu 90% der KlientInnen von Alkohol<br />

abhängig sind, besteht darin, daß Alkohol über Jahrhunderte kulturell fest verankert<br />

ist und seine Stellung als Volksdroge Nr.1 von keiner anderen Substanz bisher auch<br />

nur tangiert wurde.<br />

Außerdem sind Auffälligkeiten bei Medikamentenabhängigkeit schwieriger<br />

einzuordnen. Sie können viel leichter durch vorgeschobene Befindlichkeitsstörungen<br />

(z.B. Schmerzen jeder Art) und Krankheiten (z.B. Blutdruck, Herz, Kreislauf etc.)<br />

vertuscht werden. Vorgesetzten fehlt meist der klare Beweis. Bei der<br />

Alkolabhängigkeit gibt es dagegen die „Fahne“ als sicheres Indiz.<br />

Ob auch die hohe Personalfluktuation einen Einfluß auf die geringeren Zahlen<br />

ausübt, kann nicht schlüssig beantwortet werden. In Einzelfällen ist besonders im<br />

Jahr 1999 beobachtbar, daß MitarbeiterInnen speziell im Pflegebereich die Uniklinik<br />

verlassen, wenn durch Unregelmäßigkeiten im Medikamentenbestand sich ein<br />

Verdacht konkretisiert oder wenn durch Beobachtung der Einnahme bzw. des<br />

Injizierens der Medikamentenmißbrauch unbestreitbar geworden ist. Zur Wahrung<br />

ihrer beruflichen Existenz streben die Betroffenen dann eine Stelle außerhalb der<br />

Uniklinik an.<br />

[Medikamentenabhängige MitarbeiterInnen haben gleichzeitig mehrere Gesetze übertreten. Das berufliche Ethos wurde<br />

verletzt. Bei den Betroffenen sind große Ängste vor den Konsequenzen vorhanden. Sie reichen von der Kündigung über die<br />

Aberkennung des Examens (und damit das Verbot der weiteren Berufsausübung) bis zur Strafverfolgung. Das Eingeständnis<br />

der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln (aus dem Bestand der Uniklinik) leitet also nicht die gleiche problemlösende Wende<br />

wie bei Alkoholismus ein. 1990 führte Medikamentendiebstahl und -abhängigkeit direkt nach Bekanntwerden zur<br />

außerordentlichen Kündigung. Dieses Vorgehen bringt die Betroffenen in eine ausweglose Situation. Sie müssen ihre Sucht<br />

unter allen Umständen geheim halten. Sie stellen damit ein hohes Gefahrenpotential dar, das im „Untergrund“ verborgen<br />

bleibt. Unseres Erachtens wäre es wichtig, die Existenz dieses Problems anzuerkennen und eine angemessene<br />

Ausstiegsmöglichkeit (unter Beibehaltung einer beruflichen Perspektive) zu entwickeln.]<br />

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Die 10 häufigsten Auffälligkeiten<br />

1. Fahne<br />

2. unkonzentriert, unzuverlässig<br />

3. unentschuldigtes Fehlen, häufig einzelne Fehltage<br />

4. nachlassende, schwankende Arbeitsleistungen, Fehler<br />

5. manchmal verschwommene, lallende Sprache<br />

6. Verschlechterung des Arbeitsklimas<br />

7. ungewöhnlich hoher Medikamentenverbrauch auf Station<br />

8. Fehlbestand von Medikamenten<br />

9. sozialer Rückzug<br />

10. körperlicher Abbau, bzw. Zusammenbruch<br />

Tabelle 4: Dauer der Betreuung und Zahl der Kontakte<br />

durchschnittliche<br />

Beratungsdauer<br />

pro Klient<br />

durchschnittliche<br />

Kontaktzahl<br />

pro Klient<br />

Insgesamt 18 Monate 32,5<br />

Mit Erfolg 21 Monate 33<br />

Ohne Erfolg 14 Monate 32<br />

Tabelle 4<br />

zeigt den durchschnittlichen Behandlungszeitraum von 1,5 Jahren. Fälle ohne Erfolg<br />

werden in ca. 1 Jahr (14 Monaten) abgeschlossen, da die Stabilisierungs- und<br />

Eingliederungsphase (Nachsorge) entfällt. Die Tabelle verdeutlicht den Zeithorizont,<br />

den alle an der Lösung des Einzelfalls Beteiligten benötigen.<br />

[Bei vier MitarbeiterInnen war das Handlungskonzept nicht anwendbar, so daß der Untersuchung ab dieser Tabelle 56 Fälle<br />

zugrunde liegen. Bei drei dieser vier MitarbeiterInnen lag keine primäre Suchterkrankung vor. Der Suchtmittelmißbrauch war<br />

nur ein Merkmal unter einer Vielzahl psychischer Auffälligkeiten. Im vierten Fall stand eine mehrjährige Beurlaubung<br />

unmittelbar bevor.]<br />

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Tabelle 5: Erfolg in Abhängigkeit von den Faktoren<br />

Durchführung arbeitsrechtlicher Maßnahmen (A)<br />

Inanspruchnahme externer Hilfen (B)<br />

Matrix der Fallgruppen:<br />

Faktor A:<br />

Arbeitsrechtl.<br />

Maßnahmen<br />

Faktor B:<br />

Externe Hilfen<br />

Fallgruppe: I II III IV<br />

kleine Interventionsgespräche<br />

große Interventionsgespräche<br />

Abmahnungen<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

durch Arbeitgeber<br />

Stationäre Entgiftung<br />

Selbsthilfegruppe<br />

Ambulante Therapie<br />

Stationäre Therapie<br />

- + - +<br />

- - + +<br />

Die Faktoren A: arbeitsrechtliche Maßnahmen und B: externe Hilfen werden in jeder<br />

möglichen Form kombiniert, so daß vier Fallgruppen entstehen. Die mittlere Spalte<br />

enthält die jeweils unter den Faktoren A und B zusammengefaßten Maßnahmen.<br />

In der Fallgruppe I wurden weder arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet (-),<br />

noch hat der/die Betroffene externe Hilfsangebote aufgesucht<br />

(-).<br />

In der Fallgruppe II wurden arbeitsrechtliche Schritte unternommen (+), allerdings<br />

haben die Betroffenen keine externen Hilfen ergriffen (-).<br />

In der Fallgruppe III haben die MitarbeiterInnen externe Hilfen angenommen (+),<br />

ohne daß es zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen kam bzw.<br />

kommen mußte (-).<br />

In der Fallgruppe IV wurden die externen Hilfen (+) aufgrund arbeitsrechtlichen<br />

Drucks ergriffen (+).<br />

[Das Handlungskonzept der Uniklinik enthält als Kernstück einen Stufenplan, der arbeitsrechtliche Konsequenzen (Faktor A)<br />

und Hilfsmaßnahmen (Faktor B) miteinander verbindet, um den sogenannten konstruktiven Leidensdruck zu erzeugen.]<br />

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Fallgruppen I II III IV<br />

Anzahl der KlientInnen (N=56) 14 11 13 18<br />

Faktor A:<br />

Arbeitsrechtl.<br />

Maßnahmen<br />

Faktor B:<br />

Externe Hilfen<br />

Ohne Erfolg<br />

Mit Erfolg<br />

kleine Interventionsgespräche 18 23<br />

große Interventionsgespräche 5 19<br />

Abmahnungen<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch<br />

8 10<br />

Arbeitgeber nach Handlungskonzept 5 2<br />

Stationäre Entgiftung 7 6<br />

Selbsthilfegruppe 8 12<br />

Ambulante Therapie 9 11<br />

Stationäre Therapie 5 13<br />

Insg.<br />

Abbruch des Kontaktes durch<br />

den/die Klient(in) 2 2<br />

Abbruch des Kontaktes durch<br />

den/die Vorgesetzte(n) 3 1 1 5<br />

Auslaufender befristeter Arbeitsvertrag<br />

1 1 2<br />

Kündigung durch Mitarbeiter(in) 2 1 3<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch<br />

Arbeitgeber nach Handlungskonzept 5 2 7<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch<br />

Arbeitgeber ohne Anwendung des<br />

Handlungskonzepts<br />

1 1 2<br />

Tod 1 1<br />

Summe 8 8 2 3 21<br />

bedingt<br />

Keine Auffälligkeiten,<br />

vermutlich reduziertes<br />

Trinken<br />

3 1 1 5<br />

erfolgreich Pos. Entwicklung, Abstinenz<br />

nicht gesichert feststellbar 3 1 4<br />

erfolgreich (überprüfbar abstinent) 1 10 15 26<br />

Summe 6 3 11 15 35<br />

Summe in %<br />

bezogen auf Klientenzahl<br />

der jeweiligen Fallgruppe<br />

43% 27% 85% 83% 63%<br />

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Tabelle 5<br />

zeigt die Ergebnisse der Untersuchung. Das Erfolgskriterium ist Alkoholabstinenz.<br />

Faktor A und B sind in je vier Stufen bzw. Maßnahmen untergliedert. Diese<br />

Untergliederungen zeigen, wie oft eine arbeitsrechtliche Maßnahme (A) bzw. eine<br />

externe Hilfe (B) bei der Gesamtzahl der KlientInnen einer Fallgruppe ergriffen<br />

wurde. 1<br />

In Fallgruppe I wurden weder arbeitsrechtliche Maßnahmen noch externe<br />

Hilfsangebote ergriffen. Nur 7 der 14 MitarbeiterInnen kamen auf Anordnung ihrer<br />

Vorgesetzten, 5 aufgrund von Empfehlungen Dritter (Heimleitung, Personalrat,<br />

Personal-, Hausarzt), 2 aus eigener Initiative. Nur die Hälfte der Vorgesetzten in<br />

Fallgruppe I hatte also das Problem erkannt und den/die betroffene(n) Mitarbeiter(in)<br />

an die Kontaktstelle verwiesen. 6 dieser Vorgesetzten nahmen nur flüchtig bzw. gar<br />

nicht Kontakt zu uns auf, 2 blieben uns völlig unbekannt. 2 Wegen der fehlenden<br />

Präsenz der Vorgesetzten konnte die tatsächliche Entwicklung der KlientInnen nicht<br />

überprüft werden. Arbeitsrechtliche Maßnahmen waren ohne die Kooperation mit<br />

den Führungskräften nicht möglich. Die Eigenmotivation der KlientInnen war (im<br />

Unterschied zur Fallgruppe III) nicht hoch genug, um externe Hilfsangebote<br />

anzunehmen. Da die Vorgesetzten nicht kooperierten, erfolgte die Aufnahme<br />

externer Hilfsangebote auch nicht aufgrund arbeitsrechtlichen Drucks (wie in<br />

Fallgruppe IV). Das Resultat ist ein geringer, nicht überprüfbarer Erfolg.<br />

In Fallgruppe II kam es, trotz zum Teil erheblicher Anstrengungen von<br />

Vorgesetzten und Kontaktstelle, ebenfalls nicht zur Aufnahme externer Hilfen und in<br />

der Konsequenz auch zu keinem positiven Ergebnis. Bei 6 der 11 Beschäftigten<br />

wurde das Arbeitsverhältnis schließlich durch den Arbeitgeber beendet (1 x ohne<br />

Anwendung des Handlungskonzepts).<br />

Auffällig ist, daß die Zahl großer Interventionsgespräche unter der Hälfte der<br />

Klientenzahl dieser Fallgruppe liegt. In Fallgruppe IV dagegen übersteigt die Zahl<br />

der Interventionsgespräche die Klientenzahl.<br />

Die Zahl der kleinen Interventionsgespräche und der Abmahnungen ist in Relation<br />

zur Klientenzahl der Fallgruppe deutlich höher als in Fallgruppe IV.<br />

Offenbar wurde in Fallgruppe II das große Interventionsgespräch mit Beteiligung der<br />

Personalabteilung und des Personalrates als Motivationsfaktor zu wenig genutzt.<br />

Schon bei den 6 KlientInnen ohne großes Interventionsgespräch kam es bei 4 zur<br />

Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber.<br />

In den Fallgruppen I und II war der Erfolg nur in einem Fall überprüfbar. In den<br />

anderen 8 Fällen war er lediglich bedingt feststellbar (siehe Tab. 5 unten).<br />

Das heißt,<br />

a) es wurde in 4 Fällen nach dem Beginn der Beratung zwar keine weitere<br />

Auffälligkeit mehr beobachtet (bzw. mitgeteilt), jedoch wurde reduziertes Trinken<br />

vermutet,<br />

b) in den anderen 4 Fällen wurde eine positive Entwicklung am Arbeitsplatz<br />

festgestellt. Die Abstinenz galt allerdings nicht als gesichert.<br />

1 Welche Maßnahmen im jeweiligen Einzelfall eingeleitet wurden, ist im Anhang getrennt nach Fallgruppen dargestellt.<br />

2 Diese Angaben ergeben sich aus unserer Fallanalyse. In der Tabelle sind sie nicht aufgeführt.<br />

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In den Fallgruppen III und IV lag die Erfolgsquote über 80%. Von den insgesamt<br />

26 erfolgreichen Fällen waren 25 überprüfbar abstinent. Entscheidend für dieses<br />

Ergebnis waren offenbar externe Hilfsangebote (Faktor B). Diese Hilfen wurden in<br />

der überwiegenden Zahl der Fälle allerdings erst durch das Ergreifen<br />

arbeitsrechtlicher Maßnahmen angenommen (Faktor A in Fallgruppe IV).<br />

Daß Fallgruppe IV eine ähnliches Ergebnis hat, wie Fallgruppe III, bestätigt die<br />

Wirksamkeit konsequenten Vorgehens. Erfolg wird fast ausschließlich nur dann<br />

erreicht, wenn der Druck auch zur Annahme externer Hilfen führt (Faktor B).<br />

Fazit<br />

Wir sehen in den Ergebnissen unserer Untersuchung eine Bestätigung des<br />

Handlungskonzeptes. Die Zahlen zeigen, daß sich der Einsatz für suchtkranke<br />

Mitar-beiterInnen lohnt. Sie belegen unsere Erfahrung, daß der Erfolg in hohem Maß<br />

von der Kooperation der Vorgesetzten abhängt; denn nur durch sie können die<br />

nötigen Interventionen eingeleitet werden.<br />

Aus diesem Grund haben wir in den vergangenen 8 Jahren über 40 Tagesseminare<br />

und Informationsveranstaltungen für Vorgesetzte und Personalverantwortliche<br />

durchgeführt. Mit Aktionstagen und Vorträgen haben wir für das Thema immer<br />

wieder sensibilisiert.<br />

Diese innerbetriebliche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit diente neben<br />

Wissensvermittlung und der Information über das Handlungskonzept auch dem<br />

persönlichen Kennenlernen. Die persönliche Kenntnis der Berater war in vielen<br />

Fällen die Voraussetzung für Vorgesetzte zur Kontaktaufnahme.<br />

Wie uns die Zahlen zeigen, gibt es auch 10 Jahre nach der Erstellung des<br />

Handlungskonzeptes Bedarf für weitere Seminare. Hier sind insbesondere die<br />

oberen Führungsebenen miteinzubeziehen. Gezielte Führungsseminare wurden<br />

bisher nur für die nachgeordneten Hierarchieebenen durchgeführt. Die<br />

Verantwortung für das große Interventionsgespräch, unserem wirksamsten<br />

Motivationsmittel, liegt aber gerade in den Händen der Führungsspitze und ist leider<br />

bisher noch überwiegend unbekannt. Zur Schließung dieser Lücke werden wir<br />

weiterhin Initiativen ergreifen.<br />

Einen zweiten Schwerpunkt haben wir auf die Neubewertung der externen<br />

Hilfsangebote gelegt (Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, psychotherapeutische<br />

Praxen und Fachkliniken). Bei den ambulanten und stationären Hilfen hat in den<br />

letzten Jahren eine Ausdifferenzierung stattgefunden, die der Unterschiedlichkeit der<br />

Krankheitsverläufe und der persönlichen Situation der Einzelnen vermehrt<br />

Rechnung trägt. Die Vermittlung der bestgeeignetsten Hilfsmaßnahmen setzt deren<br />

genaue Kenntnis sowohl personell als auch inhaltlich voraus.<br />

Wir hoffen, daß diese Untersuchung die Transparenz unserer Arbeit verbessert. Für<br />

Fragen, Kritik und Vorschläge stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.<br />

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