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Lehren und lernen in der Botanik

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studium & lehre<br />

<strong>Lehren</strong> <strong>und</strong> <strong>lernen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Botanik</strong><br />

Welche Unterrichtsmethoden machen e<strong>in</strong> effektives Arbeiten an außerschulischen<br />

Lernorten möglich? Um das herauszuf<strong>in</strong>den, hat Franziska Wiegand im Botanischen<br />

Garten Projekttage durchgeführt: mit r<strong>und</strong> 540 Schülern aus Mittel- <strong>und</strong> Realschulen.<br />

E<strong>in</strong> erstes Resultat: Egal, ob die Schüler eigenständig an Lernstationen arbeiten o<strong>der</strong><br />

ob sie an Führungen teilnehmen – <strong>der</strong> Lernerfolg ist <strong>in</strong> beiden Fällen gleich groß.<br />

Eigentlich hatte Franziska Wiegand, Doktorand<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Biologie-Didaktik, etwas an<strong>der</strong>es<br />

erwartet. Sie vermutete, dass beim schülerzentrierten<br />

Lernen an Stationen e<strong>in</strong> besserer Effekt<br />

erzielt wird als bei lehrerzentrierten Führungen.<br />

Doch <strong>der</strong> Lernerfolg unterscheidet sich nicht. Für<br />

Botanische Gärten <strong>und</strong> vergleichbare Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

dürfte dieses Ergebnis <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong><br />

– schließlich sei für das Lernen an Stationen, das<br />

<strong>der</strong> gemäßigten konstruktivistischen Lerntheorie<br />

folgt, e<strong>in</strong> deutlich größerer Aufwand nötig als für<br />

Führungen, so Wiegand.<br />

An Lernstationen arbeiten die Schüler selbstständig:<br />

Sie können frei wählen, <strong>in</strong> welcher Reihenfolge<br />

sie die Aufgaben absolvieren. Ganz ohne Lehrkraft<br />

müssen sie die Anleitungen lesen, die Experimente<br />

durchführen, die Ergebnisse beschreiben <strong>und</strong> deuten.<br />

Bei Führungen dagegen bekommen sie von<br />

e<strong>in</strong>er Lehrkraft den roten Faden aufgezeigt, <strong>und</strong><br />

viele Inhalte werden anschaulich mit kle<strong>in</strong>en Experimenten,<br />

Modellen <strong>und</strong> Abbildungen erschlossen<br />

– ganz wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unterrichtsgespräch.<br />

Pflanzen, Wasser <strong>und</strong> Lotus-Effekt<br />

Beide Unterrichtsmethoden haben 21 achte Klassen<br />

aus Realschulen <strong>und</strong> aus M-Zügen von Mittelschulen<br />

bei den Projekttagen im Botanischen<br />

Garten durchlaufen. Zum e<strong>in</strong>en g<strong>in</strong>g es ums Thema<br />

„Pflanzen <strong>und</strong> Wasser“, zum an<strong>der</strong>en um<br />

den Lotus-Effekt, <strong>der</strong> Pflanzenblätter wasser- <strong>und</strong><br />

schmutzabweisend macht. Die Doktorand<strong>in</strong> hatte<br />

diese Themen ausgewählt, weil für achte Klassen<br />

die „Anpassung von Organismen an den Lebens-<br />

96<br />

Schüler machen<br />

Experimente zum<br />

Lotus-Effekt: Wie schnell<br />

rollen Wassertropfen von<br />

Blättern herab? Bei <strong>der</strong><br />

Kapuz<strong>in</strong>erkresse (l<strong>in</strong>ks),<br />

die e<strong>in</strong>en ausgeprägten<br />

Lotus-Effekt aufweist,<br />

passiert das wesentlich<br />

schneller als bei e<strong>in</strong>em<br />

Buchenblatt.<br />

(Foto Franziska Wiegand)<br />

raum Wasser“ auf dem Lehrplan steht. Mit <strong>der</strong><br />

angehenden Lehrer<strong>in</strong> T<strong>in</strong>a Katzenberger hat sie<br />

Gruppen von 15 bis 17 Schülern betreut. Die Jugendlichen<br />

bekamen zunächst e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung.<br />

An Lernstationen <strong>und</strong> bei Führungen zum<br />

Thema „Pflanzen <strong>und</strong> Wasser“ gewannen sie dann<br />

E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die <strong>Botanik</strong>. An frisch gekeimten Samen<br />

<strong>der</strong> Gartenkresse konnten die Schüler unter<br />

<strong>der</strong> Lupe die fe<strong>in</strong>en Wurzelhärchen betrachten.<br />

Wie das Wasser von <strong>der</strong> Wurzel <strong>in</strong> die Blätter gelangt,<br />

erfuhren sie anhand e<strong>in</strong>facher Experimente.<br />

Warum Aloe fleischige Blätter hat<br />

Mit Blättern <strong>und</strong> Klimadiagrammen lernten die<br />

Schüler, wie Pflanzen an trockene Standorte angepasst<br />

s<strong>in</strong>d: Aus den fleischigen Blättern <strong>der</strong> Aloe<br />

vera lässt sich leicht Wasser herauspressen, während<br />

das beim Breitwegerich nicht funktioniert.<br />

Schlussfolgerung: Aloe speichert Wasser <strong>in</strong> den<br />

Blättern, weil sie <strong>in</strong> trockenen Klimazonen wächst.<br />

Welche Unterrichtsmethoden welchen Lernerfolg<br />

br<strong>in</strong>gen: Das ist nicht die e<strong>in</strong>zige Forschungsfrage,<br />

die Franziska Wiegand angeht. Sie will auch herausf<strong>in</strong>den,<br />

wie sich verschiedene Lehrmethoden<br />

auf die Motivation <strong>der</strong> Schüler auswirken. Dazu<br />

verwendet sie e<strong>in</strong>en standardisierten Test, den IMI<br />

(Intr<strong>in</strong>sic Motivation Inventory) von Deci <strong>und</strong> Ryan<br />

aus dem Jahr 1985. Damit misst man Interesse,<br />

Aufwand, Kompetenz <strong>und</strong> Anspannung <strong>der</strong> Schüler.<br />

Schülervorstellungen mit e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den<br />

Weitere Frage: Verbessert es den Lernerfolg, wenn<br />

man zuerst die Vorstellungen <strong>der</strong> Schüler zu bestimmten<br />

Themen abfragt <strong>und</strong> diese Vorstellungen<br />

dann <strong>in</strong> den Unterricht e<strong>in</strong>baut? Das will die Doktorand<strong>in</strong><br />

über den Lotus-Effekt klären. Dieser Effekt<br />

sorgt bei bestimmten Pflanzen dafür, dass Wasser<br />

gut von den Blättern abperlt <strong>und</strong> dabei Schmutz<br />

partikel mitnimmt, so dass die Blätter trocken <strong>und</strong><br />

sauber bleiben. Im Fachgebiet Bionik versucht <strong>der</strong><br />

Mensch, aus dem Vorbild <strong>der</strong> Natur zu <strong>lernen</strong>. So<br />

strebt er auch technische Anwendungen an, die<br />

sich an <strong>der</strong> Selbstre<strong>in</strong>igungskraft <strong>der</strong> Lotus-Blätter<br />

orientieren.<br />

Kennen Achtklässler den Lotus-Effekt? Um das<br />

herauszuf<strong>in</strong>den, bekamen die Schüler e<strong>in</strong>ige Wo-


Doktorand<strong>in</strong> Franziska<br />

Wiegand (l<strong>in</strong>ks) führt<br />

Schüler<strong>in</strong>nen durch<br />

den Botanischen<br />

Garten.<br />

(Foto T<strong>in</strong>a<br />

Katzenberger)<br />

chen vor ihrem Besuch im Botanischen Garten offene<br />

Fragebögen. Dar<strong>in</strong> sollten sie unter an<strong>der</strong>em<br />

sagen, was es bedeutet, wenn e<strong>in</strong>e Oberfläche<br />

schlecht benetzbar ist. „Viele wussten die richtige<br />

Antwort, viele dachten aber auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Richtung. Sie glaubten zum Beispiel, dass damit<br />

e<strong>in</strong> schlechter Handy-Empfang geme<strong>in</strong>t sei“, sagt<br />

Wiegand. Genau solche irrigen Vorstellungen baute<br />

die Doktorand<strong>in</strong> <strong>in</strong> neue Fragebögen <strong>und</strong> <strong>in</strong> die<br />

Unterrichtse<strong>in</strong>heit zum Lotus-Effekt e<strong>in</strong>, um die<br />

Schüler im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> didaktischen Rekonstruktion<br />

damit zu konfrontieren. Hat diese Strategie den<br />

Lernerfolg im Vergleich zu Klassen, die nicht mit<br />

Schülervorstellungen konfrontiert wurden, verbessert?<br />

Das kann sie <strong>der</strong>zeit nicht sagen, da die Auswertungen<br />

noch laufen.<br />

Insgesamt vier Fragebögen hatte je<strong>der</strong> Schüler aus-<br />

Lehr-Lern-Garten: Mehrwert für die Lehramtsausbildung<br />

Bei ihrer Doktorarbeit kooperiert Franziska Wiegand eng mit Dom<strong>in</strong>ik Katterfeldt,<br />

dem Koord<strong>in</strong>ator des Lehr-Lern-Gartens. Dieses Projekt des Botanischen<br />

Gartens wurde konzipiert, um Studierenden unterschiedlicher Fakultäten<br />

Praxiserfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissensvermittlung zu ermöglichen. Vor allem die Ausbildung<br />

von Lehramtsstudierenden soll dadurch deutlich verbessert werden:<br />

Durch die Ausarbeitung <strong>und</strong> Durchführung von Lerne<strong>in</strong>heiten im Lehr-Lern-<br />

Garten können die Studierenden frühzeitig praxisorientierte Erfahrungen<br />

mit Schulklassen sammeln <strong>und</strong> Unterrichtskompetenz entwickeln. Professor<br />

Markus Rie<strong>der</strong>er betont die vielfältigen Angebote des Lehr-Lern-Gartens. In<br />

<strong>der</strong> Begleitforschung, wie die Doktorand<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Biologie-Didaktik sie leistet,<br />

sieht er e<strong>in</strong>en wertvollen Bauste<strong>in</strong>, um die Angebote des Gartens <strong>und</strong> die<br />

Ausbildungssituation für Studierende nachhaltig<br />

weiter zu verbessern. Rie<strong>der</strong>er ist als Direktor des<br />

Botanischen Gartens verantwortlich für den aus Studienbeiträgen<br />

f<strong>in</strong>anzierten Lehr-Lern-Garten.<br />

studium & lehre<br />

zufüllen: Den ersten bei <strong>der</strong> Abfrage <strong>der</strong> Vorstellungen<br />

mehrere Wochen vor dem Projekttag. Dann erneut<br />

sieben Tage davor e<strong>in</strong>en Bogen zur Erhebung<br />

des Vorwissens, <strong>in</strong> den die Schülervorstellungen<br />

e<strong>in</strong>gearbeitet waren. Direkt nach dem Projekttag<br />

folgte e<strong>in</strong>e weitere R<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> sechs Wochen später<br />

gab es die gleichen Fragebögen noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten Version – um kurz- <strong>und</strong> langfristige<br />

Lerneffekte beurteilen zu können.<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> Bögen bedeutet bei <strong>in</strong>sgesamt<br />

540 Schülern ziemlich viel Arbeit. „Das ist<br />

schon e<strong>in</strong>e ziemlich aufwendige <strong>und</strong> große Wirkungsstudie“,<br />

sagt Dr. Thomas Heyne. Der Leiter<br />

<strong>der</strong> Fachgruppe Didaktik Biologie betreut dieses<br />

Forschungsprojekt mit fachdidaktischem Schwerpunkt<br />

zusammen mit Professor Georg Krohne.<br />

Unterstützer <strong>der</strong> Studie<br />

Der unterfränkische<br />

M<strong>in</strong>isterialbeauftragte<br />

für Realschulen, Horst<br />

Karch, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Leitende<br />

Regierungsschuldirektor<br />

Günter Renner, <strong>der</strong> für<br />

Haupt- <strong>und</strong> Mittelschulen<br />

zuständig ist, unterstützen<br />

das Projekt.<br />

Unter an<strong>der</strong>em haben<br />

sie die Schulen darum<br />

gebeten, an dem Projekt<br />

teilzunehmen, <strong>und</strong> den<br />

Forschern die Namen<br />

<strong>in</strong>teressierter Lehrkräfte<br />

genannt.<br />

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