JAHRESBERICHT 2003 - Uniklinik Köln
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FORSCHUNG UND LEHRE<br />
Prof. Dr. Marc Possover<br />
QUERSCHNITTSGELÄHMTE ERLANGEN KONTROLLE<br />
ÜBER IHRE BLASEN- UND DARMFUNKTIONEN ZURÜCK<br />
Rechnet man alle medizinischen Maßnahmen zusammen,<br />
die querschnittsgelähmte Patienten zur Behandlung<br />
ihres Blasenproblems benötigen (unter anderem<br />
Katheter, Antibiotika, Dialyse, Urinkulturen mit Antibiogramm)<br />
könnte die Neurostimulation zu einer bedeutenden<br />
Ersparnis führen. Allein in den USA belaufen<br />
sich die Kosten für die bisherige Behandlung auf rund<br />
8,2 Milliarden Dollar pro Jahr.<br />
WIEDER LAUFEN LERNEN<br />
In Deutschland leben rund 70.000 Querschnittsgelähmte,<br />
jedes Jahr kommen rund 1.700 dazu. Autound<br />
Sportunfälle sind die häufigsten Ursachen. Die<br />
Lähmung betrifft dabei nicht nur die Gliedmaßen, sondern<br />
auch die anderen Muskelgruppen. Insbesondere<br />
die Schließmuskulatur und die Muskulatur der Blasenwand<br />
sind für die Patienten nicht mehr steuerbar – was<br />
eine große Belastung für die Betroffenen darstellt und<br />
oft zu sozialer Isolation führt. Zudem zieht dies meist<br />
Folgeerkrankungen nach sich: Die Patienten leiden<br />
durch Harnstau oft an Blasenentzündung und Infektionen<br />
des Nierenbeckens, was zu Nierenschädigungen<br />
oder zur Zerstörung des Harntrakts führen kann.<br />
Prof. Possover ist darüber hinaus seit 2002 an einem<br />
europäischen Forschungsprojekt unter Leitung von<br />
Prof. Pierre Rabischong aus Montpellier beteiligt. Es<br />
trägt den Titel SUAW (Stand Up And Walk) und soll<br />
querschnittsgelähmten Patienten das Aufstehen und<br />
Laufen ermöglichen – ebenfalls per Neurostimulation.<br />
Ein elektronisches Implantat wird dafür mittels Elektroden<br />
mit den entsprechenden Nerven und Muskeln<br />
verbunden und von außen über Funk und einen Computer<br />
gesteuert, der den Bewegungsablauf künstlich<br />
erzeugt. Am 19. Dezember 2002 pflanzte Prof. Possover<br />
als erster Operateur weltweit einem 26-jährigen Querschnittsgelähmten<br />
per Laparoskopie erfolgreich ein<br />
Neuroimplantat ein. Es ermöglicht ihm, sich wieder auf<br />
seinen eigenen Beinen mit einem Gehrad fortzubewegen.<br />
Noch in diesem Jahr sollen drei weitere Patienten<br />
solch ein Implantat eingesetzt bekommen.<br />
Hoffnung für die Betroffenen bringt nun ein neuartiges<br />
Operationsverfahren, das von Prof. Dr. Marc<br />
Possover, Arzt an der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde<br />
und Geburtshilfe der Universität zu <strong>Köln</strong>,<br />
entwickelt und klinisch erprobt wird. Endoskopisch<br />
werden dabei den Patienten Elektroden an Nerven im<br />
Beckenbereich implantiert. Sie stimulieren diese „auf<br />
Knopfdruck“ und geben den Betroffenen somit wieder<br />
die Kontrolle ihrer Schließ- und Blasenmuskulatur zurück.<br />
Prof. Possover identifizierte dabei erstmals die<br />
Funktion dreier verschiedener, unabhängiger Nervensysteme<br />
im kleinen Becken, die jeweils getrennt stimuliert<br />
werden können. Dadurch lassen sich Harnstau<br />
und die daraus resultierenden Folgeerkrankungen zu<br />
einem großen Teil vermeiden.<br />
Besonders schwierig ist die Operation der sehr tief liegenden<br />
Nerven, die meist kleiner als einen Millimeter<br />
im Durchmesser sind. Prof. Possover verwendet dafür<br />
eine spezielle mikrochirurgische Methode, die Laparoskopie,<br />
die nur eine winzige Öffnung benötigt, eine<br />
zehn- bis fünfzehnfache optische Vergrößerung erlaubt<br />
und dadurch besonders nervschonend ist.<br />
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