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Wenn Arbeit krank macht

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<strong>Wenn</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>krank</strong> <strong>macht</strong>....!<br />

Behandlung von<br />

berufsbezogenen Problemen<br />

bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

Donnerstag, 28.August 2008, Kliniken Daun<br />

Andrea Thüringer Frank Reger<br />

Dipl.-Psychologin Dipl. Pädagoge<br />

Psychol. Psychotherapeutin Abteilungsleiter Berufliche<br />

Bezugstherapeutin Wiedereingliederung


Gliederung<br />

1. Einleitung<br />

2. Definition berufsbezogener Probleme bzw.<br />

<strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3 Wirkfaktoren berufsbezogener Probleme bzw.<br />

<strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

4. Diagnosen versus „Krankheitsbilder“<br />

5. Berufliche Wiedereingliederung<br />

6. Praxisbezug und theoretische Exkurse<br />

7. Diskussion


1. Einleitung<br />

- Behandlungsauftrag: Wiederherstellung der<br />

Erwerbsfähigkeit<br />

- Behandlungsziel: Bewältigung psychischer<br />

Beschwerden und Klärung der beruflichen Situation<br />

- Und: berufsbezogene Probleme sind in der<br />

psychosomatischen Behandlung stark vertreten


1. Einleitung<br />

- Anzahl der AU-Tage bei psychischen Er<strong>krank</strong>ungen<br />

steigt trotz generellem Rückgang der<br />

Krankmeldungen<br />

- Der Anteil psychischer Er<strong>krank</strong>ungen liegt je nach<br />

Krankenkasse zw. 6% und 13%<br />

- Deutlich längere AU-Dauer bei psychischen<br />

Er<strong>krank</strong>ungen


1. Einleitung<br />

- Vor allem Menschen im mittleren Lebensalter sind<br />

betroffen<br />

- starke Zunahme bei jüngeren Versicherten


1.Einleitung<br />

- Zusammenhang zw. Psych. Er<strong>krank</strong>ung und<br />

<strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

- Es gibt u. a. branchenspezifische Häufungen


1. Einleitung<br />

Erklärungsversuche:<br />

- Reale Zunahme psychischer Er<strong>krank</strong>ungen<br />

- Mehr + bessere Diagnostik<br />

- Betroffene nehmen eher Behandlung in Anspruch


1. Einleitung<br />

Krankheitsbegünstigende Faktoren:<br />

- Wegfall sozialer Strukturen<br />

- gestiegene <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

- unsichere <strong>Arbeit</strong>sverhältnisse<br />

- gestiegene <strong>Arbeit</strong>sbelastungen<br />

- Über- / Unterforderung<br />

- geringer Handlungsspielraum<br />

- mangelnde Anerkennung


1. Einleitung<br />

Zahlen 2007:<br />

- 359 Patienten in der Psychosomatischen Abteilung<br />

- 70% nehmen Beratungsangebot der Abteilung für<br />

Berufliche Integration in Anspruch.<br />

- 20% der Patienten sind arbeitslos<br />

- 12,3% nehmen eine Stufenweise<br />

Wiedereingliederung in Anspruch


2. Definition berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

Berufsbezogene Probleme bzw. „<strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

sind gravierende Probleme, die sich bei der<br />

Ausführung von <strong>Arbeit</strong> ergeben. Sie können<br />

negative Folgen für die Ergebnisse der <strong>Arbeit</strong><br />

haben, zu einer Beeinträchtigung des<br />

Wohlbefindens führen oder zu einer Schädigung<br />

des arbeitenden Menschen in körperlicher,<br />

psychischer und sozialer Hinsicht beitragen“<br />

(Hoffmann & Hofmann, 2004, S.8)


2. Definition berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

Beispiele berufsbezogener Probleme und<br />

<strong>Arbeit</strong>sstörungen:<br />

„Burnout“<br />

„Mobbing“<br />

„<strong>Arbeit</strong>ssucht“<br />

„<strong>Arbeit</strong>sphobie“


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

1. <strong>Arbeit</strong>sfaktoren – ungünstige <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

5. Gesamtwirtschaftliche<br />

Rahmenbedingungen<br />

2. Faktoren, die die<br />

<strong>Arbeit</strong>sorganisation betreffen<br />

3. Personale Faktoren<br />

4. Zwischenmenschliche<br />

Probleme am <strong>Arbeit</strong>splatz<br />

Abbildung 1 (nach Hoffmann & Hofmann, 2004)


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.1 <strong>Arbeit</strong>sfaktoren<br />

ungünstige <strong>Arbeit</strong>sbedingungen:<br />

- Zeit-/Termindruck,<br />

- Unterbrechungen/Störungen, Lärm<br />

- Fremdbestimmtheit versus<br />

- Verantwortungsdruck,<br />

- Schicht-/Nachtarbeit, Überstunden,<br />

- Angst vor <strong>Arbeit</strong>splatzverlust


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.2 Faktoren, die <strong>Arbeit</strong>sorganisation betreffen:<br />

- fehlende Struktur<br />

- fehlende Tagesziele und Prioritäten<br />

- inadäquate Pläne<br />

- fehlende Pausen


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.3 Personale Faktoren:<br />

- Stressstabilität<br />

- Kritik- und Konfliktfähigkeit<br />

- Umgang mit Ärger<br />

- Veränderungsfähigkeit<br />

- Kränkbarkeit<br />

- Selbstwirksamkeit<br />

- Leistungsbereitschaft und –ansprüche<br />

- Pflichtbewußtsein


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.4 Zwischenmenschliche Probleme am<br />

<strong>Arbeit</strong>splatz:<br />

- fehlende Unterstützung<br />

- Konkurrenzdruck<br />

- Konflikte


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.4.1. Definition Konflikt<br />

- zwei oder mehrere Einzelpersonen, Gruppen …..<br />

nehmen sich in einem Interessengegensatz wahr…<br />

- mindestens eine Seite sieht sich durch die andere<br />

daran gehindert, ihre Vorstellungen oder Absichten<br />

durchzusetzen<br />

(nach Martin & Schuster, 2005)


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.4.2 Verschiedene Konfliktebenen<br />

Wertkonflikt<br />

innerer Konflikt<br />

Sach- Beziehungs-<br />

Konflikt Konflikt<br />

Abbildung 2 (aus Martin & Schuster, 2005, S. 67)


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

1. <strong>Arbeit</strong>sfaktoren – ungünstige <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

5. Gesamtwirtschaftliche<br />

Rahmenbedingungen<br />

2. Faktoren, die die<br />

<strong>Arbeit</strong>sorganisation betreffen<br />

3. Personale Faktoren<br />

4. Zwischenmenschliche Probleme<br />

am <strong>Arbeit</strong>splatz<br />

Abbildung 1 (nach Hoffmann & Hofmann, 2004)


3. Wirkfaktoren berufsbezogener<br />

Probleme bzw. <strong>Arbeit</strong>sstörungen<br />

3.5 Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />

- „wenn <strong>Arbeit</strong> <strong>krank</strong> <strong>macht</strong>, <strong>macht</strong> <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

noch kränker“<br />

- Massenarbeitslosigkeit / Verlagerung v.<br />

<strong>Arbeit</strong>splätzen<br />

- Ständige Verschlankung und Fusionen<br />

- Verlust der finanziellen Sicherheit / Existenzangst


4. Diagnosen versus<br />

„Krankheitsbilder“<br />

„Krankheitsbilder“<br />

- keine homogene Störungsgruppe und keine zu<br />

klassifizierenden ICD-Diagnosen<br />

- Berufliche Kontexte werden „maskiert“ (Missel &<br />

Passameras, 2005)


4. Diagnosen versus<br />

„Krankheitsbilder“<br />

Die häufigsten Diagnosen (in 2007):<br />

- Anpassungsstörung /Posttraumatische<br />

Belastungsstörung 17%<br />

- Depressive Episode / rezidivierende<br />

depr.Störung unterschiedlicher Schwere 49,5%<br />

- Somatoforme Störung 2,8%<br />

- Angststörung 10,6%<br />

und: 35 % der Psychosomatik-Patienten weisen<br />

Komorbiditätsdiagnosen (Substanzdiagnosen) auf


5. Berufliche Wiedereingliederung<br />

in den Kliniken Daun<br />

- Frühzeitige Beratung von Patienten mit Problemen<br />

am <strong>Arbeit</strong>splatz /<strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

- Enge Verzahnung mit ärztlichen und therapeutischen<br />

Team<br />

- „Netzwerkarbeiter“: Einbeziehung aller für eine<br />

Eingliederung erforderlichen Gruppen


Stress-Test<br />

Bist Du<br />

überarbeitet?<br />

<strong>Wenn</strong> du auf dem Bild<br />

zwei<br />

Delfine siehst, dann bist<br />

du OK und kannst<br />

weiterarbeiten.<br />

<strong>Wenn</strong> nicht, dann hast<br />

du stressbedingte<br />

Halluzinationen und es<br />

ist höchste Zeit nach<br />

Hause zu gehen!


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1 Herr B. und sein Stress<br />

6.1.1. 25-jähriger Patient, leichte Behinderung<br />

Aufnahme formal arbeitsunfähig<br />

Zuweisungsdiagnosen: Depression, Stimmungsschwankungen<br />

Soziale Rahmenbedingungen:<br />

Ledig, kinderlos, mit Partnerin im Elternhaus in<br />

eigener Wohnung, <strong>Arbeit</strong>sstelle infolge<br />

Überforderung selber gekündigt,<br />

Partnerschaftskonflikte<br />

GdB von 66%


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.1. berufliche Situation von Herrn B.:<br />

- Sonderschule ohne Abschluss, arbeitslos,<br />

- letzte Tätigkeit: landwirtschaftlicher Helfer, schwere<br />

körperliche Tätigkeit, vollschichtig, im Gehen,<br />

Stehen, Sitzen. Schweres Heben und Tragen<br />

von Lasten, Belastung durch Staub,<br />

Temperaturschwankungen und Witterung


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.2 Theorie:<br />

„Stress ist die Aktivierungsreaktion<br />

des Organismus auf die Anforderungen<br />

und Bedrohungen – auf die so<br />

genannte Stressoren.“<br />

(Lietzcke & Schuh,2005, S. 6)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.2 Theorie: Transaktionales Stressmodell von<br />

Lazarus (1974)<br />

Stress = Zusammenspiel zwischen<br />

situativen Anforderungen + individuellen<br />

Beurteilungen der eigenen Ressourcen<br />

Entscheidend ist die subjektive Bewertung<br />

der Anforderungen<br />

(aus Litzcke & Schuh, 2005)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

Transaktionales Stressmodell von Lazarus (1974):<br />

„Erstbewertung“: Ist Ereignis<br />

bedrohlich?<br />

„Zweitbewertung“: Welche<br />

Bewältigungsmöglichkeiten<br />

stehen zur<br />

Verfügung?<br />

„Neubewertung“:<br />

Verstärkung/Reduzierung der<br />

wahrgenommenen Bedrohung<br />

und Anpassungsreaktionen<br />

Zwei Arten der<br />

Stressbewältigung:<br />

- problemorientiertes<br />

Coping<br />

- emotionsregulierendes<br />

Coping


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.2 Theorie<br />

Frontalhirn ist für Stress anfällig<br />

- Bei großem Stress funktionales Frontalhirndefizit, da<br />

keine handlungsleitenden Muster verfügbar.<br />

- Je größer der Stress, desto archaischer die<br />

Reaktionsmuster (Angriff, Flucht, Erstarrung)<br />

Hüther (2006)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.3 Anwendung der Theorie, Herr B.:<br />

<strong>Arbeit</strong>sfaktoren: ungünstige <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

Zu viele Aufgaben, hohe Verantwortung, Überstunden<br />

Faktoren der<br />

<strong>Arbeit</strong>sorganisation:<br />

Fehlende Pausen,<br />

keine Tagesstruktur<br />

Personale Faktoren:<br />

Geringe Stressstabilität<br />

Emotional instabil<br />

bei Überforderung<br />

selbstverletztendes Verhalten,<br />

geringe<br />

Frustrationstoleranz


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.4 Diagnostik<br />

HAWIE-R<br />

• IQ = 84 knapp<br />

unterdurchschnittliche Intelligenz<br />

Symptomcheckliste (SCL-90-R)˫<br />

• Bei GSI-Wert von T=70 deutlich erhöhte<br />

Belastetheit


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.4 Diagnostik<br />

<strong>Arbeit</strong>sbezogenes Verhaltens- und<br />

Erlebensmuster (AVEM):<br />

• Gesundheitsgefährdendes Verhaltensmuster<br />

(Risikotyp B):<br />

• geringe Distanzierungsfähigkeit,<br />

• starke Resignationstendenz,<br />

• Deutlich eingeschränktes Lebensgefühl


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.4 Diagnostik<br />

Rehabilitationsdiagnosen:<br />

- Emotional instabile Persönlichkeitsstörung,<br />

impulsiver Typus (ICD 10: F 60.3)<br />

- Mittelgradige depressive Episode<br />

(ICD 10: F 32.1)<br />

- Adipositas (ICD 10: E 66.0)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.5 Therapieziele und –planung:<br />

• Verringerung der depressiven Symptomatik<br />

• Verbesserung der Umgangsstrategien mit der<br />

Impulsivität<br />

• Förderung des Selbstwertgefühls und<br />

Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit<br />

• Verbesserung der Stressbewältigung<br />

• Förderung der Entspannungsfähigkeit<br />

• Klärung der partnerschaftlichen Situation<br />

• Klärung der beruflichen und sozialen Situation


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.6 Therapiemaßnahmen<br />

(bzgl. berufsbezogener Problematik)˫<br />

• Einüben sozialer Kompetenzen, Rollenspiele<br />

• Stressbewältigungstraining<br />

• Beratung zur beruflichen Wiedereingliederung<br />

• Erarbeitung einer realistischen beruflichen Perspektive<br />

• Training von Bewerbungskompetenzen<br />

• Aktive Bewerbung<br />

• Adaption<br />

• Praktikum als landwirtschaftlicher Helfer<br />

• Kontakt zum Integrationsamt am Wohnort<br />

• Vermittlung ins Betreute Wohnen


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.1.7 Ergebnis:<br />

- Erfolgreiches Praktikum als Helfer auf Pferdehof<br />

- Entlassung arbeitsfähig<br />

- abgesprochener und “geschützter” beruflicher<br />

Wiedereinstieg mit Unterstützung des<br />

Integrationsfachdienstes<br />

- Betreutes Wohnen zur weiteren Stabilisierung


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2 Frau R. und Burnout<br />

6.2.1 59-jährige Altenpflegerin<br />

-Aufnahme formal arbeitsfähig.<br />

-Zuweisungsdiagnose: Erschöpfung bzw. Burnout, Dysthymia und<br />

Angstzustände<br />

Soziale Rahmenbedingungen:<br />

geschieden, alleinlebend, Ausbildung nach der<br />

Trennung, finanziell angespannte Situation, belastende<br />

<strong>Arbeit</strong>ssituation durch technische und formale<br />

Anforderungsveränderungen, <strong>Arbeit</strong>süberlastung und<br />

Schwierigkeiten sich abzugrenzen, Angst vor Kündigung


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.1 Berufliche Situation von Frau R.:<br />

- Schichtdienst, häufig wechselnde Schichten<br />

- mittelschwere bis schwere <strong>Arbeit</strong> bei wechselnden<br />

Körperhaltungen<br />

- Heben von Lasten<br />

- hohe Verantwortung für Menschen<br />

- Zeitdruck<br />

- hoher Dokumentations- und<br />

Kommunikationsaufwand


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.1 Subjektive Problembeschreibung<br />

- Gestiegene <strong>Arbeit</strong>sanforderungen,<br />

- gestiegener Dokumentationsaufwand<br />

- Definition der Problemlage: Unsicherheit gegenüber<br />

neuen Medien und Dokumentationsformen,<br />

Pflegevorgaben nicht einzuhalten, häufiges<br />

Verausgaben aus Angst vor <strong>Arbeit</strong>splatzverlust


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.2 Theorie<br />

Bei Dauerstress: Körper stellt sich auf das hohe<br />

Leistungsniveau ein;<br />

Ermüdung andauernde Erschöpfung, andere<br />

psychosomatischen Symptome<br />

(Unger & Kleinschmidt, 2007)˫


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.2 Theorie<br />

Definition „Burnout“<br />

• dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand<br />

„normaler“ Individuen.<br />

• Geprägt von Erschöpfung, Unruhe und Anspannung (distress)˫<br />

• Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation<br />

• Entwicklung disfunktionaler Einstellungen und<br />

Verhaltensweisen<br />

• resultiert aus Fehlanpassung von Intentionen und<br />

Berufsrealität.<br />

(Schaufeli & Enzmann, 1998, nach Burisch, 2006)˫


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.2 Theorie: Merkmale von „Burnout“<br />

• Schwerwiegende und anhaltende psycho-physischer<br />

Erschöpfung<br />

• Vielzahl vegetativer und psychosomatischer Beschwerden<br />

• Verlust an Energie und sozialem Rückzug<br />

• Schleichender Prozess<br />

Gefährdung:<br />

- bei ständigem hohen Einsatz nur wenig Erfolg<br />

- besonders hohe Ansprüche an sich, Neigung zu Perfektionismus<br />

- übermäßiges Engagement<br />

- kaum Distanzierungsfähigkeit<br />

- unterentwickeltes Privatleben


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.3 Anwendung der Theorie. Frau R.:<br />

<strong>Arbeit</strong>sfaktoren: ungünstige <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />

Zeit- und Termindruck, Schichtarbeit, hohe Verantwortung, Überstunden<br />

Angst um <strong>Arbeit</strong>splatzverlust<br />

Faktoren der <strong>Arbeit</strong>sorganisation:<br />

Fehlende Pausen<br />

neue Dokumentationsform<br />

Personale Faktoren:<br />

geringe Selbstsicherheit<br />

und Abgrenzungsfähigkeit,<br />

Geringe Selbstwirksamkeit,<br />

hohe Ängstlichkeit, geringe Stressstabilität,<br />

hohes Pflichtbewusstsein


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.4 Diagnostik<br />

Symptomcheckliste (SCL-90-R)˫<br />

• GSI-Wert von T=80 extrem erhöhte Belastetheit


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.4 Diagnostik<br />

<strong>Arbeit</strong>sbezogenes Verhaltens- und<br />

Erlebensmuster (AVEM):<br />

• Gesundheitsgefährdendes Verhaltensmuster<br />

(Risikotyp B):<br />

• geringe Distanzierungsfähigkeit,<br />

• starke Resignationstendenz,<br />

• deutlich eingeschränktes Lebensgefühl


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.4 Diagnostik<br />

Rehabilitationsdiagnosen:<br />

- Mittelgradige depressive Episode (ICD 10: F 32.1)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.5 Therapieziele und –planung<br />

• Verringerung der depressiven Symptomatik<br />

• Modifikation der negativen dysfunktionalen<br />

Kognitionen<br />

• Förderung des Selbstwertgefühls und<br />

Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit<br />

• Verbesserung der Stressbewältigung<br />

• Förderung der Entspannungsfähigkeit<br />

• Klärung der beruflichen Situation


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.6 Therapiemaßnahmen<br />

(bzgl. Berufsbezogener Problematik)<br />

- Stressbewältigungstraining (Zeit- und Selbstmanagement)<br />

- Rollenspiele, zum Training selbstsicherer Verhaltensweisen<br />

- Beratung zur beruflichen Wiedereingliederung<br />

- Anforderung einer vorläufigen sozialmedizinischen<br />

Leistungsbeurteilung<br />

- Klärung der medizinischen / therapeutischen Notwendigkeit<br />

einer stufenweisen Wiedereingliederung<br />

- Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung an alle<br />

beteiligten Stellen<br />

- Vorbereitung und<br />

- Durchführung eines begleiteten <strong>Arbeit</strong>gebergespräches


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.2.7 Ergebnis:<br />

- Entlassung arbeitsunfähig<br />

- stufenweise Wiedereingliederung<br />

- abgesprochener und “geschützter” beruflicher<br />

Wiedereinstieg<br />

- <strong>Arbeit</strong>geber ist im Rahmen des<br />

Eingliederungsmanagements mit in der<br />

Verantwortung


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4 Frau G. und Mobbing<br />

6.4.1 20-jährige Arzthelferin in Ausbildung (3. Lehrjahr),<br />

ungekündigt<br />

Aufnahme formal arbeitsunfähig seit ca. 2 Monaten<br />

Zuweisungsdiagnose:<br />

Anpassungsstörung (Angst und Depression,<br />

gemischt)(ICD-10: F 43.2)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.1 Frau G.<br />

Soziale Rahmenbedingungen:<br />

- ledig, kinderlos, wohnt bei Eltern, massive Konflikte<br />

- aus finanziellen Gründen Zusammenziehen mit<br />

Freund derzeit nicht möglich<br />

- belastende <strong>Arbeit</strong>ssituation durch<br />

<strong>Arbeit</strong>splatzkonflikte<br />

- wiederkehrende persönliche Angriffe


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.1 Berufliche Situation von Frau G.:<br />

- Tagdienst<br />

- leichte Tätigkeit, im Stehen, Gehen und Sitzen<br />

- Publikumskontakt<br />

- Assistenz bei der Behandlung<br />

- Bildschirm- Verwaltungsarbeit, multitasking Job<br />

- hohe Konzentrationsanforderung und<br />

Verantwortung


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.1 Subjektive Problembeschreibung<br />

Willkürlich wiederkehrende Konflikte mit und verbale<br />

Angriffe durch den <strong>Arbeit</strong>geber und einer Kollegin<br />

Definition der Problemlage:<br />

durch <strong>Arbeit</strong>splatzsituation, hier die wiederkehrenden<br />

Konflikte, überfordert<br />

Patientin zweifelt an ihren persönlichen und fachlichen<br />

Kompetenzen, starker Rückzug


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.2 Theorie<br />

“Mobbing”<br />

„…beschreibt negative kommunikative Handlungen, die<br />

gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder<br />

mehreren anderen) und die sehr oft und über einen<br />

längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die<br />

Beziehung zwischen Täter und Opfer<br />

kennzeichnen.“ (Leymann, 1993, S.21)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.2 Theorie<br />

Mobbing liegt vor wenn:<br />

- eine konfliktbelastete Kommunikation am<br />

<strong>Arbeit</strong>splatz besteht<br />

- die angegriffene Person unterlegen ist<br />

- die Angriffe systematisch/ nicht berechenbar<br />

erfolgen<br />

- mit dem Ziel und / oder dem Effekt des Ausstoßes<br />

aus dem <strong>Arbeit</strong>sverhältnis<br />

- Person direkt oder indirekt angegriffen wird<br />

- die angegriffene Person die Angriffe als<br />

Diskriminierung empfindet<br />

(Klein & Frank, 2008)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.3 Anwendung der Theorie, Frau G.:<br />

<strong>Arbeit</strong>sfaktoren<br />

ungünstige <strong>Arbeit</strong>sbedingungen: kleines Team,<br />

Zeitdruck, Störungen, verschiedene Aufgaben gleichzeitig<br />

Zwischenmenschliche Probleme<br />

am <strong>Arbeit</strong>splatz:<br />

Fehlende Unterstützung<br />

und Konflikte mit Chef<br />

und einer Kollegin<br />

Personale Faktoren:<br />

geringe Konfliktund<br />

Kritikfähigkeit,<br />

Ängstlichkeit


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.4 Diagnostik<br />

Symptomcheckliste (SCL-90-R)<br />

- Bei GSI von T=70 deutlich erhöhte<br />

Belastetheit


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.4 Diagnostik<br />

<strong>Arbeit</strong>sbezogenes Verhaltens- und<br />

Erlebensmuster (AVEM):<br />

• Gesundheitsgefährdendes<br />

Verhaltensmuster (Risikotyp B):<br />

• geringe Distanzierungsfähigkeit<br />

• starke Resignationstendenz<br />

• deutlich eingeschränktes Lebensgefühl


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.4 Diagnostik<br />

Rehabilitationsdiagnose:<br />

Anpassungsstörung (Angst und Depression,<br />

gemischt)(ICD-10: F 43.2)


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.5 Therapieziele und –planung<br />

• Verringerung der depressiven Symptomatik<br />

• Förderung des Selbstwertgefühls und<br />

Verbesserung der Abgrenzungsfähigkeit<br />

• Verbesserung der Stressbewältigung<br />

• Verbesserung des Umgangs mit Konflikten<br />

• Verbesserung des Umgangs mit Gefühlen<br />

• Förderung der Entspannungsfähigkeit<br />

• Klärung der beruflichen und sozialen Situation


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.6 Therapiemaßnahmen bzgl. der<br />

berufsbezogenen Problematik<br />

• Analyse des Konfliktgeschehens<br />

• Auseinandersetzung mit eigenen problematischen Anteilen<br />

• Förderung der „Emotionaler Intelligenz“ nach Goleman:<br />

Fähigkeit, mit eigenen Gefühlen und denen anderer richtig<br />

umzugehen.<br />

Selbsteinschätzung, Selbstmanagement, Empathie und<br />

Soziale Kompetenz<br />

• Rollenspiele zur Bearbeitung der <strong>Arbeit</strong>splatzkonflikte und<br />

Abgrenzung


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.6 Weitere Therapiemaßnahmen<br />

• Planung einer <strong>Arbeit</strong>sbelastungserprobung als Arzthelferin<br />

• Kontaktaufnahme mit der Handwerkskammer<br />

• Durchführung einer <strong>Arbeit</strong>sbelastungserprobung<br />

dazu gehört: Bewerbung, Vorstellung, <strong>Arbeit</strong>serprobung,<br />

gemeinsames Bilanzierungsgespräch<br />

• Bewerbungstraining<br />

• aktive Stellenrecherche und Bewerbungen


6. Praxisbezug und theoretische<br />

Exkurse<br />

6.4.7 Ergebnis:<br />

- bezogen auf die letzte Tätigkeit arbeitsfähig<br />

entlassen<br />

- Patientin hat positive Erkenntnisse aus Behandlung<br />

und <strong>Arbeit</strong>serprobung gezogen, will als Arzthelferin<br />

weiter arbeiten<br />

- Aktive Bewerbung auf offene Stellen als<br />

Arzthelferin, mit Einladung zu Vorstellungsgespräch<br />

- Patientin hat Fähigkeiten erworben, an neuem<br />

<strong>Arbeit</strong>splatz konstruktiv mit Konflikten und<br />

Übergriffen<br />

- Patientin plante konkret einen <strong>Arbeit</strong>splatzwechsel


7. Diskussion<br />

- 7.1 Neuere Konzepte<br />

- 7.1.1 <strong>Arbeit</strong>ssucht<br />

- 7.1.2 <strong>Arbeit</strong>sphobie<br />

- 7.1.3 Posttraumatische Verbitterungsstörung


7. Diskussion<br />

7.1.1 <strong>Arbeit</strong>ssucht<br />

- kein offiziell anerkanntes Krankheitsbild<br />

- beschrieben als eine stoffungebundene<br />

Sucht<br />

- zwischen die klinischen Bilder<br />

Substanzabhängigkeit und<br />

Impulskontrollstörungen gerückt


7. Diskussion<br />

7.1.2 <strong>Arbeit</strong>splatzängste und –phobien<br />

- als spezifische Phobie diskutiert<br />

- übertriebene und unangemesene, wiederkehrende<br />

Angstreaktionen auf eine <strong>Arbeit</strong>ssitution


7. Diskussion<br />

7.1.3 Posttraumatische Verbitterungsstörung<br />

- Neues Konzept einer Anpassungsstörung<br />

- Ausgelöst durch ein einschneidendes, nicht<br />

lebensbedrohliches Ereignis


7. Diskussion<br />

7.2 Gesundheitsförderliche Aspekte<br />

7.2.1 Institutionelle Aspekte der <strong>Arbeit</strong><br />

- <strong>Arbeit</strong>splatzsicherheit<br />

- Anwendung des beruflichen Leistungspotentials<br />

- Passung der beruflichen Anforderung mit<br />

persönlichen Ressourcen und Neigungen<br />

- Wirksame Leistungsanreize<br />

- Realistische individuelle Chancen im Wettbewerb<br />

der <strong>Arbeit</strong>swelt<br />

- Realistische berufliche Entwicklungsmöglichkeiten


7. Diskussion<br />

7.2.2 Individuelle Aspekte<br />

- salutogenetische Potentiale/ Ressourcen stärken:<br />

soz. Unterstützung am <strong>Arbeit</strong>splatz, in Familie, im<br />

Freundeskreis, Freizeit<br />

- Selbstorganisation, Team-, Dialog-,<br />

Konfliktfähigkeit, Veränderungsfähigkeit fördern<br />

die negative Belastungsfaktoren kompensieren können


Ausblick<br />

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