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„Das gebrochene Herz“ - zur Psychosomatik der Herz ...

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<strong>„Das</strong> Das <strong>gebrochene</strong> <strong><strong>Herz</strong>“</strong> <strong>Herz</strong><br />

- <strong>zur</strong> <strong>Psychosomatik</strong> <strong>der</strong> <strong>Herz</strong>– <strong>Herz</strong> Kreislauferkrankungen -<br />

Dipl. Dipl.<br />

Psych. Psych.<br />

Dr. Dr.<br />

phil. phil.<br />

Annegret Boll-Klatt Boll Klatt<br />

Vortrag am 4.11.2006 an <strong>der</strong> Akademie für med. Fort- und Weiterbildung, ÄK S-H


Von <strong>der</strong> Straße Stra e her ein Posthorn klingt. klingt<br />

Was hat es, dass es so hoch aufspringt,<br />

Mein <strong>Herz</strong>?<br />

Die Post bringt keinen Brief für f r dich: dich<br />

Was drängst dr ngst du denn so wun<strong>der</strong>lich,<br />

Mein <strong>Herz</strong>?<br />

Nun ja, die Post kömmt k mmt aus <strong>der</strong> Stadt,<br />

Wo ich ein liebes Liebchen hab,<br />

Mein <strong>Herz</strong>! <strong>Herz</strong><br />

Die Post<br />

Aus: Aus:<br />

„Wan<strong>der</strong>lie<strong>der</strong><br />

Wan<strong>der</strong>lie<strong>der</strong>“ von Wilhelm Müller M ller<br />

Die Winterreise 1823<br />

Willst wohl einmal hinübersehn<br />

hin bersehn,<br />

Und fragen, wie es dort mag gehen, zit.n. zit . Speidel H (2005 2005)<br />

Mein <strong>Herz</strong>? <strong>Herz</strong>schmerz und Leidenschaft<br />

Balint, Balint,<br />

6, , 1-9


Zur Metaphorik des <strong>Herz</strong>ens<br />

Trotz 2 Jahrzehnten Hirnforschung behaupten Gefühle Gef hle trotzig ihren<br />

Platz im <strong>Herz</strong>en und nicht im limbischen System, dort wo sie<br />

eigentlich hingehören<br />

hingeh ren.<br />

Das <strong>Herz</strong> ist das Symbol für f r Liebe, Treue und Freundschaft.<br />

Freundschaft<br />

Reich-Ranicki<br />

Reich Ranicki (2001 2001): ): <strong>„Das</strong> Das <strong>Herz</strong> ist <strong>der</strong> Joker <strong>der</strong> deutschen<br />

Dichtung.“ Dichtung<br />

Das <strong>Herz</strong> ist viel mehr als ein „zäher her kleiner Muskel“, Muskel , als den Woody<br />

Allen das Objekt <strong>der</strong> Kardiologen bezeichnete.<br />

bezeichnete<br />

„… aber solange das kommunikative Sprechen das <strong>Herz</strong> zu einem<br />

zentralen Ort <strong>der</strong> Affekte macht, wird das vorbewusste mythische<br />

Denken eine Rolle bei <strong>der</strong> Krankheitsbewältigung Krankheitsbew ltigung des „reparierten reparierten“<br />

<strong>Herz</strong>ens spielen.“ spielen (Laufs Laufs 2002)<br />

2002


Broken Heart<br />

Syndrom<br />

resp.<br />

Taku Tsubo<br />

Syndrom<br />

Diastole<br />

Systole


Psychokardiologisch relevante Diagnosen in<br />

<strong>der</strong> ICD-10 ICD 10<br />

F 44 Konversionsneurotischer <strong>Herz</strong>schmerz<br />

F 45.30 Somatoforme autonome Störung St rung im kardiovaskulären<br />

kardiovaskul ren System<br />

(„<strong>Herz</strong>neurose<br />

<strong>Herz</strong>neurose“)<br />

F 45.2 „<strong>Herz</strong>todhypochondrie<br />

<strong>Herz</strong>todhypochondrie“<br />

F 43.2 Anpassungsstörungen<br />

Anpassungsst rungen (als als Folge adäquater ad quater Krankheitsbewältigung<br />

Krankheitsbew ltigung<br />

bei allen kardialen Erkrankungen)<br />

Erkrankungen<br />

F 43.0, 43.0,<br />

F 43.1<br />

Posttraumatische Belastungsreaktion und –st störung rung<br />

(bei bei ca. ca.<br />

10 % <strong>der</strong> Postinfarktpatienten;<br />

cave: cave:<br />

Patienten mit implantiertem Defibrillator)<br />

Defibrillator<br />

F 54 Psychische und Verhaltensfaktoren, die Entstehung und Verlauf<br />

körperlicher rperlicher Krankheit beeinflussen<br />

(I I 24 KHK, I 21 <strong>Herz</strong>infarkt)<br />

<strong>Herz</strong>infarkt<br />

„Somatopsycho<br />

Somatopsycho – psychosomatose“<br />

psychosomatose


1.<br />

Übersicht bersicht<br />

. Empirisch psychosomatische Sicht auf Patienten mit KHK bzw. bzw.<br />

<strong>Herz</strong>infarkt<br />

1.1 Stress und <strong>Herz</strong>infarkt:<br />

<strong>Herz</strong>infarkt:<br />

Aktuelle Stressmodelle<br />

Soziale, psychosoziale und psychische Risikofaktoren in <strong>der</strong> Entstehung<br />

Entstehung<br />

<strong>der</strong> KHK<br />

Schutzfaktor sozialer Rückhalt R ckhalt<br />

1.2 Psychische Risikofaktoren im Verlauf<br />

2.<br />

3.<br />

Bedeutung von Angst und Depression für f r Morbidität Morbidit t und Mortalität Mortalit t nach <strong>Herz</strong>infarkt<br />

Psychoanalytische Sicht auf den <strong>Herz</strong>infarkt-Patienten<br />

<strong>Herz</strong>infarkt Patienten<br />

Narzisstische Pathologie<br />

Konzept <strong>der</strong> narzisstischen Krise<br />

„Traumatische Traumatische Situationsthemen“<br />

Situationsthemen<br />

. Psychotherapeutische Sicht aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> narzisstischen<br />

narzisstischen<br />

Krise


JOB LATITUDE<br />

LOW HIGH<br />

Aktuelle Modelle <strong>zur</strong><br />

Konzeptualisierung von<br />

JOB STRAIN MODEL<br />

beruflichem Stress<br />

JOB STRAIN<br />

(Risk of<br />

physical<br />

illness)<br />

LOW HIGH<br />

JOB DEMANDS<br />

JOB REWARDS<br />

LOW HIGH<br />

EFFORT: REWARD<br />

IMBALANCE MODEL<br />

LOW HIGH<br />

EFFORT<br />

JOB<br />

IMBALANCE<br />

(Risk of<br />

physical<br />

illness)<br />

(Karasek R et al. Public Health 1981; 694 – 705<br />

Siegrist J.J, Occup. Health Psychol. 1996; 71: 694- 705)


2– bis 4–fache fache Erhöhung Erh hung des<br />

Krankheitsrisikos durch psychosoziale und<br />

soziale Belastungsfaktoren<br />

(Beobachtungszeitraum<br />

Beobachtungszeitraum: : 4,5 Jahre) Jahre<br />

• Hohe Anfor<strong>der</strong>ungen bei gleichzeitiger geringer Kontrolle<br />

über die Aufgabe und <strong>der</strong>en Ergebnis<br />

• Sandwichpositionen<br />

• Berufliche Gratifikationskrisen<br />

• Übersteigerte Verausgabungsbereitschaft bei hohem<br />

Bedürfnis nach Geltung und Anerkennung<br />

• Fehlen guter Beziehungen am Arbeitsplatz<br />

• Chronische Partnerschaftskonflikte<br />

• Zugehörigkeit zu einer unteren sozialen Schicht


2- bis 4–fache fache Erhöhung Erh hung des<br />

Krankheitsrisikos durch psychische<br />

Belastungsfaktoren<br />

Nie<strong>der</strong>geschlagenheit, Antriebslosigkeit, Gefühle Gef hle<br />

<strong>der</strong> Hoffnungslosigkeit, Depressivität<br />

Depressivit<br />

Vitale Erschöpfung Ersch pfung mit extremer Müdigkeit, M digkeit,<br />

Irritierbarkeit und Demoralisierung<br />

Feindseligkeit und Ärgerneigung, rgerneigung, akuter Ärger rger<br />

Siegrist J <strong>Herz</strong> 2001; 26:316 - 325


Risikofaktoren und ihr Einfluss auf die<br />

Morbidität Morbidit t (MI MI): ):<br />

Risk Factor Gen<strong>der</strong> Cont % Case % OR (99% CI)<br />

Curr Smok female 9.3 20.1 2.86 (2.36,3.48)<br />

male 33.0 53.1 3.05 (2.78,3.33)<br />

Diabetes female 7.9 25.5 4.26 (3.51,5.18)<br />

male 7.4 16.2 2.67 (2.36,3.02)<br />

Hypertension female 28.3 53.0 2.95 (2.57,3.39)<br />

male 19.7 34.6 2.32 (2.12,2.53)<br />

Abd Obesity femal 33.3 45.6 2.26 (1.90,2.68)<br />

male 33.3 46.5 2.24 (2.03,2.47)<br />

Fruits/Veg female 50.3 39.4 0.58 (0.48,0.71)<br />

male 39.6 34.7 0.74 (0.66,0.83)<br />

Exercise female 16.5 9.3 0.48 (0.39,0.59)<br />

male 20.3 15.8 0.77 (0.69,0.85)<br />

Alcohol female 11.2 6.3 0.41 (0.32,0.53)<br />

male 29.1 29.6 0.88 (0.81,0.96)<br />

ApoB/ApoA-1 female 14.1 27.0 4.42 (3.43,5.70)<br />

Ratio male 21.9 35.5 3.76 (3.23,4.83)<br />

PS Index female - - 3.49 (2.41,5.04)<br />

male - - 2.58 (2.11,3.14)<br />

0.25 0.5 1 2 4 8<br />

OR (99% CI)


Age<br />

Klassische Risikofaktoren und ihr Einfluss auf die<br />

kardiale Morbidität Morbidit t und Mortalität Mortalit t im Vergleich zu<br />

depressiven Symptomen und Depression<br />

(Framingham<br />

Framingham Studie) Studie<br />

HT Stage 2<br />

Smoking<br />

Diabetes<br />

LDH>160<br />

HDL< 35<br />

Depressed Mood<br />

Clinical Depression<br />

1.05 (1.04,1.05)<br />

1.92 (1.42,2.59)<br />

1.71 (1.39,2.10)<br />

1.47 (1.04,2.08)<br />

1.74 (1.36,2.23)<br />

1.46 (1.15,1.85)<br />

1.49 (1.16,1.92)<br />

0 1 2 3 4 5<br />

Low Risk High Risk<br />

RelativRe Risk [random]<br />

(95% CI)<br />

2.69 (1.63,4.43)<br />

Wilson W et al. Circulation 1998; 97; 1837-47<br />

Rugulies R. Am J Prev Med 2002; 23; 51-61


Psychosoziale Schutzfaktoren <strong>der</strong> KHK<br />

Sozialer Rückhalt<br />

strukturell funktionell<br />

Es gilt ein inverser Gradient für das Ausmaß des<br />

sozialen (funktionellen) Rückhaltes und die Anzahl<br />

kardialer Ereignisse.


Psychosoziale Schutzfaktoren <strong>der</strong> KHK<br />

Vitalität<br />

Energie und Enthusiasmus<br />

Gefühl <strong>der</strong> Lebendigkeit<br />

Freude und Interesse<br />

Selbstwirksamkeits- und Selbst-<br />

wertgefühl<br />

Frische und positive Anspannung<br />

„Berufliche, außerberufliche, eheliche und an<strong>der</strong>e interpersonelle<br />

Aktivitäten, die sowohl Anstrengungen erfor<strong>der</strong>n, aber auch Freude<br />

und Interesse erzeugen, steigern die Vitalität und reduzieren das<br />

kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko.“<br />

Rozanski et al. JACC 2005;45, 5:637-651


Psychosomatische Krankheitsmodelle<br />

Psychosomatische Krankheitsmodelle<br />

Posttraumatische<br />

Posttraumatische<br />

Belastungs<br />

Belastungs -<br />

st<br />

störungen<br />

rungen<br />

Genetische<br />

Genetische<br />

Pr<br />

Prädisposition<br />

disposition<br />

Körperliche<br />

rperliche<br />

Prozesse<br />

Prozesse<br />

Reaktive<br />

Reaktive<br />

Pathologie<br />

Pathologie<br />

(Stressmodell<br />

Stressmodell)<br />

Somatopsycho<br />

Somatopsycho –<br />

psychosomatosen<br />

psychosomatosen<br />

Psychoneuro<br />

Psychoneuro-<br />

immunologie<br />

immunologie<br />

Alexithymie<br />

Alexithymie<br />

Traumapathologie<br />

Traumapathologie<br />

(Neurobiologische<br />

Neurobiologische<br />

Traumatheorie<br />

Traumatheorie)<br />

Psychoneuro<br />

Psychoneuro-<br />

endokrinologie<br />

endokrinologie<br />

Somatisierung<br />

Somatisierung<br />

Konfliktpathologie<br />

Konfliktpathologie<br />

Somatoforme<br />

Somatoforme<br />

St<br />

Störungen<br />

rungen<br />

Psychophysiologie<br />

Psychophysiologie<br />

(peripher<br />

peripher)<br />

Konversion<br />

Konversion<br />

Dissoziative<br />

Dissoziative<br />

St<br />

Störungen<br />

rungen<br />

(„Konversions<br />

Konversions-<br />

neurosen<br />

neurosen“)<br />

Neuroanatomische<br />

Neuroanatomische<br />

Voraussetzungen<br />

Voraussetzungen<br />

Neurophysiologie<br />

Neurophysiologie<br />

(zentral<br />

zentral)<br />

Entwicklungs<br />

Entwicklungs –<br />

pathologie<br />

pathologie<br />

Narzisstische<br />

Narzisstische<br />

Pathologie<br />

Pathologie<br />

Bindungspathologie<br />

Bindungspathologie<br />

(Vulnerabilit<br />

Vulnerabilitätskonzept<br />

tskonzept)<br />

St<br />

Störungsbil<strong>der</strong><br />

rungsbil<strong>der</strong><br />

Psycho<br />

Psycho-<br />

Somatische<br />

Somatische<br />

Bindeglie<strong>der</strong><br />

Bindeglie<strong>der</strong> <br />

„<strong>der</strong> geheimnisvolle<br />

<strong>der</strong> geheimnisvolle<br />

Sprung<br />

Sprung“<br />

<br />

Psychische<br />

Psychische<br />

Ätiologie<br />

tiologie <br />

ABK,08/06


Stressoren<br />

„Stress“<br />

Schema <strong>der</strong> neuro-endokrinen neuro endokrinen Kopplung durch<br />

Sympathikus und das hypothalamico-hypophys<br />

hypothalamico hypophysäre re<br />

System bei Stress<br />

(Ruegg, 2001)<br />

Amygdala<br />

Striatum<br />

zentrales Höhlengrau<br />

Hypothalamus<br />

Hirnstamm<br />

CRH<br />

Hypophyse<br />

Rückenmark<br />

präganglionäre<br />

Sympathikusneurone<br />

ACTH<br />

Nebennieren-<br />

rinde<br />

Nebennieren-<br />

mark<br />

Kortisol<br />

Adrenalin<br />

Noradrenalin<br />

Effektor-<br />

systeme<br />

Effektor-<br />

systeme<br />

Stressreaktion<br />

psychosomatische Erkrankung


Psychosoziale Risikofaktoren, Verhaltens-<br />

konsequenzen und pathogenetische<br />

Mechanismen bei kardiovaskuären<br />

kardiovasku ren<br />

Erkrankungen<br />

Psychosoziale<br />

Risikofaktoren<br />

• Psychosozialer Stress<br />

• Negative Emotion<br />

• Geringe soziale<br />

Unterstützung und soziale<br />

Isolation<br />

• Niedriger sozioökonomischer<br />

Status<br />

Verhaltens-<br />

konsequenzen<br />

• Fehlernährung,Rauchen<br />

Bewegungsmangel<br />

• mangelnde Compliance<br />

• Inadäquate Inanspruchnahme<br />

medizinischer<br />

Ressourcen v.a. verzögerte<br />

Hilfesuche und geringe Teilnahme<br />

an Rehamaßnahmen<br />

Pathogenetische<br />

Mechanismen<br />

• Vegetative Dysfunktion v.a. vermin<strong>der</strong>te HFV<br />

• Aktivierung des Sympathikus-<br />

Nebennierenmark-Systems, v.a. erhöhte HF-<br />

und RR-Reaktivität,<br />

erhöhte Thrombozytenadhäsivität<br />

• Aktivierung <strong>der</strong> Hypothalamus-Hypophysen-<br />

Nebennierenrinden-Achse mit gestörten zirka-<br />

dianen Cortisol- und Serotonin-Mustern<br />

• Entzündliche und hämostatische Prozesse<br />

v.a. Fibrinogen-, CRP- und Zytokin-<br />

Erhöhungen<br />

(z.B. Deuschle M et al. Dtsch Ärztebl 2002;99:A3332-3338)


Psychosoziale Risikofaktoren, Verhaltens-<br />

konsequenzen und pathogenetische<br />

Mechanismen bei kardiovaskuären<br />

kardiovasku ren<br />

Erkrankungen<br />

Pathogenetische Mechanismen<br />

• Vegetative Dysfunktion v.a. vermin<strong>der</strong>te HFV<br />

• Aktivierung des Sympathikus-Nebennierenmark-Systems, v.a.<br />

erhöhte HF- und RR-Reaktivität,<br />

erhöhte Thrombozytenadhäsivität<br />

• Aktivierung <strong>der</strong> Hypothalamus-Hypophysen-<br />

Nebennierenrinden-Achse mit gestörten zirka-<br />

dianen Cortisol- und Serotonin-Mustern<br />

• Entzündliche und hämostatische Prozesse<br />

v.a. Fibrinogen-, CRP- und Zytokin-Erhöhungen<br />

(z.B. Deuschle M et al. Dtsch Ärztebl 2002;99:A3332-3338)


Fazit<br />

Die KHK in ihren verschiedenen klinischen Formen<br />

erscheint als somatische Endstrecke eines komplexen<br />

Gefüges bio-psycho-sozialer Mechanismen, wobei man<br />

zwischen langfristigen Prozessen (z.B. somatische Risikofaktoren,<br />

chronischer „Stress“,ungünstiges Gesundheitsverhalten<br />

und langsamer Progress <strong>der</strong> KHK), mittelfristigen<br />

Prozessen (z.B. Depression, vitale Erschöpfung und<br />

zunehmende Entzündung) und akuten Prozessen (akuter<br />

Ärger und Plaque-Ruptur) unterscheiden kann.<br />

(Kop WJ Psychosom Med 1999;61:476-487)


<strong>„Das</strong> Das <strong>gebrochene</strong> <strong><strong>Herz</strong>“</strong> <strong>Herz</strong><br />

- <strong>zur</strong> <strong>Psychosomatik</strong> <strong>der</strong> <strong>Herz</strong>– <strong>Herz</strong> Kreislauferkrankungen -<br />

Dipl. Dipl.<br />

Psych. Psych.<br />

Dr. Dr.<br />

phil. phil.<br />

Annegret Boll-Klatt Boll Klatt<br />

Vortrag am 4.11.2006 an <strong>der</strong> Akademie für med. Fort- und Weiterbildung, ÄK S-H


Prävalenzen<br />

Pr valenzen von Angst und<br />

Depression bei Koronarpatienten<br />

• Leichte depressive Verstimmung<br />

- Pat. in den ersten Monaten nach MI 45%<br />

• Mittelgradige depressive Episode<br />

- KHK-Patienten 15%<br />

- Pat. in den ersten Monaten nach MI 20 –25%<br />

- Normalbevölkerung 5%<br />

• Angst<br />

- Patienten unmittelbar nach MI 15%<br />

Herrmann-Lingen C, Buss V, 2002


Depression und somatische Prognose nach<br />

kardialem Ereignis<br />

Zusammenfassung <strong>der</strong> Ergebnisse aus 22 methodisch „beson<strong>der</strong>s<br />

beson<strong>der</strong>s<br />

geeigneten“ geeigneten Studien (N N > 700) 700<br />

1. Depressivität ist bei <strong>Herz</strong>infarktpatienten prospektiv mit<br />

einem erhöhten kardialen Risiko verbunden<br />

2. Dies gilt bereits für Depressivität unter <strong>der</strong> Schwelle einer<br />

klinischen Diagnose (einzelne depressive Symptome:<br />

relatives Risiko 1,2 – 5,4)<br />

3. Dies gilt ausgeprägter für Patienten mit vorliegen<strong>der</strong><br />

depressiver Episode (mittelgradige depressive Episode:<br />

relatives Risiko 2,1 – 4,5)<br />

4. Je kürzer <strong>der</strong> Beobachtungszeitraum nach MI, desto<br />

stärker wirkt sich die Depression Risiko steigernd aus<br />

(Katamnesen: 6 Monate – 5 Jahre nach MI) Herrmann-Lingen C, Buss V, 2002


Angst und somatische Prognose nach<br />

kardialem Ereignis<br />

1. Ausgeprägte Angst ist einer des aussagekräftigsten<br />

klinischen Indikatoren für die kurzfristige Prognose ( Steigerung<br />

des relativen Risikos um das 5-fache 4 Wochen<br />

nach MI)<br />

2. Für den langfristigen Verlauf sind die Ergebnisse weniger<br />

konsistent als für die Depression<br />

3. Ein mittleres Ausmaß an Angst kann auch ein Schutzfaktor<br />

sein (adäquateres Krankheitsverhalten!)<br />

Herrmann-Lingen C, Buss V, 2002


Journal of the American College of Cardiology<br />

© 2005 by the American College of Cardiology Foundation Vol. Vol.<br />

45, 45,<br />

No.5, No , 2005<br />

STATE-OF<br />

STATE OF-THE THE-ART ART PAPER<br />

The Epidemiology,<br />

Epidemiology,<br />

Pathophysiology, Pathophysiology,<br />

and Management of<br />

Psychosocial Risk Factors in Cardiac Practice<br />

The Emerging Field of Behavioral Cardiology<br />

Alan Rozanski, Rozanski,<br />

MD, FACC, James A. A.<br />

Blumenthal, PhD, PhD,<br />

Karina W. W.<br />

Davidson, PhD, PhD,<br />

Patrice G. G.<br />

Saab, PhD, PhD,<br />

Laura Kubzansky,<br />

Kubzansky,<br />

PhD<br />

New York, New York, Durham, North Carolina, Coral Gables, Gables,<br />

Florida, Boson, Boson,<br />

Massachusetts<br />

Fazit<br />

„... the strong and robust relationship between<br />

psycho-social factors and CAD suggests that<br />

cardiologists need to be proactive in<br />

addressing this important aspect of patient<br />

care!“ (p 637)


Bio-psycho Bio psycho-soziodynamisches<br />

soziodynamisches Modell <strong>zur</strong> Genese <strong>der</strong> koronaren<br />

<strong>Herz</strong>erkrankung<br />

Psycho<br />

Bio<br />

kindliche Ent-<br />

wicklung<br />

Sozial<br />

Genetik<br />

frühe<br />

Beziehungen<br />

Selbstwert-<br />

problematik<br />

Somatische<br />

Risiko-<br />

faktoren<br />

Gruppen-<br />

normen<br />

(Rauchen,<br />

Ernährung,<br />

Bewegung)<br />

Kompensa-<br />

tionsver-<br />

suche,<br />

Risikover-<br />

halten<br />

Typ A<br />

Sozioökonomischer Status<br />

Plaque-<br />

bildung<br />

Destabilisier-<br />

ung<br />

Entzündung<br />

?<br />

soziale<br />

Unterstützung,<br />

job strain<br />

Somatische<br />

Auslöser<br />

(z.B. körper-<br />

liche Be-<br />

lastung)<br />

Angina pectoris<br />

vitale Er-<br />

schöpfung,<br />

Depression<br />

Autonome Imbalance<br />

RR-Anstieg<br />

Thrombozyten-<br />

aggregation<br />

Psychische<br />

Auslöser<br />

(z.B. Hoffnungs-<br />

losigkeit,<br />

Ärger)<br />

Gratifikations-<br />

krise,<br />

Konflikte<br />

Arrhythmie<br />

Plaqueruptur<br />

Thrombus<br />

Plötzlicher <strong>Herz</strong>tod<br />

Instabile Angina<br />

pectoris<br />

Infarkt<br />

<br />

„ego infarction“<br />

<br />

Soziale Rollen-<br />

Krise<br />

(z.B. Rente)<br />

(Herrmann – Lingen, 2000)


Psychodynamische Sicht auf den<br />

<strong>Herz</strong>infarkt-Patienten<br />

<strong>Herz</strong>infarkt Patienten (I)<br />

Patienten mit KHK sind keine homogene Gruppe. Gruppe.<br />

Spezifitätshypothesen<br />

Spezifit tshypothesen sind obsolet. obsolet<br />

Aber: Aber:<br />

In psychoanalytischen Forschungen über ber mehr als 60 Jahre<br />

zieht sich <strong>der</strong> rote Faden <strong>der</strong> narzisstischen Pathologie mit einer einer<br />

defizitären defizit ren und bedrohten Selbstwertregulation.<br />

Selbstwertregulation<br />

Der Komplex aus Enttäuschung,<br />

Entt uschung, Ärger, rger, Aggression und Depression,<br />

<strong>der</strong> aus Defiziten <strong>der</strong> narzisstischen Selbstregulation resultiert, resultiert,<br />

steht<br />

im Zentrum <strong>der</strong> innerpsychischen Problematik.<br />

Problematik<br />

In <strong>der</strong> sich nach dem <strong>Herz</strong>infarkt einstellenden Depression wird ein<br />

Phänomen Ph nomen gesehen, das auf Prozessen schon vor Krankheits-<br />

beginn beruht. beruht<br />

Jede Konstellation von pathologischem Narzissmus birgt die Gefahr Gefahr<br />

<strong>der</strong> Depression in sich, nämlich n mlich dann, wenn es zu einer Verletzung<br />

des Selbstwertgefühls Selbstwertgef hls kommt.<br />

kommt


Psychodynamische Sicht auf den<br />

<strong>Herz</strong>infarkt-Patienten<br />

<strong>Herz</strong>infarkt Patienten (II II)<br />

Es lässt l sst sich eine Verbindungslinie zu den empirisch beforschten<br />

Modellen <strong>der</strong> Entstehung von pathologischem Stress ziehen. ziehen<br />

Sowohl das Anfor<strong>der</strong>ungskontrollmodell als auch das Modell<br />

beruflicher Gratifikationskrisen legen nahe, dass ein subjektives subjektives<br />

Kränkungserleben Kr nkungserleben das entscheidende pathologische Agens ist. ist.<br />

Überh berhöhte hte Leistungsorientierung, Neigung <strong>zur</strong> Verausgabung etc., etc ,<br />

kompensieren das narzisstische Defizit (Begriff Begriff des „kompen kompen-<br />

satorischen Leistungsverhaltens“)<br />

Leistungsverhaltens<br />

Konzentration auf die Selbstregulation durch Leistung und Streben Streben<br />

nach Anerkennung geht zu Lasten zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen.<br />

Beziehungen<br />

Diese Eigenschaften sind per se nicht behandlungsbedürftig, behandlungsbed rftig, sind<br />

meistens ich-synton ich synton und kennzeichnen oft die Basis beruflichen und<br />

gesellschaftlichen Erfolgs.<br />

Erfolgs


Konzept <strong>der</strong> narzisstischen Krise<br />

„Kr Kränkungen nkungen machen krank und Krankheit bedeutet<br />

Kränkung Kr nkung.“<br />

Markiert ein psychodynamisches Konstrukt, das die psychischen<br />

und psychosozialen Risikofaktoren mit <strong>der</strong> Postinfarktdepression<br />

psychologisch plausibel verbindet. verbindet<br />

Narzisstische Krisen sind nicht gebunden an narzisstische<br />

Persönlichkeitsz<br />

Pers nlichkeitszüge, ge, treten aber bei Patienten mit narzisstischer<br />

Persönlichkeit Pers nlichkeit häufiger h ufiger auf. auf.<br />

Spezielle Form <strong>der</strong> Depression, gekennzeichnet durch Verlust von<br />

Sinn, Gefühlen Gef hlen <strong>der</strong> Leere und Ratlosigkeit, sind oft Folge <strong>der</strong><br />

narzisstischen Krise. Krise<br />

Bei KHK-Patienten<br />

KHK Patienten überdecken berdecken häufig h ufig Somatisierungen, diffuse<br />

Spannungen, vegetative und Angstsymptome den narzisstischen<br />

Charakter <strong>der</strong> Krise. Krise.


„Traumatische Traumatische Situationsthemen“<br />

Situationsthemen<br />

= vor- vor und unbewusste Bedeutungszuschreibungen an das<br />

Krankheitsereignis<br />

Beschädigungen Besch digungen <strong>der</strong> körperlichen k rperlichen Integrität Integrit t als<br />

Beschädigungen Besch digungen <strong>der</strong> personalen Integrität Integrit t<br />

(„ego ego infarction“) infarction<br />

Todesangst nicht nur als Folge <strong>der</strong> Bedrohung <strong>der</strong><br />

physischen son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> psychischen Existenz,<br />

um so mehr, je ausgeprägter ausgepr gter die narzisstische<br />

Akzentuierung <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />

Pers nlichkeit


„Traumatische Traumatische Situationsthemen“<br />

Situationsthemen<br />

Kränkung Kr nkung bzw. bzw.<br />

Zerstörung Zerst rung von Unversehrtheits- Unversehrtheits und Unverletzbarkeits-<br />

fantasien<br />

Kontrollverlust („den den Körper K rper nicht im Griff haben“) haben<br />

Zerstörung Zerst rung von Zukunftsplänen<br />

Zukunftspl nen<br />

Entlarvung <strong>der</strong> eigenen Schwäche Schw che<br />

Fantasien einer gerechten o<strong>der</strong> ungerechten Bestrafung<br />

Verlust von Autarkie (auch auch in <strong>der</strong> Gestaltung des eigenen Lebensstils),<br />

Lebensstils ,<br />

Angst vor Abhängigkeit<br />

Abh ngigkeit<br />

Aktualisierung von Wünschen W nschen nach Intimität, Intimit t, Passivität Passivit t und emotionaler<br />

Nähe he<br />

Angst vor Statusverlust und finanzieller Verschlechterung<br />

Aktualisierung unbewusster Identifikationen, vor allem beim altersparallelen<br />

altersparallelen<br />

Auftreten eines <strong>Herz</strong>infarktes bei nahen Angehörigen<br />

Angeh rigen


Therapeutische Empfehlungen<br />

„Traumatische Traumatische Situationsthemen“ Situationsthemen herausarbeiten, explizit benennen<br />

Kein „Oben Oben – Unten“; Unten ; Asymmetrie in <strong>der</strong> therapeutischen Beziehung vermeiden<br />

Bevorzugung eines nüchtern n chtern-sachlichen sachlichen Interventionsstils; vor allem bei<br />

Therapiebeginn Verzicht auf Fokussierung von Emotionen<br />

Bevorzugung einer Sprache aus <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

Klarifizierende und antwortende statt deutende Interventionen im Umgang mit<br />

Aggressionen<br />

Die „Not Not des Scheiterns“ Scheiterns benennen, nicht wegtrösten<br />

wegtr sten<br />

Anerkennung <strong>der</strong> Lebensleistung des Patienten, insbes. insbes.<br />

bei Grandiosität<br />

Grandiosit<br />

Ressourcenorientierung in bezug auf Bewältigungsf<br />

Bew ltigungsfähigkeiten higkeiten<br />

Haltung des „Sowohl Sowohl – als – auch“ auch im Umgang mit <strong>der</strong> Lebensbedrohung<br />

Heilmittel „Zeit Zeit“ kritisch hinterfragen (<strong>„Das</strong> Das wird schon wie<strong>der</strong> ! ???“) ???<br />

Gute Zusammenarbeit mit dem Hausarzt / Kardiologen (ABK ABK 11/06)<br />

11/06


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