Alfred Böge Technische Mechanik - PP99

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03.06.2013 Aufrufe

352 Die Knickkraft FK (Knickspannung sK) ist diejenige Kraft (Spannung), bei der das Ausknicken beginnt. Die vorhandene Druckkraft muss mit Sicherheit unter der Knickkraft bleiben, ebenso die vorhandene Druckspannung unter der Knickspannung. 5.10.2 Elastische Knickung (Eulerfall) Für den Fall, dass die Knickspannung sK noch unterhalb der Proportionalitätsgrenze sdP des Werkstoffs liegt, hat Euler 1) eine Gleichung für die Knickkraft FK entwickelt. Mit einem Lineal kann man sich klarmachen, dass ein Stab immer um diejenige Achse knickt, für die das axiale Flächenmoment 2. Grades den kleinsten Wert hat (Imin). Die Knickkraft FK, also diejenige Kraft, bei der das Knicken gerade beginnen würde, kann allein durch die Führungsverhältnisse verändert werden, unter denen sich die Stabenden in Richtung der Stabachse aufeinander zu bewegen. Je sicherer es ist, dass die Druckkraft F während des Zusammendrückens exakt in der Stabachse wirkt, desto größer kann die Knickkraft FK angesetzt werden. Mit Ausnahme der Einspannung mit freiem Ende (Fall 1) sollte immer nach dem Grundfall (Fall 2) gearbeitet werden, das heißt, man setzt nicht s ¼ 0,707l (Fall 3) oder s ¼ 0,5l (Fall 4), sondern s ¼ l in die Eulergleichung ein. Die Eulergleichung wird nun so geschrieben, wie sie für das Lösen von praktischen Aufgaben gebraucht wird. Dazu sollte man sich der Beziehung zwischen Knickkraft FK und vorhandener Druckkraft F über die Knicksicherheit v ¼ FK=F erinnern. Statt Imin wird Ierf geschrieben, in Anlehnung an die Arbeitsgleichungen der vorangegangenen Beanspruchungsarten. Ist das erforderliche axiale Flächenmoment 2. Grades Ierf berechnet, können mit den Gleichungen aus Tabelle 5.1, Seite 309, die Querschnittsmaße festgelegt werden. 1) Leonhard Euler, Mathematiker, 1707–1783 Beispiel: Für die Kolbenstange einer Kolbenpumpe sei die Knickkraft FK ¼ 20 000 N. Mit Knicksicherheit v ¼ 8 darf die vorhandene Druckkraft höchstens F ¼ FK=v ¼ 20 000 N=8 ¼ 2500 N betragen. 2 EIminp FK ¼ s2 E Elastizitätsmodul (Tabelle 5.8, Seite 385) Imin kleinstes axiales Flächenmoment 2. Grades des Querschnitts (Tabelle 5.1, Seite 309) s freie Knicklänge FK ¼ Fv ¼ EImin p 2 Ierf ¼ vFs2 E p 2 s 2 5 Festigkeitslehre FK E I s N N mm2 mm4 mm Ierf v F E mm4 1 N N mm2 v Knicksicherheit (Einheit Eins) F vorhandene Druckkraft s ¼ l Einspannlänge E Elastizitätsmodul (Tabelle 5.8, Seite 385)

5.10 Beanspruchung auf Knickung 353 Die nach Ierf aufgelöste Eulergleichung garantiert nicht, dass der vorliegende Fall tatsächlich im Gültigkeitsbereich dieser Gleichung liegt, also im Gültigkeitsbereich des Hooke’schen Gesetzes. Nur in diesem Bereich ist der E-Modul eine Konstante, und nur für diesen Fall kann die Eulergleichung gelten. Um zu wissen, ob und wann man im Einzelfall mit der Eulergleichung rechnen darf, wird eine Gleichung für die Knickspannung sK entwickelt. Dazu benutzt man die Beziehung sK ¼ FK=A. Zur Vereinfachung wird statt Imin nur I geschrieben. Mit dem Ziel, eine möglichst einfach aufgebaute Gleichung für sK zu erhalten, hat man zwei neue Größen eingeführt, den Trägheitsradius i und den Schlankheitsgrad l: Zunächst bieten sich die beiden geometrischen Größen I und A zur Vereinfachung an. Man setzt das axiale Flächenmoment I ¼ i 2 A und bezeichnet i als den Trägheitsradius des Querschnitts. Für den Kreisquerschnitt ist nach Tabelle 5.1, Seite 309, das axiale Flächenmoment I ¼ pd 4 =64; die Kreisfläche berechnet sich aus A ¼ pd 2 =4. Damit erhält man eine sehr einfache Beziehung für den Trägheitsradius eines Kreisquerschnitts. Nach der Einführung des Trägheitsradius erscheint bei entsprechender Schreibweise in der Eulergleichung für die Knickspannung nun der Quotient s 2 =i 2 (siehe oben). Die Wurzel daraus heißt Schlankheitsgrad l. Damit ist die einfachste Form für die Eulergleichung gefunden. Sie zeigt, dass Stäbe von gleichem Schlankheitsgrad (geometrisch ähnliche Stäbe) die gleiche Knickspannung sK haben und dass sK außer von l nur vom Elastizitätsmodul E abhängig ist. Beachte: Die Eulergleichung gilt nur dann, wenn die Knickspannung sK gleich oder kleiner ist als die Proportionalitätsgrenze sdP des Werkstoffs. Zur Proportionalitätsgrenze siehe Abschnitt 5.12.1, Seite 375. sK ¼ FK A ¼ EIp2 s 2 A sK ¼ E p 2 I A 1 s 2 sK ¼ E p 2 ðI=AÞ s2 ¼ E p2 i2 E p2 ¼ s2 ðs2 =i2Þ rffiffiffiffi I Trägheitsradius i ¼ A i 2 ¼ I A (Gleichungen für i in Tabelle 5.1, Seite 309) 4 pd I ¼ 64 rffiffiffiffiffiffi I i ¼ A i ¼ d 4 2 pd A ¼ 4 ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi pd ¼ 4 4 64 pd 2 r Trägheitsradius für Kreisquerschnitt freie Knicklänge s Schlankheitsgrad l ¼ Trägheitsradius i l ¼ s i E p2 sK ¼ l 2 Knickspannung sK, E l s, i N mm 2 1 mm

5.10 Beanspruchung auf Knickung 353<br />

Die nach Ierf aufgelöste Eulergleichung garantiert<br />

nicht, dass der vorliegende Fall tatsächlich im Gültigkeitsbereich<br />

dieser Gleichung liegt, also im Gültigkeitsbereich<br />

des Hooke’schen Gesetzes. Nur in<br />

diesem Bereich ist der E-Modul eine Konstante,<br />

und nur für diesen Fall kann die Eulergleichung<br />

gelten.<br />

Um zu wissen, ob und wann man im Einzelfall mit<br />

der Eulergleichung rechnen darf, wird eine Gleichung<br />

für die Knickspannung sK entwickelt. Dazu<br />

benutzt man die Beziehung sK ¼ FK=A. Zur Vereinfachung<br />

wird statt Imin nur I geschrieben.<br />

Mit dem Ziel, eine möglichst einfach aufgebaute<br />

Gleichung für sK zu erhalten, hat man zwei neue<br />

Größen eingeführt, den Trägheitsradius i und den<br />

Schlankheitsgrad l:<br />

Zunächst bieten sich die beiden geometrischen<br />

Größen I und A zur Vereinfachung an. Man setzt<br />

das axiale Flächenmoment I ¼ i 2 A und bezeichnet<br />

i als den Trägheitsradius des Querschnitts.<br />

Für den Kreisquerschnitt ist nach Tabelle 5.1, Seite<br />

309, das axiale Flächenmoment I ¼ pd 4 =64;<br />

die Kreisfläche berechnet sich aus A ¼ pd 2 =4.<br />

Damit erhält man eine sehr einfache Beziehung für<br />

den Trägheitsradius eines Kreisquerschnitts.<br />

Nach der Einführung des Trägheitsradius erscheint<br />

bei entsprechender Schreibweise in der Eulergleichung<br />

für die Knickspannung nun der Quotient<br />

s 2 =i 2 (siehe oben). Die Wurzel daraus heißt<br />

Schlankheitsgrad l.<br />

Damit ist die einfachste Form für die Eulergleichung<br />

gefunden. Sie zeigt, dass Stäbe von gleichem<br />

Schlankheitsgrad (geometrisch ähnliche<br />

Stäbe) die gleiche Knickspannung sK haben und<br />

dass sK außer von l nur vom Elastizitätsmodul E<br />

abhängig ist.<br />

Beachte: Die Eulergleichung gilt nur dann,<br />

wenn die Knickspannung sK gleich oder<br />

kleiner ist als die Proportionalitätsgrenze sdP<br />

des Werkstoffs.<br />

Zur Proportionalitätsgrenze siehe<br />

Abschnitt 5.12.1, Seite 375.<br />

sK ¼ FK<br />

A<br />

¼ EIp2<br />

s 2 A<br />

sK ¼ E p 2 I<br />

A<br />

1<br />

s 2<br />

sK ¼ E p 2 ðI=AÞ<br />

s2 ¼ E p2 i2 E p2<br />

¼<br />

s2 ðs2 =i2Þ rffiffiffiffi<br />

I<br />

Trägheitsradius i ¼<br />

A<br />

i 2 ¼ I<br />

A<br />

(Gleichungen für i in Tabelle 5.1, Seite 309)<br />

4 pd<br />

I ¼<br />

64<br />

rffiffiffiffiffiffi<br />

I<br />

i ¼<br />

A<br />

i ¼ d<br />

4<br />

2 pd<br />

A ¼<br />

4<br />

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi<br />

pd<br />

¼<br />

4 4<br />

64 pd 2<br />

r<br />

Trägheitsradius<br />

für Kreisquerschnitt<br />

freie Knicklänge s<br />

Schlankheitsgrad l ¼<br />

Trägheitsradius i<br />

l ¼ s<br />

i<br />

E p2<br />

sK ¼<br />

l 2<br />

Knickspannung<br />

sK, E l s, i<br />

N<br />

mm 2 1 mm

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