FACHBEREICH ARCHITEKTUR - Goepf Bettschen
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BAULEITER HOCHBAU<br />
K U R S<br />
S T A T I K / F E S T I G K E I T S L E H R E<br />
12) DURCHLAUFTRAEGER<br />
und GELENKTRAEGER<br />
1) Durchlaufträger (Mehrfeldträger)<br />
a) Allgemeines<br />
b) Statisch unbestimmte Systeme<br />
c) Methoden zur Durchlaufträgerberechnung<br />
d) Einflusslinien<br />
e) Ungünstige Laststellungen<br />
f) Beispiel Durchlaufträger<br />
A<br />
l 4<br />
l 1 l 2 l 3 l 5<br />
2) Gelenk- oder Gerberträger<br />
a) System<br />
b) Berechnung der Schnittkräfte<br />
c) Beispiele<br />
g.bettschen<br />
B F<br />
D E<br />
C
Berufs- und Weiterbildungszentrum bzb - BAULEITER HOCHBAU -<br />
Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 2<br />
1) Durchlaufträger<br />
a) Allgemeines<br />
Ein Durchlaufträger ist ein Mehrfeld-Träger über mehr als zwei Abstützungen.<br />
Er kann in der Realität ein Holztäger, eine Betondedecke, eine Kranbahn oder ähnliches<br />
sein.<br />
Der Durchlaufträger kann über beliebig viele Stützen verlaufen bzw. beliebig viele Felder<br />
haben. Am linken und rechten Rand können die Trägerenden gelenkig gelagert oder<br />
eingespannt sein oder als Kragträger weiter gehen.<br />
Das System ist immer statisch unbestimmt und daher schwieriger zu berechnen als ein<br />
statisch bestimmter Einfeldträger. Der Vorteil der Zwischenstützen ist, dass die Stützweite<br />
und die Durchbiegung in Feldmitte geringer werden und die Bauhöhe des Trägers niedriger<br />
sein kann.<br />
Seine statische Berechnung ist unabhängig vom Baumaterial.<br />
Die Bemessung und konstruktive Ausbildung hängt jedoch maßgebend vom Baustoff ab.<br />
Der Durchlaufträger kann abschnittsweise unterschiedliche Querschnittstypen (Platte,<br />
Plattenbalken, Balken) haben.<br />
Bei der Bemessung muss beachtet werden, dass die Lasten in ungünstiger Weise<br />
feldweise oder einzeln wirken können. Die höchste Beanspruchung ergibt sich nicht<br />
automatisch, wenn alle möglichen Lasten (Gleichlasten, Einzellasten, Stützensenkungen,<br />
ständige Lasten, Verkehrs-/Nutzlasten, Wanderlasten, Fahrzeuge) gleichzeitig wirken.<br />
Deshalb berechnet man Einflusslinien für Durchlaufträger und wertet sie mit Hilfe von<br />
Computern aus.<br />
b) Statisch unbestimmte Systeme<br />
Ein System ist äusserlich statisch unbestimmt, wenn seine Auflagerkräfte nicht mehr mit<br />
den Gleichgewichtsbedingungen der Ebene bestimmt werden können.<br />
Grad der Unbestimmtheit ist die Differenz zwischen gesuchten Auflagerkräften und den<br />
drei Gleichgewichtsbedingungen der Ebene.<br />
A<br />
M<br />
A<br />
A<br />
A<br />
A<br />
AH<br />
F<br />
AV<br />
F<br />
BH<br />
F<br />
BH<br />
F<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011<br />
BV<br />
F<br />
BV<br />
BH<br />
B<br />
C<br />
BV C D<br />
F<br />
BV C D<br />
3 unbekannte Auflagerkräfte<br />
3 Gleichgewichtsbedingungen der Ebene<br />
→ statisch bestimmt<br />
4 unbekannte Auflagerkräfte<br />
3 Gleichgewichtsbedingungen der Ebene<br />
→ 1-fach statisch unbestimmt<br />
4 unbekannte Auflagerkräfte<br />
3 Gleichgewichtsbedingungen der Ebene<br />
→ 1-fach statisch unbestimmt<br />
5 unbekannte Auflagerkräfte<br />
3 Gleichgewichtsbedingungen der Ebene<br />
→ 2-fach statisch unbestimmt<br />
4 unbekannte Auflagerkräfte<br />
2 Gleichgewichtsbedingungen der Ebene<br />
→ 2-fach statisch unbestimmt
Berufs- und Weiterbildungszentrum bzb - BAULEITER HOCHBAU -<br />
Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 3<br />
c) Methoden zur Durchlaufträgerberechnung<br />
Zum Berechnen der Auflagerkräfte bei statisch unbestimmten Systemen müssen also noch<br />
zusätzliche Kriterien zu den 3 Gleichgewichtsbedingungen der Ebene herbeigezogen<br />
werden. Man muss deshalb noch die sogenannten Formänderungsbedingungen<br />
aufstellen.<br />
Jedes belastete Tragwerk steht unter Spannungen. Diese rufen Formänderungen hervor.<br />
Bleiben die Spannungen unterhalb der Elastizitätsgrenze des Baustoffes, so gehen die<br />
Formänderungen bei Entlastung vollständig zurück. Man spricht dann von elastischen<br />
Formänderungen gegenüber den plastischen oder bleibenden Formänderungen.<br />
Formänderungen können Längen-, Winkel- und Gleitwinkeländerungen sein.<br />
Man unterscheidet in der Baustatik zwei Zustände :<br />
Der Belastungszustand gibt die Beziehungen zwischen den äusseren Kräften (Belastung,<br />
Temperatur) und den inneren Kräften (Normalkräfte, Momente, Querkräfte) an.<br />
Der Verschiebungszustand beschreibt den Zusammenhang zwischen den Formänderungen<br />
eines Teiles des Systems und denen des Gesamtsystems.<br />
Die Verbindung zwischen den beiden Zuständen, das heisst den Zusammenhang von<br />
Spannungen und Dehnungen, stellt das Hookesche Gesetz dar. Es gilt für isotrope<br />
Baustoffe, und zwar so lange, wie die Spannungen unterhalb der Proportionalitätsgrenze<br />
bleiben, das Spannungsdehnungsdiagramm also geradlinig verläuft.<br />
Mit Hilfe von Bedingungen, die der Kontinuität und den Verformungen des Systems gerecht<br />
werden, können nun statisch unbestimmte Systeme gelöst werden.<br />
Für die Berechnung von Durchlaufträgern stehen unter anderem folgende Methoden zur<br />
Verfügung :<br />
• Kraftmethode<br />
Die Kraftmethode beruht darauf, dass man das statisch unbestimmte Tragwerk in ein<br />
statisch bestimmtes Tragwerk umwandelt, an diesem aber Kräfte anbringt, die dem<br />
ursprünglichen Zustand wieder gerecht werden<br />
A<br />
A<br />
A B C<br />
A XB C<br />
Elastizitätsbedingung : δB B = 0<br />
X1=1<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011<br />
C<br />
C<br />
Statisches Grundsystem GS<br />
X = überzählige Grösse<br />
δBo = Durchbiegung infolge äusserer Belastung<br />
δB1 = Durchbiegung infolge x1 = 1<br />
δBo<br />
δB1<br />
Elastizitätsgleichung :<br />
δBo + x1 ⋅ δB1 = 0<br />
x1 = - δBo / δB1
-<br />
+<br />
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Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 4<br />
Weitere Möglichkeiten für die Durchlaufträgerberechnung sind zum Beispiel:<br />
• Methode Cross<br />
• Dreimomentengleichung<br />
• Näherungsberechnung mit Hilfswerten<br />
• Tabellenwerke<br />
• EDV<br />
d) Einflusslinien<br />
Bisher haben wir die Schnittkraftverteilung von festen Lasten über den ganzen Bauteil in<br />
Form von Momenten- oder Querkraftflächen aufgezeichnet.<br />
Bei beweglichen Lasten möchten wir aber oft den Einfluss der rollenden Last auf eine<br />
bestimmte Stelle am Bauteil kennen. Dazu lassen wir eine Last von der Grösse F = 1 über<br />
den Balken rollen und berechnen für den ausgezeichneten Schnitt die Schnittkräfte, diese<br />
Werte tragen wir am jeweiligen Standort der Last auf (also nicht wie vorher, an der Stelle<br />
wo die Schnittkraft wirkt).<br />
Die Verbindungslinie dieser Punkte nennt man die<br />
E i n f l u s s l i n i e<br />
Einflusslinien sind also ein Hilfsmittel, um für gewisse ausgezeichnete Schnitte<br />
den Einfluss von beweglichen Lasten auf die Schnittkräfte oder auf die Auflager<br />
zu bestimmen.<br />
Eine Einflusslinie wird immer für einen bestimmten Punkt konstruiert. Sie zeigt den<br />
Verlauf des Einflusses der äusseren Belastung für die gesuchte Schnittkraft im<br />
betreffenden Punkt.<br />
Beispiel<br />
Einflusslinie für MB :<br />
- F auf Kragarm links : MB B = + 0.60<br />
- F in Feldmitte Feld 1 : MB B = - 0.51<br />
- F in Feldmitte Feld 2 : MB B = - 0.22<br />
- F auf Kragarm rechts : MB B = + 0.30<br />
- F auf A, B oder C : MB B = + 0.00<br />
F = 1<br />
A B C<br />
2.00 l1 = 4.50 l2 = 3.00 1.50<br />
- F auf ¼ von Feld 1 : MB B = - 0.32<br />
- F auf 3 B<br />
/4 von Feld 1<br />
- usw.<br />
: MB = - 0.44<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011<br />
B
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Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 5<br />
e) Ungünstige Laststellungen<br />
Ähnlich wie bei den Trägern mit Kragarmen erhält man auch bei Durchlaufträgern die<br />
ungünstigsten Werte für Schnittkräfte und Auflagerreaktionen nicht bei Vollbelastung des<br />
ganzen Trägerzuges, sondern bei nur teilweiser Belastung. Am genauesten lassen sich die<br />
jeweils ungünstigsten Laststellungen mit Einflusslinien ermitteln. Wir begnügen uns aber,<br />
wie im Hochbau üblich, mit feldweise veränderlichen Lasten. Man trennt daher für die<br />
Berechnung das ständig vorhandene Eigengewicht g von der wechselnden Nutzlast q,<br />
bzw, bei Einzellasten G und Q.<br />
Es ergeben sich dann zum Beispiel folgende Belastungszustände :<br />
• Eigengewicht ( ständige Last)<br />
l 1 l 2 l 3 l 4 l 5<br />
A B C D E F<br />
Diese Lasten sind ständig vorhanden, und daher sind mit ihnen alle Felder voll<br />
zu belasten. Die Schnittkräfte dieses Belastungszustandes sind zu den Nutzlasten<br />
dazuzuzählen, um die überhaupt ungünstigsten Werte zu erhalten.<br />
• Nutzlast<br />
l 1 l 2 l 3 l 4 l 5<br />
A B C D E F<br />
Die grössten Feldmomente ergeben sich durch gleichzeitige Belastung eines Feldes und<br />
der übernächsten Felder. In den unbelasteten Feldern entstehen dann gleichzeitig die<br />
kleinsten Feldmomente.<br />
Die oben aufgezeichnete Belastung im 5-feldträger liefert auch die maximalen<br />
Auflagerdrücke A und F.<br />
l 1 l 2 l 3 l 4 l 5<br />
A B C D E F<br />
Das dem Betrage nach grösste negative Stützmoment und gleichzeitig den grössten<br />
Stützendruck erhält man durch gleichzeitige Belastung der beiden der Stütze benachbarten<br />
Felder und der übernächsten Felder.<br />
Die massgebenden Querkräfte an den Auflagern erhält man durch die Lastzustände für die<br />
grössten Stützendrücke.<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011
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Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 6<br />
f) Beispiel Durchlaufträgerberechnung:<br />
Einfeldträger:<br />
l = 6.0 m, Eigengewicht gk= 0.83 +1.17 = 2.0 kN/m’, Nutzlast qk = 4.0 kN/m’<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011<br />
Feldmoment M = 27 kN m<br />
Durchlaufträger mit 4 Feldern à 6.0 m:<br />
Eigengewicht gk= 0.83 +1.17 = 2.0 kN/m’, Nutzlast qk = 4.0 kN/m<br />
Feldmoment M = 20 kN m<br />
Stützmoment M = - 25 kN m<br />
Feldmoment M = 14 kN m
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Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 7<br />
2) Gelenk- oder Gerberträger<br />
a) System<br />
Durchlaufträger<br />
Durchlaufträger sind gegenüber einfachenTrägern wirtschaftlicher, weil sie bei gleichen<br />
Stützweiten und gleicher Belastung wegen ihrer geringen Biegemomente im Feld meist<br />
kleinere Abmessungen haben.<br />
Dagegen sind sie wegen ihrer statisch unbestimmten Lagerung äusserst empfindlich<br />
gegen Stützensenkungen.<br />
Dieser Nachteil lässt sich durch Einschalten von Gelenken, welche die<br />
Durchlaufträger wieder in statisch bestimmte verwandeln, vermeiden, ohne dass der<br />
Vorteil kleinerer Momente verlorengeht.<br />
Gelenk<br />
Gelenk<br />
Gelenkträger<br />
Gelenke können wohl Normal- und Querkräfte, aber keine Biegemomente<br />
aufnehmen. Für jedes Gelenk besteht daher die Bedingungsleichung M = 0.<br />
Ein Durchlaufträger auf n - Stützen lässt sich durch Einschalten von n-2 Gelenken statisch<br />
bestimmt machen.<br />
→ Anzahl der erforderlichen Gelenke = Anzahl der vorhandenen Mittelstützen.<br />
Damit die Gelenkträger ( nach ihrem Erfinder auch Gerberträger genannt) stabil bleiben<br />
und nicht in sich beweglich werden, dürfen in einem Felde nicht mehr als zwei Gelenke<br />
angeordnet werden, die Nachbarfelder müssen dann von Gelenken freibleiben. Da die<br />
Endauflager auch als Gelenke aufzufassen sind, darf in einem Endfeld nur ein weiteres<br />
Gelenk vorkommen. Es ergeben sich daher bei verschiedener Felderzahl die nachfolgend<br />
dargestellten Möglichkeiten an Gelenkanordnungen :<br />
Gelenk G<br />
2 Felder :<br />
3 Felder :<br />
3 Felder :<br />
4 Felder :<br />
5 Felder oder<br />
mehr Felder:<br />
Kragträger<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011<br />
Schwebeträge
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Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 8<br />
Man kann auch in jedem Felde mit Ausnahme eines einzigen nur je ein Gelenk anordnen.<br />
Man erhält dann den Koppelträger :<br />
Aufstellrichtung<br />
Koppelträger sollten wegen ihrer leicht zu störenden Stabilität möglichst vermieden<br />
werden.<br />
Im Hochbau ordnet man die Gelenke meist so an, dass die Feldmomente gleich den<br />
Stützenmomenten werden, dass also Momentenausgleich und damit eine gute Ausnutzung<br />
der Baustoffe vorhanden ist.<br />
In Wohngebäuden und ähnlichen Bauten sind aber Gelenkträger ungeeignet, weil die<br />
Gelenke, damit sie frei spielen können, als durchgehende Fugen auszuführen sind. Im<br />
Dachbau können dagegen Gelenke meist angeordnet werden, weil die oft dünne,<br />
nachgiebige Dachhaut kleine Bewegungen aufnehmen kann.<br />
b) Berechnung der Schnittkräfte<br />
Schwebeträger Schwebeträger<br />
Kragträger<br />
G1<br />
A B<br />
l 1’<br />
C<br />
l<br />
D<br />
a b<br />
3’<br />
l 1<br />
Die eingehängten Träger<br />
( Schwebeträger) A-G1 und<br />
G2-D können wie einfache<br />
Balken berechnet werden.<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011<br />
A<br />
G2<br />
l 2 l 3<br />
l 1’<br />
Aus diesen einfachen Balken erhalten wir die Auflagerkraft A (bzw. D) und die Gelenkkraft<br />
G1 ( bzw. G2), die Gelenkkräfte G1 und G2 sind auch Auflagerkräfte am einfachen Balken.<br />
Mit diesen Gelenkkräften<br />
können wir nun den<br />
Kragträger berechnen.<br />
G1<br />
G2<br />
G1<br />
B<br />
l C<br />
a 2 b<br />
Berechnung der Kragträger siehe ‘ Balken mit Kragarmen’<br />
G2<br />
l 3’<br />
D
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Kurs Statik/Festigkeitslehre - Durchlaufträger und Gerberträger - g.bettschen - Seite 9<br />
c) Beispiele<br />
Schlechte Anordnung der Gelenke – sehr grosse Stützmomente<br />
Bessere Anordnung der Gelenke – Stützmomente und Feldmomente ca. gleich gross<br />
D:\Dez 2011\Statik12.DOC 12.12.2011