Materialmappe zur Inszenierung DER FREISCHÜTZ - Theater Ulm
Materialmappe zur Inszenierung DER FREISCHÜTZ - Theater Ulm
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Lebt kein Gott? (Max)<br />
<strong>Materialmappe</strong> <strong>zur</strong> <strong>Inszenierung</strong><br />
<strong>DER</strong> <strong>FREISCHÜTZ</strong><br />
Romantische Oper in drei Aufzügen<br />
Musik von Carl Maria von Weber<br />
Libretto von Johann Friedrich Kind<br />
Premiere: 20.09.2007<br />
Musikalische Leitung: GMD James Allen Gähres<br />
Regie: Stephan Suschke<br />
Bühne: Momme Röhrbein<br />
Kostüme: Angela C. Schuett<br />
Dramaturgie: Matthias Kaiser<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
Telefon: 0731-161 4411 - E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de<br />
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Inhalt<br />
Einleitung S. 1<br />
Der Komponist S. 2<br />
Der Librettist S. 3<br />
Das Treffen von Komponist und Librettist S. 3<br />
Woher der Stoff kommt - Inhalt der Volkssage vom <strong>FREISCHÜTZ</strong><br />
von J.A. Apel und F. Laun S. 3<br />
Die Umwandlung vom „bösen“ zum „guten“ Ende -<br />
Friedrich Kind über die Wahl des Stoffes S. 4<br />
Was daraus gemacht wurde – Inhalt der Oper <strong>DER</strong> <strong>FREISCHÜTZ</strong> S. 5<br />
Premierenkritik: Das Gute und das Böse liegen nahe beieinander S. 8<br />
<strong>Theater</strong>pädagogisches Material S. 9<br />
Anhang: Rollentexte, Libretto, Literaturhinweise S. 13<br />
Liebe Lehrerinnen und Lehrer,<br />
wir glauben, dass das Erlebnis <strong>Theater</strong> erst dann richtig beginnt, wenn man<br />
begreift. Schüler sollten auf den <strong>Theater</strong>besuch vorbereitet werden, damit sie<br />
ihn genießen können. Die kleinen Materialsammlungen zu den <strong>Inszenierung</strong>en<br />
am <strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> sollen Ihnen <strong>zur</strong> Vorbereitung des <strong>Theater</strong>besuchs mit Ihrer<br />
Klasse dienen.<br />
Neben Hintergrundinformationen zu Autor und Werk enthalten sie Materialien,<br />
die für den Zugriff des jeweiligen Regisseurs von Bedeutung sind. Außerdem<br />
am Ende einige theaterpädagogische Anregungen, mit denen Sie bestimmte<br />
Themenkomplexe der <strong>Inszenierung</strong> mit ihren Schülern praktisch „anSPIELEN“<br />
können.<br />
Sie können sich aus diesen Materialien einzelne Dinge herausgreifen, sie<br />
abwandeln oder das gesamte Material verwenden.<br />
Viel Freude beim Ausprobieren und dem <strong>Theater</strong>besuch wünscht<br />
Nele Neitzke<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
Telefon: 0731-161 4411 - E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de<br />
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<strong>DER</strong> <strong>FREISCHÜTZ</strong><br />
Der Freischütz ist eine romantische Oper in drei Aufzügen von Carl Maria von<br />
Weber nach einem Libretto von Johann Friedrich Kind. Als Vorlage diente<br />
Johann August Apels Erzählung „Der Freischütz“. Sie wurde erstmals am 18.<br />
Juni 1821 im königlichen Schauspielhaus Berlin aufgeführt. „Der Freischütz“<br />
wird auch als die erste deutsche Volksoper bezeichnet und ging als erste<br />
deutsche Nationaloper in die Musikgeschichte ein.<br />
Der Komponist<br />
Carl Maria von Weber wurde geboren am 18. oder 19. November 1786 in<br />
Eutin, einem kleinen Städtchen in Holstein. Sein Vater hatte dort eine<br />
Anstellung als Stadtmusiker. Schon als das Kind erst ein halbes Jahr alt ist,<br />
verlässt die Familie Eutin und beginnt ein Leben als wandernde<br />
<strong>Theater</strong>truppe. Ständige Umzüge führen dazu, dass das früh begabte Kind<br />
seine Musikausbildung bei immer wieder anderen Lehrern erhält, darunter<br />
aber so berühmten Persönlichkeiten wie Michael Haydn in Salzburg, dem<br />
jüngeren Bruder von Joseph Haydn. Mit 14 Jahren hat Carl Maria bereits zwei<br />
Opern komponiert. Mit 18 Jahren erhält er seine erste Anstellung als<br />
Kapellmeister in Breslau, Schlesien. Zwei Jahre später verliert er seine<br />
Singstimme, erste Anzeichen einer Lungenkrankheit treten auf. Drei Jahre als<br />
Sekretär am Stuttgarter Hof des Herzogs von Württemberg scheinen eine<br />
Wende in seiner Laufbahn einzuleiten, doch sie enden abrupt mit er Flucht<br />
aus Württemberg wegen finanzieller Verfehlungen. Von 1810 bis 1813 folgen<br />
wieder Wanderjahre, aber Weber ist zum Künstlerleben <strong>zur</strong>ückgekehrt. Eine<br />
Anstellung als Operndirektor und Kapellmeister in Prag von 1814 bis 1816<br />
bringt ihm wichtige Erfahrungen mit dem <strong>Theater</strong>betrieb und nachhaltige<br />
Erfolge ein, sodass er 1817 eine höherrangige Stelle als Sächsischer<br />
Hofkapellmeister und Direktor der Deutschen Oper in Dresden erhält. Hier<br />
bleibt er bis an sein Lebensende. Seine drei bedeutendsten Opern,<br />
„Freischütz“, „Euryanthe“ und „Oberon“ entstehen in diesen Jahren, aber<br />
keine wird in Dresden uraufgeführt: „Der Freischütz“ 1821 in Berlin, „Euryanthe“<br />
1823 in Wien und „Oberon“ 1826 in London.. Wenige Wochen nach diesen<br />
Uraufführungen stirbt Weber am 5. Juni 1826 in London an seiner<br />
Lungenkrankheit, knapp 40 Jahre alt. Er wird zunächst in London beerdigt.<br />
1844 wird seine Leiche nach Dresden überführt und dort zum zweiten Mal<br />
beigesetzt. Richard Wagner hält die Grabrede.<br />
Weber komponierte sieben vollständige Opern, zwei weitere hat er nicht<br />
vollendet. Es gibt von ihm außerdem viel Kammermusik, Solokonzerte für<br />
Klavier, Klarinette und weitere Soloinstrumente, Sinfonien, Ouvertüren,<br />
Konzertarien, Schauspielmusiken, geistliche und weltliche Chorwerke. Sein<br />
populärstes und beständigstes Werk ist bis heute zweifellos „Der Freischütz“.<br />
Weber war zudem als Schriftsteller und Kritiker aktiv.<br />
Aus: Abegg, W.: „Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Romantische Oper – Finstere Mächte –<br />
Bühnenwirkung“, Augsburg 2005<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
Telefon: 0731-161 4411 - E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de<br />
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Der Librettist<br />
Der Autor des Textbuches (Librettos) von <strong>DER</strong> <strong>FREISCHÜTZ</strong>, Johann Friedrich<br />
Kind, wurde am 4.3.1768 in Leipzig geboren. Sein Vater war Richter und<br />
Ratsherr von Leipzig. Dort besuchte Kind die Thomasschule; später dann die<br />
Universität, um Philosophie und Jura zu studieren.<br />
Ab 1789 arbeitete Kind am Justizamt in Delitzsch. Dort errichtete er ein privates<br />
<strong>Theater</strong>, an dem er auch selbst spielte. Nebenbei war er auch als Redakteur<br />
und Journalist tätig. 1792 ging Kind nach Dresden, wo er sich nur ein Jahr<br />
später als Rechtsanwalt etablierte. 1814 legte Kind sein Mandat nieder und<br />
widmete sich nur noch dem Schreiben. Er schrieb u. a. das Schauspiel Das<br />
Nachtlager von Granada (später von Conradin Kreuzer als Das Nachtlager in<br />
Granada vertont) und eben das Libretto für Carl Maria von Webers Oper <strong>DER</strong><br />
<strong>FREISCHÜTZ</strong>. 1818 wird Kind wird vom Herzog von Sachsen-Coburg der Titel<br />
eines Hofrates verliehen. Am 24. Juni 1843 stirbt Johann Friedrich Kind in<br />
Dresden.<br />
Das Treffen von Komponist und Librettist<br />
Friedrich Kind gehörte in Dresden einem literarischen Zirkel an, der sich<br />
„Dichtertee“ nannte. Weber war kurz nach seiner Ankunft in Dresden 1817<br />
Gast in diesem Zirkel und entdeckte in einer Unterhaltung mit Kind, dass beide<br />
die Freischütz-Sage aus der Novelle „Freyschütz – Eine Volkssage“ kannten,<br />
die 1810 von Johann August Apel und Friedrich Laun in einem<br />
„Gespensterbuch“ veröffentlicht worden war. Beide redeten sich in<br />
Begeisterung und Kind versprach, Weber das Libretto für eine Oper zu<br />
schreiben. Schon 14 Tage später hatte er es fertig gestellt. Weber nahm nach<br />
einigen Änderungen das Textbuch an, d. h. er kaufte es Kind ab und konnte<br />
danach nach eigenem Gutdünken damit verfahren. Da er es in Teilen weiter<br />
veränderte, kam es zu einer Verstimmung bei Kind. In seinem letzten<br />
Lebensjahr veröffentlichte Kind deshalb das „Freischütz-Buch“, in dem er seine<br />
eigene Leistung noch einmal deutlich hervorhob.<br />
Aus: Abegg, W.: „Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Romantische Oper – Finstere Mächte –<br />
Bühnenwirkung“, Augsburg<br />
Woher der Stoff kommt - Inhalt der Volkssage vom <strong>FREISCHÜTZ</strong> von J.A. Apel<br />
und F. Laun<br />
Der Amtsschreiber Wilhelm liebt Käthe. Die Tochter des Försters Bertram und<br />
seiner Frau Anne. Dieser Tochter zuliebe verläßt Wilhelm seinen bisherigen<br />
Beruf und wird Jäger. Seit der Verlobung hat er jedoch kein Jagdglück mehr.<br />
Sein Kamerad Rudolf behauptet, das Gewehr wäre verzaubert, und rät ihm,<br />
Samiel, den Zauberer, an<strong>zur</strong>ufen. Bertram und Wilhelm wollen aber davon<br />
nichts wissen. Da bestätigt ihm ein alter Stelzfuß die Verzauberung des<br />
Gewehrs, gibt ihm eine Freikugeln mit der Wilhelm einen großen Geier aus<br />
einer dem Auge kaum erreichbaren Höhe herunterholt, und schenkt ihm beim<br />
Abschied noch eine Anzahl solcher Freikugeln. Zur gleichen Zeit fällt im<br />
Försterhaus das Bild des Ureltervaters Kuno vom Nagel. Wilhelm verbraucht<br />
inzwischen die Kugeln bis auf zwei, die er für den Probeschuß vor dem<br />
Kommissar aufbewahren will. Doch da dessen Besuch auf später festgesetzt<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
Telefon: 0731-161 4411 - E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de<br />
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wird, vielmehr eiligst eine große Wildlieferung verlangt wird, muß er auch die<br />
letzten Kugeln opfern. An diesem Abend erzählt der Förster die vorher<br />
abgedruckte Geschichte von dem Schmid und dem Berg-Jäger, um Wilhelm<br />
zu warnen. Noch einmal gelingt es Bertram, Wilhelm <strong>zur</strong>ückzuhalten; am<br />
nächsten Abend jedoch, Am Vorabend des Probeschusses, geht er in seiner<br />
Verzweiflung doch zum Kreuzweg, um dort Freikugeln zu gießen. Anfangs<br />
kommt es ihm so vor, als stehe eine Gestalt neben ihm, die ihn an seine<br />
verstorbene Mutter erinnert. Nun kommt ein altes Bettelweib herangehumpelt<br />
und bittet ihn um die geheimnisvollen Geräte, Schädel und Knochen. Kaum<br />
ist sie verschwunden, da kommt ein Sechsgespann mit leuchtenden Rädern,<br />
mit Reitern davor und dahinter, den Kreuzweg entlanggeritten über ihm<br />
hinweg, so daß er ohnmächtig zu Boden sinkt. Bald hat er sich wieder erholt<br />
und gießt unverdrossen weiter, obwohl ihn eine wilde Bache abermals<br />
überrennt. Schon beginnt er, nachdem glücklich die sechzigste Kugel<br />
gegossen ist, freier aufzuatmen, da hört er plötzlich Käthchen nach ihm rufen,<br />
ja er sieht sie, wie sie von dem alten Bettelweib gepackt wird. Gerade will er<br />
nach vollendetem Kugelguß den Zauberkreis überspringen, da schlägt es<br />
Mitternacht. Alles verschwindet, nur ein schwarzer Reiter kommt langsam auf<br />
ihn zu und spricht: „Du hast deine Probe gut bestanden, was begehrst du von<br />
mir?“ Wilhelm will sich nicht mit ihm einlassen, da spricht jener den<br />
Zauberspruch: „60 für dich, 3 für mich, jene treffen, diese äffen.<br />
Aufwiedersehen, dann wirst du’s verstehen“, und reitet davon. Am folgenden<br />
Tage soll nun im Beisein des fürstlichen Kommissars der Probeschuß stattfinden.<br />
Wilhelm geht mit ihm auf die Jagd, während Käthchen sich den Brautkranz<br />
holen läßt, durch Verwechslung aber einen Totenkranz bekommt. Von der<br />
Jagd <strong>zur</strong>ückgekehrt, verlangt nun der Kommissar, Wilhelm solle eine weiße<br />
Taube von einem Pfeiler am Försterhaus schießen. Käthchen, die herbeigeeilt<br />
ist, sucht vergebens, das zu verhindern, da sie von einer weißen Taube<br />
geträumt hat. Wilhelm schießt, und sofort stürzt Kätchen getroffen zusammen.<br />
Plötzlich steht neben ihr der Stelzfuß und wiederholt höhnisch den Spruch „60<br />
treffen, 3 äffen“. Die unglücklichen Eltern sterben bald vor Gram, der<br />
unglückliche Bräutigam endet im Irrenhause.<br />
Aus: Csampani, Attila; Holland, Dietmar (Hrsg.): Der Freischütz; Texte, Materialien, Kommentare. Reinbek<br />
bei Hamburg 1981.<br />
Die Umwandlung vom „bösen“ zum „guten“ Ende - Friedrich Kind über die<br />
Wahl des Stoffes<br />
Wir begannen die Musterung: manches gefiel, doch zuletzt hatten bald<br />
Weber, bald ich, bald wohl wir beide ein gerechtes Bedenken. „Ja“, sagt ich<br />
zuletzt, indem ich das zu unterst gelegte Buch hervorzog, „hier wäre etwas für<br />
Sie und mich, besonders für Sie, der so schöne Volksweisen schafft, aber –<br />
aber-„<br />
„Und was?“ – Ich hielt ihm das Gespensterbuch hin. „Apels Freischütz!“ Er<br />
kannte ihn, er war ergriffen. „Herrlich! Herrlich! Nur –„<br />
Wir brachten nun gegen einander vor, was sich sagen ließ- dass man<br />
vielleicht nirgends die Aufführung wagen werde, denn freilich herrschte<br />
damals auf den Bühnen eine strengere Censur; dass der doppelte Untergang<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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der Liebenden als Schluss allzu tragisch sey; dass man uns der Beförderung<br />
des Aberglaubens beschuldigen werde; dass die Aufopferung der Unschuld<br />
mit der Schuld als unmoralisch gelten könne, u.s.w. Wir wurden zuletzt darüber<br />
einig, dass, wenigsten gestalten Sachen nach, auf die Bücher nicht zu<br />
rechnen sey. Dies schmerzlich bedauernd, doch ohne eine Wahl zu treffen,<br />
schieden wir von einander.<br />
Doch die Freikugel hatte auch mich schon getroffen: mein Herz schlug<br />
unruhig, ich rannte in der Stube auf und ab, ich berauschte mich in Waldlust<br />
und Volkston. Endlich dämmerte mir die Morgenröthe, das Tagsgestirn trat<br />
hinter Nebeln hervor. Ich lief zu Weber, ich weiß nicht mehr ob noch an<br />
demselben Abende, oder am folgenden Tage bei früher Zeit.<br />
„Ich dichte Ihnen den Freischützen! Mit einem Teufel selbst nehm’ ich’s auf!<br />
Ich drehe das ganze Spiel um! Nichts Modernes: wir leben nach dem<br />
dreißigjährigen Kriege, tief im Böhmischen Waldgebirg! Ein frommer Einsiedler<br />
ist mir erschienen! Die weiße Rose schützt gegen den höllischen Jäger! Die<br />
Unschuld hält den wankenden Schwachen aufrecht! Der Orkus liegt unter,<br />
der Himmel triumphirt!“<br />
Ich setzte Webern den entworfenen Plan gedrängt auseinander: wir fielen<br />
einander jubelnd in die Arme: wir reifen scheiden: Unser Freischütz hoch!“ […]<br />
Was daraus gemacht wurde – Inhalt der Oper <strong>DER</strong> <strong>FREISCHÜTZ</strong><br />
Figuren<br />
Ottokar, böhmischer Fürst (Bariton)<br />
Kuno, fürstlicher Erbförster (Bass)<br />
Agathe, die Tochter des Erbförsters (Sopran)<br />
Ännchen, Agathes Cousine (Sopran)<br />
Kaspar, erster Jägerbursche (Bass)<br />
Max, zweiter Jägerbursche (Tenor)<br />
Ein Eremit (Bass)<br />
Kilian, ein reicher Bauer (Bariton)<br />
Vier Brautjungfern (Sopran)<br />
Samiel, der schwarze Jäger (Satan) (Sprechrolle)<br />
Erster, zweiter und dritter fürstlicher Jäger (Sprechrollen)<br />
1. Akt<br />
1. Bild: Platz vor einer Waldschenke<br />
Bauer Kilian wird von den Dorfbewohnern als Gewinner eines Schützenfestes<br />
gefeiert. (Viktoria, der Meister soll leben) Gleichermaßen verspotten die<br />
Dorfbewohner den Jägerburschen Max. Max, der eigentlich ein guter Schütze<br />
ist, traf jedoch nichts, er wird darüber zornig, doch der Auftritt des Erbförsters<br />
Kuno unterbricht ihn. Max, der um die Hand der Tochter von Kuno anhalten<br />
und so auch eines Tages das Amt des Erbförsters erhalten will, erfährt, dass ein<br />
weiteres Wettschießen stattfinden soll. Der Förster erzählt die Legende über<br />
die Entstehung des anstehenden Wettschießens, welches unter den<br />
Anwärtern auf den zukünftigen Posten des Erbförsters ausgetragen wird. Max,<br />
5<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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der die Demütigung einer weiteren Niederlage befürchtet, macht sich<br />
Gedanken darüber, wie er dieses Schießen gewinnen soll. (O, diese Sonne)<br />
Nachdem die Dorfbevölkerung die Lichtung verlassen hat (Walzer), hängt<br />
Max alleine seinen Gedanken nach. (Nein, länger trag' ich nicht die Qualen)<br />
Der Jägerbursche Kaspar aus dem Gefolge von Kuno lädt ihn zum Trinken ein.<br />
(Hier im ird'schen Jammertal) Während sie beide trinken, ermuntert Kaspar<br />
Max zum Schießen mit seinem Gewehr auf einen Adler. Max trifft, obwohl der<br />
Adler weit jenseits der Reichweite des Gewehrs fliegt, worauf Kaspar ihm<br />
erklärt, dass er gerade eine "Freikugel" benutzt hat. Weil es seine letzte war<br />
müssten nun neue gegossen werden. Sie verabreden sich für Mitternacht in<br />
der Wolfsschlucht. Max geht ab, und Kaspar zeigt sein wahres Gesicht, denn<br />
er hat seine Seele Samiel (dem Teufel) verschrieben im Austausch für die<br />
Freikugeln. (Schweig, damit dich niemand warnt!) Wenn er jedoch bis<br />
Mitternacht ein anderes Opfer präsentiert, so ist seine Seele gerettet.<br />
2. Akt<br />
1. Bild: Vorsaal im Forsthaus<br />
Im Hause des Erbförsters ist Ännchen damit beschäftigt, ein Portrait von Kuno<br />
wieder aufzuhängen, welches zuvor Agathe verletzt hatte, als es von der<br />
Wand fiel. (Schelm! Halt fest!) Dabei gelingt es ihr, Agathes dunkle<br />
Vorahnungen zu zerstreuen und Fröhlichkeit zu verbreiten. (Kommt ein<br />
schlanker Bursch gegangen) Aber Agathes Heiterkeit dauert nicht lange an<br />
und weicht der Angst um Max, der sich bei seiner Heimkehr verspätet. (Wie<br />
nahte mir der Schlummer / Leise, leise, fromme Weise) Als Max endlich kommt,<br />
bringt er nicht wie erwartet die Siegertrophäe, sondern lediglich ein paar<br />
Adlerfedern. Als Max hört, dass das Bild von Kuno just in dem Augenblick von<br />
der Wand fiel, als er den Adler erschoss, erschrickt er. Um noch einmal aus<br />
dem Hause zu gehen, erzählt Max seiner Geliebten, dass er noch einen Hirsch<br />
aus der unheimlichen Wolfsschlucht holen müsse. Agathes Beunruhigung<br />
steigt weiter, nachdem sie dies erfahren hat. Max geht wieder. (Wie? Was?<br />
Entsetzen!)<br />
2. Bild: Furchtbare Wolfsschlucht<br />
In der Wolfsschlucht bereitet Kaspar in der Zwischenzeit alles für das Gießen<br />
der Freikugeln vor. (Milch des Mondes fiel aufs Kraut) Noch bevor Max<br />
erscheint, beschwört er Samiel und verabredet mit diesem, dass er Max an<br />
seiner Stelle nehmen solle. (Samiel! Erschein!) Außerdem beschwört Kaspar<br />
den schwarzen Jäger, dass dieser mit der siebten Kugel Agathe töten solle.<br />
Samiel verschwindet. Jetzt erscheint der verstörte Max, der auf dem Weg von<br />
wilden Visionen gepeinigt wurde, zum Gießen der Kugeln. (Trefflich bedient!)<br />
Als er die letzte Kugel gießt, erscheint ihm Samiel und greift nach Max. Dieser<br />
bricht zusammen und wird ohnmächtig ...<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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3. Akt<br />
1. Bild: Waldszene<br />
Max, der nun fehlerfrei schießt, verbraucht eine Kugel nach der anderen, und<br />
Kaspar achtet darauf, dass er alle verbraucht, bis auf die letzte - die siebte -;<br />
um das zu erreichen, verschießt Kaspar seine Kugeln an Elstern und erschießt<br />
mit der 6. Kugel einen Fuchs ("Dort läuft ein Füchslein; dem die sechste in den<br />
Pelz!").<br />
2. Bild: Agathes Stübchen<br />
Agathe betet in ihrem Zimmer, gekleidet in ihr Hochzeitskleid. (Und ob die<br />
Wolke sie verhülle) In ihren Visionen hat Agathe gesehen, dass sie eine Taube<br />
war und Max diese erschoss, doch dann verwandelte sie sich in sich selbst,<br />
und die Taube wurde ein großer schwarzer Raubvogel. Ännchen versucht<br />
Agathe zu beruhigen und erzählt ihr eine lustige Geistergeschichte. (Einst<br />
träumte meiner sel'gen Base) Die Brautjungfern erscheinen und singen ihr (Wir<br />
winden dir den Jungfernkranz) Brautlied, doch da fällt das Portrait Kunos<br />
erneut von der Wand, und in der Kiste, die Ännchen bringt, liegt ein<br />
Todeskranz statt eines Brautkranzes. Die Mädchen sind erschrocken, doch sie<br />
flechten einen neuen Kranz aus den Rosen, die ein Eremit aus der<br />
Nachbarschaft geschickt hat.<br />
3. Bild: Romantisch schöne Gegend<br />
Der Landesfürst und sein Gefolge sind erschienen, um dem Schießwettbewerb<br />
beizuwohnen und erwarten diesen gespannt. (Was gleicht wohl auf Erden)<br />
Kaspar hat sich in einem Baum versteckt, als endlich der Landesfürst Max<br />
auffordert, eine Taube zu schießen. Max legt an, zielt und drückt ab ...<br />
... Agathe fällt in Ohnmacht und der tödlich getroffene Kaspar vom Baum.<br />
(Schaut, o schaut) Während Kaspar stirbt, verflucht er Samiel, der nun seine<br />
Seele holt. Der Landesfürst fordert Max auf, die Vorfälle aufzuklären, und<br />
dieser gesteht das Gießen der Kugeln in der Wolfsschlucht. Der Eremit<br />
verteidigt ihn und stellt fest, dass Max nur durch dieses Probeschießen zu<br />
dieser Tat getrieben wurde und der Brauch nun, da er ein Todesopfer<br />
gefordert hat, eingestellt werden sollte. Max jedoch soll nach dem Wunsch<br />
des Eremiten nach einem Jahr Bewährung straffrei sein und Agathe heiraten<br />
können. Ottokar stimmt dem Eremiten zu.<br />
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Premierenkritik: Das Gute und das Böse liegen nahe beieinander<br />
ULM – „Der Freischütz“ Carl Maria von Webers hat schon viel erlebt. Im<br />
modernen Regietheater ist er mal Zielscheibe, mal Versuchskaninchen. Die<br />
Trefferquote bleibt oft niedrig. Nicht so bei Stephan Suschke: Seine Regie der<br />
romantischen Oper im Dirigat von James Allen Gähres wirkt nur vordergründig<br />
konservativ. Indes ist sie durchaus aktuell, dabei stimmig und intelligent.<br />
Der deutsche Wald! In Momme Röhrbeins Bühnenbild zu dieser wohl<br />
deutschesten aller Opern steht er etwas angekränkelt hinter einem hohen<br />
Stahldrahtzaun. Und die berühmte Wolfsschlucht, in welcher der<br />
Jägerbursche Max sich eine mit Fluch belegte Freikugel beschafft vom<br />
Schwarzen Jäger Samiel, einer Inkarnation des Leibhaftigen, bezieht<br />
anscheinend Feuer, Rauch und Dampf aus den Öfen einer<br />
Ruhrgebietsgießerei. Anders als bei einem skandalträchtigen Regie-Coup vor<br />
Jahren, als die Szene zwischen zwei überdimensionale Frauenschenkel gelegt<br />
war, bleibt hier das Kolorit gewahrt. Und eine vorbeiziehende Revue von<br />
allerlei bizarren Gestalten sorgt auch noch für satirischen Biss. Ironie ist ein<br />
Mittel dieser <strong>Inszenierung</strong>. Am Beginn machen rüpelhafte Dörfler (der von<br />
Wolfgang Wels einstudierte Chor) und der Förster dem verängstigten Max im<br />
Ärmelschoner-Jackett (Kostüme: Angela C. Schuett) klar, dass er endlich mit<br />
seiner Flinte treffen muss, wenn er Agathe <strong>zur</strong> Frau haben will. Unweigerlich<br />
denkt der Opernfreund an pralles Bauerntheater von Ludwig Thoma. In<br />
Agathes Stube geht es biedermeierlich zu wie bei Adalbert Stifter. Wenn Max<br />
dann leicht angesäuselt hereinkommt, ist dies auch kein Widerspruch. Und mit<br />
einem ganz einfachen Kniff besorgt Suschke der Geschichte und seiner<br />
Deutung ihren Aufhänger: Der weise Eremit im weißen Gewand, der am Ende<br />
Maxens Frevel nur milde bestraft und ihm Hoffnung auf sein Glück mit Agathe<br />
lässt, ist derselbe wie der teuflische, schwarze Samiel. Ergo: Gut und Böse<br />
liegen näher beieinander als allgemein vorgegeben wird. (...)<br />
Günter Buhles, in: Schwäbische Zeitung, 22.09.2007<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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<strong>Theater</strong>pädagogisches Material<br />
Gesprächsanlässe:<br />
Allgemein zum <strong>FREISCHÜTZ</strong><br />
Max ist verzweifelt: Schon lange hat er kein Ziel mehr getroffen. Wenn er beim<br />
Probeschuss versagt, dann darf er Agathe nicht heiraten und wird nicht<br />
Erbförster. Was meint ihr dazu?<br />
Wenn euch etwas nicht gelingt, was macht ihr dann?<br />
Könnt ihr verstehen, dass Max sich mit dem Bösen einlässt? Was hätte er<br />
stattdessen machen können?<br />
Zur <strong>Inszenierung</strong> von Stephan Suschke am <strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong>:<br />
Was meint ihr, geht die Geschichte am Ende gut aus?<br />
Was bedeutet es, dass Samiel und der Eremit vom selben Sänger verkörpert<br />
werden?<br />
Gefällt euch dieses Ende der Oper?<br />
Wie hat euch das Bühnenbild gefallen?<br />
Welche Figur hat euch am besten gefallen? Und warum?<br />
Welche Figur hat euch nicht so gut gefallen? Und warum?<br />
Welche Szene hat Euch am besten gefallen und warum?<br />
Welche Szene hat euch nicht gefallen und warum?<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Spielanlässe<br />
Warm-up<br />
Follow the Leader „Victoria“ ca. 10-15 Min.<br />
Kilian gewinnt das Sternschießen und die Menschen jubeln ihm zu: „Victoria!“<br />
und bewegen sich möglichst in seiner Nähe. Die Erfahrung des umjubelt und<br />
imitiert seins ist eine sehr besondere, was die Schüler bei diesem Spiel merken<br />
werden. Anfangs wird der Jubel verhalten sein, je öfter das Spiel gespielt wird<br />
und der Spielleiter auf heftigem Jubel besteht, desto lockerer werden die<br />
Schüler. Auch die Umjubelten werden sicher erstmal irritiert sein, gewöhnen<br />
sich aber in der Regel rasch daran.<br />
Material: 1 Hut<br />
Der Spielleiter übergibt einem Schüler den Hut. Sobald dieser den Hut aufsetzt,<br />
umstürmen die anderen ihn, applaudieren und jubeln heftig und rufen<br />
„Victoria!“. Der Hutträger gibt ein Zeichen, wenn er meint, er hätte genügend<br />
Applaus gehabt. Ab diesem Moment ahmt die Gruppe jede seiner<br />
Bewegungen nach. Die Schüler sollten dazu angehalten werden, langsame<br />
Bewegungen zu machen, damit die anderen folgen können. Nach einiger<br />
Zeit nimmt der Spielleiter den Hut wieder an sich und sofort wendet die<br />
Gruppe sich dem Hut nach. Übergibt der Spielleiter den Hut dem nächsten<br />
Schüler, beginnt das Spiel von vorn.<br />
Das Spiel kann mit mehreren Schülern nacheinander gespielt werden.<br />
Spitzelspiel ca. 5 Minuten<br />
Kaspar beobachtet Max und sucht nach einer Möglichkeit, ihm zu schaden<br />
und sein Leben gegen das eigene zu tauschen. Max bemerkt davon nichts,<br />
sondern vertraut ihm. In dieser Übung sollen die Schüler ausprobieren, wie<br />
unauffällig man jemanden beobachten kann und wann und woran der<br />
Beobachtete es merken kann.<br />
Alle bewegen sich durch den Raum. Jeder achtet auf die anderen und<br />
versucht, immer genau zu wissen, wo die anderen Personen sich jeweils im<br />
Raum befinden. Auf ein „STOP!“ des Spielleiters hin bleiben alle stehen und<br />
schließen die Augen. Der Spielleiter ruft den Namen eines Gruppenmitgliedes<br />
und alle anderen sollen blind dorthin zeigen, wo derjenige sich befindet. Auf<br />
Kommando des Spielleiters öffnen alle die Augen und überprüfen, ob sie<br />
richtig zeigen. Diese Übung sollte 4-5x wiederholt werden.<br />
Dann sucht sich jeder ein eigenes „Opfer“ aus, das er unauffällig beobachtet.<br />
Das „Opfer“ sollte nicht merken, dass es beobachtet wird. Der Spielleiter lässt<br />
die Gruppe erst im Raum verteilt laufen, dann die Gruppe immer enger<br />
zusammen kommen. Wenn alle im Knäuel stehen, legt jeder eine Hand auf<br />
Schulter des „Opfers“.<br />
Hat das „Opfer“ gemerkt, ob und von wem es beobachtet wurde? Woran?<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
Telefon: 0731-161 4411 - E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de<br />
10
Arbeit mit Rollentexten<br />
Wer bin ich?<br />
Für diese Übung können die Rollentexte aus dem Anhang verwendet werden<br />
oder die Schülern schreiben selbst Rollentexte oder -biographien.<br />
Der Lehrer gibt jedem Schüler einen Rollentext, dabei sollte darauf geachtet<br />
werden, dass bei der Verteilung alle Figuren gleichmäßig vergeben werden.<br />
Bei 24 Schülern wären es z.B. 2 komplette Ensembles und die unabdingbaren<br />
vier Figuren (Max, Agathe, Kaspar und Samiel) als ein weiteres Ensemble.<br />
Die Schüler bewegen sich durch den Raum und lesen die Rollentexte laut und<br />
für sich. Auf Anweisung des Lehrers probieren die Schüler für ihre Figur<br />
verschiedene Möglichkeiten des Sprechens, der Bewegung aus, bis sie<br />
meinen, eine angemessene gefunden zu haben. So kann Schritt für Schritt<br />
eine Figur entwickelt werden.<br />
- Welche Körperhaltung hat die Figur (aufrecht, gebückt, angespannt,<br />
entspannt...)?<br />
- Wie würde die Figur sich hinsetzen?<br />
- Welche Bewegungen macht die Figur?<br />
- Hat die Figur einen Tick (z.B. immer Haare <strong>zur</strong>ückstreichen, Nägel<br />
kauen...)?<br />
- Wie setzt die Figur ihre Füße auf?<br />
- Wie ist der Gang der Figur?<br />
- Welche Sprache benutzt die Figur (Akzent, Lautstärke...)?<br />
Beziehungsgeflecht/Soziogramm – Was wollen denn die von mir?<br />
a) Wenn alle Schüler eine Figur entwickelt haben, teilen sich die Schüler in<br />
Kleingruppen in Ensemblestärke: In jeder Gruppe ist ein Max, eine Agathe, ein<br />
Kaspar, ein Samiel, ein Ännchen, ein Kuno, ein Eremit, ein Ottokar, ein Kuno.<br />
Wenn die Gruppe nicht durch zehn glatt teilbar ist, kann man auch Figuren in<br />
den Ensembles weglassen. Max, Agathe, Kaspar und Samiel sollten jedoch in<br />
jedem Fall vorkommen. Bei 22 Schülern wären es z.B. 2 komplette Ensembles<br />
und diese vier Figuren als ein weiteres Ensemble. Zuerst erzählen sie sich<br />
gegenseitig, wer die jeweiligen Figuren sind und zeigen, wie sie sich ihrer<br />
Meinung nach bewegen, wie sie gehen und sprechen. In den Kleingruppen<br />
entsteht so ein erstes Verständnis für die Struktur der Verhältnisse im Stück. Die<br />
Gesprächsphase sollte nicht lange dauern, lieber schnell mit dem<br />
Ausprobieren anfangen.<br />
b) Die Figuren gehen nacheinander auf eine von der Gruppe festgelegte<br />
„Bühne“, und ordnen sich zu einem Standbild.<br />
Die erste Figur, die die Bühne betritt und „einfriert“, sollte in diesem Fall Max<br />
sein. Die folgenden Figuren ordnen sich den schon stehenden Figuren zu und<br />
frieren auch ein. Dabei achtet jeder auf die (Körper-) Haltung seiner Figur und<br />
auf die Position zu den anderen Figuren.<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
Telefon: 0731-161 4411 - E-Mail: theaterpaedagogik@ulm.de<br />
11
Dann soll jeder überlegen, welcher Figur im Standbild (Soziogramm) er<br />
welches der Zitate, die unter den Rollentexten stehen, sagt und wie, in<br />
welcher Stimmung.<br />
c) Eine Bühne und ein Zuschauerraum für alle werden festgelegt. Eine Gruppe<br />
beginnt damit, ihr Standbild vor der anderen Gruppe aufzubauen, wieder<br />
werden die Bewegungshaltungen eingenommen, das Zitat wird gesprochen<br />
und die Figuren frieren zum Standbild ein. Die andere Gruppe sieht zu.<br />
Wenn alle Figuren eines Ensembles auf der Bühne stehen, sollte Raum für<br />
„Korrekturen“ sein: Was sehen die Zuschauer? Meinen sie, das noch etwas<br />
verändert werden sollte? Wenn ja: Was? Und Wie? Wie geht es den einzelnen<br />
Figuren im Standbild? Was wollte die Gruppe damit zeigen?<br />
Dieses Prozedere wird mit allen Ensembles durchgespielt. Zum Ende der<br />
Übung haben die Schüler mehrere Standbilder gebaut, in denen sowohl die<br />
Beziehungen der Figuren untereinander deutlich wurden, als auch jede Rolle<br />
kurz eingeführt wurde. Durch die verschiedenen Ensembles wurden im besten<br />
Falle Charakterzüge und Beziehungen der einzelnen Figuren unterschiedlich<br />
beleuchtet. Das geht dann in Richtung eines <strong>Inszenierung</strong>szugriffs. Wie ein<br />
Regisseur haben die Schüler für ihre Figur einen Fokus entwickelt, indem sie<br />
sich in einer bestimmten Art den anderen Figuren zuordnen und ihr Zitat auf<br />
eine bestimmte Art einsetzen.<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
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12
Anhang<br />
Rollentexte<br />
Max<br />
Max ist zweiter Jägersbursche des Erbförsters Kuno. Er liebt Agathe, die<br />
Tochter des Erbförsters. Kuno hat der Heirat zugestimmt, Max muss aber erst<br />
einen Probeschuss vor dem Fürsten des Landes ablegen, damit er der<br />
Nachfolger des Erbförsters werden kann. Da Max in der letzten Zeit nur Pech<br />
beim Schiessen hatte, hat er riesige Angst zu versagen. Darum lässt er sich von<br />
Kaspar überreden, nachts in der Wolfsschlucht Kugeln zu gießen, die sicher<br />
treffen. Auch, wenn es ihm nicht geheuer erscheint. Und richtig, in der<br />
Wolfsschlucht angekommen, erscheinen ihm Geisterfiguren. Trotzdem betritt<br />
er die Schlucht, erlebt das Ritual mit und schießt mit den so gewonnenen<br />
Kugeln. Als er versehentlich Kaspar erschießt, gibt er sofort zu, vom Pfad der<br />
Tugend abgewichen zu sein. Er verspricht, von da an den Pfad der Tugend<br />
nicht mehr zu verlassen.<br />
Zitate:<br />
1. „Bei Agathes Leben! ich komme!“<br />
2. „Ich kann´s nicht leugnen; ich habe nie getroffen.“<br />
3. „Ich darf nicht wagen, mich zu beklagen.“<br />
Agathe<br />
Agathe ist die Tochter des Erbförsters Kuno und liebt Max, den zweiten<br />
Jägerburschen Kunos. Doch im Moment scheint ihr Glück getrübt: Während<br />
Max weg war, war sie bei dem Eremiten, der sie vor einer unbekannten<br />
großen Gefahr gewarnt hat. Dann fiel das Bild ihres Urahns, des ersten<br />
Erbförsters, von der Wand und ihr auf den Kopf. Und Max hat schon lang nicht<br />
mehr bei der Jagd getroffen und wenn er den Probeschuss nicht besteht,<br />
dann dürfen sie am morgigen Tag nicht heiraten.<br />
Als Max schließlich nach Hause kommt und gleich wieder weg will, in die<br />
unheimliche Wolfsschlucht, fürchtet sie das Schlimmste. In der Nacht hat sie<br />
einen Alptraum: Sie ist eine weiße Taube und Max erschießt sie beim<br />
Probeschuss, dann verwandelt sich aber die Taube und Agathe lebt. Ähnlich<br />
geschieht es: Max schießt, Agathe wird ohnmächtig, erwacht aber wieder.<br />
Fast ist die Hochzeit geplatzt, offenbar hat Max mit Hilfe des Teufels<br />
gearbeitet. Aber der Eremit überzeugt den Fürsten, Max doch noch eine<br />
Chance zu geben.<br />
Zitate:<br />
1. „Brautsein ist nicht ohne Kummer.“<br />
2. „Dein Mädchen wacht noch in der Nacht!“<br />
3. „Mir ist so bang, o bleibe!“<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
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13
Kaspar<br />
Kaspar ist der erste Jägersbursche des Erbförsters Kuno. Er wollte Agathe auch<br />
heiraten, sie hat sich aber für Max entschieden. Kaspar hat sein Leben an<br />
Samiel verkauft und der verlangt nun Kaspars Tod. Da bietet Kaspar ihm ein<br />
anderes Leben an: das von Agathe. Kaspar flößt Max Drogen ein und<br />
überredet ihn dann, mit in die Wolfsschlucht zu kommen. Dort gießt er die<br />
Kugeln, die Max an Samiel ausliefern. Samiel sagt er, er solle die siebte Kugel,<br />
die immer Samiel gehorcht, auf Agathe lenken. Das würde Max und den<br />
Vater in Verzweiflung stürzen. Als Kaspar jedoch zum Probeschuss von Max<br />
erscheint, wird er von dessen Kugel tödlich getroffen, weil der Eremit Agathe<br />
schützt. Die Jäger werfen den Leichnam Kaspars in die Wolfsschlucht.<br />
Zitate:<br />
1. „Wie wär´s, wenn ich dir jetzt gleich zu einem glücklichen Schuss verhelfe?“<br />
2. „Der Hölle Netz hat dich umgarnt!“<br />
3. „Die siebente sei dein! Aus seinem Rohr lenk sie nach seiner Braut.“<br />
Samiel, der schwarze Jäger<br />
Samiel ist ein Geist, der die Menschen verführt, nach seinem Willen zu<br />
handeln. Er kann veranlassen, dass Kugeln, die nach einem bestimmten Ritual<br />
in der Wolfsschlucht gegossen werden, immer treffen. Aber nur zu dem Preis,<br />
dass immer eine von sieben Kugeln von Samiel selbst gelenkt wird. Kaspar ist<br />
in Samiels Gewalt. Wenn Kaspar nicht alle drei Jahre ein neues Opfer liefert,<br />
dann kann Samiel ihn töten.<br />
Zitate:<br />
1. „Bei den Pforten der Hölle! Morgen er oder du!“<br />
2. „Sechse treffen, sieben äffen.“<br />
Ännchen<br />
Ännchen ist Agathes jüngere Cousine, die meist fröhlich ist und versucht,<br />
Agathes schlechte Stimmung zu vertreiben. Sie bemüht sich, zwischen Agathe<br />
und Max zu vermitteln, wenn es droht, Streit zu geben. Denn Ännchen freut<br />
sich fast mehr auf die Hochzeit, als Agathe selbst: Wenn sie schon nicht selbst<br />
heiraten kann, möchte sie wenigstens eine schöne Hochzeit für Agathe, bei<br />
der sie anwesend ist und hilft.<br />
Zitate:<br />
1. „Man hat so seine Not mit euch beiden!“<br />
2. „Ihr ist so bang, o bleibe!“<br />
3. „Holde Freundin zage nicht!“<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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14
Kuno<br />
Kuno ist der Erbförster des Fürsten und Agathes Vater. Kunos Urgroßvater war<br />
der erste Erbförster des damaligen Fürsten. Kuno ist mit der Hochzeit von<br />
Agathe und Max einverstanden, besteht aber auch auf den Brauch des<br />
Probeschusses. Er glaubt daran, dass Max der Probeschuss gelingt und<br />
bemüht sich, Max vor den Grobheiten der anderen zu schützen. Kuno ahnt<br />
von Anfang an das böse Spiel, das Kaspar mit Max treibt.<br />
Kuno glaubt nicht an Übersinnliches und findet die Idee eines Bannes, der<br />
über Max liegen soll, absurd. Seiner Meinung nach ist es nur die Verliebtheit<br />
und Aufregung von Max. Darum bittet er beim Probeschuss auch darum, dass<br />
Max ihn ablegen darf, bevor Agathe kommt.<br />
Nach der Bitte des Eremiten, Max zu verschonen, gibt Kuno ihm und Agathe<br />
mit auf den Weg, ab jetzt immer tugendhaft zu sein.<br />
Zitate:<br />
1. „Damals wie heute säet der böse Feind immer Unkraut unter den Weizen.“<br />
2. „Mein Sohn, nur Mut! Wer Gott vertraut, baut gut!“<br />
3. „Er war von je ein Bösewicht! Ihn traf des Himmels Strafgericht!“<br />
Ein Eremit<br />
Der Eremit lebt in den Bergen und kommt nur selten in den Ort. Als Agathe zu<br />
ihm kommt, prophezeit er ihr ein großes Unglück und gibt ihr weiße Rosen mit.<br />
Zum Probeschuss kommt der Eremit hinzu und Kaspar sagt, seine Anwesenheit<br />
hat Agathe geschützt. Der Eremit bringt den Fürsten dazu, Max nicht so hart<br />
zu strafen, weil ein Fehltritt aus Liebe allen passieren könne und Max ja immer<br />
redlich gewesen sei. Er hebt die Verbannung auf und Max muss nun nur ein<br />
Jahr seinen guten Willen und seine Tugend unter Beweis stellen, dann kann er<br />
Agathe heiraten.<br />
Zitate:<br />
1. „ Ist´s recht, auf einer Kugel Lauf zwei edler Herzen Glück zu setzen?“<br />
2. „Doch jetzt erhebt noch eure Blicke zu dem, der Schutz der Unschuld war“<br />
Ottokar<br />
Ottokar ist ein Fürst und damit der Vorgesetzte des Erbförsters Kuno. Er mag<br />
Max und genehmigt die Wahl Kunos, seiner Tochter Agathe Max <strong>zur</strong> Frau zu<br />
geben und Max dadurch zum nächsten Erbförster zu machen. Aber er kann<br />
es sich nicht verkneifen, Max noch etwas aufzustacheln, indem er den<br />
zweiten Jägersburschen Kaspar ins Spiel bringt.<br />
Als er entdeckt, dass Max mit dem Teufel im Bunde ist, ist er sehr erzürnt und<br />
will Max verjagen. Doch der Eremit kann ihn überzeugen, es nicht zu tun.<br />
Zitate:<br />
1. „Der von euch erwählte Bräutigam gefällt mir.“<br />
2. „Er scheint noch nicht kaltes Blut genug zu besitzen.“<br />
3. „Dein harrt der Kerker, kehrst du je <strong>zur</strong>ück!“<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
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15
Libretto<br />
Der Freischütz.<br />
Ouverture<br />
(C dur). Adagio. – Molto vivace.<br />
Erster Akt.<br />
Platz vor einer Waldschenke.<br />
No. 1. Introduction.<br />
Chor.<br />
Landleute.<br />
Victoria! Victoria! der Meister soll leben,<br />
Der wacker dem Sternlein den Rest hat gegeben!<br />
Ihm gleichet kein Schütz von fern und von nah!<br />
Victoria! Victoria! Victoria!<br />
Marsch.<br />
Lied.<br />
Kilian. 1.<br />
Schau' der Herr mich an als König!<br />
Dünkt Ihm meine Macht zu wenig?<br />
Gleich zieh' Er den Hut, Mosje!<br />
Wird Er? frag' ich – He? he? he?<br />
Chor.<br />
Wird Er? frag' ich – He? he? he?<br />
Kilian. 2.<br />
Stern und Strauß trag' ich vor'm Leibe,<br />
Cantors Sepherl trägt die Scheibe;<br />
Hat er Augen nun, Mosje?<br />
Was traf Er denn? – He? he? he?<br />
Chor. Was traf Er denn? – He? he? he?<br />
Kilian. 3.<br />
Darf ich etwa Euer Gnaden<br />
's nächste Mal zum Schießen laden? –<br />
Er gönnt Andern was, Mosje!<br />
Nun, Er kommt doch? – He? he? he?<br />
Chor. Nun, Er kommt doch? – He? he? he?<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
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16
No. 2. Terzett und Chor.<br />
Max.<br />
O diese Sonne,<br />
Furchtbar steigt sie mir empor!<br />
Kuno.<br />
Leid oder Wonne,<br />
Beides ruht in deinem Rohr!<br />
Max.<br />
Ach, ich muß verzagen,<br />
Daß der Schuß gelingt!<br />
Kuno.<br />
Dann mußt du entsagen.<br />
Kaspar.<br />
Nur ein keckes Wagen<br />
Ist's, was Glück erringt.<br />
Max.<br />
Agathen entsagen,<br />
Wie könnt' ich's ertragen!<br />
Doch mich verfolget Mißgeschick! –<br />
Chor.<br />
Seht, wie düster ist sein Blick! –<br />
Ahnung scheint ihn zu durchbeben –<br />
O laß Hoffnung dich beleben<br />
Und vertraue dem Geschick!<br />
Max.<br />
Weh' mir! mich verließ das Glück!<br />
Unsichtbare Mächte grollen,<br />
Bange Ahnung füllt die Brust!<br />
Kaspar.<br />
Mag Fortuna's Kugel rollen;<br />
Wer sich höh'rer Kraft bewußt,<br />
Trotzt dem Wechsel und Verlust!<br />
Kuno.<br />
So's des Himmels Mächte wollen,<br />
Dann – trag' männlich den Verlust!<br />
Chor. Nein! er trüg' nicht den Verlust!<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Kuno.<br />
Mein Sohn, nur Muth,<br />
Wer Gott vertraut, baut gut!<br />
Jetzt auf! In Bergen und Klüften<br />
Tobt morgen der freudige Krieg.<br />
Chor der Jäger.<br />
Das Wild in Fluren und Triften,<br />
Der Aar in Wolken und Lüften<br />
Ist unser und unser der Sieg!<br />
Chor der Landl. Laßt lustig die Hörner erschallen –<br />
Chor der Jäger. Wir lassen die Hörner erschallen –<br />
Alle (außer Max).<br />
Wenn wiederum Abend ergraut,<br />
Soll Echo und Felsenwand hallen.<br />
Sa! hussa, dem Bräut'gam! der Braut!<br />
No. 3. Scene und Arie.<br />
Böhmischer Walzer.<br />
Recitativ.<br />
Max.<br />
Nein, länger trag' ich nicht die Qualen,<br />
Die Angst, die jede Hoffnung raubt!<br />
Für welche Schuld soll ich bezahlen?<br />
Was weiht dem falschen Glück mein Haupt? –<br />
Arie.<br />
Durch die Wälder durch die Auen<br />
Zog ich leichten Sinus dahin,<br />
Alles, was ich konnt' erschauen,<br />
War des sichern Rohrs Gewinn.<br />
Abends bracht ich reiche Beute,<br />
Und, wie über eig'nes Glück<br />
(Drohend wohl dem Mörder) freute<br />
Sich Agathe's Liebesblick.<br />
Hat denn der Himmel mich verlassen?<br />
(Samiel im Hintergrunde.)<br />
Die Vorsicht ganz ihr Aug' gewandt?<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
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18
Soll das Verderben mich erfassen?<br />
Verfiel ich in des Zufalls Hand?<br />
(Samiel verschwindet.)<br />
Jetzt ist wohl ihr Fenster offen,<br />
Und sie horcht auf meinen Schritt,<br />
Läßt nicht ab vom treuen Hoffen.<br />
»Max bringt gute Zeichen mit!«<br />
Wenn sich rauschend Blätter regen,<br />
Wähnt sie wohl, es sei mein Fuß;<br />
Hüpft vor Freuden, winkt entgegen –<br />
Nur dem Laub' – den Liebesgruß. –<br />
Doch mich umgarnen finst're Mächte;<br />
(Samiel schreitet mit großen Schritten im Hintergrunde über die Bühne.)<br />
Mich faßt Verzweiflung, foltert Spott.<br />
O! dringt kein Strahl durch diese Nächte?<br />
Herrscht blind das Schicksal?! lebt kein Gott?<br />
No. 4. Lied.<br />
Kaspar.<br />
Hier im ird'schen Jammerthal<br />
War' doch nichts als Plack und Qual,<br />
Trüg' der Stock nicht Trauben;<br />
Darum bis zum letzten Hauch<br />
Setz' ich auf Gott Bacchus Bauch<br />
Meinen festen Glauben!<br />
Eins ist Eins und Drei sind Drei!<br />
Drum addirt noch zweierlei<br />
Zu dem Saft der Reben.<br />
Kartenspiel und Würfellust,<br />
Und ein Kind mit runder Brust<br />
Hilft zum ew'gen Leben!<br />
Ohne dies Trifolium<br />
Gibt's kein wahres Gaudium<br />
Seit dem ersten Uebel.<br />
Fläschchen sei mein ABC,<br />
Würfel, Karte, Katherle<br />
Meine Bilder-Fibel.<br />
No. 5. Arie.<br />
Kaspar.<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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19
Schweig, schweig – damit dich Niemand warnt!<br />
Der Hölle Netz hat dich umgarnt,<br />
Nichts kann vom tiefen Fall dich retten!<br />
Umgebt ihn, ihr Geister mit Dunkel beschwingt!<br />
Schon trägt er knirschend eure Ketten!<br />
Triumph! die Rache, die Rache gelingt!<br />
Zweiter Akt.<br />
Vorsaal, mit zwei Seiteneingängen, im altertümlichen Forsthause.<br />
In der Mitte eine auf einen Altan führende, mit Vorhängen bedeckte Thüre.<br />
No. 6. Duett.<br />
Aennchen.<br />
Schelm, halt fest!<br />
Ich will dich's lehren!<br />
Spukerei'n kann man entbehren<br />
In solch altem Eulennest.<br />
Agathe. Laß das Ahnenbild in Ehren!<br />
Aennchen.<br />
Ei, dem alten Herrn<br />
Zoll' ich Achtung gern;<br />
Doch dem Knechte Sitte lehren,<br />
Kann Respect nicht wehren. –<br />
Agathe. Sprich, wen meinst du? welchen Knecht?<br />
Aennchen.<br />
Nun, den Nagel! Kannst du fragen?<br />
Sollt' er seinen Herrn nicht tragen.<br />
Ließ ihn fall'n, war das nicht schlecht?<br />
Agathe. Ja, gewiß, das war nicht recht.<br />
Aennchen (zugleich). Gewiß, gewiß, das war recht schlecht.<br />
Agathe.<br />
Alles wird dir zum Feste,<br />
Alles beut dir Lachen und Scherz –<br />
O wie anders fühlt mein Herz!<br />
Aennchen.<br />
Grillen sind mir böse Gäste.<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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20
Immer mit leichtem Sinn<br />
Tanzen durchs Leben hin,<br />
Das nur ist Hochgewinn –<br />
Sorgen und Gram muß man verjagen!<br />
Agathe (zugleich).<br />
Wer bezwingt des Busens Schlagen?<br />
Wer der Liebe süßen Schmerz?<br />
Stets um dich, Geliebter, zagen<br />
Muß dies ahnungsvolle Herz!<br />
Nr. 7. Ariette.<br />
Aennchen.<br />
Kommt ein schlanker Bursch gegangen,<br />
Blond von Locken oder braun,<br />
Blau von Aug' und roth von Wangen,<br />
Ei, nach dem kann man wohl schau'n.<br />
Zwar schlägt man das Aug' ans's Mieder<br />
Nach verschämter Mädchen Art;<br />
Doch verstohlen hebt man's wieder,<br />
Wenn's das Herrchen nicht gewahrt.<br />
Sollten ja sich Blicke finden,<br />
Nun, was hat das auch für Noth?<br />
Man wird drum nicht gleich erblinden,<br />
Wird man auch ein wenig roth.<br />
Blickchen hin und Blick herüber,<br />
Bis der Mund sich auch was traut!<br />
Er seufzt: Schönste! Sie spricht: Lieber!<br />
Bald heißt's Bräutigam und Braut.<br />
Immer näher, liebe Leutchen!<br />
Wollt ihr mich im Kranze seh'n?<br />
Gelt! das ist ein nettes Bräutchen,<br />
Und der Bursch nicht minder schön!<br />
Nr. 8. Scene und Arie.<br />
Agathe.<br />
Wie, nahte mir der Schlummer,<br />
Bevor ich ihn geseh'n? –<br />
Ja, Liebe pflegt mit Kummer<br />
Stets Hand in Hand zu geh'n!<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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21
Ob Mond auf seinem Pfad wohl lacht?<br />
Welch' schöne Nacht! –<br />
Leise, leise, fromme Weise!<br />
Schwing' dich auf zum Sternenkreise.<br />
Lied, erschalle! Feiernd walle<br />
Mein Gebet <strong>zur</strong> Himmelshalle! –<br />
O wie hell die gold'nen Sterne,<br />
Mit wie reinem Glanz sie glüh'n!<br />
Nur dort in der Berge Ferne<br />
Scheint ein Wetter aufzuzieh'n.<br />
Dort am Wald auch schwebt ein Heer<br />
Düst'rer Wolken dumpf und schwer.<br />
Zu dir wende ich die Hände,<br />
Herr ohn' Anfang und ohn' Ende!<br />
Vor Gefahren uns zu wahren,<br />
Sende deiner Engel Schaaren! –<br />
Alles pflegt schon längst der Ruh';<br />
Trauter Freund! wo weilest du?<br />
Ob mein Ohr auch eifrig lauscht,<br />
Nur der Tannen Wipfel rauscht,<br />
Nur das Birkenlaub im Hain<br />
Flüstert durch die hehre Stille;<br />
Nur die Nachtigall und Grille<br />
Scheint der Nachtluft sich zu freu'n.<br />
Doch wie? täuscht mich nicht mein Ohr?<br />
Dort klingt's wie Schritte –<br />
Dort aus der Tannen Mitte<br />
Kommt 'was hervor! –<br />
Er ist's! er ist's!<br />
Die Flagge der Liebe mag weh'n!<br />
Dein Mädchen wacht noch in der Nacht. –<br />
Er scheint mich noch nicht zu seh'n –<br />
Gott! täuscht das Licht des Monds mich nicht,<br />
So schmückt ein Blumenstrauß den Hut. –<br />
Gewiß, er hat den besten Schuß gethan!<br />
Das kündet Glück für morgen an!<br />
O süße Hoffnung! Neu belebter Muth!<br />
All' meine Pulse schlagen,<br />
Und das Herz wallt ungestüm,<br />
Süß entzückt, entgegen ihm!<br />
Konnt' ich das zu hoffen wagen?<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
<strong>Theater</strong> <strong>Ulm</strong> - Herbert-von-Karajan-Platz 1 - 89073 <strong>Ulm</strong><br />
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22
Ja, es wandte sich das Glück<br />
Zu dem theuren Freund <strong>zur</strong>ück!<br />
Will sich morgen treu bewähren!<br />
Ist's nicht Täuschung, ist's nicht Wahn? –<br />
Himmel, nimm des Dankes Zähren<br />
Für dies Pfand der Hoffnung an!<br />
Nr. 9. Terzett.<br />
Agathe.<br />
Wie? was? Entsetzen!<br />
Dort in der Schreckensschlucht?<br />
Aennchen.<br />
Der wilde Jäger soll dort hetzen,<br />
Und wer ihn hört, ergreift die Flucht.<br />
Max. Darf Furcht im Herz des Waidmanns hausen?<br />
Agathe. Doch sündigt der, der Gott versucht!<br />
Max.<br />
Ich bin vertraut mit jenem Grausen,<br />
Das Mitternacht im Walde webt,<br />
Wenn sturmbewegt die Eichen sausen<br />
Der Heher krächzt, die Eule schwebt –<br />
Agathe.<br />
Mir ist so bang! o bleibe!<br />
O eile, eile nicht so schnell.<br />
Aennchen (zugleich).<br />
Ihr ist so bang! o bleibe!<br />
O eile, eile nicht so schnell.<br />
Max.<br />
Noch birgt sich nicht die Mondenscheibe,<br />
Noch strahlt ihr Schimmer klar und hell;<br />
Doch bald wird sie den Schein verlieren –<br />
Aennchen.<br />
Willst du den Himmel observiren?<br />
Das wär' nun meine Sache nicht.<br />
Agathe. So kann dich meine Angst nicht rühren?<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Max. Mich ruft von hinnen – Wort und Pflicht<br />
Alle drei. Leb' wohl!<br />
Max.<br />
Doch hast du auch vergeben<br />
Den Vorwurf? den Verdacht?<br />
Agathe (zugleich).<br />
Nichts fühlt mein Herz als Beben;<br />
Nimm meiner Warnung Acht.<br />
Aennchen (zugleich).<br />
So ist das Jägerleben!<br />
Nicht Ruh' bei Tag und Nacht.<br />
Agathe. Weh' mir! ich muß dich lassen.<br />
Aennchen (zugleich). Such', Beste, dich zu fassen!<br />
Max (zugleich). Bald wird der Mond erblassen!<br />
Agathe. und Aennchen. Denk an Agathe's Wort!<br />
Max (zugleich). Mein Schicksal reißt mich fort!<br />
Nr. 10. Finale.<br />
Wolfsschlucht.<br />
Stimmen unsichtbarer Geister.<br />
Milch des Mondes fiel auf's Kraut – Uhui!<br />
Spinnweb' ist mit Blut bethaut. – Uhui!<br />
Eh' noch wieder Abend graut – Uhui!<br />
Ist sie todt, die zarte Braut! – Uhui!<br />
Eh' noch wieder sinkt die Nacht,<br />
Ist das Opfer dargebracht – Uhui! Uhui! Uhui!<br />
Kaspar.<br />
Samiel! Samiel! erschein'!<br />
Bei des Zaub'rers Hirngebein'!<br />
Samiel! Samiel! erschein'!<br />
Samiel. Was rufst du?<br />
Kaspar.<br />
Du weißt, daß meine Frist<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Schier abgelaufen ist –<br />
Samiel. Morgen!<br />
Kaspar. Verläng're sie noch einmal mir –<br />
Samiel. Nein!<br />
Kaspar. Ich bringe neue Opfer dir –<br />
Samiel. Welche?<br />
Kaspar.<br />
Mein Jagdgesell, er naht, –<br />
Er, der noch nie dein dunkles Reich betrat.<br />
Samiel. Was sein Begehr?<br />
Kaspar. Freikugeln sind's, auf die er Hoffnung baut –<br />
Samiel. Sechse treffen, sieben äffen!<br />
Kaspar.<br />
Die siebente sei dein!<br />
Aus seinem Rohr lenk sie nach seiner Braut;<br />
Dies wird ihn der Verzweiflung weih'n,<br />
Ihn und den Vater –<br />
Samiel. Noch hab' ich keinen Theil an ihr!<br />
Kaspar. Genügt er dir allein?<br />
Samiel. Das findet sich!<br />
Kaspar.<br />
Doch schenkst du Frist, und wieder auf drei Jahr<br />
Bring' ich ihn dir <strong>zur</strong> Beute dar?<br />
Samiel.<br />
Es sei! – Bei den Pforten der Hölle!<br />
Morgen – er, oder du!<br />
Melodramatische Scene.<br />
Kaspar.<br />
Trefflich bedient! – Gesegn' es. Samiel!<br />
Er hat mir warm gemacht! Aber wo bleibt Max?<br />
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Sollt er wortbrüchig werden! – Samiel, hilf! –<br />
Recitativ.<br />
Max (auf der Felshöhe).<br />
Ha! – Furchtbar gähnt<br />
Der düst're Abgrund! – welches Grau'n!<br />
Das Auge wähnt<br />
In einen Höllenpfuhl zu schau'n!<br />
Wie dort sich Wetterwolken ballen!<br />
Der Mond verliert von seinem Schein!<br />
Gespenst'ge Nebelbilder wallen!<br />
Belebt ist das Gestein,<br />
Und hier – husch! husch!<br />
Fliegt Nachtgevögel auf im Busch!<br />
Rothgraue, narb'ge Zweige strecken<br />
Nach mir die Riesenfaust! –<br />
Nein, ob das Herz auch graust,<br />
Ich muß! Ich trotze allen Schrecken!<br />
Kaspar.<br />
(Dank, Samiel! die Frist ist gewonnen.) – – Kommst du endlich, Kamerad? Ist<br />
das auch recht, mich allein zu lassen? Siehst du nicht, wie mir's sauer wird?<br />
Max.<br />
Ich schoß den Adler aus hoher Luft;<br />
Ich kann nicht rückwärts – mein Schicksal ruft –<br />
Weh' mir!<br />
Kaspar. So komm doch! die Zeit eilt –<br />
Max. Ich kann nicht hinab!<br />
Kaspar. Hasenherz! klimmst ja sonst wie eine Gemse!<br />
Max.<br />
Sieh dorthin! steh! Was dort sich weis't,<br />
Ist meiner Mutter Geist!<br />
So lag sie im Sarg, so lag sie im Grab! –<br />
Sie fleht mit warnendem Blick,<br />
Sie winkt mir <strong>zur</strong>ück!<br />
Kaspar.<br />
(Hilf, Samiel!) – Alberne Fratzen! Hahaha! Sieh noch einmal hin, damit du die<br />
Folgen deiner feigen Thorheit erkennst. –<br />
Max.<br />
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Agathe! – Sie springt in den Fluß!<br />
Hinab! ich muß!<br />
Kaspar. (Ich denke wohl auch!)<br />
Max. Hier bin ich, was hab' ich zu thun?<br />
Melodram. (Der Kugelsegen.)<br />
Kaspar.<br />
Schütze, der im Dunkeln wacht!<br />
Samiel! Samiel! hab' Acht!<br />
Steh mir bei in dieser Nacht,<br />
Bis der Zauber ist vollbracht!<br />
Salbe mir so Kraut als Blei,<br />
Segn' es sieben, neun und drei,<br />
Daß die Kugel tüchtig sei!<br />
Samiel! Samiel! herbei!<br />
(Die Masse in der Gießkelle gährt und zischt und verbreitet grünlichen Schein.<br />
Eine Wolke deckt den Mondstreifen, so daß die Bühne nur noch vom<br />
Heerdfeuer, den Augen der Eule und dem faulen Holz des Baumes<br />
beleuchtet ist. Kaspar läßt die Kugel aus der Form fallen und ruft: Eins! Hier wie<br />
später antwortet das Echo auf seinen immer ängstlicher werdenden Ruf. –<br />
Waldvögel umflattern das Feuer. – Zwei! – Ein schwarzer Eber jagt wild durch's<br />
Gebüsch. – Drei! – Sturm erhebt sich und beugt und bricht die Baumwipfel. –<br />
Vier! – Rasseln, Peitschengeknall und Pferdegetrappel. Vier feurige,<br />
funkenwerfende Räder rollen über die Bühne. – Fünf! – Hundegebell und<br />
Wiehern in der Luft. Die wilde Jagd zieht in der Höhe vorüber.)<br />
Chor des wilden Heeres, (unsichtbar.)<br />
Durch Berg und Thal, durch Schlund und Schacht,<br />
Durch Thau und Wolken, Sturm und Nacht!<br />
Durch Höhle, Sumpf und Erdenkluft,<br />
Durch Feuer, Erde, See und Luft!<br />
Joho! Joho! Wau! Wau!<br />
Kaspar.<br />
Wehe! das wilde Heer!<br />
Sechs! – Wehe!<br />
Echo. Sechs! –Wehe!<br />
(Der ganze Himmel wird schwarze Nacht. Die Gewitter treffen furchtbar<br />
zusammen, Flammen schlagen aus der Erde; Irrlichter tanzen auf den Bergen.)<br />
Kaspar.<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Samiel! Samiel! hilf!<br />
Sieben – Samiel!<br />
Max. Samiel!<br />
(Beide zu Boden geschleudert.)<br />
Samiel. Hier bin ich! (Es schlägt Eins.)<br />
Nr. 11. Entre-Akt.<br />
Agathens Stübchen im Forsthause.<br />
Nr. 12. Cavatine.<br />
Agathe.<br />
Und ob die Wolke sie verhülle,<br />
Die Sonne bleibt am Himmelszelt!<br />
Es waltet dort ein heil'ger Wille;<br />
Nicht blindem Zufall dient die Welt!<br />
Das Auge, ewig rein und klar,<br />
Nimmt aller Wesen liebend wahr!<br />
Für mich wird auch der Vater sorgen,<br />
Dem kindlich Herz und Sinn vertraut!<br />
Und wär dies auch der letzte Morgen,<br />
Rief mich sein Vaterwort als Braut:<br />
Sein Auge, ewig rein und klar,<br />
Nimmt meiner auch mit Liebe wahr.<br />
No. 13. Romance und Arie.<br />
Aennchen.<br />
Einst träumte meiner sel'gen Base:<br />
Die Kammerthüre öffne sich,<br />
Und – kreideweis ward ihre Nase,<br />
Denn näher, furchtbar näher schlich<br />
Ein Ungeheuer, mit Augen, wie Feuer,<br />
Mit klirrender Kette – es nahte dem Bette,<br />
In welchem sie schlief –<br />
(Ich meine die Base mit kreidiger Nase),<br />
Und stöhnte, ach! so hohl – und ächzte, ach! so tief! –<br />
Sie kreuzte sich, rief<br />
Nach manchem Angst- und Stoßgebet:<br />
»Susanne! Margaret!«<br />
Und sie kamen mit Licht,<br />
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Und – denke nur! – und –<br />
(Erschrick mir nur nicht!)<br />
Und – (graus't mir doch!) – und –<br />
Der Geist war: – Nero, der Kettenhund!<br />
Du zürnest mir?<br />
Doch kannst du wähnen,<br />
Ich fühle nicht mit dir? –<br />
Nur ziemen einer Braut nicht Thränen!<br />
Arie.<br />
Trübe Augen, Liebchen, taugen<br />
Einem holden Bräutchen nicht,<br />
Daß durch Blicke sie erquicke,<br />
Und beglücke, und bestricke,<br />
Alles um sich her entzücke,<br />
Das ist ihre schönste Pflicht! –<br />
Laß in öden Mauern<br />
Büßerinnen trauern,<br />
Dir winkt ros'ger Hoffnung Licht!<br />
Schon entzündet sind die Kerzen<br />
Zum Verein getreuer Herzen –<br />
Holde Freundin, zage nicht!<br />
Nr. 14. Volkslied der Brautjungfern.<br />
Brautjungfern. l.<br />
Wir winden dir den Jungfernkranz<br />
Mit veilchenblauer Seide,<br />
Wir führen dich zu Spiel und Tanz,<br />
Zu Glück und Liebesfreude!<br />
Alle.<br />
Schöner grüner Jungfernkranz!<br />
Veilchenblaue Seide<br />
Brautjungfern. 2.<br />
Lavendel, Myrth' und Thymian,<br />
Das wächst in meinem Garten;<br />
Wie lang bleibt doch der Freiersmann?<br />
Ich kann es kaum erwarten.<br />
Schöner grüner Jungfernkranz! u. s. w.<br />
Brautjungfern. 3.<br />
Sie hat gesponnen sieben Jahr'<br />
Den goldnen Flachs am Rocken,<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Das Tüchlein ist wie Spinnweb' klar,<br />
Und grün der Kranz der Locken.<br />
Schöner grüner Jungfernkranz! u. s. w.<br />
Brautjungfern. 4.<br />
Und als der schmucke Freier kam,<br />
War'n sieben Jahr verronnen.<br />
Und weil er die Herzliebste nahm,<br />
Hat sie den Kranz gewonnen.<br />
Schöner grüner Jungfernkranz! u. s. w.<br />
Verwandlung. Romantisch-schöne Gegend mit den fürstlichen Jagdzelten.<br />
Nr. 15. Chor der Jäger.<br />
Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen?<br />
Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?<br />
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,<br />
Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich:<br />
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,<br />
Erstarket die Glieder und würzet das Mahl;<br />
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,<br />
Tönt freier und freud'ger der volle Pokal!<br />
Joho, trallala!<br />
Diana ist kundig die Nacht zu erhellen,<br />
Wie labend am Tage ihr Dunkel uns kühlt.<br />
Den blutigen Wolf und den Eber zu fällen,<br />
Der gierig die grünenden Saaten durchwühlet.<br />
Ist fürstliche Freude u. s. w.<br />
Nr. 16. Finale.<br />
Einige. Schaut! o schaut! er traf die eigne Braut!<br />
Andere. Der Jäger stürzte vom Baum.<br />
Noch Andere.<br />
Wir wagen's kaum, nur hinzuschau'n.<br />
O furchtbar Schicksal, o Grau'n!<br />
Chor.<br />
Uns're Herzen beben, zagen!<br />
Wär' die Schreckenstat gescheh'n?<br />
Kaum will es das Auge wagen,<br />
Wer das Opfer sei, zu seh'n.<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Agathe.<br />
Wo bin ich?<br />
War's Traum nur, daß ich sank?<br />
Aennchen. O fasse dich!<br />
Max und Kuno. Sie lebt!<br />
Einige.<br />
Den Heil'gen Preis und Dank –<br />
Sie hat die Augen offen! –<br />
Andere.<br />
Hier, dieser ist getroffen,<br />
Der roth im Blute liegt –<br />
Kaspar.<br />
Ich sah den Klausner bei ihr stehn;<br />
Der Himmel siegt, – es ist um mich geschehen!<br />
Agathe.<br />
Ich athme noch! der Schreck nur warf mich nieder.<br />
Ich athme noch die liebliche Luft – –<br />
Kuno. Sie athmet frei!<br />
Max. Sie lächelt wieder!<br />
Agathe. O Max! ich lebe noch! –<br />
Max (zugleich). Die süße Stimme ruft! Agathe, du lebest noch!<br />
Kaspar (Samiel hinter ihm).<br />
Du, Samiel, schon hier?<br />
So hielt'st du dein Versprechen mir?<br />
Nimm deinen Raub, ich trotze dem Verderben!<br />
Dem Himmel Fluch! – Fluch dir! (stirbt. Samiel verschwindet.)<br />
Einige. Ha! das war sein Gebet im Sterben!<br />
Kuno u. Chor.<br />
Er war von je ein Bösewicht,<br />
Ihn traf des Himmels Strafgericht!<br />
Er hat dem Himmel selbst geflucht!<br />
Vernahmt ihr's nicht? Er rief den Bösen! –<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Ottokar. Fort, stürzt das Scheusal in die Wolfsschlucht!<br />
Nur du kannst dieses Räthsel lösen!<br />
Wohl schwere Unthat ist gescheh'n!<br />
Weh' dir, wirst du nicht Alles treu gesteh'n!<br />
Max.<br />
Herr! unwerth bin ich eurer Gnade;<br />
Des Todten Trug verlockte mich,<br />
Daß – aus Verzweiflung ich vom Pfade<br />
Der Frömmigkeit und Tugend wich.<br />
Vier Kugeln, die ich heut' verschoß –<br />
Freikugeln sind's, die ich mit Jenem goß.<br />
Ottokar.<br />
So eile, mein Gebiet zu meiden<br />
Und kehre nimmer in dies Land!<br />
Vom Himmel muß die Hölle scheiden –<br />
Nie! nie empfängst du diese reine Hand.<br />
Max.<br />
Ich darf's nicht wagen, mich zu beklagen;<br />
Denn schwach war ich, obwohl kein Bösewicht<br />
Kuno. Er war sonst stets getreu der Pflicht –<br />
Agathe. O reißt ihn nicht aus meinen Armen.<br />
Die Jäger. Er ist so brav, voll Kraft und Muth –<br />
Landleute. O, er war immer brav und gut!<br />
Aennchen und Chor. Gnäd'ger Herr! o habt Erbarmen!<br />
Ottokar.<br />
Nein! Agathe ist für ihn zu rein!<br />
Hinweg aus meinem Blick!<br />
Dein harrt der Kerker, kehrst du je <strong>zur</strong>ück!<br />
Eremit.<br />
Wer legt auf ihn so strengen Bann?<br />
Ein Fehltritt, ist er solcher Büßung werth?<br />
Ottokar.<br />
Bist du es, heil'ger Mann,<br />
Den weit und breit die Gegend ehrt?<br />
Sei mir gegrüßt, Gesegneter des Herrn!<br />
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Dir bin auch ich gehorsam gern;<br />
Sprich du sein Urtheil; deinen Willen<br />
Will treulich ich erfüllen.<br />
Eremit.<br />
Leicht kann des Frommen Herz auch wanken<br />
Und überschreiten Recht und Pflicht.<br />
Wenn Lieb' und Furcht der Tugend Schranken,<br />
Verzweiflung alle Dämme bricht.<br />
Ist's recht, auf einer Kugel Lauf<br />
Zwei edler Herzen Glück zu setzen?<br />
Und unterliegen sie den Netzen!<br />
Womit sie Leidenschaft umflicht,<br />
Wer hüb den ersten Stein wohl auf?<br />
Wer griff in seinen Busen nicht?<br />
Drum finde nie der Probeschuß mehr Statt!<br />
Ihm, Herr, der schwer gesündigt hat,<br />
Doch sonst stets rein und bieder war,<br />
Vergönnt dafür ein Probejahr,<br />
Und bleibt er dann, wie ich ihn stets erfand,<br />
So werde sein Agathe's Hand!<br />
Ottokar.<br />
Dein Wort genüget mir,<br />
Ein Höh'rer spricht aus dir!<br />
Alle.<br />
Heil unserm Fürst! Er widerstrebet nicht<br />
Dem, was der fromme Klausner spricht.<br />
Ottokar.<br />
Bewährst du dich, wie dich der Greis erfand,<br />
Dann knüpf' ich selber euer Band.<br />
Max.<br />
Die Zukunft soll mein Herz bewähren!<br />
Stets heilig sei mir Recht und Pflicht!<br />
Agathe.<br />
O les't den Dank in diesen Zähren;<br />
Das schwache Wort genügt ihm nicht!<br />
Ottokar und Eremit.<br />
Der über Sternen ist voll Gnade;<br />
Drum ehrt es Fürsten, zu verzeih'n!<br />
Nele Neitzke, <strong>Theater</strong>pädagogin<br />
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Kuno.<br />
Weicht nimmer von der Tugend Pfade,<br />
Um eures Glückes werth zu sein!<br />
Aennchen (zugleich).<br />
O dann, geliebte Freundin, schmücke<br />
Ich dich auf's Neu' zum Traualtar!<br />
Eremit.<br />
Doch jetzt erhebt noch eure Blicke<br />
Zu dem, der Schutz der Unschuld war!<br />
Schlußchor.<br />
Ja! laßt uns zum Himmel die Blicke erheben,<br />
Und fest auf die Lenkung des Ewigen bau'n!<br />
Wer rein ist von Herzen, und schuldlos von Leben,<br />
Darf kindlich der Milde des Vaters vertrau'n!<br />
Literaturhinweise:<br />
Abegg, Werner: „Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Romantische Oper –<br />
Fire Mächte – Bühnenwirkung“, Augsburg, 2005.<br />
Csampani,. Attila; Holland, Dietmar (Hrsg.): Der Freischütz; Texte,<br />
Materialien, Kommentare. Reinbek bei Hamburg 1981.<br />
Leinert, Michael: Carl Maria von Weber (Rowohlt Monographien),<br />
Reinbek 1978.<br />
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