DIE HIMMELSSCHEIBE VON NEBRA
DIE HIMMELSSCHEIBE VON NEBRA
DIE HIMMELSSCHEIBE VON NEBRA
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DER GESCHMIEDETE HIMMEL <strong>DIE</strong> <strong>HIMMELSSCHEIBE</strong> <strong>VON</strong> <strong>NEBRA</strong> 22|23<br />
<strong>DIE</strong> <strong>HIMMELSSCHEIBE</strong> <strong>VON</strong> <strong>NEBRA</strong><br />
Harald Meller<br />
><br />
Die Zeichnung von Karol Schauer verdeutlicht,<br />
wie sich die Entdeckung der Himmelscheibe<br />
nach Aussagen der Finder abgespielt hat. Mit<br />
einem Hammer wurde die Scheibe der Erde entrissen<br />
und achtlos beiseite gelegt. Erst die Entdeckung<br />
der Schwerter lenkte die Aufmerksamkeit<br />
auf die Himmelsscheibe.<br />
><br />
Auf der Suche nach Militaria entdeckten 1999<br />
zwei Sondengänger auf dem Mittelberg die Himmelsscheibe.<br />
Durch die unsachgemäße Bergung<br />
erlitt nicht nur die Scheibe selbst starke Beschädigungen,<br />
vielmehr wurden damit auch wertvolle<br />
Informationen über den ursprünglichen Fundzusammenhang<br />
zerstört. Allerdings zeigt die<br />
Analyse der Beschädigungsspuren, vor allem der<br />
Hammerspuren am Rand, dass die Himmelsscheibe<br />
einstmals senkrecht im Boden stand.<br />
Die Himmelsscheibe von Nebra (Burgenlandkreis)<br />
in Sachsen-Anhalt ist einer der bedeutendsten<br />
und bereits zwei Jahre nach ihrem<br />
Auftauchen auch schon berühmtesten archäologischen<br />
Funde.Wie so häufig, wurde dieses<br />
herausragende Objekt nicht während einer<br />
systematischen archäologischen Ausgrabung<br />
entdeckt, erfasst und dokumentiert, sondern illegal<br />
und völlig unsachgemäß geborgen. Nur<br />
dass es diesmal keine Waldarbeiter beim Bäume<br />
roden, Baggerfahrer beim Leitungen verlegen<br />
oder Bauern beim Pflügen waren, die bei ihrer<br />
täglichen Bodenarbeit auf archäologisches Kulturgut<br />
stießen. In diesem Fall handelte es sich<br />
um zwei Sondengänger, die an einem schönen<br />
Sommertag 1999, mit einem Metallsuchgerät<br />
ausgerüstet, das seit 1986 bekannte Bodendenkmal<br />
am Mittelberg abgingen und nach Milita-<br />
ria suchten. Dabei entdeckten sie im dichten<br />
Wald flach unter der Erde den oberen Rand der<br />
Himmelsscheibe und entrissen sie mit einem<br />
Hammer dem Waldboden. Zunächst für einen<br />
alten Eimerdeckel gehalten, schenkten sie der<br />
stark verschmutzten Scheibe wenig Beachtung.<br />
Erst beim Weitergraben erregten die Schwerter<br />
mit goldverziertem Griff ihre Aufmerksamkeit.<br />
Nachdem sie die Fundstelle komplett geplündert<br />
hatten, schütteten sie die Grube wieder<br />
zu. Nur wenige Tage später verkauften die Raubgräber<br />
den Fund für 31000 DM an einen Zwischenhändler<br />
aus dem Rheinland.<br />
Dieser reinigte die Scheibe mit Stahlwolle<br />
und zog dabei vor allem die Goldauflagen arg<br />
in Mitleidenschaft. Dann versuchte er, die Himmelsscheibe<br />
mit ihrem nunmehr sichtbar gewordenen<br />
prächtigen goldenen Bildprogramm<br />
an zwei deutsche Museen zu verkaufen.Als dies<br />
wegen des in Sachsen-Anhalt geltenden Schatzregales<br />
– das heißt des rechtmäßigen Eigen-<br />
tumanspruchs des Landes auf wertvolles archäologisches<br />
Kulturgut – nicht gelang, verkaufte<br />
er die Scheibe über eine Vermittlerin für<br />
weit über 200 000 DM an einen Sammler.<br />
All dies war mir unbekannt, als mir im Mai<br />
2001 Herr Menghin, Direktor des Museums für<br />
Vor- und Frühgeschichte Berlin, etwa ein Dutzend<br />
unscharfe Fotos zeigte und mitteilte, dass<br />
ihm damit dieser Fund 1999 für eine Million<br />
DM angeboten worden sei. Da der Fundkomplex<br />
nach Aussagen der Anbieter aus Sachsen-<br />
Anhalt stammte, beschlossen die zuständigen<br />
Behörden des Landes, den außerordentlichen<br />
Fund nach Sachsen-Anhalt zurückzuholen.<br />
In einem für die Archäologie nicht alltäglichen<br />
polizeilichen Ermittlungsverfahren gelang<br />
es zwischen Mai 2001 und Februar 2002,<br />
die Vermittlerin und den damaligen Besitzer<br />
ausfindig zu machen. Bei einem Treffen in Basel,<br />
das der Echtheitsprüfung des Fundes dienen<br />
sollte, wurden die Hehler dann von der<br />
Schweizer Polizei festgenommen. Durch die<br />
kriminaltechnischen Ermittlungen, die Aussagen<br />
der Täter sowie die archäologischen und<br />
naturwissenschaftlichen Untersuchungen ließen<br />
sich später die Echtheit, die Zusammengehörigkeit<br />
der Fundstücke, der Fundort sowie<br />
die Fundumstände und -zusammenhänge<br />
weitgehend aufklären – Informationen, die bei<br />
Kauf von Sondenfunden durch Dritte in der<br />
Regel verloren gehen. Ohne Kenntnis des gesamten<br />
Fundkontextes reduziert sich die Bedeutung<br />
solcher Funde zumeist auf einen bestenfalls<br />
kunstgeschichtlichen Wert.<br />
Die erste und prinzipielle Frage nach der<br />
Echtheit der Himmelsscheibe und ihrer Beifunde<br />
wurde durch naturwissenschaftliche<br />
Untersuchungen in kürzester Zeit positiv geklärt<br />
(siehe Seite 34). Gleiches galt für die Zusammengehörigkeit<br />
des Fundkomplexes aufgrund<br />
der identischen Bodenanhaftungen. Da<br />
das Alter der Beifunde archäologisch gut zu bestimmen<br />
ist, ergab sich somit für die Niederlegung<br />
der Himmelsscheibe ein Datum um<br />
1600 v. Chr. (siehe Seite 94).<br />
Der Anblick der Scheibe fasziniert nicht<br />
nur die Archäologen auf den ersten Blick, da sie<br />
ein in dieser frühen Zeit völlig unerwartetes<br />
><br />
Bei uns hat sich das Bild der grünen Himmelsscheibe<br />
eingeprägt. Ursprünglich hatte der bronzene<br />
Nachthimmel wahrscheinlich eine dunkelbraune<br />
bis schwarze Färbung, von der sich die<br />
goldenen Himmelskörper noch strahlender abhoben.<br />
Das Bild zeigt eine Rekonstruktion dieser<br />
ursprünglichen Erscheinung mit beiden Horizontbögen.<br />
><br />
Die mit der Himmelsscheibe gefundenen<br />
Schwerter sind von außerordentlicher Qualität,<br />
Klingen und Griffe wurden mit feinen Kupfereinlagerungen<br />
verziert und zwischen Griff und<br />
Knauf wurden Goldmanschetten aufgesteckt.<br />
Eine Besonderheit sind die Halbschalengriffe:<br />
Die Schauseite (links) besteht aus Bronze, die<br />
Rückseite war aus einem organischen Material<br />
gefertigt. Es handelt sich um Prunkwaffen, die<br />
nicht zum Kampf genutzt wurden.
MYTHEN UND RITEN<br />
DAS FELSBILD <strong>VON</strong> LÖKEBERG –<br />
SONNENBILDER UND SONNENKULT<br />
IN DER NORDISCHEN BRONZEZEIT<br />
Flemming Kaul<br />
><br />
Die Kombination eines Laub- und eines Nadelbaums<br />
über einem Schiff aus Lökeberg (Schweden)<br />
kann als Sinnbild für das Wachstum und<br />
die zyklische Erneuerung der Natur gedeutet<br />
werden.<br />
>><br />
Hält man die Bernsteinscheibe der nur 7 Zentimeter<br />
großen Standarte aus Dänemark gegen<br />
das Licht, wird ein Radkreuz sichtbar. Abbildungen<br />
solcher Sonnenscheiben kennen wir von<br />
Felsbildern, wo sie oft auf Schiffen stehen. Der<br />
flache Zapfen ihrer Halterung zeigt, dass sie ursprünglich<br />
in etwas eingesteckt war, vielleicht in<br />
ein Schiffsmodell. Das Stück stammt aus Dänemark,<br />
wohl Jütland, und ist bronzezeitlich.<br />
Vor mehr als 3000 Jahren reichte das Meer in<br />
Bohuslän (Westschweden) tiefer ins Landesinnere<br />
als heute und Lökeberg lag in einer Bucht.<br />
Ihre damaligen Bewohner hinterließen auf den<br />
glatten Felsoberflächen eindrucksvolle Bilder.<br />
Sie pickten in das harte Gestein ganze Flotten,<br />
die auf einer zeitlosen Reise zu segeln scheinen<br />
(Bild Seite 59).<br />
Einige der Schiffe transportieren Schäfte,<br />
auf denen scheibenförmige Gebilde mit einer<br />
Vertiefung im Mittelpunkt stecken. Diese Darstellungen<br />
interpretieren wir als Sonnenbilder.<br />
Da die Scheiben zumeist nicht frei schweben,<br />
sondern auf Ständern befestigt sind oder von<br />
Menschenfiguren getragen werden, stellen sie<br />
wohl nicht die Sonne selbst dar. Vielmehr<br />
scheint es sich um Abbildungen von Sonnenmodellen<br />
zu handeln.<br />
Die Felsbilder zeigen sehr wahrscheinlich<br />
Prozessionen von Schiffen mit Sonnenscheiben<br />
und somit Bilder einer Kulthandlung. Über<br />
einem der Schiffe sind zwei Bäume, ein Laubund<br />
ein Nadelbaum, in den Fels gepickt. Sie<br />
geben uns einen Hinweis auf den Zweck solcher<br />
Rituale: Die symbolische Bedeutung der<br />
Bäume steht im Zusammenhang mit Wachstum<br />
und Wiedergeburt der Pflanzen.Während einer<br />
der abgebildeten Bäume auch im Winter grün<br />
bleibt, wird der andere erst im Frühjahr wieder<br />
zum Leben erweckt. Sie bilden somit ein Sinnbild<br />
zyklischer Fruchtbarkeit. Daneben erscheinen<br />
in Lökeberg auch Darstellungen von aneinander<br />
gereihten Menschen – offenbar weitere<br />
Kultprozessionen, diesmal jedoch auf dem<br />
Land.<br />
Auch auf einigen anderen nordischen Felszeichnungen<br />
finden sich Bilder runder Objekte<br />
auf Pfosten oder in Schiffen. Diese Sonnenzeichen<br />
können sehr unterschiedlich gestaltet<br />
sein: als Näpfchen, Radkreuze oder auch nur als<br />
Kreise. Da das Schiff in der mythologischen<br />
Welt der nordischen Bronzezeit eng mit der<br />
Vorstellung der Himmelsreise der Sonne verbunden<br />
ist, verwundert es nicht, dass es eine<br />
bedeutende Stellung bei Kulthandlungen einnahm.<br />
Felsbilder aus Bohuslän in Westschweden<br />
und Østfold in Südostnorwegen zeigen,<br />
dass auf Schiffen sehr unterschiedliche Rituale<br />
stattfanden: Tänze, Lurenspiel und das zur<br />
Schau stellen von Kultäxten. Das Schiff diente<br />
als mobile Plattform für Rituale und wurde<br />
somit selbst ein heiliger Gegenstand.<br />
Ebenfalls aus Dänemark sind Felsbilder bekannt,<br />
die kreisförmige Objekte auf Podesten<br />
in Schiffen zeigen. Auf dem spätbronzezeitlichen<br />
Felsbild aus Egely in Bornholm ist ein<br />
Schiff dargestellt, das zwei Sonnenscheiben<br />
oder Radkreuze auf Pfosten trägt. Auch auf anderen<br />
Bornholmer Felsbildern wie in Madsebakke<br />
finden sich kreisförmige Objekte und<br />
Vertiefungen in vergleichbaren Positionen. Da<br />
in Dänemark größere natürliche Felsflächen<br />
nur auf der Ostseeinsel Bornholm vorkommen,<br />
wurden andernorts kleinere Steine für Felsbilder<br />
genutzt.<br />
Besonders in den nördlichen und nordwestlichen<br />
Küstengebieten von Seeland (Dänemark)<br />
ist eine größere Zahl von Steinblöcken<br />
mit Schiffsdarstellungen bekannt. Der Interessanteste<br />
ist der spätbronzezeitliche Stein aus<br />
Engelstrup, da er eine komplexe Szene zeigt.<br />
Das obere und größere der zwei dargestellten<br />
Schiffe ist mit Steven in Form stilisierter Pferdeköpfe<br />
ausgestattet. Die Mannschaft ist durch<br />
vertikale Striche angedeutet.Von zweien dieser<br />
Striche setzt sich je eine Linie nach oben fort,<br />
die in einer kreisrunden Vertiefung endet. Diese<br />
können als Scheiben interpretiert werden,<br />
die von Mitgliedern der Besatzung auf Ständern<br />
gehalten werden. Es ist nicht klar, ob beide als<br />
Sonnenscheiben verstanden werden müssen<br />
oder ob eine die Sonne und eine den Mond<br />
darstellen könnte. Über dem Schiff befinden<br />
sich ein Tier und ein Mensch; links vor dem<br />
Schiff steht ein weiterer Mensch. Unter dem<br />
DAS FELSBILD <strong>VON</strong> LÖKEBERG 66|67
<strong>DIE</strong> ZEIT DER <strong>HIMMELSSCHEIBE</strong><br />
MITTELDEUTSCHLAND<br />
ZUR ZEIT DER <strong>HIMMELSSCHEIBE</strong><br />
Florian Innerhofer<br />
><br />
Große Hügelanlage aus Hainichen (Thüringen)<br />
mit zahlreichen Bestattungen. Die in Schlafstellung<br />
kauernden Skelette im zentralen Bereich<br />
sind frühbronzezeitlich. Der in Rückenlage bestattete<br />
Tote im äußeren Ring ist sicherlich jünger<br />
und belegt eine Kontinuität am Bestattungsplatz.<br />
Ansehnliche Grabbeigaben sind nicht<br />
überliefert.<br />
>><br />
Unter einem Grabhügel bei Sachsenburg (Thüringen)<br />
wurde die Totenausstattung eines für die<br />
Zeit sehr bedeutenden Mannes gefunden<br />
(1600–1500 v. Chr.). Neben einer sorgfältig gearbeiteten<br />
Pfeilspitze und einem unscheinbaren<br />
Gerät aus Feuerstein fallen bronzenes Beil und<br />
Schwertklinge ins Auge. Wir kennen sie als Begleitfunde<br />
der Himmelsscheibe von Nebra.<br />
Der außergewöhnliche Depotfund vom Mittelberg<br />
bei Nebra mit seiner einzigartigen Himmelsscheibe<br />
wirft ein Schlaglicht auf die Zeit<br />
um 1600 v. Chr. in Mitteldeutschland – eine<br />
Zeit, die bislang als schwer fassbar und wenig<br />
spektakulär angesehen wurde.<br />
An der Schwelle zur mittleren Bronzezeit<br />
befanden sich die Gesellschaften an Saale und<br />
Unstrut im Umbruch. Ein rund 700 Jahre währender<br />
Kulturkreis scheint in Auflösung begriffen<br />
gewesen zu sein. Die frühbronzezeitliche<br />
Aunjetitzer Kultur, benannt nach einem<br />
Fundort in Böhmen, formierte sich am Ende<br />
des Neolithikums aus den so genannten Becherkulturen<br />
(Schnurkeramik) und zeichnete<br />
sich über einen sehr langen Zeitraum durch<br />
einen hohen Grad an kultureller Identität aus.<br />
Die Toten wurden in einem streng geregelten<br />
Ritus in Schlafstellung mit angewinkelten Beinen<br />
ins Grab gelegt. Allein in unserem Gebiet<br />
zeugen davon mehrere Tausend Gräber. Die<br />
überlieferten Metallobjekte, besonders aber die<br />
Keramikgefäße zeigen eine stetige Formentwicklung<br />
ohne überraschende Stiländerungen.<br />
Die auffälligste Erscheinung waren eine Hand<br />
voll sehr reich ausgestatteter, durch einen großen<br />
Grabhügel hervorgehobene »Fürstengräber«<br />
am Ende der Frühbronzezeit, nur einige<br />
Generationen bevor die Himmelsscheibe in<br />
den Boden gelangte.<br />
Mit der Zeit der Fürstengräber scheint dann<br />
jedoch ein Niedergang einzusetzen: Der starre<br />
Bestattungsritus brach auf, Gräber wurden nun<br />
sehr viel seltener, Grabbeigaben wurden rar,<br />
und die überlieferten Regeln zur Versorgung<br />
des Leichnams auf seinem letzten Weg lösten<br />
sich von ihren strengen Vorgaben. Ähnliche<br />
MITTELDEUTSCHLAND ZUR ZEIT DER <strong>HIMMELSSCHEIBE</strong> 138| 139