Untitled - Gattner
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Seite 3<br />
Neue Staatsgalerie<br />
Planungen für einen Erweiterungsbau der Alten Staatsgalerie wurden bereits<br />
zwischen 1961 und 1967 und danach 1974 im Rahmen eines städtebaulichen<br />
Wettbewerbs entwickelt. Auf Initiative des Ministerpräsidenten Hans Filbinger<br />
wurde 1977 ein internationaler beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben, aus<br />
dem der Entwurf des Büros James Stirling, Michael Wilford & Associates, London,<br />
einstimmig als Sieger hervorging. 1984 wurde der Neubau eröffnet.<br />
Der 1926 in Glasgow geborene James Stirling (gestorben in London 1992) war<br />
bereits in den Siebzigerjahren mehrfacher Preisträger (Brunner-Preis, 1976;<br />
Alvar-Aalto-Preis, 1977) und gehörte zu den international bedeutendsten<br />
Architekten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.<br />
In Stuttgart überzeugte der in unmittelbarer Nachbarschaft zur Alten<br />
Staatsgalerie gelegene und mit dieser auf Galerieniveau durch eine »Brücke«<br />
verbundene Neubau die Jury wegen seiner topographiebezogenen<br />
terrassenartigen Einbindung in die Hanglage, wegen der originellen Führung eines<br />
öffentlichen Fußwegs durch den Museumskomplex und der respektvollen<br />
Integration der vorhandenen historischen Bausubstanz der Alten Staatsgalerie.<br />
Stirling zelebriert Architektur als Baukunst, indem er auf den repräsentativmonumentalen<br />
Museumstyp des 19. Jahrhunderts zurückgreift. Die streng Uförmige<br />
Anordnung der Galerieräume - sie entspricht dem Grundriss der<br />
spätklassizistischen Alten Staatsgalerie - , die im Zentrum des Museums gelegene<br />
offene Rotunde - eine freie Anlehnung an Karl Friedrich Schinkels Altes Museum in<br />
Berlin und das Kolosseum-, kolossale Säulenordnungen, Giebel, Architrave und<br />
Steinfassaden inszenieren die Funktion des Museums als öffentliches Gebäude.<br />
Die epochale Leistung von Stirling gründet in der Zusammenführung dieser<br />
historistischen Elemente mit dem modernen Formenvokabular der<br />
funktionalistischen Architektur (farbig gefasste Stahlkonstruktionen, Sichtbeton,<br />
geschwungene Baukörper). Durch die Ambivalenz der Formen, durch ihre<br />
Widersprüche und Vielschichtigkeit gewinnt das Museum an Dynamik und scheint<br />
gerade deshalb als Haus für die Kunst des 20. Jahrhunderts prädestiniert.<br />
Erweiterung der alten Staatsgalerie<br />
Der Entwurf der Baseler Architekten Wilfrid & Katharina Steib, dessen Erstfassung<br />
auf ein städtebauliches Gutachten vom November 1991 zurückgeht, sieht einen<br />
linearen Baukörper entlang der Urbanstrasse vor. In dem fünfgeschossigen Bau,<br />
der seit Juni 2000 im Hof hinter der Alten Staatsgalerie entsteht, werden ab<br />
Herbst 2002 Bibliothek, Studiensaal, Büros, Restaurierungswerkstätten und<br />
Bestände der Graphischen Sammlung untergebracht sein.<br />
STAATSGALERIE STUTTGART<br />
Damit erhält die Graphische Sammlung erstmals seit ihrem erneuten Einzug in die<br />
Alte Staatsgalerie nach dem Zweiten Weltkrieg eine angemessene und<br />
zusammenhängende Unterbringung. Mit dem Umzug der Graphischen Sammlung<br />
in den Erweiterungsbau werden im Erdgeschoss der Alten Staatsgalerie Flächen<br />
frei, die nach ihrer Sanierung als Ausstellungsfläche genutzt werden können.<br />
Auf der Ebene des Obergeschosses der Alten Staatsgalerie entsteht im<br />
Erweiterungsbau ein Ausstellungsgeschoss, das durch Glasbrücken mit dem<br />
Altbau verbunden wird. Neben zwei großen Oberlichträumen mit 271 bzw. 240<br />
Quadratmetern Grundfläche befindet sich auf dieser Ebene ein eigener<br />
Ausstellungsraum (161 qm), der speziell für die Präsentation von Kunst auf Papier<br />
gestaltet ist.<br />
Der Baukörper wird mit seinen vorwiegend geschlossenen, verputzten Fassaden<br />
als klares, einfach gestaltetes Volumen in Erscheinung treten. Die differenzierte,<br />
filigrane Ausbildung des Obergeschosses (Glas-Metall-Konstruktion) steht in<br />
absichtsvollem Kontrast zum gewichtigen Sockel. Es entsteht ein Gebäude, das<br />
trotz Zurückhaltung und Disziplin in der Anwendung seiner gestalterischen Mittel<br />
städtebaulich wirksam werden wird.<br />
Die drei Gebäude der Staatsgalerie Stuttgart – die spätklassizistische Alte<br />
Staatsgalerie, der weltberühmte Stirling-Bau und der elegante Steib-Bau –<br />
sprechen eine jeweils eigene, selbstbewusste architektonische Sprache und<br />
dennoch verbinden sie sich im Inneren zu einem räumlichen Kontinuum, das den<br />
Schätzen des Museums vom 14. Jahrhundert bis heute sehr gute<br />
Präsentationsmöglichkeiten bietet.<br />
Tobias Tschinkowitz