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Ausgabe RIND<br />

01 2011<br />

Was tun gegen<br />

oxidativen Stress?<br />

Mastitis<br />

-Gründliche Behandlung<br />

Schlüssel zum Erfolg<br />

Kurz notiert<br />

<strong>Rind</strong>ergrippe:<br />

Immer wieder ein Problem<br />

0<br />

Buchtipp:<br />

KTBL-Datensammlung:<br />

Betriebsplanung<br />

Landwirtschaft 2010/11<br />

0<br />

Enthornen tut weh!<br />

Novellierung des<br />

Tierschutzgesetzes<br />

0<br />

Klauenerkrankungen<br />

Teil 6:<br />

Die Mortellaro‘sche<br />

Krankheit<br />

Erscheint quartalsweise<br />

ISSN 1867-4003


2 | 3<br />

Foto: Engels<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Hochleistende Milchkühe müssen ihren Stoffwechsel ständig den physiologischen Veränderungen<br />

während der Transitperiode und den Laktationsphasen anpassen. Diese enorme Stoffwechselleistung<br />

macht sie anfällig gegen oxidativen Stress. Dr. Antje Holthausen beschreibt, was oxidativer Stress genau<br />

ist und was dagegen helfen kann.<br />

Hochleistende Milchkühe müssen ihren Stoffwechsel ständig den physiologischen Veränderungen<br />

während der Transitperiode und den Laktationsphasen anpassen. Diese enorme<br />

Stoffwechselleistung macht sie anfällig gegen oxidativen Stress.<br />

Im Energiestoffwechsel entstehen permanent<br />

reaktive Sauerstoffverbindungen ROS<br />

(für engl. reactive oxygen Species) als Nebenprodukte<br />

der Energiegewinnung innerhalb<br />

der Zellen, also beim „Verbrennen“ von<br />

Nährstoffen mittels des eingeatmeten Sauerstoffs.<br />

Diese ROS können in biologischen<br />

Systemen großen Schaden anrichten, wenn<br />

sie sensiblen Molekülen Elektronen entreißen<br />

oder sich mit Biomolekülen verbinden. Die<br />

veränderten Biomoleküle können dann oft<br />

ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen.<br />

Im günstigsten Fall werden sie entdeckt, abgebaut<br />

und durch ein neues Molekül ersetzt. Im<br />

ungünstigsten Fall schädigt das veränderte<br />

Molekül die Zelle so sehr, dass sie stirbt oder<br />

mutiert. Damit das nicht passiert, gibt es ein<br />

antioxidatives Schutzsystem (auch genannt:<br />

endogenes Radikal-Abwehr-System, kurz<br />

eRAS), das die ROS bekämpft und so die körpereigenen<br />

Zellen schützt. Zu diesem Zweck<br />

umfasst es eine Vielzahl von Substanzen mit<br />

direkter und indirekter antioxidativer Wirkung.<br />

Vitamin E ist einer der wichtigsten<br />

natürlichen Vertreter des eRAS. Es ist direkt in<br />

den Zellwänden lokalisiert und schützt dort<br />

die ungesättigten Fettsäuren der Zellmembranen<br />

vor Oxidation.<br />

Stress führt zu Ungleichgewicht<br />

im antioxidativen<br />

Schutzsystem<br />

Unter normalen Bedingungen herrscht<br />

ein sensibles Gleichgewicht zwischen der<br />

Entstehung von ROS und der antioxidativen<br />

Kapazität des eRAS. Zahlreiche Faktoren können<br />

jedoch dazu führen, dass mehr ROS gebildet<br />

werden, als das antioxidative Schutzsystem<br />

entsorgen kann. Dann entsteht zellulärer<br />

oxidativer Stress. Ein solcher Zustand<br />

kann die Folge einer Unterversorgung mit<br />

Stoffen sein, die das antioxidative Schutzsystem<br />

unbedingt für seine reibungslose Funktion<br />

benötigt, z.B. ein akuter oder chronischer<br />

Vitamin-Mangel.


Eine Überproduktion von ROS kann aber<br />

auch die Folge einer Stresssituation sein, der<br />

Zellen, Zellverbände oder der gesamte Organismus<br />

ausgesetzt sind. Zwei solcher Stressfaktoren<br />

bei Milchkühen sind zum Beispiel<br />

eine akute Mastitis und oxidationsempfindliche<br />

Futtermittel.<br />

Bei immungesteuerten Abwehrprozessen<br />

wie bei einer akuten Mastitis (beispielsweise<br />

durch eine Infektion mit Escherichia coli-<br />

Keimen) kommt es zu einer Überproduktion<br />

an ROS, die Teil des Entzündungsgeschehens<br />

sind. Ein akuter entzündlicher Prozess führt<br />

wiederum durch die erhöhte Bildung von<br />

ROS zu oxidativem Stress. Eigentlich sollen<br />

diese ROS die pathogenen Keime zerstören,<br />

doch weil sie in ihrer zelltoxischen Wirkung<br />

nicht selektiv sind, zerstören sie nicht nur die<br />

pathogenen Erreger, sondern auch z.B. die<br />

Zellstrukturen des Eutergewebes. Deshalb ist<br />

eine ausreichend hohe antioxidative Kapazität<br />

für den Schutz des Eutergewebes von großer<br />

Bedeutung.<br />

Entsteht oxidativer Stress<br />

durch die Fütterung?<br />

Aber auch bei der Fütterung entstehen<br />

ROS. Oxidationsempfindliche Futtermittel<br />

wie Futterfette, Öle und Ölsaaten unterliegen<br />

Stressfaktoren bei Milchkühen sind zum Beispiel eine akute Mastitis oder oxidationsempfindliche<br />

Futtermittel.<br />

nicht nur während der Verdauung oxidativen<br />

Abbauprozessen. Sie können auch durch die<br />

sogenannte Autoxidation, also der Oxidation<br />

durch Luftsauerstoff, bereits während der<br />

Verarbeitungsprozesse und Lagerung geschädigt<br />

werden. Als kritische Futtermittel gelten<br />

solche Komponenten, bei denen der Oxidationsprozess<br />

besonders schnell abläuft, weshalb<br />

eine hohe Anflutung von radikalen Verbindungen<br />

zu erwarten ist.<br />

Als kritische Faktoren können angesehen werden:<br />

hoher<br />

Fettgehalt<br />

Fettsäurenmuster<br />

mit hohen Anteilen<br />

PUFA<br />

Höhere<br />

Gehalte an Fe, Mg, Cu usw. beispielsweise<br />

durch Blutanteile<br />

Foto: Engels


4 | 5<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Antioxidantien werden meistens durch den Futterhersteller in das Mineralfutter und dann im Betrieb in die TMR eingemischt. (Foto: Engels)<br />

Thermische Bearbeitungsprozesse (Temperatur,<br />

Druck, Reibung, Vergrößerung<br />

der Oberfläche)<br />

Besonders kritische Futtermittel sind Fette<br />

bzw. Öle wie Fisch- und Leinöl, Nebenprodukte<br />

wie Fischmehl (Fleischmehle) sowie<br />

Nebenprodukte der Ölgewinnung (Presskuchen,<br />

Extraktionsschrote) und thermisch<br />

behandelte Futtermittel wie Leinextrudat.<br />

Grundsätzlich gilt: In sauerstoffhaltiger<br />

Atmosphäre findet immer Oxidation statt.<br />

Die Oxidation von Futtermittel ist daher ein<br />

unvermeidlicher Prozess. Alle Futtermittel<br />

oxidieren, sie unterscheiden sich aber in der<br />

Geschwindigkeit und Art der Prozessabläufe<br />

und nicht zuletzt in den Endprodukten, die<br />

aus den Oxidationsprozessen entstehen.<br />

Erkennbar sind oxidierte Futtermittel an<br />

ihrem ranzigen Geruch.<br />

Fressen Tiere solche oxidierten Futtermittel,<br />

nehmen sie also auch zwangsläufig<br />

eine große Menge reaktiver Verbindungen<br />

mit dem Futter auf. Sind diese Radikale erst<br />

einmal mit dem Futter in den Verdauungstrakt<br />

gelangt, greifen sie auch dort die<br />

Zellstrukturen an und zerstören das Gewebe.<br />

Die zelltoxische Wirkung der Radikale<br />

wirkt sich bei der Milchkuh auch auf die<br />

Pansenfermentation aus, da die Pansenmikroorganismen<br />

von der Zerstörung der<br />

Zellstrukturen ebenso betroffen sind wie die<br />

Milchkuh selber. Das hat entsprechend negative<br />

Folgen für die Proteinsynthese im Pansen.<br />

Untersuchungen an Meerschweinchen<br />

haben gezeigt, dass die Fütterung oxidierter<br />

Fette nicht zu einer Verstärkung der antioxidativen<br />

Kapazität im Tier führt. Daher ist von<br />

einer erheblichen Belastung des Organismus<br />

durch die Fütterung oxidierter Futtermittel<br />

auszugehen.<br />

Antioxidantien unterstützen<br />

körpereigenes Schutzsystem<br />

Um diese schädlichen Oxidationsprozesse<br />

zu verhindern oder zumindest zu reduzieren,<br />

gibt es natürliche und technische Hilfsstoffe,<br />

sogenannte Antioxidantien. Deren wichtige<br />

Aufgabe ist, die Geschwindigkeit der Oxidationsprozesse<br />

so weit zu verlangsamen, dass


Foto: Werksbild<br />

Foto: simonkr - Fotolia.com<br />

Technisch hergestellte Antioxidantien wie<br />

®<br />

das Loxidan können in der Vorbeugung<br />

von Mastitis gute Dienste leisten.<br />

ROS zu keinem Zeitpunkt gehäuft auftreten.<br />

Als natürliches Antioxidans wirkt das bereits<br />

erwähnte Vitamin E, es gibt aber auch technisch<br />

hergestellte Antioxidantien. Die Gruppe<br />

der Antioxidantien umfasst eine Vielzahl von<br />

Stoffen, die jeweils unterschiedlichen Einfluss<br />

auf die Reaktionsprozesse nehmen. Aufgrund<br />

der verschiedenen Wirkungsweise werden<br />

Antioxidantien in zwei Hauptkategorien primäre<br />

und sekundäre Antioxidantien unterteilt:<br />

Primäre Antioxidantien sind Verbindungen,<br />

die Radikale direkt abfangen. Sie führen<br />

durch die Abspaltung eines Wasserstoffatoms<br />

am Radikal zur Inaktivierung des<br />

Radikals. Je einfacher das Wasserstoffatom<br />

abgespaltet werden kann, desto effektiver ist<br />

die antioxidative Wirkung. Bei der Oxidation<br />

von Fett werden unterschiedliche Radikale<br />

(Alkyl-, Alkoxy- und Peroxyradikale) gebildet.<br />

Primäre Antioxidantien können auf<br />

unterschiedliche Weise in die Fettoxidation<br />

eingreifen und durch Reduktion von Radikalen<br />

bestimmte Prozessschritte im Rahmen<br />

der Fettoxidation selektiv verlangsamen.<br />

Daher gibt es für verschiedene Zwecke unterschiedliche<br />

Antioxidantien.<br />

Zu den sekundären Antioxidantien gehören<br />

Verbindungen, die nicht direkt in die<br />

Oxidation von Fetten eingreifen, diese aber<br />

auf unterschiedliche Weise hemmen können.<br />

Dazu zählen:<br />

<br />

Komplexierung und damit Inaktivierung<br />

katalytisch wirkender Metallionen<br />

<br />

Regeneration bereits verbrauchter primärer<br />

Antioxidantien<br />

<br />

Entzug von Sauerstoff.<br />

Da ein Antioxidans aufgrund seiner<br />

Eigenschaften nur einer der Kategorien primär<br />

oder sekundar wirkend zugeordnet werden<br />

kann, sind für eine effektive Stabilisierung<br />

der Futtermittel Kombinationen aus primären<br />

und sekundären Antioxidantien sinnvoll<br />

(z.B. Loxidan®, Lohmann Animal<br />

Health). Solche Vormischungen unterschiedlicher<br />

Antioxidantien und Synergisten werden<br />

für die jeweilige Anwendung entwickelt<br />

und bieten daher größtmöglichen Schutz vor<br />

Oxidation.<br />

Fazit<br />

Hochleistende Milchkühe beanspruchen<br />

ihren Stoffwechsel sehr stark und sind damit<br />

sehr anfällig für jegliche Störungen von<br />

außen, die negativ auf den Stoffwechsel einwirken.<br />

Solche Störungen, u.a. Erkrankungen<br />

wie Mastitis oder auch oxidierte Futtermittel,<br />

führen zu oxidativem Stress, also einem Ungleichgewicht<br />

zwischen antioxidativ wirkenden<br />

Substanzen wie z.B. Vitamin E, und radikalen<br />

Sauerstoffverbindungen, die zellschädigend<br />

wirken. Zusätzliche Antioxidantien im<br />

Futter natürlicher oder technischer Art fangen<br />

die reaktiven Sauerstoffverbindungen ab<br />

und können die Nährstoffe, vor allem die<br />

Fette, vor dem Verderb durch Oxidation<br />

schon bei der Herstellung und Lagerung, aber<br />

auch im Verdauungssystem schützen.<br />

<br />

Dr. Antje Holthausen<br />

Milchkühe stehen häufig unter Stress - jede Maßnahme zur Senkung dieses Stresses sollte<br />

auf Tauglichkeit geprüft werden.


6 | 7<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Mastitis ist eine Faktorenkrankheit und die Problemlösung erfordert eine vielfältige Herangehensweise.<br />

Wie ein Milchviehbetrieb sehr erfolgreich gegen die Mastitis kämpft, zeigt Dr. Heike Engels anhand dieser<br />

Reportage. Sie hat zusammen mit dem Tierarzt Dr. Frajo Siepelmeyer einen Betrieb im Butjadinger Land<br />

besucht und den Betriebsleiter zu dem Umgang mit Mastitisproblemen befragt. Offensichtlich ist die<br />

gründliche Herangehensweise der Schlüssel zum Erfolg.<br />

Bei der Mastitistherapie kommt es darauf an,<br />

ausreichend lange zu behandeln.(Foto: Engels)


Henning Blankenforth und seine Frau<br />

Sigrid bewirtschaften in Roddens, Butjadingen,<br />

in direkter Nordseenähe einen<br />

Milchviehbetrieb mit 135 Milchkühen und<br />

etwa 170 <strong>Rind</strong>ern. Daneben ist er ein erfolgreicher<br />

Züchter: Jährlich vermarktet er etwa<br />

20 Zuchtbullen an Berufskollegen und gibt<br />

noch etwa sechs an die Besamungsstation.<br />

Die 110 Hektar Fläche nutzen sie für<br />

Gründland (95 Hektar) und für Silomais (15<br />

Hektar). Seit etwa sieben Jahren liegt die<br />

Jahresmilchleistung zwischen 10.000 und<br />

11.000 Litern je Kuh. „1985 bauten wir einen<br />

Laufstall für 70 Kühe, damals noch als GbR<br />

mit meinem Vater, 1989 haben wir den<br />

Betrieb dann von meinen Eltern übernommen<br />

und den Nachbarbetrieb dazu<br />

gepachtet. 2000 erweiterten wir auf 100<br />

Kühe und 2007 auf die jetzige Kuhanzahl“,<br />

erklärt Henning Blankenforth die Betriebshistorie.<br />

Auch ein neuer moderner Doppel 10er<br />

Fischgräten-Melkstand schmückt den<br />

Betrieb, mit Milchmengenmessung und<br />

weiteren Extras. „Die 120 melkenden Kühe<br />

plus Reinigung schaffen wir so in 1,5 Stunden,<br />

das geht flott“, sagt Sigrid Blankenforth<br />

und fügt hinzu, dass sie auch sonst mit der<br />

Arbeitsbelastung gut klarkommen, obwohl<br />

der reine Familienbetrieb nur zwei Aushilfskräfte<br />

hat. „Alles ist eine Frage der Organisation“,<br />

sagt sie.<br />

Mastitis ist zwar kein Problem bei den Blankenforths, Mortellaro dafür trotz Fußbädern,<br />

Spalten abschieben, Klauenpflege und Weidegang umso mehr. Jeder zweite Betrieb der<br />

Region sei betroffen, so der Landwirt.<br />

Viele Maßnahmen gegen<br />

Mastitis<br />

So ist denn auch Mastitis eigentlich kein<br />

Thema auf dem Betrieb. „Wir haben vielleicht<br />

eine Mastitiskuh im Monat, vielleicht zwei,<br />

aber mehr nicht“, so Henning Blankenforth.<br />

Tierarzt Dr. Frajo Siepelmeyer, der den Betrieb<br />

seit 16 Jahren betreut, fügt hinzu: „Trotz<br />

konstant hoher Leistung haben wir hier sehr<br />

wenig Mastitis- und sonstige Gesundheitsprobleme.<br />

Aber das Futter ist hier auch von<br />

sehr guter Qualität.“<br />

Blankenforth hat alle seine Flächen im<br />

Laufe der Jahre neu angesät, und er erneuert<br />

auch weiterhin jedes Jahr die ältesten Weiden.<br />

Dadurch bekommt er eine bessere Grassilage.<br />

Und auf die Boxenhygiene achten sie sehr.<br />

Foto: Engels


8 | 9<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Die Kühe haben überwiegend Weidegang, nur nachts sind sie im Stall. Die für diese natürliche Haltung günstige Lage der Flächen und die<br />

Betriebsstruktur ist ein großer Vorteil der Region. (Foto: Engels)<br />

„Meine Frau streut zweimal am Tag die<br />

Boxen während des Melkens mit Sägemehl<br />

ein. Das Sägemehl liegt auf Vorrat am<br />

Kopfende der Box, das befüllen wir mit dem<br />

Hoftrac. Außerdem harkt sie den Kot raus, so<br />

dass die Box trocken ist. Wenn man das<br />

morgens und abends macht, ist das zusammen<br />

mit dem Kuhumtrieb in zwanzig Minuten<br />

erledigt. Die Boxen müssen einfach sauber<br />

sein, dann sind auch die Kühe und die Euter<br />

sauber.“<br />

Mastitis wird schnell<br />

behandelt<br />

Blankenforths stellen ihre Kühe für etwa<br />

sechs Wochen trocken. Sie nutzen zum<br />

Trockenstellen grundsätzlich einen trivalenten<br />

antibiotischen Trockensteller, der auch<br />

gegen Umweltkeime wirkt. „Das klappt gut,<br />

mit dem Trockenstellregime sind wir zufrieden.<br />

Nur mit unseren Färsen hatten wir<br />

Dr. Siepelmeyer: Konsequenz in der Mastitisbehandlung wichtig<br />

„Bei Mastitis ist an vielen Einflussfaktoren zu drehen, die Fütterung muss super sein, die<br />

Haltung, die Boxenhygiene, das merkt man an der Eutergesundheit. Und die Konsequenz in<br />

der Mastitisbehandlung ist wichtig, es gibt gute Präparate, aber häufig wird zu kurz behandelt<br />

und eigentlich müssten auch alle Euterviertel behandelt werden, zumindest, wenn man nur<br />

lokal behandelt. Bei Wachstumsbetrieben zögert man einfach, das Problem von Grund auf<br />

anzugehen, denn da zählt ja jede Kuh, da muss man Kompromisse machen. Gerade bei<br />

Staphylococcus aureus und Streptococcus uberis geht es darum, ausreichend lange zu<br />

behandeln, bei diesen Problemkeimen mindestens fünf Tage. Dabei kommt es auf eine<br />

konsequent durchgeführte ausreichend lange Behandlungsdauer an. Wir machen regelmäßig<br />

einen Erregernachweis, um zu schauen, ob wir richtig liegen, aber nicht bei jeder Mastitis.<br />

Das neue Kombiotikum ist seit Anfang 2009 erhältlich. Die Wartezeit beträgt fünf Tage auf<br />

Milch und zehn Tage auf essbares Gewebe. Ich war anfangs ein wenig skeptisch, ob wirklich ein<br />

Synergismus zwischen den darin enthaltenen Substanzen Cefalexin und Kanamycin existiert,<br />

denn die Einzelwirkstoffe kenne ich schon seit langem. Doch die Rückmeldungen seitens der<br />

Landwirte sprechen dafür. Deswegen habe ich auch diesem Betrieb einen Wechsel empfohlen.<br />

Insgesamt steht der Einsatz des neuen Euterpräparates in unserer Praxis inzwischen auf einem<br />

festen Fundament, es ist wohl inzwischen der am meisten verwandte Euterinjektor bei uns.<br />

Praktisch sind solche Breitband-Antibiotika, weil man sie eben so breit einsetzen kann, sie<br />

wirken sowohl gegen gram-positive als auch gram-negative Erreger. Damit sind sie ideal<br />

einsetzbar wenn ich bei einer akuten Mastitis noch nicht weiß, welcher Erreger hier beteiligt<br />

ist. Der neue Injektor funktioniert auch bei E. coli gut. Bei einer Coli-Mastitis nutzen wir aber<br />

auch noch einen Entzündungshemmer, denn die Symptome entstehen ja durch die Toxine<br />

und nicht durch E. coli.<br />

vor einiger Zeit Probleme. Die euterten schon<br />

kurz vor der Geburt an und liefen dann einige<br />

Tage mit vollem Euter rum und wurden nicht<br />

gemolken, da bekamen einige Mastitis. Die<br />

normale Euterentzündung, die wir ab und zu<br />

mal haben, ist zum Glück nicht so schlimm.<br />

Wir sehen die Entzündung schnell und behandeln<br />

die erkrankten Viertel mit einem<br />

neuen Euterinjektor, der breit wirksam ist.<br />

Seit etwa zwei Jahren haben wir diesen Injektor<br />

im Einsatz.<br />

Dr. Franz-Josef Siepelmeyer ist Tierarzt<br />

in Nordenham und Umgebung und<br />

außerdem Vorstand der Organisation<br />

Tierärzte ohne Grenzen e.V.<br />

Verabschieden müssen wir uns wohl von dem Gedanken, dass mit neuen Ställen und<br />

moderner Melktechnik die Mastitis weniger wird - sie ist und bleibt ein Problem. Die Behandlung ist das Eine, aber Ziel sollte es ja sein, die<br />

Infektion zu verhindern, und da müssen wir einfach an viele Faktoren ran - Mensch, Kuh, Erreger, Umwelt - ein dauerhafter Zellgehalt<br />

unter 150.000 wäre schon prima.“<br />

Foto: Engels


Foto: Engels<br />

Foto: Engels<br />

Sigrid und Henning Blankenforth.<br />

Der reinigt die Euter, da kommt alles<br />

entzündliche raus. Nur bei schweren Fällen<br />

geben wir über den Muskel Penicillin dazu.<br />

Bei den davor eingesetzten Euterinjektoren<br />

war die reinigende Wirkung zwar auch da und<br />

die Flocken waren weg, aber die Schwellung<br />

nicht. Und wenn die dann endlich mal weg<br />

war, hatte man ein kleineres Euterviertel. Dies<br />

ist bei dem neuen Injektor nicht der Fall. Ich<br />

achte sehr darauf, eine Mastitis gründlich zu<br />

behandeln, bis die Symptome weg sind und<br />

auch die Schwellung raus ist“, so Blankenforth.<br />

Und Dr. Siepelmeyer ergänzt: "Wir<br />

kombinieren meistens die intrazisternale<br />

Behandlung durch den Euterinjektor mit der<br />

parenteralen Behandlung mittes eines eutergängigen<br />

Penizillins, welches die Euter-<br />

schranke durchdringt. Denn so werden alle<br />

Viertel erreicht und auch das ist im Sinne<br />

einer konsequenten Euterbehandlung wichtig.”<br />

„Bei einer Kuh mit Euterentzündung<br />

kommt es nicht auf 10 Euro an, wenn ich die<br />

ein Jahr länger mit vier vernünftigen Strichen<br />

halten kann, dann bringt mir das eine Menge<br />

Geld. Eine Kuh mit kleinerem Viertel geht<br />

irgendwann zum Schlachter, wenn sie Probleme<br />

beim Melken bereitet. Die Kühe<br />

werden nicht weniger, das Handling muss<br />

einfach funktionieren“, weiß der Landwirt.<br />

Stress schwächt Immunsystem<br />

und fördert Mastitis<br />

Die Zellen in der Milch liegen bei 150.000<br />

bis 175.000. „Nur nach der Blauzungenimpfung<br />

hatten wir plötzlich mal kurzfristig<br />

370.000 Zellen“, so Blankenforth. Dr. Siepelmeyer<br />

kennt das Problem. „Von der Wissenschaftsseite<br />

will das niemand so richtig wahrhaben,<br />

aber das höre ich immer häufiger. Das<br />

sind sicher die Tiere, die sowieso schon subklinische<br />

Mastitis haben, die schon bei<br />

150.000 Zellen liegen, und die gehen dann<br />

richtig hoch, weil der Stress bei der Impfung<br />

das Immunsystem doch erheblich schwächen<br />

kann.“<br />

Obwohl eigentlich alles rund läuft, kann<br />

sich der Betrieb derzeit nicht weiter entwickeln.<br />

Das liegt daran, dass viele Besitzer<br />

von Flächen jetzt versuchen, die Flächen nicht<br />

mehr zu verpachten, sondern zu verkaufen.<br />

„Wenn wir für jeden auslaufenden Pachtvertrag<br />

die Fläche kaufen müssen, bindet das<br />

unheimlich Kapital. Wir haben etwa 40 %<br />

eigene Flächen, der Rest ist gepachtet, da kann<br />

man sich ja ausrechnen, wo das Geld zukünftig<br />

hingeht“, so Blankenforth.<br />

<br />

Dr. Heike Engels<br />

Blankenforth ist ein erfolgreicher Züchter aus Leidenschaft: Vor 20 Jahren hat er einen der<br />

ersten Embryotransfers gemacht, weil er Glück mit einer Kuhfamilie hatte. 70 % seiner<br />

Herde beruht auf diesem Kuhstamm.


10 | 11<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Beim <strong>Rind</strong> treten Entzündungen der<br />

Nasenschleimhaut nur selten als selbständige<br />

Erkrankungen auf, sondern meistens im<br />

Verlauf von infektiösen Atemwegs- oder<br />

Allgemeinerkrankungen wie der BHV-1-<br />

Infektion, BVD und vor allem dem Komplex<br />

der <strong>Rind</strong>ergrippe. Die <strong>Rind</strong>ergrippe, auch<br />

enzootische Bronchopneumonie des <strong>Rind</strong>es<br />

genannt, ist eine hochansteckende Infektion,<br />

die besonders junge Tiere befällt und zu den<br />

infektiösen Faktorenkrankheiten zählt.<br />

Die Ursachen für die Erkrankung sind<br />

vielschichtig, ein Zusammenspiel mehrerer<br />

Faktoren ist verantwortlich. Die Haltung<br />

großer Tierzahlen auf engem Raum, eine<br />

kontinuierliche Stallbelegung und unzureichende<br />

Hygiene im Betrieb bereitet den<br />

Kurz notiert<br />

Erregern den Weg. Als Erreger selber kommen<br />

zahlreiche Viren und Bakterien in Betracht,<br />

häufig folgt auf eine Virusinfektion eine<br />

bakterielle Infektion insbesondere durch<br />

Pasteurellen (P. multocida), Staphylokokken,<br />

Clamydien, Mykoplasmen sowie Bordetellen.<br />

Diese Keime siedeln sich auf den Schleimhäuten<br />

des Atmungstraktes und insbesondere<br />

in der Lunge an und vermehren sich. Durch<br />

diese Sekundärerreger kann es dann zu<br />

schweren Lungenentzündungen kommen.<br />

Die zuerst auftretende Virusinfektion<br />

verläuft oft symptomlos, sie kann sich aber<br />

auch in kurzzeitig hohem Fieber, Fressunlust,<br />

klarem Nasen- und Augenausfluss und<br />

Müdigkeit zeigen. Oft wird dieses Stadium<br />

vom Tierhalter gar nicht bemerkt.<br />

Nach etwa drei bis sieben Tagen, wenn<br />

Bakterien die Sekundärinfektion ausgelöst<br />

haben, tritt erneut Fieber auf. Zugleich entwickelt<br />

sich bei den betroffenen Tieren eine<br />

deutlich angestrengte Atmung, vermehrter<br />

Husten, Fressunlust und Abgeschlagenheit.<br />

Der Nasen- und Augenausfluss, bei der<br />

Erstinfektion durch Viren kaum ausgeprägt,<br />

wird jetzt schleimig-eitriger und teilweise<br />

blutig. Spätestens jetzt ist der Tierarzt zu<br />

rufen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung<br />

kommt es zu einer eitrigen Lungenentzündung,<br />

manchmal auch noch zu einem Lungenödem<br />

oder einer Brustfellentzündung.<br />

Bei der Behandlung der <strong>Rind</strong>ergrippe<br />

steht die Bekämpfung der bakteriellen<br />

Sekundärerreger im Vordergrund.


Wenn mehrere Tiere einer Gruppe erkrankt<br />

sind, ist die Gruppenbehandlung sinnvoll.<br />

Dafür eignen sich bestimmte lang<br />

wirksame Antibiotika. Idealerweise erstellt<br />

man vor Behandlungsbeginn ein Antibiogramm,<br />

wofür allerdings in der Praxis oft die<br />

Zeit nicht ausreicht. Diese Information zur<br />

Resistenzlage auf dem Betrieb kann bei<br />

weiteren Behandlungen nützlich sein. Mit<br />

Hilfe einer Tupferprobe erfolgt die Erregerbestimmung,<br />

die für die Auswahl des Antibiotikums<br />

wichtig ist.<br />

Zur Probenentnahme gibt es spezielle<br />

kurze und lange Nasentupfer. Zur Unterstützung<br />

der Antibiose können Produkte zur<br />

Stärkung des Immunsystems, sogenannte<br />

Paraimunitätsinducer, verabreicht werden<br />

sowie auch Produkte, die das Sekret und den<br />

Schleim verflüssigen, so dass es besser ablaufen<br />

kann. Zudem bewirken Schleimlöser<br />

eine verbesserte Wirkung des Antibiotikums,<br />

denn im Erkrankungsverlauf sammelt sich<br />

zäher Schleim in der Lunge. In ihm sind die<br />

Erreger sowohl für das Antibiotikum als auch<br />

für die körpereigenen Abwehrstoffe nur<br />

schwer erreichbar. Durch die Verflüssigung<br />

des zähen, entzündlichen Schleimes kann<br />

außerdem die Selbstreinigung der Lunge<br />

wieder greifen und die Tiere haben die<br />

Möglichkeit, den Schleim restlos abzuhusten.<br />

Der Erfolg: schnellere Heilung und weniger<br />

Rückfälle.<br />

Daneben werden häufig NSAIDs (nichtsteroidale<br />

Antiphlogistika) zur Schmerzstillung<br />

und Entzündungshemmung eingesetzt,<br />

wobei diese zu Beginn der Infektion zu<br />

verabreichen sind, da sie dann ihre entzündungshemmende<br />

Wirkung voll entfalten<br />

können. Auch zusätzliche Vitamine und<br />

Mineralstoffe können helfen.<br />

Buchtipp:<br />

Maschinenkosten kalkulieren, Arbeitseinsätze<br />

planen oder Produktionsverfahren<br />

bewerten - die 22. Auflage des KTBL-Standardwerkes<br />

bietet zu jedem Anlass der betrieblichen<br />

Planung umfassende Informationen<br />

zu Tierhaltung, Pflanzenproduktion<br />

und Energiegewinnung. Neben den Grund-<br />

und Ergebnisdaten für den landwirtschaftlichen<br />

Betrieb liefert die Datensammlung<br />

methodische Hinweise zur Lösung betriebswirtschaftlicher<br />

Fragen. Ergänzend zur ausführlichen<br />

Darstellung von Verfahrensabläufen<br />

werden Kennzahlen der Arbeitserledigung,<br />

ökonomische Erfolgsgrößen und die<br />

Eine wichtige Methode zur Vorbeugung<br />

von Atemwegserkrankungen sind Schutzimpfungen.<br />

Jede Impfung bewirkt eine aktive<br />

Immunität gegen die geimpften Stämme der<br />

Erreger, so dass das Immunsystem eine Infektion<br />

abwehren kann. Nur gesunde Tiere<br />

dürfen geimpft werden. Das vom Hersteller<br />

angegebene Mindestalter für die erste Im-<br />

<strong>Rind</strong>ergrippe kann auch durch das Zusammenstellen von zugekauften Jungtieren entstehen,<br />

da jedes Tier ein anderes Erregerspektrum mit sich führt und eine Neugruppierung zudem<br />

Stress bedeutet.<br />

Stückkosten landwirtschaftlicher Produkte<br />

ausgewiesen.<br />

Für Betriebsplaner aus Praxis, Ausbildung,<br />

Beratung und Verwaltung ist die neue<br />

Datensammlung das Werkzeug für eine zeitsparende<br />

Planung sowie eine Quelle für zuverlässige<br />

Informationen rund um die<br />

landwirtschaftliche Produktion.<br />

Erhältlich ist die 784-seitige Schrift für<br />

26 € beim Kuratorium für Technik und Bauwesen<br />

in der Landwirtschaft (KTBL) e.V.<br />

Bestellungen bitte an vertrieb@ktbl.de oder<br />

telefonisch unter 06151- 7001 189.<br />

<br />

pfung ist zu beachten, damit maternale<br />

Antikörper den Aufbau des Impfschutzes<br />

nicht stören. Welche Impfstoffe gegen<br />

Atemwegserkrankungen eingesetzt werden<br />

können weiß der Hoftierarzt.<br />

<br />

Dr. Heike Engels<br />

Foto: Engels


12 | 13<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Wie viele <strong>Rind</strong>er in Deutschland als<br />

Kälber enthornt werden, ist nicht bekannt,<br />

aber mit der zunehmenden Mutterkuhhaltung,<br />

dem Strukturwandel zu größeren<br />

<strong>Rind</strong>erherden und zunehmender Laufstallhaltung<br />

sind es mit Sicherheit weit über die<br />

Hälfte aller <strong>Rind</strong>er. Die Tiere werden enthornt,<br />

um ein geringeres Verletzungsrisiko an<br />

Gegenständen (z. B. Fressgitter) und um<br />

Schutz bei Rangordnungskämpfen durch<br />

Hornstöße zu erreichen. Vor allem im Bauchbereich<br />

betroffener Kühe führen Hornstöße<br />

zu großen Hämatomen. Und nicht zuletzt<br />

liegt der Nutzen der Hornlosigkeit auch beim<br />

Tierhalter.<br />

Eine übliche Methode zum Enthornen ist<br />

die Verwendung eines Brenneisens, mit dem<br />

die Hornanlagen ausgebrannt werden. Durch<br />

das heiße Brenneisen wird gleichzeitig die<br />

dabei entstehende Wunde kauterisiert,<br />

wodurch Blutungen gestillt und desinfiziert<br />

werden. Üblicherweise verwachsen diese<br />

Wunden relativ problemlos und vernarben<br />

schnell. Dieser Vorgang ist schmerzhaft, er<br />

ähnelt einer Verbrennung. Erwachsene Tiere<br />

müssen grundsätzlich vom Tierarzt enthornt<br />

werden, das Enthornen ist aber laut Tierschutzgesetz<br />

nur dann erlaubt, wenn es einen<br />

triftigen Grund dafür gibt, z.B. eine Verletzung<br />

des Horns, und unter Schmerzbehandlung<br />

durchgeführt wird.<br />

Der beste Zeitpunkt der Enthornung liegt<br />

zwischen der ersten und zweiten Lebenswoche,<br />

denn in diesem Zeitraum ist die passive<br />

Immunität gegen Krankheiten durch die<br />

Kolostralmilchversorgung am Größten. Je<br />

später die Enthornung erfolgt, umso größer<br />

ist der Stress für Tier und Mensch, umso<br />

größer ist der Schmerz für das Tier und umso<br />

häufiger können Komplikationen (lokale<br />

Entzündungen) auftreten. Bei unsachgemäßer<br />

Enthornung besteht ein erhebliches<br />

Infektionsrisiko in der Stirnhöhle, zudem<br />

können Nerven nachhaltig geschädigt werden.<br />

Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes<br />

ist derzeit eine Enthornung ohne<br />

Betäubung nur in den ersten sechs Lebenswochen<br />

zulässig. Doch diese Vorgabe beruht<br />

auf der - mittlerweile als falsch eingeschätzten<br />

Annahme -, dass junge Tiere keinen Schmerz<br />

empfinden. Dem ist aber nachgewiesenermaßen<br />

nicht so. Das Kalb äußert seinen<br />

Schmerz durch Drücken des Kopfes gegen die<br />

Wand oder Schlagen mit den Hinterbeinen.<br />

Kurz notiert<br />

Deshalb diskutieren die Experten derzeit<br />

über eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes<br />

beim Enthornen des <strong>Rind</strong>es. In den<br />

Niederlanden oder in der Schweiz wird schon<br />

lange nur noch mit Betäubung bzw. Schmerzausschaltung<br />

enthornt. Als Möglichkeit zur<br />

Schmerzausschaltung bieten sich verschiedene<br />

Methoden an, z.B. die Anästhesie des<br />

Nervs, an dem die Hornanlage liegt, und/oder<br />

ein schmerzstillendes Medikament. Eine<br />

biologische und tierfreundliche Alternative<br />

ist die Zucht auf Hornlosigkeit. Da das Gen<br />

„Hornlosigkeit“ dominant ist über das Gen<br />

„Hörner“, haben alle Nachkommen aus der<br />

Anpaarung reinerbig hornloser Bullen mit<br />

gehörnten Kühen keine Hörner.<br />

<br />

Weitere Informationen zu diesem Thema erläutert<br />

Ihnen Frau Prof. Müller in einem<br />

Video auf www.tiergesundheit-aktuell.de<br />

Nur selten findet man noch erwachsende Milchkühe mit Hörnern - hier ist die Amputation<br />

des Hornes nur noch erlaubt, wenn es Gründe wie diese Verletzung gibt.<br />

0<br />

Foto: Engels


Serie Klauenerkrankungen<br />

Teil 6:<br />

Die Mortellaro'sche Krankheit<br />

Im dritten Abschnitt unsere Serie zu Dermatitis digitalis berichtet der Klauenpfleger René Pijl aus Jever<br />

über die Therapie(un-)möglichkeiten der auch als Mortellaro'sche Krankheit bezeichneten Klauenerkrankung.<br />

Die Therapie der Mortellaro'schen Krankheit.<br />

Foto: René Pijl


14 | 15<br />

Foto: René Pijl<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Ist der Zwischenklauenspalt betroffen, sollte dieser mit der anderen Hand geöffnet werden.<br />

In der Praxis gibt es heute viele unterschiedliche<br />

Therapien mit vielen verschiedenen<br />

Ergebnissen. Im Feld wird oft von einem<br />

unheilbaren Leiden gesprochen. Der Autor<br />

berichtete im zweiten Teil über die Heilungsrate<br />

in seiner Praxis. Das Ergebnis zeigte, dass<br />

wenn ein Tier einmal erkrankt ist es nicht für<br />

immer krank bleiben muss - sprich die<br />

Heilungsrate ist sehr hoch. Nur 1,83 % der<br />

Tiere ist und bleibt erkrankt an D.D. ab der<br />

ersten Klauenpflege in der ersten Laktation für<br />

die nächste drei Jahre. Immerhin erkranken<br />

40 % der Tiere in ihrem Leben nicht an D.D.<br />

Gleichzeitig gibt es auch Kühe, die ohne jegliche<br />

Behandlung spontan heilen.<br />

Wenn die Erkrankung festgestellt ist und<br />

eine Therapie eingeleitet wird, muss die erste<br />

Frage sein: „Möchte ich eine Einzeltiertherapie<br />

oder eine Gruppen (Herden-)<br />

Therapie ansetzen?“ Ist diese Frage beantwortet,<br />

lautet die nächste Frage: „Welche Erfolgsquote<br />

erwarte ich?“ Die Einzeltierbehandlung<br />

hat die schnellste und beste<br />

Heilungsrate. Sie ist zwar mit mehr Zeitaufwand<br />

verbunden, aber lohnt sich auf jeden<br />

Fall für Mensch und Tier. Der Therapieerfolg<br />

dieser multifaktoriellen Erkrankung hängt<br />

davon ab, ob die ebenfalls multifaktorielle Behandlung<br />

konsequent erfolgt.<br />

Der schnellste Weg zum<br />

Erfolg<br />

Zunächst wird nach Hautläsionen gesucht,<br />

welche auf D.D. hindeuten können, dies<br />

sichert die korrekte Diagnose ab. Über der<br />

Fesselbeuge, im Zwischenklauenspalt mit anschließendem<br />

Zwischenballenspalt, am Kron-<br />

saum vorne am Übergang zum Wandhorn,<br />

und der Bereich der Afterklauen sind die häufigsten<br />

Lokalisationen. Bemerkte Stellen werden<br />

trocken gereinigt, um ein guten Ergebnis<br />

zu erzielen in der Behandlung. Der Autor<br />

macht dies meistens mit der Rückenseite vom<br />

Klauenmesser. Vorsicht: Die geöffnete Lederhaut<br />

sollte nicht bluten durch eine zu scharfe<br />

Reibung. Auch ein Einwegtuch säubert gut,<br />

doch der Belag darf dabei nicht in die ungeschützte<br />

Haut gerieben werden. Den Unterfuß<br />

gründlich mit Bürste, Wasser und gerne<br />

noch Seife zu waschen, ist komplett falsch.<br />

Der Fuß wird zwar sauber, aber gleichzeitig<br />

nass und dieser Wasserfilm lässt das Medikament<br />

nicht wirken. Auch wenn die Haut<br />

anschließend mit einem Tuch getrocknet<br />

wird, ist sie nicht ausreichend trocken. Wird<br />

übrigens das Medikament auf die nicht gereinigte<br />

Haut aufgebracht, ist überhaupt keine<br />

ausreichende Heilung zu erwarten.<br />

Über den Hofveterinär ist ein antibiotisches<br />

Spray, im Volksmund „Blauspray“ genannt,<br />

anzufordern, da es verschreibungspflichtig<br />

ist. Alle frei im Handel erhältlichen<br />

Sprays erreichen nur ein fragwürdiges Ergebnis<br />

in der Behandlung bei D.D., weil sie<br />

keine Hemmstoffe beinhalten. Das Gleiche<br />

gilt für allerhand Pasten und Lösungsprodukte,<br />

welche frei im Handel angeboten<br />

werden und das Blaue vom Himmel versprechen.<br />

Risikofaktoren in der<br />

Therapie<br />

Wie schon erwähnt ist auch in der<br />

Therapie einiges zu beachten.<br />

Ratsam ist es, auf jeden Fall die gesamte zu<br />

behandelnde Fläche mindestens 3 Sekunden<br />

einzusprühen. Bei größeren Stellen sogar<br />

noch etwas länger. Achtung: Bei einer<br />

Außentemperatur von unter 15° dauert es<br />

erheblich länger bevor eine Sprühdose entleert<br />

ist, es tritt also wesentlich weniger aktiver<br />

Wirkstoff aus beim Sprühvorgang. In den<br />

Betrieben kann das Spray deshalb am Besten<br />

bei Zimmertemperatur aufbewahrt werden.<br />

Für den Reisenden gibt es Wärmekoffer, welche<br />

bei 12 Volt während der Fahrt benutzt werden<br />

können.<br />

Nach der Spraybehandlung darf die<br />

behandelte Stelle etwa 30 Minuten nicht<br />

direkt mit Kot und Dreck in Kontakt kommen.<br />

Erst dann ist das Spray getrocknet. Je<br />

länger der Unterfuß nach der Behandlung sauber<br />

bleibt, umso größer ist die Change auf<br />

gute Heilung. So lassen sich sehr gute<br />

Ergebnisse während die Sommermonate<br />

erzielen, wenn die Tiere gleich anschließend<br />

auf der Wiese sein können. Auch der Föhn,<br />

auf Handwärme eingestellt, kann gute<br />

Dienste bei der Trocknung leisten.<br />

Eine modernere Version, welche absolut<br />

nicht verwendet werden soll, ist die frisch<br />

angesprühte Stelle anzuzünden. Das Verletzungsrisiko<br />

für das Epithel (Schutzhaut) ist<br />

sehr groß. Es wird sich keine Schutzhaut mehr<br />

auf der empfindlichen Lederhaut bilden und<br />

das Tier wird für immer geschädigt sein. Auch<br />

jegliche ätzende Präparate sind nicht geeignet.<br />

Die sehr hartnäckige<br />

Dermatitis digitalis<br />

Es gibt Fälle, wo die erkrankte Hautläsion<br />

stark nekrotisiert und proliferiert ist. Hier greifen<br />

die meisten Behandlungen nicht oder<br />

nicht ausreichend. Zunächst wird vorgegangen<br />

wie vorher beschrieben. Säubern und<br />

ansprühen. Danach wird zusätzlich eine Salbe<br />

(kann über den Autor erfragt werden) unter<br />

einem Verband angelegt. Nach spätestens fünf<br />

Tagen ist der Verband zu entfernen und an die<br />

Stelle kommt Luft. Wenn notwendig, was meistens<br />

nicht der Fall ist, kann die Prozedur nach<br />

3 bis 5 Tagen wiederholt werden. Der Nachteil<br />

von der Therapie mit einem Verband ist, er<br />

muss unbedingt wieder entfernt werden. In<br />

vielen Fällen wird dies „vergessen“ und die<br />

Folgeerscheinungen können gravierend sein.<br />

Die alternative Therapie und<br />

ihre Tücken<br />

Der Praktiker will immer gerne eine<br />

schnelle Lösung mit wenig Aufwand. Eine dieser<br />

Möglichkeiten findet er in der Sprühmethode<br />

mit dem Rückensprüher im Melkstand.<br />

Doch die Klaue wird dort meistens<br />

nicht vor dem Sprühen gesäubert und wenn<br />

doch, wird mit der Wasserbrause ein Wasserfilm<br />

angebracht, welcher das Medikament<br />

weiter verdünnt.


Foto: René Pijl<br />

lung relativ frei von Kot und Dreck sein.<br />

Zudem geht viel vom Mittel verloren, weil<br />

es stark vernebelt wird, das ist nicht gut für die<br />

Umwelt. Eine weitere Alternative ist das<br />

Fußbad. Nach Absprache mit dem Hofveterinär<br />

kann ein antibiotisches Medikament<br />

umgewidmet werden, wenn herkömmliche<br />

Medikamenten nicht mehr greifen. Hier<br />

muss eine schriftliche Dokumentation vorliegen,<br />

dass sich die Prävalenz bei jeder<br />

Auch hartnäckige Fälle mit Proliferation haben eine sehr gute Chance auf Heilung.<br />

Foto: René Pijl Die Auftrittsfläche sollte für die nächsten Stunden nach der Behand-<br />

Herde(klauen-)pflege verschlechtert. Dann<br />

kann eine Nottherapie folgen für 2 Badansätze<br />

über eine Dauer pro Ansatz von 3<br />

Tagen. Möglichst sollten 2 Monate zwischen<br />

den Badansätzen liegen. Zwischen Klauenpflege<br />

und dem ersten Badansatz müssen mindestens<br />

14 Tagen liegen. Diese Behandlung ist<br />

nur nach einer Einzeltierbehandlung möglich.<br />

Der mobile Wärmekoffer ist praktisch während der Autofahrt.<br />

Achtung: Dieser Vorgang darf nicht zu<br />

oft wiederholt werden, weil sich eine Resistenz<br />

bilden kann gegen das Medikament. Wird<br />

über ein Fußbad nachgedacht, kann den<br />

Tieren alternativ über Winter die Gelegenheit<br />

geboten werden, für mehrere Stunden im<br />

Schnee herumzulaufen. Es kostet nichts und<br />

auf jedem Fall ist die Klaue nach dem<br />

Spaziergang äußerst sauber.<br />

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ISSN 1867-4003<br />

Foto: René Pijl<br />

Titeloto: Heike Engels


Foto: René Pijl<br />

16<br />

aktuell<br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Präventiv?<br />

Vorbeugend sollte über die Fütterung nachgedacht werden, weil<br />

eine Hauterkrankung auch immer den Gesundheitsstatus im Verdauungstrakt<br />

wiederspiegelt. Weidegang schützt nicht allein, aber<br />

aus der Auswertungen der Datenbank des Autors geht hervor, dass<br />

Tiere welche länger und pro Tag mehr auf der Wiese sind gar nicht<br />

bzw. auf jeden Fall erheblich weniger betroffen sind von D.D. Zu<br />

beachten ist, dass diese Tiere die Gelegenheit haben frisches Grass zu<br />

sich zu nehmen, Stichwort kuhgerechtes Futter. Beim Laufen durch<br />

das Grass werden die Klauen sauber geputzt. Vorbeugende Fußbäder<br />

gibt es nicht, es kann höchstens ein therapeutisches Mittel sein. Eine<br />

betriebs- und regionsspezifische Impfung gegen D.D. ist getestet worden.<br />

Hier waren die Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Damit ist<br />

diese Möglichkeit der Prävention nicht relevant.<br />

Fazit<br />

Der Mortellaro'sche Krankheit ist eine Hauterkrankung, die am<br />

häufigsten am Unterfuß vorkommt. Die Krankheit an sich ist als multifaktoriell<br />

anzusehen. Der richtige Ablauf in der Behandlungskette<br />

ist streng einzuhalten. Die Heilungschance ist nach einem korrekten<br />

Therapieeinsatz sehr gut, auch für die hartnäckigen Fälle. Die Einzeltherapie<br />

geht vor Herdenbehandlung. Nur über das Fußbad, egal<br />

mit welchem Mittel, sind nicht die Ergebnisse zu erwarten, die der<br />

Anwender sich erhofft. Die Prävention besteht hauptsächlich in einer<br />

„kuhgerechten“ Fütterung und Pflege.<br />

<br />

René Pijl<br />

Das Klauenbad kann als zusätzliche Unterstützung benutzt werden,<br />

aber nicht im Regelfall.

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