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Tiergesundheit aktuell

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TIERGESUNDHEIT<br />

Ihre Tierarztpraxis<br />

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speziell für Rinder.<br />

Viermal im Jahr gibt es Neuigkei-<br />

ten zur <strong>Tiergesundheit</strong>, immer aktuel-<br />

le Themen zur anstehenden Jahreszeit.<br />

Auf uns Tierärzte strömen perma-<br />

nent die unterschiedlichsten Informa-<br />

tionen und Meldungen ein, die wir ger-<br />

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Mit <strong>Tiergesundheit</strong> <strong>aktuell</strong> möch-<br />

ten wir Sie über die neuesten marktspe-<br />

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Unser Ziel ist es, die gute Zusam-<br />

menarbeit zwischen Landwirten und<br />

Tierärzten weiter zu festigen und eng<br />

bei der Lösung von Problemen zusam-<br />

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Lesen Sie die Zeitung kritisch und<br />

sprechen Sie uns gerne an, wir freuen<br />

uns über jegliche Anregungen aber<br />

auch Kritikpunkte Ihrerseits.<br />

Unser Motto lautet: Immer gut<br />

informiert durch Ihren Hoftierarzt.


2 | 3<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Seit Mitte 2006 hat Deutschland eine neue Tierseuche: die Blauzungenkrankheit, auch Bluetongue-<br />

Disease genannt. Seitdem breitet sich die Erkrankung immer weiter aus, ein Ende ist nicht in Sicht. Durch<br />

den milden Winter sind die Gnitzen, wie die spezielle Mückenart, die als Überträger der<br />

Blauzungenkrankheit gilt, genannt wird, nicht gestorben, so dass die Erkrankung ihre Aktualität entgegen<br />

den Erwartungen nicht verloren hat. Die letzte Ausgabe der „<strong>Tiergesundheit</strong> <strong>aktuell</strong>“ berichtete über<br />

diese neue Erkrankung, ihr Vorkommen, ihre Verbreitung und ihre Symptome. Dieser Folgebeitrag gibt<br />

einen Überblick über die <strong>aktuell</strong>e Situation nach dem Winter und stellt Strategien zur Bekämpfung der<br />

Blauzungenkrankheit für die Rinderhalter vor.


Die Weidezeit steht kurz bevor oder hat in<br />

einigen Regionen Deutschlands aufgrund des<br />

vergleichsweise milden Winters bereits<br />

begonnen. Mit der Weidezeit steigt das Risiko,<br />

dass die Rinder an der Blauzungenkrankheit<br />

erkranken, weil die Gnitzen, die Überträger<br />

des Virus, vorwiegend auf den Weiden zu finden<br />

sind. Von Rind zu Rind ist die<br />

Blauzungenkrankheit nicht übertragbar, es<br />

gehört immer ein Überträger wie die Gnitzen<br />

dazu. Auch eine mechanische Übertragung<br />

durch andere Arthropoden (Stechmücken,<br />

Zecken oder Schaflausfliegen) wird vermutet.<br />

Die Gnitzen vom Vorjahr sind aufgrund<br />

der mangelnden Kälte nicht verendet, und<br />

neue Gnitzen, die als Ei oder Larve den Winter<br />

überdauern, schlüpfen, sobald es wärmer<br />

wird. In diesem jungen Stadium sind die<br />

Insekten noch virusfrei, da aber der Erreger<br />

der Blauzungenkrankheit in infizierten<br />

Rindern über einhundert Tage nachweisbar<br />

ist, können die frisch geschlüpften Mücken<br />

schnell Viren in sich aufnehmen. Aber Panik<br />

ist unangebracht: Die Gnitze nimmt nicht mit<br />

jedem Stich das Virus von einem infizierten<br />

Rind auf, das Übertragungsrisiko von Rind<br />

auf Gnitze ist relativ gering. Geschätzt wird<br />

eine Übertragung auf 10.000 Stiche. Hat die<br />

Gnitze das krankmachende Virus dann doch<br />

aufgenommen, kommt es in den Speicheldrüsen<br />

der Gnitzen zur Virusvermehrung, die<br />

temperaturabhängig ist. Bei 30°C Umgebungstemperatur<br />

vermehrt sich das Virus<br />

schnell innerhalb von 4 Tagen, bei 25°C dauert<br />

es schon 6 bis 8 Tage, bis die maximale<br />

Konzentration erreicht ist. Unter 10°C stellt<br />

das Virus seine Vermehrung in der Gnitze ein.<br />

So infizierte Gnitzen tragen das Virus<br />

wahrscheinlich über ihre ganze Lebensdauer<br />

(10 bis 20 Tage) in sich. Nur die Gnitzen-<br />

Weibchen sind gefährlich, denn nur diese saugen<br />

Blut, die Männchen leben vegetarisch. Bei<br />

jedem Blutsaugakt an Wiederkäuern wird so<br />

das Virus im Prinzip bei jedem Stich weiter<br />

übertragen. Da die Infektion der Mücken eine<br />

gewisse Zeit in Anspruch nimmt, und das<br />

Virus für die Vermehrung auch einige Tage<br />

benötigt, kann eine einzelne Gnitze in ihrem<br />

kurzen Leben gar nicht so viele Rinder infizieren,<br />

glauben Experten. Trotzdem: Um zu verhindern,<br />

dass sich das Virus weiter ausbreitet,<br />

sind zur Zeit viele Tierhalter auf der Suche<br />

nach geeigneten Schutzmaßnahmen für ihre<br />

Rinder.<br />

Aufstallung oder Insektizide<br />

Die Gnitzen direkt zu bekämpfen ist wohl<br />

nicht möglich, daher sind vorbeugende<br />

Maßnahmen zu ergreifen. Eine Empfehlung<br />

zum Schutz der Rinder ist, die Tiere in den<br />

Abend- und Nachtstunden, wenn die Gnitzen<br />

besonders aktiv sind, wieder in den Stall zu<br />

holen. Im Stall sind zwar nicht so viele<br />

Gnitzen vorhanden, aber ein kompletter<br />

Schutz der Rinder vor der Blauzungenkrankheit<br />

wird so nicht erreicht. Außerdem<br />

ist diese Variante für viele Betriebe, die ihre<br />

Weiden nicht arrondiert um den Hof liegen<br />

haben, allein aus praktischen Gründen gar<br />

nicht oder nur mit einem erheblichen<br />

Mehraufwand umzusetzen.<br />

Als weitere Schutzmaßnahme stehen verschiedene<br />

Insektizide bzw. Repellentien, zur<br />

Verfügung, die durch die enthaltenen synthetischen<br />

Pyrethroide eine abschreckende<br />

Wirkung gegen bestimmte Insekten haben.<br />

Zusätzlich wirken sie bei entsprechend langer<br />

Foto: Engels<br />

Einwirkzeit als Kontakt- und Nervengift, was<br />

zum Tod der Insekten führt (Knock-down-<br />

Effekt). Normalerweise werden diese<br />

Produkte zum Schutz der Weidetiere gegen<br />

alle wirtschaftlich bedeutenden Weidefliegen<br />

verwendet. Das sind stechende Weidefliegen<br />

(z. B. Wadenstecher (Stomoxys calcitrans),<br />

kleine und große Weidestechfliege (Haemotobia<br />

irritans, Haemotobia stimulans) sowie<br />

nicht-stechende Weidefliegen (z. B. Gesichtsund<br />

Augenfliege (Musca autumnalis), Kopffliege<br />

(Hydrotaea irritans) sowie die große<br />

(Musca domestica) und kleine Stubenfliege<br />

(Fannia canicularis)). Die Bekämpfung der<br />

Gnitzen mit diesen Wirkstoffen gilt als<br />

schwierig, da die Wirkung auf Gnitzen nach<br />

derzeitigem Kenntnisstand nicht geprüft ist.<br />

Wegen des breiten Wirkspektrums wird aber<br />

bis auf weiteres von einer Wirkung ausgegangen,<br />

deswegen empfiehlt das Niedersächsische<br />

Landesamt für Verbraucherschutz<br />

und Lebensmittelsicherheit den Rinderhaltern,<br />

diese Produkte auch gegen Gnitzen<br />

zu verwenden.<br />

Gnitzen sind eine bestimmte, aber nicht neue Mückenart, der Fachbegriff lautet Culicoides. Mittlerweile wurden die Gnitzen, die hier in<br />

Deutschland das Virus in sich tragen, näher bestimmt. Es handelt sich um einheimische, an sich völlig ungefährliche Arten wie Culicoides<br />

dewulfi, Culicoides Obsoletus sowie Culicoides pulicaris. Bisher trat die Blauzungenkrankheit ausschließlich in wärmeren Regionen südlich<br />

der Alpen auf, der Überträger in diesen Gebieten ist Culicoides imicola. Diese Mückenart ist wärmeliebend und in Nordeuropa deshalb nicht<br />

heimisch. Die drei Mückenarten jedoch, die hier das Virus tragen, sind in Deutschland heimisch und damit perfekt an die kühlen Klimate<br />

angepasst. Der nachgewiesene Serotyp 8 (es gibt 24 Serotypen) trat bisher noch nie in Europa auf und wurde letztmalig südlich der Sahara<br />

festgestellt. Dadurch, und weil nicht die Gnitzen aus Südeuropa plötzlich hier heimisch sind, sondern bereits einheimische Gnitzen das Virus in<br />

sich tragen, liegt der Verdacht nahe, dass das Blauzungenvirus über ein infiziertes Zootier oder infizierte Gnitzen mit dem Flugzeug eingeschleppt<br />

wurde und einheimische Gnitzen sich beim Blutsaugen infiziert haben. Gnitzen haben eine geringen Aktionsradius von wenigen<br />

hundert Metern, der Wind kann sie aber auch schon mal über viele Kilometer verbreiten. Die Insekten legen ihre Eier im Gegensatz zu Mücken<br />

nicht im Wasser ab, sondern z. B. in Schlamm, Schwimmdecken der Gülle, Moor oder Silageresten.


4 | 5<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Die derzeit in Deutschland zugelassenen<br />

Präparate zur Insektenabwehr am Tier, aufgelistet<br />

in Tabelle 1, sind über den Tierarzt<br />

erhältlich. Die Anwendung der Insektizide<br />

kann als Aufguss- und Sprühverfahren erfolgen<br />

(Pour-on) sowie mittels insektizidhaltiger<br />

Ohrclips. Beim Aufgussverfahren wird eine<br />

auf das Körpergewicht des zu behandelnden<br />

Tieres abgestimmte Menge einer gebrauchsfertigen<br />

Lösung entlang der Rückenlinie der<br />

Tiere aufgegossen. Der Wirkstoff verteilt sich<br />

dann auf der Haut über die ganze Körperoberfläche.<br />

Die Wirkdauer beträgt produktabhängig<br />

einige Wochen bis Monate. Die<br />

Anwendung muss daher während der<br />

Weidesaison wiederholt werden. Mittels<br />

Ohrmarkenzange werden insektizidhaltige<br />

Ohrmarken zu Beginn der Weidesaison eingezogen<br />

oder durch ein spezielles Befestigungssystem<br />

an eine vorhandene Marke angehängt,<br />

so dass keine zusätzliche Perforation des<br />

Ohres nötig ist. Die Wirkdauer reicht nach<br />

Herstellerangaben über 4 bis 5 Monate, also<br />

nahezu die gesamte Weidezeit. Während dieser<br />

Zeit wird der Wirkstoff kontinuierlich freigesetzt<br />

und verteilt sich auf der Körperoberfläche<br />

des Tieres.<br />

Keine Impfstoffe in<br />

Deutschland<br />

Weitere Bekämpfungsmöglichkeiten wie<br />

z. B. ein Impfstoff, der die Tiere gegen das<br />

Blauzungenvirus immun macht, werden derzeit<br />

in Deutschland nicht angewendet. An<br />

neuen Impfstoffen, die möglichst viele<br />

Serotypen abdecken sollten, wird derzeit<br />

geforscht. Die existierenden Lebendimpfstoffe,<br />

die in Südafrika hergestellt und auch<br />

mit Erfolg eingesetzt werden, haben nur eine<br />

Zulassung für Schafe. Die Nutzung von<br />

Lebendimpfstoffen beinhaltet aber immer die<br />

Gefahr, dass Insekten den Virus des Lebendimpfstoffes<br />

auf andere nicht geimpfte<br />

Wiederkäuer übertragen. Dazu liegen noch zu<br />

wenig Erkenntnisse vor. In Italien wurde<br />

bereits einmal ein Impfprogramm ausprobiert:<br />

Wie Frau Prof. Dr. Beatrice Grummer,<br />

Institut für Virologie im Zentrum für<br />

Infektionsmedizin der Stiftung Tierärztliche<br />

Hochschule Hannover, in der Märzausgabe<br />

der dlz berichtete, gab es in Italien als<br />

Reaktion auf einen Seuchenausbruch zwischen<br />

2001 und 2002 ein nationales<br />

Impfprogramm in bestimmten Regionen.<br />

Das Ziel war der Schutz der Tiere vor der<br />

Erkrankung sowie ein Verhindern des weiteren<br />

Ausbreitens des Virus. Am Ende der<br />

Kampagne waren 95 % der empfänglichen<br />

Tiere (etwa 40.000 Rinder und 8.000 Schafe<br />

und Ziegen) geimpft. Eine nachträgliche<br />

Auswertung der Kampagne ermittelte recht<br />

hohe Kosten (9,20 € je Impfung und Tier).<br />

Außerdem beobachteten Landwirte vermehrte<br />

Aborte, Totgeburten und erhöhte Neugeborenensterblichkeit<br />

bei geimpften Tieren.<br />

Das verminderte die Akzeptanz der Impfkampagne<br />

erheblich.<br />

Eine weitere Möglichkeit der Bekämpfung<br />

besteht darin, die Vermehrung der<br />

Gnitzen möglichst einzuschränken, indem<br />

man ihnen ihre Lebensbedingungen erschwert.<br />

Brutstätten wie Silagereste, Gülleschwimmdecken,<br />

Laub-, Mist- und Morasthaufen<br />

sowie Tümpel sollten entfernt oder<br />

abgedeckt, feuchte Stellen im Stallumfeld<br />

beseitigt werden. So kann lokal die<br />

Vermehrung reduziert werden. Um in vom<br />

Virus betroffenen Regionen die Virusausbreitung<br />

zu verhindern, werden Schutzzonen<br />

eingerichtet, in denen die Tiere nur noch<br />

unter bestimmten Auflagen transportiert werden<br />

dürfen. Nach dem geltenden EU- und<br />

nationalem Recht (Blauzungenkrankheit-<br />

Verordnung) sind ein Gefährdungsgebiet, die<br />

sogenannte 20-km-Zone mit einem Radius<br />

von mindestens 20 km sowie ein Restriktionsgebiet<br />

(150-km-Zone) von 150 km festzulegen.<br />

Aus diesen Gebieten heraus dürfen<br />

Wiederkäuer grundsätzlich nur unter<br />

Auflagen verbracht werden. Für die 20-km-<br />

Zone und die 150-km-Zone gelten für das<br />

Verbringen von empfänglichen Tieren (Wiederkäuern)<br />

die Bestimmungen nach §§ 1 und<br />

2 der Verordnung zum Schutz vor der<br />

Verschleppung der Blauzungenkrankheit.<br />

Insbesondere der dann angeordnete<br />

Stillstand für alle für das Virus empfänglichen<br />

Tiere, das Verbringungsverbot für Samen,<br />

Eizellen und Embryonen, die ab dem 1. Mai<br />

2006 gewonnen wurden, sowie das Verbringungsverbot<br />

für empfängliche Tiere nach<br />

außerhalb (Ausnahme: Verbringung zur<br />

Schlachtung nach Genehmigung) sorgen für<br />

erhebliche wirtschaftliche Schäden bei<br />

Rinderhaltern und Zuchtunternehmen.<br />

Aufgehoben werden die Beobachtungszonen<br />

erst wieder von der EU, wenn es keine weiteren<br />

Fälle von Blauzungenkrankheit mehr gibt.


Da sich diesbezüglich ständig Änderungen<br />

und Aktualisierungen ergeben, sollten<br />

Landwirte bei anstehenden Tiertransporten<br />

die zuständige Behörde, in Niedersachsen ist<br />

es z. B. das Niedersächsisches Landesamt für<br />

Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit<br />

(LAVES), nach dem <strong>aktuell</strong>en<br />

Stand der Dinge befragen.<br />

Fazit<br />

Die Mücken, die das Virus hier in<br />

Deutschland von Rind zu Rind übertragen,<br />

sind heimische Arten und daher perfekt an<br />

das kühlere Klima angepasst. Daher kann<br />

nicht von einem baldigen Ende der<br />

Blauzungenkrankheit ausgegangen werden.<br />

Derzeit läuft ein bundesweites Monitoring,<br />

um heraufzufinden, wie großflächig sich das<br />

Virus bereits verbreitet hat. Wenn das im<br />

Oktober 2007 abgeschlossen ist, kann bewertet<br />

werden, ob die Blauzungenkrankheit kein<br />

exotische Seuche mehr ist, sondern eine nun<br />

einheimische Erkrankung, die immer wieder<br />

auftreten kann. Schutzmaßnahmen wie die<br />

vorübergehende Aufstallung der Rinder in<br />

vom Virus betroffenen Gebieten und die<br />

Anwendung von Insektiziden reduzieren das<br />

Infektionsrisiko, völliger Schutz vor Virusübertragung<br />

ist aber nicht möglich. Dort, wo<br />

die Produkte gut wirken und die Rinder durch<br />

das Virus gefährdet sind, mag eine<br />

Anwendung der Insektizide durchaus sinnvoll<br />

sein.<br />

Foto: Engels<br />

Das wahllose Ausbringen von Insektiziden<br />

in der Natur oder auch auf Rindern<br />

muss allerdings auch aus Gründen des<br />

Vogelschutzes unbedingt vermieden werden.<br />

Eine vollständige Ausrottung der virustragenden<br />

Gnitzen wird nicht möglich sein, das hat<br />

schon bei der Malariamücke nicht funktioniert.<br />

Es ist viel Forschungsbedarf nötig, und<br />

das vorhandene Wissen anderer Ländern sollte<br />

genutzt werden. <br />

Dr. Heike Engels<br />

Weitere Informationen zur<br />

Blauzungenkrankheit finden Sie hier:<br />

Friedrich-Löffler-Institut:<br />

www.fli.bund.de<br />

Niedersächsisches Landesamt für<br />

Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit:<br />

www.tierseucheninfo.niedersachsen.de


6 | 7<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Nur eine Kuh, die sich wohlfühlt, kann<br />

viel fressen. Optimale Haltungsbedingungen<br />

sind ebenso wie eine bedarfsgerechte<br />

Fütterung Grundvoraussetzungen für hohe<br />

Futteraufnahmen und damit zur Ketosevorbeugung.<br />

Was ist Ketose?<br />

Die Ketose ist eine der bedeutendsten<br />

Stoffwechselerkrankung bei der Milchkuh<br />

und äußert sich in einer Anhäufung von<br />

Ketonkörpern in der extrazellulären<br />

Flüssigkeit. Die Ausscheidung erfolgt über<br />

Milch und Harn. Betroffen sind meist Kühe<br />

zu Beginn der Hochlaktation. Glukosemangel,<br />

meist bedingt durch unzureichende<br />

Futteraufnahme infolge einer Grunderkrankung,<br />

führt zu alternativer Energiegewinnung<br />

in der Leber (sekundäre<br />

Ketose). Klinisch zeigen sich nachlassende<br />

Milchleistung und Fressunlust, zentralnervöse<br />

Symptome verschiedener Ausprägung<br />

sind möglich. Die Diagnose erfolgt anhand<br />

des Nachweises der Ketonurie.<br />

Milchkühe sollten im Laufstall, bevorzugt<br />

im Liegeboxenlaufstall, gehalten werden. Das<br />

gilt aber nicht nur für die laktierenden Kühe<br />

und Färsen, sondern gleichermaßen bzw. erst<br />

recht für die Tiere während der Trockenstehzeit<br />

und nach der Kalbung. Dabei darf<br />

nicht unterschätzt werden, dass Kühe<br />

Ketonkörper nur dann noch zu einem Teil<br />

energetisch nutzen können, wenn sie sich<br />

bewegen können. Das bedeutet: Kühe sollten<br />

keinesfalls zur Kalbung angebunden werden!<br />

Kühe werden sich aber nur dann ausreichend<br />

bewegen und Bewegung muss sein, damit sie<br />

häufig genug zum Futter kommen (sie laufen<br />

täglich zwischen 180 und 2500 m) , wenn<br />

ihnen die Ställe genug Platz bieten.<br />

Wie sollen Laufgänge beschaffen<br />

sein?<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Fressgangbreite min. 3,50 m, besser 4 m<br />

Laufgangbreite zwischen den Liegeboxen<br />

min. 2,50 m<br />

Übergänge zum Futtertisch alle 15 bis 20<br />

Boxen<br />

möglichst wenig Engpässe und Einbahnstraßen<br />

standsichere, rutschfeste, bestenfalls elastische<br />

Böden<br />

Betonlaufflächen sauber und trocken halten<br />

Stufen und Rampen im Laufbereich vermeiden<br />

Werden diese Bedürfnisse nicht umfassend<br />

befriedigt, geht es zulasten der<br />

Futteraufnahme. Und somit steigt die Gefahr<br />

einer Ketose. Gerade zu Beginn der Laktation<br />

spielen diese Faktoren eine große Rolle, denn<br />

der Pansen hat noch nicht sein maximales<br />

Fassungsvermögen erreicht und die Kuh kann<br />

noch nicht die großen Portionen fressen. Also<br />

muss sie, wenn sie viel fressen will, häufig zum<br />

Futtertisch kommen.<br />

Kühe sollen eine hohe Futteraufnahme<br />

realisieren. Diese Futtermengen müssen aber<br />

auch wiedergekaut werden. Und das geschieht<br />

am besten im Liegen - erstrebenswert sind 12<br />

bis 14 Stunden am Tag. Diese Zeit verbringt<br />

die Kuh aber nicht durchgehend in liegender<br />

Position, sondern muss im Laufe eines Tages<br />

ca. 20 Mal aufstehen und sich demnach<br />

genauso oft wieder hinlegen. Dieses Hinlegen<br />

erfolgt aus 20 cm Höhe. Dabei beträgt die<br />

Aufprallkraft am Karpalgelenk der Kuh 40 %<br />

ihres Lebendgewichtes, das sind 250 kg! Also<br />

muss die Box, ob Hoch- oder Tiefbox, weich<br />

und elastisch sein.<br />

Grafik: Besuchshäufigkeiten und Futteraufnahme zu Laktationsbeginn


Gerade die trockenstehende Kuh benötigt<br />

eine komfortable Unterbringung, da sie<br />

wesentlich schwerer und von größerem<br />

Umfang ist als während der Laktation und<br />

deshalb mehr liegen will. Und gerade das<br />

Wohlbefinden der Kühe und Färsen vor der<br />

Kalbung hat einen ganz entscheidenden<br />

Einfluss auf die Höhe der Futteraufnahme vor<br />

und auch nach der Kalbung.<br />

Auch der Fressbereich nimmt Einfluss auf<br />

die Höhe der Futteraufnahme. Nur Futtertische<br />

mit glatter Oberfläche (nicht zuletzt,<br />

um auch eine wirkungsvolle Säuberung des<br />

Futtertisches zu gewährleisten) und genügend<br />

breite Fressplätze, die beim Fressen nicht<br />

behindern, schaffen die Voraussetzung für<br />

hohe Futteraufnahmen.<br />

Wie ist der Liegekomfort im<br />

Stall zu beurteilen?<br />

<br />

Liegekomfort-Index (LKI): zeigt den Anteil<br />

der Tiere, die korrekt in den Boxen liegen.<br />

LKI (%) =<br />

Anzahl der korrekt liegenden Kühe in Boxen<br />

Anzahl der Kühe in Boxen (liegend und stehend)<br />

Ziel: LKI > 85 %<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Legen sich 85 % der Kühe innerhalb von 5<br />

Minuten nach Aufsuchen der Box hin?<br />

Liegen Kühe auf den Spalten, obwohl<br />

Boxenplätze frei sind?<br />

Können Sie sich in den Boxen aus ca. 20 cm<br />

Höhe auf die Knie fallen lassen, ohne sich<br />

weh zu tun, und das 20 Mal hintereinander?<br />

Liegt der Anteil der Kühe mit geschwollenen<br />

und abgeschürften Sprunggelenken<br />

unter 5 %?<br />

Eine Kuh braucht viel Luft. Der optimale<br />

Temperaturbereich ist stark leistungsabhängig.<br />

Allgemein sind Temperaturen von -7 bis<br />

+17°C für die Kuh optimal. Lieber niedriger<br />

als höher! Wärmegedämmte Ställe mit unzureichender<br />

Luftaustauschrate sollten der<br />

Vergangenheit angehören. Außenklimaställe<br />

mit offenen Seitenwänden, hoher Traufe und<br />

durchgängig offenem First schaffen bedeutend<br />

bessere Bedingungen.<br />

Wie ist das Stallklima?<br />

<br />

Sammeln sich die Kühe an offenen Toren?<br />

Wie soll der Fressbereich aussehen?<br />

Foto: Mahlkow-Nerge<br />

Merkmal Ziel Ist<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ist im Sommer bei den Kühen eine höhere<br />

Atemfrequenz festzustellen, „pumpen“ sie?<br />

Ist die Luft in den Liegeboxen genauso wie<br />

auf dem Futtertisch?<br />

Sind Luftbewegungen im Stall spürbar?<br />

Gibt es im Stall tote Ecken, die nicht belüftet<br />

werden?<br />

Gibt es weder tags noch nachts Schwitzwasser<br />

im Stall?<br />

Merken Sie einen Unterschied zwischen<br />

der Luft im Stall und der Außenluft?


8 | 9<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Ist die Wasseraufnahme ausreichend?<br />

Merkmal<br />

Foto: Mahlkow-Nerge<br />

<br />

Wasser ist das billigste und zugleich das<br />

von allen notwendigste Futtermittel. Milchkühe<br />

benötigen ca. 4 bis 5 kg Wasser je kg aufgenommener<br />

Futtertrockenmasse. Eine eingeschränkte<br />

Wasseraufnahme, ob durch mangelnde<br />

Quantität oder Qualität, beeinträchtigt<br />

die Futteraufnahme, die Gesundheit,<br />

Fruchtbarkeit und Leistung der Tiere.<br />

Die Tränken müssen im Winter mindestens<br />

einmal in der Woche gereinigt werden,<br />

im Sommer täglich. Nicht vergessen werden<br />

darf, dass bei Weidehaltung die gleichen<br />

Anforderungen an die Wasserqualität gelten.<br />

Kuhkomfort hat nichts mit Luxus zu tun,<br />

sondern mit Selbstverständlichkeiten!<br />

Laktation - Trockenstehen<br />

- Laktation<br />

Die Umstellung von der Laktation zum<br />

Trockenstehen und die spätere erneute<br />

Umstellung des Stoffwechsels auf die nachfolgende<br />

Laktation bedeuten eine sehr hohe<br />

Belastung für die Kuh. Dieser Zeitraum stellt<br />

das höchste gesundheitliche infektiöse und<br />

metabolische Risiko für Milchkühe dar.<br />

Besonders Ketose und Fettleber hängen<br />

untrennbar mit dem Fütterungsmanagement<br />

während der Trockenstehzeit zusammen.<br />

Haltung und Fütterung der Trockensteher<br />

sind Grundsteine für das Gesundheitsgeschehen<br />

und die Leistungsfähigkeit in der<br />

nachfolgenden Laktation.<br />

Als Hauptforderung gilt die konsequente<br />

Unterteilung der Trockenstehperiode in zwei<br />

Phasen, ganz gleich wie groß die Herde ist, wie<br />

kompliziert sich die separate Haltung und<br />

Fütterung der Trockensteher von den laktierenden<br />

Kühen und die erneute Trennung der<br />

Vorbereiter bzw. Transitkühe von den frühen<br />

Trockenstehern gestalten lassen. Die<br />

Trockensteher sind die wichtigsten Tiere im<br />

Bestand.<br />

<br />

<br />

1. Phase (frühe Trockenstehphase, 8 bis<br />

6 Wochen bis 3 Wochen vor der Kalbung):<br />

energie- und nährstoffreduzierte Futterration<br />

(5,6 MJ NEL/kg TM, 120 bis 130 g<br />

Rohprotein/kg TM), meistens mit<br />

Häckselstroh; Überversorgung lässt das<br />

Ketoserisiko enorm ansteigen<br />

2. Phase (Transitperiode, Vorbereitungsfütterung,<br />

„close up“, Anfütterungsphase,<br />

2 bis 3 Wochen vor der Kalbung<br />

bis zur Kalbung): energie- und nährstoffreichere<br />

Futterration (6,4 bis 6,8 MJ<br />

NEL/kg TM, 140 bis 150 g nXP/kg TM, 100<br />

bis 150 g Stärke/kg TM) mit ~ 25 bis 30 %<br />

Kraftfutteranteil, aber ausreichendes<br />

Faserangebot, um die Risiken von Labmagenverlagerungen<br />

und Pansenazidosen<br />

(in der Folge Ketose) zu reduzieren.


Eine wichtige Maßnahme zur Erstversorgung<br />

des Muttertieres nach der<br />

Abkalbung ist die Verabreichung von Wasser.<br />

Kühe ziehen handwarmes Wasser aus dem<br />

Eimer dem Wasser aus der Tränke vor.<br />

Vorteilhaft ist auch das Verabreichen zusätzlicher<br />

Energieträger (z.B. Propylenglykol,<br />

Natriumpropionat (E-PILL, die Energiepille)),<br />

Vitamine und/oder Mineralstoffe entweder<br />

eingemischt in das Wasser oder als<br />

Drench bzw. Drench in die Backentasche.<br />

Lassen Sie die Kuh solange saufen, bis sie<br />

freiwillig aufhört. Das kann bei mancher<br />

bereits nach 15 Litern Wasser sein, bei anderen<br />

aber auch erst nach 40 oder mehr.<br />

Jungkühe haben es besonders<br />

schwer<br />

Färsen sind zu Beginn ihrer ersten<br />

Laktation sehr großen Strapazen ausgesetzt.<br />

Sie stehen in der Rangordnung meistens hinten,<br />

müssen sich den Zugang zum Futter und<br />

zum Wasser hart erarbeiten, müssen noch<br />

wachsen und haben ein ohnehin geringere<br />

Futteraufnahmevermögen. Diese Besonderheiten<br />

macht gerade sie vor allem auch für<br />

Ketoseerkrankungen anfällig.<br />

Deshalb heißt es zumindest, die Tiere optimal<br />

vorbereitet in die Laktation zu schicken.<br />

Dazu gehört, dass vor allem die Aufzuchtintensität<br />

der Zuchtbenutzung angepasst sein<br />

muss. Das heißt: Ein Erstkalbealter von 24 bis<br />

26 Monaten kann nur dann empfohlen werden,<br />

wenn die Tiere Lebendmassezunahmen<br />

von durchschnittlich 800 g je Tag realisieren.<br />

Allgemein muss im ersten Jahr die Aufzucht-<br />

und damit Fütterungsintensität höher sein als<br />

im zweiten. Das bedeutet: Eine tägliche<br />

Gewichtszunahme im ersten Jahr von durchschnittlich<br />

850 g, im 2. Jahr 750 g. Das wiederum<br />

setzt besonders bis zum 8. Lebensmonat<br />

hohe Nährstoff- und Energiekonzentrationen<br />

der Ration voraus (6,9 MJ NEL, 170 g XP/kg<br />

TM entspricht häufig der Ration der<br />

Milchkühe). Ab dem 9. Monat muss bei<br />

gutem Wachstum der Tiere die Nährstoff-<br />

und Energiezufuhr gedrosselt werden (5,9 MJ<br />

NEL, 110 bis 140 g XP/kg TM entspricht häufig<br />

der Ration der Frühtrockensteher, ergänzt<br />

mit entsprechendem Mineralfutter).<br />

Foto: Mahlkow-Nerge Foto: Mahlkow-Nerge<br />

Die häufigsten Schwachstellen<br />

sind in der Praxis:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Checkliste Ketose: Vorbeugemaßnahmen auf einen Blick<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Schädigung der Tiere durch Durchfall-<br />

und Atemwegserkrankungen<br />

schlechte Haltungsverhältnisse, Stallüberbelegung<br />

zu geringe Futter-/Kraftfutteraufnahmen<br />

beim Absetzen von der Milch (2 kg<br />

Trockenmasse)<br />

Grundfuttermittel niedriger/mittlerer<br />

Qualität -> zu geringe Energieversorgung<br />

vor dem 9. Monat Weidegang ohne Bei-<br />

und Mineralstofffütterung<br />

keine (ausreichende) Mineralstoffversorgung<br />

(besonders mit den Spurenelementen<br />

Cobalt, Zink, Selen)<br />

Verfettungsgefahr im 2. Jahr (besonders<br />

vor Eintritt in die Geschlechtsreife)<br />

bedarfsgerechte Nährstoff- und Energieversorgung während aller Laktationsphasen<br />

immer Grobfutter bester Qualität (hygienischer Status!)<br />

konsequente zweigeteilte Trockensteherhaltung und -fütterung (unbedingt Anfütterung<br />

in den letzten 2 bis 3 Wochen vor der Kalbung und damit Anpassung an konzentratreichere<br />

Ration); nur Betriebe mit sehr hohem Leistungsniveau und keinen überkonditionierten<br />

Tieren am Laktationsende können die Trockenstehzeit auf 5 bis 6 Wochen verkürzen<br />

(dann aber unbedingt die energiereiche „Transitration“ füttern!!!)<br />

optimale Körperkondition zum Trockenstellen (BCS-Note: 3,25 bis 3,75), kein Abbau<br />

von Körperfettreserven während der Trockenstehphase<br />

optimale Futtervorlage (auch/besonders bei den Trockenstehern): gemischt (TMR); das<br />

Futter darf nicht warm werden<br />

Kuhkomfort: Licht, Luft, Wasser, Liegeboxen, Laufflächen, Fressplatz<br />

Kalbung in einer gut eingestreuten Abkalbebox (4 Abkalbebuchten/100 Kühe)<br />

Verabreichen von warmem Wasser unmittelbar nach der Kalbung<br />

Einsatz glukoplastischer Verbindungen zur Stoffwechselstabilisierung<br />

Einsatz von geschützten Pflanzenfetten<br />

Ganz wichtig ist die gezielte Vorbereitung<br />

der Färsen auf die erste Kalbung. Sie müssen<br />

in den letzten (mind.) vier Wochen vor der<br />

Kalbung eine energiereichere Ration angeboten<br />

bekommen (mit einer Kraftfuttermenge<br />

von 2,5 bis 3 kg).<br />

Eine frühe Zuchtbenutzung von gesunden<br />

Tieren ist nur dann zu realisieren, wenn<br />

die Jugendentwicklung der Tiere genau beobachtet,<br />

kontrolliert (mittels Maßband die<br />

Gewichtsentwicklung, anhand der BCS die<br />

Fettauflage kontrollieren) und gesteuert wird.<br />

Ein gehäuftes Problem stellen überkonditionierte<br />

Jungrinder im 2. Jahr dar. Optimal ist<br />

eine BCS-Note von 2,75 bis 3,0 von der<br />

Geschlechtsreife bis zur Belegung. Zur ersten<br />

Kalbung sollten die Färsen ebenfalls wie ältere<br />

Kühe eine Körperkonditionsnote von 3,0 bis<br />

3,5 aufweisen, keinesfalls aber eine Note von<br />

3,75 überschreiten. <br />

Dr. Katrin Mahlkow-Nerge,<br />

Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein,<br />

Futterkamp, Referentin für Rinderfütterung,<br />

kmahlkow@lksh.de


10 | 11<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Je höher die Milchleistungen sind, desto höher werden auch die Anforderungen an die produktionsbegleitende<br />

Überwachung. Täglich geben uns die Tiere ihre „Antwort“ auf die jeweilige Haltung und<br />

Fütterung.<br />

Die Futteraufnahme ist in Bezug auf<br />

Ketose das interessanteste Merkmal. Die<br />

regelmäßige, am besten tägliche Aufzeichnung<br />

der Futtervorlage und der<br />

Futterrestmengen ist deshalb ein zentraler<br />

Fütterungs- und Rationskontrollparameter.<br />

Auch die Beurteilung der Pansenfüllung (anhand<br />

von 5 Noten) links hinter der Kuh stehend<br />

erlaubt Rückschlüsse über die Futteraufnahme<br />

des Tieres und die Passagegeschwindigkeit<br />

des Futters innerhalb der letzten<br />

Stunden.<br />

Weder zu dünn noch zu fett<br />

Die Körperkonditionsbeurteilung (BCS =<br />

body condition scoring, anhand von 5 Noten)<br />

gibt Aufschluss über den Fütterungs-,<br />

Ernährungs- und Gesundheitszustand der<br />

Tiere. Während unterkonditionierte Tiere<br />

deutliche Nachteile in Bezug auf Milchleistung,<br />

Abwehrkraft und Fruchtbarkeit<br />

haben, so wiegt allgemein das Problem überkonditionierter<br />

Tiere schwerer. Mit einer mittleren<br />

BCS-Note der Herde oberhalb des<br />

Sollwertes werden erhöhte Risiken einer<br />

schlechten Futteraufnahme nach der Kalbung<br />

signalisiert sowie einer Ketose-, Labmagenverlagerungs-<br />

und Milchfiebererkrankung.<br />

Diese Tiere zeigen eine höhere Anfälligkeit<br />

gegenüber Euter- und Klauenentzündungen,<br />

neigen vermehrt zu Schwergeburten<br />

sowie einer gestörten Rückbildung<br />

der Gebärmutter und benötigen einen höheren<br />

Besamungsaufwand. Hauptsächlich dafür<br />

sind eine nicht ausgeglichene Fütterung, eine<br />

zu hohe Energieversorgung und/oder eine<br />

Eiweißunterversorgung, besonders im letzten<br />

Laktationsdrittel, sowie vor allem ein falsches<br />

Trockenstehermanagement verantwortlich<br />

zu machen.<br />

Sinkt die BCS-Note bei vielen Tieren<br />

innerhalb der ersten 4 Laktationswochen um<br />

mehr als 0,5 Noten und innerhalb des ersten<br />

Laktationsdrittels um mehr als 1 Note, ist das<br />

häufig die Folge einer Ketoseerkrankung<br />

(meist subklinisch) durch eine mangelhafte<br />

Energieaufnahme der Tiere. Dann sollte<br />

besonders das Trockenstehermanagement,<br />

die Abkalbezeit und die Fütterung zu<br />

Laktationsbeginn überprüft werden, aber<br />

ebenso die Ration der Tiere in der letzten<br />

Laktationsphase. Allgemein sollten die<br />

Körperkonditionen der Einzeltiere beim gleichen<br />

Laktationsstadium nicht sehr streuen.<br />

Bestehen aber große Differenzen in der<br />

Körperfettauflage der Tiere, so müssen möglicherweise<br />

Leistungsgruppen gebildet und die<br />

Jungrinderaufzucht genauer beleuchtet werden.<br />

Reduzierte Milchmenge ist<br />

Alarmzeichen<br />

Auch die Milchmenge und die Milchkurve<br />

- letztere ist vor allem das Maß für den<br />

Laktationsstart - gelten als diejenigen Merkmale,<br />

welche am ehesten Fütterungs- und vor<br />

allem auch Ketoseprobleme sichtbar machen.<br />

Wenn z.B. gehäuft die Milchmenge zur 2.<br />

Milchkontrolle nicht deutlich oberhalb der<br />

zur 1. Milchkontrolle liegt, erhärtet sich der<br />

Ketoseverdacht.<br />

Die Milchinhaltsstoffe Fett und Eiweiß,<br />

vor allem der Quotient aus beiden, lassen<br />

Rückschlüsse auf die Gesundheitslage, besonders<br />

auf den Kohlenhydrat-Fett-Stoffwechsel<br />

zu. Ist das Verhältnis bei Holstein Frisian<br />

innerhalb der ersten Laktationswochen größer<br />

als 1,5, kann ein Fettgehaltsproblem aufgrund<br />

einer ketotischen Stoffwechsellage<br />

Ursache dafür sein. Auch ein Anstieg der<br />

Zellzahlen zu Beginn der Laktation kann häufig<br />

die Folge von Ketoseerkrankungen sein.<br />

Nicht zuletzt helfen Blutuntersuchungen<br />

(Ketonkörper ß-Hydroxybuttersäure, freie<br />

Fettsäuren (NEFA), Bilirubin, Cholesterol,<br />

Harnstoff, Kreatinkinase, Aspartat-Amino-<br />

Transferase, Glutamat-Dehydrogenase, anorganisches<br />

Phosphat, Leukozyten, Hämatokrit)<br />

und Harnuntersuchungen (Ketonkörper),<br />

um derartige Störungen aufzudecken<br />

und abzustellen. <br />

Dr. Katrin Mahlkow-Nerge,<br />

Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein,<br />

Futterkamp, Referentin für Rinderfütterung,<br />

kmahlkow@lksh.de


Von Spurenelementen ist, wie der Name<br />

schon sagt, nur eine geringe Menge notwendig,<br />

ihre Wirkung im Organismus ist aber<br />

enorm. Spurenelemente sind für wichtige<br />

Stoffwechselvorgänge beim Rind unverzichtbar,<br />

zum Beispiel bei der Knochenbildung<br />

und -festigung, im Muskel-, Haut- und<br />

Klauenstoffwechsel sowie bei der Fruchtbarkeit.<br />

Sie haben einen wesentlichen Anteil am<br />

Aufbau der Immunität gegen bakterielle und<br />

virale Erkrankungen.<br />

Zu den Spurenelementen zählen u. a.<br />

Kobalt, Molybdän, Eisen, Kupfer, Mangan,<br />

Zink, Jod und Selen. Während der Eisenbedarf<br />

erwachsener Rinder in der Regel mit der<br />

Ration gedeckt wird, besteht für andere<br />

Spurenelemente, vor allem für Selen und<br />

Kupfer, die Gefahr der Unterversorgung. Eine<br />

optimale Versorgung ist vor allem bei<br />

Weiderindern schwer zu gewährleisten, da die<br />

Weidepflanzen je nach regionaler Lage zu<br />

wenig Spurenelemente enthalten können.<br />

Zum geologisch bedingten Mangel kommt<br />

noch hinzu, dass mit zunehmendem Vegetationsstadium<br />

und steigender Schnitthäufigkeit<br />

die Gehalte der Spurenelemente im<br />

Grundfutter absinken. Zunehmend werden<br />

Energieträger wie Getreide, Körner- und<br />

Silomais in der Ration eingesetzt. Im<br />

Gegensatz zu vielen Kräutern, Produkten aus<br />

Ölsaaten und Leguminosen enthalten diese<br />

aber nur geringe Mengen an Spurenelementen,<br />

vor allem Kupfermangel ist so vorprogrammiert.<br />

<br />

Spurenelemente in mg/kg TS<br />

Jod (J) 0,5<br />

Kupfer (Cu) 10<br />

Mangan (Mn)<br />

Zink (Zn)<br />

Kobalt (Co)<br />

Selen (Se)<br />

Foto: Engels<br />

50<br />

50<br />

0,2<br />

0,2


12 | 13<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Mangelsymptome anfangs<br />

schwer erkennbar<br />

Die Auswirkungen eines Mangels sind häufig<br />

wenig spektakulär und können leicht mit<br />

anderen Erkrankungen verwechselt werden.<br />

Mangelsymptome entstehen oft erst nach längerer<br />

Zeit und sind häufig nicht eindeutig<br />

einem Element zuzuordnen. Mögliche<br />

Anzeichen sind u. a. Fruchtbarkeitsstörungen,<br />

eine geringere Milchleistung, eine reduzierte<br />

Nahrungsaufnahme sowie eine erhöhte<br />

Krankheitsanfälligkeit. Neben der Überprüfung<br />

des Managements sollte hier an einen<br />

Spurenelementmangel gedacht werden. Bei<br />

langanhaltendem Mangel treten dann deutlich<br />

erkennbare klinische Symptome auf.<br />

Generell reagieren Kälber und Jungrinder<br />

besonders empfindlich. Bei ihnen ist der<br />

Krankheitsverlauf schneller und schwerwiegender<br />

im Vergleich zu älteren Rindern, bei<br />

Kühen während der Trächtigkeit und Laktation<br />

hat ein Mangel ebenfalls stärkere Auswirkungen.<br />

Spurenelemente werden im Magen-<br />

Darm-Trakt als Ionen aufgenommen und<br />

müssen dazu in Wasser oder Säure gelöst sein.<br />

Nicht nur ein zu geringer Gehalt der<br />

Spurenelemente im Grundfutter ist Ursache<br />

eines Mangels. Ein ungünstiges Verhältnis der<br />

Spurenelemente untereinander oder eine pH-<br />

Wert-Verschiebung im Pansen (Azidose) kann<br />

die Verfügbarkeit für den Stoffwechsel beeinträchtigen<br />

und so einen Mangel entstehen lassen.<br />

Neben Kupfer betrifft dies auch häufig<br />

Eisen, Zink und Selen.<br />

Vermehrtes Zungenschlagen kann ein Anzeichen von Kupfermangel sein<br />

Foto: Kamlage-Verlag


Kupfermangel wirkt sich auf<br />

Fellfarbe aus<br />

Am häufigsten wird ein Mangel von Selen<br />

und Kupfer beobachtet. Kupfer ist als essentielles<br />

Spurenelement Bestandteil zahlreicher<br />

Enzyme. Ist deren Aktivität beeinträchtigt,<br />

können zahlreiche Stoffwechselprozesse nicht<br />

richtig ablaufen. Fruchtbarkeitsstörungen<br />

(unregelmäßiges Umrindern, Stillbrunst) bei<br />

erwachsenen Tieren, schlechte Gewichtszunahme<br />

sowie Bewegungsstörungen bei<br />

Kälbern („Fallsucht“) sind erste Anzeichen.<br />

Deutliche Symptome bei Kupfermangel sind<br />

eine Depigmentierung und das Ausfallen der<br />

Haare, vor allem um Augen (Brillenbildung)<br />

und Maul herum.<br />

Die Verfärbung führt bei schwarzer<br />

Fellfarbe zu graubraunem, bei rotbrauner<br />

Farbe zu graugelbem Fell. Die Schleimhäute<br />

können durch kupfermangelbedingte Anämie<br />

auffallend blass sein. Zungenschlagen,<br />

Fressen von Mist bzw. Erde, gegenseitiges<br />

Belecken sowie ein stumpfes und raues<br />

Haarkleid können ebenfalls Anzeichen für<br />

Kupfermangel sein.<br />

Bei anhaltender Kupfermangelsituation<br />

kommt es schließlich bei laktierenden und<br />

hochtragenden Kühen zu vermindertem<br />

Koordinationsvermögen vor allem der<br />

Hinterhand. Plötzliches Stürzen, oft vor oder<br />

nach dem Melken, ist die Folge. Diese extremen<br />

Symptome treten aber nur sehr selten<br />

auf. Primärer Kupfermangel entwickelt sich<br />

bei Rindern, die auf kupferarmen Standorten<br />

geweidet werden, in Mutterkuhhaltung oder<br />

bei Extensivhaltung.<br />

Bei sekundärem Kupfermangel ist die<br />

Aktivität der kupferhaltigen Enzyme im<br />

Organismus beeinträchtigt. Schwefel und<br />

Molybdän bilden im Pansen Thiomolybdat.<br />

Wenn nicht genügend freies Kupfer im<br />

Pansen vorhanden ist, wird Thiomolybdat in<br />

die Blutbahn aufgenommen und bindet an<br />

kupferhaltige Enzyme, die in der Folge blockiert<br />

sind. Hohe Eisen-, Zink- und Kalziumgehalte<br />

im Futter binden Kupfer, so dass es bei<br />

hohen Konzentrationen dieser Gegenspieler<br />

im Pansen nicht mehr für die Reaktion mit<br />

Thiomolybdat zur Verfügung steht.<br />

Dieser sekundäre Kupfermangel bleibt<br />

meistens bis zum Auftreten deutlicher klinischer<br />

Symptome unerkannt, da bei einer alleinigen<br />

Bestimmung des Gesamtkupfergehaltes<br />

im Blut kein Mangel auffällt, das<br />

Kupfer in den inaktivierten Enzymen wird<br />

mitgemessen. Erst die Bestimmung des<br />

Verhältnisses von Coeruloplasmin (ein kupferhaltiges<br />

Enzym) zum Gesamtkupfergehalt<br />

im Blut kann diesen Mangel aufdecken.<br />

Diese aus England stammende Methode<br />

ist seit kurzem nun auch in Deutschland verfügbar<br />

(durchführendes Labor: Labormedicus<br />

GmbH metabovet, Rostock). <br />

Foto: Kamlage-Verlag<br />

Foto: Kamlage-Verlag


14 | 15<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Mehr Infekte durch<br />

Selenmangel<br />

Eine erhöhte Infektionsanfälligkeit ist ein<br />

typisches Symptom bei Selenmangel, ebenso<br />

Leistungseinbußen bis hin zum Abmagern,<br />

Fruchtbarkeitsstörungen, Euterentzündungen<br />

und Klauenprobleme.<br />

Selen ist Bestandteil des Enzyms<br />

Glutathionperoxidase und schützt gemeinsam<br />

mit Vitamin E die Zellen vor Peroxiden<br />

und Radikalen. Fehlt auch noch Vitamin E im<br />

Organismus, können noch weitere Krankheitsbilder<br />

dazu kommen. Vor allem leiden<br />

Zellen mit hohem Stoffumsatz unter<br />

Selenmangel, das sind Muskelzellen, aber auch<br />

rote Blutkörperchen und Leberzellen. Eine<br />

paralytische Myoglobinurie kann auftreten,<br />

also die Freisetzung von Muskelfarbstoff nach<br />

Degeneration des Muskelfleisches, der über<br />

den Harn ausgeschieden wird und zu der<br />

krankheitstypischen dunklen Urinfarbe führt.<br />

Bei der Schlachtung dieser Tiere fällt eine<br />

Weißfleischigkeit des Fleisches auf, vor allem<br />

des Herzmuskels.<br />

Kälber erkranken schneller und stärker bei<br />

einem Selenmangel, oft im Alter von 4 bis 16<br />

Wochen. Bei hochgradigem Mangel zeigen sie<br />

auffallend ungleichmäßige Bewegungen. Die<br />

Muskulatur ist nur schwach entwickelt, das<br />

Tier magert bei fortbestehendem Mangel ab.<br />

Haben die tragenden Mütter bereits Selenmangel,<br />

was vor allem bei Färsen der Fall sein<br />

kann, werden ihre Kälber selenunterversorgt<br />

geboren. Jungrinder wachsen langsamer, der<br />

Fleischansatz kann bis zu 30 % gegenüber gut<br />

versorgten Tieren ausmachen. Beim Weideaustrieb<br />

verstärken sich die Symptome oft, da<br />

Jungrinder durch gesteigerte Bewegung,<br />

Klimawechsel und junges, fettsäurereiches<br />

Weidegras starken Belastungen ausgesetzt<br />

sind.<br />

Auch Kobaltmangel kann Rinder zum<br />

Fressen von Erde oder Holz veranlassen, ebenso<br />

zur Lecksucht. Ein Kobaltmangel ist in<br />

Deutschland eher selten, es wurde aber von<br />

Fällen in Schleswig-Holstein, Bayern und der<br />

Lüneburger Heide berichtet und auch im<br />

Schwarzwald und im Erzgebirge tritt er auf.<br />

Foto: Engels<br />

Mit Hilfe von Kobalt stellen die Bakterien<br />

im Wiederkäuermagen das lebenswichtige<br />

Vitamin B12 her. Bei einem Mangel von<br />

Kobalt und Vitamin B12 kommt es zu<br />

Störungen im Energiehaushalt des Wiederkäuers,<br />

weil die Propionsäure nicht richtig<br />

abgebaut werden kann, gefolgt von verminderter<br />

Futteraufnahme sowie Fruchtbarkeitsstörungen.<br />

Bei lange anhaltendem<br />

Kobaltmangel magern die Tiere ab, auch<br />

Tränenfluss oder eitrige Augenentzündungen<br />

sind zu beobachten.<br />

Bei entzündlichen Hautveränderungen<br />

kann nicht nur Selen, sondern auch Zinkmangel<br />

die Ursache sein. Zink ist von großer<br />

Bedeutung für die hormonelle Steuerung bei<br />

Wachstum und Fruchtbarkeit, aber auch für<br />

Haut, Haare und Knochen ist es unentbehrlich.<br />

Ein Mangel an Jod führt zu einer<br />

Schilddrüsenunterfunktion (Kropfbildung),<br />

aber auch Aborte oder Totgeburten können<br />

wie auch bei Manganmangel auftreten. Auf<br />

letzteres können auch Verdickungen am<br />

Sprunggelenk und ein steiler Stand der<br />

Hinterbeine hinweisen.<br />

Mineralfutter, Leckschalen<br />

oder Bolus zur Vorbeugung<br />

Über welchen Weg fehlende Spurenelemente<br />

ergänzt werden sollten, wird weitgehend<br />

von der Haltung, der Fütterungstechnik<br />

und der Ration bestimmt. Leidet das Rind<br />

unter einem akuten Mangel, erfolgt die<br />

Therapie meist mit der Injektion der jeweiligen<br />

Spurenelemente. Diese Möglichkeit<br />

besteht allerdings nicht für jedes Spurenelement,<br />

für Kupfer beispielsweise gibt es derzeit<br />

in Deutschland kein zugelassenes<br />

Präparat. Die Injektion ist aber bedingt durch<br />

die fehlende Depotwirkung sowieso nur eine<br />

kurzfristige Lösung. Mineralfuttermischungen<br />

sind eine gute Lösung für die<br />

Stallsaison. Speziell auf der Weide ist es<br />

schwer, fehlende Spurenelemente gezielt zu<br />

ergänzen. Verbreitet ist hier vor allem Selen-<br />

und Kupfermangel. Es gibt Automaten oder<br />

Leckschalen, allerdings besteht hier durch die<br />

unkontrollierte Aufnahme immer die Unsicherheit,<br />

ob die Tiere auch wirklich ausreichend<br />

versorgt sind.


Eine Überdosierung ist ebenfalls zu vermeiden,<br />

da sich die einzelnen Elemente, im<br />

Übermaß zugeführt, gegenseitig behindern<br />

können und z. B. Selen in bedarfsüberschreitenden<br />

Mengen toxisch wirkt. Deshalb sind<br />

Analysen des Futters auf Spurenelement- und<br />

Mineralstoffzusammensetzung sehr wichtig<br />

(siehe „Neue Landwirtschaft“ Heft 11, 2006).<br />

Blutuntersuchungen geben Aufschluss über<br />

den <strong>aktuell</strong>en Versorgungszustand des<br />

Rindes. Seit etwas über einem Jahr gibt es in<br />

Deutschland auch einen Bolus, der die Tiere<br />

über einen Zeitraum von bis zu sechs<br />

Monaten gezielt und sicher mit Selen, Kupfer<br />

sowie Kobalt versorgt. Dieser lösliche<br />

Glasbolus sitzt in der Haube des Rindermagens<br />

und gibt die Spurenelemente kontinuierlich<br />

an den Organismus ab. Auf den britischen<br />

Inseln wird diese Form der Spurenelementergänzung<br />

seit längerem praktiziert.<br />

Als zugelassenes Arzneimittel kann der Bolus<br />

direkt vom Tierarzt bezogen werden.<br />

Fazit<br />

Spurenelemente sind unentbehrlich für<br />

einen gesunden Stoffwechsel des Rindes. Es ist<br />

nur eine sehr geringe Dosis nötig, deren<br />

Wirksamkeit ist jedoch enorm. Ein Zuviel dieser<br />

Stoffe in der Ration ist genauso zu vermeiden<br />

wie ein Mangel. In Deutschland ist am<br />

häufigsten ein Mangel an Selen und Kupfer zu<br />

beobachten, betroffen sind vor allem hochlei-<br />

stende Rinder sowie Weiderinder. Ein Mangel<br />

an Spurenelementen, wenn er erst einmal am<br />

Tier zu erkennen ist, dauert bereits lange an.<br />

Oft ist dieser Mangel auch nicht nur auf ein<br />

Spurenelement beschränkt, sondern einem<br />

Ursachenkomplex aus nicht bedarfsgerechter<br />

Fütterung sowie Haltungsfehlern zuzuordnen.<br />

Futteruntersuchungen auf den Gehalt an<br />

Spurenelementen in der Ration sowie<br />

Blutuntersuchungen beim Tier bei konkretem<br />

Verdacht auf einen Mangel sind die einzuleitenden<br />

Schritte in der Vorbeugung und<br />

Therapie von akuten Mangelerscheinungen<br />

beim Tier. <br />

Dr. Heike Engels<br />

Bilder mit freundlicher Unterstützung<br />

des Kamlage-Verlags.<br />

Quelle: Dr. Siegfried Kalchreuther:<br />

Ratgeber Milchviehgesundheit.<br />

2004, Kamlage-Verlag.<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

VetM GmbH & Co. KG<br />

Am Stadion 2 - 4<br />

26871 Papenburg<br />

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Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26<br />

E-Mail : info@vetm.de<br />

Redaktion<br />

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16<br />

Ketonkörper (ßHB) im Blut (µmol/l)<br />

<strong>aktuell</strong><br />

TIERGESUNDHEIT RIND<br />

Kühe, welche an Energiemangel leiden,<br />

geben weniger Milch. Sie werden später<br />

brünstig, später besamt und brauchen mehr<br />

Besamungen um trächtig zu werden. Sie sind<br />

häufiger stillbrünstig, haben häufiger<br />

Scheidenausfluß und Eierstockszysten.<br />

Außerdem tragen sie ein erhöhtes Risiko an<br />

Nachgeburtsverhalten, Stoffwechselstörung<br />

(Ketose), Labmagenverlagerung und Euterentzündung<br />

zu erkranken.<br />

Um die Energieversorung zu verbessern,<br />

kann Kühen Natriumpropionat gegeben werden.<br />

Früher wurde Propionat als Flüssigkeit<br />

ins Maul eingegeben. Hierbei bestand die<br />

Gefahr, daß Flüssigkeit in die Lunge verschluckt<br />

wird und Lungenentzündung verursacht.<br />

Pillen sind zur Propionat-Gabe besser<br />

geeignet als Flüssigkeiten, weil sie sicherer in<br />

den Pansen gelangen. Seit kurzem ist eine<br />

Propionat-Pille erhältlich, die E-PILL<br />

Energiepille (Fa. VUXXX, Papenburg) (Abbildung<br />

1).<br />

Kontrolle E-PILL<br />

Stunden nach Gabe<br />

Jede E-PILL enthält 87 g Natriumpropionat<br />

und liefert 1,3 MJ Netto-Energie-<br />

Laktation. Die Frage war, inwiefern die E-<br />

PILL die Energieversorgung von frischmelkenden<br />

Kühen verbessert.<br />

Die wissenschaftliche Prüfung der<br />

Energiepille erfolgte vom 8.4. bis 12.5.2003 in<br />

einem Thüringer Milcherzeugerbetrieb, mit<br />

1200 schwarzbunten Kühen. Jeweils 10 gesunden,<br />

nicht vorbehandelten Kühen wurde<br />

unmittelbar nach der Abkalbung zwei Stück<br />

E-PILL oder nichts (zur Kontrolle) verabreicht.<br />

Die Auswahl der Kühe erfolgte nach<br />

dem Zufall. Sowohl vor als auch 1, 3, 6 und 24<br />

Stunden nach der Gabe wurde Blut genommen<br />

und auf den Ketonkörper Betahydroxybutyrat<br />

(BHB) untersucht. Ein hoher<br />

Ketonkörper-Gehalt zeigt Energiemangel an,<br />

ein niedriger gute Energieversorgung.<br />

Die E-PILL senkte den Ketonkörper-<br />

Gehalt im Blut deutlich ab. Die Wirkung trat<br />

eine Stunde nach der Gabe ein und hielt 24<br />

Stunden lang an (Abbildung 2). Daraus kann<br />

geschlossen werden, daß die E-PILL die<br />

Energieversorgung von frischmelkenden<br />

Milchkühen verbessert. Die E-PILL löst sich<br />

schnell auf.<br />

Propionat gelangt durch Pansenwand in<br />

das Blut und mit dem Blut in die Leber. In der<br />

Leber liefert Propionat Energie.<br />

Energiemangel kann durch leistungs- und<br />

wiederkäuergerechte Fütterung sowie durch<br />

Zuchtauswahl vorgebeugt werden. Kühe sollten<br />

weder zu fett noch zu mager in die<br />

Trockenstehzeit und zur Abkalbung gelangen.<br />

Um den Zeitpunkt der Abkalbung herum sollten<br />

sie bereits an jenes Futter angepaßt sein,<br />

welches sie nach der Abkalbung bekommen.<br />

Nach der Abkalbung sollte ausreichend<br />

Energie vorwiegend aus gutem Grundfutter<br />

aufgenommen werden. Züchterisch sollte<br />

eine flache Milchleistungskurve mit gutem<br />

Durchhaltevermögen, hohe Lebensleistung<br />

und hohes Grundfutteraufnahmevermögen<br />

angestrebt werden. Eine weitere Maßnahme<br />

könnte sein, Hochleistungskühe unmittelbar<br />

nach der Abkalbung mit zwei E-PILL zu versorgen.<br />

<br />

Prof. Dr. Thomas Geishauser,<br />

Department of Population Medicine<br />

Ontario Veterinary College<br />

University of Guelph, Canada

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