Kernenergie für die Schweiz - Nuklearforum Schweiz
Kernenergie für die Schweiz - Nuklearforum Schweiz Kernenergie für die Schweiz - Nuklearforum Schweiz
Kernenergie für die Schweiz Quellenmaterial mit Texten, Bildern und Grafiken für Präsentationen zur Kernenergiediskussion 4. aktualisierte Auflage August 2010
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<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Quellenmaterial mit Texten, Bildern und Grafiken<br />
<strong>für</strong> Präsentationen zur <strong>Kernenergie</strong>diskussion<br />
4. aktualisierte Auflage<br />
August 2010
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Zusätzliche Informationen mit vielen weiterführenden Links zu Themen rund um <strong>die</strong><br />
<strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> finden sich auf den Internet-Portalen<br />
www.nuklearforum.ch<br />
www.nuclearplanet.ch<br />
www.kernenergie.ch<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Konsumstrasse 20<br />
3000 Bern 14<br />
Telefon: 031 560 36 50<br />
Telefax: 031 560 36 59<br />
E-Mail: info@nuklearforum.ch<br />
Internet: www.nuklearforum.ch<br />
4. aktualisierte Auflage<br />
© 2010 <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Titelseite: Kernkraftwerk Gösgen (Foto: swissnuclear)
Editorial<br />
Fakten und Daten zur <strong>Kernenergie</strong>diskussion in der <strong>Schweiz</strong><br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Nach Jahren relativer Ruhe hat in der <strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong> Diskussion über <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong><br />
wieder an Intensität zugenommen. Auslöser ist <strong>die</strong> Stromversorgungslücke, <strong>die</strong> sich im<br />
kommenden Jahrzehnt öffnen wird. Ab 2020 nähern sich <strong>die</strong> drei <strong>die</strong>nstältesten Kernkraftwerke<br />
Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg dem Ende ihrer wirtschaftlichen<br />
Betriebsdauer und müssen ersetzt werden. Gleichzeitig werden auch <strong>die</strong> Lieferverträge<br />
mit Frankreich nach und nach auslaufen und der Stromverbrauch steigt weiter an.<br />
Die vorliegende, gegenüber der dritten Auflage aktualisierte Publikation zeigt anhand<br />
von Daten und Fakten auf, dass <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> auch künftig einen wesentlichen Beitrag<br />
zur Stromversorgung leisten kann und dass sie im Verbund mit der Wasserkraft <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> bis auf Weiteres <strong>die</strong> beste Lösung zum Vermeiden der drohenden Stromlücke<br />
darstellt.<br />
Der Text ist modular aufgebaut und eignet sich zum Nachschlagen wie auch als Basis <strong>für</strong><br />
Präsentationen vor einem interessierten Publikum. Die Broschüre steht auf der Website<br />
des <strong>Nuklearforum</strong>s <strong>Schweiz</strong> zum Herunterladen bereit. Die Grafiken im Power-Point-<br />
Format sowie eine Sammlung von Bildern können unter Angabe des Verwendungszweckes<br />
bei der Geschäftsstelle des <strong>Nuklearforum</strong>s <strong>Schweiz</strong> unentgeltlich angefordert werden.<br />
Die Kontaktadresse finden Sie im nebenstehenden Impressum.<br />
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />
Roland Bilang<br />
Geschäftsführer <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
3<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
4<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Inhalt<br />
Kernbotschaften 7<br />
Teil 1: Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> 9<br />
Rund 40 % Atomstrom <strong>für</strong> eine zuverlässige Versorgung rund um <strong>die</strong> Uhr 9<br />
Strom genau dann erzeugen, wenn er gebraucht wird 9<br />
Die Nachfrage nach Strom steigt weiter an 11<br />
Die Produktionslücke ist bereits Realität 11<br />
Die Versorgungslücke wird grösser 13<br />
Der Bundesrat setzt auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> 13<br />
Teil 2: Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> 15<br />
Zuverlässige <strong>Schweiz</strong>er Atomstromproduktion 15<br />
Nutzen <strong>für</strong> alle 15<br />
Technisch begrenzte Betriebsdauer 15<br />
<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung anerkennt den Leistungsausweis 17<br />
Kernkraftwerke erhalten keine Subventionen 17<br />
Grosser Nutzen aus der Anschubförderung 17<br />
Die Entsorgung der Abfälle ist vorfinanziert 19<br />
Teil 3: Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong> 21<br />
Kernkraftwerke schonen <strong>die</strong> Ressourcen der Erde 21<br />
Hohe Versorgungssicherheit mit Uran 21<br />
Die Uranreserven der Erde reichen noch sehr lange 23<br />
Uranerz kann auch bei geringer Konzentration abgebaut werden 23<br />
Uranpreis hat geringen Einfluss auf <strong>die</strong> Strompreise 25<br />
Kernkraftwerke schonen Umwelt und Klima 25<br />
Umweltfreundlicher <strong>Schweiz</strong>er Strommix 27<br />
<strong>Kernenergie</strong> schont <strong>die</strong> Rohstoffreserven der Erde 27<br />
Wenig Luftschadstoffe und sehr geringer Landverbrauch 27<br />
Teil 4: Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong> 29<br />
Radioaktivität – ein natürliches Phänomen 29<br />
Radioaktive Abfälle sind unvermeidlich 29<br />
Geringe Abfallmengen 29<br />
Langzeitlagerung tief in der Erde 31<br />
Zwischenlagerung in Würenlingen 31<br />
Recycling durch Wiederaufarbeitung 31<br />
Sichere Transporte 31<br />
Recycling-Moratorium <strong>für</strong> zehn Jahre 33<br />
Fortschritte bei der Endlagerung 33<br />
Opalinuston: ein sicherer Wert seit 180 Millionen Jahren 35
Entsorgung: Lösung ist unabhängig von der Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> 35<br />
Sachplan <strong>für</strong> Standortwahl 35<br />
Verfahren zur Standortwahl ist angelaufen 37<br />
Aufgabe der heutigen Generation 38<br />
Sicherheit: Vorsorge <strong>für</strong> den schlimmsten anzunehmenden Fall 38<br />
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand 40<br />
Geschützt gegen Terrorangriffe 40<br />
Geschützt gegen starke Erdbeben 40<br />
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends 40<br />
Haftpflicht: Gesetzesrevision in der <strong>Schweiz</strong> 41<br />
Kernkraftwerke sind keine Atombomben 41<br />
Kernkraftwerke sind keine Bombenfabriken 41<br />
Teil 5: Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> 43<br />
Weltweit stammt ein Siebentel des Stroms aus Kernkraftwerken 43<br />
Der globale Energiehunger nimmt zu 43<br />
Klima: Die <strong>Kernenergie</strong> ist Teil der Lösung 43<br />
Russland und Asien setzen auf <strong>Kernenergie</strong> 45<br />
USA: zahlreiche Baugesuche eingereicht 45<br />
Neubauten und Neubaupläne in Europa 45<br />
EU-Parlament: <strong>Kernenergie</strong> unverzichtbar 45<br />
Die Kernkraftwerke der dritten Generation stehen bereit 47<br />
Dritte Generation: effizienter, wirtschaftlicher und noch sicherer 47<br />
Passive Sicherheitssysteme 49<br />
Anbieter in aller Welt 49<br />
Vierte Generation und Kernfusion: heute noch Zukunftsmusik 51<br />
Teil 6: Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> 53<br />
Wir werden alle Technologien benötigen 53<br />
Die vier Pfeiler der <strong>Schweiz</strong>er Energiepolitik 53<br />
Erneuerbare Energien: stark im Gespräch... 55<br />
... aber zu wenig und nicht bedarfsgerecht 55<br />
Optimaler <strong>Schweiz</strong>er Strommix 57<br />
Importe sind keine Lösung 57<br />
Die Szenarien der Energieperspektiven 59<br />
<strong>Kernenergie</strong> ist <strong>die</strong> günstigste und umweltfreundlichste Lösung 61<br />
Die Versorgungslücke aus Sicht der Stromversorger 63<br />
Der Vorschlag der Stromwirtschaft 63<br />
Neue Kernkraftwerke an bestehenden Standorten 64<br />
Hybridkühltum: geringe Höhe und kaum Nebelschwaden 64<br />
Das Volk hat das letzte Wort 65<br />
Der Fahrplan des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rahmenbewilligungsgesuche 65<br />
Entscheid von grösster Tragweite 66<br />
Schlusswort 67<br />
5<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
Kernbotschaften<br />
Die Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> bedeutet<br />
• hohe Versorgungssicherheit bei geringer Auslandsabhängigkeit<br />
• im Verbund mit den erneuerbaren Energien eine sehr umweltfreundliche<br />
Stromproduktion<br />
• Wettbewerbsvorteile <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirtschaft durch berechenbare<br />
Strompreise.<br />
Wir wollen eine ausreichende, zuverlässige, wirtschaftliche und umweltschonende<br />
Landesversorgung mit Strom. Die heutige schweizerische<br />
Stromproduktion entspricht weitgehend <strong>die</strong>sen Anforderungen.<br />
Anders als andere Länder hat <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> mit rund 60 % Wasserstrom<br />
und 40 % Atomstrom einen optimalen Strommix – auch und gerade<br />
bei Einbezug der Klimafrage. Jede wesentliche Änderung des Strommixes<br />
bedeutet unter den heutigen technischen Voraussetzungen eine<br />
Verschlechterung des Ist-Zustandes.<br />
Wir sollten daher in den kommenden Jahren weiterhin auf <strong>die</strong>sen bewährten<br />
Strommix setzen. Die nötigen Technologien sind vorhanden<br />
und werden laufend weiter verbessert.<br />
7<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
8<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 1.1<br />
Megawatt<br />
Abb. 1.2<br />
10 000<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
Kernkraftwerke<br />
Quelle:<br />
Bundesamt<br />
<strong>für</strong> Energie,<br />
Elektrizitätsstatistik<br />
2009<br />
<strong>Schweiz</strong>er Produktionsmix 2009<br />
Konventionell-thermische und andere Kraftwerke<br />
39,3%<br />
4,9%<br />
24,2%<br />
31,6%<br />
Laufkraftwerke<br />
Speicherkraftwerke<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er Stromproduktion ist weitgehend CO 2-frei<br />
Tagesverlauf der Stromproduktion<br />
Speicherkraftwerke<br />
Laufkraftwerke<br />
Kernkraftwerke<br />
0<br />
0h 4h 8h 12h<br />
Tageszeit<br />
16h 20h 24h<br />
Konventionellthermische<br />
und<br />
andere Kraftwerke<br />
Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />
Elektrizitätsunternehmen (VSE)<br />
Die Stromproduktion richtet sich nach dem Bedarf der Stromkonsumenten<br />
Abb. 1.3 Verbrauchsspitze am Abend: Das Stromnetz muss immer im Gleichgewicht bleiben.<br />
Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>
Teil 1<br />
Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Rund 40 % Atomstrom <strong>für</strong> eine zuverlässige Versorgung rund um <strong>die</strong> Uhr<br />
In der <strong>Schweiz</strong> stammt der Strom heute zu rund 55 % aus Wasserkraftwerken und zu<br />
rund 40 % aus Kernkraftwerken. Der übrige Strom stammt zum grössten Teil aus Kehrichtverbrennungsanlagen.<br />
Die neuen erneuerbaren Energien Wind, Sonne, Biogas und<br />
Biomasse liefern dagegen gegenwärtig nur rund 0,6 % Prozent des <strong>Schweiz</strong>er Stroms<br />
(siehe Abb. 2.8).<br />
Der heutige <strong>Schweiz</strong>er Produktionsmix schont <strong>die</strong> Umwelt, erzeugt kaum CO2 und ist<br />
wirtschaftlich.<br />
Abb. 1.1: <strong>Schweiz</strong>er Strommix<br />
Strom genau dann erzeugen, wenn er gebraucht wird<br />
Elektrischer Strom kann nicht gelagert werden. Er muss genau dann produziert und ins<br />
Netz eingespeist werden, wenn wir Stromkonsumenten ihn verbrauchen. Die Stromnachfrage<br />
ist jedoch nicht konstant, sondern schwankt erheblich: In der Nacht ist sie am<br />
geringsten und kurz vor Mittag und am frühen Abend am höchsten. Wenn zuwenig oder<br />
zuviel Kraftwerksleistung am Netz ist, gerät <strong>die</strong> Stromversorgung aus dem Gleich gewicht<br />
– es droht ein Netzzusammenbruch.<br />
Abb. 1.2: Tagesverlauf der Stromproduktion<br />
Die Stromversorger lösen <strong>die</strong>se Aufgabe mit einem Produktionsmix: Die Kernkraftwerke<br />
liefern rund um <strong>die</strong> Uhr <strong>die</strong> sogenannte Grundlast, ergänzt um <strong>die</strong> Stromproduktion<br />
der Laufkraftwerke an den grossen Flüssen. Die Speicherkraftwerke in den Bergen decken<br />
ihrerseits <strong>die</strong> kurzzeitigen Verbrauchsschwankungen ab, da sie schnell an- und abgeschaltet<br />
werden können.<br />
Mit dem heutigen Strommix aus Kernkraftwerken und Wasserkraftwerken können <strong>die</strong><br />
Stromversorger <strong>die</strong> täglichen und jahreszeitlichen Verbrauchsschwankungen aus gleichen.<br />
Das optimale Zusammenspiel von Wasser- und Kernkraftwerken stellt sicher, dass im<br />
Sommer wie im Winter und rund um <strong>die</strong> Uhr immer genügend Strom vorhanden ist – bei<br />
der Arbeit von früh bis spät, aber auch beim Kochen am Mittag und beim Fernsehen am<br />
Abend.<br />
Abb. 1.3: Verbrauchsspitze am Abend<br />
9<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
10<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Milliarden Kilowattstunden<br />
Abb. 1.4<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Stromerzeugung und Landesverbrauch seit 1950<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2009<br />
Landesverbrauch<br />
Speicherkraftwerke<br />
Laufkraftwerke<br />
Kernkraftwerke<br />
Konventionellthermische<br />
und<br />
andere Kraftwerke<br />
Quelle:<br />
Bundesamt <strong>für</strong> Energie,<br />
Elektrizitätsstatistik 2009<br />
Der Stromverbrauch steigt an, trotz den Bemühungen zur Energieeffizienz<br />
Stromnachfrage in der <strong>Schweiz</strong> in den vergangenen Jahren<br />
Der Stromverbrauch<br />
der <strong>Schweiz</strong> steigt im<br />
Mittel um rund 1,5<br />
Prozent pro Jahr<br />
Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />
Elektrizitätsunternehmen (VSE)<br />
Abb. 1.5<br />
Milliarden Kilowattstunden<br />
pro Monat<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Abb. 1.6<br />
Milliarden Kilowattstunden<br />
6,5<br />
6,0<br />
5,5<br />
5,0<br />
4,5<br />
4,0<br />
Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez<br />
Jahresverlauf der Stromerzeugung in der <strong>Schweiz</strong> 2006 bis 2009<br />
Import<br />
O N D J F M A M<br />
Export<br />
Import<br />
Export<br />
Import<br />
Export<br />
J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />
Winter Sommer Winter Sommer Winter Sommer<br />
2006/07 2007 2007/08 2008 2008/09 2009<br />
Winter<br />
2009/10<br />
Speicherkraftwerke<br />
2009<br />
2008<br />
2007<br />
2006<br />
2005<br />
2004<br />
2003<br />
2002<br />
2001<br />
2000<br />
Landesverbrauch<br />
der <strong>Schweiz</strong><br />
Laufkraftwerke<br />
Kernkraftwerke<br />
Konventionellthermische<br />
und<br />
andere Kraftwerke<br />
Quelle: Bundesamt<br />
<strong>für</strong> Energie<br />
Im Winter verbraucht <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> bereits heute mehr Strom als sie produziert
Teil 1 Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Die Nachfrage nach Strom steigt weiter an<br />
Wir brauchen immer mehr Strom, trotz jahrzehntelanger und erfolgreicher Bemühungen,<br />
<strong>die</strong> Energieeffizienz zu erhöhen.<br />
Abb. 1.4: Stromerzeugung und Landesverbrauch seit 1950<br />
Ein Grund da<strong>für</strong> ist das Wirtschaftswachstum. Die Erfahrung der Jahre von 1970 bis<br />
heute zeigt: Ein um 1 % höheres Bruttosozialprodukt bedeutet im Mittel eine Zunahme<br />
des Stromverbrauchs um 1,5 %. Weitere Gründe sind:<br />
• <strong>die</strong> wachsende Wohnbevölkerung der <strong>Schweiz</strong>:<br />
1950: 4,7 Mio. Einwohner<br />
1970: 6,2 Mio. Einwohner<br />
1990: 6,7 Mio. Einwohner<br />
2010: 7,8 Mio. Einwohner<br />
• <strong>die</strong> zunehmende Wohnfläche pro Einwohner und <strong>die</strong> wachsende Zahl von Ein-Personen-Haushalten<br />
• <strong>die</strong> immer grössere Verbreitung von elektrischen Geräten am Arbeitsplatz und im<br />
Haushalt<br />
• Massnahmen zur Einsparung fossiler Energien.<br />
Abb. 1.5: Veränderungen beim Stromverbrauch<br />
Eine drastische Erhöhung der Strompreise könnte den Verbrauchszuwachs vielleicht<br />
etwas dämpfen. Sicherlich hätte eine massive Stromverteuerung jedoch negative Folgen<br />
<strong>für</strong> unsere Wirtschaft, da viele Betriebe weder massiv Strom sparen können noch Alternativen<br />
zum Stromeinsatz haben. Zudem würde der umweltpolitisch erwünschte Ersatz<br />
von Erdöl und Erdgas durch CO2-arme Energien massiv behindert, da <strong>die</strong>s häufig einen<br />
Mehrverbrauch an Strom zur Folge hat, zum Beispiel bei Wärmepumpen und durch den<br />
Ausbau des öffentlichen Verkehrs.<br />
Strom ist unsere Schlüsselenergie. Wir müssen haushälterisch mit ihr umgehen, müssen<br />
aber da<strong>für</strong> sorgen, dass immer genügend davon vorhanden ist.<br />
Die Produktionslücke ist bereits Realität<br />
Der Stromverbrauch steigt unablässig an – in den letzten zehn Jahren hat er um zehn<br />
Prozent zugenommen. Im Gegensatz dazu wurde aber seit der Inbetriebnahme des<br />
Kernkraftwerks Leibstadt im Jahr 1984 in der <strong>Schweiz</strong> kein grosses Kraftwerk mehr gebaut.<br />
Nach dem Verzicht auf das Kernkraftwerk Kaiseraugst wurden Strombezugsrechte<br />
aus dem französischen Kernkraftwerkpark im Produktionsumfang von zwei grossen<br />
Kernkraftwerken erworben. Als Folge des Kaiseraugst-Verzichts kann <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> ihren<br />
Stromkonsum in den Winterhalbjahren nur noch dank Importen aus dem Ausland<br />
decken. In den Jahren 2005 und 2006 musste <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> sogar erstmals seit 1910 auch<br />
übers ganze Jahr betrachtet mehr Strom importieren, als sie exportierte.<br />
Abb. 1.6: Jahresverlauf der Stromerzeugung in der <strong>Schweiz</strong><br />
Im Winterhalbjahr, wenn <strong>die</strong> Flüsse wenig Wasser führen und <strong>die</strong> Stromnachfrage höher<br />
ist, steigt der Atomstromanteil an der <strong>Schweiz</strong>er Produktion sogar auf bis 50 %. Im Winter<br />
decken <strong>die</strong> Stromimporte inzwischen bis zu 20 % des Landesverbrauchs. Dieser Strom<br />
stammt einerseits ebenfalls aus Kernkraftwerken, andererseits aber auch aus Kohlekraftwerken.<br />
Die Produktionslücke ist bereits heute Realität.<br />
11<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
12<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Milliarden Kilowattstunden<br />
im Winterhalbjahr<br />
Abb. 1.7<br />
Energieverbrauch in Petajoule<br />
Abb. 1.8<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Vorschau der Stromwirtschaft <strong>für</strong> das Winterhalbjahr 2050<br />
Importverträge<br />
mit Frankreich<br />
bestehende Kernkraftwerke<br />
Wasserkraftwerke<br />
?<br />
Produktionslücke<br />
2009/10 2019/20 2029/30<br />
Winterhalbjahr<br />
2039/40 2049/50<br />
Landesverbrauch Winter hoch<br />
Landesverbrauch Winter tief<br />
Zusätzliche erneuerbare Energien<br />
(ohne grosse Wasserkraftwerke)<br />
kleinere konventionellthermische<br />
Kraftwerke<br />
Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />
Elektrizitätsunternehmen (VSE),<br />
Update 2009 zur «Vorschau 2006»<br />
In wenigen Jahren öffnet sich eine immer grösser werdende Produktionslücke<br />
Szenarien der «Energieperspektiven 2035» des Bundes<br />
900<br />
800<br />
Szenario I<br />
Szenario II<br />
700<br />
Szenario III<br />
600<br />
Szenario IV<br />
500<br />
Energieverbrauch<br />
400<br />
insgesamt<br />
300<br />
Szenario I<br />
200<br />
Szenario II<br />
Szenario III<br />
100<br />
Elektrizität<br />
Szenario IV<br />
0<br />
Quelle: Bundesamt<br />
1950 60 70 80<br />
Jahr<br />
90 2000 2010 20<br />
Jahr<br />
30 2035<br />
<strong>für</strong> Energie, Energieperspektiven<br />
2035,<br />
Januar 2007<br />
Strom lässt sich kaum durch andere Energieträger ersetzen
Teil 1 Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Die Versorgungslücke wird grösser<br />
Spätestens ab 2020 öffnet sich in der <strong>Schweiz</strong> eine massive Stromversorgungslücke. Der<br />
Verbrauch wird weiter ansteigen, nicht zuletzt wegen der steigenden Preise der fossilen<br />
Energieträger und ihrer Substitution durch Strom im Zeichen der Energieeffizienz. Die<br />
drei <strong>die</strong>nstältesten Kernkraftwerke Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg nähern sich ab<br />
2020 dem Ende ihrer wirtschaftlichen Betriebsdauer. Gleichzeitig laufen auch <strong>die</strong> Lieferverträge<br />
mit Frankreich nach und nach aus, und <strong>die</strong> neuen Wettbewerbsregeln in der EU<br />
verhindern, dass <strong>die</strong>se Verträge erneuert werden können. Schliesslich werden bis dahin<br />
– trotz zahlreicher Fördermassnahmen – keine neuartigen Stromproduktionstechnologien<br />
zur Verfügung stehen, <strong>die</strong> industriell erprobt und damit in grossem Stil einsetzbar<br />
sind. Die drohende Versorgungslücke kann im Inland nur durch neue Kern- oder Gaskraftwerke<br />
geschlossen werden.<br />
Abb. 1.7: Vorschau der Stromwirtschaft <strong>für</strong> das Winterhalbjahr bis 2050<br />
Der Bundesrat setzt auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong><br />
Die Energieperspektiven des Bundes sagen eine Stromlücke voraus, <strong>die</strong> mit neuen Kraftwerken<br />
geschlossen werden muss. Daran ändern auch <strong>die</strong> verschiedenen Verbrauchsszenarien<br />
nichts mit ihren teilweise massiven Staatseingriffen in unser tägliches Leben.<br />
Strom ist und bleibt <strong>die</strong> Schlüsselenergie, auch in einer visionären «2000-Watt-Gesellschaft»<br />
des nächsten Jahrhunderts. Strom kann praktisch nicht durch andere Energieträger<br />
ersetzt werden.<br />
Abb. 1.8: Szenarien der «Energieperspektiven 2035» des Bundes<br />
Im Februar 2007 hat der Bundesrat <strong>die</strong> Konsequenzen gezogen: Selbst bei einer deutlich<br />
verstärkten Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien sind neue<br />
Grosskraftwerke nötig. Der Bundesrat setzt dabei weiterhin auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. Er erachtet<br />
den Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke oder den Neubau von Kernkraftwerken<br />
als notwendig.<br />
13<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
14<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 2.1 Kernkraftwerk Beznau, Kanton Aargau Abb. 2.2 Kernkraftwerk Mühleberg, Kanton Bern<br />
Abb. 2.3 Kernkraftwerk Gösgen, Kanton Solothurn Abb. 2.4 Kernkraftwerk Leibstadt, Kanton Aargau<br />
Abb. 2.5<br />
Genève<br />
Lausanne<br />
Basel<br />
Rhein<br />
Olten<br />
Aare<br />
Bern<br />
Mühleberg<br />
Foto: KKB<br />
Foto: KKG<br />
Leibstadt<br />
Beznau<br />
Brugg Zürich<br />
Gösgen<br />
Lugano<br />
St. Gallen<br />
Chur<br />
Foto: KKM<br />
Foto: KKL
Teil 2<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Zuverlässige <strong>Schweiz</strong>er Atomstromproduktion<br />
In der <strong>Schweiz</strong> stehen heute 5 Kernkraftwerke in Betrieb:<br />
• Beznau-1 seit 1969 (mit heute 365 Megawatt Leistung)<br />
• der baugleiche Block Beznau-2 seit 1972 (mit ebenfalls 365 Megawatt Leistung)<br />
• Mühleberg seit 1972 (mit heute 373 Megawatt Leistung)<br />
• Gösgen seit 1979 (mit heute 985 Megawatt Leistung)<br />
• Leibstadt seit 1984 (mit heute 1165 Megawatt Leistung)<br />
Abb. 2.1 – 2.5: Die <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke<br />
Im Jahr 2009 produzierten <strong>die</strong> fünf Werke zusammen 26,2 Milliarden Kilowattstunden<br />
Strom. Das sind rund 40 % der schweizerischen Stromerzeugung. Seit ihrer Inbetriebnahme<br />
sind <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke laufend modernisiert worden. Zusammen mit<br />
der sorgfältigen Wartung befinden sie sich heute immer noch in sehr gutem Zustand<br />
und erzeugen zuverlässig Strom. In den vergangenen 20 Jahren steigerten sie ihre jährliche<br />
Gesamtproduktion um rund 5 Milliarden Kilowattstunden – das entspricht etwa<br />
der Jahresproduktion eines zusätzlichen mittelgrossen Kernkraftwerks.<br />
Zusatzinformationen zur sicherheitstechnischen Nachrüstung<br />
In der <strong>Schweiz</strong> sind <strong>die</strong> drei <strong>die</strong>nstältesten Kernkraftwerke Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg<br />
Ende der 1980er-Jahre / Anfang der 1990er-Jahre sicherheitstechnisch umfassend nachgerüstet<br />
und modernisiert worden. Sie erfüllen nicht nur <strong>die</strong> heutigen internationalen Vorschriften,<br />
sondern übertreffen <strong>die</strong>se in vielen Fällen – wie selbstverständlich auch <strong>die</strong> beiden<br />
jüngeren Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt. Alle Anlagen werden periodisch dem Stand<br />
der Technik angepasst. Dazu das Beispiel Beznau: Seit der Betriebsaufnahme in den Jahren<br />
1969 und 1972 hat <strong>die</strong> Axpo Holding AG bis heute über 1,6 Mrd. Franken zusätzlich investiert<br />
– das ist mehr als doppelt so viel, wie der Bau der beiden Anlagen ursprünglich gekostet<br />
hat.<br />
Nutzen <strong>für</strong> alle<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke werden von den grossen <strong>Schweiz</strong>er Elektrizitätswerken<br />
betrieben. Diese befinden sich vollständig oder grossmehrheitlich im Besitz der Kantone<br />
und der grossen Städte. Diese profitieren vom preisgünstigen Strom und <strong>die</strong> Gewinnausschüttung<br />
fliesst in den Staatssäckel. Wir alle profitieren von ihrem erfolgreichen<br />
Betrieb. Die vielzitierten «Strombarone» sind letztlich das Volk bzw. <strong>die</strong> von ihm gewählten<br />
Behörden.<br />
Technisch begrenzte Betriebsdauer<br />
Die Investitionen in <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke sind so vorgenommen worden, dass<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>nstälteren Anlagen Beznau-1 und -2 sowie Mühleberg mindestens 50 Jahre, d.h.<br />
bis in <strong>die</strong> Zeit nach 2020 sicher betrieben werden können. Die beiden jüngeren Anlagen<br />
in Gösgen und Leibstadt sind gegenwärtig auf 60 Jahre Betrieb ausgerichtet. Sie müssten<br />
demnach erst nach 2040 ersetzt werden. Die effektive Laufzeit ist ein unternehmerischer<br />
Entscheid der Betreiberfirmen. Keine Kompromisse gibt es bei der Sicherheit: Sie wird<br />
bis zum letzten Betriebstag voll gewährleistet und eine unabhängige Bundesbehörde<br />
überwacht sie ständig.<br />
15<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
16<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Meinungen zur Sicherheit der Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong><br />
Frage:<br />
«Halten Sie <strong>die</strong> bestehenden<br />
Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong><br />
eher <strong>für</strong> sicher oder eher <strong>für</strong><br />
unsicher?»<br />
Quelle: Swissnuclear, 2009<br />
Abb. 2.6<br />
Millionen Franken<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung<br />
anerkennt den Leistungs-<br />
ausweis der <strong>Kernenergie</strong><br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
Abb. 2.7<br />
Abb. 2.8<br />
50<br />
0<br />
39,0<br />
27,3<br />
1988<br />
90<br />
92<br />
94<br />
96<br />
100<br />
[%]<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
98<br />
75,3<br />
17,0<br />
7,6<br />
76,7<br />
18,6<br />
80,4 82,9 83,3 78,3 78,4 79,4 82,4<br />
15,5<br />
12,7 13,6 16,2 17,2<br />
«eher <strong>für</strong> sicher»<br />
«eher <strong>für</strong> unsicher»<br />
4,6 4,0 4,3<br />
5,5<br />
4,3 6,0<br />
3,1<br />
14,6 14,7<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />
Erhebungsjahr<br />
Weiss nicht /<br />
keine Antwort<br />
Aufwendungen der öffentlichen Hand <strong>für</strong> <strong>die</strong> Energieforschung<br />
inkl. Pilot- und Demonstrationsprojekte; Werte nicht teuerungskorrigiert<br />
2000<br />
02 04<br />
(Wechsel der Klassifikation zwischen den Jahren 1995 und 1996)<br />
25,9 26,1 39,3 67,2 15,6<br />
2007<br />
2,9<br />
Unterstützende Techniken /<br />
energiewirtschaftliche<br />
Grundlagen (bis 1995)<br />
Fossile Energieträger<br />
(bis 1995)<br />
Energiewirtschaftliche<br />
Grundlagen und Transfer<br />
(ab 1996)<br />
Effiziente Energienutzung<br />
Erneuerbare Energien<br />
Kernspaltung<br />
Kernfusion<br />
Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Energie<br />
Die öffentlichen Forschungsbudgets <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> sind relativ gering<br />
Anteil der neuen erneuerbaren Energien 2009<br />
an der gesamten schweizerischen Netto-Elektrizitätsproduktion<br />
Wasserkraftwerke<br />
54,1%<br />
nicht erneuerbare<br />
Stromproduktion<br />
43,8%<br />
neue, erneuerbare<br />
Stromproduktion<br />
2,04%<br />
Erneuerbare<br />
Anteile<br />
aus Abfall<br />
1,44%<br />
Wind<br />
0,035%<br />
Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Energie, schweizerische Statistik der erneuerbaren Energien, Ausgabe 2009<br />
Biogase aus der<br />
Abwasserreinigung<br />
0,19%<br />
Sonne<br />
0,078%<br />
Biomasse<br />
(Holz, Biogas<br />
Landwirtschaft)<br />
0,300%<br />
Biogas, Biomasse, Sonne und Wind liefern zusammen nur rund 0,6 % der Landeserzeugung
Teil 2 Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung anerkennt den Leistungsausweis<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung anerkennt den Leistungsausweis der <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke.<br />
Im Mai 2003 verwarfen <strong>die</strong> Stimmberechtigten eine Ausstiegsinitiative deutlich<br />
mit 66,3 % Nein, und auch <strong>die</strong> Verlängerung des Moratoriums <strong>für</strong> den Bau neuer Kernkraftwerke<br />
fand mit 58,4 % Nein-Stimmen keine Mehrheit. Umfragen zeigen immer wieder,<br />
dass gut zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke als<br />
nötig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stromversorgung erachten und über drei Viertel von ihrer Sicherheit überzeugt<br />
sind.<br />
Abb. 2.6: Meinungen zur Sicherheit der Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong><br />
Kernkraftwerke erhalten keine Subventionen<br />
Die Atomstromproduktion ist in der <strong>Schweiz</strong> nicht subventioniert. Der Strompreis ab<br />
Kernkraftwerk enthält alle anfallenden Kosten, einschliesslich der Entsorgung der<br />
radioaktiven Abfälle, des späteren Rückbaus der Anlagen wie auch der Versicherungen.<br />
Im Rahmen der Forschungsförderung unterstützte der Bund in den letzten zehn Jahren<br />
<strong>die</strong> Sicherheitsforschung an den bestehenden Kernkraftwerken mit rund 25 Mio. Franken<br />
jährlich. Das ist wenig im Vergleich zur direkten Wertschöpfung der fünf <strong>Schweiz</strong>er<br />
Kernkraftwerke von deutlich über einer Milliarde Franken jährlich. Die <strong>Kernenergie</strong> ist<br />
auch <strong>für</strong> den Staat ein gutes Geschäft.<br />
Abb. 2.7: Aufwendungen der öffentlichen Hand <strong>für</strong> <strong>die</strong> Energieforschung<br />
Grosser Nutzen aus der Anschubförderung<br />
Die <strong>Kernenergie</strong>forschung wird in der <strong>Schweiz</strong> seit 1956 gefördert. In den ersten 26 Jahren<br />
der Förderung gab der Bund da<strong>für</strong> teuerungsbereinigt insgesamt rund 1,25 Mrd.<br />
Franken aus. Das ist etwa gleich viel, wie der Bund in den ersten 26 Jahren – seit 1974<br />
– <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung bei den erneuerbaren Energien ausgegeben hat (1,13 Mrd. Franken).<br />
Seit Anfang der 1990er-Jahre werden <strong>die</strong> erneuerbaren Energien und <strong>die</strong> effiziente Energienutzung<br />
deutlich stärker gefördert als <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. Auf <strong>die</strong> Stromproduktion hatte<br />
<strong>die</strong>se Forschung jedoch bisher kaum Auswirkungen: Im Jahr 2009 lieferten Biogas,<br />
Biomasse, Sonne und Wind zusammen nur rund 0,6 % der Landeserzeugung.<br />
Abb. 2.8: Anteil der erneuerbaren Energien an der schweizerischen Stromproduktion<br />
17<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
18<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Milliarden Franken<br />
Abb. 2.9<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Bezahlung der Kosten <strong>für</strong> Stilllegung und Entsorgung<br />
15,5<br />
Mrd.<br />
Gesamtkosten<br />
(Preisbasis 2006)<br />
4,6<br />
Mrd.<br />
4,0<br />
Mrd.<br />
2,4<br />
Mrd.<br />
Bis Ende 2009 direkt durch<br />
<strong>die</strong> Betreiber bezahlte Kosten<br />
Bereits bezahlte bzw. in den<br />
Fonds sichergestellte Mittel<br />
Noch zu zahlende bzw. in den<br />
Fonds sicherzustellende Mittel<br />
Fondsvermögen Ende 2009 Verbleibende durch<br />
(bisherige Beiträge der Betreiber<br />
und Kapitalerträge)<br />
Zukünftige Fondsbeiträge der Betreiber<br />
und Kapitalerträge der Fonds<br />
<strong>die</strong> Betreiber direkt<br />
zu zahlende Kosten<br />
4,5<br />
Mrd.<br />
100%<br />
Die Entsorgung der Abfälle ist nach dem Verursacherprinzip vorfinanziert<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
Quellen: Stilllegungsfonds <strong>für</strong> Kernanlagen und<br />
Entsorgungsfonds <strong>für</strong> Kernkraftwerke
Teil 2 Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Die Entsorgung der Abfälle ist vorfinanziert<br />
Über <strong>die</strong> Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung der radioaktiven Abfälle und den späteren Rückbau<br />
der Kernkraftwerke brauchen sich unsere Nachkommen nicht den Kopf zu zerbrechen.<br />
Die Kosten von heute 0,8 Rappen pro Kilowattstunde sind nach dem Verursacherprinzip<br />
im Preis des Atomstroms inbegriffen und werden von der heute lebenden Generation<br />
bezahlt, <strong>die</strong> auch den Nutzen vom Atomstrom hat.<br />
Die gesamten Entsorgungs- und Stilllegungskosten werden periodisch neu berechnet<br />
und betragen aus heutiger Sicht rund 15,5 Mrd. Franken. Bis Ende 2009 haben <strong>die</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerkbetreiber bereits 8,6 Mrd. Franken <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung ausgegeben<br />
oder in den vom Bund überwachten Entsorgungs- und Stilllegungsfonds sichergestellt.<br />
Abb. 2.9: Kosten <strong>für</strong> Stilllegung und Entsorgung<br />
19<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
20<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 3.1 <strong>Kernenergie</strong> ist sauber und benötigt keine riesigen Materialtransporte wie <strong>die</strong> fossilen Energien<br />
Abb. 3.3<br />
Quelle:<br />
Euratom Supply<br />
Agency, 2009<br />
Herkunft des Urans in der EU im Jahr 2008<br />
USA 2 %<br />
Südafrika und Namibia 5 %<br />
Niger 10 %<br />
Kanada 25 %<br />
Foto: KKG<br />
Andere / unbestimmt 3 %<br />
EU 3 %<br />
Abb. 3.2 Der Kernbrennstoff Uran in der Form,<br />
wie er in den Kernkraftwerken zum Einsatz kommt.<br />
Aus zwei solchen Uranoxid-Tabletten (UO2 ) lässt<br />
sich soviel Strom erzeugen, wie ein 4-Personen-<br />
Haushalt in einem Jahr verbraucht.<br />
Russland 17 %<br />
Australien 16 %<br />
Wiederangereichertes Uran aus<br />
Rückständen der Anreicherung<br />
4 %<br />
Zurück verdünntes, hoch<br />
angereichertes Uran<br />
3 %<br />
Kasachstan 6 %<br />
Usbekistan 6 %<br />
Europa und <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> können auf zahlreiche Lieferantenländer zurückgreifen<br />
Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>
Teil 3<br />
Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />
Kernkraftwerke schonen <strong>die</strong> Ressourcen der Erde<br />
In den Atomkernen steckt sehr viel Energie. Kernkraftwerke benötigen daher nur sehr<br />
geringe Mengen Brennstoff, um grosse Mengen Strom zu erzeugen. Ein 1000-Megawatt-<br />
Kernkraftwerk wie jenes in Gösgen beispielsweise benötigt pro Jahr rund 200 Tonnen<br />
Natururan, um rund eine Million Menschen mit Strom zu versorgen. Ein Kohlekraftwerk<br />
gleicher Grösse muss da<strong>für</strong> über 2’000’000 (zwei Millionen) Tonnen Kohle verbrennen,<br />
mit allen damit verbunden Umweltbelastungen in Luft und Boden. Ein Ölkraftwerk<br />
würde rund 1’400’000 Tonnen Schweröl – etwa 10 Millionen Barrel – benötigen, und<br />
ein modernes Gaskraftwerk rund 980’000 Tonnen Erdgas.<br />
Abb. 3.1: Tankzug mit Erdöl<br />
Diese gewaltigen Unterschiede kommen auch beim Transport und der Lagerung zur<br />
Geltung: Aus den rund 200 Tonnen Natururan werden ungefähr 23 Tonnen angereichertes<br />
Uran hergestellt, <strong>die</strong> schliesslich ans Kraftwerk geliefert werden. Da Uran sehr<br />
dicht ist, würde <strong>die</strong>se <strong>für</strong> ein Jahr Kraftwerksbetrieb benötigte Menge volumenmässig in<br />
den Kofferraum eines grossen Autos passen.<br />
Die enorm hohe Energiedichte des Kernbrennstoffs bzw. <strong>die</strong> geringen benötigten<br />
Materialmengen sind der entscheidende ökonomische und ökologische Wettbewerbsvorteil<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>.<br />
Abb. 3.2: Kernbrennstoff<br />
Dieser Pluspunkt ist im Hinblick auf <strong>die</strong> Herausforderungen wichtig, vor denen <strong>die</strong><br />
Menschheit angesichts des steigenden Energiebedarfs vor allem in den bevölkerungsreichen<br />
Schwellenländern wie China, Brasilien oder In<strong>die</strong>n steht. Es geht darum, <strong>die</strong><br />
Umwelt- und Klimabelastungen durch <strong>die</strong> Energieproduktion möglichst tief zu halten<br />
und gleichzeitig mit den knapper und teurer werdenden Rohstoffen wie Eisen, Kupfer<br />
oder Aluminium so haushälterisch wie möglich umzugehen.<br />
Die Abfallprodukte der Kernkraftwerke – der potenziell gefährliche radioaktive Abfall<br />
– werden bei ihrer Entstehung sorgfältig eingeschlossen und später tief im Boden sicher<br />
gelagert, bis <strong>die</strong> Radioaktivität abgeklungen ist. Die Abfallmengen sind im Vergleich zu<br />
allen anderen Stromerzeugungstechniken sehr gering. Daher ist es technisch möglich<br />
und wirtschaftlich machbar, <strong>die</strong> Abfälle zurückzuhalten, einzuschliessen und kontrolliert<br />
zu entsorgen.<br />
Hohe Versorgungssicherheit mit Uran<br />
Uranerz ist ein natürlich vorkommendes Mineral und kommt an vielen Stellen in der<br />
Erdkruste wie auch im Meerwasser vor. Entsprechend können wir auf zahlreiche Lieferanten<br />
zurückgreifen. Die zurzeit bekannten Uranreserven befinden sich zu einem grossen<br />
Teil in geopolitisch stabilen Regionen und demokratisch regierten Ländern wie Australien<br />
und Kanada. Dies führt zu einer hohen Liefersicherheit. Zudem lässt sich Uran<br />
problemlos lagern.<br />
Abb. 3.3: Herkunft des Urans in der EU<br />
21<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
22<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 3.4<br />
472<br />
387<br />
Weltweite Uranreserven 2009 (in 1000 Tonnen Uran)<br />
USA<br />
Kanada<br />
158<br />
Niger<br />
245<br />
Brasilien<br />
Namibia<br />
157<br />
Kasachstan Russland<br />
181<br />
Ukraine 414<br />
142<br />
195<br />
Südafrika<br />
44<br />
76<br />
Jordanien<br />
55<br />
38 Mongolei<br />
Usbekistan<br />
116<br />
In<strong>die</strong>n<br />
1179<br />
China<br />
Australien<br />
Angegeben sind <strong>die</strong><br />
RAR (Reasonably<br />
Assured Resources)<br />
bei einem Uranpreis<br />
bis 260 Dollar pro kg<br />
Quelle: OECD / IAEO,<br />
«Red Book» 2009<br />
Viele der heute bekannten Uranvorkommen befinden sich in politisch stabilen Regionen<br />
Abb. 3.5 Unterirdisch und hohe Erzkonzentration: Uranmine Rabbit Lake, Kanada<br />
Abb. 3.6 Abbau an der Erdoberfläche und tiefe Erzkonzentration: Uranmine Rössing, Namibia<br />
Foto: Cameco<br />
Foto: Rio Tinto
Teil 3 Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />
Pro Jahr benötigt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> rund 600 Tonnen Natururan. Typischerweise lagern <strong>die</strong><br />
Kernkraftwerke jene Menge an frischem Kernbrennstoff bei sich, <strong>die</strong> sie <strong>für</strong> das nächste<br />
Betriebsjahr benötigen. Während der jährlichen Revision wird jeweils nur rund ein<br />
Viertel des Kernbrennstoffs ausgewechselt. Falls aus irgendwelchen Gründen plötzlich<br />
kein frischer Kernbrennstoff in <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> eingeführt werden könnte, würden unsere<br />
Kernkraftwerke während zwei bis drei Jahren mit abnehmender Leistung weiter Strom<br />
produzieren.<br />
Damit ist bei der <strong>Kernenergie</strong> ein Grad an Versorgungssicherheit gewährleistet, der<br />
bei Erdöl oder Erdgas nie erreicht werden kann. Die Zielgrösse bei den Erdölpflichtlagern<br />
beträgt beispielsweise 4,5 Monate.<br />
Die Uranreserven der Erde reichen noch sehr lange<br />
Gemäss der Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der<br />
Industrieländer (OECD) reichen <strong>die</strong> bekannten und zu einem Preis von 260 Dollar pro<br />
Kilogramm abbauwürdigen Uranreserven beim heutigen Verbrauch <strong>für</strong> mehr als<br />
hundert Jahre.<br />
Abb. 3.4: Weltweite Uranreserven<br />
Bei steigendem Uranpreis werden weitere Uranlager erschlossen und <strong>die</strong> Reichweite<br />
steigt entsprechend an. Zudem lohnt sich der Ausbau der Urangewinnung aus Kupfererzen,<br />
Phosphaten und Kohleaschen wie auch <strong>die</strong> Nutzung der grossen Mengen Uran,<br />
<strong>die</strong> bisher als Rückstand der Anreicherung eingelagert worden sind und immer noch<br />
leicht spaltbares Uran enthalten. Dadurch erhöht sich <strong>die</strong> Reichweite der Uranvorräte auf<br />
über 500 Jahre.<br />
Bei der Kernbrennstoffversorgung gibt es mehr als nur eine Zukunftsoption.<br />
Steigt der Preis gar noch weiter, wird <strong>die</strong> Gewinnung aus Meerwasser rentabel – ein Verfahren,<br />
das <strong>die</strong> Japaner schon praktisch ausprobiert haben. Die Reichweite des Urans<br />
steigt so auf tausende von Jahren – <strong>die</strong>s bei der heutigen Technologie. Damit sind <strong>die</strong><br />
Uranreserven nach menschlichen Massstäben praktisch unbegrenzt.<br />
Das gilt noch viel stärker bei der Einführung von Reaktorsystemen einer nächsten Generation<br />
– sogenannten Schnellen Reaktoren («Schnellen Brütern») –, <strong>die</strong> über 50-mal<br />
mehr Energie aus dem Natururan gewinnen können als <strong>die</strong> heutigen Anlagen.<br />
Uranerz kann auch bei geringer Konzentration abgebaut werden<br />
Entgegen anderslautenden Behauptungen hat der Energieaufwand in den Uranminen<br />
keine wesentliche Bedeutung in der nuklearen Produktionskette. Die bisherigen praktischen<br />
Erfahrungen im Uranbergbau zeigen, dass Uranerze mit Konzentrationsgraden bis<br />
hinunter zu 0,01 % oder noch tiefer ohne massiv steigenden Energieaufwand gewonnen<br />
werden können, und oft werden gleichzeitig mit dem Uran noch weitere Rohstoffe<br />
gefördert. Das bedeutet, dass <strong>die</strong> energetisch sparsam gewinnbaren Uranreserven der<br />
Erde beim heutigen Verbrauch noch hunderte von Jahren ausreichen.<br />
Abb. 3.5 und 3.6: verschiedene Typen von Uranminen<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> ist auch bei der Nutzung von sehr gering konzentrierten Uranvorkommen<br />
eine sehr energieeffiziente Stromerzeugungstechnik und wird es auch<br />
in Zukunft bleiben.<br />
23<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
24<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Quelle: KKG, Geschäftsbericht 2009<br />
Abb. 3.7<br />
Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalente)<br />
in Gramm pro Kilowattstunde<br />
Abb. 3.8<br />
1250<br />
1000<br />
750<br />
500<br />
250<br />
0<br />
1231<br />
Braunkohle<br />
Treibhausgasemissionen (Life cycle)<br />
1078<br />
Steinkohle<br />
885<br />
Erdöl<br />
Kostenstruktur im KKW Gösgen im Jahr 2009<br />
644<br />
Erdgas<br />
426<br />
Gaskombi<br />
Finanzerfolg und Gewinn<br />
Abschreibungen<br />
Sachanlagen<br />
Stilllegung und<br />
Nachbetrieb<br />
Nukleare<br />
Entsorgung<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
Wasserkraft<br />
7,3 %<br />
12,1 %<br />
Werte <strong>für</strong> <strong>die</strong> heutigen durchschnittlichen<br />
Stromversorgungssysteme in Europa (UCTE)<br />
und in der <strong>Schweiz</strong><br />
Fotovoltaik<br />
8,0 %<br />
11,1 %<br />
Kernbrennstoff<br />
davon Rohstoff Uran:<br />
rund 5 % der Gesamtkosten<br />
Wind<br />
8 4<br />
78 17<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> schont Umwelt und Klima<br />
Abb. 3.9 Vorbereitung der Urananreicherung in einer Zentrifugenanlage in Deutschland<br />
4,8<br />
%<br />
Betrieb<br />
56,7 %<br />
Quelle:<br />
Paul Scherrer Institut,<br />
2007<br />
Foto: Urenco
Teil 3 Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />
Uranpreis hat geringen Einfluss auf <strong>die</strong> Strompreise<br />
Der Preis von Natururan ist Schwankungen unterworfen und richtet sich nach Angebot<br />
und Nachfrage. Kaufkraftbereinigt liegen <strong>die</strong> Spotmarkpreise gegenwärtig (Sommer<br />
2010) tiefer als in den 1970er-Jahren. Freilich wird das meiste Uran im Rahmen langfristiger,<br />
preisstabiler Lieferverträge gehandelt. Die Konsumentinnen und Konsumenten<br />
müssen aber wegen höherer Uranpreise keine spürbar steigenden Strompreise be<strong>für</strong>chten,<br />
denn der Preis von Natururan macht nur rund 5 % der Stromerzeugungskosten in<br />
einem Kernkraftwerk aus. Das bedeutet, dass <strong>die</strong> Kosten von Atomstrom langfristig abschätzbar<br />
sind. Das gibt Sicherheit <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft.<br />
Abb. 3.7: Kostenstruktur des Kernkraftwerks Gösgen<br />
Kernkraftwerke schonen Umwelt und Klima<br />
Das zum ETH-Bereich gehörende Paul Scherrer Institut (PSI) berechnet und vergleicht<br />
seit Jahren <strong>die</strong> Umwelt- und Gesundheitsbelastungen der verschiedenen Stromerzeugungstechniken.<br />
Die Wissenschafter betrachten dabei <strong>die</strong> gesamte Energiekette «von der<br />
Wiege bis zur Bahre» – bei der <strong>Kernenergie</strong> also vom Abbau des Uranerzes in den Minen<br />
über <strong>die</strong> Herstellung des Uranbrennstoffs bis zum Bau der Tiefenlager <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung<br />
der radioaktiven Abfälle und dem Rückbau der Kernkraftwerke bis zur grünen<br />
Wiese.<br />
Abb. 3.8: Treibhausgasemissionen der verschiedenen Stromerzeugungssysteme<br />
Die Ergebnisse sind eindeutig: In der <strong>Schweiz</strong> erzeugen Wasserkraft und <strong>Kernenergie</strong><br />
pro Kilowattstunde <strong>die</strong> geringsten Mengen an Treibhausgasen. In seinem<br />
2007 veröffentlichten vierten Lagebericht führt der Weltklimarat der Uno (Inter-<br />
governmental Panel on Climate Change, IPCC) <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> ausdrücklich als<br />
Schlüsseltechnologie zur Linderung des Klimaproblems auf.<br />
Würden wir heute den in der <strong>Schweiz</strong> erzeugten Atomstrom in modernen Gaskombikraftwerken<br />
erzeugen, würde <strong>die</strong> Luft mit so viel CO2 zusätzlich belastet, wie alle Autos<br />
in der <strong>Schweiz</strong> ausstossen.<br />
Zusatzinformationen zur CO2-Bilanz<br />
Die CO2-Bilanz der Energiekette der <strong>Kernenergie</strong> hängt unter den heutigen Bedingungen<br />
entscheidend von der Urananreicherung ab bzw. woher der da<strong>für</strong> nötige Strom stammt. Die<br />
Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong> und in den meisten westeuropäischen Ländern beziehen<br />
ihren Kernbrennstoff vorwiegend aus Anlagen mit Zentrifugen – <strong>die</strong> wenig Strom benö-<br />
tigen – oder aus der französischen Diffusionsanlage Eurodif in Tricastin. Diese benötigt<br />
zwar pro Kilogramm angereichertes Uran etwa 40-mal mehr Energie als eine moderne<br />
Zentrifugenanlage. Eurodif bezieht <strong>die</strong> Energie jedoch aus den danebenstehenden Kernkraftwerken,<br />
<strong>die</strong> praktisch CO2-frei produzieren. Eurodif wird gegenwärtig durch eine moderne<br />
und energiesparende Zentrifugenanlage ersetzt.<br />
Im ungünstigsten Fall – etwa bei der alten energieintensiven Diffusionsanlage Paducah in<br />
den USA, <strong>die</strong> von einem Steinkohlekraftwerk versorgt wird – können <strong>die</strong> CO2-Emissionen der<br />
Energiekette auf rund 60 Gramm pro Kilowattstunde ansteigen, also etwa in <strong>die</strong> Grössenordnung<br />
der Energiekette der Solarzellen. Die Anlage in Paducah wird in den kommenden<br />
Jahren ebenfalls durch moderne Zentrifugenanlagen ersetzt.<br />
Der Uranabbau in Erzminen trägt – anders als oft behauptet – nur wenig zur gesamten CO2-<br />
Bilanz der <strong>Kernenergie</strong> bei.<br />
Abb. 3.9: Urananreicherung<br />
25<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
26<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Abb. 3.10<br />
Kupferbedarf<br />
in Kilogramm pro Gigawattstunde<br />
Abb. 3.11<br />
Produktionsmix in europäischen Ländern 2007<br />
CH F A D DK I NL PL<br />
Der <strong>Schweiz</strong>er Strommix ist schon heute umweltschonend<br />
Bedarf an Kupfer<br />
(Life Cycle)<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Braunkohle<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
Steinkohle<br />
min. Ø max.<br />
Wasserkraft<br />
min. Ø max.<br />
U.K.<br />
Wind (Land)<br />
<strong>Schweiz</strong><br />
min. Ø max.<br />
Dänemark<br />
Wind (Meer)<br />
min. Ø max.<br />
Spanien<br />
Fotovoltaik<br />
Finnland<br />
min. Ø max.<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> schont <strong>die</strong> Rohstoffressourcen der Erde<br />
andere<br />
erneuerbare<br />
Energien<br />
Wasserkraft<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
fossile<br />
Brennstoffe<br />
Quelle:<br />
UCTE/BFE, 2008<br />
Angegeben ist <strong>die</strong> Menge an Kupfer, <strong>die</strong> in der jeweiligen Energiekette eingesetzt<br />
werden muss, um eine Million Kilowattstunden Strom zu erzeugen<br />
Werte <strong>für</strong> das<br />
europäische Stromversorgungsnetz<br />
(UCTE)<br />
Quelle: OECD / NEA, 2007<br />
(basierend auf Daten des PSI)
Teil 3 Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />
Umweltfreundlicher <strong>Schweiz</strong>er Strommix<br />
Dank des Produktionsmix aus Wasserkraft und <strong>Kernenergie</strong> und wegen des Fehlens von<br />
Schwerindustrie ist der CO2-Ausstoss pro Kopf in der <strong>Schweiz</strong> deutlich geringer als in<br />
den Nachbarländern. Im kernkraftwerkfreien Österreich beispielsweise wird rund ein<br />
Drittel des Stroms aus Kohle, Erdöl und Erdgas erzeugt, in Deutschland rund 60 %. In<br />
Dänemark werden mehr als zwei Drittel des Stroms fossil erzeugt, in Italien über 80 %,<br />
und in Polen gar 98 %. Anders als andere europäische Länder verfügt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> – wie<br />
das kernenergiefreundliche Frankreich – schon heute über einen sehr umweltfreundlichen<br />
Strommix.<br />
Abb. 3.10: Strommix der <strong>Schweiz</strong> im internationalen Vergleich<br />
<strong>Kernenergie</strong> schont <strong>die</strong> Rohstoffreserven der Erde<br />
Über der Klimafrage darf nicht vergessen werden, dass <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> bezüglich Umweltbelastung<br />
im Vergleich zu den übrigen Energiequellen generell gut dasteht. Das<br />
zeigen <strong>die</strong> von den Wissenschaftern des PSI errechneten Ökoindikatoren. Sie belegen,<br />
dass Wasserkraft und <strong>Kernenergie</strong> weitaus <strong>die</strong> geringsten Belastungen <strong>für</strong> Wasser, Luft,<br />
Boden, Gesundheit, Landverbrauch und Rohstoffressourcen der Erde bewirken.<br />
So erfordert <strong>die</strong> Stromproduktion den Einsatz nicht-energetischer Rohstoffe wie zum<br />
Beispiel Kupfer, Eisen oder Aluminium sowie von Beton. Die Lebenszyklusanalysen des<br />
PSI zeigen, dass beim Bedarf des wichtigen Metalls Kupfer <strong>die</strong> Wasserkraft und <strong>die</strong><br />
<strong>Kernenergie</strong> am besten abschneiden, während <strong>die</strong> Wind- und vor allem <strong>die</strong> Solaranlagen<br />
eine sehr viel schlechtere Bilanz aufweisen, insbesondere wenn sie in windschwachen<br />
bzw. relativ sonnenarmen Gebieten wie der <strong>Schweiz</strong> gebaut werden. Dieses Gesamtbild<br />
gilt ähnlich auch <strong>für</strong> weitere nicht-energetische Rohstoffe wie Eisen, Aluminium oder<br />
Beton.<br />
Abb. 3.11: Bedarf an Kupfer der verschiedenen Stromerzeugungssysteme<br />
Wenig Luftschadstoffe und sehr geringer Landverbrauch<br />
Analog wie bei den Treibhausgasen gehört <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> auch bei den Luftschadstoffen<br />
Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) und Feinstaub zusammen mit den erneuerbaren<br />
Energien zu den gesundheitsschonendsten Energietechnologien überhaupt.<br />
Das Gleiche gilt <strong>für</strong> den Landverbrauch pro Kilowattstunde: Hier ist <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong><br />
sogar klar <strong>die</strong> sparsamste Stromerzeugungstechnik, auch wenn <strong>die</strong> gesamte Energiekette<br />
einschliesslich des Uranabbaus in den Minen mitgerechnet wird.<br />
Zusammenfassend gilt: Ein genauer Blick auf <strong>die</strong> wissenschaftlich erarbeiteten<br />
Energie- und Umweltbilanzen zeigt, dass der Atomstrom mindestens so umweltschonend<br />
ist wie <strong>die</strong> erneuerbaren Energien. Die Ökobilanzen zeigen, dass der<br />
Atomstrom eigentlich das Label «Ökostrom» tragen müsste. Zusammen mit der<br />
Wasserkraft ist <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> heute in der <strong>Schweiz</strong> sogar <strong>die</strong> umweltfreundlichste<br />
und energieeffizienteste Art der Stromerzeugung überhaupt.<br />
27<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
28<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 4.1<br />
Abb. 4.2<br />
Abb. 4.3<br />
Genève<br />
Durchschnittliche jährliche Strahlendosis pro Person<br />
1,3 mSv<br />
Medizin<br />
und technische<br />
Strahlenquellen<br />
2,7 mSv<br />
Kernkraftwerke:<br />
weniger als 0,01 mSv (Millisievert)<br />
natürliche<br />
Strahlenquellen<br />
inkl. Radon<br />
Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Gesundheit, 2009<br />
Aus Kernanlagen gelangt praktisch keine Radioaktivität in <strong>die</strong> Umwelt<br />
Lausanne<br />
Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Gesundheit<br />
Natürliche Strahlendosen in der <strong>Schweiz</strong><br />
Pro Person, bei einem ganzjährigen Aufenthalt im Freien (in Millisievert)<br />
Basel<br />
Sion<br />
Bern<br />
0,3<br />
0,3<br />
Hospental<br />
Leibstadt<br />
Biasca<br />
Zürich<br />
0,3<br />
1,0<br />
Säntis<br />
0,4 0,7<br />
Maloja<br />
Davos<br />
Müstair<br />
Volumen der hochradioaktiven Abfälle<br />
Nach 50 Jahren <strong>Kernenergie</strong><br />
hinterlässt jeder Bewohner der<br />
<strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong>se geringe Menge an<br />
hochradioaktivem Kernbrennstoff.<br />
Sie findet bequem in zwei<br />
Zündholzschachteln Platz.<br />
Quelle:<br />
<strong>Nuklearforum</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>, 2009<br />
kosmische Strahlung<br />
terrestrische Strahlung<br />
Die Strahlendosen<br />
schwanken stark je nach<br />
Ort und Höhenlage<br />
Es ist technisch möglich und wirtschaftlich machbar, <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle<br />
konsequent einzuschliessen und <strong>für</strong> ausreichend lange Zeit zu entsorgen.
Teil 4<br />
Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
Radioaktivität – ein natürliches Phänomen<br />
Radioaktivität gibt es seit der Entstehung der Welt und ist überall in unserer Umwelt und<br />
in unserem Körper vorhanden. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und ist<br />
heute eines der am besten erforschten Umweltphänomene. So wissen wir heute, dass<br />
70 % der durchschnittlichen Strahlendosis der <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung aus der Natur<br />
stammen, weitere 25 % aus der Medizin und knapp 5 % aus technischen Anwendungen.<br />
Aus den <strong>Schweiz</strong>er Kernanlagen gelangen praktisch keine radioaktiven Stoffe in <strong>die</strong> Umwelt.<br />
Die durch sie verursachte Strahlung liegt tiefer als ein Hundertstel der natürlichen<br />
Strahlendosis.<br />
Abb. 4.1: Durchschnittliche jährliche Strahlendosis pro Person<br />
Die Strahlenbelastung aus natürlichen Quellen ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich.<br />
In den Alpen kann sie, je nach Geologie und Höhenlage, bis zu doppelt so hoch sein wie<br />
im Mittelland. Strahlung aus natürlichen und technischen Quellen unterscheidet sich<br />
nicht in ihrer Wirkung und Gefährlichkeit. Deshalb setzt <strong>die</strong> natürliche Radioaktivität<br />
einen verlässlichen Massstab <strong>für</strong> den sicheren Umgang mit technisch erzeugter Strahlung.<br />
Abb. 4.2: Natürliche Strahlendosen in der <strong>Schweiz</strong><br />
Zusatzinformationen zur natürlichen Radioaktivität<br />
Die Natur hat sogar Kernreaktoren hervorgebracht. Wissenschafter haben herausgefunden,<br />
dass in der Umgebung von Oklo in Gabun (Zentralafrika) vor knapp 2 Milliarden Jahren<br />
mehr als ein Dutzend natürliche Kernreaktoren existierten, <strong>die</strong> über mehrere tausend Jahre<br />
Energie abgaben. Diese Naturreaktoren lagen an der Erdoberfläche und funktionierten<br />
nach dem genau gleichen physikalischen Grundprinzip wie <strong>die</strong> heutigen Leichtwasserreaktoren,<br />
zu denen auch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke gehören.<br />
Radioaktive Abfälle sind unvermeidlich<br />
Jede Form der Energiegewinnung hat Vor- und Nachteile. So auch <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>: Beim<br />
Betrieb eines Kernkraftwerks entstehen verschiedene Arten von radioaktiven Abfällen.<br />
Sie stellen – je nach Zusammensetzung – ein Gefahrenpotenzial <strong>für</strong> einige hundert bis<br />
gut hunderttausend Jahre dar und müssen daher über <strong>die</strong>se Zeiträume hinweg vom<br />
Lebensraum von Mensch, Tier und Pflanzen getrennt werden.<br />
Geringe Abfallmengen<br />
Die Menge der radioaktiven Abfälle ist jedoch gering. Aus heutiger Sicht werden <strong>die</strong> bestehenden<br />
<strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke bis zum Ende ihrer Betriebsdauer insgesamt 7300<br />
Kubikmeter hochradioaktive Abfälle produzieren (einschliesslich der Verpackung), was<br />
etwa dem Volumen von zwei Heissluftballons entspricht. Dazu kommen (verpackt) rund<br />
60’000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, <strong>die</strong> jedoch nur 1,7 % der<br />
Radioaktivität enthalten. Zum Vergleich: Aus der Kehrichtverbrennung hinterlässt jeder<br />
von uns im gleichen Zeitraum fast 50mal mehr schwermetallhaltige Rückstände, <strong>die</strong> in<br />
Oberflächendeponien entsorgt werden.<br />
Abb. 4.3: Volumen der hochradioaktiven Abfälle<br />
29<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
30<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Langzeitlagerung unabhängig vom Geschehen an der Erdoberfläche<br />
Heute in 300 Jahren? in 10’000<br />
Jahren?<br />
Abb. 4.4<br />
Abb. 4.5 Zwischenlager in Würenlingen, Kanton Aargau<br />
Abb. 4.6 Abtransport von abgebrannten Brennelementen in einem Spezialbehälter<br />
in 50’000<br />
Jahren?<br />
in 100’000<br />
Jahren?<br />
Quelle: w4/Nagra, 2009<br />
Tiefe Gesteinsschichten schliessen radioaktive Stoffe <strong>für</strong> Millionen von Jahren ein<br />
Foto: Zwilag<br />
Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>
Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
Zudem verlieren <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle durch das natürliche Abklingen der Radioaktivität<br />
mit der Zeit ihre Gefährlichkeit. So strahlen beispielsweise <strong>die</strong> hochradioaktiven<br />
Abfälle nach 1000 Jahren nur noch etwa fünfmal stärker als das natürliche Mineral Pechblende,<br />
aus dem das Uran gewonnen wird. Sie müssen jedoch auch weiterhin von der<br />
Nahrungskette ferngehalten werden.<br />
Langzeitlagerung tief in der Erde<br />
International sind sich <strong>die</strong> Fachleute seit Langem einig, dass <strong>die</strong> Lagerung in tiefen Gesteinsschichten<br />
ein auch über sehr lange Zeiträume sicherer Weg <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung ist.<br />
Das gilt ebenso <strong>für</strong> <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung. Das<br />
<strong>Schweiz</strong>er Parlament hat daher <strong>die</strong> geologische Tiefenlagerung <strong>für</strong> alle Arten von radioaktiven<br />
Abfällen verbindlich vorgeschrieben.<br />
Abb.4.4: Langzeitlagerung<br />
Die Betreiber der <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke haben bereits bei der Inbetriebnahme mit<br />
Rückstellungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung der radioaktiven Abfälle begonnen. Die Betreiber<br />
der Kernkraftwerke und <strong>die</strong> Eidgenossenschaft – sie ist zuständig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung<br />
der radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung – haben <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Aufgabe<br />
1972 <strong>die</strong> Nationale Genossenschaft <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) gegründet.<br />
Zwischenlagerung in Würenlingen<br />
Vor der geologischen Tiefenlagerung ist bei den hochradioaktiven Abfällen eine kontrollierte<br />
Zwischenlagerung von rund 40 Jahren nötig. In <strong>die</strong>sem Zeitraum klingt ein wesentlicher<br />
Teil der Radioaktivität und der Wärme ab. In der <strong>Schweiz</strong> erfolgt <strong>die</strong> Zwischenlagerung<br />
im «Zwilag» in Würenlingen (Kanton Aargau), wo zudem ein wesentlicher<br />
Teil der leicht radioaktiven Abfälle endlagergerecht verarbeitet wird.<br />
Abb.4.5: Zwischenlager<br />
Recycling durch Wiederaufarbeitung<br />
Ein ausge<strong>die</strong>ntes Brennelement, wie es nach drei bis vier Jahren Betrieb aus dem Reaktor<br />
entladen wird, besteht nur zu rund 4 % aus radioaktivem Abfall. Die übrigen 96 % sind<br />
grundsätzlich weiterhin als Kernbrennstoff nutzbar. In Wiederaufarbeitungsanlagen wie<br />
in La Hague in Frankreich oder in Sellafield in England werden <strong>die</strong> Kernbrennstoffe<br />
vom hochradioaktiven Abfall getrennt und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stromerzeugung rezykliert.<br />
Sichere Transporte<br />
Die Wiederaufarbeitung erfordert den Transport der ausge<strong>die</strong>nten Brennelemente vom<br />
Kernkraftwerk zu den Wiederaufarbeitungsanlagen und der verfestigten und verpackten<br />
Abfälle zurück ins Ursprungsland. Da<strong>für</strong> werden sie in spezielle Behälter verpackt, <strong>die</strong><br />
heftigen Kollisionen, Feuer und sogar dem Beschuss mit schweren Projektilen widerstehen.<br />
Weltweit hat es noch nie einen Transportunfall mit ausge<strong>die</strong>nten Brennelementen<br />
oder konditionierten Abfällen gegeben, bei dem radioaktive Stoffe freigesetzt<br />
worden wären.<br />
Abb. 4.6: Strassentransport<br />
31<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
32<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 4.7 Behälter mit ausge<strong>die</strong>nten Brennelementen und hochradioaktiven Abfällen im Zwischenlager in<br />
Würenlingen<br />
Abb. 4.8<br />
Quelle: Nagra, 2007<br />
Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />
Lagerstollen<br />
Endlagerbehälter<br />
Mögliche Standortgebiete<br />
<strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />
und ausge<strong>die</strong>nte Brennelemente<br />
Mögliche Standortgebiete<br />
<strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive<br />
Abfälle<br />
Geeignet <strong>für</strong> beide<br />
Abfallkategorien<br />
Abb. 4.9<br />
Verfüllmaterial<br />
Radioaktiver Abfall<br />
Mehrfache technische und natürliche Barrieren<br />
sorgen <strong>für</strong> Langzeitsicherheit<br />
Vorgeschlagene Standortgebiete <strong>für</strong> geologische Tiefenlager<br />
0 5 10 20 30 40<br />
Basel<br />
Kilometer<br />
Jura-Südfuss<br />
(SO, AG)<br />
Olten<br />
Bözberg<br />
(AG)<br />
Aarau<br />
Schaffhausen<br />
Südranden<br />
(SH)<br />
Brugg Baden<br />
Nördlich Lägern<br />
(ZH, AG)<br />
Zürcher Weinland<br />
(ZH, TG)<br />
Wellenberg (NW, OW)<br />
Die radioaktiven Abfälle können langfristig in der <strong>Schweiz</strong> entsorgt werden<br />
Zürich<br />
Winterthur<br />
Luzern<br />
Stans<br />
500 bis 1000 Meter<br />
Quelle:<br />
Nagra,<br />
2009<br />
Foto: Zwilag
Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
Recycling-Moratorium <strong>für</strong> zehn Jahre<br />
Es gibt Länder, <strong>die</strong> auf das Wiederaufarbeiten verzichten und <strong>die</strong> ausge<strong>die</strong>nten Brennelemente<br />
direkt ins Endlager geben. Das vermindert zwar internationale Transporte,<br />
erhöht allerdings das Volumen der hochradioaktiven Rückstände und verlängert <strong>die</strong><br />
Dauer, während der sie von der Umwelt ferngehalten werden müssen, auf das Zehn-<br />
fache. Die Wiederaufarbeitung hingegen schont <strong>die</strong> Uranreserven und verkleinert das<br />
Volumen sowie <strong>die</strong> Einschlusszeit der radioaktiven Abfälle.<br />
Die <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke haben bisher ihre ausge<strong>die</strong>nten Brennelemente ins<br />
Recycling nach Frankreich und England gegeben. Im Jahr 2003 haben jedoch <strong>die</strong> Eidgenössischen<br />
Räte ein Moratorium verfügt: Seit Mitte 2006 dürfen während zehn Jahren<br />
keine Brennelemente mehr ins Ausland überführt werden. Das ist kein Problem, da sie<br />
im Zwischenlager in Würenlingen gelagert werden können.<br />
Abb. 4.7: Zwischenlagerung<br />
Fortschritte bei der Endlagerung<br />
Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle stehen heute weltweit Dutzende von Endlagern<br />
in Betrieb. Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle werden jedoch erst in einigen<br />
Jahrzehnten benötigt. Dennoch haben bereits einige Länder – zum Beispiel Finnland<br />
und <strong>die</strong> USA – <strong>die</strong> Standorte festgelegt und mit dem Bau begonnen.<br />
In der <strong>Schweiz</strong> hat <strong>die</strong> Nagra nach vielen Jahren der Vorarbeit nachgewiesen, dass alle<br />
Arten von radioaktiven Abfällen in der <strong>Schweiz</strong> auf Dauer sicher entsorgt werden<br />
können. Für <strong>die</strong> hochradioaktiven Abfälle hat der Bundesrat den Entsorgungsnachweis<br />
im Sommer 2006 abschlies send genehmigt. Vorgängig hatten unabhängige in- und ausländische<br />
Experten <strong>die</strong> Arbeiten der Nagra begutachtet und waren durchwegs zu positiven<br />
Beurteilungen gekommen. Für <strong>die</strong> schwach- und mittelradioaktiven Abfälle hat der<br />
Bundesrat den Entsorgungsnachweis bereits 1988 genehmigt.<br />
Abb. 4.8: Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />
Damit hat <strong>die</strong> Nagra gezeigt, dass in der <strong>Schweiz</strong> aus wissenschaftlich-technischer Sicht<br />
sichere geologische Tiefenlager <strong>für</strong> beide Abfalltypen gebaut werden können. Für <strong>die</strong><br />
hochradioaktiven Abfälle favorisieren <strong>die</strong> Fachleute den sogenannten «Opalinuston»,<br />
weil <strong>die</strong>se geologische Schicht gegenüber den anderen möglichen Wirtsgesteinen sicherheitstechnische<br />
Vorteile hat. Für den Opalinuston können verschiedene Standortgebiete<br />
in Betracht gezogen werden.<br />
Abb. 4.9: Vorgeschlagene Standortgebiete <strong>für</strong> geologische Tiefenlager<br />
Die Frage, wie <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle in der <strong>Schweiz</strong> dauerhaft entsorgt werden<br />
können, ist beantwortet. Die Frage lautet heute, wo <strong>die</strong> entsprechenden Tiefenlager<br />
gebaut werden.<br />
Zusatzinformationen zum Entsorgungsnachweis<br />
Das am 1. Februar 2005 in Kraft getretene <strong>Kernenergie</strong>gesetz des Bundes verlangt <strong>für</strong> den<br />
Bau und den Betrieb von Kernkraftwerken den Nachweis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung der anfallenden<br />
radioaktiven Abfälle. Dieser Entsorgungsnachweis muss <strong>die</strong> grundsätzliche Machbarkeit der<br />
Entsorgung radioaktiver Abfälle in der <strong>Schweiz</strong> aufzeigen. Er ist keine Standortwahl. 1988<br />
entschied der Bundesrat, dass <strong>die</strong> Nagra den Entsorgungsnachweis <strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive<br />
Abfälle am Beispiel des Oberbauenstocks im Kanton Uri erbracht hat. Und im<br />
Juni 2006 entschied der Bundesrat, dass <strong>die</strong>ser Nachweis auch <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />
und ausge<strong>die</strong>nte Brennelemente erbracht ist, <strong>die</strong>s am Beispiel des Zürcher Weinlandes.<br />
33<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
34<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 4.10<br />
Abb. 4.11<br />
Abb. 4.12<br />
7<br />
4<br />
3<br />
Langzeitstabilität nach dem Vorbild der Natur<br />
6<br />
1<br />
2<br />
8<br />
5<br />
Leioceras opalinum<br />
Fundort: Bohrung in Benken ZH,<br />
in 625 Metern Tiefe<br />
Schicht: Opalinuston<br />
Alter: rund 180 Mio. Jahre<br />
Der Opalinuston ist ein sicherer<br />
Wert seit 180 Millionen Jahren<br />
Quelle: Nagra, 2007<br />
Zugangsanlagen <strong>für</strong> ein Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />
1 Verwaltungsgebäude<br />
2 Betriebsgebäude<br />
3 Lüftungsgebäude<br />
4 Geräteschleuse<br />
5 Verpackungsanlage<br />
6 Bahnzufahrt<br />
7 Strassenzufahrt<br />
8 Zugangstunnel<br />
(überdeckt)<br />
Quelle: Nagra, 2007<br />
Der Landbedarf an der Oberfläche entspricht einem mittelgrossen Industriebetrieb<br />
Sachplanverfahren des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tiefenlager<br />
Die Suche nach<br />
den konkreten<br />
Lagerstandorten<br />
erfolgt unter Führung<br />
des Bundes<br />
Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Energie, 2007<br />
Gesellschaft<br />
Politische und rechtliche Vorgaben<br />
1. Teil:<br />
Konzept<br />
2. Teil:<br />
Umsetzung<br />
«Sachplan geologische Tiefenlager»<br />
Verfahren <strong>für</strong><br />
Standortauswahl<br />
Etappe 1: Auswahl<br />
von potenziellen<br />
Standortgebieten<br />
Etappe 2: Auswahl<br />
von mind. 2 möglichen<br />
Standorten<br />
Etappe 3: Standortwahl;<br />
Start des Bewilligungsverfahrens<br />
Rahmenbewilligungsverfahren<br />
Kantonale<br />
Richtpläne
Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
Opalinuston: ein sicherer Wert seit 180 Millionen Jahren<br />
Beim Opalinuston handelt es sich um eine Gesteinsschicht, <strong>die</strong> vor 180 Millionen Jahren<br />
in einem Meer abgelagert wurde und heute in den ins Auge gefassten Gebieten in der<br />
günstigen Tiefe von 400 – 900 Metern liegt. In <strong>die</strong>ser enorm langen Zeit hat sich der<br />
Opalinuston dort kaum verändert. Auch <strong>die</strong> Auffaltung der Alpen und des Juras haben<br />
ihn kaum deformiert. Diese grosse Stabilität erlaubt es den Wissenschaftern, mögliche<br />
zukünftige Veränderungen im Opalinuston <strong>für</strong> über eine Million Jahre plausibel abzuschätzen.<br />
Zudem ist Ton selbstabdichtend und damit praktisch wasserundurchlässig.<br />
Selbst wenn sich Risse bilden sollten, bleibt der Opalinuston dicht.<br />
Das über lange geologische Zeiträume hinweg uneingeschränkte Abdichtungsvermögen<br />
von Tongesteinen dokumentiert <strong>die</strong> Natur eindrücklich – zum Beispiel im Einschluss<br />
von jahrmillionenalten Erdöl- und Erdgasvorkommen. Ein schönes Beispiel <strong>für</strong> <strong>die</strong> konservierenden<br />
Eigenschaften des Oplinustons zeigt der Fund eines Ammoniten in einer<br />
Bohrung im Zürcher Weinland: Das versteinerte Tier ist auch nach 180 Millionen Jahren<br />
nicht deformiert, und auf der Schale ist sogar noch Perlmutt erhalten geblieben. Ammoniten<br />
waren urzeitliche Kopffüssler (wie <strong>die</strong> Tintenfische), deren Vertreter Leioceras<br />
opalinum dem Opalinuston den Namen gegeben hat.<br />
Abb. 4.10: Langzeitstabilität nach dem Vorbild der Natur<br />
Entsorgung: Lösung ist unabhängig von der Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />
Fazit: Wenn wir wollen, können wir <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle in der <strong>Schweiz</strong> jederzeit<br />
sicher und <strong>für</strong> sehr lange Zeiträume entsorgen. Der Landbedarf <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anlagen an der<br />
Erdoberfläche ist relativ gering und entspricht einem mittelgrossen Industriebetrieb.<br />
Abb. 4.11: Zugangsanlagen <strong>für</strong> ein Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />
Offen ist noch, wo das oder <strong>die</strong> Tiefenlager gebaut werden sollen. Darüber wird in den<br />
kommenden Jahren politisch entschieden. Mit dem Vorliegen des Entsorgungsnachweises<br />
ist <strong>die</strong> Standortwahl rechtlich getrennt von der Frage des Weiterbetriebs und des allfälligen<br />
Neubaus von Kernkraftwerken.<br />
Sachplan <strong>für</strong> Standortwahl<br />
Zum Festlegen der Lagerstandorte führt der Bund ein sogenanntes Sachplanverfahren<br />
durch. Der «Sachplan geologische Tiefenlager» ist in den vergangenen Jahren unter Einbezug<br />
von Bundesbehörden, Kantonen, Nachbarstaaten, Organisationen, Parteien und<br />
Fokusgruppen aus der Bevölkerung erarbeitet worden.<br />
Abb. 4.12: Sachplanverfahren des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tiefenlager<br />
In seinem ersten Teil legt der Sachplan <strong>die</strong> Verfahrensweisen und Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auswahl<br />
der Standorte <strong>für</strong> Tiefenlager fest. Ziel ist, <strong>die</strong> verschiedenen Auswahlschritte bis<br />
zur Festlegung eines Standorts <strong>für</strong> alle transparent zu gestalten und <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />
mit den betroffenen Kantonen und Gemeinden wie auch <strong>die</strong> Mitwirkung weiterer<br />
interessierter Kreise sicherzustellen.<br />
Im zweiten Teil des Sachplanverfahrens werden in einer ersten Etappe aufgrund der<br />
Geologie <strong>die</strong> geeigneten Standortgebiete festgelegt. Diese Standortgebiete werden auf<br />
der Basis des bestehenden erdwissenschaftlichen Kenntnisstands von der Nagra vorgeschlagen.<br />
35<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
36<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 4.13<br />
Zeitplan des Uvek <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Inbetriebnahme der Tiefenlager<br />
Aktion Zeitbedarf Termine<br />
Sachplan- und Rahmenbewilligungsverfahren<br />
Sachplan Etappe 1:<br />
Auswahl von geologischen Standortgebieten<br />
Sachplan Etappe 2:<br />
Auswahl von mindestens zwei Standorten<br />
pro Abfallkategorie<br />
Sachplan Etappe 3:<br />
Wahl von einem oder zwei Standorten<br />
Vorbereitung und Einreichung Rahmenbewilligungsgesuch(e),Überprüfungsund<br />
Genehmigungsverfahren<br />
Entscheid Bundesrat<br />
Erteilung der Rahmenbewilligung<br />
Genehmigung der Rahmenbewilligung<br />
durch das Parlament<br />
allenfalls Volksabstimmung<br />
2,5 Jahre<br />
2,5 Jahre<br />
2,5–4,5<br />
Jahre<br />
1,5 Jahre<br />
1 Jahr<br />
Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren<br />
Erdwissenschaftliche Untersuchungen,<br />
Baubewilligung <strong>für</strong> Felslabor am Standort<br />
(<strong>die</strong> Bewilligung kann vor Bundesverwaltungsgericht<br />
und Bundesgericht<br />
angefochten werden)<br />
Ergänzende Untersuchungen, Bau Zugangsstollen,<br />
Bau und Betrieb Felslabor<br />
am Standort sowie Baubewilligungsverfahren<br />
geologische Tiefenlager<br />
(<strong>die</strong> Bewilligung kann vor Bundesverwaltungsgericht<br />
und Bundesgericht<br />
angefochten werden)<br />
Bau Lagerstollen/Kavernen, Vorbereitung<br />
und Erteilung der Betriebsbewilligung<br />
während der Bauphase<br />
(<strong>die</strong> Bewilligung kann vor Bundesverwaltungsgericht<br />
und Bundesgericht<br />
angefochten werden)<br />
1<br />
Früheste Inbetriebnahme<br />
1<br />
bis 2016/2018<br />
2–4 Jahre bis 2019/2023<br />
SMA:<br />
6–8 Jahre<br />
HAA:<br />
16–18 Jahre<br />
SMA bis<br />
2025/2031<br />
HAA bis<br />
2035/2041<br />
5–7 Jahre SMA bis<br />
2030/2038<br />
Dauer hängt massgeblich davon ab, ob z.B. weitere Son<strong>die</strong>rbohrungen nötig sind.<br />
SMA: schwach- und mittelradioaktive Abfälle<br />
HAA: hochradioaktive Abfälle und ausge<strong>die</strong>nte Brennelemente<br />
(Quelle: Uvek)<br />
bis 2017/2019<br />
HAA bis<br />
2040/2048<br />
SMA ab 2030<br />
HAA ab 2040
Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
In einer zweiten Etappe haben <strong>die</strong> Standortregionen <strong>die</strong> Möglichkeit, bei der Konkretisierung<br />
der Lagerprojekte sowie den Untersuchungen der sozioökonomischen und raumplanerischen<br />
Auswirkungen mitzuarbeiten. Zudem werden <strong>die</strong> Standorte sicherheitstechnisch<br />
verglichen. Am Ende <strong>die</strong>ser Etappe schlägt <strong>die</strong> Nagra pro Abfallkategorie<br />
mindestens zwei konkrete Standorte vor.<br />
In der dritten Etappe werden <strong>die</strong>se Standorte vertieft untersucht. Um einen gleichwertigen<br />
sicherheitstechnischen Kenntnisstand zu erhalten, sind gemäss des Eidgenössischen<br />
Departements <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) erdwissenschaftliche<br />
Untersuchungen – inklusive Son<strong>die</strong>rbohrungen – nötig.<br />
Am Ende des Verfahrens wird der Bundesrat <strong>die</strong> definitive Standortwahl treffen: entweder<br />
<strong>für</strong> je einen Standort <strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive Abfälle und <strong>für</strong> hochradioaktive<br />
oder <strong>für</strong> einen gemeinsamen Standort <strong>für</strong> beide Abfallkategorien. Nach der<br />
Erteilung der Rahmenbewilligung durch den Bundesrat folgt <strong>die</strong> Genehmigung durch<br />
das Parlament und eine allfällige Volksabstimmung, falls das fakultative Referendum<br />
gegen <strong>die</strong> Rahmenbewilligung ergriffen wird.<br />
Verfahren zur Standortwahl ist angelaufen<br />
Am 2. April 2008 hat der Bundesrat den Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager<br />
verabschiedet. Zentrale Punkte des Sachplans sind:<br />
• Der Bund übernimmt bei der Festlegung der Standorte <strong>die</strong> Führungsrolle.<br />
• Oberste Priorität bei der Wahl der Standorte hat <strong>die</strong> langfristige Sicherheit von Mensch<br />
und Umwelt. Die Auswirkungen an der Oberfläche – <strong>die</strong> sozioökonomischen und<br />
raumplanerischen Aspekte – werden ebenfalls berücksichtigt.<br />
• Die gewählten Standorte müssen so beschaffen sein, dass eine spätere Kapazitäts-<br />
erweiterung der Tiefenlager möglich ist, falls in der <strong>Schweiz</strong> neue Kernkraftwerke<br />
gebaut werden.<br />
• Die Kosten werden von den Verursachern getragen.<br />
Gegenwärtig steht <strong>die</strong> erste Etappe des Sachplans in der Umsetzung. Am 26. Februar<br />
2010 hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) sein Gutachten zu den<br />
von der Nagra vorgeschlagenen sechs Standortgebieten (siehe Abb. 4.9) veröffentlicht.<br />
Die Behörde bescheinigt darin der Nagra gute Arbeit – eine Beurteilung, der auch <strong>die</strong><br />
vom Bund eingesetzten Kommissionen <strong>für</strong> nukleare Sicherheit (KNS) und nukleare Entsorgung<br />
(KNE) wie auch <strong>die</strong> Experten des deutschen Bundesministeriums <strong>für</strong> Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit teilen. Massgebend <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorschläge der Nagra war<br />
ausschliesslich <strong>die</strong> Eignung der Geologie.<br />
Am Ende <strong>die</strong>ser ersten Etappe – voraussichtlich Mitte 2011 – wird der Bundesrat <strong>die</strong>se<br />
möglichen Standortgebiete oder eine Auswahl von ihnen bestätigen. Diese Gebiete gehen<br />
dann in <strong>die</strong> nächste Etappe.<br />
Die Standortwahl wird nach Schätzung des Uvek rund zehn Jahre dauern. Ziel ist gemäss<br />
Uvek, im Jahr 2030 ein Lager <strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive Abfälle und 2040<br />
ein Lager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle in Betrieb zu nehmen.<br />
Abb. 4.13: Zeitplan des Uvek <strong>für</strong> <strong>die</strong> Inbetriebnahme der Tiefenlager<br />
37<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
38<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
Aufgabe der heutigen Generation<br />
Die Entsorgung der nuklearen Abfälle liegt in der Verantwortung der heutigen Generation,<br />
<strong>die</strong> den Nutzen aus der nuklearen Stromproduktion hat. Wir haben <strong>die</strong> Abfälle so zu<br />
entsorgen, dass künftige Generationen keine Lasten mehr zu tragen haben. Wie das gemacht<br />
werden kann, hat <strong>die</strong> Nagra gezeigt. Wir müssen es jetzt ganz einfach tun.<br />
Finanziell werden <strong>die</strong> kommenden Generationen nicht belastet, da <strong>die</strong> Entsorgung von<br />
den heutigen Nutzern bezahlt wird (siehe Abb. 2.9). Auch nach der Einlagerung bleiben<br />
<strong>die</strong> Abfälle rückholbar. Ob und wann <strong>die</strong> Tiefenlager definitiv verschlossen werden,<br />
werden unsere Nachkommen entscheiden.<br />
Sicherheit: Vorsorge <strong>für</strong> den schlimmsten anzunehmenden Fall<br />
Eine umfassende Stu<strong>die</strong> des zum ETH-Bereich gehörenden Paul Scherrer Instituts zeigt,<br />
dass in den westlichen Industrieländern <strong>die</strong> Wasserkraft und <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> <strong>die</strong> sichersten<br />
Energiesysteme überhaupt sind. Bei der <strong>Kernenergie</strong> wird <strong>die</strong>s erreicht:<br />
• erstens durch <strong>die</strong> sorgfältige Ausführung von Planung, Bau und Betrieb der Anlagen<br />
mit dem Ziel, dass Störungen möglichst gar nicht auftreten<br />
• zweitens wurden unsere Kernkraftwerke so gebaut, dass Störfälle, <strong>die</strong> nach menschlichem<br />
Ermessen nicht auszuschliessen sind, durch <strong>die</strong> Sicherheitssysteme ohne Gefährdung<br />
von Mensch und Umwelt beherrscht werden können<br />
• drittens verfügen unsere Kernkraftwerke über mehrere Barrieren gegen den Austritt<br />
von Radioaktivität. Sie sind wie <strong>die</strong> berühmten russischen Holzpuppen ineinander geschachtelt<br />
und sie verhindern, dass <strong>die</strong> Radioaktivität aus dem Kernbrennstoff in <strong>die</strong><br />
Umwelt gelangt.<br />
Abb. 4.14: Das Prinzip der Mehrfachbarrieren<br />
Ein gleichzeitiges Versagen all <strong>die</strong>ser Systeme ist höchst unwahrscheinlich. Zudem sind<br />
unsere Reaktoren so konstruiert, dass auch bei einem schweren Störfall <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nungsmannschaft<br />
Zeit zum Eingreifen hat. Aber auch heute, nach weltweit über 12’000 Reaktorbetriebsjahren,<br />
arbeiten Wissenschafter und Ingenieure daran, <strong>die</strong> Kernkraftwerke<br />
noch sicherer zu machen.<br />
Abb. 4.14<br />
Das Prinzip der Mehrfachbarrieren<br />
1. Barriere: dicht verschweisste Hüllrohre<br />
2. Barriere: Reaktordruckbehälter aus extrem<br />
dickwandigem Spezialstahl<br />
3. Barriere: Betonkammer, «biologischer Schild»<br />
4. Barriere: druckfeste Sicherheitshülle aus Stahl<br />
5. Barriere: Reaktorgebäude aus meterdickem Beton<br />
Quelle: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>, 2007<br />
Kernbrennstoff<br />
Tritt an einer Barriere ein Leck auf, sorgen <strong>die</strong> übrigen weiterhin <strong>für</strong> Sicherheit<br />
3<br />
2<br />
4<br />
5<br />
1
Zusatzinformationen: Unfälle und Zwischenfälle in Kernkraftwerken<br />
• Tschernobyl (Ukraine), 26. April 1986: Ursache <strong>die</strong>ses schwerwiegenden Unfalls waren<br />
gravierende Mängel im Konstruktionsprinzip des Kernkraftwerks, durch <strong>die</strong> ein schwerer<br />
Fehler der Be<strong>die</strong>nungsmannschaft zur Zerstörung des Reaktors führte. Durch den anschliessenden<br />
wochenlangen Brand des <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Reaktortyp benötigten Graphits wurden<br />
grosse Mengen radioaktiver Stoffe in <strong>die</strong> Umwelt freigesetzt. Mehrere hintereinander<br />
gestaffelte Barrieren gegen den Austritt von radioaktiven Stoffen gibt es bei <strong>die</strong>sem Kraftwerkstyp<br />
nicht. Der Unfall in Tschernobyl wurde von der Internationalen Atomenergie-<br />
Organisation (IAEO) nachträglich der höchsten Stufe 7 der inter nationalen Störfallbewertungsskala<br />
(INES) zugeordnet. Eine Anlage wie in Tschernobyl wäre in der <strong>Schweiz</strong> nie<br />
bewilligt worden. Ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion wurden keine Kernkraftwerke<br />
des Tschernobyl-Typs gebaut.<br />
• Three Mile Island (bei Harrisburg, Pennsylvania), 28. März 1979: Dieser Unfall fand<br />
in einem amerikanischen Kernkraftwerk statt, das mit den unseren vergleichbar ist.<br />
Ausgelöst wurde er durch technisches Versagen und einer Fehlbe<strong>die</strong>nung der Betriebsmannschaft.<br />
Dabei schmolz ein Teil des Kernbrennstoffs. In <strong>die</strong> Umwelt gelangten jedoch<br />
nur unwesentliche Mengen radioaktiver Stoffe. Die bei westlichen Kernkraftwerken üblichen<br />
Sicherheitsbarrieren bewährten sich. Der Unfall in Three Mile Island wurde von der<br />
Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) nachträglich der Stufe 5 auf der siebenstufigen<br />
internationalen Störfallbewertungsskala (INES) zugeordnet.<br />
• Lucens (Kanton Waadt), 21. Januar 1969: In einer unterirdischen Kaverne hatte <strong>die</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>er Industrie mit Unterstützung des Bundes einen Schwerwasser-Versuchsreaktor<br />
gebaut, um neue konstruktive Lösungen zu erproben. Wegen Materialproblemen an den<br />
Umhüllungsrohren einiger Brennstäbe kam es zu einer teilweisen Kernschmelze. Dabei<br />
wurden jedoch weder ins Gewicht fallende Mengen radioaktiver Stoffe in <strong>die</strong> Umwelt freigesetzt,<br />
noch wurden <strong>die</strong> sehr strengen Grenzwerte <strong>für</strong> das Betriebspersonal überschritten.<br />
Die vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen bewährten sich. Der Unfall in Lucens würde<br />
heute von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) wahrscheinlich auf<br />
der Stufe 4 auf der internationalen Störfallbewertungsskala (INES) eingeordnet.<br />
Die Versuchsanlage Lucens ist inzwischen vollständig abgebaut worden. Da dort keinerlei<br />
Gefahrenstoffe mehr vorhanden sind, ist <strong>die</strong> Anlage Ende 2004 aus der atomrechtlichen<br />
Aufsicht des Bundes entlassen worden. Die radioaktiven Abfälle aus Lucens befinden sich<br />
heute im Zwischenlager in Würenlingen (Kanton Aargau).<br />
• Forsmark (Schweden), 25. Juli 2006: Als Folge eines Kurzschlusses ausserhalb der Anlage<br />
fielen im Block Forsmark-1 <strong>die</strong> Stromversorgung und anschliessend zwei von vier Notstrom<strong>die</strong>seln<br />
aus. Nach rund 20 Minuten setzte <strong>die</strong> Betriebsmannschaft <strong>die</strong> beiden Diesel<br />
manuell wieder in Gang. Anders als in einigen Me<strong>die</strong>n berichtet, drohte zu keinem Zeitpunkt<br />
ein Kernschmelzschaden, da <strong>die</strong> Reaktorkühlung immer sichergestellt war. Die Betriebsmannschaft<br />
wurde von der Aufsichtsbehörde <strong>für</strong> ihr Verhalten ausdrücklich gelobt.<br />
Schäden entstanden keine, weder im Kraftwerk noch in der Umwelt. Die bei westlichen<br />
Kernkraftwerken üblichen Sicherheitsvorkehrungen bewährten sich. Der Zwischenfall<br />
deckte jedoch einen ernsthaften Fehler im elektrischen Teil der Anlage auf, der inzwischen<br />
beseitigt worden ist. Zwischenfälle <strong>die</strong>ser Art – der Zwischenfall in Forsmark wurde von<br />
der IAEO auf der siebenstufigen internationalen Störfallbewertungsskala (INES) der Stufe<br />
2 zugeordnet – sind in westlichen Kernkraftwerken sehr selten.<br />
Wichtig ist, dass nach solchen Ereignissen durch internationalen Erfahrungsaustausch<br />
überall <strong>die</strong> Lehren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auslegung der Kernanlagen, den Betrieb und <strong>die</strong> Ausbildung der<br />
Mitarbeiter gezogen werden.<br />
39<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
40<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand<br />
In der westlichen Welt ist bei der friedlichen Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> noch nie ein Unfall<br />
passiert, bei dem <strong>die</strong> Umwelt oder <strong>die</strong> Bevölkerung zu Schaden gekommen wären.<br />
Wichtig ist aber, dass <strong>die</strong>se Sicherheitskultur immer wieder überprüft und gelebt wird.<br />
In den letzten Jahrzehnten hat weltweit <strong>die</strong> Zuverlässigkeit der Kernkraftwerke laufend<br />
zugenommen. Modernisierungen erhöhen <strong>die</strong> Sicherheit noch weiter. Denn Sicherheit<br />
und Unternehmensgewinn gehen Hand in Hand: Nur eine sichere Anlage ist auch eine<br />
wirtschaftliche Anlage.<br />
Geschützt gegen Terrorangriffe<br />
Die Gefahr von Terroranschlägen ist bei den <strong>Schweiz</strong>er Kernanlagen von der Planungsphase<br />
an berücksichtigt worden. Nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 in den<br />
USA haben <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Aufsichtsbehörden <strong>die</strong> Sicherheit der Kernkraftwerke gegen<br />
Angriffe mit grossen Verkehrsflugzeugen umfassend überprüft. Die Ergebnisse zeigen:<br />
Für <strong>die</strong> neueren Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt kann nahezu ein Vollschutz nachgewiesen<br />
werden. Aber auch <strong>die</strong> älteren Anlagen Beznau und Mühleberg verfügen über<br />
einen hohen Schutzgrad, vor allem wegen den bereits vor den Ereignissen in New York<br />
nachgerüsteten, speziell gebunkerten Notstandssystemen. Bei den Kernkraftwerken, <strong>die</strong><br />
heute gebaut werden, wird der Schutz gegen Flugzeugabsturz nochmals verbessert.<br />
Geschützt gegen starke Erdbeben<br />
Die schweizerischen Kernkraftwerke sind so geplant, gebaut und nachgerüstet worden,<br />
dass sie auch schweren Erdbeben widerstehen können. Für sie – wie auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Staumauern<br />
– gelten weitaus strengere Bestimmungen als <strong>für</strong> Normalbauten. Die Kernkraftwerke<br />
gehören daher zu den erdbebensichersten Bauten der <strong>Schweiz</strong>. Durch sicheres Bauen und<br />
<strong>die</strong> sorgfältige Wahl des Baugrunds können Kernkraftwerke auch sehr starke Beben ohne<br />
wesentliche Schäden überstehen. Das belegen <strong>die</strong> Erfahrungen aus Japan und Kalifornien.<br />
Zusatzinformationen: Erdbebensicherheit von Kernanlagen<br />
Wie in anderen Ländern sind auch in der <strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong> Betreiber und <strong>die</strong> Aufsichtsbehörden<br />
bestrebt, <strong>die</strong> Sicherheit der Kernkraftwerke im Licht des Wissensfortschritts laufend zu überprüfen.<br />
So haben <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerksbetreiber 1999 das Projekt «Pegasos» lanciert<br />
und bisher rund 10 Mio. Franken investiert. Im Rahmen von «Pegasos» wird <strong>die</strong> Gefährdung<br />
nach den fortschrittlichsten Methoden neu bestimmt. Das Projekt hat zum Ziel, <strong>die</strong> Auswirkungen<br />
auch von äusserst seltenen Beben abzuschätzen, <strong>die</strong> mit einer Wahrscheinlichkeit<br />
von einmal in 10 Millionen Jahren auftreten. Dazu wurden Erdwissenschafter und Inge-<br />
nieure aus dem In- und Ausland beigezogen.<br />
Mit «Pegasos» hat <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> Neuland betreten. Es handelt sich um <strong>die</strong> bisher einzige Stu<strong>die</strong><br />
<strong>die</strong>ser Art in Europa. Sie wird gegenwärtig verfeinert. Die bisher vorliegenden Erkenntnisse<br />
fliessen laufend in <strong>die</strong> Verbesserung der Bausubstanz der Kernkraftwerke ein, in dem sie bei<br />
Nachrüstungen und Neubauten systematisch berücksichtigt werden.<br />
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends<br />
Heute ist <strong>die</strong> Kerntechnik – wie <strong>die</strong> Automobiltechnik – eine reife Technik, <strong>die</strong> sich<br />
durch hohe Zuverlässigkeit auszeichnet. Ein schwerer Unfall in einem unserer Kernkraftwerke,<br />
bei dem grosse Mengen an Radioaktivität freigesetzt werden könnten, ist<br />
äusserst unwahrscheinlich.
Aber kein seriöser Ingenieur würde behaupten, dass das Risiko exakt Null ist. Hundertprozentige<br />
Sicherheit gibt es nirgends. Stets gilt es, Risiken realistisch gegeneinander<br />
abzuwägen. Bei einem Verzicht auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> müssten wir andere, viel grössere<br />
Risiken bei Versorgungssicherheit, Arbeitsplätzen, Luftverschmutzung und Klimawandel<br />
eingehen. Dazu ein Zitat aus der internationalen Wirtschaftszeitung «Economist» vom<br />
April 2006: «Wer auch kleinste Risiken vermeiden will, kann erleben, dass er da<strong>für</strong> deutlich<br />
grössere in Kauf nehmen muss.»<br />
Haftpflicht: Gesetzesrevision in der <strong>Schweiz</strong><br />
Bei der Haftung im Bereich der <strong>Kernenergie</strong> kennt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> eine der weltweit fortschrittlichsten<br />
Gesetzgebungen. Der Inhaber einer Kernanlage haftet grundsätzlich unbegrenzt<br />
und unabhängig von der Schuldfrage. Das schweizerische <strong>Kernenergie</strong>haftpflichtgesetz<br />
ist kürzlich überarbeitet worden. Die im Juni 2008 vom Parlament verabschiedete<br />
Revision wird unter anderem dazu benützt, das Gesetz mit den ebenfalls<br />
revi<strong>die</strong>rten internationalen Haftungs-Übereinkommen zu harmonisieren. Bei Inkrafttreten<br />
der Gesetzesrevision wird in der <strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong> obligatorische Versicherungsdeckung<br />
durch den Anlageninhaber von heute einer Milliarde Franken auf 1,8 Mrd. Franken erhöht<br />
(plus 10 % <strong>die</strong>ses Betrages <strong>für</strong> Zinsen und Verfahrenskosten). Dazu kommt eine<br />
Tranche von 450 Mio. Franken, <strong>die</strong> von den Vertragsstaaten gemeinsam nach einem bestimmten<br />
Schlüssel aufgebracht werden.<br />
Kernkraftwerke sind keine Atombomben<br />
Kernkraftwerke sind keine Atombomben, auch keine gebändigten. Eine Explosion wie<br />
in einer Atombombe ist in einem Kernkraftwerk aus physikalischen Gründen ausgeschlossen.<br />
Es handelt sich um völlig unterschiedliche Technologien, <strong>die</strong> aber beide auf<br />
dem Prinzip der Kernspaltung basieren.<br />
Tatsache ist, dass das Image der <strong>Kernenergie</strong> unter <strong>die</strong>ser Verbindung leidet. Dies hat<br />
historische Ursachen: Die Kernspaltung wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs<br />
entdeckt. Der Krieg führte dazu, dass <strong>die</strong> Atombombe Vorrang hatte und <strong>die</strong> friedliche<br />
Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> erst über ein Jahrzehnt später an <strong>die</strong> Hand genommen wurde.<br />
Kernkraftwerke sind keine Bombenfabriken<br />
Die <strong>Schweiz</strong> hat den internationalen Atomsperrvertrag aus dem Jahr 1970 unterzeichnet.<br />
Dieser hat zum Ziel, <strong>die</strong> Weiterverbreitung von Kernwaffen zu verhindern. Zu <strong>die</strong>sem<br />
Zweck hat <strong>die</strong> Internationale Atomenergie-Organisation IAEO in Wien ein Kontrollsystem<br />
aufgebaut, um zu überprüfen, ob ein Staat Kernmaterial oder nukleare Ausrüstungen<br />
zweckentfremdet. Die <strong>Schweiz</strong> und zahlreiche weitere <strong>Kernenergie</strong>länder halten<br />
sich strikt an <strong>die</strong>sen Vertrag.<br />
Für <strong>die</strong> Herstellung von Material <strong>für</strong> Atombomben sind Kernkraftwerke ungeeignet. Die<br />
Kernwaffenstaaten tun <strong>die</strong>s ausschliesslich in speziell da<strong>für</strong> gebauten Anlagen. Sie kümmern<br />
sich nicht darum, ob wir in der <strong>Schweiz</strong> Kernkraftwerke betreiben oder nicht. Ein<br />
Verzicht auf <strong>die</strong> zivile Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> – in der <strong>Schweiz</strong> oder in anderen Ländern<br />
– hätte keinen Einfluss auf <strong>die</strong> militärische Anwendung.<br />
41<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
42<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
USA<br />
Kanada<br />
2<br />
Mexiko<br />
1<br />
104<br />
22<br />
1<br />
2<br />
Quelle: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>, 2010<br />
Abb. 5.1<br />
Abb. 5.2<br />
Abb. 5.3<br />
1<br />
2<br />
Brasilien<br />
Argentinien<br />
2007 Erdöl<br />
5,6 %<br />
Erdgas<br />
20,9 %<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
13,8 %<br />
15,6 %<br />
Wasserkraft<br />
2,6 %<br />
Geothermie,<br />
Sonne, Wind,<br />
Biomasse und<br />
Abfälle<br />
Kohle<br />
41,5 %<br />
2<br />
Kernkraftwerke der Welt<br />
Armenien<br />
1 China<br />
Iran<br />
1 1<br />
2<br />
Pakistan<br />
4<br />
19<br />
Südafrika<br />
12 Russland<br />
31<br />
In<strong>die</strong>n<br />
24<br />
11<br />
2<br />
6<br />
Taiwan<br />
6<br />
20<br />
2<br />
54<br />
Japan<br />
Südkorea<br />
F<br />
1<br />
58<br />
1971 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005<br />
GB<br />
19<br />
10<br />
Stand: 1. Juli 2010<br />
Kernkraftwerke in Betrieb: 442<br />
Gesamtleistung: ca. 373’500 MW<br />
Anteil an der weltweiten<br />
Stromproduktion 2009: ca.13%<br />
Kernkraftwerke im Bau: 61<br />
Gesamtleistung: ca. 59’400 MW<br />
1<br />
S 4 FIN<br />
NL<br />
1<br />
B<br />
7<br />
6<br />
D<br />
17<br />
SK<br />
CZ 2<br />
4<br />
UKR<br />
15<br />
E<br />
8<br />
5<br />
4<br />
1<br />
CH<br />
SLO H<br />
RO<br />
2<br />
2<br />
2<br />
BG<br />
Weltweite Stromproduktion 1971– 2007<br />
Weltweit steigt <strong>die</strong> Stromerzeugung in Kohle- und Gaskraftwerken stark an.<br />
40% des CO2-arm produzierten Stroms stammen heute aus Kernkraftwerken.<br />
10<br />
Mrd.<br />
Tonnen<br />
CO2<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
1970<br />
Weltweite CO2-Emissionen 1970 – 2004<br />
1975<br />
1980<br />
1985<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
2004<br />
Stromproduktion<br />
20’000<br />
15’000<br />
10’000<br />
5000<br />
0<br />
Terawattstunden (TWh)<br />
Quelle: OECD/IEA, 2009<br />
Industrie (ohne Zement)<br />
Strassenverkehr<br />
Haushalte und Dienstleistungen<br />
Abholzung<br />
Andere<br />
Raffinerien etc.<br />
Internationaler Verkehr<br />
Quelle: Intergovernmental<br />
Panel on Climate Change (IPCC);<br />
Fourth Assessment Draft Report, 2007<br />
Die Zunahme der CO2-Emissionen stammt vor allem aus fossil befeuerten Kraftwerken
Teil 5<br />
Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />
Weltweit stammt ein Siebentel des Stroms aus Kernkraftwerken<br />
Mitte 2010 umfasste der zivile Nuklearpark 442 Kernkraftwerke in 30 Ländern. Allein in<br />
Europa westlich des Urals stehen rund 190 Anlagen in Betrieb. Zudem befanden sich<br />
Mitte 2010 weltweit 61 Einheiten im Bau und <strong>für</strong> mehr als hundert Anlagen liegen konkrete<br />
Projekte vor. Die <strong>Kernenergie</strong> ist alles andere als ein Auslaufmodell.<br />
Abb. 5.1: Kernkraftwerke der Welt<br />
Weltweit stammt rund ein Siebentel des Stroms aus Kernkraftwerken. Das ist fast gleich<br />
viel wie aus den Wasserkraftwerken. Insgesamt wird rund ein Drittel des globalen<br />
Stroms CO2-arm produziert, rund <strong>die</strong> Hälfte davon aus <strong>Kernenergie</strong>. Ein Verzicht auf <strong>die</strong><br />
<strong>Kernenergie</strong> macht weder ökonomisch noch ökologisch Sinn.<br />
Abb. 5.2: Weltweite Stromproduktion<br />
Der globale Energiehunger nimmt zu<br />
In letzter Zeit ist weltweit das Interesse an der <strong>Kernenergie</strong> wieder erwacht. Das hat<br />
handfeste Gründe:<br />
• Die Kernkraftwerke aus dem Boom der 1970er-Jahre nähern sich in absehbarer Zeit<br />
dem Ende ihrer wirtschaftlichen Betriebsdauer und müssen ersetzt werden.<br />
• Die Nachfrage nach Strom nimmt weltweit laufend zu, besonders in bevölkerungs-<br />
reichen Schwellenländern wie China und In<strong>die</strong>n – aber auch in der <strong>Schweiz</strong>. Gemäss<br />
den Schätzungen der Internationalen Energie-Agentur (IEA) der OECD dürfte sich <strong>die</strong><br />
weltweite Stromnachfrage bis 2050 mindestens verdoppeln.<br />
• Die steigenden Preise <strong>für</strong> Erdöl und Erdgas machen <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> wirtschaftlich<br />
noch attraktiver.<br />
• Die Klimaschutzpolitik spricht <strong>für</strong> <strong>die</strong> praktisch treibhausgasfreie, umweltschonende<br />
<strong>Kernenergie</strong>. Denn <strong>die</strong> Zunahme der weltweiten CO2-Emissionen stammt vor allem<br />
von der Stromproduktion aus Kohle, Öl- und Gaskraftwerken. Dieser Sachverhalt ist<br />
ein ganz zentrales Problem in der Klimafrage.<br />
Abb. 5.3: Weltweite CO2-Emissionen<br />
Klima: Die <strong>Kernenergie</strong> ist Teil der Lösung<br />
Beim heutigen Stand der Nukleartechnik kann <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> allein das Klimaproblem<br />
nicht lösen. Der Verzicht auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> erschwert <strong>die</strong> Lösung jedoch massiv. Es ist<br />
sinnvoll, dass <strong>die</strong> Länder mit Erfahrung mit der <strong>Kernenergie</strong> <strong>die</strong>se anspruchsvolle Technologie<br />
weiter nutzen und damit den Handlungsspielraum der Länder der Dritten Welt<br />
bei den fossilen Energien erhöhen. Aus <strong>die</strong>sem Grund führt der Weltklimarat der Uno<br />
(Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) in seinem 2007 veröffentlichten<br />
vierten Lagebericht neben den erneuerbaren Energien ausdrücklich auch <strong>die</strong> Kern-<br />
energie als Schlüsseltechnologie zur Linderung des Klimaproblems auf.<br />
43<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
44<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 5.4<br />
Szenario <strong>für</strong> eine weltweite Stromversorgung im Jahr 2050<br />
Zielsetzung: Reduktion der<br />
weltweiten CO2-Emissionen<br />
auf <strong>die</strong> Hälfte gegenüber heute<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> ist<br />
Teil der Lösung.<br />
neue<br />
Erneuerbare<br />
Quelle: NEA / IEA, Technology Roadmap Nuclear Energy, 2010<br />
Wasserkraft<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
Erdgas<br />
Erdöl<br />
Kohle<br />
ca. 40 000 TWh<br />
ca.<br />
20 000 TWh<br />
Abb. 5.5 Baustelle des weltweit ersten EPR in Olkiluoto, Finnland<br />
Quelle: Eurostat, 2009<br />
Abb. 5.6<br />
Erdgas<br />
21,6 %<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
27,8 %<br />
2007 2050<br />
Strommix der EU-27 im Jahr 2007<br />
Erdöl 3,3 %<br />
10,2 %<br />
Wasserkraft<br />
Kohle<br />
29,4 %<br />
Geothermie 0,2 %<br />
Sonne 0,1 %<br />
Biomasse 3,0 %<br />
Wind 3,1 %<br />
andere 1,3 %<br />
andere<br />
Sonne<br />
Wind<br />
Biomasse /Abfälle<br />
Wasserkraft<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
Erdgas + CCS<br />
Erdgas<br />
Erdöl<br />
Kohle + CCS<br />
CCS:<br />
CO2-Abscheidung<br />
und -Speicherung<br />
In der EU stammt mehr<br />
als <strong>die</strong> Hälfte des Stroms<br />
aus fossilen Kraftwerken<br />
Foto: TVO
Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />
In ihrer jüngsten Roadmap vom Juni 2010 stellen <strong>die</strong> Internationale Energie-Agentur<br />
(IEA) und <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>-Agentur (NEA) der OECD ein Szenario vor, wie bis 2050 <strong>die</strong><br />
weltweiten CO2-Emissionen auf <strong>die</strong> Hälfte gegenüber heute reduziert werden könnten.<br />
Um das zu erreichen, schlagen <strong>die</strong> beiden Agenturen den massiven Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien vor, begleitet vom Ausbau der <strong>Kernenergie</strong> auf mehr als das Dreifache.<br />
Laut <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> ist es technisch machbar, bis ins Jahr 2050 den Anteil der <strong>Kernenergie</strong><br />
in der weltweiten Stromversorgung von heute rund 13 % auf gegen 25 % zu steigern.<br />
Abb. 5.4: Klimafreundliches Szenario der OECD<br />
Russland und Asien setzen auf <strong>Kernenergie</strong><br />
Gegenwärtig verfolgen vor allem Russland, In<strong>die</strong>n und China ehrgeizige Ausbaupläne<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. In den kommenden Jahren will Russland jährlich zwei Neubauten<br />
in Betrieb nehmen, um mehr Erdgas zu guten Preisen nach Westeuropa exportieren zu<br />
können. In Ost- und Südasien stehen heute über drei Dutzend Einheiten im Bau. Mitte<br />
2010 befanden sich allein in China 24 Kernkraftwerke in der Bauphase (siehe Abb. 5.1)<br />
und zahlreiche weitere standen vor dem Baubeginn.<br />
USA: zahlreiche Baugesuche eingereicht<br />
In den USA hat der Kongress im Sommer 2005 ein neues Energiegesetz verabschiedet,<br />
das neben der Förderung der erneuerbaren Energien auch <strong>die</strong> Tür <strong>für</strong> neue Kernkraftwerke<br />
weit öffnet. Aktuell verfolgen mehr als ein Dutzend Firmen und Konsortien Pläne<br />
zum Bau von 22 Kernkraftwerken. Präsident Barack Obama unterstützt ausdrücklich<br />
den Ausbau der <strong>Kernenergie</strong>.<br />
Neubauten und Neubaupläne in Europa<br />
In Europa hat zuletzt Rumänien im Jahr 2007 ein neues Kernkraftwerk in Betrieb genommen.<br />
In Finnland steht das fünfte Kernkraftwerk des Landes im Bau, und anfangs<br />
Juli 2010 hat das finnische Parlament grünes Licht <strong>für</strong> den Bau von zwei weiteren Einheiten<br />
gegeben. In Frankreich wurde Ende 2007 in der Norman<strong>die</strong> ebenfalls mit dem<br />
Bau eines Kernkraftwerks der jüngsten Generation begonnen. In der Slowakei und in<br />
Bulgarien werden zwei vor längerer Zeit angefangene Kernkraftwerke fertig gebaut.<br />
Abb. 5.5: Neue Kernkraftwerke in Westeuropa<br />
Projekte <strong>für</strong> den Ersatz bzw. den Neubau von Kernkraftwerken gibt es gegenwärtig in<br />
Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Litauen, in den Niederlanden, Polen,<br />
Rumänien, Schweden (der schwedische Ausstiegsbeschluss ist im Juni 2010 vom Parlament<br />
aufgehoben worden), in der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Weissrussland,<br />
in der Ukraine, Ungarn und in der <strong>Schweiz</strong>.<br />
EU-Parlament: <strong>Kernenergie</strong> unverzichtbar<br />
In der EU stammen gegenwärtig rund 28 % des Stroms aus Kernkraftwerken. Im Januar<br />
2007 hat sich <strong>die</strong> EU-Kommission klar <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verlängerung der Betriebsdauer der bestehenden<br />
Kernkraftwerke und <strong>für</strong> Neubauten ausgesprochen. Und am 24. Oktober 2007<br />
hat das Europäische Parlament mit deutlicher Mehrheit (509 gegen 153 Stimmen und<br />
30 Enthaltungen) einen Bericht angenommen, der festhält, dass <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Versorgungssicherheit der EU und den Klimaschutz unverzichtbar ist.<br />
Abb. 5.6: Strommix der EU-27<br />
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 5.7<br />
Foto: PSI<br />
Abb. 5.8.<br />
Realitätsnahe Sicherheitstests im Grossmassstab<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> dritte Reaktorgeneration: Versuchsanlage<br />
«Panda» im Paul Scherrer Institut in Villigen /<br />
Würenlingen
Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />
Zusatzinformation zum Kernkraftwerkbau<br />
Wie schnell mit entsprechendem politischem Willen <strong>die</strong> Kerntechnik entwickelt werden kann,<br />
zeigt das Beispiel Frankreichs: Als Antwort auf <strong>die</strong> Ölkrise der 1970er-Jahre nahm unser<br />
Nachbarland in den zehn Jahren von 1977 bis 1986 nicht weniger als 42 (!) grosse Kernkraftwerke<br />
in Betrieb.<br />
Die Kernkraftwerke der dritten Generation stehen bereit<br />
Wie jede andere Technik entwickelt sich <strong>die</strong> zivile Kerntechnik laufend weiter. Fachleute<br />
unterscheiden heute vier Generationen. Die heute in der <strong>Schweiz</strong> in Betrieb stehenden<br />
Anlagen gehören zur zweiten Generation, <strong>die</strong> sich im industriellen Alltagseinsatz<br />
bewährt hat. Durch sorgfältige Wartung und laufende Erneuerungen kann <strong>die</strong> Betriebsdauer<br />
<strong>die</strong>ser zuverlässigen Anlagen deutlich verlängert werden.<br />
In den vergangenen Jahrzehnten ist <strong>die</strong> Entwicklung fortgeschrittener Reaktor typen<br />
einer neuen, dritten Generation weltweit vorangetrieben worden. Im Zentrum steht <strong>die</strong><br />
weitere Verbesserung von Sicherheit, Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit. Die<br />
Kernkraftwerke der dritten Generation sind heute marktreif und bilden <strong>die</strong> Grundlage<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Neubauten der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Die beiden ersten fortgeschrittenen<br />
Kernkraftwerke haben 1996 und 1997 in Japan den Betrieb aufgenommen, und<br />
viele der gegenwärtig weltweit im Bau oder in Planung befindlichen Kernkraftwerke gehören<br />
<strong>die</strong>ser Generation an.<br />
Abb. 5.7: Schematische Darstellung der Weiterentwicklung der Kernkraftwerke<br />
Dritte Generation: effizienter, wirtschaftlicher und noch sicherer<br />
Die Entwicklung von Reaktorsystemen der dritten Generation begann bereits in den<br />
1980er-Jahren. In vielen Fällen handelt es sich um <strong>die</strong> Weiterentwicklung der zuverlässigen<br />
Reaktortypen der zweiten Generation. Dieses evolutionäre Vorgehen ermöglicht es<br />
den Konstrukteuren, den allgemeinen technischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte mit<br />
den praktischen Erfahrungen aus über 12 000 Reaktorbetriebsjahren zu verbinden. Die<br />
Kraftwerke der dritten Generation zeichnen sich aus durch:<br />
• mehr Effizienz durch einen geringeren Bedarf an Natururan pro produzierte Kilowattstunde<br />
• verbesserte Wirtschaftlichkeit durch standardisierte und robuste Konstruktionsweisen,<br />
was Bewilligungsfristen, Bauzeit und Kapitalkosten reduziert<br />
• noch grössere Sicherheit durch Weiterentwicklung der Technik.<br />
Ein zentrales Kriterium <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicherheit ist <strong>die</strong> Eintretenswahrscheinlichkeit eines<br />
Kernschmelzschadens. In der <strong>Schweiz</strong> verlangt zurzeit der Gesetzgeber, dass <strong>die</strong>se geringer<br />
sein muss als eins zu hunderttausend pro Reaktorbetriebsjahr. Die Reaktorsysteme<br />
der dritten Generation unterbieten <strong>die</strong>se Vorgabe deutlich.<br />
An <strong>die</strong> Kernkraftwerke der dritten Generation stellen Konstrukteure und Behörden<br />
zudem den Anspruch, dass selbst im schlimmstmöglichen Störfall – so unwahrscheinlich<br />
er auch sein mag – <strong>die</strong> Auswirkungen auf <strong>die</strong> Anlage beschränkt bleiben, d.h. keine<br />
unzulässigen radioaktiven Freisetzungen in <strong>die</strong> Umwelt stattfinden. Durch entsprechende<br />
passive Systeme und bauliche Barrieren wird sichergestellt, dass <strong>die</strong> verbleibende<br />
Wärme ohne Beeinträchtigung der Umwelt abgeführt werden kann und <strong>die</strong> radioaktiven<br />
Stoffe eingeschlossen bleiben.<br />
Abb. 5.8: Sicherheitsforschung<br />
47<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 5.9 Der fortgeschrittene «passive» Druckwasserreaktor AP1000 aus den USA<br />
Abb. 5.10 Baustelle des weltweit ersten AP1000 in Sanmen, China<br />
Abb.5.11<br />
Weiterentwicklung der Sicherheitssysteme beim EPR<br />
Effizienter,<br />
wirtschaftlicher,<br />
noch sicherer:<br />
Die dritte<br />
Generation von<br />
Kernkraftwerken<br />
steht bereit<br />
Quelle: Areva NP, 2007<br />
Dampferzeuger<br />
Flutbecken<br />
1 2 3 4<br />
Vier unabhängige<br />
Sicherheitssysteme<br />
1<br />
3<br />
2<br />
4<br />
Reaktorkern mit<br />
Brennelementen<br />
Doppel-<br />
Containment<br />
Ausbreitungsfläche<br />
<strong>für</strong> Kernschmelze<br />
Foto: Westinghouse<br />
Foto: Westinghouse
Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />
Passive Sicherheitssysteme<br />
Eine innovative Entwicklung der letzten Jahrzehnte sind <strong>die</strong> sogenannten passiven Sicherheitssysteme.<br />
Sie basieren auf physikalischen Naturgesetzen wie beispielsweise der<br />
Schwerkraft. Im Unterschied zu aktiven Sicherheitssystemen benötigen passive Systeme<br />
keine Pumpen oder motorgetriebenen Ventile und erfüllen ihre Funktion ohne Energiezufuhr<br />
von aussen. Im Falle einer schweren Störung sind je nach Reaktortyp <strong>für</strong> 12 bis<br />
72 Stunden keine Eingriffe durch den Menschen nötig. Praktisch alle Reaktortypen der<br />
dritten Generation enthalten solche neuartigen Sicherheitssysteme.<br />
Anbieter in aller Welt<br />
Auf dem Weltmarkt bieten gegenwärtig Hersteller aus Europa, Nordamerika, Ostasien<br />
und Russland Reaktorsysteme der dritten Generation an. Bei den meisten handelt es sich<br />
um unterschiedlich innovative Weiterentwicklungen der sehr zuverlässigen und heute<br />
weit verbreiteten Leichtwasserreaktoren, wie sie auch in der <strong>Schweiz</strong> in Betrieb<br />
stehen.<br />
Zusatzinformationen zu den Leichtwasserreaktoren der dritten Generation<br />
Zu den Leichtwasserreaktoren der dritten Generation gehören unter anderen der von<br />
Westinghouse angebotene Druckwasserreaktor AP1000 (Advanced Passive Plant, elektrische<br />
Leistung ca. 1100 Megawatt) und <strong>die</strong> von General Electric / Hitachi entwickelten Siedewasserreaktoren<br />
ABWR (Advanced Boiling Water Reactor, 1350–1600 Megawatt) und ESBWR<br />
(Economic and Simplified Boiling Water Reactor, ca. 1500 Megawatt). Aus Europa stammen<br />
der französisch-deutsche fortgeschrittene Druckwasserreaktor EPR (1600 Megawatt) und<br />
der Siedewasserreaktor SWR1000 «Kerena» (1250 Megawatt) von Areva. Dazu kommt der<br />
etwas kleinere Druckwasserreaktor «Atmea 1» (1000–1150 Megawatt) von Areva/Mitsubishi.<br />
AP1000, ESBWR und SWR1000 zeichnen sich durch passive, von der Schwerkraft und der<br />
natürlichen Konvektion angetriebene Sicherheitssysteme aus, <strong>die</strong> ohne äussere Energiezufuhr<br />
funktionieren. Nach einer Schnellabschaltung könnten <strong>die</strong>se Anlagen während drei<br />
Tagen ohne Eingriff der Operateure sich selbst überlassen werden. Eine allfällige Kernschmelze<br />
kann im Reaktordruckgefäss zurückgehalten werden. Zudem vereinfacht das robuste<br />
Design den Bau und Betrieb <strong>die</strong>ser Reaktorsysteme.<br />
Abb. 5.9 und 5.10: Der AP1000<br />
Der Baubeginn des weltweit ersten AP1000 erfolgte im Frühjahr 2009 in China. Inzwischen<br />
stehen dort insgesmat vier AP1000 im Bau. In den USA sind über ein Dutzend Baugesuche<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Reaktortyp eingereicht worden. Für den ESBWR sind in den USA ebenfalls Baugesuche<br />
eingereicht worden.<br />
Vom europäischen Druckwasserreaktor EPR stehen gegenwärtig je eine Einheit in Finnland<br />
und in Frankreich sowie zwei Einheiten in China im Bau. In den USA sind zwei Baugesuche<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Typ eingereicht worden. Beim EPR würde im höchst unwahrscheinlichen Fall eines<br />
Kernschmelzschadens der geschmolzene Kern auf einer speziellen Ausbreitungsfläche innerhalb<br />
des Reaktorgebäudes aufgefangen und <strong>die</strong> Wärme abgeführt. Zudem sind das Reaktorgebäude<br />
und zwei der vier Gebäude mit den voneinander unabhängigen Sicherheitssystemen<br />
mit je einer zweiten Betonschale zusätzlich gegen Flugzeugabstürze geschützt.<br />
Abb. 5.11: Weiterentwicklung der Sicherheitssysteme beim EPR<br />
49<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />
Auch bei der Familie der Schwerwasserreaktoren, <strong>die</strong> im Unterschied zu den Leichtwasserreaktoren<br />
mit (nicht oder nur ganz schwach angereichertem) Natururan betrieben<br />
werden können, befinden sich Systeme der dritten Generation in Vorbereitung.<br />
So arbeitet <strong>die</strong> Atomic Energy of Canada gegenwärtig am ACR 1000 (Advanced Candu<br />
Reactor, ca. 1200 Megawatt). Auch In<strong>die</strong>n entwickelt einen fortgeschrittenen 300-Megawatt-Schwerwasser-Reaktor.<br />
In Entwicklung stehen zudem kleine, sehr innovative Reaktoren, <strong>die</strong> flexibel im Baukastensystem<br />
zu grossen Produktionseinheiten zusammengebaut werden können. In<br />
der industriellen Umsetzung bereits fortgeschritten ist der Kugelhaufenreaktor (Pebble<br />
Bed Modular Reactor). Dabei handelt es sich um einen gasgekühlten Hochtemperatur-<br />
Reaktor von 165 Megawatt elektrisch, der auf eine deutsche Entwicklung zurückgeht.<br />
Zudem befinden sich vorab in den USA und in Japan eine Reihe weiterer kleiner Reaktorsysteme<br />
in Entwicklung. Sie eignen sich <strong>für</strong> Stromnetze mit geringer Übertragungskapazität<br />
und kommen neben der Stromproduktion auch <strong>für</strong> weitere Anwendungen in<br />
Frage wie das Entsalzen von Meerwasser oder das Bereitstellen von Prozesswärme <strong>für</strong><br />
Industrieanlagen.<br />
Abb.5.12<br />
Aktuelle Informationen über <strong>die</strong> neuen Reaktorsysteme der dritten Generation und<br />
über den Stand ihrer Entwicklung und Zertifizierung finden sich auf der Website des<br />
<strong>Nuklearforum</strong>s <strong>Schweiz</strong> unter den Links «Fakten zur <strong>Kernenergie</strong>» � «Kernkraftwerke<br />
der dritten Generation» � «PDF herunterladen».<br />
Hochtemperaturreaktor der vierten Generation <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produktion<br />
von Strom und Wasserstoff (Very High Temperature Reactor, VHTR)<br />
Reaktor<br />
Wärmetauscher<br />
Kühlung<br />
Wasserstoff-Produktionsanlage<br />
Die Nukleartechnik hat ein grosses Zukunftspotenzial<br />
Wasser<br />
Sauerstoff<br />
Wasserstoff<br />
Quelle:<br />
GIF, 2008
Vierte Generation und Kernfusion: heute noch Zukunftsmusik<br />
Bereits arbeiten Wissenschafter weltweit – auch unter Beteiligung der <strong>Schweiz</strong> – an einer<br />
nächsten Generation von grundlegend neuartigen Reaktorsystemen <strong>für</strong> <strong>die</strong> zweite<br />
Hälfte des 21. Jahrhunderts. Zusammen mit den erneuerbaren Energien werden <strong>die</strong>se<br />
Systeme der sogenannten vierten Generation den Schlüssel zur nachhaltigen Sicherung<br />
der Lebensgrundlagen der kommenden Generationen bilden.<br />
Am 21. September 2007 hat <strong>die</strong> EU <strong>die</strong> «Sustainable Nuclear Fission Technology Platform»<br />
lanciert. Die vorgeschlagenen Forschungsthemen umfassen <strong>die</strong> weitere Optimierung<br />
der heutigen Kernkraftwerke, <strong>die</strong> Entwicklung fortgeschrittener Rezyklierungstechnologien<br />
zur Minimierung der radioaktiven Abfälle, <strong>die</strong> Inbetriebnahme zweier<br />
Schneller Brüter unterschiedlichen Typs bis 2020 sowie <strong>die</strong> Inbetriebnahme eines<br />
Hochtemperaturreaktors, mit dem neben Strom auch alternative Treibstoffe produziert<br />
werden können.<br />
Für <strong>die</strong> Lösung der aktuellen Stromversorgungsprobleme der <strong>Schweiz</strong> kann <strong>die</strong> vierte<br />
Generation nichts beitragen, da sie nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen wird. Das<br />
gleiche gilt <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kernfusion. Zwar wird demnächst in einer weltweiten Anstrengung<br />
– ebenfalls unter Beteiligung der <strong>Schweiz</strong> – in Südfrankreich der vielversprechende<br />
Experimental-Fusionsreaktor ITER gebaut. Heute ist jedoch noch nicht absehbar, bis<br />
wann kommerzielle Fusionskraftwerke zur Verfügung stehen werden.<br />
Zusatzinformationen zu Generation IV und Kernfusion<br />
• Generation IV: Auf Initiative der USA haben sich eine Reihe Länder zum «Generation IV<br />
International Forum» (GIF) zusammengeschlossen. Ziel ist, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit nach 2040 grundlegend<br />
neue Reaktoren und Brennstoffkreisläufe zu entwickeln, <strong>die</strong> den Ressourcenverbrauch<br />
drastisch reduzieren, <strong>die</strong> Menge des radioaktiven Abfalls erheblich vermindern<br />
und den Missbrauch <strong>für</strong> Kernwaffen wesentlich erschweren. Das GIF hat sechs innovative<br />
Reaktorsysteme <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung ausgewählt – darunter vier Schnelle Reaktoren<br />
(«Schnelle Brüter») und ein Hochtemperatur-Reaktor, der sich neben der Stromproduktion<br />
auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produktion von Wasserstoff aus Wasser eignet. Beteiligt am GIF sind zurzeit<br />
13 Partner: Argentinien, Brasilien, China, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Kanada,<br />
Russland, <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>, Südafrika, Südkorea, <strong>die</strong> USA und <strong>die</strong> Europäische Atomgemeinschaft<br />
Euratom.<br />
Abb. 5.12: Hochtemperaturreaktor der vierten Generation<br />
• Kernfusion: Die Kernfusion ist <strong>die</strong> Energiequelle der Sonne und der Sterne. Gelingt es, sie<br />
auf der Erde zu nutzen, steht der Menschheit eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle<br />
zur Verfügung. Als weiterer Schritt zur Erreichung <strong>die</strong>ses Ziels wird in den kommenden<br />
Jahren im südfranzösischen Cadarache der internationale thermonukleare Versuchs-<br />
reaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) gebaut. Mit dem<br />
ITER-Projekt soll <strong>die</strong> wissenschaftliche und technische Machbarkeit der Fusion zur Energieerzeugung<br />
gezeigt werden. In einer späteren Phase wird der Bau eines Demonstra-<br />
tionsreaktors ins Auge gefasst – eventuell gefolgt von kommerziell betriebenen Fusionskraftwerken.<br />
An der am 24. Mai 2006 in Brüssel gegründeten ITER-Organisation<br />
sind beteiligt: <strong>die</strong> Europäische Atomgemeinschaft Euratom (und damit auch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>),<br />
China, In<strong>die</strong>n, Japan, Russland, Südkorea und <strong>die</strong> USA – mithin mehr als <strong>die</strong> Hälfte<br />
der Menschheit.<br />
51<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
52<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 6.1<br />
Abb. 6.2<br />
Anforderungen an <strong>die</strong> Stromproduktion<br />
Umweltschutz<br />
Klimaschutz<br />
Verstärkte<br />
Energieeffizienz<br />
Versorgungssicherheit<br />
Wirtschaftlichkeit<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> erfüllt alle drei Ansprüche<br />
Die vier Pfeiler der Energiepolitik des Bundesrats<br />
Ausbau erneuerbare<br />
Energien<br />
Energiepolitik<br />
Neue Grosskraftwerke<br />
Verstärkte int.<br />
Zusammenarbeit<br />
«Der Bundesrat ist von der Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke überzeugt.»
Teil 6<br />
Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Wir werden alle Technologien benötigen<br />
Die Lösung <strong>für</strong> <strong>die</strong> künftige <strong>Schweiz</strong>er Stromversorgung wird im Dreieck von Versorgungssicherheit,<br />
Umwelt-/Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit gefunden werden müssen.<br />
Die <strong>Kernenergie</strong> erfüllt alle drei Ansprüche.<br />
Abb. 6.1: Anforderungen an <strong>die</strong> Stromproduktion<br />
Am Weltenergiekongress in Sydney im September 2004 kam der Weltenergierat – <strong>die</strong><br />
grösste energieträgerübergreifende internationale Organisation der Energiewirtschaft –<br />
zum Schluss, dass alle Energieoptionen, einschliesslich der <strong>Kernenergie</strong>, offengehalten<br />
werden müssen:<br />
«Keine Technologie sollte idealisiert oder dämonisiert werden, ... denn wir können<br />
es uns nicht leisten, auch nur eine davon über Bord zu werfen.»<br />
Der Weltklimarat der Uno (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) nennt<br />
in seinem 2007 veröffentlichten vierten Lagebericht <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> ausdrücklich als<br />
Schlüsseltechnologie zur Linderung des Klimaproblems. Rajendra Pachauri, der Vor-<br />
sitzende des Weltklimarats, erklärte im April 2007:<br />
«Die <strong>Kernenergie</strong> eröffnet uns <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Kohlenstoffintensität substanziell<br />
zu reduzieren, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie ökonomisch sehr<br />
attraktiv ist.»<br />
Am 24. Oktober 2007 hat das Europäische Parlament mit grosser Mehrheit eine Entschliessung<br />
angenommen, <strong>die</strong> unter anderem festhält:<br />
«Bei einem Ausstieg aus der <strong>Kernenergie</strong> sind <strong>die</strong> Ziele in Bezug auf <strong>die</strong> Verringerung<br />
der Treibhausgasemissionen und <strong>die</strong> Bekämpfung des Klimawandels nicht<br />
zu erreichen.»<br />
Die vier Pfeiler der <strong>Schweiz</strong>er Energiepolitik<br />
Diesen Überlegungen ist auch der Bundesrat gefolgt. Die von der Landesregierung am<br />
21. Februar 2007 vorgestellte Energiepolitik steht auf vier Pfeilern:<br />
• verstärkte Förderung von Massnahmen zur effizienten Energienutzung<br />
• verstärkte Förderung der erneuerbaren Energien mit massvollem Ausbau der Wasserkraft<br />
• Bau von neuen Grosskraftwerken zur Schliessung der verbleibenden Versorgungs-<br />
lücke, wobei sich der Bundesrat ausdrücklich zum Ersatz der bestehenden oder zum<br />
Bau von neuen Kernkraftwerken bekennt sowie zum Bau von Gaskombikraftwerken<br />
als Übergangslösung bis zur Inbetrieb nahme der neuen Kernkraftwerke<br />
• verstärkte internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit der EU.<br />
Abb. 6.2: Die vier Pfeiler der Energiepolitik des Bundesrats<br />
53<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
54<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 6.3 Windpark in Ostfriesland, Deutschland<br />
Abb. 6.4 Solarfeld bei Serpa, Portugal<br />
Verfügbare Windleistung (Megawatt)<br />
22’000<br />
20’000<br />
18’000<br />
16’000<br />
14’000<br />
12’000<br />
10’000<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
Abb. 6.5<br />
Stromeinspeisung aller Windanlagen in Deutschland 2008<br />
theoretisch mögliche Stromproduktion des Windkraftwerksparks<br />
(rund 20‘000 Anlagen; installierte Leistung ca. 23‘000 Megawatt)<br />
tatsächliche Windstromproduktion<br />
Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez<br />
Jahresrevisionen der KKW<br />
Windstrom kann <strong>Kernenergie</strong> nicht ersetzen, nur ergänzen<br />
Foto: Keystone<br />
Foto: GE Energy<br />
Quelle Winddaten:<br />
Renewable Energy<br />
Information System on<br />
Internet (REISI) der Universität<br />
Kassel, gefördert<br />
vom Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit<br />
(BMU)<br />
Verfügbarkeit der<br />
5 <strong>Schweiz</strong>er KKW<br />
Nennleistung:<br />
3372 Megawatt<br />
brutto
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Bei der Präsentation der neuen Energiepolitik erklärte Bundesrat Moritz Leuenberger<br />
ausdrücklich:<br />
«Der Bundesrat ist von der Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke überzeugt.»<br />
Zusatzinformation zur Energiepolitik des Bundes<br />
An seiner Sitzung vom 20. Februar 2008 hat der Bundesrat seine im Jahr zuvor vorgestellte<br />
Energiepolitik konkretisiert und zwei Aktionspläne des Departements <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr,<br />
Energie und Kommunikation (Uvek) zur Energieeffizienz und zu den erneuerbaren Energien<br />
verabschiedet. Im Bereich der Stromversorgung will der Bundesrat den Anstieg des Stromverbrauchs<br />
zwischen 2010 und 2020 auf maximal 5 % begrenzen. Nach 2020 sehen <strong>die</strong><br />
Aktionspläne «eine Stabilisierung des Stromverbrauchs» vor. Die heutige Realität sieht anders<br />
aus: Ende 2009 lag der <strong>Schweiz</strong>er Stromverbrauch trotz schwacher Konjunktur nahe<br />
am Rekordwert aus dem Vorjahr (siehe Abb. 1.5).<br />
Erneuerbare Energien: stark im Gespräch...<br />
Gemäss Energiegesetz soll bis ins Jahr 2030 <strong>die</strong> Stromproduktion aus erneuerbaren<br />
Energien um 5,4 Terawattstunden (= 5,4 Milliarden Kilowattstunden) erhöht werden.<br />
Dies entspricht knapp 10 % des (heutigen) Landesverbrauchs. Die <strong>Schweiz</strong>er Stromversorger<br />
unterstützen <strong>die</strong>ses sehr ehrgeizige Ziel.<br />
Seit dem 1. Januar 2009 wird <strong>die</strong> zusätzliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien<br />
über Einspeisevergütungen subventioniert. Die Finanzierung erfolgt über einen Zuschlag<br />
von gegenwärtig 0,45 Rappen pro Kilowattstunde, der von den Stromkonsumenten<br />
bezahlt wird. Jährlich stehen so etwa 250 Mio. Franken <strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung der Stromproduktion<br />
aus kleinen Wasserkraftwerken, Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme zur<br />
Verfügung. 2012 kann der Bundesrat <strong>die</strong>se Abgabe auf 0,6 Rappen erhöhen, und ab<br />
2013 auf 0,9 Rappen.<br />
... aber zu wenig und nicht bedarfsgerecht<br />
Wind ist in Ländern mit windreichen Meeres küsten eine attraktive, zusätzliche Energiequelle.<br />
Die <strong>Schweiz</strong> gehört dagegen zu den windärmsten Regionen Europas. Gute Standorte<br />
<strong>für</strong> Windkraftwerke gibt es nur auf Bergrücken, wo sie mit dem Landschafts- und<br />
Naturschutz kolli<strong>die</strong>ren. Auch mit Sonne ist <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> nicht verwöhnt; insbesondere<br />
im Winter, wenn während der kurzen Tage im Mittelland oft noch Hochnebel liegt.<br />
Wind und Sonne haben in der <strong>Schweiz</strong> nur ein begrenztes Potenzial.<br />
Abb. 6.3 und 6.4: neue erneuerbare Energien<br />
Dazu kommt, dass der Wind unregelmässig weht und <strong>die</strong> Stromproduktion von Windparks<br />
extremen Schwankungen unterworfen ist. In Deutschland kommt es immer wieder<br />
vor, dass <strong>die</strong> inzwischen über 21’000 Windräder während längerer Zeit deutlich weniger<br />
Strom erzeugen als beispielsweise <strong>die</strong> fünf schweizerischen Kernkraftwerke.<br />
Abb. 6.5: Stromproduktion aus Wind in Deutschland<br />
Ähnliches gilt <strong>für</strong> Solarzellen: Bei Bewölkung sinkt ihre Produktion markant, und in der<br />
Nacht liefern sie keinen Strom. Im Winter, wenn der Strombedarf am höchsten ist, produzieren<br />
sie am wenigsten. Wind- und Solarkraftwerke erfordern herkömmliche Reservekraftwerke<br />
gleicher Leistung, <strong>die</strong> sofort einspringen können, wenn der Wind abflaut<br />
oder <strong>die</strong> Sonne nicht scheint.<br />
Die tiefe Geothermie, <strong>die</strong> wie <strong>die</strong> Kernkraftwerke Bandenergie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Grundversorgung<br />
liefern könnte, ist technisch noch nicht ausgereift und ihr langfristig realistisches Poten-<br />
55<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
56<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 6.6 Stausee Oberaar, Grimsel, <strong>Schweiz</strong><br />
Produktionskosten der neuen erneuerbaren Energien im Jahr 2000<br />
und Schätzung <strong>für</strong> das Jahr 2035<br />
Kleinwasserkraft<br />
Abb. 6.7<br />
Biomasse<br />
Geothermie<br />
Windenergie<br />
Photovoltaik<br />
2035<br />
2000<br />
2000<br />
2035<br />
2035<br />
2000<br />
2000: keine Anlage in Betrieb<br />
2035<br />
2035<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Rappen pro Kilowattstunde<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
3. Generation<br />
Quellen: PSI/GaBE <strong>für</strong> BFE Energieperspektiven, 2005; <strong>Kernenergie</strong>: Prognos AG, 2008<br />
Abb. 6.8 Stromimporte sind keine Option <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft<br />
<strong>Kernenergie</strong> ist<br />
kostengünstig –<br />
heute und morgen<br />
2000<br />
Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Foto: VSE
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
zial ist noch schwer abschätzbar. Eine Pilotbohrung in Basel wurde nach dem Auftreten<br />
von spürbaren Erdbeben am 8. Dezember 2006 vorläufig eingestellt.<br />
Die Wasserkraft ist in der <strong>Schweiz</strong> – wenn überhaupt – nur noch beschränkt ausbaubar<br />
und kolli<strong>die</strong>rt mit den Anliegen des Natur- und Gewässerschutzes. Im Herbst 2009 zog<br />
der <strong>Schweiz</strong>erische Fischerverband seine Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)»<br />
zurück, nachdem das Parlament als Gegenvorschlag das Gewässerschutzgesetz<br />
verschärft hatte. Die neuen Bestimmungen erschweren <strong>die</strong> Stromproduktion<br />
aus Wasserkraft zusätzlich.<br />
Abb. 6.6: Wasserkraft<br />
Allen neuen erneuerbaren Energien ist gemeinsam, dass sie teils erheblich teurer<br />
sind als <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern.<br />
Abb. 6.7: Produktionskosten der neuen erneuerbaren Energien 2000 und 2035<br />
Optimaler <strong>Schweiz</strong>er Strommix<br />
Wind und Sonne können Kernkraftwerke nicht ersetzen. Ihr grosses Potenzial liegt in<br />
Anwendungen, bei denen <strong>die</strong> grossen Schwankungen ihrer Verfügbarkeit keine entscheidende<br />
Rolle spielen, etwa bei der Produktion von Treibstoffen oder bei der Meerwasserentsalzung.<br />
Zudem erfordert ihr Bau im Vergleich zu Wasser- und Kernkraftwerken<br />
relativ viel Rohstoffe und einen grossen Energieeinsatz (siehe Abb. 3.8 und 3.11).<br />
Für <strong>die</strong> ununterbrochene Versorgung eines Stromnetzes mit Millionen von Konsumenten<br />
ist der Verbund von Wasserkraft mit Kern energie viel zuverlässiger, wirtschaftlicher<br />
und auch ressourcenschonender.<br />
Zusatzinformation zu neuen Gaskombikraftwerken<br />
In der Sommersession 2010 revi<strong>die</strong>ren <strong>die</strong> Eidgenössischen Räte das CO 2-Gesetz. Demnach<br />
müssen Gaskraftwerke ihre CO 2-Emissionen vollumfänglich kompensieren, wobei Emissionszertifikate<br />
aus dem Ausland zu maximal 30 % angerechnet werden können. Dies verhindert<br />
– aus wirtschaftlichen Gründen – praktisch den Bau von Gaskraftwerken in der<br />
<strong>Schweiz</strong>.<br />
Importe sind keine Lösung<br />
Importe sind keine Lösung, da der Strom in ganz Europa knapper werden wird und<br />
lange Übertragungswege anfälliger <strong>für</strong> technische Störungen und politische Willkür<br />
sind als kurze im eigenen Land. Über<strong>die</strong>s schränken <strong>die</strong> begrenzten Transportkapazitäten<br />
den Stromimport bereits heute ein.<br />
Strom sollte möglichst dort produziert werden, wo er benötigt wird.<br />
Gegenwärtig kann <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> aufgrund von langfristigen Beteiligungsverträgen mit<br />
Frankreich zur Deckung von Produktionslücken – vor allem im Winterhalbjahr – Strom<br />
aus den französischen Kernkraftwerken beziehen. Diese Verträge laufen zwischen 2018<br />
und 2040 aus. Eine Erneuerung <strong>die</strong>ser Vereinbarungen dürfte äusserst schwierig sein, da<br />
<strong>die</strong> EU im Zuge der Strommarktliberalisierung <strong>die</strong> Wettbewerbsregeln geändert hat. Neu<br />
sind solche Langfristverträge, <strong>die</strong> den privilegierten Zugang zu den grenzüberschreitenden<br />
Netzkapazitäten einräumen, nicht mehr zulässig.<br />
Abb. 6.8: Stromimporte<br />
57<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
58<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 6.9<br />
Veränderungen<br />
2000 bis 2035<br />
Gesamter Energieverbrauch<br />
Stromverbrauch<br />
Stromlücke<br />
Quelle:<br />
Bundesamt <strong>für</strong><br />
Energie, 2007<br />
Szenarien der «Energieperspektiven 2035»<br />
I: Weiter<br />
wie bisher<br />
+ 2%<br />
Verbrauch fossile Energien - 11%<br />
+ 29%<br />
22 Mrd. kWh<br />
~ 36% des<br />
heutigen<br />
Bedarfs<br />
Stromverbrauch, Szenarien I bis IV<br />
II: Verstärkte<br />
Zusammenarbeit<br />
- 4%<br />
- 20%<br />
+ 23%<br />
18 Mrd. kWh<br />
~ 30% des<br />
heutigen<br />
Bedarfs<br />
III: Neue<br />
Prioritäten<br />
- 14%<br />
- 34%<br />
+ 14%<br />
13 Mrd. kWh<br />
~ 20% des<br />
heutigen<br />
Bedarfs<br />
IV: Weg zur<br />
2000-Watt-<br />
Gesellschaft<br />
- 27%<br />
- 48%<br />
- 2%<br />
5 Mrd. kWh<br />
~ 10% des<br />
heutigen<br />
Bedarfs<br />
Bei allen Szenarien kommt es zu einer Stromversorgungslücke
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Die Szenarien der Energieperspektiven<br />
Am 16. Februar 2007 hat das Eidg. Departement <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />
(Uvek) <strong>die</strong> «Energieperspektiven 2035» veröffentlicht. Der Bericht <strong>die</strong>nte unter<br />
anderem als Grundlage <strong>für</strong> den jüngsten Entscheid des Bundesrats über <strong>die</strong> künftige<br />
Energiepolitik der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Gemäss <strong>die</strong>sen Szenarien erwarten <strong>die</strong> Bundesbehörden − und zwar unabhängig von<br />
der zukünftig gewählten Energiepolitik − keine Zunahme des Gesamtenergieverbrauchs<br />
der <strong>Schweiz</strong> mehr (Abb. 1.8). Im Strombereich schwanken <strong>die</strong> Auswirkungen der politischen<br />
Handlungsszenarien zwischen einem Nachfragezuwachs bis 2035 von knapp einem<br />
Drittel und dem Verbleiben des Stromkonsums etwa auf dem Niveau des Jahres<br />
2000. In jedem Fall verbleibt im Jahr 2035 eine grössere oder kleinere Versorgungslücke,<br />
<strong>die</strong> mit neuer einheimischer Produktionskapazität geschlossen werden muss. Dies gilt<br />
auch bei der sogenannten «2000-Watt-Gesellschaft».<br />
Abb. 6.9: Szenarien der «Energieperspektiven 2035»<br />
Zusatzinformationen zu den «Energieperspektiven 2035» (I)<br />
Für den Strombereich präsentiert das Bundesamt <strong>für</strong> Energie (BFE) <strong>die</strong> folgenden Zahlen:<br />
Szenario I «Weiter wie bisher»: Es handelt sich um das Referenzszenario, bei dem <strong>die</strong> heute<br />
in Kraft stehenden Energiemassnahmen weitergeführt werden. Bei <strong>die</strong>sem Szenario würde<br />
<strong>die</strong> Stromnachfrage bis 2035 um 29 % gegenüber dem Jahr 2000 ansteigen. Dabei wird<br />
unterstellt, dass <strong>die</strong> Nachfrage dank steigender Effizienz jährlich nur noch um 0,8 % zunimmt,<br />
und nicht um 1,8 % wie in der Vergangenheit. Mit Beginn der Versorgungslücke ab<br />
2018 würde sich so bis 2035 − zusammen mit dem Stilllegen der drei <strong>die</strong>nstälteren Kernkraftwerke<br />
in Beznau und Mühleberg und dem Auslaufen der Lieferverträge mit Frankreich −<br />
eine einheimische Produktionslücke von gut 22 Mrd. kWh öffnen. Diese Lücke entspricht<br />
36 % des heutigen inländischen Bedarfs. Der Stromverbrauch würde aber noch stärker ansteigen,<br />
wenn sich <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaftsleistung überdurchschnittlich entwickeln oder<br />
das Erdöl schneller teurer würde als angenommen.<br />
Szenario II «Verstärkte Zusammenarbeit»: Hier werden jährlich zusätzliche 330 Mio. Franken<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung «grünen» Stroms und weitere freiwillige Effizienzsteigerungsmassnahmen<br />
eingerechnet. Bei <strong>die</strong>ser Handlungsoption würde <strong>die</strong> Stromnachfrage um jährlich knapp<br />
0,6 % ansteigen; bis 2035 um insgesamt rund 23 % gegenüber 2000. Durch <strong>die</strong> verstärkte Förderung<br />
der erneuerbaren Energien (einschliesslich der Wasserkraft) erhofft sich das BFE<br />
zusätzliche 5,7 Mrd. kWh. Die einheimische Deckungslücke würde ab 2018 einsetzen und im Jahr<br />
2035 gut 18 Mrd. kWh erreichen, d.h. rund 30 % der heutigen inländischen Stromnachfrage.<br />
Szenario III «Neue Prioritäten»: Anders als bei den beiden ersten Szenarien werden bei den<br />
Szenarien III und IV Ziele vorgegeben. Beim Szenario III ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Reduktion des gesamten<br />
Energiekonsums – nicht allein des Stromkonsums – pro Kopf um 34 % bis 2035. Unterstellt wird<br />
<strong>die</strong> Einführung einer Energielenkungsabgabe, welche <strong>die</strong> fossilen Energieträger um 100 % und<br />
den Strom um 30 % verteuert. Dies kombiniert mit der Annahme, dass das europäische Umfeld<br />
mitzieht und dadurch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Industrie ihre Konkurrenzfähigkeit erhalten kann. Bei<br />
<strong>die</strong>ser Handlungsoption steigt der Stromkonsum bis 2035 immer noch um 14 % an. Die einheimische<br />
Stromlücke würde ab 2018 einsetzen und im Jahr 2035 gut 13 Mrd. kWh erreichen.<br />
Szenario IV «Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft»: Erreicht werden soll <strong>die</strong>ses Ziel durch eine<br />
gegenüber dem Szenario III verschärfte und ebenfalls international harmonisierte Energielenkungsabgabe<br />
und durch tiefgreifende Veränderungen im Investitions-, Konsum-, Arbeits-<br />
und Mobilitätsverhalten. Zudem verlagert sich <strong>die</strong> Wirtschaftstätigkeit von einer «energie-<br />
und materialintensiven zu einer <strong>die</strong>nstleistungs- und wissensorientierten Produktion», wie<br />
das BFE schreibt. Die Deckungslücke beim Strom ist immer noch vorhanden und beträgt im<br />
Jahr 2035 rund 5 Mrd. kWh bzw. 10 % des heutigen Landesverbrauchs.<br />
59<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
60<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 6.10<br />
Abb. 6.11<br />
Vergleich von Kosten und CO 2 bei verschiedenen Angebotsvarianten<br />
Stromverbrauch,<br />
Szenarien I bis IV<br />
I: Weiter wie bisher<br />
II: Verstärkte<br />
Zusammenarbeit<br />
III: Neue Prioritäten<br />
IV: Weg zur 2000-<br />
Watt-Gesellschaft<br />
Quelle: Bundesamt <strong>für</strong><br />
Energie, 2007<br />
mit Kernkraftwerken<br />
mit Gaskraftwerken<br />
mit erneuerbaren<br />
Energien<br />
durch Stromimporte<br />
Kosten CO2 Kosten CO2 Kosten CO2 Kosten CO2<br />
3,9<br />
4,4<br />
4,4<br />
4,3<br />
- 12%<br />
- 21%<br />
- 34%<br />
- 47%<br />
4,4<br />
5,0<br />
5,3<br />
4,7<br />
+ 4%<br />
- 9%<br />
- 26%<br />
- 41%<br />
nicht<br />
betrachtet<br />
nicht<br />
betrachtet<br />
7,2<br />
7,0<br />
nicht<br />
betrachtet<br />
nicht<br />
betrachtet<br />
- 36%<br />
- 48%<br />
4,4<br />
5,1<br />
4,8<br />
4,8<br />
- 12%<br />
- 21%<br />
- 34%<br />
- 47%<br />
Veränderung der CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 2000<br />
Gestehungskosten ab Werk (in Rappen pro Kilowattstunde), ohne Netzkosten<br />
In allen Szenarien fährt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> mit <strong>Kernenergie</strong> am Besten<br />
Vergleich der Angebotsvarianten <strong>Kernenergie</strong> und Erdgas<br />
Kriterien<br />
1. Beitrag zur Versorgungssicherheit<br />
2. Kosten<br />
3. Unternehmerisches Risiko<br />
4. Umwelt<br />
5. Politische Realisierbarkeit<br />
6. Volkswirtschaftliche Auswirkungen<br />
Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />
Elektrizitätsunternehmen (VSE), «Vorschau 2006»<br />
Variante nur<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
Variante nur<br />
Erdgas<br />
Variante<br />
Erdgas und<br />
<strong>Kernenergie</strong><br />
positiv neutral negativ<br />
Aus Sicht der Stromversorger ist <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> <strong>die</strong> beste Option
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
<strong>Kernenergie</strong> ist <strong>die</strong> günstigste und umweltfreundlichste Lösung<br />
Die Elektrizität spielt in der technologischen Entwicklung eine immer grössere Rolle.<br />
Elektrizität ist <strong>die</strong> Schlüsselenergie – heute und in Zukunft.<br />
In ihrer am 25. Februar 2008 publizierten Energiestrategie relativiert <strong>die</strong> ETH Zürich ihr<br />
Konzept der «2000-Watt-Gesellschaft». Ziel ist neu <strong>die</strong> «eine-Tonne-CO2-Gesellschaft».<br />
Dies bedeutet, dass der Stromverbrauch aus CO2-armen Quellen in den kommenden<br />
Jahrzehnten deutlich ansteigen sollte, um durch <strong>die</strong> weitere Elektrifizierung der Energieversorgung<br />
der <strong>Schweiz</strong> den Verbrauch von Erdöl und Erdgas ohne Wohlstandsverluste<br />
drastisch senken zu können. Hier<strong>für</strong> ist unter anderem der Einsatz der <strong>Kernenergie</strong> erforderlich,<br />
erklärte Ralph Eichler, Präsident der ETH Zürich, anlässlich der Präsentation<br />
der Energiestrategie.<br />
Betrachtet man <strong>die</strong> Szenarien des Bundes genauer, so stellt man folgendes fest: In jedem<br />
der untersuchten Fälle – also auch bei der «2000-Watt-Gesellschaft» – fährt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
am besten, wenn sie <strong>die</strong> verbleibende Stromlücke vor allem mit <strong>Kernenergie</strong> schliesst.<br />
Diese Lösung ist nicht nur <strong>die</strong> volkswirtschaftlich günstigste, sondern sie reduziert auch<br />
<strong>die</strong> CO2-Emissionen der <strong>Schweiz</strong> am stärksten. <strong>Kernenergie</strong> ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> eine<br />
Win-win-Strategie. Zu <strong>die</strong>sem Schluss sind auch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Elektrizitätsunternehmen<br />
gekommen.<br />
Abb. 6.10: Vergleich von Kosten und CO2 bei verschiedenen Angebotsvarianten<br />
Der wesentliche Nachteil der <strong>Kernenergie</strong> liegt in den Hemmungen und politischen Widerständen<br />
gegen <strong>die</strong>se Technologie. Lassen sich <strong>die</strong>se überwinden, kann <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>für</strong> das Land günstigste Option verwirklichen.<br />
Abb. 6.11: Vergleich der Angebotsvarianten <strong>Kernenergie</strong> und Erdgas<br />
Zusatzinformationen zu den «Energieperspektiven 2035» (II)<br />
Die «Energieperspektiven 2035» des Bundes stossen auf teils massive Kritik der Stromwirtschaft,<br />
<strong>die</strong> sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> sichere Landesversorgung zuständig fühlt. So hält der Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />
Elektrizitätsunternehmen (VSE) fest, dass <strong>die</strong> Perspektiven <strong>die</strong> Ergebnisse der vom<br />
VSE im Mai 2006 herausgegebenen Stu<strong>die</strong> «Vorschau 2006» zwar bestätigen. Allerdings gingen<br />
<strong>die</strong> Perspektiven des Bundes teilweise von wenig realistischen Annahmen aus. Insbesondere<br />
<strong>die</strong> Szenarien III und IV dürften in einer freiheitlichen Gesellschaft kaum Akzeptanz<br />
finden. Die Prognosen des VSE stützten sich demgegenüber auf <strong>die</strong> aktuellen Entwicklungen<br />
in der <strong>Schweiz</strong> und in Europa ab und profitierten von der jahrzehntelangen Erfahrung der<br />
Branche.<br />
Auch <strong>für</strong> Swisselectric, der Organisation der schweizerischen Stromverbundunternehmen,<br />
stellen insbesondere <strong>die</strong> Szenarien III und IV keine valablen Planungsgrundlagen dar, da<br />
sie nur mit massiven staatlichen Eingriffen umgesetzt werden könnten und zu einem drastischen<br />
Wohlstandsverlust führen würden. Aber auch <strong>für</strong> das Referenzszenario I würden Annahmen<br />
getroffen, <strong>die</strong> am untersten Rand der zu erwartenden Entwicklungen liegen.<br />
So gehen beispielsweise <strong>die</strong> Energieperspektiven von einem Wachstum der Bevölkerung von<br />
7,2 Mio. im Jahr 2001 auf 7,6 Mio. im Jahr 2035 aus. Gemäss Bundesamt <strong>für</strong> Statistik zählte<br />
<strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> jedoch im Frühjahr 2010 bereits 7,8 Mio. Einwohner.<br />
61<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
62<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Abb. 6.12<br />
Abb. 6.13<br />
Absehbare Stromversorgungslücke bis ins Jahr 2035<br />
Mehrverbrauch bis 2035<br />
(+0,5% jährlich)<br />
15 Mrd. kWh<br />
Ersatz <strong>für</strong> wegfallenden Importstrom 4 Mrd. kWh<br />
Ersatz <strong>für</strong> Beznau und Mühleberg 9 Mrd. kWh<br />
Stromlücke insgesamt bis 2035 25 – 30 Mrd. kWh<br />
(Bandbreite)<br />
Quelle: Swisselectric, 2007<br />
Die zu erwartende Lücke entspricht fast der Hälfte der heutigen<br />
Stromproduktion in der <strong>Schweiz</strong><br />
Lösungsvorschlag der Stromverbundunternehmen<br />
Investitionen bis 2035 in:<br />
Volumen in<br />
<strong>Schweiz</strong>er Franken<br />
Nicht «entweder – oder», sondern «sowohl als auch»<br />
Produktionszuwachs<br />
Erneuerbare Energien inkl. Wasserkraft 8 –10 Mrd. 5 Mrd. kWh<br />
2 bis 3 Kernkraftwerke 10 –12 Mrd. 20 Mrd. kWh<br />
bis 5 Gaskombikraftwerke 2 Mrd. 3 Mrd. kWh *<br />
Netzausbauten 2 –3 Mrd.<br />
3 Pumpspeicherkraftwerke 3 Mrd. Füllen der Leistungslücke<br />
bei Nachfragespitzen<br />
Total 25 – 30 Mrd. 25 – 30 Mrd. kWh<br />
* Stand 2035 mit Gaskombikraftwerken als Lieferanten von Spitzenenergie<br />
(während der Übergangszeit: 10 Mrd. kWh jährlich)<br />
Quelle: Swisselectric, 2007
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Die Versorgungslücke aus Sicht der Stromversorger<br />
Aufgrund <strong>die</strong>ser Ausgangslage haben <strong>die</strong> in der Organisation Swisselectric zusammengeschlossenen<br />
<strong>Schweiz</strong>er Stromverbundunternehmen am 22. März 2007 in Bern ihren<br />
Lösungsvorschlag zum Abwenden der drohenden Stromversorgungslücke vorgestellt.<br />
Die Versorgungslücke entsteht durch<br />
• <strong>die</strong> altersbedingte Abschaltung der Kernkraftwerke Beznau-1 und -2 und Mühleberg<br />
• das Auslaufen der heutigen Stromimportverträge mit Frankreich<br />
• den zu erwartenden Mehrverbrauch, der sich aus der Annahme eines moderaten Verbrauchszuwachses<br />
von 0,5 % pro Jahr ergibt (in den letzten Jahren ist der Verbrauch<br />
ungefähr doppelt so schnell angestiegen)<br />
Dies bedeutet, dass <strong>die</strong> bis 2035 zu erwartende Stromlücke mindestens 25–30 Milliarden<br />
Kilowattstunden erreichen dürfte. Das ist fast <strong>die</strong> Hälfte der heutigen <strong>Schweiz</strong>er Stromproduktion.<br />
Abb. 6.12: Absehbare Stromversorgungslücke bis ins Jahr 2035<br />
Der Vorschlag der Stromwirtschaft<br />
Zum Abwenden <strong>die</strong>ser Versorgungslücke sind <strong>die</strong> Stromverbundunternehmen bereit, bis<br />
zum Jahr 2035 rund 30 Mrd. Franken in neue Kraftwerke zu investieren. Darunter befinden<br />
sich als tragende Säule auch zwei bis drei neue Kernkraftwerke. Im Verhältnis zum<br />
eingesetzten Kapital erzeugen sie den meisten Strom.<br />
Abb. 6.13: Lösungsvorschlag der Stromverbundunternehmen<br />
Zusatzinformationen zu den Vorschlägen der Stromwirtschaft<br />
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz: Im Vordergrund steht ein moderater Ausbau<br />
der Wasserkraft. Dazu erachten <strong>die</strong> Verbundunternehmen den Mitteleinsatz <strong>für</strong> Biomasse<br />
als besonders sinnvoll. In beiden Fällen ist eine Güterabwägung mit dem Schutz der<br />
Umwelt nötig. Mit zielgerichteter Fachberatung und mit kommunikativen Massnahmen sollen<br />
Stromkundinnen und Stromkunden zudem verstärkt <strong>für</strong> den effizienten Einsatz von<br />
Strom sensibilisiert und motiviert werden.<br />
Neue Kernkraftwerke: Sie <strong>die</strong>nen der Sicherstellung einer zuverlässigen, umweltgerechten<br />
und wettbewerbsfähigen Stromversorgung sowie als Ersatz <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kernkraftwerke Beznau<br />
und Mühleberg und <strong>die</strong> auslaufenden Stromimportverträge mit Frankreich.<br />
Gaskombikraftwerke: Diese kommen wegen ihrer CO2-Produktion lediglich als Übergangs-<br />
lösung in Frage. Je rascher neue Kernkraftwerke ans Netz gehen können, desto weniger Gaskombikraftwerke<br />
werden benötigt. Nach dem Bau der neuen Kernkraftwerke <strong>die</strong>nen sie als<br />
Lieferanten von Spitzenenergie im Umfang von 3 Mrd. kWh. Mit den neuen Kompensationspflichten<br />
im CO 2-Gesetz (siehe Seite 57) sind Gaskraftwerke in der <strong>Schweiz</strong> jedoch nicht<br />
wirtschaftlich zu betreiben.<br />
Netzausbauten: Bereits heute gelangen <strong>die</strong> Leitungsnetze an den Rand ihrer Transportkapazität.<br />
Ein Ausbau ist vor allem bei den Übertragungsnetzen (Hoch- und Mittelspannung)<br />
im Inland erforderlich.<br />
Pumpspeicherkraftwerke: Sie sind <strong>die</strong> «Reservetanks» und sichern <strong>die</strong> Stromversorgung bei<br />
Bedarfsspitzen.<br />
63<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
64<br />
<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Neue Kernkraftwerke an bestehenden Standorten<br />
Kernkraftwerke benötigen <strong>für</strong> ihren Betrieb genügend Kühlwasser und eine leistungsfähige<br />
Anbindung an das Stromnetz. Die heutigen Standorte erfüllen <strong>die</strong>se Anforderungen;<br />
sie stehen bei der Planung von Ersatzanlagen daher auch im Vordergrund. Dazu<br />
kommt der – weltweit zu beobachtende – Umstand, dass <strong>die</strong> Bevölkerung in den Standortregionen<br />
von Kernkraftwerken generell atomfreundlicher eingestellt ist als der Landesdurchschnitt.<br />
Am 9. Juni 2008 hat <strong>die</strong> Kernkraftwerk Niederamt AG, eine Projektgesellschaft der<br />
heutigen Alpiq, beim Bundesamt <strong>für</strong> Energie das Rahmenbewilligungsgesuch <strong>für</strong> ein<br />
Kernkraftwerk im Solothurner Niederamt zwischen Olten und Aarau eingereicht. Am<br />
4. Dezember 2008 reichten <strong>die</strong> jeweiligen Standortgesellschaften von Axpo und BKW<br />
– <strong>die</strong> Ersatz-Kernkraftwerk Beznau AG und <strong>die</strong> Ersatz-Kernkraftwerk Mühleberg AG –<br />
gemeinsam zwei Rahmenbewilligungsgesuche <strong>für</strong> Kernkraftwerke an den Standorten<br />
Beznau und Mühleberg ein. Alle <strong>die</strong>se Kernkraftwerke sollen den europäischen Standards<br />
<strong>für</strong> Leichtwasserreaktoren der dritten Generation entsprechen und eine elektrische<br />
Leistung von je maximal 1600 Megawatt haben.<br />
Hybridkühltum: geringe Höhe und kaum Nebelschwaden<br />
Die heutigen <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke werden ohne Kühlturm direkt mit Flusswasser<br />
gekühlt (Beznau, Mühleberg) oder mit einem Nasskühlturm (Gösgen, Leibstadt). Kühltürme<br />
haben den Vorteil, dass sie <strong>die</strong> Abwärme in <strong>die</strong> Atmosphäre abführen und <strong>die</strong><br />
Fliessgewässer nicht mit Wärme belasten.<br />
Als Novum <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> schlagen <strong>die</strong> Planungsgesellschaften <strong>für</strong> <strong>die</strong> projektierten<br />
Kernkraftwerke sogenannte Hybridkühltürme vor. Ein solcher Hybridkühlturm steht<br />
seit 1989 im Block 2 des Kernkraftwerks Neckarwestheim bei Stuttgart in Betrieb. Mit<br />
einer Höhe von rund 50 Metern ist er nur etwa ein Drittel so hoch wie <strong>die</strong> Nasskühltürme<br />
in Gösgen oder Leibstadt und erzeugt kaum Nebelschwaden. Anders als ein hoher<br />
Nasskühlturm benötigt ein Hybridkühlturm jedoch Ventilatoren. In Neckarwestheim<br />
verbrauchen <strong>die</strong>se 1,4 % der Stromproduktion. Dank Schalldämpfung sind sie ausserhalb<br />
des Turms kaum hörbar.<br />
Abb. 6.14 Der Hybridkühlturm des Kernkraftwerks Neckarwestheim, Deutschland<br />
Foto: GKN
Das Volk hat das letzte Wort<br />
Am 1. Februar 2005 ist das neue <strong>Kernenergie</strong>gesetz in Kraft getreten. Es legt fest, dass<br />
neue Kernkraftwerke sowie Zwischen- oder Tiefenlager drei Bewilligungsverfahren auf<br />
Bundesebene durchlaufen müssen. Nötig sind zuerst eine Rahmenbewilligung, dann<br />
eine Baubewilligung und schliesslich eine Betriebsbewilligung.<br />
Über <strong>die</strong> Rahmenbewilligung entscheiden zuerst der Bundesrat, dann <strong>die</strong> Eidgenössischen<br />
Räte und schliesslich – weil der Parlamentsbeschluss dem fakultativen Referendum<br />
untersteht – mit hoher Wahrscheinlichkeit das <strong>Schweiz</strong>er Volk. Dieser Entscheid ist<br />
abschliessend, das Gesetz sieht kein lokales oder kantonales Vetorecht vor.<br />
Mit <strong>die</strong>ser Regelung ist sichergestellt, dass der allfällige Neubau von Kernkraftwerken in<br />
der <strong>Schweiz</strong> demokratisch legitimiert ist.<br />
Zusatzinformationen zu den Bewilligungsverfahren<br />
Mit der Rahmenbewilligung werden <strong>die</strong> grundsätzlichen, politischen Fragen entschieden.<br />
Insbesondere wird festgestellt, ob der politische Wille <strong>für</strong> den Bau der Anlage vorhanden ist.<br />
Dazu reicht der Antragsteller das Gesuch beim Bundesamt <strong>für</strong> Energie (BFE) ein. Dieses bestellt<br />
<strong>die</strong> nötigen Fachgutachten. Liegen <strong>die</strong> Gutachten vor, fordert das BFE <strong>die</strong> Kantone und<br />
<strong>die</strong> Fachstellen des Bundes auf, innerhalb von drei Monaten zum Gesuch und den Gutachten<br />
Stellung zu nehmen.<br />
Während der anschliessenden ebenfalls drei Monate dauernden öffentlichen Auflage des<br />
Gesuchs und der Stellungnahmen der Kantone und der Fachstellen des Bundes ist jedermann<br />
berechtigt, Einwendungen zu erheben. Anschliessend werden <strong>die</strong> Stellungnahmen zu<br />
den Einwendungen eingeholt, und das Gesuch wird dem Bundesrat zum Entscheid vorgelegt.<br />
Bei der Vorbereitung des Rahmenbewilligungsentscheids beteiligt der Bund <strong>die</strong> Standortkantone<br />
und <strong>die</strong> in unmittelbrarer Nähe zum vorgesehenen Standort liegenden Nachbarkantone<br />
und Nachbarländer.<br />
Über den Bundesratsentscheid befindet anschliessend das Parlament. Eine vom Parlament<br />
genehmigte Rahmenbewilligung untersteht dem fakultativen Referendum. Kommt es zustande,<br />
fällt der definitive Entscheid in einer eidgenössischen Volksabstimmung.<br />
Im Baubewilligungsverfahren werden sämtliche notwendigen Bewilligungen auf Bundesebene<br />
gebündelt. Einsprache können hier nur berechtigte Parteien erheben. Die Baubewilligung<br />
erteilt das Eidgenössische Departement <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />
(Uvek). Gegen dessen Entscheid besteht eine zweistufige Rekursmöglichkeit: an das<br />
Bundesverwaltungsgericht und an das Bundesgericht.<br />
Das Verfahren zum Erlangen der Betriebsbewilligung ist ähnlich wie jenes bei der Baubewilligung.<br />
Auch hier besteht eine zweistufige Rekursmöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht<br />
und an das Bundesgericht.<br />
Der Fahrplan des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rahmenbewilligungsgesuche<br />
Für <strong>die</strong> im Jahr 2008 von der Stromwirtschaft eingereichten drei Rahmenbwilligungsgesuche<br />
hat das Bundesamt <strong>für</strong> Energie (BFE) einen Fahrplan vorgelegt. Demnach liegen<br />
<strong>die</strong> sicherheitstechnischen Gutachten – insbesondere jene des Eidgenössischen<br />
Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) – bis im Herbst 2010 vor. Im Jahr 2011 geben <strong>die</strong><br />
Kantone und <strong>die</strong> Fachstellen des Bundes ihre Stellungnahmen zu den Gesuchen ab und<br />
<strong>die</strong> Unterlagen werden öffentlich aufgelegt.<br />
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />
Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />
Anschliessend bereitet der Bund unter Mitwirkung der betroffenen Kantone und Nachbarstaaten<br />
den Bundesratsentscheid vor. Dieser ist <strong>für</strong> Mitte 2012 vorgesehen.<br />
Auf den Bundesratsentscheid folgt <strong>die</strong> Beratung in den Eidgenössischen Räten. Gemäss<br />
Fahrplan des BFE könnte eine allfällige Volksabstimmung über <strong>die</strong> Rahmenbewilligungen<br />
im Jahr 2013 erfolgen.<br />
Entscheid von grösster Tragweite<br />
Eine zuverlässige und kostengünstige Stromversorgung ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft unseres Landes<br />
von entscheidender Bedeutung. Wirtschaftswachstum erfordert ausreichend Elektrizität.<br />
Die Stromversorgung betrifft alle Bürgerinnen und Bürger unmittelbar. Sie ist kein<br />
Feld <strong>für</strong> visionäre Experimente mit mehr als ungewissem Ausgang. Eine Versorgungslücke<br />
hätte fatale Folgen <strong>für</strong> Wirtschaft und Gesellschaft und damit <strong>für</strong> den Wohlstand<br />
in der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Auch zu hohe Energiepreise haben unabsehbare Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft. In<br />
den «Energieperspektiven 2035» erwartet das Bundesamt <strong>für</strong> Energie beim extremen<br />
Sparszenario «2000-Watt-Gesellschaft» <strong>die</strong> Verlagerung der Wirtschaftstätigkeit von einer<br />
«energie- und materialintensiven zu einer <strong>die</strong>nstleistungs- und wissensorientierten Produktion».<br />
Im Klartext bedeutet <strong>die</strong>s das weitgehende Verschwinden der Industrie und damit den<br />
weiteren Abbau von Arbeitsplätzen <strong>für</strong> beruflich wenig qualifizierte Menschen. Die<br />
energieintensiven Produkte würden bei <strong>die</strong>sem Szenario aus dem Ausland eingeführt.
Schlusswort<br />
Die beste Lösung in einem anderen Land ist nicht notwendigerweise <strong>die</strong> beste Lösung<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>. Die <strong>Schweiz</strong> hat viel Wasser (aber wenig Wind), hohe Berge (aber wenig<br />
Sonne), eine hohe Bevölkerungsdichte (aber kaum Rohstoffe) und ist ein hoch entwickeltes<br />
Industrieland mit politischer Stabilität. Der heutige Strommix entspricht ideal<br />
<strong>die</strong>sen Voraussetzungen und den Bedürfnissen unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Das<br />
hat der Bundesrat bereits in den 1960er-Jahren erkannt, und wir sind bis heute sehr gut<br />
damit gefahren.<br />
Die heutige Situation erinnert in vielem an <strong>die</strong> Lage vor 50 Jahren, als angesichts der<br />
boomenden Wirtschaft und des steigenden Stromkonsums ebenfalls eine Strom lücke<br />
drohte. Die Stromwirtschaft dachte damals über den Bau von fossilen Kraftwerken nach,<br />
da der weitere Ausbau der Wasserkraft auf zunehmenden politischen Widerstand und<br />
auf physikalische Grenzen stiess.<br />
Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund erklärte 1964 der damalige Energieminister, der sozialdemokratische<br />
Bundesrat Willy Spühler, in einer Rede vor der <strong>Schweiz</strong>erischen Vereinigung <strong>für</strong><br />
Atomenergie (dem heutigen <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>):<br />
«In grundsätzlicher Hinsicht kann kein Zweifel darüber bestehen, dass <strong>die</strong> Zukunft<br />
der Elektrizitätserzeugung in der Atomenergie liegt. In Bezug auf <strong>die</strong> langfristigen<br />
Ziele unserer Elektrizitätsversorgung ist <strong>die</strong> Stromerzeugung in Atom-<br />
reaktoren ideal.»<br />
Diese von Spühler genannten langfristigen Ziele umfassten:<br />
• eine kostengünstige Stromversorgung<br />
• eine ausreichende, sichere und vom Ausland möglichst unabhängige Stromversorgung<br />
• der Schutz von Wasser, Luft und Landschaftsbild.<br />
Das ist heute aktueller denn je.<br />
Spühler fügte dem im Namen des Gesamtbundesrats <strong>die</strong> Aufforderung hinzu, dass «auf<br />
<strong>die</strong> kurzfristig gedachte Zwischenstufe von konventionellen thermischen Kraftwerken<br />
verzichtet und unmittelbar auf den Bau und <strong>die</strong> Inbetriebnahme von Atomkraftwerken<br />
zugesteuert werden sollte.»<br />
Unterstützung fand Spühler damals insbesondere in den Umweltschutzkreisen. Der<br />
<strong>Schweiz</strong>erische Bund <strong>für</strong> Naturschutz – <strong>die</strong> heutige «Pro Natura» – hielt im Februar 1966<br />
im Verbandsorgan «Naturschutz» unmissverständlich fest:<br />
«Der Naturschutzbund unterstützt <strong>die</strong> mehrfach geäusserte Haltung des Bundesrats,<br />
unverzüglich mit dem Bau von Kernkraftwerken zu beginnen.»<br />
Diese Aussagen sind wegweisend. Der heutige <strong>Schweiz</strong>er Strommix von knapp 60 %<br />
Wasserkraft und 40 % <strong>Kernenergie</strong> sollte auch in Zukunft als Zielgrösse beibehalten werden<br />
− ergänzt durch neue erneuerbaren Energien wie Biomasse, Holz und Wind im ökologisch<br />
und wirtschaftlich verantwortbarem Ausmass. In Zukunft werden wir jede Kilowattstunde<br />
brauchen.<br />
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010
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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010