28.05.2013 Aufrufe

Was ist „Vollgeld“? - Sparkassen-SchulService

Was ist „Vollgeld“? - Sparkassen-SchulService

Was ist „Vollgeld“? - Sparkassen-SchulService

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>„Vollgeld“</strong>?<br />

Die Schüler/-innen können erklären, wie Giralgeld durch die Banken und <strong>Sparkassen</strong><br />

geschaffen wird. Sie können erklären, wie demgegenüber der Geldkreislauf in einem<br />

Vollgeldsystem aussehen würde und sie können die beiden Systeme vergleichen.<br />

• Nennen drei Beispiele für Vorgänge, in denen Giralgeld (Buchgeld) geschaffen<br />

oder vernichtet wird.<br />

• Wie wird die Geldversorgung der Wirtschaft in einem Vollgeld-System<br />

organisiert?<br />

• Warum kann es in Wirtschaftskrisen einen „bank run“ geben? Warum besteht in<br />

einem Vollgeld-System keine Gefahr eines „bank runs“?<br />

Woher nehmen Banken und <strong>Sparkassen</strong> das Geld, das sie als Kredite vergeben? Auf<br />

den ersten Blick könnte man meinen, dass es sich um die Einlagen ihrer Kunden auf<br />

Spar- und Girokonten handelt, die sie an Kreditsuchende vermitteln. Bei genauerer<br />

Betrachtung merkt man aber, dass dies so gar nicht stimmt. Denn tatsächlich schaffen<br />

die Banken das notwendige Geld selbst. Man spricht von Geldschöpfung, genauer,<br />

von Buch- oder Giralgeldschöpfung. Diese Wirtschaftsfolie vergleicht zwei Geldsysteme,<br />

eines mit und eines ohne Buchgeldschöpfung. Gerade durch den Vergleich<br />

wird die Funktionsweise unseres Geldsystems besonders deutlich.<br />

Die Europäische Zentralbank stellt den Kreditinstituten sogenanntes Zentralbankgeld<br />

zur Verfügung. Darunter kann man sich der Einfachheit halber ruhig das uns<br />

allen bekannte Bargeld vorstellen (es gibt Zentralbankgeld auch als Buchgeld, davon<br />

sehen wir hier ab). Wenn die Kreditinstitute nun Kredite vergeben, so geschieht dies<br />

als Gutschriften auf dem Konto des Kreditnehmers – also als Buchgeld. Dieses Geld<br />

war vorher nicht da, es entsteht tatsächlich erst durch den Buchungsvorgang, es<br />

entsteht aus dem Nichts heraus. Welche Verbindung gibt es zwischen dem Kredit<br />

und dem Zentralbankgeld? Nehmen wir an, dass das durch den Kredit geschaffene<br />

Buchgeld in vollem Umfang Buchgeld bleibt, also auf Giro- oder Sparkonto kursiert.<br />

Dann muss das Kreditinstitut hierfür eine Mindestreserve bei der EZB hinterlegen –<br />

sein Bestand an Zentralbankgeld sinkt. Und wenn die Kontoinhaber Bargeld von<br />

ihren Konten abheben wollen? Dann muss das Kreditinstitut dieses Bargeld auszahlen<br />

– auch in diesem Fall sinkt sein Bestand an Zentralbankgeld.<br />

Zu Ende gedacht heißt dies: Die Kreditinstitute können so lange Buchgeld schaffen<br />

(= Kredite vergeben), bis ihr Bestand an Zentralbankgeld für Mindestreserve oder<br />

Bargeldabhebungen aufgebraucht <strong>ist</strong>. <strong>Was</strong> würde passieren, wenn sie mehr Buchgeld<br />

schaffen wollten? Dann können sie entweder die gesetzlich vorgesehene Mindestreserve<br />

nicht mehr hinterlegen oder die gewünschten Bargeldauszahlungen<br />

nicht mehr vornehmen – sie wären zahlungsunfähig und würden geschlossen.<br />

Es besteht also ein Zusammenhang zwischen dem von der EZB herausgegebenen<br />

Bargeld und dem gesamten Geldvolumen einer Wirtschaft. Das <strong>ist</strong> kein 1:1-<br />

Zusammenhang, tatsächlich machen die Kreditinstitute aus einem Euro Bargeld<br />

neun Euro Buchgeld (siehe Balkengrafik auf der Folie). Diese „Aufblähung“ der Geldmenge<br />

<strong>ist</strong> an sich gar nicht negativ. Denn erstens kann die EZB die Gesamtmenge<br />

recht fein steuern und zweitens muss sie dazu gerade wegen dieser Aufblähung<br />

keine quantitativ großen Instrumente einsetzen, schließlich wirkt die Geldpolitik ja<br />

mit einer neunfachen Hebelwirkung.<br />

In Zeiten der Wirtschaftskrise kann durch diese neunfache Hebelwirkung ein Problem<br />

entstehen. Denn was passiert, wenn die Menschen zur Bank rennen (bank run)<br />

und ihre Konten auflösen möchten? Im harmlosesten Fall überlebt das betroffene<br />

Institut, kann aber nur noch weniger Kredite vergeben – mit negativen Folgen für<br />

alle (potenziellen) Kreditnehmer. Im schlimmsten Fall wird das Institut zahlungsunfähig.<br />

In jedem Fall löst sich das von ihm geschaffene Buchgeld in die Luft auf, aus<br />

der heraus es geschaffen wurde. Eine Kettenreaktion kann einsetzen und weitere<br />

<strong>Sparkassen</strong> <strong>SchulService</strong><br />

1<br />

Aktuelle<br />

Wirtschaftsfolie<br />

Lernziele<br />

Fragen und Aufgaben<br />

Geld erleichtert<br />

den Handel<br />

Die Buchgeld-<br />

schöpfung ...<br />

... ihre Grenzen, ...<br />

... und ihr Ausmaß<br />

bank run – die Krise


<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>„Vollgeld“</strong>?<br />

Institute können zahlungsunfähig werden. Die Zahlungsunfähigkeit eines Kreditinstituts<br />

bedeutet, dass die von ihm geführten Konten aufgelöst werden, die Konteninhaber<br />

verlieren ihr Vermögen, gesamtwirtschaftlich gehen Nachfrage und Produktion<br />

zurück. Wirtschaftsh<strong>ist</strong>oriker gehen davon aus, dass die Weltwirtschaftskrise<br />

der 1920er Jahre durch einen solchen bank run verursacht wurde. Aus diesem Grund<br />

hilft der Staat „systemrelevanten“ Instituten. Er sichert damit nicht nur die Ex<strong>ist</strong>enz<br />

der Institute, sondern stabilisiert auch die Geldversorgung und damit die Gesamtwirtschaft.<br />

Gibt es keinen anderen Weg, außer dem Einsatz von Steuergeldern? Doch, meinen<br />

jedenfalls die Verfechter von Vollgeld-Systemen. In einem Vollgeld-System <strong>ist</strong> nur<br />

Geld im Umlauf, dass ein vollgültiges gesetzliches Zahlungsmittel <strong>ist</strong> (i. U. zu unserem<br />

Buchgeld). Diese Idee <strong>ist</strong> nicht neu und besagt im Kern: Ein Kreditinstitut darf<br />

Kredite nur in dem Volumen vergeben, wie es Zentralbankgeld hat. Anders gesagt:<br />

Geld würde nur durch die EZB geschaffen – und zwar in der Menge, die für das prognostizierte<br />

Wachstum notwendig <strong>ist</strong>. Wie bisher auch stellt die EZB dieses Zentralbankgeld<br />

den Kreditinstituten zur Verfügung und diese können damit Kredite vergeben<br />

(gegen Zinsen), müssen aber eine hundertprozentige Mindestreserve hinterlegen<br />

(deshalb auch der Begriff 100-Prozent-Geld). Damit schafft ein Kreditinstitut<br />

zwar auch wieder Buchgeld, doch <strong>ist</strong> jeder Buchgeld-Euro durch einen Bargeld-Euro<br />

gedeckt. Man kann auch sagen: in dem Maß, wie durch die Kreditvergabe Buchgeld<br />

entsteht, wird Zentralbankgeld stillgelegt, so dass die umlaufende Geldmenge konstant<br />

bleibt. Das Geschäftsmodell der Kreditinstitute bleibt also im Kern erhalten –<br />

sie konkurrieren um Kreditnehmer und erzielen Gewinne über die Verzinsung der<br />

vergebenen Kredite.<br />

Dieses vielleicht abwegig anmutende Gedankenspiel wurde von einer ganzen Reihe<br />

namhafter Ökonomen propagiert (z. B. von Walter Eucken, einem Vater der sozialen<br />

Marktwirtschaft, oder dem Nobelpre<strong>ist</strong>räger Milton Friedman und vielen anderen).<br />

Und auch zurzeit <strong>ist</strong> es wieder in der wirtschaftspolitischen Diskussion. In einer<br />

2012 erschienenen Studie zeigten zwei IWF-Ökonomen anhand von Modellrechnungen,<br />

welche Folgen das System für die US-Wirtschaft hätte: die Gesamtwirtschaft<br />

wäre deutlich stabiler, sprich, die Konjunkturausschläge nach unten und oben wären<br />

deutlich geringer, die Gefahr eines bank runs würde komplett entfallen, Kreditinstitute<br />

wären nicht mehr systemrelevant und müssten nicht mehr mit steuerfinanzierten<br />

Rettungsschirmen geschützt werden. Die Wirtschaftsle<strong>ist</strong>ung stiege um bis zu<br />

10 Prozent, in der Konsequenz nähme die Staatsverschuldung ab und die privaten<br />

Vermögen würden steigen.<br />

Die Folie zeigt ganz links das derzeitige System der Buchgeldschöpfung: Zentralbankgeld<br />

fließt an die Kreditinstitute, diese schöpfen daraus ein Vielfaches an<br />

Buchgeld, erst wenn ihr Zentralbankgeldbestand komplett aufgebraucht <strong>ist</strong>, kommt<br />

die Buchgeldschöpfung zum Erliegen. Auf der Folie <strong>ist</strong> dies durch zwei gleichdicke<br />

Pfeile von der EZB weg und zu ihr hin dargestellt (sprich: von Bargeld wird abstrahiert,<br />

das Zentralbankgeld der Kreditinstitute wird nur durch die Mindestreservepflicht<br />

in Anspruch genommen). In der Mitte sieht man das Vollgeldsystem, in dem<br />

die Kreditinstitute lediglich das Zentralbankgeld der EZB an die Privaten durchreichen<br />

(deshalb hier zwei gleich dicke Pfeile). Ganz rechts <strong>ist</strong> das Ausmaß der Buchgeldschöpfung<br />

mit aktuellen Zahlen aus Deutschland dargestellt.<br />

Ausführliche Darstellungen und Unterrichtsmaterialien zur Buchgeldschöpfung, die<br />

für Schüler der Sekundarstufen geeignet sind, bietet die Deutsche Bundesbank:<br />

www.bundesbank.de: Service Schule und Bildung Unterrichtsmaterialien<br />

Eine Darstellung des Vollgeldsystems findet man beispielsweise hier:<br />

www.monetative.de oder www.monetative.ch<br />

<strong>Sparkassen</strong> <strong>SchulService</strong><br />

2<br />

Aktuelle<br />

Wirtschaftsfolie<br />

Die Alternative:<br />

Vollgeld<br />

Vollgeld und<br />

seine Folgen<br />

Zur Folien-<br />

darstellung<br />

© 2013 Deutscher <strong>Sparkassen</strong><br />

Verlag GmbH, Stuttgart<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

www.sparkassenverlag.de<br />

Redaktion: Hannes Wirth<br />

Herstellung: Jeanette Nickoll<br />

Satz: media office gmbh,<br />

Kornwestheim<br />

Druck: HERRMANN Druck+Media<br />

GmbH, Sonnenbühl<br />

Printed in Germany<br />

II-2/2013<br />

310 748 112

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!