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Exposé zum Gemälde „Ohne Titel (Stele), 1963 von Gerlinde Beck ...

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<strong>Exposé</strong> <strong>zum</strong> <strong>Gemälde</strong> <strong>„Ohne</strong> <strong>Titel</strong> (<strong>Stele</strong>), <strong>1963</strong> <strong>von</strong> <strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong><br />

<strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong>, 1930 Stuttgart – 2006 Niefern-Öschelbronn<br />

Ohne <strong>Titel</strong> (<strong>Stele</strong>), <strong>1963</strong><br />

Stahl, 54,5 x 12,5 x 14 cm<br />

Provenienz: Galerie Parnass, Wuppertal; Privatsammlung Rheinland; Privatsammlung Freiburg<br />

Zum Künstler und zu dieser Arbeit<br />

<strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong> gehört zu den bekanntesten und bedeutendsten deutschen Bildhauerinnen des 20.<br />

Jahrhunderts. Sie zählt nicht nur zu der Gruppe <strong>von</strong> Bildhauern, die in den 1960er Jahren die<br />

bundesdeutsche Kunst beeinflusst haben, sondern auch zu den wenigen Stahl-Bildhauerinnen.<br />

Zunächst wollte <strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong> Tänzerin werden – ein Wunsch, der sich bald zerschlug. Trotzdem<br />

oder gerade deswegen hat die Erfahrung des Tanzes nachhaltige Spuren in ihrem künstlerischen<br />

Schaffen hinterlassen. Zeitlebens waren Raum und Bewegung wesentliche Ausdrucksmomente ihrer<br />

Plastiken. Ausgehend <strong>von</strong> der Figurine, die als volumenhafte Vertikale abstrahiert ist, hat <strong>Beck</strong><br />

frühzeitig eine eigene, zwischen Hard Edge und konstruktiver Kunst befindliche Formensprache<br />

entwickelt. <strong>Beck</strong> will räumliche Befindlichkeit und Bewegung erfahrbar und anschaulich machen sowie<br />

in die Dreidimensionalität übertragen, ohne sich dem Zwang auszusetzen, mechanisch-kinetische<br />

Techniken einsetzen zu müssen.


<strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong>: Doppelstele III, 1964<br />

Stahl, 120 x 45 x 40 cm<br />

Innerhalb ihres bildnerischen Werkes nehmen die »<strong>Stele</strong>n« einen besonderen Rang ein. Ab <strong>1963</strong><br />

entstanden statuarische, in die Vertikale strebende, dann auch geneigte und gedrehte Säulen- und<br />

Pfeilerformen. Auch wenn die Künstlerin die Skulpturen nüchtern »<strong>Stele</strong>n« nennt, schwingt in ihnen<br />

der Verweis auf den menschlichen Körper mit Rumpf, Kopf und Gliedern eindeutig mit. Die Kuben sind<br />

wie bewegliche Körperteile vertikal aufeinander gesetzt. Der größte Raumkörper bildet dabei den<br />

Kopf, der kleinste den Stand- und Haltekörper. Das aufrechte Gehen, das hauptsächliche Merkmal,<br />

das den Menschen <strong>von</strong> den Tieren unterscheidet, verbleibt als letztes Merkmal der reduzierten Figur<br />

bestehen. Gleichzeitig führt <strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong> die Komplexität dieses scheinbar simplen<br />

Charakteristikums in seiner ganzen Labilität vor: Minimale Berührungspunkte durch Torsion an die<br />

Grenzen der Stabilität geführt und zugespitzt durch die Anordnung des kleinsten Raumkörpers, der<br />

den größeren und schwereren Raumkörpern scheinbar kaum noch standhalten kann. Das bis in ihr<br />

Spätwerk verfolgbare Motiv der »Balance« findet in der <strong>Stele</strong> <strong>von</strong> <strong>1963</strong> eine markante künstlerische<br />

Formulierung. »Das Thema Balance ist für mich das aufregendste«, gibt <strong>Gerlinde</strong> <strong>Beck</strong> zu dieser Zeit<br />

zu Protokoll – und sagt: »Die Raumkörper werden so aufeinander geschichtet, dass sich unten oder in<br />

der Mitte eine Neigung befindet. Den Winkel herauszufinden, der gerade noch jene Sekunde des<br />

Haltens ermöglicht, ist aufregend.«<br />

Im strengen Wortsinn ist die vorliegende »<strong>Stele</strong>« gar keine <strong>Stele</strong>. Statt die strenge Disziplin der<br />

antiken Pfeiler- und Säulenformen zu bewahren, beschäftigt sich <strong>Beck</strong>s in Stahlblech ausgeführte<br />

Skulptur in erster Linie mit dem Grenzbereich zwischen Stabilität und Labilität. Zudem bezeugen<br />

sichtbare Schweißnähte, Schleif- und Hammerspuren, die an überdimensionale Fingerabdrücke<br />

erinnern, wie der Pinselduktus des Malers, die subjektive Autorschaft und machen die Skulpturen auf<br />

sympathische Weise unperfekt und »menschlich«. Das kalte Material Stahl erhält durch die sichtbaren<br />

Arbeitspuren eine lebendige Oberfläche. Trotz der neutralen, abweisenden Glattheit und Kühle des<br />

Ausgangsmaterials erstarren die Skulpturen nicht in technoider Glätte, sondern strahlen eine Vitalität<br />

und Sinnlichkeit aus.<br />

Kurzbiografie<br />

1930 geboren in Stuttgart-Bad Canstatt<br />

1949-56 Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart bei<br />

Karl Hils, Peter Otto Heim, Gerhard Gollwitzer und Willi Baumeister;<br />

Holzschnitzer- und Feinblechner-Lehre<br />

1961 Hugo-<strong>von</strong>-Montfort-Preis<br />

1973-84 Arbeit an der "Klangstraße" (Klang-Skulpturen)<br />

1977 Stipendium der Cité Internationale des Arts in Paris<br />

1989 Verleihung des Professorentitels<br />

1996 Gründung der <strong>Gerlinde</strong>-<strong>Beck</strong>-Stiftung e.V.<br />

2001 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse<br />

2006 gestorben in Mühlacker-Großglattbach<br />

(c) 2009: Galerie Schlichtenmaier, Grafenau

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