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Exposé zum Gemälde „Bäume im Rauhreif“ (1946) von Otto Dix

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<strong>Exposé</strong> <strong>zum</strong> <strong>Gemälde</strong> <strong>„Bäume</strong> <strong>im</strong> <strong>Rauhreif“</strong> (<strong>1946</strong>) <strong>von</strong> <strong>Otto</strong> <strong>Dix</strong><br />

<strong>Otto</strong> <strong>Dix</strong>: Bäume <strong>im</strong> Rauhreif, <strong>1946</strong><br />

Unbezeichnet<br />

Öl auf Leinwand (nicht Pressholz, wie bei Löffler vermerkt)<br />

60 x 81 cm<br />

Werkverzeichnis Löffer <strong>1946</strong> / 23<br />

<strong>im</strong> originalen Rahmen <strong>von</strong> <strong>Otto</strong> <strong>Dix</strong><br />

rückseitig (2 x) mit der Inventarnummer der Staatlichen Kunstsammlungen Schloss Pillnitz: 49/06;<br />

sowie mit der späteren Galerienummer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: 2740;<br />

Sammlungsnummer: SB D 7 (2 x) der Sammlung Beck<br />

Transportetikett: Ausstellung Palais des Beaux Arts, Brüssel<br />

Zettel mit Aufschrift: Wiesbaden<br />

Provenienz:<br />

Staatliche Kunstsammlungen Dresden (1949 direkt <strong>von</strong> <strong>Dix</strong> erworben; wieder verkauft laut<br />

Abgabebeleg 70/01 über die Galerie Keul & Sohn, Wiesbaden)<br />

Galerie Keul & Sohn, Wiesbaden 1969<br />

Sammlung Dr. Helmut Beck, Stuttgart 1970<br />

Sammlung Prof. Dr. Rainer Beck, Coswig 2002<br />

Literatur:<br />

Fritz Nemitz, Deutsche Malerei der Gegenwart, München 1948, S. 53, mit Abb.<br />

Ausstellungskatalog Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 1949, Nr. 33, mit Abb.<br />

Ausstellungskatalog Kulturamt der Stadt Gera, 1949, Nr. 25<br />

Fritz Löffler, <strong>Otto</strong> <strong>Dix</strong> – Œuvre der <strong>Gemälde</strong>, Recklinghausen 1981, S. 61, Abb. Werknummer <strong>1946</strong> / 23<br />

Ausstellungskatalog Galerie der Stadt Stuttgart, 1971, Nr. 122<br />

Ausstellungskatalog Musée d’ Art Moderne de la Ville de Paris, 1972, Nr. 66<br />

Ausstellungskatalog Palais des Beaux Arts, Brüssel, 1985, Nr. 68<br />

Ausstellungskatalog Museum Villa Stuck, 1985, Nr. 365, mit Abb.<br />

Ausstellungskatalog Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg / Museum zu Allerheiligen,<br />

Schaffhausen, 2006, S. 311, mit Farbabb.<br />

Brigit Dalbajewa, <strong>Otto</strong><strong>Dix</strong> in der Dresdner Galerie, Dresden, 2007, S. 13 mit Farbabb. 18, 20, 54.<br />

Preis auf Nachfrage


Zum Künstler und zu dieser Arbeit:<br />

Für <strong>Dix</strong> waren nach seiner Rückkehr nach Hemmenhofen die Jahre <strong>von</strong> <strong>1946</strong> bis 1949 <strong>von</strong><br />

ungemeiner Fruchtbarkeit geprägt. Seine Erleichterung über die wieder gewonnene politische und<br />

persönliche Freiheit, führen zu einem Schaffensschub, so dass in den folgenden vier Jahren etwa 150<br />

<strong>Gemälde</strong> entstehen.<br />

Schließen sich die <strong>1946</strong> entstehenden <strong>Gemälde</strong> in ihrem Stil noch stark an die Landschaften <strong>von</strong><br />

1944 an, wird an <strong>„Bäume</strong> <strong>im</strong> <strong>Rauhreif“</strong> erstmals ein Wandel in der malerischen Durchführung deutlich.<br />

Die Malweise wird freier, beinahe expressiv, der Farbauftrag wird pastoser, der Vortrag der Motive<br />

großzügiger und vereinfachter. Die altmeisterliche Detailgenauigkeit und genaue Charakterisierung<br />

<strong>von</strong> abgebildeten Materialien und Strukturen, der gleichmäßige Farbauftrag, die Darstellung <strong>von</strong><br />

Volumen, weicht einer sich verstärkenden Flächigkeit und Strukturierung, Verfestigung und klaren<br />

Abgrenzung.<br />

Doch gibt es auch eine kleine Reihe <strong>von</strong> Landschaften wie der „<strong>Rauhreif“</strong> <strong>von</strong> <strong>1946</strong>, die eine Variation<br />

dieses Kompositionsstiles aufweist. <strong>Dix</strong> hat sie weit stärker abstrahiert und <strong>zum</strong> „<strong>Rauhreif“</strong> selbst<br />

angemerkt: „Kristalle, viel Weiß“. <strong>Dix</strong> ist auf diese stärkere Abstrahierung <strong>im</strong> Laufe der Jahre <strong>im</strong>mer wieder<br />

zurückgekommen. Zu einem anderen <strong>Gemälde</strong>, der „Herbstlandschaft mit gelbem Baum“ <strong>von</strong> 1948, notierte<br />

er „stark abstrahiert“. In den folgenden Jahren erscheinen solche <strong>Gemälde</strong> vor allem mit einer winterlichen<br />

Thematik, wie die „Winter am See“ <strong>von</strong> 1951 und „Dorf <strong>im</strong> Schnee I“ <strong>von</strong> 1957.“<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Dix</strong>: Winter am See, 1951, Öl auf Pressholz, 60 x 81 cm Dorf <strong>im</strong> Schnee, Öl auf Pressholz, 68 x 87 cm, 68 x 87 cm<br />

Pastos, unverdünnt mit Weiß vermischt setzt <strong>Dix</strong> die Farben auf die Leinwand, die vor allem ein<br />

schnelles Arbeiten erlaubt, <strong>im</strong> Gegensatz zur langwierigen Lasurmalerei. <strong>Dix</strong> greift mit der pastosen<br />

„alla pr<strong>im</strong>a“ Malerei auf frühe Landschaftsbilder wie „Verschneiter Wald“ <strong>von</strong> 1912 oder „Schlucht mit<br />

Pferdegespann“ <strong>von</strong> 1913 zurück.<br />

<strong>Otto</strong> <strong>Dix</strong>: Schlucht (mit Pferdegespann), 1913<br />

Öl auf Pappe, 61,5 x 54 cm, Privatbesitz


Auch die Rhythmisierung des <strong>Gemälde</strong>s z.B. durch die Reihung der Baumspitzen in „Verschneiter<br />

Wald“ oder die gestufte Schlucht in „Schlucht mit Gespann“ findet sich in <strong>„Bäume</strong> mit <strong>Rauhreif“</strong> wieder,<br />

als kristalline Formen, die den endenden Herbst und den beginnenden Winter kennzeichnen. Folgt<br />

man der Deutung des <strong>Dix</strong>-Spezialisten Rainer Beck symbolisiert das Bild, als seelischer Spiegel, die<br />

Situation <strong>von</strong> <strong>Dix</strong>. Demnach ist der alte, abgestorbene Baum als ein „Selbstbildnis“ zu deuten und der<br />

Weg als der Lebensweg und dessen Fortlauf nicht sichtbar, durch den Horizont verstellenden Wald<br />

verbaut ist d.h. dessen Zukunft als unsicher gelten muss.<br />

Dem ist anzufügen, dass die Bäume und Sträucher wie mit Rauhreif eingesponnen wirken und dem<br />

naturerfahrenen Betrachter die Fragilität dieses Zustandes bewusst ist, die durch einen Sonnenstrahl<br />

verschwinden kann.<br />

Auf die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse übertragen hatte die neue politische Freiheit nicht zur<br />

Rehabilitation aller verfemten Künstler geführt. Der Nachholbedarf der „Abstrakten“ best<strong>im</strong>mte den<br />

Blick auf die Kunst und alte wie neue Ressent<strong>im</strong>ents machten die realistischen Gestaltungsweisen<br />

suspekt, vor allem bei <strong>Dix</strong>, der schon vor dem NS Reg<strong>im</strong>e stark polarisiert hatte. Sie veranlassten den<br />

in seiner He<strong>im</strong>at Dresden und Gera angegriffenen, teilweise geschmähten zur Stellungnahme, in der<br />

er den unvoreingenommenen den Bildeindrücken offenen Betrachter fordert. Er schreibt:<br />

„Jeder glaubt zu wissen, wie Kunst sein sollte. Die wenigsten haben aber den Sinn, der <strong>zum</strong> Erleben<br />

<strong>von</strong> Malerei gehört, nämlich den Augensinn. Und zwar einen Augensinn, der Farben und Formen als<br />

lebendige Wirklichkeit <strong>im</strong> Bilde sieht. Denn nicht die Gegenstände, sondern die persönliche Aussage<br />

des Künstlers über die Gegenstände ist wichtig <strong>im</strong> Bild. Also nicht das Was, sondern das Wie. Nicht<br />

laute Diskussion, sondern schweigende Bescheidenheit ist das erste, was der Künstler vom<br />

Betrachter verlangt. Denn das was am Kunstwerk erklärbar ist, ist wenig, das Wesentliche an ihm ist<br />

nicht erklärbar, sondern allein schaubar“ (Abdruck eines Briefes <strong>von</strong> <strong>Dix</strong> als Vorwort <strong>zum</strong> Katalog des<br />

Kulturamts der Stadt Gera 1947 zu einer Ausstellung Geraer Künstler; vergl. Löffler S. 60)<br />

Diese rein künstlerische Sicht zeigt sich deutlich <strong>im</strong> <strong>Gemälde</strong> <strong>„Bäume</strong> mit <strong>Rauhreif“</strong>, in dem <strong>Dix</strong> seine<br />

„Abstraktheit“ weit vorantreibt. Sie hindert ihn jedoch nicht in den folgenden Jahren gegen die<br />

Abstrakten weiterhin scharf zu polemisieren.<br />

Das <strong>Gemälde</strong> wurde 1949 <strong>von</strong> den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden direkt vom Künstler<br />

angekauft. Um den Ankauf seines Triptychon „Der Krieg“ <strong>von</strong> 1932 für die Staatlichen<br />

Kunstsammlungen Dresden zu finanzieren, wurde das <strong>Gemälde</strong> 1969 verkauft und gelangte so in den<br />

Bestand der Sammlung Beck in Stuttgart.<br />

Innerhalb seines Werkes nach 1945 n<strong>im</strong>mt das <strong>Gemälde</strong> eine herausragende Stellung ein. In der<br />

Qualität seiner Durchführung und als Wegmarke einer neuen künstlerischen Orientierung, kann es<br />

nicht nur als das schönste Landschaftsbild der Nachkriegszeit gelten, sondern muss auch als eines<br />

der inhaltlich wichtigsten <strong>Gemälde</strong> des künstlerischen Neubeginns gesehen werden.<br />

(c) 2008: Galerie Schlichtenmaier Grafenau / Stuttgart<br />

Weitere Verwendung des Textes und der Bilder nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Galerie

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