Langfassung - RAG-Stiftung
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Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Urbane Kultur im Stadtquartier<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen für die Essener Stadtteile<br />
Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg mit Zeche Zollverein
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Studie:<br />
Urbane Kultur im Stadtquartier<br />
Planungsbüro Drecker<br />
Ingenieur-, Grün- und Landschaftsplanung<br />
Bottroper Straße 6<br />
46244 Bottrop-Kirchhellen<br />
Bearbeiter: Dipl.-Ing. Peter Drecker<br />
Berater:<br />
Förderer:<br />
M. Sc. Viviane Trautvetter<br />
(Koautor und wissenschaftliche Beratung) Dipl. Geogr. Romy Zischner<br />
Thies Schröder<br />
ts planungskommunikation, Berlin<br />
<strong>RAG</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
Rüttenscheider Straße 1-3<br />
45128 Essen<br />
I
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Inhalt<br />
Abbildungsverzeichnis................................................................................... IV<br />
Zusammenfassung ......................................................................................... VI<br />
1 Einführung ..............................................................................................1<br />
1.1 Problemstellung ............................................................................................................... 1<br />
1.2 Möglichkeiten der Städtebauförderung auf Bundes- und Landesebene ......................... 3<br />
2 Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung....................6<br />
2.1 Fragestellung und Aufbau der Untersuchung .................................................................. 6<br />
2.2 Methodische Vorgehensweise ......................................................................................... 9<br />
3 Der Stadtbezirk VI in Essen.................................................................17<br />
3.1 Lage ............................................................................................................................... 18<br />
3.2 Sozial- und Wirtschaftsstruktur ...................................................................................... 19<br />
3.2.1 Einwohner- und Sozialstruktur .......................................................................... 19<br />
3.2.2 Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur .......................................................... 28<br />
3.3 Das Programm Soziale Stadt im Stadtbezirk................................................................. 34<br />
4 Vergangenheit und Gegenwart der Zeche Zollverein........................39<br />
4.1 Zeche Zollverein als ökonomischer Mittelpunkt der angrenzenden Stadtteile .............. 39<br />
4.2 Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein und seine Neunutzung ....................................... 40<br />
5 Schwerpunktthemen im Stadtbezirk...................................................43<br />
5.1 Beschäftigungseffekte im Stadtbezirk VI – heute und in Zukunft .................................. 43<br />
5.2 Langjährige Kooperationsstrukturen als Grundlage für die heutige Zusammenarbeit .. 52<br />
5.3 Bildung und Soziales im Stadtbezirk VI ......................................................................... 59<br />
5.4 Kinder und Jugendliche im Stadtbezirk VI ..................................................................... 62<br />
5.5 Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI.................................................................... 73<br />
5.6 Nutzung und Funktion der Zeche Zollverein.................................................................. 77<br />
5.7 Förderungen im Stadtbezirk VI ...................................................................................... 87<br />
6 Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen ..................................90<br />
6.1 Beschäftigung ................................................................................................................ 91<br />
6.2 Kooperation.................................................................................................................... 95<br />
6.3 Bildung und Soziales...................................................................................................... 98<br />
6.4 Kinder und Jugendliche................................................................................................ 101<br />
6.5 Image ........................................................................................................................... 105<br />
6.6 Zeche Zollverein als Freizeit- und Kulturort ................................................................. 108<br />
II
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
7 Schlussbemerkung ............................................................................112<br />
8 Quellenverzeichnis.............................................................................114<br />
8.1 Literatur ........................................................................................................................ 114<br />
8.2 Gesprächspartner ........................................................................................................ 118<br />
Anhang ..........................................................................................................120<br />
III
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: Mal-Aktion „Das gefällt mir in meiner Umgebung“........................................... 13<br />
Abb. 2: Mal-Aktion in der Klasse 3a der Herbartschule ............................................... 13<br />
Abb. 3: Beteiligte des Jugendhauses Stoppenberg..................................................... 14<br />
Abb. 4: Beteiligte des Jugendhauses Nord ................................................................. 15<br />
Abb. 5: Aufbau der Untersuchung............................................................................... 16<br />
Abb. 6: Problemwirkungen im Stadtbezirk VI .............................................................. 17<br />
Abb. 7: Stadtteile und Stadtbezirke der Stadt Essen, Hervorhebung des Stadtbezirks VI<br />
................................................................................................................................... 18<br />
Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung von 1993 bis 2006 im Stadtbezirk .......................... 19<br />
Abb. 9: Bevölkerung nach Altersgruppen von 1993 bis 2006 in den Stadtteilen.......... 20<br />
Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung (unter 18 und über 65 Jahre) in Essen und im<br />
Stadtbezirk VI ............................................................................................................. 21<br />
Abb. 11: Anteil der Personen mit Migrationshintergrund nach Stadtteilen 1993 und<br />
2006 ........................................................................................................................... 21<br />
Abb. 12: Personen mit Migrationshintergrund in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006<br />
................................................................................................................................... 22<br />
Abb. 13: Bevölkerungsveränderung von 1993 bis 2006 (gesamt, deutsch,<br />
Migrationshintergrund) in den Stadtteilen des Stadtbezirks VI .................................... 23<br />
Abb. 14: Einwohnerverteilung mit Migrationshintergrund nach Herkunftsland............. 24<br />
Abb. 15: Versorgungsquote von Kleinkindern (0 bis 3 Jahre) im Stadtbezirk VI .......... 25<br />
Abb. 16: Versorgungsquote von Kindergartenkindern (3 bis unter 6 Jahre) im<br />
Stadtbezirk VI ............................................................................................................. 25<br />
Abb. 17: Versorgungsquote von Schulkindern (6 bis 14 Jahre) im Stadtbezirk VI ....... 26<br />
Abb. 18: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen ..................................... 27<br />
Abb. 19: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen in Zahlen...................... 28<br />
Abb. 20: Ausmaß der Arbeitslosigkeit unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Essen<br />
und im Stadtbezirk VI am 31.12.2006 ......................................................................... 29<br />
Abb. 21: Arbeitslose in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006 ................................... 30<br />
Abb. 22: Personen mit existenzsichernden Hilfen in den Stadtteilen, dem Stadtbezirk<br />
und der Gesamtstadt am 31.12.2006.......................................................................... 31<br />
Abb. 23: Personen mit existenzsichernden Leistungen in den Stadtteilbereichen am<br />
31.12.2006.................................................................................................................. 32<br />
Abb. 24: Altersstruktur der von existenzsichernden Hilfen Betroffenen in den<br />
Stadtteilen, im Stadtbezirk und in der Gesamtstadt am 21.12.2006 ............................ 33<br />
IV
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Abb. 25: Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen................................................ 35<br />
Abb. 26: Organisation und Kooperation im Stadtbezirk VI........................................... 37<br />
Abb. 27: Synergien durch die Zusammenarbeit .......................................................... 54<br />
Abb. 28. Potenzielle Wirkungskette zwischen Armut und Bildung im Stadtbezirk VI ... 60<br />
Abb. 29: Wunsch nach mehr Freizeitmöglichkeiten, Kinderzeichnung ........................ 68<br />
Abb. 30: Sportplatz und Erfolg, Kinderzeichnung........................................................ 68<br />
Abb. 31: Spielgeräte im Nordsternpark, Kinderzeichnungen ....................................... 69<br />
Abb. 32: Freizeit im Nordsternpark, Kinderzeichnungen ............................................. 69<br />
Abb. 33: Wunsch nach mehr Sicherheit, Kinderzeichnung.......................................... 71<br />
Abb. 34: Negativbewertung der bestehenden Wohnsubstanz, Kinderzeichnung......... 72<br />
Abb. 35: Fatih-Moschee, Kinderzeichnung.................................................................. 72<br />
Abb. 36: Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI ................................................... 75<br />
Abb. 37: Boccia-Treff auf dem Zollvereingelände........................................................ 78<br />
Abb. 38: Kleiner Imbiss auf Zollverein......................................................................... 81<br />
Abb. 39: Zeche Zollverein, Kinderzeichnung............................................................... 83<br />
Abb. 40: Zeche Zollverein bei der Eröffnung zur Kulturhauptstadt, Kinderzeichnung .. 84<br />
Abb. 41: Positive Entwicklung des Stadtbezirks VI einschließlich Zeche Zollverein .. 113<br />
V
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Zusammenfassung<br />
Über die Synergieeffekte von Zeche Zollverein auf die umgebenden Stadtteile Schon-<br />
nebeck, Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg (Stadtbezirk VI in Essen) liegen<br />
erst wenige Kenntnisse vor. Aufgabe der Studie ist es, bestehende vielschichtige wirt-<br />
schaftliche, sozialen und kulturellen Problembereiche in den drei Stadtteilen analytisch<br />
aufzuzeigen, mit möglichen Potenzialen, die mitunter von Zollverein ausgehen könn-<br />
ten, in Verbindung zu bringen und Empfehlungen für das weitere Handeln vor allem<br />
unter Berücksichtigung der Teilhabe der Bewohner in den Stadtteilen und für Zollverein<br />
auszusprechen. Dabei stehen leitende Fragestellungen im Hinblick auf Entwicklungen,<br />
Auswirkungen sowie Potenziale im Mittelpunkt der Untersuchung (siehe Kapitel 2.1).<br />
Die Ergebnisse der Studie basieren dabei auf der Erfassung und Analyse von Primär-<br />
und Sekundärdaten. Während sich die Sekundärdatenanalyse auf die Auswertung sta-<br />
tistischer Daten der Stadt Essen, unterschiedlicher Projektberichte und Publikationen<br />
über die Historie und Entwicklung der Zeche Zollverein stützen, wurde zudem eine<br />
umfassende eigene empirische Erhebung durchgeführt. Einerseits wurden leitfadenge-<br />
stützte Interviews mit entwicklungsbestimmenden Vertretern und Akteuren der Berei-<br />
che Wirtschaft, Öffentlichkeit, Kultur, Bildung und Soziales des Stadtbezirks VI geführt,<br />
andererseits wurden Aktionsräume und Wahrnehmungen von Kindern und Jugendli-<br />
chen mittels Erstellung von Mental Maps bzw. Tagesprotokollen ermittelt. Die Methodik<br />
ist somit eine Kombination aus analytischen und partizipativ-dialogorientierten Verfah-<br />
ren (siehe Kapitel 2.2).<br />
Bei dem Stadtbezirk VI der Stadt Essen handelt es sich um einen altindustriell gepräg-<br />
ten Raum, der nach Beendigung der industriellen Nutzung überwiegend durch negative<br />
Standortmerkmale gekennzeichnet war. Noch heute ist der Stadtbezirk mit vielschichti-<br />
gen wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen wie einer hohen Arbeitslosigkeit, ei-<br />
nem erheblichen Migrantenanteil, oftmals niedrigen bis fehlenden Bildungsabschlüssen<br />
sowie einer finanziellen und sozialen Armut bei den Bewohnern gekennzeichnet. Durch<br />
vielfältige Förderungen, Projekte und Maßnahmen, die vor allem durch das Programm<br />
„Soziale Stadt“ getragen wurden, konnten bereits erste Verbesserungsansätze hervor-<br />
gerufen werden (siehe Kapitel 3 und 5.7).<br />
VI
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Im Rahmen dieser Studie konnten sechs Schwerpunktthemen, die Potenziale und<br />
Handlungsfelder des Stadtbezirks VI kennzeichnen, erarbeitet werden. Dabei wird der<br />
Fokus auf die Bereiche Beschäftigung, Kooperation, Bildung und Soziales, Kinder und<br />
Jugendliche, Selbst- und Fremdbild sowie Nutzung und Funktion der Zeche Zollverein<br />
gerichtet (siehe Kapitel 5).<br />
Das Thema Beschäftigung hat für den Stadtbezirk vor dem Hintergrund der histori-<br />
schen Entwicklung der Zeche Zollverein (Kapitel 4) eine tragende Funktion. Nach der<br />
Schließung der Zeche Zollverein und deren Sanierung liegt nun der Beschäftigungs-<br />
schwerpunkt im Bereich Design, welcher kaum Beschäftigungseffekte für die Bewoh-<br />
ner der benachbarten Stadtteile hat. Im Dienstleistungs- und Tourismusbereich dage-<br />
gen sind Beschäftigungspotenziale für die Bewohner festzustellen (siehe Kapitel 5.1<br />
und 6.1).<br />
Ebenenübergreifende, langjährige Kooperationsstrukturen sind charakteristisch für den<br />
Stadtbezirk VI. Aus dieser Struktur der Zusammenarbeit haben sich bereits weitrei-<br />
chende Synergien ergeben. Gerade dieses Potenzial ist die Basis für eine zukunfts-<br />
weisende Entwicklung des Stadtbezirks (siehe Kapitel 5.2 und 6.2).<br />
Im Bereich Bildung und Soziales sind im Stadtbezirk deutliche Schwächen zu vermer-<br />
ken. Trotz eines nicht geringen Engagements im Bildungsbereich seitens verschiede-<br />
ner Akteure, scheint eine Art Kreislauf von Armut, geringer Bildung und Arbeitslosigkeit<br />
schwer zu durchbrechen. Eine sich daraus entwickelnde Perspektivlosigkeit, welche<br />
bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnt, lässt bewohnerseitige Entwicklungs-<br />
chancen im Stadtbezirk gering erscheinen und nur mit einer massiven Verbesserung<br />
im Bildungs- und Beschäftigungsbereich ermöglichen (siehe Kapitel 5.3 und 6.3).<br />
Kinder und Jugendliche stellen ein Schlüsselthema für die zukünftige Entwicklung dar.<br />
Während Städte generell eher dem Problem einer zunehmenden Alterung der Bevölke-<br />
rung begegnen müssen, steht der Stadtbezirk VI dagegen eher vor der Herausforde-<br />
rung, das vorhandenen Potenziale an jungen Menschen zukunftsweisend zu nutzen.<br />
Um dieses Stadtteilentwicklungspotenzial wirksam einzusetzen, muss zunächst drin-<br />
gend eine umfangreiche Verbesserung insbesondere im sozialstrukturellen Bereich<br />
erfolgen. Weiterhin wird ein raumplanerisches Potenzial in der Einbeziehung der Kin-<br />
der und Jugendlichen in die zukünftige Entwicklung des Stadtbezirks sichtbar gemacht<br />
(siehe Kapitel 5.4 und 6.4).<br />
VII
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Als positiv zu verzeichnen ist das persönliche Empfinden und die Wahrnehmung<br />
(Selbstbild) der im Stadtbezirk VI lebenden Bewohner im Hinblick auf die eigene Um-<br />
gebung und die bereits erkennbaren Veränderungen. Dagegen fällt die Beurteilung<br />
stadtbezirksferner Personen deutlich negativer aus (Fremdbild), was nicht nur auf Ba-<br />
sis der vorhandenen Problemlagen entstanden ist, sondern auch vor allem durch ein<br />
gefestigtes Meinungs- und Stimmungsbild weitergetragen wird. Eine Lockerung dieses<br />
tendenziell negativen Fremdbildes wird in der Studie als bedeutsam herausgestellt<br />
(siehe Kapitel 5.5 und 6.5).<br />
Das Gelände von Zollverein wird sowohl von Touristen als auch von den Bewohnern<br />
der benachbarten Stadtteile sowie von hauptsächlich nicht im Stadtbezirk lebenden<br />
Arbeitnehmern genutzt. Während die Bewohner der angrenzenden Stadtteile das Ge-<br />
lände eher als Freizeit- und Identifikationsort in Anspruch nehmen, hat Zeche Zollver-<br />
ein für Touristen eine eher erlebnisorientierte Bedeutung. Eine weitere Nutzung kommt<br />
den dort Beschäftigten zu Gute, die Zollverein als Arbeitsort erleben. Aufgrund der di-<br />
versifizierten Nutzung von Zollverein lassen sich Potenziale erkennen, die besonders<br />
im Bereich Beschäftigung den Bewohner der benachbarten Stadtteile zu Gute kommen<br />
sollten (siehe Kapitel 5.6 und 6.6).<br />
Mit der vorliegenden Studie liegen grundsätzliche Aussagen über den Wirkungszu-<br />
sammenhang von Zeche Zollverein und den umgebenden Stadtteile Schonnebeck,<br />
Stoppenberg und Katernberg vor. Durch das Herausarbeiten wichtiger Schwerpunkt-<br />
themen sind Ansatzpunkte entwickelt worden, die für das Eingreifen und zukunftsfähi-<br />
ge Verändern der momentanen Situation Möglichkeiten aufzeigen. Eine vertiefende<br />
Analyse dieser Themen und das darauf aufbauende Herausarbeiten von Konsequen-<br />
zen und Empfehlungen spezifiziert diese (siehe Kapitel 6). Zur weiteren Verbesserung<br />
der Kenntnisse und des Entwerfens eines themenspezifischen Maßnahmenkatalogs ist<br />
eine weitere Intensivstudie ratsam.<br />
VIII
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
1 Einführung<br />
1.1 Problemstellung<br />
Die Metropole Ruhr ist mit einer Fläche von 4.435 km² und 5,25 Millionen Einwohnern<br />
der größte Ballungs- und Metropolraum Deutschlands. Seine zentrale Lage innerhalb<br />
Europas (weniger als zweieinhalb Stunden Flugzeit nach Paris, London, Amsterdam,<br />
Madrid, Rom oder Wien) ist mit ein Grund für 16 der 100 und für 43 der 500 umsatz-<br />
stärksten Unternehmen Deutschlands, ihren Firmensitz in der Metropole Ruhr zu ha-<br />
ben (WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG METROPOLERUHR GMBH 2009B, 6 – 9). Mit fünf Universitäten, zehn<br />
Fachhochschulen, vier Fraunhofer-Instituten, vier Leibnitz-Instituten, drei Max-Planck-<br />
Instituten und mehr als 30 Technologie- und Innovationszentren ist die Metropole Ruhr<br />
eine der dichtesten Forschungs- und Hochschullandschaften Europas. Darüber hinaus<br />
zeichnet sich die Metropole Ruhr über eine einzigartige, international anerkannte Kul-<br />
turlandschaft aus, z. B. durch das Weltkulturerbe Zeche Zollverein, die Route der In-<br />
dustriekultur, die RuhrTriennale oder die Kulturhauptstadt Europas 2010.<br />
Doch weist die Region neben diesen Stärken auch Bereiche auf, in denen auffallende<br />
Defizite zu vermerken sind. Neben der Prägung der Region durch einen umfassenden<br />
Wandel der Wirtschaftsstruktur von der Monostruktur der Montanindustrie zu einer dif-<br />
ferenzierten, modernen Industrie- und Dienstleistungslandschaft steht die polyzentri-<br />
sche Region vor mehreren Herausforderungen. Kräftezehrend sind sowohl eine politi-<br />
sche Gemengelage als auch ein intensiver Wettbewerb zwischen den einzelnen Kom-<br />
munen und eine zunehmende Konkurrenz um die Ansiedlung von Unternehmen, um<br />
qualifizierte Arbeitnehmer, um Einwohner und Touristen, um die Austragung von Mes-<br />
sen und Großveranstaltungen, um die Ansiedlung von renommierten Verwaltungs- und<br />
Wissenschaftseinrichtungen sowie um Fördermittel. Der starke demographisch beding-<br />
te Bevölkerungsrückgang und überregionale Abwanderungen bewirken einen drasti-<br />
schen Rückgang städtischer Bevölkerungszahlen, verbunden mit dem Verlust an quali-<br />
fizierten Arbeitskräften. Begleitet wird dieser Prozess durch den allgemeinen Trend der<br />
Alterung unserer Gesellschaft und den Anstieg des Bevölkerungsanteils mit Migrati-<br />
onshintergrund. Leerstände sowohl im Wohnungs- (im Ruhrgebiet ca. 2,8 % im Durch-<br />
schnitt) als auch im Gewerbebereich (Bsp.: Duisburg 2,1 %; Dortmund 3,8 %; Essen<br />
4,8 % (ARMIN QUESTER IMMOBILIEN GMBH 2009, 4)) gekoppelt mit einer erheblichen Finanz-<br />
knappheit der kommunalen Kassen führen im Resultat zur wirtschaftlichen, sozialen<br />
und kulturellen Abwertung von Citybereichen und innerstädtischen Wohnvierteln. Diese<br />
Einführung 1
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
vielschichtige Problembündelung stellt eine gravierende Herausforderung sowohl für<br />
einzelne Städte als auch die gesamte Region Metropole Ruhr dar. Aufgrund der vielfa-<br />
chen Multiplizierung der Probleme in kommender Zeit und sinkenden staatlichen Hand-<br />
lungskapazitäten werden Städte vermehrt in eine Planung und Umsetzung vor Ort ge-<br />
drängt (z. B. Arbeitsmarktpolitik, Kulturförderung, etc.). Eine dadurch oftmals entste-<br />
hende Überforderung einzelner Kommunen wird durch die problematische Haushalts-<br />
lage noch gesteigert.<br />
Trotz eines hohen Entwicklungspotenzials durch verschiedenste brachliegende bzw.<br />
freistehende Flächen und ungenutzte, altindustrielle Traditionswohnsiedlungen scheint<br />
das Interesse von Investoren bislang gedämpft, so dass die Immobilienwirtschaft, die<br />
sich mit der Entwicklung, Bewirtschaftung und Vermittlung von Wohn- und Gewerbe-<br />
immobilien befasst, ebenfalls vor großen Herausforderungen, aber auch entscheiden-<br />
den zukunftsweisenden Entwicklungspotenzialen steht.<br />
Um langfristig neue Perspektiven schaffen und bestehende Potenziale der Metropole<br />
Ruhr nutzen zu können, werden bei der Stadt- und Regionalentwicklung Kreativität<br />
sowie Innovations- und Lernfähigkeit als Schlüsselfaktoren gesehen (LIEBMANN 2008, 1).<br />
So stehen heute kreative Wirtschaftsbranchen, wie die Musikwirtschaft, der Literatur-,<br />
Buch- und Pressemarkt, die Film-, Rundfunk- und Fernsehwirtschaft, der Theatermarkt<br />
(Darstellende Kunst und Unterhaltungskunst) und der Kunstmarkt mit den ergänzenden<br />
Branchen Mode, Werbung und Design, in vielen Metropolen deutschland-, europa- und<br />
sogar weltweit im Mittelpunkt integrierter Wirtschafts- und Stadtentwicklungsstrategien.<br />
Diverse Städte wie Singapur, New York, London, Wien oder Hamburg sind Beispiele<br />
für eine Neufokussierung der städtischen Entwicklungsstrategien. Mit der Entdeckung<br />
von Stadtquartieren durch „(kreative) Pioniere“, die weniger mit ökonomischem als mit<br />
kulturellem Kapital ausgestattet sind, beginnt ein Prozess der Raumaneignung, der<br />
Neuinterpretation und der Wiederbelebung, der in einem Aufwertungsprozess von<br />
Stadtvierteln münden kann. Um eine langfristige Image- und Wertsteigerung der prob-<br />
lembelasteten Wohnquartiere zu erreichen, muss die anfängliche soziale und wirt-<br />
schaftliche Dynamik weitere Qualifizierungsprozesse wie z. B. ergänzende Neubauten<br />
sowie sanierende Bestandspflege nach sich ziehen.<br />
Von den eben genannten Problemen ist auch die Stadt Essen in der Metropole Ruhr<br />
nicht verschont. Besonders der Essener Norden ist von vielschichtigen strukturellen<br />
Problemen betroffen und ihm haftet ein äußerst negatives Image an. Mit der Schlie-<br />
Einführung 2
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
ßung der rund 30 Jahre im Betrieb gewesenen Zeche Zollverein im Jahr 1986 und der<br />
Kokerei Zollverein im Jahr 1993 verlor der Essener Norden seinen entscheidenden<br />
Arbeitgeber. Ein enormer Abbau von Arbeitsplätzen auf der Zeche (1956 waren noch<br />
8.100 Beschäftigte, im letzten Betriebsjahr 1986 nur noch 3.885 Beschäftigte auf der<br />
Zeche tätig (GANZELEWSKI; SLOTTA 1999, 39)) führte zu einer erheblichen Arbeitslosigkeit und<br />
löste einen strukturellen Wandel aus, dessen Folgen bis heute spürbar sind. Ein Reihe<br />
baulicher, sozialer und kultureller Probleme, wie z. B. schlechte Wohnverhältnisse, der<br />
Mangel an Zukunftsperspektiven vor allem für junge Leute und eine hohe Zahl an sozi-<br />
al benachteiligten Einwohnerinnen und Einwohnern machen den angrenzenden Stadt-<br />
teilen Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg noch bis heute zu schaffen.<br />
1.2 Möglichkeiten der Städtebauförderung auf Bundes- und Landesebene<br />
Um den allgemein gewandelten wirtschaftlichen und sozialstrukturellen Rahmenbedin-<br />
gungen begegnen und die daran anschließenden Aufgaben und Herausforderungen<br />
bewältigen zu können, wurden auf Gesamtbundesebene unterschiedliche Programme<br />
initiiert. Aktuelle Programme sind:<br />
Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen seit 1971,<br />
Städtebaulicher Denkmalschutz sei 1991,<br />
Soziale Stadt seit 1999,<br />
Stadtumbau Ost seit 2003,<br />
Stadtumbau West seit 2004,<br />
Aktive Stadt- und Ortsteilzentren seit 2008 und<br />
Investitionspakt zur energetischen Modernisierung von Schulen und Kinder-<br />
gärten.<br />
Diese Programme, die die Förderung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen zum Ziel<br />
haben, werden mit Mitteln der Länder und Kommunen ergänzt. Der Bund regt dazu an,<br />
die Veränderungen als Chance zu sehen und sich den Herausforderungen als Stadt<br />
aktiv zu stellen (BMVBS 2010). Wesentliche Grundlagen sind dabei eine Modernisie-<br />
rungsbereitschaft, Demokratie und der Wunsch, die wirtschaftlichen und ökologischen<br />
Grundlagen zu erhalten und zu verbessern (BMVBS 2010). Ebenfalls steht fest, dass<br />
Städte ihre neuen Aufgaben und Herausforderungen nur dann bewältigen können,<br />
wenn sie die Lebensinteressen aller Beteiligten unmittelbar berücksichtigen und Mit-<br />
gestaltung und Mitbestimmung zunimmt (BMVBS 2010).<br />
Einführung 3
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Die Förderfähigkeit von Maßnahmen und Vorhaben sowie Förderschwerpunkte und<br />
nähere Auswahlkriterien werden nach den Förderrichtlinien der einzelnen Länder gere-<br />
gelt, so dass auf Länderebene die programmatische Zielsetzung stattfindet. Die Vorbe-<br />
reitung und Durchführung der Maßnahmen fällt unter die kommunale Planungshoheit<br />
und findet somit auf der kommunalen Ebene statt.<br />
Für die zukunftsfähige städtebauliche Entwicklung stehen insbesondere folgende<br />
Themenschwerpunkte im Mittelpunkt (BMVBS 2010):<br />
Siedlungsentwicklung unter veränderten Rahmenbedingungen – Orientie-<br />
rung auf die Städte,<br />
Kooperation der Städte im regionalen Maßstab ausbauen,<br />
Rückgang der Flächeninanspruchnahme als Chance nutzen – Wohnquar-<br />
tiere für Familien mit Kindern attraktiver machen,<br />
Sozial stabile Stadtquartiere schaffen – Migration als Chance nutzen,<br />
Altengerechten Umbau der Infrastruktur angehen,<br />
Mobilität stadt- und umweltverträglich gestalten,<br />
Städte als Wirtschafts- und Innovationsstandorte stärken,<br />
Einzelhandel in seiner Vielfalt erhalten – Stärkung der zentralen Versor-<br />
gungsbereiche,<br />
Zusammenwirken von kommunaler Planung und privaten Investoren<br />
verbessern.<br />
Das Land NRW hat für das Jahr 2009 den Kommunen insgesamt 261 Millionen Euro<br />
für Maßnahmen im Städtebau bereitgestellt. Dies ist seit zehn Jahren die höchste För-<br />
dersumme für den Ausbau der Innenstädte, die Sanierung unattraktiver Stadtteile und<br />
für Projekte des Strukturprogramms Regionale. Diese 261Mio. Euro verteilen sich wie<br />
folgt auf die einzelnen Programme:<br />
Zuweisungen des Landes für die Förderung von Maßnahmen der Stadter-<br />
neuerung von 118 Mio. Euro,<br />
Bundesfinanzhilfen für städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaß-<br />
nahmen von 13 Mio. Euro,<br />
Bundesfinanzhilfen für die Soziale Stadt von 24 Mio. Euro,<br />
Bundesfinanzhilfen für den Stadtumbau West von 28 Mio. Euro,<br />
Bundesfinanzhilfen für die Aktiven Stadt- und Ortsteilzentren von 9 Mio.<br />
Euro,<br />
Einführung 4
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Bundesfinanzhilfen für den Städtebaulichen Denkmalschutz von 8 Mio. Eu-<br />
ro,<br />
Strukturbeihilfen der Europäischen Union von 61 Mio. Euro (MBV 2009A, 1).<br />
Die Förderschwerpunkte der Städtebauinvestitionen des Landes NRW im Jahr 2009<br />
sind die Stärkung der Innenstädte und Stadtteilzentren, die REGIONALEN in NRW<br />
sowie der Stadtumbau West und die Soziale Stadt (MBV 2009A, 4).<br />
Von den an das Land NRW beantragten 390 Zuschusserwartungen wurden insgesamt<br />
301 Maßnahmen im Programm berücksichtigt. Das Zuschussvolumen von rund 299<br />
Mio. Euro (259 Mio. Euro Förderung und 40 Mio. Euro Förderreserve) stellt sich verteilt<br />
auf die Handlungsschwerpunkte wie folgt dar:<br />
147 Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung der Innenstädte und Stadtteil-<br />
zentren einschließlich der innerstädtischen Brachflächenentwicklung mit<br />
einem Zuschuss von 94 Mio. Euro aus den Programmen Sanierung und<br />
Entwicklung, Aktive Zentren und städtebaulicher Denkmalschutz sowie<br />
weiteren 36 Mio. Euro für innerstädtische Gebiete der Programme Soziale<br />
Stadt und Stadtumbau West, so dass ein Gesamtvolumen von ca. 130<br />
Mio. Euro für die Innenstädte und Ortsteilzentren zur Verfügung steht,<br />
57 Maßnahmen in der Sozialen Stadt mit einem Zuschuss von 76 Mio. Eu-<br />
ro,<br />
70 Maßnahmen zum Stadtumbau West mit einem Zuschuss von 88 Mio.<br />
Euro,<br />
27 Maßnahmen mit einem Zuschuss von 22 Mio. Euro ausschließlich für<br />
die REGIONALEN und 34 REGIONALE-Projekte, die mit 32 Mio. Euro in<br />
der aktuellen Förderung aus den anderen Programmen bereitgestellt wer-<br />
den sowie<br />
19 Mio. Euro aus der Förderreserve, die Maßnahmen in der aktuellen För-<br />
derung verstärken (MBV 2009A, 5).<br />
In Essen gehören die Stadtteile Altendorf und Katernberg zum Bund-Länderprogramm<br />
Soziale Stadt. Während Katernberg 1993 in das Programm aufgenommen wurde und<br />
damit eines der ersten Gebiete in Deutschland war, ist Altendorf seit 1998 Programm-<br />
gebiet der Sozialen Stadt.<br />
Einführung 5
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
2 Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersu-<br />
chung<br />
Für den Stadtteil Essen-Katernberg werden seit Ende der 1980er Jahre gebiets- und<br />
sachbezogene Stadterneuerungsprogramme entwickelt. Gemeinsam mit dem Institut<br />
für stadtteilbezogene Soziale Arbeit und Beratung (ISSAB) an der Universität Duisburg-<br />
Essen und weiteren Partnern wurde auf Krisenerscheinungen in Essen-Katernberg<br />
reagiert und im Jahr 1993 der Stadtteil in das NRW-Programm „Stadtteile mit besonde-<br />
rem Erneuerungsbedarf / Soziale Stadt“ aufgenommen. Dabei wurden Entwicklungs-<br />
ziele nicht nur für den Stadtteil Katernberg, sondern stadtteilübergreifend auch für die<br />
beiden Stadtteile Stoppenberg und Schonnebeck entwickelt. Aufgrund der langjährigen<br />
Teilnahme an dem Programm „Soziale Stadt“ wurden bereits vielseitige Untersuchun-<br />
gen durchgeführt, die durch die Stadt Essen mit umfangreichen Datenerhebungen seit<br />
1985 untermauert wurden.<br />
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die aktuellen Strukturen im wirtschaftlichen,<br />
sozialen und kulturellen Bereich in dem Stadtbezirk VI aufzuzeigen und ein Meinungs-<br />
und Stimmungsbild verschiedenster Akteure nachzuweisen. Es wird gezeigt, inwieweit<br />
das heutige Weltkulturerbe Zeche Zollverein mit den drei angrenzenden Stadtteilen<br />
wirtschaftlich, sozial und kulturell verflochten ist. Innovative Ideen führen zu neuen<br />
Denkanstößen und bestehende Potenziale für den Stadtbezirk inklusive der umgenutz-<br />
ten Zeche werden dargestellt. Diese Studie präsentiert keine fertigen Lösungsvor-<br />
schläge, sondern zeigt auf, wie die Weiterentwicklung des Stadtbezirks einschließlich<br />
des Zollvereingeländes gestaltet werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei immer die<br />
Qualitätsverbesserung des Stadtbezirks im Sinne der dort lebenden Bevölkerung (PAS-<br />
TERNAK 2008, 71; STADT ESSEN 2004, 103).<br />
2.1 Fragestellung und Aufbau der Untersuchung<br />
Die Untersuchung „Urbane Kultur im Stadtquartier – Diagnose, Konsequenzen und<br />
Empfehlung für die Essener Stadtteile Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg mit<br />
Zeche Zollverein“ verfolgt das Ziel, auf der Erkenntnisgrundlage von bestehenden Ana-<br />
lysen und Prognosen sowie im Dialog mit Bürgern, Experten und Institutionen Hand-<br />
lungsfelder und -optionen für die langfristige Perspektive der Stadtteilentwicklung im<br />
Essener Norden zu identifizieren. Mit den inhaltlichen Schwerpunkten Ökonomie, De-<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 6
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
mographie, Migration, soziale Segregation, Kultur und Lebensqualität werden die zent-<br />
ralen Handlungsfelder und Herausforderungen des Stadtteils bearbeitet. Die übergrei-<br />
fenden Fragestellungen der Untersuchung lauten:<br />
Welche wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen<br />
Strukturen herrschen im Stadtbezirk VI und inwiefern<br />
sind räumliche Schwerpunkte zu identifizieren?<br />
Inwieweit haben sich die wirtschaftlichen, sozialen<br />
und kulturellen Strukturen in den vergangenen 20 Jah-<br />
ren verändert?<br />
Welche Initiativen haben zu einer positiven wirtschaft-<br />
lichen, sozialen und kulturellen Entwicklung beigetra-<br />
gen?<br />
Das Allgemeininteresse an diesem Themenbereich ist damit begründet, dass das sozi-<br />
ale Zusammenleben aufgrund von Prozessen, die mit der Globalisierung, dem Struk-<br />
turwandel, dem demographischen Wandel, etc. zusammenhängen, zunehmend ge-<br />
fährdet scheint und gleichzeitig die politischen Handlungsspielräume und die finanziel-<br />
len Ressourcen, die zur Begegnung dieser Gefährdung nötig scheinen, auf allen Ebe-<br />
nen schwinden. Nicht zu unterschätzen ist auch die kulturelle Ebene in einem Stadt-<br />
quartier. Unter den kulturellen Aspekten werden im Rahmen dieser Untersuchung vor<br />
allem weiche Standortfaktoren wie Image, Flair und Atmosphäre gefasst.<br />
Diese Fragestellungen bilden die Basis für die weitere Untersuchung, da die daraus<br />
gewonnenen Ergebnisse dieser Fragen die Ausgangslage des Stadtbezirks darstellen<br />
und die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre aufzeigt. Hier werden die Folgen des<br />
strukturellen Wandels untersucht, denen auf politischer, wirtschaftlicher und privater<br />
Ebene bereits begegnet wurde. Dabei soll auch ein Blick darauf gelenkt werden, wel-<br />
che Initiativen besonders erfolgreich waren und zu einer positiven Entwicklung beitra-<br />
gen konnten:<br />
Welche Funktion hat die Zeche Zollverein für die Be-<br />
wohner des Stadtbezirks VI?<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 7
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Inwieweit bestehen wirtschaftliche, soziale und kultu-<br />
relle Synergieeffekte zwischen Zeche Zollverein und<br />
dem Stadtbezirk VI?<br />
Wie kann das Weltkulturerbe Zeche Zollverein seinem<br />
Auftrag zur räumlichen und funktionalen Integration in<br />
den Stadtbezirk VI noch stärker gerecht werden?<br />
Die Zeche Zollverein prägte die Entwicklungen des Stadtbezirks VI sehr. Die oben ge-<br />
nannten Fragen dienen dazu, herauszufinden, welche Funktion der damalige Arbeitsort<br />
von einem Großteil der Bewohner des Essener Nordens heute erfüllt. Stellt die umge-<br />
nutzte Zeche heute einen Arbeitsort für Bewohner des Stadtbezirks dar? Wird die Ze-<br />
che in der Freizeit genutzt? Werden Kulturangebote auf der Zeche von den Bewohnern<br />
des Stadtteils wahrgenommen?<br />
Weiterhin soll untersucht werden, ob und wenn ja, inwieweit Synergieeffekte zwischen<br />
der Zeche Zollverein und dem Stadtbezirk VI bestehen. Zwar ist die Skepsis bei der<br />
Frage nach den positiven Effekten für die Stadtteile selbst meist groß, doch gilt es zu<br />
untersuchen, ob diese Skepsis berechtigt ist.<br />
Ebenfalls wird mit der vorliegenden Studie geprüft, wie die Zeche Zollverein noch stär-<br />
ker mit den Stadtteilen verknüpft werden könnte und weshalb eine Integration mögli-<br />
cherweise sinnvoll und auch (ökonomisch) vorteilhaft sein könnte:<br />
Wie können die Entfaltung und Teilhabe der Bewohner<br />
unterschiedlicher Herkunft gefördert werden?<br />
Welche ungeahnten Potenziale sind darüber hinaus in<br />
dem Stadtbezirk VI vorhanden, um den Herausforde-<br />
rungen zu begegnen?<br />
In der Aktivierung der Bewohner liegt eine zentrale Ressource, um den wirtschaftlichen<br />
und sozialen Herausforderungen, die sich auf lokaler Ebene ergeben, gerecht zu wer-<br />
den. Entsprechend richtet sich die Forschungsfrage vor allem darauf, dieses Potenzial<br />
abzuschätzen und die Möglichkeiten auszuloten, dieses Potenzial zu aktivieren. Zudem<br />
sollen weitere entwicklungsleitende Potenziale herausgestellt werden.<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 8
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
2.2 Methodische Vorgehensweise<br />
Abgeleitet aus den oben benannten Frage- und Problemstellungen sind flexible empiri-<br />
sche Methoden der Daten- bzw. Erkenntnisgewinnung gefordert. Starre und stark vor-<br />
strukturierte Erhebungsverfahren sind der Erkenntnisgewinnung weniger dienlich, da<br />
diese zu stark richtungweisend und damit aussagebeschränkend wirken können. Ins-<br />
besondere qualitative Verfahrensweisen der empirischen Sozialforschungen sind ge-<br />
eignete Erhebungsmethoden, da – wie bei dieser Studie erforderlich – eine hohe Flexi-<br />
bilität und Offenheit im Forschungszusammenhang zugelassen wird. Speziell die Beto-<br />
nung der Subjektivität sind Vorteile und Stärken qualitativer Herangehensweisen (U.A.<br />
LAMNEK 1995, WESSEL 1996, MAYRING 2002) und bilden gleichzeitig grundlegenden Anspruch<br />
dieser Untersuchung. Strukturell ergänzend wird sich einer Sekundärdatenanalyse<br />
bedient, welche sowohl für grundlegende, aber auch gewonnene Erkenntnisse dienlich<br />
ist. Demnach beinhalteten die bei der Studie eingesetzten Methoden sowohl analyti-<br />
sche als auch partizipativ-dialogorientierte Verfahren.<br />
Beschreibung des methodischen Vorgehens<br />
Als Sekundärdaten dienen vor allem diverse statistische Daten der Stadt Essen sowie<br />
Projektevaluationen und Projekterläuterungen zu dem Programm Soziale Stadt. Weite-<br />
re Literatur, die sich mit der Historie und der Entwicklung bzw. dem Image der Zeche<br />
Zollverein auseinandersetzt, wurde ebenfalls in die Untersuchung mit einbezogen.<br />
Um darüber hinaus entwicklungsbestimmende Erfahrungen, Meinungen und Stimmun-<br />
gen mit einfließen lassen zu können, wurden weiterhin leitfadengestützte Interviews mit<br />
unterschiedlichsten Informanten und Diskutanten der Bereiche Wirtschaft und Soziales,<br />
Politik und Öffentlichkeit, Kultur und Bildung geführt. Sowohl Wissenschaftler, lokale<br />
Experten und Bewohner wurden mittels leitfadengestützter Interviews befragt. Ausge-<br />
hend von den übergreifenden Fragestellungen in Kapitel 2.1. wurden themenspezifi-<br />
sche Unterfragen aufgestellt, die zur Konzeption der Leitfäden für die Experteninter-<br />
views beitrugen (Anhang). Dabei fanden die speziellen Kompetenzbereiche der einzel-<br />
nen Gesprächspartner Berücksichtigung. Der Ablauf der leitfadengestützten Interviews<br />
war an keine feste Reihenfolge gebunden, um individuell auf den Gesprächspartner<br />
einzugehen. Insgesamt wurden elf Interviews geführt. Die Interviewfragen waren als<br />
offene Fragestellungen formuliert, so dass die Befragten „mit ihren jeweils eigenen<br />
Worten antworten können […], sie bei der Antwort nicht durch vorinterpretierte Alterna-<br />
tiven beeinflusst sind [und] sie entsprechend vor allem bei Einstellungs- und Bewer-<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 9
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
tungsfragen eine sehr viel differenziertere und nuancenreichere Antwort geben können<br />
als bei einer geschlossenen Frageformulierung“ (REUBER & PFAFFENBACH 2005, 77F).<br />
Die unterschiedlichen Interviewpartner hatten im Vorfeld des Interviews den Ge-<br />
sprächsleitfaden in schriftlicher Form erhalten. Alle Gespräche wurden auf Tonband<br />
aufgenommen und später teils wörtlich und teils inhaltlich transkribiert. Die protokollier-<br />
ten Gespräche liegen als separater Interviewband vor. Auf Wunsch der Gesprächs-<br />
partner werden diese Aufzeichnungen nicht veröffentlicht. Die Interviews fanden in den<br />
Monaten Februar und März 2010 statt.<br />
Die Auswertung der transkribierten Interviews erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanaly-<br />
sen. Dabei findet eine Verringerung des gewonnenen Materialumfangs mit der Zunah-<br />
me des Abstraktionsniveaus statt und Bedeutungseinheiten werden integriert und ge-<br />
bündelt (MAYRING 2008).<br />
Gesprächspartner<br />
Im Vorfeld der Durchführung der leitfadengestützten Interviews fand ein narratives In-<br />
terview 1 mit einer Verwaltungsangestellten der Stadt Essen (Gesprächspartner 1) statt.<br />
Die Gesprächspartnerin ist im Büro für Stadtentwicklung langjährige Mitarbeiterin und<br />
erfahrene Ansprechpartnerin für den Stadtbezirk VI, so dass es durch ihre Erzählungen<br />
möglich war, einen anfänglichen Ein- bzw. Überblick über wichtige Akteure und Maß-<br />
nahmen zu bekommen.<br />
Aus dem Bereich Wirtschaft wurden vier Gesprächspartner interviewt. Gesprächspart-<br />
ner 2 wohnt seit seiner Geburt in Katernberg (Unterbrechung lediglich während seiner<br />
Ausbildungszeit). Er betreibt dort ein langjähriges Familienunternehmen. Als Einzel-<br />
händler ist er im Katernberger Werbering e. V. aktiv. Er verfügt über ein umfangreiches<br />
Stadtteilwissen und ist bei den verschiedensten Akteuren und Bewohnern bekannt und<br />
geschätzt.<br />
Gesprächspartner 3 ist ebenfalls ist im Stadtbezirk VI geboren und in unmittelbarer<br />
Nähe zur Zeche Zollverein aufgewachsen. Sie hat lange Jahre in Stoppenberg ge-<br />
wohnt, lebte dann in Schonnebeck und ist nun wieder in Stoppenberg zu Hause. Als<br />
engagierte Bürgerin leitet sie ein bürgerinitiiertes Unternehmen mit fünf Festangestell-<br />
ten und einigen freien Mitarbeitern im Stadtbezirk VI, das in direkter Verbindung zur<br />
Zeche Zollverein tätig ist.<br />
1 Ein narratives (von lat. narrare – erzählen) Interview ist eine Form der Befragung, die darauf<br />
zielt, den Befragten zum Erzählen persönlicher Erfahrungen zu veranlassen, um so etwas über<br />
seine Einstellungen zu erfahren (GABLER VERLAG 2010).<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 10
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Gesprächspartner 4 wohnt in Mülheim an der Ruhr und ist seit 1995 im Stadtbezirk VI<br />
tätig. Er war an der Gründung eines Unternehmens maßgeblich beteiligt und ist nun<br />
geschäftsführendes Vorstandsmitglied desselbigen. Vor seiner Tätigkeit im Stadtbezirk<br />
war er auf lokaler Ebene bei der Wirtschaftsförderung der Stadt Essen beschäftigt.<br />
Sein umfangreiches Netzwerk zu verschiedenen Akteuren zeichnet seine Arbeit aus.<br />
Gesprächspartner 5 ist bei der Wirtschaftsförderung Essen tätig und beschäftigt sich<br />
dort mit dem Bereich Kreativwirtschaft. Bis zum Jahr 2002 war er für die Bereitstellung<br />
von Flächen und die Vermarktung von Zeche Zollverein für Unternehmen zuständig.<br />
Als städtischer Angestellter hat er neben seinem wirtschaftlichen Verständnis einen<br />
guten Einblick über die Ziele und Pläne der Stadt Essen.<br />
Weiterhin wurden drei Interviews mit Akteuren geführt, die in die sozialen Belange und<br />
Aktivitäten Einblicke haben.<br />
Gesprächspartner 6 ist langjähriger Partner im Stadtteilprojekt Katernberg und Mitar-<br />
beiter eines sozialen Trägers im Stadtbezirk VI. Obwohl er nicht im Stadtteil, sondern<br />
im Essener Süden wohnt, fühlt er sich sehr mit den Bewohnern verbunden.<br />
Gesprächspartner 7 ist erst seit sechs Jahren im Stadtbezirk tätig. Er ist Mitarbeiter des<br />
Instituts für stadtteilorientierte Soziale Arbeit und Beschäftigung der Universität Duis-<br />
burg-Essen und im Stadtbezirk als Moderator tätig. Er sieht seine Aufgabe in der „Ver-<br />
netzung von Lebenswelten und Systemen“. Als Stadtteilmoderator hat er keinen festen<br />
Arbeitsort im Stadtbezirk, sondern ist an verschiedenen Orten tätig. Er ist in verschie-<br />
denste Arbeitskreise eingebunden bzw. leitend tätig.<br />
Gesprächspartner 8 ist städtischer Mitarbeiter und als Sozialarbeiter für das Jugend-<br />
haus Stoppenberg tätig. Er wohnt in Bochum, hat aber lange Zeit in Essen gelebt und<br />
fühlt sich mit der Stadt bzw. der gesamten Region sehr verbunden. Besonders gefällt<br />
ihm die Art der Menschen, die hier wohnen. Als Mitarbeiter im Jugendhaus hat er<br />
hauptsächlich mit Teenagern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Migrations- und<br />
sozialen Hintergründen im Alter von 10 bis Mitte 20 zu tun.<br />
Aus dem Bereich Öffentlichkeit, Kultur und Bildung wurden drei Experten interviewt.<br />
Gesprächspartner 9 ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Bereits vor über 40 Jahren<br />
war er in Katernberg dienstlich beschäftigt. In dieser Zeit hat er verschiedene Funktio-<br />
nen bei der Polizei übernommen. Erst war er im Streifendienst, dann als Leiter eines<br />
Einsatztrupps zur Kriminalitätsbekämpfung und seit 1999 nun in der Funktion als Prä-<br />
ventionsbeamter tätig. Als Jugendkontaktbeamter hat er viel Kontakt mit Kindern und<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 11
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Jugendlichen bzw. deren Eltern. Ebenfalls wird er als Experte für Zusammenarbeit mit<br />
libanesischen Familien innerhalb der Stadt Essen eingesetzt.<br />
Gesprächspartner 10 ist Direktorin einer Grundschule im Stadtbezirk VI, in dem sie<br />
auch wohnt. Als Frau eines evangelischen Pastors ist sie neben ihrem schulischen<br />
Einsatz auch ehrenamtlich sehr aktiv.<br />
Gesprächspartner 11 ist bei der <strong>Stiftung</strong> Zollverein für die Öffentlichkeitsarbeit und<br />
Kommunikation tätig. Als ehemaliger Chefredakteur der Radiosender Essen und Em-<br />
scher-Lippe hat er vielfältige Erfahrungen in diesem Bereich. Er leitet den Bereich bei<br />
der <strong>Stiftung</strong> Zollverein nun seit ca. einem Jahr. Sein Arbeitsort befindet sich auf<br />
Schacht XI der Zeche.<br />
Die Mitwirkungsbereitschaft auf kommunaler und lokaler Ebene war durchweg sehr<br />
hoch und die zentralen Ansprechpartner standen rasch für Gespräche und die Beant-<br />
wortung von Fragen zur Verfügung. Ihnen sei hier ausdrücklich für ihre Auskunftsbe-<br />
reitschaft, Geduld und aktive Mithilfe bei der Recherche gedankt.<br />
Da Kinder und Jugendliche allgemein in der Gesellschaft und insbesondere auch im<br />
Stadtbezirk VI einen besonderen Stellenwert einnehmen (größter Anteil von Kindern<br />
und Jugendlichen in Essen) und ihr Meinungs- und Stimmungsbild hinsichtlich des<br />
Wohnquartiers ebenso wichtig wie entwicklungsbestimmend ist, wurde es vorgezogen,<br />
mit Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren und Jugendlichen im Alter von 14 bis 16 Jahren<br />
ein gesondertes Erhebungsverfahren durchzuführen. Bei der Wahl geeigneter Erhe-<br />
bungsmethoden wurden insbesondere das Alter und die damit verbundenen Aus-<br />
drucksmöglichkeiten von Meinungen, Ideen und Vorschlägen berücksichtigt. Eine Da-<br />
tengewinnung insbesondere im Fall der Kinder, aber auch im Fall der Jugendlichen ist<br />
nur schwer über z. B. leitfadengestützte Interviews realisierbar. In Abhängigkeit kogni-<br />
tiver Leistungen von Kindern und Jugendlichen wurden dementsprechende Erhe-<br />
bungsmethoden gewählt, die als praktikabel eingestuft wurden.<br />
Gruppe Kinder<br />
Ein empirisches Vorgehen, um vor allem Erfahrungen und Meinungen von Kindern<br />
über ihr nahes räumliches Wohnumfeld zu ermitteln, ist die Anfertigung von so genann-<br />
ten Mental Maps. Unter Mental Maps wird allgemein „eine subjektiv reduzierte Wirk-<br />
lichkeit, die als Informations- und Entscheidungsebene Grundlage für räumliche Ent-<br />
schlüsse ist (z. B. sich orientieren und sich über Orte verständigen können, die Umwelt<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 12
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
kennenlernen und begreifen)“ (BÖHN 198,: 204) verstanden. Kinder im Grundschulalter<br />
sind zwar nicht in der Lage, kartenähnliche Darstellungen anzufertigen, sie besitzen<br />
aber durchaus die Fähigkeit,<br />
abgeschlossene Einzelsi-<br />
tuationen zu einem be-<br />
stimmten Themenbereich in<br />
gezeichneter Form wieder-<br />
zugeben. Kinder im Grund-<br />
schulalter greifen für sie<br />
bedeutende Aspekte oder<br />
Ereignisse auf und setzen<br />
diese in ihren Zeichnungen<br />
um. Die zeichnerische Dar-<br />
stellung entspricht der direk-<br />
ten Blickrichtung des Kindes<br />
(KAMPMEIER 1953).<br />
Kinder aus der Herbartgrundschule wurden daraufhin aufgefordert, zeichnerisch aus-<br />
zudrücken, welche Aspekte ihnen in ihrer nahen Wohn- und Schulumgebung sehr gut<br />
gefallen bzw. welche ihnen gar nicht gefallen oder fehlen. Dazu wurde in Zusammen-<br />
arbeit mit der Rektorin der Herbartgrundschule, Frau Sass-Leich, eine Kunstunter-<br />
richtsstunde thematisch vorbereitet und im Rahmen dieser die Anfertigung der Mental<br />
Maps vorgenommen. Insgesamt sind 30 Zeichnungen entstanden, von denen 16<br />
Zeichnungen ausdrücken, was in der Wohn- und Schulumgebung gefällt und 14 Zeich-<br />
Abb. 2: Mal-Aktion in der Klasse 3a der Herbartschule<br />
(HERBARTGRUNDSCHULE MÄRZ 2010)<br />
Abb. 1: Mal-Aktion „Das gefällt mir in meiner Umgebung“<br />
(HERBARTGRUNDSCHULE MÄRZ 2010)<br />
nung darstellen, welche Aspekte<br />
noch fehlen. Auf Grundlage einer<br />
qualitativen und quantitativen<br />
Analyse der Zeichnungen können<br />
Aussagen zu Meinungs- und<br />
Stimmungsbildern der Kinder auf-<br />
gezeigt werden (SCHMEINCK 2007).<br />
Schriftliche Erläuterungen der<br />
Kinder zu ihren eigenen Zeich-<br />
nungen wirken dabei unterstüt-<br />
zend.<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 13
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Gruppe Jugendliche<br />
Die Altersgruppe 14-16 Jahre wurde mit Hilfe einer anderen Erhebungsmethode er-<br />
fasst. Jugendliche verfügen – im Vergleich zu Erwachsenen – über mehr Freizeit, von<br />
der sie laut Statistischem Bundesamt etwa die Hälfte außer Haus verbringen (STATISTI-<br />
SCHES BUNDESAMT 2003, 41). Öffentliche Räume stellen dabei für Jugendliche Darstellungs-,<br />
Erprobungs- und Aufenthaltsräume dar. Sie werden zum Treffen, Kommunizieren,<br />
„Chillen“ (Erholen), etc. aufgesucht. Sport wird z. B. in Grünanlagen oder im Wohnum-<br />
feld betrieben. Jugendzentren, Brachflächen oder Kinderspielplätze sind Rückzugsorte,<br />
die regelmäßig oder<br />
periodisch genutzt<br />
werden. Für die Un-<br />
tersuchung ist inte-<br />
ressant, inwieweit<br />
der öffentliche Raum<br />
von Jugendlichen<br />
genutzt wird und ob<br />
z. B. die Zeche Zoll-<br />
verein in das Raum-<br />
nutzungsverhalten<br />
der Jugendlichen<br />
einbezogen ist oder<br />
nicht. Dafür wurden<br />
Jugendliche dazu aufgefordert, Tagesprotokolle zu erstellen, die die Raumpraxis der<br />
Jugendlichen darstellen. Um Unterschiede zwischen Alltag und Wochenende zu erfas-<br />
sen, wurde jeweils ein Freitag und ein Samstag protokolliert. Den Jugendlichen wurde<br />
dazu ein Zeitstrang angereicht, bei dem sie auf der linken Seite vermerken sollten,<br />
welche Aktivitäten und Tätigkeiten sie im jeweiligen Zeitraum ausüben. Zur Protokollie-<br />
rung der Tätigkeiten blieb Platz für die genaue Ortsangabe bzw. Wegbeschreibung.<br />
Weiterhin wurden den Jugendlichen Einwegkameras mitgegeben, um für sie wichtige<br />
Orte an den beiden Tagen zu fotografieren. Um die Fotografien anschließend verorten<br />
zu können, sollten die Jugendlichen den Ort und den Zeitpunkt des Fotos auf den Ta-<br />
gesprotokollen mit einem grünen Klebepunkt markieren. Die Tagesprotokolle und Fo-<br />
todokumentationen wurden im Hinblick auf die aufgesuchten räumlichen Situationen<br />
qualitativ und quantitativ ausgewertet.<br />
Abb. 3: Beteiligte des Jugendhauses Stoppenberg<br />
(DRECKER 2010)<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 14
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Abb. 4: Beteiligte des Jugendhauses Nord<br />
(DRECKER 2010)<br />
Der Kontakt zu den Ju-<br />
gendlichen wurde über das<br />
Jugendhaus Stoppenberg<br />
und das Jugendhaus Nord<br />
hergestellt. Insgesamt<br />
nahmen 15 Jugendliche im<br />
Alter von 14 bis 20 Jahren<br />
an dieser Erfassungsme-<br />
thode teil, neun gaben ihre<br />
ausgefüllten Dokumente<br />
und Fotos ab (drei Mäd-<br />
chen und sechs Jungen).<br />
In der folgenden Abbildung (vgl. Abb. 5) werden der Aufbau und das Vorgehen der<br />
Studie schematisch dargestellt.<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 15
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Auswertung von Sekundärdaten<br />
Literaturanalyse<br />
Sekundärstatistische Datenanalyse<br />
Welche wirtschaftlichen,<br />
sozialen und kulturellen<br />
Strukturen herrschen im<br />
Stadtbezirk VI und inwiefern<br />
sind räumliche<br />
Schwerpunkte zu identifizieren?<br />
Inwieweit haben sich die<br />
wirtschaftlichen, sozialen<br />
und kulturellen Strukturen<br />
in den vergangenen 20<br />
Jahren verändert?<br />
Welche Initiativen haben<br />
zu einer positiven wirtschaftlichen,<br />
sozialen und<br />
kulturellen Entwicklung<br />
beigetragen?<br />
Abb. 5: Aufbau der Untersuchung<br />
(EIGENE DARSTELLUNG 2010)<br />
Untersuchungsraum<br />
Zeche Zollverein und die<br />
angrenzenden Stadtteile<br />
(Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg)<br />
Entwicklungen Auswirkungen Potenziale<br />
Welche Funktion hat die<br />
Zeche Zollverein für die<br />
Bewohner des Stadtbezirks<br />
VI?<br />
Inwieweit bestehen wirtschaftliche,<br />
soziale und<br />
kulturelle Synergieeffekte<br />
zwischen Zeche Zollverein<br />
und dem Stadtbezirk<br />
VI?<br />
Wie kann das Weltkulturerbe<br />
Zeche Zollverein<br />
seinem Auftrag zur räumlichen<br />
und funktionalen<br />
Integration in den Stadtbezirk<br />
VI noch stärker<br />
gerecht werden?<br />
Erhebung von Primärdaten<br />
Narratives Interview<br />
Leitfadengestützte Interviews<br />
Mental Maps<br />
Tagesprotokolle<br />
Diagnose, Konsequenzen, Empfehlungen<br />
Wie können die Entfaltung<br />
und Teilhabe der<br />
Bewohner unterschiedlicher<br />
Herkunft gefördert<br />
werden?<br />
Welche ungeahnten Potenziale<br />
sind darüber<br />
hinaus in dem Stadtbezirk<br />
VI vorhanden, um<br />
den Herausforderungen<br />
zu begegnen?<br />
Analyse von Schwerpunktthemen im Untersuchungsraum<br />
Fragestellung, Aufbau und Methodik der Untersuchung 16
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
3 Der Stadtbezirk VI in Essen<br />
Die Entwicklungen des Stadtbezirks VI in Essen sind durch die Zeche Zollverein stark<br />
geprägt. Die Schachtanlage Zollverein entwickelte sich nach 1850 zum ökonomischen<br />
Mittelpunkt Katernbergs, Stoppenbergs und Schonnebecks und beeinflusst seine Sied-<br />
lungsstruktur bis heute: Zahlreiche Bergarbeitersiedlungen, Halden und Bahnanlagen<br />
bestimmen noch immer das Ortsbild. Mit dem Rückzug des Bergbaus begann im Stadt-<br />
teil eine Umbruchsituation: Die Schließungen der Zeche Zollverein (1986) und der Ko-<br />
kerei Zollverein (1993) führten zu massiven Arbeitsplatzverlusten und erheblichen so-<br />
Zuzug von<br />
einkommensschwachenBevölkerungsschichten<br />
Preisniveau<br />
sinkt<br />
Abb. 6: Problemwirkungen im Stadtbezirk VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG 2010)<br />
Wegzug von<br />
vielen Bewohnern<br />
wegen<br />
Nordwanderung<br />
des<br />
Bergbaus<br />
Einzelhandel<br />
und KleingewerbeverzeichnenEinbußen <br />
zialen Problemen.<br />
So zogen bedingt<br />
durch die Schlie-<br />
ßung der Zeche<br />
viele Familien aus<br />
dem Stadtbezirk<br />
fort, um dem Berg-<br />
bau in den Norden<br />
nachzuwandern.<br />
Durch diesen<br />
Wegzug hatten<br />
viele Einzelhänd-<br />
ler und das Klein-<br />
gewerbe große<br />
Einbußen.<br />
Weiterhin ist das Preisniveau gesunken, so dass sich durch günstigere Mieten über-<br />
wiegend Menschen mit geringen Einkünften aus der näheren Umgebung, häufig mit<br />
Migrationshintergrund, im Stadtbezirk niederließen (PASTERNAK 2008, 75FF). Dadurch wur-<br />
den die bereits existierenden Probleme noch verschärft. Als Grundlage für die Analyse<br />
und Auswertung werden im Folgenden die sozialen und wirtschlichten Daten kurz um-<br />
rissen.<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 17
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
3.1 Lage<br />
Der Stadtbezirk VI der Stadt Essen ist einer von neun Stadtbezirken und liegt im Nord-<br />
osten der Stadt. Er untergliedert sich in die Stadtteile Schonnebeck (37), Stoppenberg<br />
(38) und Katernberg (39). Der Stadtbezirk hat insgesamt eine Fläche von 13,02 km².<br />
Den größten Anteil daran hat Stoppenberg mit 5,37 km², gefolgt von Katernberg mit<br />
4,82 km² und Schonnebeck mit 2,83 km². Insgesamt leben 51.150 Einwohner im<br />
Stadtbezirk VI, wobei in Katernberg mit 23.018 Einwohnern knapp die Hälfte wohnt<br />
(STADT ESSEN 2009).<br />
Abb. 7: Stadtteile und Stadtbezirke der Stadt Essen, Hervorhebung des Stadtbezirks VI<br />
(BAUMER 2007 UND STADT ESSEN 2007)<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 18
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
3.2 Sozial- und Wirtschaftsstruktur<br />
3.2.1 Einwohner- und Sozialstruktur<br />
Im Stadtbezirk VI leben 51.150 Personen (Stand: 31.12.2009). Trotz einer in den Jah-<br />
ren 1993 bis 2006 durchweg negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung (mehr<br />
Sterbefälle als Geburten) nahm in den Jahren 1994, 1999 und 2000 die Bevölkerung<br />
im Stadtbezirk VI dennoch zu (vgl. Abb. 8). Dies ist in den Jahren 1994 und 1999 Wan-<br />
derungsgewinnen von Bewohnern innerhalb der Stadt Essen zu verdanken, im Jahr<br />
2000 gab es auch Zuzüge von außerhalb.<br />
Insgesamt hat sich die Zahl der Bewohner des Stadtbezirks von 1993 bis 2009 um<br />
knapp 3 % verringert (Gesamtstadt: -7%).<br />
53000<br />
52500<br />
52000<br />
51500<br />
51000<br />
50500<br />
50000<br />
52561<br />
52964<br />
52715<br />
52403<br />
52157<br />
51805<br />
51878<br />
52123<br />
52088 52076 52072<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 19<br />
51931<br />
51775 51790 51768<br />
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />
Bevölkerungszahl im Stadtbezirk VI<br />
Abb. 8: Bevölkerungsentwicklung von 1993 bis 2006 im Stadtbezirk<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Unabhängig von der Gesamtentwicklung sind die Entwicklungen in den einzelnen<br />
Stadtteilen unterschiedlich verlaufen. Während Stoppenberg als einziger Stadtteil über<br />
diesen Zeitraum einen Zugewinn von +6 % aufweisen kann, ist in Schonnebeck und<br />
Katernberg einen Bevölkerungsrückgang von -9 % bzw. -6 % zu verzeichnen. Beson-<br />
ders Neubauaktivitäten haben in Stoppenberg zu diesem Zugewinn geführt, der in ei-<br />
nem einzelnen Stadtteilbereich bei +58 % liegt.<br />
51494<br />
51150
Stadt-<br />
bezirk VI<br />
Gesamt-<br />
stadt<br />
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Besonders interessant bei der Bevölkerungsstruktur ist der Anteil an Kindern und Ju-<br />
gendlichen. Während gesamtstädtisch betrachtet 16 % der Bevölkerung unter 18 Jahre<br />
alt ist, liegt dieser Anteil im Stadtbezirk VI bei 20 % (10.482 Personen), so dass der<br />
Stadtbezirk als kinderreich zu bezeichnen ist. Dagegen ist die Zahl älterer Menschen –<br />
im Gegensatz zu der Gesamtstadt – geringer als die Zahl der Kinder und Jugendlichen.<br />
Im Stadtbezirk VI sind 19 % der Bewohner 65 Jahre alt oder älter, in der Gesamtstadt<br />
sind dies 22 %.<br />
Abb. 9: Bevölkerung nach Altersgruppen von 1993 bis 2006 in den Stadtteilen<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Im Vergleich zu 1993 hat sich der Anteil der Minderjährigen an der Bevölkerung sowohl<br />
im Stadtbezirk VI als auch in der Gesamtstadt kaum verändert. Ebenfalls sind die Ent-<br />
wicklungen des Anteils an älteren Menschen einheitlich, so dass sich sowohl im Stadt-<br />
bezirk als auch in der Gesamtstadt der Anteil an Menschen über 65 Jahre um +3 %<br />
bzw. +4 % verändert hat (vgl. Abb. 9).<br />
Grundsätzlich verlaufen die Trends der Bevölkerungsentwicklung aus gesamtstädti-<br />
scher Sicht ähnlich denen im Stadtbezirk. Gesamtstädtisch hat die Zahl der Minderjäh-<br />
rigen um -9 % abgenommen und die der Älteren um +11 % zugenommen. Im Stadtbe-<br />
zirk ist der Trend ähnlich, doch ist der Verlust an jungen Menschen mit -2 % wesentlich<br />
geringer und der Zugewinn an älteren Menschen mit +19 % wesentlich höher (vgl. Abb.<br />
10).<br />
1993<br />
2006<br />
1993<br />
2006<br />
20,4 63,9 15,8<br />
20,2 60,8 19<br />
16,4 65,2 16,4<br />
16 62 22<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />
unter 18 Jahre 18-64 Jahre 65 Jahre und älter<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 20
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Stadt<br />
Stadtbezirk<br />
Schonnebeck<br />
Stoppenberg<br />
Katernberg<br />
Stadtbezirk VI<br />
Gesamtstadt<br />
-9<br />
-2,1<br />
-10 -5 0 5 10 15 20<br />
unter 18 Jahre 65 Jahr e und älter<br />
Abb. 10: Bevölkerungsentwicklung (unter 18 und über 65 Jahre) in Essen und im Stadtbezirk VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Eine weitere Besonderheit stellt der hohe Anteil an Personen mit Migrationshintergrund<br />
im Stadtbezirk VI dar. Insgesamt haben fast ein Viertel (24 %, 12.362 Personen) der<br />
Bewohner einen Migrationshintergrund (Vergleich Gesamtstadt: 17 %), wobei die Ver-<br />
teilung auf die einzelnen Stadtteile unterschiedlich ist.<br />
9,4<br />
13<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 21<br />
14,7<br />
0 5 10 15 20 25 30<br />
2006 1993<br />
Abb. 11: Anteil der Personen mit Migrationshintergrund nach Stadtteilen 1993 und 2006<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
17,3<br />
16,8<br />
17,8<br />
11,1<br />
21,5<br />
22,8<br />
23,8<br />
18,6<br />
27,6
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
In Katernberg ist der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund mit 28 % (6.503<br />
Personen) am höchsten, während Stoppenberg und Schonnebeck mit 23 % (3,814<br />
Personen) bzw. 18 % (2.045 Personen) darunter liegen, wenngleich der Anteil immer<br />
noch überdurchschnittlich hoch ist (vgl. Abb. 11).<br />
Betrachtet man darüber hinaus die einzelnen Stadtteilbereiche des Stadtbezirks VI,<br />
erkennt man in Katernberg sechs Bereiche, in denen der Anteil der Personen mit<br />
Migrationshintergrund über 30 % liegt. In Stoppenberg liegen zwei Bereiche über 30 %,<br />
in Schonnebeck einer. In der folgenden Abbildung sind die Anteile der Personen mit<br />
Migrationshintergrund im Stadtbezirk VI in den einzelnen Stadtteilbereichen aufgeführt<br />
(vgl. Abb. 12).<br />
Abb. 12: Personen mit Migrationshintergrund in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006<br />
(STADT ESSEN 2007)<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 22
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
-1000<br />
-2000<br />
-3000<br />
-4000<br />
-5000<br />
Abbildung 13 zeigt, dass sich die Bewohnerzahl im Stadtbezirk VI in dem Zeitraum von<br />
1993 bis 2006 insgesamt um 771 Personen verringert hat. Insgesamt befanden sich im<br />
Jahr 2006 4.037 Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit weniger<br />
im Stadtbezirk VI als im Jahr 1993. Ähnliche Tendenzen spiegeln sich in den Stadttei-<br />
len Katernberg und Schonnebeck wider. Auffällig ist dagegen die Entwicklung in Stop-<br />
penberg. Hier wohnen im Vergleich zu 1993 979 Menschen mehr, wobei der Anteil an<br />
Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit abgenommen (-784 Per-<br />
sonen) und der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund deutlich gestiegen ist<br />
(+1.763 Personen) (vgl. Abb. 13).<br />
0<br />
-686<br />
-1987<br />
1302<br />
979<br />
-784<br />
1763<br />
-1064 -1266<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 23<br />
202<br />
-771<br />
-4037<br />
Katernberg Stoppenberg Schonnebeck Stadtbezirk<br />
Bevölkerungsentwicklung insgesamt<br />
Personen mit ausschliesslich deutscher Staatsangehörigkeit<br />
Personen mit Migrationshintergrund<br />
Abb. 13: Bevölkerungsveränderung von 1993 bis 2006 (gesamt, deutsch, Migrationshintergrund)<br />
in den Stadtteilen des Stadtbezirks VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Grundsätzlich lässt sich erkennen, dass zwar ein leichter Bevölkerungsrückgang zu<br />
verzeichnen ist, der wesentlich vom Rückgang der deutschen Bewohner ausgeht und<br />
durch den Anstieg an Bewohnern mit Migrationshintergrund nicht vollständig kompen-<br />
siert wird.<br />
Hauptherkunftsland der im Stadtbezirk lebenden Personen mit Migrationshintergrund<br />
ist die Türkei. Im Stadtbezirk VI haben mehr als ein Drittel (36 %) die türkische Staats-<br />
angehörigkeit, was deutlich mehr als im gesamtstädtischen Vergleich (23 %) ist.<br />
3266
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
500<br />
Das darauffolgende häufigste Herkunftsland der im Stadtbezirk VI lebenden Migranten<br />
ist Polen mit 19 % der Migranten (Gesamtstadt: 17 %). Jeweils 5 % haben die kasachi-<br />
sche bzw. die Staatsangehörigkeit der Russischen Förderation, was ebenfalls über<br />
dem Durchschnitt der Gesamtstadt liegt. Weitere Herkunftsländer sind Afghanistan<br />
(468 Personen), Serbien und Montenegro (429 Personen), Libanon (402 Personen),<br />
Marokko (373 Personen), Spanien (217 Personen) und Kroatien (193 Personen).<br />
0<br />
Türkei<br />
Abb. 14: Einwohnerverteilung mit Migrationshintergrund nach Herkunftsland<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Die Haushaltsstrukturen im Stadtbezirk VI unterscheiden sich stark von denen der Ge-<br />
samtstadt. Während die durchschnittliche Haushaltsgröße in der Gesamtstadt bei 1,9<br />
liegt, befindet sich der Wert im Stadtbezirk bei 2,2. So gibt es im Stadtbezirk im Ver-<br />
gleich zu der Gesamtstadt (46 %) weniger Einpersonenhaushalte (37 %). Dagegen gibt<br />
es vergleichsweise viele Haushalte mit Kindern und Jugendlichen im Stadtbezirk VI (26<br />
%), während Minderjährige gesamtstädtisch gesehen nur in jedem fünften Haushalt (20<br />
%) leben.<br />
Polen<br />
Kasachstan<br />
Russische Förderation<br />
Afghanistan<br />
Serbien und Montenegro<br />
Libanon<br />
Schonnebeck Stoppenberg Katernberg<br />
Marokko<br />
Spanien<br />
Kroatien<br />
staatenlos bzw. ungeklärt<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 24
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Versorgungslage von Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen<br />
Die Versorgungslage von Kleinkindern hat sich gegenüber früher verbessert, was ei-<br />
nerseits mit der Ausweitung der Betreuungskapazitäten vor allem in Stoppenberg und<br />
Katernberg, aber auch in der Gesamtstadt zusammenhängt, sich andererseits durch<br />
die rückläufige Entwicklung der Anzahl an Kleinkindern ergibt. So ist die Versorgungs-<br />
quote im Stadtbezirk mit 8 % höher als in der Gesamtstadt (6 %).<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1993 2000 2006<br />
Abb. 15: Versorgungsquote von Kleinkindern (0 bis 3 Jahre) im Stadtbezirk VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Im Kindergartenbereich liegt die Versorgungsquote mit 84 % etwas unter der gesamt-<br />
städtischen Quote von 87 % und hat sich im Vergleich zu 1993 ebenfalls verbessert<br />
(vgl. Abb. 16).<br />
1993 2000 2006<br />
Abb. 16: Versorgungsquote von Kindergartenkindern (3 bis unter 6 Jahre) im Stadtbezirk VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Die Betreuungssituation für Kinder und Jugendliche (Hort) ist im Stadtbezirk VI rückläu-<br />
fig (vgl. Abb. 17), was aber durch die Förderung und schließlich die Einrichtung von<br />
offenen Ganztagsschulen im Stadtbezirk zu erklären ist.<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 25
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1993 2000 2006<br />
Abb. 17: Versorgungsquote von Schulkindern (6 bis 14 Jahre) im Stadtbezirk VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Im Gegensatz zu der Versorgungsquote der Kinder und Jugendliche sind die Zahlen<br />
der Übergänger und Übergängerinnen von Grund- zu weiterführenden Schulen, insbe-<br />
sondere auf Gymnasien sehr gering. Im Vergleich zur Gesamtstadt, wo 44,1 % der<br />
Kinder auf ein Gymnasium wechseln, sind es im Stadtbezirk VI nur 27,8 %. Deutlich<br />
abweichende Zahlen liegen ebenfalls bei dem Übergang zur Hauptschule vor. Wäh-<br />
rend in der Gesamtstadt lediglich 8,6 % der Kinder auf eine Hauptschule wechseln,<br />
sind dies im Stadtbezirk VI 20,4 %, also gut ein Fünftel der Kinder. Erstaunlich ist hier<br />
auch die Entwicklung. Im Vergleich zur Gesamtstadt, in der die Übergänger zur Haupt-<br />
schule in den Schuljahren 2005/2006 bis 2007/2008 von 10,3 % auf 8,6 % abnahmen,<br />
stieg im Stadtbezirk der Anteil von 16,6 % auf 20.4 % (vgl. Abb. 18).<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 26
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
5<br />
0<br />
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Schuljahr 2005/2006<br />
Hauptschule Realschule Gymnasium Gesamtschule<br />
Schuljahr 2006/2007<br />
Schonnebeck Stoppenberg Katernberg Stadtbezirk VI Gesamtstadt<br />
Hauptschule Realschule Gymnasium Gesamtschule<br />
Schuljahr 2007/2008<br />
Schonnebeck Stoppenberg Katernberg Stadtbezirk VI Gesamtstadt<br />
Hauptschule Realschule Gymnasium Gesamtschule<br />
Schonnebeck Stoppenberg Katernberg Stadtbezirk VI Gesamtstadt<br />
Abb. 18: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 27
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Schuljahr 2005/2006<br />
Hauptschule Realschule Gymnasium Gesamtschule<br />
Schonnebeck 8,6 29,5 29,5 32,4<br />
Stoppenberg 19,9 25,4 32,3 22,4<br />
Katernberg 18,3 29,0 25,1 27,6<br />
Stadtbezirk VI 16,6 27,9 28,4 27,0<br />
Gesamtstadt 10,3 23,6 41,8 24,2<br />
Schuljahr 2006/2007<br />
Schonnebeck 10,8 18,3 28,3 42,5<br />
Stoppenberg 14,5 33,0 31,8 20,7<br />
Katernberg 19,9 26,8 26,1 27,2<br />
Stadtbezirk VI 16,3 27,0 28,4 28,4<br />
Gesamtstadt 9,0 23,8 42,2 25,0<br />
Schuljahr 2007/2008<br />
Schonnebeck 18,1 30,2 28,4 23,3<br />
Stoppenberg 19,8 30,8 30,2 19,2<br />
Katernberg 21,8 18,2 26,1 33,9<br />
Stadtbezirk VI 20,4 24,5 27,8 27,3<br />
Gesamtstadt 8,6 23,9 44,1 23,4<br />
Abb. 19: Übergänge von Grund- auf weiterführende Schulen in Zahlen<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007)<br />
3.2.2 Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur<br />
Im Stadtbezirk VI lebten in der Jahresmitte 2006 13.888 sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigte. Damit ist die Quote der sozialversicherungpflichtig Beschäftigten mit 44<br />
% etwas geringer als in der Gesamtstadt (46 %). Lediglich in Katernberg liegt die<br />
Qutoe sozialversicherungpflichtig Beschäftigter mit 41 % der 18- bis 64-jährigen unter<br />
dem Durchschnitt. Dennoch sind im Vergleich zu der Gesamtstadt im Statdbezirk VI<br />
keine auffälligen Strukturunterschiede festzustellen. Die Anteile an den<br />
sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männern (59 %; Stadt: 55 %), jungen<br />
Menschen unter 25 Jahren (9 %; Stadt 8 %) und Nichtdeutschen (9 %; Stadt 7 %) sind<br />
im Stadtbezirk eher noch höher. Deutlich geringer ist dagegen der Anteil von Frauen<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 28
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
(38 %) an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auch hier weist Katernberg<br />
wieder den geringsten Wert mit nur 34 % auf (Gesamtstadt: 41 %).<br />
Vergleicht man ebenso die Strukturen der Arbeitslosen mit denen der Gesamtstadt,<br />
spiegeln sich hier ebenfalls die Ergebnisse. Während z. B. in der Gesamtstadt 55 %<br />
der Arbeitslosen männlich sind, sind dies im Statdbezirk VI nur 52 %. Unter den<br />
Arbeitslosen sind 22 % im Stadtbezirk Nichtdeutsche, in der Gesamtstadt sind es 21<br />
%. Auch die Anteile an den Arbeitslosen von unter 25-jährigen (Stadtbezirk: 10 %;<br />
Gesamtstadt: 10 %), von 55-jährigen oder Älteren (Stadtbezirk: 11%; Gesamtstadt: 14<br />
%) und Langzeitarbeitlosen (Stadtbezirk: 55 %; Gesamtstadt: 56 %) sind im Verhältnis<br />
zur Gesamtstadt ähnlich. Erst in der Betrachtung der Arbeitslosen im Verhältnis zu der<br />
Bevölkerung wird das Ausmaß der Arbeitslosigkeit deutlich (vgl. Abb. 20).<br />
Im Alter von 18 bis 64 Jahre sind 13 % der Bewohner des Statdbezirks VI arbeitslos,<br />
was über dem Durchschnitt der Gesamtstadt (11 %) liegt. Dabei ist sowohl der Anteil<br />
der Männer (14 %; Stadt: 12 %) und der Frauen (13 %; Stadt: 10 %) zwar nicht<br />
wesentlich, aber dennoch höher als auf der Ebene der Gesamtstadt. Besonders hoch<br />
ist der Anteil der arbeitslosen Nichtdeutschen an der Bevölkerung (19 %), der zwar<br />
genauso hoch ist wie auf gesamtstädtischer Ebene, aber dennoch viel höher als der<br />
Anteil der arbeitslosen Deutschen (Stadtbezirk: 12 %). Dieser Wert wiederum liegt über<br />
dem Durchschnitt der Gesamtstadt (10 %). Insgesamt liegen die Anteilswerte im<br />
Verhältnis zur Gesamtbevölkerung über denen der Gesamtstadt.<br />
insgesamt Männer Frauen Deutsche<br />
Nichtdeutsche<br />
Stadtbezirk VI 13,1 13,7 12,6 12 19,1 10 7,8<br />
Gesamtstadt 10,9 12 9,9 9,9 18,6 8,2 7,7<br />
Stadtbezirk VI Gesamtstadt<br />
18- bis unter<br />
25jährige<br />
55jährige und<br />
Ältere<br />
Abb. 20: Ausmaß der Arbeitslosigkeit unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Essen und im<br />
Stadtbezirk VI am 31.12.2006<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 29
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Drei Bereiche im Stadtbezirk weisen besondere Werte im Bezug auf die Arbeitslosen-<br />
zahlen auf (vgl. Abb. 21). Zwei Stadtteilbereiche liegen davon in Katernberg. Sowohl<br />
der Stadtteilbereich 2 als auch der Stadtteilbereich 6 haben mit 21,7 % bzw. 18,3 %<br />
einen sehr hohen Anteil an Arbeitslosen und liegen damit deutlich über dem Durch-<br />
schnitt des Stadtteils Katenberg (14,9 %), des Stadtbezirks (13,1 %) bzw. der Gesamt-<br />
stadt (10,9 %).<br />
Anteile an der Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren in %:<br />
Abb. 21: Arbeitslose in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006<br />
(STADT ESSEN 2007)<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 30
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Ebenfalls auffällig, diesmal aber in positiver Weise, sind die Stadtteilbereiche 2 in<br />
Stoppenberg und 7 in Schonnebeck (vgl. Abb. 21). In beiden Stadtteilbereichen ist die<br />
Arbeitslosendichte sehr gering, da nur 5,9 % der Bevölkerung im Alter von 18 bis 64<br />
Jahren arbeitslos ist.<br />
Im Stadtbezirk VI sind mehr als ein Fünftel (21 %) der Bewohner auf existenzsichernde<br />
Hilfeleistungen angewiesen, was deutlich mehr als im Vergleich zur Gesamtstadt (15<br />
%) ist. Während in Schonnebeck der Anteil Hilfebeziehender mit 16 % gegenüber dem<br />
Stadtbezirk VI relativ gering ist, liegt er doch über dem Durchschnitt der Stadt. In<br />
Stoppenberg liegt der Anteil mit 20 % deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtstadt.<br />
Katernberg weist mit 24 % den höchsten Anteil an Bevölkerung auf, die von<br />
existenzsichernden Hilfen abhängig sind (vgl. Abb. 22).<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
16,3<br />
19,9<br />
Schonnebeck Stoppenberg Katernberg Stadtbezirk VI<br />
Stadtteile Gesamtstadt<br />
Abb. 22: Personen mit existenzsichernden Hilfen in den Stadtteilen, dem Stadtbezirk und der<br />
Gesamtstadt am 31.12.2006<br />
(STADT ESSEN 2007)<br />
Einige Bereiche der Stadtteile stechen aufgrund überdurchschnittlicher Anteile von<br />
Personen mit existenzsichernden Hilfen hervor. Darunter vor allem der Bereich 2 in<br />
Katernberg (34,3 %), Bereich 4 in Stoppenberg (33,1 %), Bereich 2 in Schonnebeck<br />
(28,0 %).<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 31<br />
23,5<br />
15,3<br />
20,7
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Abb. 23: Personen mit existenzsichernden Leistungen in den Stadtteilbereichen am 31.12.2006<br />
(STADT ESSEN 2007)<br />
Betrachtet man die Hilfedichte auf die unterschiedlichen Altersgruppen bezogen, muss<br />
man feststellen, dass eine Einkommensarmut vor allem die Jüngeren betrifft (vgl. Abb.<br />
24). Während in der Gesamtstadt 29 % der Minderjährigen in einkommensarmen<br />
Haushalten leben, sind es im Stadtbezirk VI 36 %. Katernberg weist den höchsten<br />
Anteil mit knapp 40 % auf.<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 32
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
30,2<br />
33,3<br />
39,4<br />
35,6<br />
29,1<br />
16,4<br />
19,7<br />
23,3<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 33<br />
20,6<br />
unter 18 18 - 64 65 Jahre<br />
16<br />
3,3<br />
6,5<br />
5,5 5,3<br />
Schonnebeck Stoppenberg Katernberg Stadtbezirk VI Gesamtstadt<br />
Abb. 24: Altersstruktur der von existenzsichernden Hilfen Betroffenen in den Stadtteilen, im<br />
Stadtbezirk und in der Gesamtstadt am 21.12.2006<br />
(EIGENE DARSTELLUNG NACH STADT ESSEN 2007<br />
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist in viel geringerem Maße auf Existenz<br />
sichernde Transferleistungen angewiesen als Kinder und Jugendliche. Neben einer<br />
Armut bei Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls die Armut von Älteren (5 %) etwas<br />
stärker ausgeprägt als im gesamtstädtischen Vergleich (4 %). Das Ausmaß der<br />
Betroffenheit ist allerdings gegenüber der Problematik bzgl. der Kinder und<br />
Jugendlichen vergleichsweise gering.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Stadtbezirk VI im Vergleich zur<br />
Gesamtstadt überdurchschnittlich viele Personen mit Migrationshintergrund<br />
verzeichnet, überdurchschnittlich viele Personen arbeitslos sind bzw. existenz-<br />
sichernde Hilfeleistungen empfangen. Besonders auffällig sind die Werte im Bereich<br />
der Kinder und Jugendlichen, die zwar im Vergleich zur Gesamtstadt einen wesentlich<br />
höheren Anteil an der Bevölkerung einnehmen, deren Situation aber problematisch ist.<br />
Viele Kinder und Jugendliche leben in einkommensarmen Haushalten bzw. sind selber<br />
von Arbeitslosigkeit betroffen. Zwar haben sich die Betreuungssituationen und die<br />
Menge an Angeboten verbessert, doch scheint dies nicht unmittelbar Auswirkungen auf<br />
die Gesamtlage zu haben.<br />
3,5
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
3.3 Das Programm Soziale Stadt im Stadtbezirk<br />
Bereits Anfang der 1980er Jahre waren soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, schlech-<br />
te Wohnverhältnisse, Mangel an Zukunftsperspektiven vor allem für die damaligen jun-<br />
gen Bewohner und/oder die hohe Zahl an sozial benachteiligten Bewohnern prägend<br />
für den Stadtbezirk VI (siehe Kapitel 3). Durch den Wegfall der Zeche Zollverein und<br />
ihrer Kokerei, dem größten Arbeitgeber im Essener Norden, wurden die Probleme zum<br />
Teil ausgelöst oder in ihrer Intensität verstärkt (PASTERNAK, 2008, 78). Dass eine schwierige<br />
und vielschichtige soziale und wirtschaftliche Situation im Stadtbezirk VI vorzufinden<br />
war, nahm die Stadt seit Beginn der 1980er Jahre wahr. Vor allem die Integration von<br />
Einwohnern mit Migrationshintergrund war damals ein brisantes Thema, so dass das<br />
erste Projekt in Katernberg, das bereits 1981 von der Stadt beim heutigen Regional-<br />
verband Ruhr (RVR) in Auftrag gegeben wurde, der besseren Integration von Auslän-<br />
derinnen und Ausländern diente (PASTERNAK 2008, 79). In diesem Projekt wurde ein Pro-<br />
gramm für stadtteilbezogene soziale Arbeit erarbeitet, welches direkt im Stadtteilbe-<br />
reich Katernberg-Beisen eingesetzt worden ist. Nachdem 1986 das Institut für Stadt-<br />
teilbezogene Soziale Arbeit und Beratung der Universität Essen gegründet wurde,<br />
wurden weitere Projekte in Kooperation der Stadt Essen, der Arbeiterwohlfahrt (AWO)<br />
und später auch der Evangelischen Kirchengemeinde Katernberg durchgeführt. Bereits<br />
vor der Förderung durch Städtebaumittel wurde in Essen eine ressortübergreifende<br />
Arbeitsweise in der Verwaltung eingeführt, um auf Grundlage der Analyse von Prob-<br />
lemlagen ausgewählter Stadtteile (Hörsterfeld, Katernberg, Überruhr, Bergmannsfeld<br />
und Altendorf) die Verbesserung von Lebensbedingungen zu erreichen (STADT ESSEN<br />
2004, 100). Weiterhin wurden sowohl Schul-, Jugend-, Sozial- und Kulturpolitik als auch<br />
die kleinräumigen Wirtschaftsförderungen stärker in die Stadtteilentwicklung eingebun-<br />
den. Ein bereichsübergreifendes Quartiersmanagement, das über drei Aktionsebenen<br />
gesteuert wird, soll dies fördern. Die Ebenen bestehen aus dem Gebietsbeauftragten,<br />
den intermediären Akteuren und der Stadtteilarbeit. Vor diesem Hintergrund gilt das<br />
Programmgebiet Essen-Katernberg, das den gesamten Essener Stadtbezirk VI um-<br />
fasst, „als Labor für das Programm Soziale Stadt in NRW sowie auf Bundesebene“<br />
(STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW 2007, 83).<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 34
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Das Programm Soziale Stadt NRW seit 1993 – Initiativen im Stadtbezirk VI<br />
Auf dieser Kooperations-, Erfahrungs- und Projektbasis wurde 1993 ein Erneuerungs-<br />
konzept für den gesamten Stadtbezirk VI entwickelt und in das NRW-weite Programm<br />
„Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“ (heute: Soziale Stadt) aufgenommen.<br />
Ziel des Programms ist es, „eine stabilisierende Entwicklung in Gang zu bringen: Es<br />
muss gelingen, dass die Bewohner der Stadtteile Teil der städtischen Gemeinschaft<br />
bleiben und dass die Quartiere selbst als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum bestehen<br />
können“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010). Das Programm Soziale Stadt NRW hat<br />
zum Ziel, „Vorhandenes“ – damit sind Organisationen, Fachleute, engagierte Bürger,<br />
Geldmittel, Erfahrungen, etc. gemeint - und „Neues“ – damit sind zusätzliche Angebo-<br />
te, neue Infrastruktur oder ergänzende bauliche Maßnahmen gemeint – so miteinander<br />
zu verknüpfen, dass ein „nachhaltiger Anschub guter Entwicklungen“ (STÄDTENETZES SOZI-<br />
ALE STADT NRW 2010) stattfindet.<br />
Abb. 25: Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen<br />
(STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010)<br />
Dabei wird besonders auf integriertes, also ebenen- und fachübergreifendes Arbeiten<br />
geachtet, welches durch neue Arbeitsformen, z. B. Arbeitskreise oder Stadtteilkonfe-<br />
renzen, möglich ist und „eine gezielte und transparente Kooperation“ (STÄDTENETZES SOZIA-<br />
LE STADT NRW 2010) schafft (vgl. Abb. 25). Ein Stadtteil wird in das Programm Soziale<br />
Stadt aufgenommen, wenn Land und Kommune darin übereinstimmen, dass ein Stadt-<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 35
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
teil besondere Unterstützung benötigt – „starre Kriterien gibt es nicht. Der ausdrückli-<br />
che Wille von Lokalpolitik und Stadtverwaltung, sich einem Stadtteil intensiv zu wid-<br />
men, ist dabei unverzichtbar“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010). Ebenso unverzichtbar<br />
und immer wieder als wesentliches Merkmal des Programms vermerkt ist „die Aktivie-<br />
rung und Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner, der Unternehmen und der<br />
Not-Profit-Organisationen vor Ort“ (STÄDTENETZES SOZIALE STADT NRW 2010).<br />
Durch das Programm Soziale Stadt sollen vielfältige Probleme wie Beschäftigung,<br />
Qualifizierung und Ausbildung, Wertschöpfung im Gebiet, soziale Aktivitäten und sozia-<br />
le Infrastruktur, Schule und Bildung, Gesundheitsförderung, Umwelt und Verkehr,<br />
Stadtteilkultur, Sport und Freizeit, Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und eth-<br />
nischer Gruppen, Wohnungsmarkt und Wohnungsbewirtschaftung, Wohnumfeld und<br />
öffentlicher Raum sowie Imageverbesserung und Öffentlichkeitsarbeit angegangen<br />
sowie die Potenziale der Programmgebiete genutzt werden, indem ein leistungsfähiges<br />
Koordinierungs-, Kooperations- und Partizipationsmanagement aufgebaut wird. Dafür<br />
werden folgende strategische Instrumente gefördert:<br />
Integrierte Entwicklungs- bzw. Handlungskonzepte,<br />
Gebietsbezug,<br />
Ressourcenbündelung,<br />
Quartiersmanagement,<br />
Aktivierung und Beteiligung,<br />
Evaluierung,<br />
Monitoring.<br />
Die Steuerung des Programms übernahm in Essen eine Lenkungsgruppe, in der sich<br />
Vertreter verschiedener städtischer Ämter, der politischen Fraktionen der Bezirksver-<br />
tretung VI, der Essener Wirtschaftsförderung, des ISSABs, der AWO und der Ev. Kir-<br />
chengemeinde Katernberg befinden. Die Lenkungsgruppe ist für die Steuerung der<br />
Programmumsetzung verantwortlich, dessen Federführung das Amt für Stadtentwick-<br />
lung übernommen hat. Die politische Legitimation und Unterstützung des integrierten<br />
Handlungskonzeptes erfolgt durch Beschlüsse des Rates und der Fachausschüsse<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 4) (vgl. Abb. 26).<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 36
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Auf der Stadtteilebene findet eine Beteiligung und Aktivierung von Bewohnern, Verei-<br />
nen, Verbänden, Einzelhändlern, etc. durch verschiedene themenspezifische Arbeits-<br />
kreise und die Katernberg Konferenz statt (siehe Kapitel 5. Zusammenarbeit). Die Ka-<br />
ternberg Konferenz wurde 1993 ins Leben gerufen und wird von Bewohnern aus den<br />
Abb. 26: Organisation und Kooperation im Stadtbezirk VI<br />
(STADT ESSEN 2004, 104)<br />
Stadtteilen als ein<br />
„ein sehr gutes In-<br />
strument, um Prob-<br />
leme und Vorteile im<br />
Stadtteil zu bespre-<br />
chen“ (GESPRÄCHSPART-<br />
NER 3 2010, 1) wahrge-<br />
nommen. Die Ka-<br />
ternberg Konferenz<br />
wurde auf Initiative<br />
vom Werbering Ka-<br />
ternberg e. V. – ein<br />
Zusammenschluss<br />
der Einzelhändler im<br />
Stadtteil Katernberg<br />
– initiiert und im Zu-<br />
sammenschluss mit<br />
den Werbegemein-<br />
schaften in Stoppen-<br />
berg und Schonne-<br />
beck organisiert (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 2 2010,<br />
1FF). Das Besondere<br />
an dieser Konferenz, die mindestens zweimal im Jahr stattfindet, ist, dass sie losgelöst<br />
von anderen Projekten oder Förderungen aus Eigeninitiativen im Stadtteil entstanden<br />
ist. Mittlerweile dient sie als „sehr gute Möglichkeit der unmittelbaren Bürgerbeteiligung<br />
an den laufenden Projekten“ (PASTERNAK 2008, 84).<br />
Zusätzlich gibt es seit Oktober 2006 das Bürgerzentrum „Kon-Takt" am Katernberger<br />
Markt. Dafür wurden die ehemals eingerichteten Stadtteilbüros „Holzhaus Beisen“ (seit<br />
1986) und „Stadtteilladen“ (seit 1988) aufgegeben und am Katernberger Markt vereint.<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 37
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Während der mittlerweile 17-jährigen Förderung des Programmgebiets wurden viele<br />
Projekte angestoßen, die sich mit den Themen<br />
beschäftigten.<br />
• Wohnen, Wohnumfeld, Beteiligung, Integration,<br />
• Wiedernutzung von Denkmälern, Städtebauliche Planungen, Umwelt,<br />
• Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Strukturwandel, Tourismus<br />
Der Stadtbezirk VI in Essen 38
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
4 Vergangenheit und Gegenwart der Zeche Zollverein<br />
4.1 Zeche Zollverein als ökonomischer Mittelpunkt der angrenzenden Stadtteile<br />
Ausgang für die Entwicklung von Zollverein war der Erwerb von 13 zusammenhängen-<br />
den Grubenfeldern in der Nähe der Ortschaften Katernberg und Stoppenberg in den<br />
1840er Jahren durch Franz Haniel, der das neue Bergwerk „Zollverein“ nannte. Bereits<br />
1847 wurde mit der Abteufung begonnen. Drei Jahre später wurde die erste Kohle ge-<br />
fördert und mithilfe von 256 Bergleuten insgesamt 13.000 Tonnen Kohle zu Tage ge-<br />
bracht. Von diesem Punkt an wuchs Zollverein bis zum Ersten Weltkrieg unaufhörlich.<br />
Die Belegschaft wurde verzehnfacht und die Fördersumme auf eine Million Tonnen<br />
Kohle pro Jahr erhöht. Neben dem Bergwerk wurden zahlreiche Arbeitersiedlungen<br />
und Bahnschienen erbaut, die den ehemals landschaftlichen Charakter des Gebiets<br />
verdrängten. In Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck ist die Bevölkerungszahl in<br />
dieser Zeit enorm angestiegen. Der steigende Arbeitskräftebedarf auf der Zeche konn-<br />
te nicht mehr von den Menschen aus der Umgebung gedeckt werden, so dass neben<br />
Zuwanderern aus Westfalen und dem Rheinland vor allem Menschen aus den polni-<br />
schen Provinzen Preußens in den Essener Norden zogen. Durch die gemeinsame Ar-<br />
beit unter Tage und eines gemeinsamen Werteverständnisses durch den christlichen<br />
Glauben war eine Integration in das Leben des heutigen Stadtbezirks schnell möglich<br />
(ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 21).<br />
Die erste Krise erreichte den Bergbau während der Weimarer Republik. Durch Rationa-<br />
lisierungsmaßnahmen sowie Fusionen und Zusammenschlüsse sollte dieser Krise be-<br />
gegnet werden. Somit wurde auf Zollverein eine umfangreiche Erweiterung geplant, die<br />
zu einer Optimierung der Betriebsabläufe, einer Erhöhung der Produktionskapazitäten<br />
und einer Kosteneinsparung führen sollte. In knapp vierjähriger Bauzeit entstand Zeche<br />
Zollverein Schacht XII, der durch die Architekten Franz Schupp und Martin Kremmer<br />
geplant wurde. Es entstand eine funktionale, monumentale Schachtanlage, die sowohl<br />
durch ihre Leistungsfähigkeit als auch durch ihren repräsentativen Charakter die Öf-<br />
fentlichkeit beeindruckte (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 25-29).<br />
Zollverein stellte für die angrenzenden Stadtteile Stoppenberg, Schonnebeck und Ka-<br />
ternberg einen ökonomischen Mittelpunkt dar. Zu Spitzenzeiten beschäftigte Zollverein<br />
bis zu 9.000 Arbeitskräfte. Dabei lag der Schwerpunkt der Arbeiter unter Tage. Auch<br />
wenn viele Arbeiter aus den angrenzenden Stadtteilen auf Zollverein beschäftigt wa-<br />
ren, war das Zechengelände für die Bewohner nicht einsehbar. Hohe Mauern umgaben<br />
Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein 39
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
die Arbeitsstätte und nur mit besonderer Erlaubnis war eine Besichtigung möglich. Un-<br />
ter den Bewohnern wurde daher das Zechengelände auch als „verbotene Stadt“ be-<br />
zeichnet (MÜLLER 2008, 172 F.).<br />
Besonders zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs lief die Produktion auf Zollverein (beson-<br />
ders für die Rüstungsindustrie) intensiv weiter, so dass daran anschließend in der Zeit<br />
des Wirtschaftswunders eine Erweiterung der Anlage um eine Kokerei stattfand (von<br />
1957 bis 1961) (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 31).<br />
Auf den erneut anwachsenden Arbeitskräftebedarf reagierte die Bundesrepublik mit so<br />
genannten Anwerberverträgen mit verschiedenen Staaten Süd- und Osteuropas. Da-<br />
durch wanderten in einer ersten Phase insbesondere Italiener, Spanier und Griechen<br />
ins Ruhrgebiet ein. In einer zweiten Phase stellten Türken die größte Einwanderungs-<br />
gruppe dar. Ziel dieser Gastarbeiter war zunächst das Verdienen von viel Geld in einer<br />
möglichst kurzen Zeit und die anschließende Rückkehr in ihre Heimat. Während Italie-<br />
ner, Spanier und Griechen aufgrund der verbesserten ökonomischen Situation häufig<br />
in ihre Heimatländer zurückkehrten, stellte sich die wirtschaftliche Situation in der Tür-<br />
kei anders dar. Dies führte dazu, dass viele Türken in Deutschland blieben und ihre<br />
Familien nachziehen ließen (FLEIß 2008, 126 FF.).<br />
Der Niedergang der Montanindustrie führte zu einem beständigen Abbau von Arbeits-<br />
plätzen (Dezember 1986: 1.265 Mitarbeiter) und letztlich zur Schließung der Zeche<br />
Zollverein am 23.12.1986. Sieben Jahre später, am 30. Juni 1993, folgte die Schlie-<br />
ßung der Kokerei (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 31).<br />
Damit verloren die Stadt Essen und besonders ihre nördlichen Stadtteile den wichtigs-<br />
ten Arbeitgeber.<br />
4.2 Das Weltkulturerbe Zeche Zollverein und seine Neunutzung<br />
Bereits während der letzten Produktionsjahre auf Zollverein wurde über die zukünftige<br />
Nutzung und den möglichen Erhalt Zollvereins nachgedacht. Dabei schwankten die<br />
Überlegungen zwischen einem Abriss und dem Erhalt der Gebäude als Industriedenk-<br />
mal. Nur wenige Tage vor der Schließung wurde am 16.12.1986 die endgültige Ent-<br />
scheidung für einen Erhalt von Schacht XII inklusive seiner technischen und maschi-<br />
nellen Ausstattung getroffen, indem per Ministererlass durch Minister Christoph Zöpel<br />
die Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt wurde. Dieser Erlass galt als Initial-<br />
Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein 40
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
zündung für das Fortbestehen zahlreicher Industrieanlagen innerhalb des Ruhrgebiets.<br />
Der Gedanke, Neues zu entwickeln und dabei das Alte nicht zu negieren, wurde da-<br />
durch zu einem festen Bestandteil in der Stadtplanung (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVER-<br />
EIN MBH 2009, 37-39).<br />
Mit dem Ziel des Erhalts von Zollverein waren allerdings vielschichtige Probleme ver-<br />
bunden. Das Gebäudeensemble von Schacht XII wurde beim Bau für ca. 50 Jahre kon-<br />
zipiert, sollte nun aber – 60 Jahre später – dem Denkmalschutz gerecht werden. Da<br />
eine reine Bewahrung als Denkmal schon aufgrund der Größe (fast 27 Hektar und 23<br />
Gebäude und Anlagen) und Baufälligkeit nicht finanzierbar war, musste eine Umnut-<br />
zung der Hallen und Anlagen angestrebt werden (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH<br />
2009, 41).<br />
Große Flächen von Zollverein gingen in den Besitz der Landesentwicklungsgesell-<br />
schaft Nordrhein-Westfalen über. Sie rief einen Arbeitskreis „Nutzungskonzept Indust-<br />
riedenkmal Zollverein XII“ ein, der ein mehrstufiges Nutzungs- und Sanierungskonzept<br />
inklusive der voraussichtlichen Kosten erarbeitete und neue Nutzungen der Anlage<br />
vorschlug sowie Kernthemen definierte. Besonders zwei Themen wurden hervorgeho-<br />
ben, die bis heute ihren Stellenwert nicht verloren haben. Zollverein soll einerseits Kul-<br />
tur- und Industriegeschichte verkörpern, andererseits sich dem Thema Design öffnen.<br />
Im Jahr 1989 wurde eine Baugesellschaft, die so genannte Bauhütte Zeche Zollverein<br />
Schacht XII GmbH (Gesellschafter sind die Stadt Essen und die Landesentwicklungs-<br />
gesellschaft) gegründet, die bis 1999 eine entscheidende Entwicklungs- und Aufbauar-<br />
beit leistete. Dabei war die Herrichtung der Gebäude für neue Nutzungen (Kultur- und<br />
Veranstaltungszentrum, Büroräume, gehobene Veranstaltungsgastronomie) nur durch<br />
eine finanzielle Unterstützung des Ministeriums für Städtebau und Wohnen möglich.<br />
Bereits 1993 bezogen verschiedene Firmen (Grafikbüros, Werbeagenturen) und Künst-<br />
ler die ersten Büros. Neben der neuen gewerblichen Nutzung wurden weiterhin Kultur-<br />
projekte (z. B. Ausstellung von Leonardo Mosso im Jahr 1995) forciert. Die Öffnung<br />
des ehemaligen Zechengeländes stieß besonders bei der breiten Öffentlichkeit auf<br />
Anklang. Neben den Touristen konnten nun auch die Bewohner der benachbarten<br />
Stadteile das Gelände mit eigenen Augen erleben. Weitere Entwicklungsanstöße gab<br />
es durch die IBA Emscher Park, die z. B. den Impuls für den Erhalt der im Jahr 1993<br />
stillgelegten Anlage der Kokerei Zollverein gab (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH<br />
2009, 43-47).<br />
Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein 41
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Nach Beendigung der auf zehn Jahre befristeten Arbeiten der Bauhütte im Jahr 1999<br />
war die im Jahr 1998 gegründete <strong>Stiftung</strong> Zollverein nun für den langfristigen Erhalt,<br />
die Verwaltung und laufende Instandsetzung der Gebäude sowie die Planung und Ges-<br />
taltung ihrer Nutzung zuständig.<br />
Ein weiterer wichtiger Meilenstein für Zollverein war die Ernennung zum UNESCO-<br />
Welterbe im Jahr 2002.<br />
Während die <strong>Stiftung</strong> Zollverein für die kulturelle Entwicklung zuständig war, fehlten<br />
nach Beendigung der IBA Emscher Park im Jahr 1999 die finanziellen Mittel und ein<br />
Gesamtkonzept für die weitere Entwicklung von Zollverein. Angeregt durch Prof. Dr.<br />
Karl Ganser wurde ein Entwicklungskonzept (Denkschrift Zollverein 2010) entworfen.<br />
Im weiteren Prozess wurde für diese zweite Entwicklungsphase von Zollverein die<br />
Entwicklungsgesellschaft Zollverein mbH (EGZ) vom Land NRW (vertreten durch die<br />
Projekt Ruhr GmbH) und der Stadt Essen gegründet. Für das Großprojekt „Design-<br />
und Kulturstandort Zollverein“ wurden durch die Europäische Union 30 Mio. Euro bewil-<br />
ligt; weitere 30 Mio. Euro stellten das Land NRW und die Stadt Essen bereit. Bei ande-<br />
ren Förderprogrammen sollten zusätzliche 35 Mio. Euro beantragt werden. Diese Mittel<br />
sollen dazu verwendet werden, den Gesamtstandort Zollverein zu einem „integrierten<br />
Design- und Kulturstandort von nationaler und internationaler Bedeutung“ (aus: Antrag<br />
an Europäische Union 2001) auszubauen. In einem kontinuierlichen Prozess werden<br />
im Austausch zwischen der Entwicklungsgesellschaft Zollverein mbH, den Ministerien<br />
des Landes, der Stadt Essen und externen Partnern die Anfangsideen weiterentwi-<br />
ckelt, durch die Masterplanerstellung von Rem Koolhaas ergänzt und neue Ideen ent-<br />
wickelt. So sieht sich Zollverein heute im ökonomischen Bereich nicht mehr nur als<br />
Kultur- und Designstandort, sondern als Zentrum der Kreativwirtschaft (ENTWICKLUNGSGE-<br />
SELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 49-57).<br />
Heute stellt Zollverein einen Tourismus-, Architektur- und Wirtschaftsstandort dar. Das<br />
Ruhr Museum, das neue Portal der Industriekultur und das Naherholungsgebiet Zoll-<br />
verein Park locken jährlich ca. 800.000 Gäste auf das Zollvereinareal. Als Architektur-<br />
standort ist Zollverein sowohl durch die Gebäudearchitektur von Schacht XII (Architek-<br />
ten Fritz Schupp und Martin Kremmer) als auch durch Bauten von Heinrich Böll, Hans<br />
Kramel, Lord Norman Foster, Rem Koolhaas, Christoph Mäckler und SANAA weltweit<br />
beachtet. Als Wirtschaftsstandort zeichnet sich Zollverein durch Unternehmen der Kre-<br />
ativwirtschaft aus. Im Jahr 2008 befanden sich 170 Unternehmen mit rund 1.000 Ar-<br />
beitsplätzen auf dem Gelände (ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH 2009, 157-159).<br />
Vergangenheit und Zukunft der Zeche Zollverein 42
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
5 Schwerpunktthemen im Stadtbezirk<br />
5.1 Beschäftigungseffekte im Stadtbezirk VI – heute und in Zukunft<br />
Die Stadtteile des Stadtbezirks VI sind durch den Niedergang des beschäftigungsin-<br />
tensiven Bergbaus und somit durch die Schließung der Zeche und Kokerei Zollverein<br />
starken Änderungen in der Wirtschaftsstruktur ausgesetzt. Sie sind – seit ihr größter<br />
Arbeitgeber 1986 bzw. 1993 weggebrochen ist – herausgefordert, ihre ökonomischen<br />
Strukturen zu revitalisieren. Besonders problematisch stellte sich damals auch die Be-<br />
schäftigungssituation für die heranwachsenden Generationen dar. Die geplante Be-<br />
schäftigungsbiographie, die ein „Berufsleben in der Zeche“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4)<br />
vorsah, musste nun abrupt verändert werden. Die damaligen Jugendlichen hatten zu-<br />
nächst keine beruflichen Perspektiven und mussten sich neu orientieren, obwohl sie z.<br />
B. schon ihre Ausbildung als Bergleute absolviert hatten.<br />
Fördergelder als „push“-Faktoren<br />
Viele Ansätze zur integrativen Entwicklung dieser strukturschwachen Stadtteile wurden<br />
im Stadtbezirk VI seit Mitte der 1980er Jahre erprobt und im Jahr 1993 in das Pro-<br />
gramm Soziale Stadt aufgenommen. In den Anfängen des Stadtentwicklungsprojekts<br />
wurden mit Städtebauförderungsmitteln viele Maßnahmen umgesetzt, die auch die<br />
Beschäftigung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen förderte, indem z. B.<br />
Gebäude, die unter Denkmalschutz standen, mit Arbeitsmarktmaßnahmen saniert wor-<br />
den sind. Dadurch konnten besonders in den Jahren 1994 bis 2005 die Beschäfti-<br />
gungsförderung und die Städtebauförderung gut miteinander kombiniert werden, so<br />
dass einerseits „Qualifikationsangebote und Jobs entstanden sind“, andererseits aber<br />
auch „Dinge tatsächlich gebaut bzw. umgesetzt worden sind“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010,<br />
1). Durch Änderungen der Arbeitsmarktmaßnahmen im Zuge der Hartz-Reformen (kei-<br />
ne gruppenbezogene, sondern eher einzelpersonbezogene Förderung) und der Städ-<br />
tebauförderung wurden diese Maßnahmen allerdings deutlich reduziert (STÄDTENETZWERK<br />
SOZIALE STADT NRW 2007, 87).<br />
Von 2003 bis Juni 2008 konnten im Stadtbezirk VI mit dem Programm „Lokales Kapital<br />
für Soziale Zwecke“ (LOS) Klein- und Kleinstvorhaben mit bis zu 10.000 Euro für die<br />
Laufzeit eines Jahres finanziell unterstützt werden. Das Programm wird vom Bundes-<br />
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie vom Europäischen Sozial-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 43
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
fond gefördert und hat zum wesentlichen Ziel, benachteiligten Menschen eine Chance<br />
zur Eingliederung bzw. Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu ermöglichen. LOS<br />
ist verknüpft mit dem Programm Soziale Stadt, da es sich nur an Menschen richtet, die<br />
in einem solchen Fördergebiet leben. Die Fördermittelvergabe wird auf der lokalen<br />
Ebene mittels eines örtlichen Begleitausschusses durchgeführt; dabei kommen als<br />
Träger für Maßnahmen Initiativen, Vereine, Genossenschaften, Bildungs- und Maß-<br />
nahmenträger, Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden, örtliche Unternehmen, Wirt-<br />
schaftsverbände, Lehrstellenbündnisse und Einzelpersonen in Frage (STADT ESSEN 2008,<br />
6-7). Das Programm vermittelte in Einzelfällen Jugendlichen (wieder) eine Perspektive<br />
(z. B. durch das Projekt „Website – Junge Werkstatt zur Erstellung von Internetseiten“,<br />
2003/2004, 20 Teilnehmer oder „Access allowed – Zugang zur Arbeitswelt“,<br />
2004/2005, 80 Teilnehmer), verhalf Spätaussiedlern zu besseren Startchancen im Be-<br />
rufsleben (z. B. durch das Projekt „Beratung und Vermittlung arbeitsloser junger Spät-<br />
aussiedler und ihrer Familienangehörigen“, 2004/2005, 42 Teilnehmer), vermittelte<br />
türkischen Migranten verbesserte Sprachkenntnisse und berufliche Orientierungsange-<br />
bote (z. B. durch das Projekt „Erlernung / Verbesserung der sozialen Kompetenzen für<br />
den Umgang im Berufsalltag“, 2006/2007, 18 Teilnehmer), erleichterte Frauen die<br />
Rückkehr in den Beruf oder den Start in die Selbstständigkeit (z. B. durch das Projekt<br />
„Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, 2006/2007, 58 Teilnehmer) und<br />
ermöglichte eine Ausweitung der touristischen Angebote auf Zollverein (siehe unten)<br />
(STADT ESSEN 2008, 24FF). Nach Auslauf des Programms LOS wurde im Dezember 2009<br />
das Programm STÄRKEN vor Ort eingeführt, das bis Dezember 2011 vorgesehen ist.<br />
Die Kommunen müssen dabei eine Kofinanzierung in Höhe von 15 Prozent erbringen.<br />
Wie im Vorgängerprogramm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ werden die Projekte<br />
zu 100 Prozent aus ESF 2 -Mitteln finanziert.<br />
Gründerzentrum mit großem Erfolg, aber geringen Beschäftigungseffekten für<br />
den Stadtbezirk VI<br />
Das Zukunftszentrum Zollverein (TripleZ) ist „ein wichtiger Anker“ (GESPRÄCHSPARTNER 1<br />
2010, 2) im Bereich der Beschäftigung für den Stadtbezirk. Das Gründerzentrum befin-<br />
det sich auf der früheren Schachtanlage 4 / 5 / 11 der Zeche Zollverein, in der sich bis<br />
2 „Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist einer der Strukturfonds der EU, die eingerichtet wurden,<br />
die Unterschiede bei Wohlstand und Lebensstandard in den Mitgliedstaaten und Regionen<br />
der EU abzubauen und dadurch den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zu fördern.<br />
Der ESF dient der Förderung der Beschäftigung in der EU. Er steht den Mitgliedstaaten zur<br />
Seite, wenn es darum geht, Europas Arbeitskräfte und Unternehmen für die neuen und globalen<br />
Herausforderungen zu rüsten.“ (EUROPÄISCHE UNION 1995-2010)<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 44
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
1994 die Lehrwerkstatt der Deutschen Steinkohle AG befand. Ziel der TripleZ AG, die<br />
1996 gegründet wurde, war „die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Förderung von<br />
Existenzgründungen“ (ZUNKUNFTSZENTRUMZOLLVEREIN 2006, 22). Aktuell befinden sich im<br />
TripleZ 80 Unternehmen mit ca. 500 Mitarbeitern. Die AG wird von dem geschäftsfüh-<br />
renden Vorstandsmitglied als „ökonomisches Herz von Zollverein“ (GESPRÄCHSPARTNER 4<br />
2010, 1) bezeichnet. Bei der Darstellung nach außen werden „von unserem großen Bru-<br />
der da drüben“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 1) – gemeint ist Schacht 12 – die Unternehmen<br />
und Arbeitsplätze von TripleZ mitgezählt, so dass auf dem gesamten Gelände von<br />
Zollverein – also auf Schacht 1 / 2 / 8, dem Choreographischen Zentrum, Schacht 3 / 7<br />
/ 10, dem Bürger- und Handwerkerpark, Schacht 4 / 5 / 11, dem TripleZ und Schacht<br />
12 – insgesamt 1.200 bis 1.300 Arbeitsplätze gezählt werden. Wird dies getrennt be-<br />
trachtet, „haben wir hier [TripleZ] die meisten Unternehmen und die meisten Arbeits-<br />
plätze, also mehr als bei 12“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 1). TripleZ beherbergt überwiegend<br />
Kleinst- bzw. Einzelunternehmen. Allerdings sind auch größere Unternehmen bei<br />
TripleZ anzutreffen, die ca. 50 % des Umsatzes ausmachen. Im vergangenen Jahr ist<br />
z. B. eine Firma, die im TripleZ gegründet wurde und gewachsen ist, aus dem Grün-<br />
derzentrum auf die Kokerei gezogen, wo sie selbst investiert und gebaut hat. Dies ist<br />
natürlich „wünschenswert “ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 2). Allerdings wurden dadurch große<br />
Flächen frei, deren Vermietung 8 % des Umsatzes von TripleZ ausgemacht haben.<br />
„Weil wir knapp kalkulieren, können wir uns keinen hohen Leerstand leisten“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 4 2010, 3). Probleme bei der Neuvermarktung stellen teilweise größere<br />
Flächen dar, da Gründerfirmen eher kleinere Flächen benötigen (GESPRÄCHSPARTNER 4<br />
2010, 2). Das TripleZ fördert einen Branchenmix, um eher eine Kooperations- als Kon-<br />
kurrenzsituation zu schaffen. Diese Philosophie trägt Früchte, indem die verschiedenen<br />
Unternehmen z. B. gemeinsam an Wettbewerben teilnehmen oder sich gemeinsam für<br />
den Standort einsetzen; TripleZ beteiligt sich z. B. an dem Projekt Schachtzeichen der<br />
Kulturhauptstadt 2010, indem sie einen Ballon finanzieren. Der Gesprächspartner be-<br />
tont, dass das TripleZ einen „sehr engen Draht“ zu den Unternehmen hat und durch<br />
diverse Projekte „eine Identität mit dem Standort geschaffen“ wurde (GESPRÄCHSPARTNER 4<br />
2010, 6). Trotz der nicht unerheblichen Anzahl an Arbeitsplätzen, die beim TripleZ vor-<br />
handen sind, hat das Gründerzentrum keine großartigen Beschäftigungseffekte für die<br />
Bewohner des Stadtbezirks. Unternehmensgründer aus dem Stadtbezirk werden nicht<br />
in besonderer Weise, sondern vielmehr normal behandelt. „Wie bei den Firmen und<br />
Leuten, die von überall herkommen, gucken wir auch bei den Unternehmen aus dem<br />
Stadtbezirk, ob es passt oder nicht“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 7). Es gibt einige kleinere<br />
Unternehmen, die aus dem Stadtbezirk sind, z. B. ein türkischer Unternehmensberater.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 45
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
TripleZ versteht sich als Gründerstandort, der sich durch flexible Mietverträge, zusätzli-<br />
che Dienstleistungsangebote wie Catering, Konferenzräume, ein Bistro sowie weitere<br />
weiche Standortfaktoren wie Ambiente, Charme der Gebäude, große Außenanlagen<br />
etc. auszeichnet. Daher müssen Mieter mit höheren Nebenkosten rechnen. Als positive<br />
Auswirkung von TripleZ auf den Stadtbezirk ist die Aneignung von Eigentum durch hier<br />
angesiedelte Unternehmer zu verzeichnen. In Einzelfällen fand bereits ein Zuzug von<br />
jungen Familien statt, „die aus einer ganz anderen Regionen kommen“ (GESPRÄCHSPART-<br />
NER 4 2010, 12). Dadurch können sich ein Stadtteil und dessen Sozialstruktur punktuell<br />
ändern. „Das sind keine gigantischen Sprünge, aber es sind kleine Sprünge“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 4 2010, 12).<br />
Potenziale im Tourismus<br />
Der Bereich Tourismus spielt ebenfalls bei dem Thema Beschäftigung eine sehr wich-<br />
tige Rolle und hat das „Potenzial auf Erweiterung“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2). 1998 wur-<br />
de auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern aus den Stadtteilen Stoppenberg,<br />
Schonnebeck und Katernberg ein Verkehrsverein gegründet, „um die von Zeche Zoll-<br />
verein ausgehende Wirtschaftskraft für die Stadtteile zu nutzen“ (GESPRÄCHSPARTNER 3<br />
2010, 1). Die Idee dazu kam auf einer Katernberg Konferenz. Hauptaufgabe des Ver-<br />
kehrsvereins war zunächst eine Privatzimmervermittlung unter dem Motto „Übernach-<br />
ten unter dem Förderturm“. Mit der Fachkompetenz von der Touristikzentrale Essen<br />
und dem Büro für Stadtentwicklung wurde dieses Projekt weiter entwickelt (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 3 2010, 1). Zollverein Touristik erhielt durch das Programm LOS Fördergelder für<br />
drei Mikroprojekte. Das erste Mikroprojekt bestand im Coaching des Personals und<br />
einer Konzeptentwicklung zur wirtschaftlichen Etablierung (2004/2005), das zweite<br />
Mikroprojekt handelte von der Erweiterung des Führungs- und Ausflugsangebots rund<br />
um das Weltkulturerbe Zollverein (2005/2006) und das dritte Projekt hatte zur Aufgabe,<br />
die Sparte Catering der Zollverein Touristik wirtschaftlich und personell zu stärken<br />
(2006/2007) (STADT ESSEN 2008, 26 FF.). Trotz einer guten Unterstützung der Projekte von<br />
Zollverein Touristik z. B. bei der Öffentlichkeitsarbeit oder bei der Einrichtung einer<br />
Vermittlungszentrale von 1999 bis 2005 mit nahezu 55.000 Euro aus Pauschalmitteln<br />
des Programms Soziale Stadt und weiteren Fördermitteln gestaltet sich die aktuelle<br />
Finanzierung von Zollverein Touristik nicht immer wirtschaftlich problemfrei (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 3 2010, 4).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 46
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Auch wenn der Bereich Tourismus von den Umsatzstärken noch nicht sehr groß ist,<br />
gibt es erfolgreiche ökonomische Effekte. Ein ökonomischer Effekt wird durch die Zim-<br />
mervermietung (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2) erzielt. Durch einen Aufruf, sich als Vermieter<br />
für Bed & Breakfast-Angebote zu melden, der mit Hilfe der Lokalpresse 1999 gestartet<br />
wurde, hatten sich bis zum Jahresende 2002 elf Vermieter etabliert. Bis zum Herbst<br />
des Jahres 2005 hatte sich die Gruppe der Vermieter auf 40 erweitert (STÄDTENETZ SOZIALE<br />
STADT NRW 2007, 86). Positiv wird vermerkt, dass Touristen vermehrt bei privaten Vermie-<br />
tern verweilen und dadurch eine „viel engere Bindung zum Stadtteil“ (GESPRÄCHSPARTNER 2<br />
2010, 9) bekommen.<br />
Weitere Synergien haben sich durch das Gestalten und Vermarkten typischer Souve-<br />
nirs ergeben. Ein kleines Mutter-Tochter-Unternehmen stellt aus Grubenhandtüchern<br />
diverse Artikel wie z. B. Topflappen (so genannte Pottlappen, daher auch der Name<br />
der Firma) oder ein Fenster-raus-guck-Kissen her (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 2). Ebenfalls<br />
positive Effekte ergaben sich für die Menschen, die sich engagieren wollten. Diese<br />
konnten z. B. bei einem Infopunkt mitarbeiten und auf diese Art Geld verdienen. Nach<br />
Aussagen von Zollverein Touristik war es allerdings sehr schwer, ausländische Be-<br />
wohner des Stadtbezirks zu motivieren. Vielmehr „arbeiteten ältere Frauen mit, die<br />
auch einen Bezug zu der Zeche hatten“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 2). Vereinzelt haben<br />
auch Jugendliche auf der Zeche mitgearbeitet, z. B. beim Infopunkt (GESPRÄCHSPARTNER 8<br />
2010, 9).<br />
Weiterhin werden seit drei Jahren von Zollverein Touristik Tagestouren angeboten, die<br />
eine Eigendynamik entwickelt haben. Während im Jahr 2009 insgesamt 135 Touren<br />
gebucht wurden, waren dieses Jahr 100 Touren bereits im März 2010 gebucht. Dieses<br />
Angebot wird hauptsächlich von Vereinen, von der Freiwilligen Feuerwehr, Senioren-<br />
clubs und Kegelvereinen wahrgenommen. Darüber hinaus sind Gäste vermehrt an<br />
einer Übernachtung interessiert, so dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Zollver-<br />
ein Touristik und den Hotels im Umkreis der Zeche Zollverein besteht.,<br />
Indirekte Effekte auf die Stadtteile ergeben sich auch durch das bereits bestehende<br />
Angebot auf Zollverein. Das Erfahrungsfeld der Sinne – Phänomania – auf dem Stand-<br />
ort 3/7/10 wird von vielen Menschen – sowohl von jungen als auch von alten Menschen<br />
– genutzt und hat ca. 30.000 bis 40.000 Besucher jährlich (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8).<br />
Ebenso lockt das Ruhrmuseum 4.000 Besucher täglich an; zusätzlich gibt es weitere<br />
Veranstaltungen auf Zollverein. Ziel ist es, die Besucherströme, die auf Zollverein sind,<br />
möglichst in den Stadtteil zu lenken (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 2), damit sich dadurch Syn-<br />
ergien für die Stadtteile ergeben.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 47
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Mit steigendem Tourismus sind auch gastronomische Angebote gefragt. In diesem<br />
Bereich existiert zwar Potenzial und die Hoffnung auf wirtschaftlich positive Effekte auf<br />
den Stadtbezirk, allerdings besteht noch deutlicher Verbesserungsbedarf, da „die Gast-<br />
ronomen nicht ausreichend auf den Ansturm, der eigentlich da ist, vorbereitet sind. Die<br />
könnten viel mehr Leute bei sich empfangen“(GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 12). Trotz zuneh-<br />
mender Besucherzahlen auf Zollverein schaffen die Gastronomen es nicht, die Besu-<br />
cher an sich zu binden: „Die Gastronomie hat sich immer schwer getan“ (GESPRÄCHSPART-<br />
NER 3 2010, 3). Um das Marktpotenzial im Verständnis der Gastronomen stärker zu ver-<br />
ankern, wurde von Zollverein Touristik und dem ISSAB mit Hilfe einer Befragung und<br />
einer Versammlung versucht, diesen Prozess anzustoßen. Ziel war es, die „umliegen-<br />
den Lokale und Gastronomen stärker auf diesen Zollverein Tourismus hinzuorientieren<br />
– aber wenn hier ein Gastwirt in dritter Generation seine Eckkneipe führt, dann denkt<br />
der noch nicht so. Und es ist auch eher unwahrscheinlich, dass er einen Schalter um-<br />
legt und sagt, jetzt mache ich hier Großküche und werde jeden Tag hier Busladungen<br />
voll bekochen.“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8). Mittlerweile gibt es im Stadtbezirk drei Lokale<br />
in der Nähe, in die auch größere Gruppen passen und „wo man weiß, dass es hinter-<br />
her keine Beschwerden gibt“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 3). Zollverein Touristik versucht,<br />
mittels eines Flyers die gastronomischen Strukturen transparenter zu machen und ein<br />
Angebot aufzuzeigen. Trotz Interesse der Gastronomen an einem gemeinsamen Flyer<br />
ist das Zusammentragen der dafür benötigten Daten mühselig, „da die Gastronomen<br />
schon mit ganz normalen Strukturen nicht vertraut“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 4) sind und<br />
dadurch die Arbeit der Zollverein Touristik sehr gebremst wird. „In Bayern ist bei halb-<br />
wegs gutem Wetter jeder Biergarten offen. […] Das gibt’s hier nicht. Wir sind ja eine<br />
Servicewüste“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 14).<br />
Ein weiteres Potenzial würde sich aus dem Fahrrad-Rikscha-Projekt ergeben, das die<br />
ökonomischen Effekte des Tourismus auf Zollverein für junge Erwachsene nutzbar<br />
machen soll. Schüler und Schülerinnen sowie Jugendliche sollen in Beschäftigungs-<br />
maßnahmen Touristen mit Fahrrad-Rikschas über das Gelände von Zollverein fahren<br />
und qualifiziert werden, Führungen über Zollverein zu leiten. Momentan werden für<br />
dieses Projekt noch Werbepartner gesucht. Außerdem muss noch eine Abstimmung<br />
mit den Essener Jobcenters erfolgen, inwieweit sie die Qualifizierung mitfinanzieren<br />
würden (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 9).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 48
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Einzelhandel im Stadtbezirk VI profitiert von Zollverein<br />
Wichtig für die Beschäftigung im Stadtbezirk war auch das Engagement der Werberin-<br />
ge. In Katernberg konnten Discounter wie Aldi und Lidl im Stadtteilzentrum gehalten<br />
werden, so dass die Laufkundschaft für die Einzelhändler zugenommen hat (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 7 2010, 6). Dennoch weist der Stadtbezirk VI den höchsten Kaufkraftverlust im<br />
Essener Stadtgebiet auf. Durch Besucherströme auf Zollverein profitiert aber nach An-<br />
sicht der Werberinge auch der Einzelhandel im Stadtbezirk (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9).<br />
Insgesamt noch zu wenige Beschäftigungseffekte<br />
Es wurde von mehreren Seiten beklagt, dass sehr viele Aufträge für die Sanierung und<br />
den Bau von Projekten auf dem Zollvereingelände „nach außen gingen und man das<br />
vor Ort gar nicht mitbekommen hat“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8). „Ich weiß gar nicht, ob<br />
das ein organisatorisches oder ein rechtliches Problem ist, auf jeden Fall kann die<br />
Kommune nur insgesamt [arbeitsuchende] Menschen benennen, die für eine solche<br />
Maßnahme geeignet sind und kann nicht sagen, guck mal, dass die aus Katernberg<br />
kommen“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 6). Besonders wäre auch die Einbindung von Jugend-<br />
lichen bei Aufbau- und Sanierungsarbeiten gewünscht gewesen, um so Vandalismus<br />
vorzubeugen. „Aber das ist leider am Stadtteil vorbei gegangen. Wir haben hier eine<br />
hohe Arbeitslosigkeit und im Endeffekt hat keiner von dem Aufbau der Zeche Zollverein<br />
profitiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 10). Auch wenn heute bei dem Bau oder der Sanie-<br />
rung von Gebäuden Dienstleistungen offiziell ausgeschrieben werden müssen, ver-<br />
sucht das Büro für<br />
Stadtentwicklung einzugreifen,<br />
um durch Baumaßnahmen an<br />
der Zeche mehr ökonomische<br />
Effekte auf den Stadtbezirk zu<br />
lenken. Um dies zu ändern<br />
wird nun darauf geachtet, dass<br />
die Unternehmen im<br />
„Wir haben einige kleinere Unter-<br />
nehmen, die aus dem Stadtbezirk<br />
kommen, aber das erheben wir gar<br />
nicht richtig und ist uns nicht so<br />
wichtig.“<br />
Stadtbezirk überhaupt von den Ausschreibungen erfahren, um sich dann auch bewer-<br />
ben zu können (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8).<br />
Auch die Arbeitsplätze, die auf Schacht 12 der Zeche entstanden sind, bieten nach<br />
Meinung der Gesprächspartner keine bzw. zu wenige Beschäftigungsmöglichkeiten für<br />
Menschen aus dem Stadtteil. „Ich denke, dass 80 % derer, die auf Schacht 12 arbei-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 49
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
ten, sich abends in ihre Autos setzen und Richtung Süden fahren“ (GESPRÄCHSPARTNER 3<br />
2010, 6). In der <strong>Stiftung</strong> Zollverein auf Schacht 12 arbeiten spezialisierte Leute, die<br />
überwiegend nicht aus dem Stadtbezirk kommen und als Voraussetzung ein Kunststu-<br />
dium oder ein Studium im Bereich Design mitbringen.<br />
Chancen für (arbeitslose) Jugendliche – Beschäftigungspotenziale im Dienstleis-<br />
tungsbereich<br />
Unabhängig vom Arbeitsplatzangebot vor Ort sind die „Chancen der Arbeitssuchenden<br />
[im Stadtbezirk VI] ungünstig, da viele Menschen mit niedrigen oder gar keinen Bil-<br />
dungsabschlüssen das Schulsystem verlassen“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4), so dass die<br />
Qualifikation für das berufliche Leben fehlt. Daher sind im Bereich Beschäftigung Aus-<br />
bildungsplätze (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 13) ein wichtiges Thema für die Zukunft. Der<br />
Stadtbezirk VI ist durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit geprägt. Während der Anteil<br />
junger Menschen an den Arbeitslosen in Stoppenberg mit 8 % geringer im Vergleich<br />
zur Gesamtstadt (10 %) ist, sind in dem Stadtteil Schonnebeck 11 % und in dem Stadt-<br />
teil Katernberg 12 % der Arbeitslosen unter 25 Jahren. Teilweise erreichen einzelne<br />
Bereiche in den Stadtteilen bis zu 15 % (STADT ESSEN 2007, 25). Die Schaffung von Ausbil-<br />
dungsplätzen und das Durchführen von Praktika im Bereich Design und auch in den<br />
Bereichen Gastronomie, Veranstaltungsmanagement, Bühnenaufbau, Sicherheitsper-<br />
sonal, etc. (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 15) auf Zollverein wären da hilfreich. Ebenfalls wird<br />
eine „Ausbildungsstätte neben den Kulturstätten, wo sich auch Katernberger, Stoppen-<br />
berger und Schonnebecker angesprochen fühlen“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 13) vorge-<br />
schlagen. Der Gesprächspartner vom Jugendhaus Stoppenberg denkt da direkt prak-<br />
tisch und schlägt z. B. einen „Partymanager auf Zollverein“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 12)<br />
vor. Diese Meinung wird auch durch die AWO unterstützt, die „Arbeitsplätze im Niedrig-<br />
lohnsegment“ auf Zollverein fordert, wie z. B. „Parkplatzwächter, Personen, die Ein-<br />
trittskarten abreißen, beim Veranstaltungsauf- und -abbau mitwirken, Wachdienste,<br />
etc.“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 10). Dank einer sehr engen Zusammenarbeit zwischen<br />
verschiedenen Akteuren hat selbst die Polizei Einfluss auf die Beschäftigungsmöglich-<br />
keiten von Jugendlichen, indem der Jugendkontaktbeamte in Katernberg durch enge<br />
Kontakte zu den Jugendlichen Berufsperspektiven aufzeigen oder Kontaktgespräche<br />
vermitteln kann (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 2).<br />
Durch einige Neugründungen auf dem Zechengelände (im Triple Z, auf Schacht 12, auf<br />
der Kokerei z. B. Kalle Krause) könnten unterschiedliche Anforderungen an das Quali-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 50
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
fikationsprofil entstehen, so dass auch „einfachere Dienstleistungen wie Catering oder<br />
Security“ gefragt sind, „die von Leuten aus dem Stadtbezirk erfüllt werden können“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7).<br />
Das Thema Sicherheit auf dem Zeche Zollverein Gelände ist ebenfalls ein Thema, das<br />
immer wieder diskutiert wird. In diesem Bereich lägen sicherlich auch Beschäftigungs-<br />
möglichkeiten für Bewohner des Stadtbezirks VI, allerdings wird „lieber für die Versi-<br />
cherung bezahlt, als ständig einen Wachdienst zu beschäftigen, weil man das Problem<br />
nicht in den Griff bekommt, weil das Gelände so riesig ist, dass eine Bewachung nicht<br />
bezahlbar ist.“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 13). Es wurde die Idee geäußert, dass die „bösen<br />
Buben“ aus dem Stadtbezirk selbst die Wächter sein könnten, aber gelöst ist das Prob-<br />
lem bis heute nicht.<br />
Ein weiteres Thema im Bereich Beschäftigung ist die Gesundheitswirtschaft, in der für<br />
die Zukunft gute Chancen für eine Beschäftigung der Bewohner des Stadtbezirks ge-<br />
sehen werden (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 11). Schon heute ist es so, dass ein Altenheim<br />
und der Schacht 3/7/10 am Handwerkerpark stärker für Arbeitsplätze, die von den Be-<br />
wohnern des Stadtbezirks genutzt werden können, sorgen als Schacht 12.<br />
Das Patentrezept für die hohe Arbeitslosenzahl gibt es nach Meinung der Befragten<br />
nicht, sie sehen aber ein großes Potenzial im eben beschriebenen Dienstleistungsbe-<br />
reich. „Nicht alle werden im Tourismus beschäftigt werden, die Designstadt löst das<br />
Problem auch nicht. Im Dienstleistungsbereich wird es schon noch einige Arbeitsplätze<br />
geben“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 15). Kleinere Projekte sind da aber erfolgreicher (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8).<br />
Auch wenn es auf Zollverein keine direkten Arbeitsplätze gibt, sind dort „viele wirt-<br />
schaftlichen Interessen vorhanden“, die positive Effekte auf die Unternehmen im Stadt-<br />
bezirk haben. Vermehrt werden Unternehmen im Stadtbezirk VI von Unternehmen auf<br />
Zollverein z. B. gastronomische und handwerkliche Tätigkeiten nachgefragt (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 2 2010, 9).<br />
Kritische Sichtweise gegenüber der Essener Wirtschaftsförderung<br />
Die Essener Wirtschaftsförderung, „die ein zentraler Akteur sein könnte“ (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 7 2010, 8), ist nicht in kleinere Projekte im Stadtteil eingebunden und arbeitet<br />
nicht stadtteilspezifisch, „sondern nach anderen Kennziffern“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8).<br />
Für eine Verknüpfung zwischen Zollverein und den Stadtteilen sind auch ökonomische<br />
Effekte entscheidend, so dass hier ein stärkeres Engagement der Essener Wirtschafts-<br />
förderung hilfreich wäre.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 51
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
5.2 Langjährige Kooperationsstrukturen als Grundlage für die heutige Zusam-<br />
menarbeit<br />
Das Thema Zusammenarbeit spielt im Stadtbezirk VI schon lange eine wichtige Rolle.<br />
Bereits Anfang der 1980er Jahre wurde der Grundstein für eine ausgeprägte Koopera-<br />
tion gelegt (siehe Kapitel 3.3) und durch eine dauerhaft angelegte vertragliche Zusam-<br />
menarbeit zwischen der Universität Duisburg-Essen und der Stadtverwaltung Essen<br />
auf den Gebieten der Stadtteilentwicklung und der sozialen Arbeit gefestigt. In Katern-<br />
berg wurde zudem bereits 1981 eine Projektgruppe gegründet, in der neben der Stadt<br />
Essen und dem Institut für stadtteilbezogene soziale Arbeit (ISSAB), der Kreisverband<br />
der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und die Evangelische Kirchengemeinde Katernberg ein-<br />
bezogen wurden. Ziel war und ist es, Schulen, Polizei, soziale Dienste und Kirchen vor<br />
Ort für Schwierigkeiten zu sensibilisieren und sie in ihrem immerwährenden Anpas-<br />
sungsprozess in der jeweils aktuellen Situation zu unterstützen.<br />
Die Kooperationsstrukturen im Essener Stadtbezirk VI sind ebenenübergreifend, da<br />
sowohl Verwaltung, Politik, Institutionen und Privatpersonen in die Stadtteilarbeit ein-<br />
gebunden sind.<br />
Eine Lenkungsgruppe, in der sich Vertreter verschiedener städtischer Ämter, der politi-<br />
schen Fraktionen der Bezirksvertretung VI, der Essener Wirtschaftsförderung, des<br />
ISSABs, der AWO und der EV. Kirchengemeinde Katernberg befinden, hat die Aufga-<br />
be, den Stadtentwicklungsprozess zu begleiten, einen Gesamtblick zu wahren, über<br />
Mittelverwendungen der Pauschalmittel der Städtebauförderung und der „Lokales Kapi-<br />
tal für Soziale Zwecke“-Mittel (LOS) bzw. „Stärken vor Ort“-Mittel 3 zu entscheiden und<br />
Projektgruppen einzurichten.<br />
Neben dieser Lenkungsgruppe gibt es verschiedenste weitere Projektgruppen und Ar-<br />
beitskreise (AK) zu unterschiedlichen Themen, z. B. den AK Schule, den AK Kriminal-<br />
prävention, den AK Kinder- und Jugendarbeit, das Jugendhilfe Netzwerk, das Mieter-<br />
netzwerk, etc. Diese Gremien arbeiten jeweils themenspezifisch und sind aus fachspe-<br />
ziellen Akteuren zusammengesetzt. Wichtig bei der Zusammenarbeit ist es, die ver-<br />
schiedensten Akteure „thematisch zu sortieren“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5) sowie „ver-<br />
schiedene Federführungen“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5) bei den Arbeitskreisen zuzulas-<br />
sen, um die jeweiligen Stärken der Akteure nutzen zu können und eine Überforderung<br />
einzelner Personen möglichst zu vermeiden. So ist z. B. die AWO federführend beim<br />
3 Das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke" (LOS) wird in der neuen Förderperiode<br />
unter dem Namen „STÄRKEN vor Ort" fortgeführt. Es wird in der Laufzeit von Dezember 2008<br />
bis Dezember 2011 an 280 Standorten in 158 Kommunen und 45 Landkreisen bundesweit umgesetzt<br />
(ESF 2010).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 52
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Jugendhilfenetzwerk, und die Rektorin einer Grundschule ist die Leiterin des Arbeits-<br />
kreises Schule. Dies bedeutet nicht, dass nicht auch die AWO z. B. im AK Schule ist,<br />
allerdings ist sie dort nicht federführend, sondern unterstützend und beratend beteiligt.<br />
Bei der Zusammenarbeit im Stadtbezirk VI ist als bemerkenswert hervorzuheben, dass<br />
„Bürger, Institutionen und Unternehmen – zumindest Einzelhändler – […] wenig Zeit<br />
damit verschwenden, sich gegenseitig vors Schienenbein zu treten“ (GESPRÄCHSPARTNER 7<br />
2010, 10). Eher ist das Gegenteil der Fall, zumal die Kooperation mit anderen Akteuren<br />
als hilfreich und Ressourcen einsparend wahrgenommen wird (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010,<br />
13). Durch die vielfältige und enge Zusammenarbeit in unterschiedlichen Gremien ken-<br />
nen sich die verschiedenen Akteure untereinander, so dass „eine gute Vernetzung der<br />
Akteure“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14), eine „hohe Informationsdichte“ (GESPRÄCHSPARTNER 7<br />
2010, 10), eine „kommunikative Offenheit“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 12), das „gemeinsame<br />
Auftreten“ (GESPRÄCHSPARTNER 5 2010, 8) und „keine Berührungsängste“ (GESPRÄCHSPARTNER 3<br />
„Es ist erstaunlich, mit wie viel Ver-<br />
trauen hier Menschen miteinander<br />
umgehen, die sonst als Konkurrenten<br />
auftreten. Und das ist natürlich ge-<br />
wachsen, indem man gemerkt hat,<br />
dass man sowohl kleinere als auch<br />
größere Projekte gemeinsam auf die<br />
Beine gestellt bekommt.“<br />
2010,12) als charakteristische<br />
Merkmale der Zusammen-<br />
arbeit genannt werden<br />
können. Die Kooperation<br />
untereinander wird von den<br />
Experten deutlich als Stärke<br />
im Stadtbezirk hervorgehoben.<br />
Aufgrund einer thematischen<br />
und situationsbezogenen<br />
Zusammenarbeit sind kurze<br />
Kommunikationswege<br />
entstanden, die ein zeitnahes Bearbeiten von dringenden Problemen und Themen<br />
möglich werden lässt. „Durch dieses Kennen brauchen einige Handlungsabläufe nicht<br />
besprochen werden, da die automatisch laufen. […] dann wissen in kürzester Zeit alle<br />
Akteure, die das wissen müssen, über einen Umstand Bescheid und dann finden sich<br />
auch in kürzester Zeit die Akteure zusammen, um das Problem zu lösen“ (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 9 2010, 12 F). Es gibt laut Experten „nicht viele Alleingänge oder institutionelle<br />
Eitelkeiten“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 12).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 53
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Strukturen und Synergien der Zusammenarbeit<br />
Für das Arbeiten im Stadtbezirk ist es nach Meinungen der Experten sehr wichtig, dass<br />
man „Vertrauen aufbaut, dass man auch zusammen auf Leute zugeht wenn irgendet-<br />
was mal nicht läuft und dass man gemeinsam Erfolge abfeiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010,<br />
5). Durch dieses entwickelte Vertrauen zwischen den verschiedenen Akteuren kommt<br />
es zu Synergien (vgl. Abb. 27). So findet z. B. durch das gewonnene Vertrauen bei der<br />
Zusammenarbeit in einem Arbeitskreis ein „vertrauensvoller Austausch“ (GESPRÄCHSPART-<br />
NER 8 2010,57) von Informationen zwischen dem Jugendhaus Stoppenberg und der Poli-<br />
zei Katernberg statt. „Da braucht man nicht immer groß erklären, wie man mit Daten<br />
und Informationen umgeht“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 12).<br />
- Mitteilen von Problemen<br />
und Sorgen<br />
- Informationsaustausch<br />
- Berichterstattung<br />
Kommunikationsebene<br />
Abb. 27: Synergien durch die Zusammenarbeit<br />
(EIGENE DARSTELLUNG 2010)<br />
- Lösen von Problemen<br />
- Erarbeiten von Maßnahmen<br />
- Ansprechen weiterer Akteure<br />
- Feiern gemeinsamer Erfolge<br />
Zusammenarbeit<br />
Vertrauen im Arbeitskreis<br />
Vertrauen<br />
Vertrauensebene<br />
Vertraulicher<br />
Austausch von<br />
Daten und Informationen<br />
„kurze Wege“<br />
Arbeitsebene<br />
Vertrauensebene<br />
Aufbau eines<br />
engmaschigen<br />
Netzwerkes<br />
Die Polizei – als ein bedeutsamer Akteur im Stadtbezirk – unterstreicht die Wichtigkeit<br />
der vertrauensvollen Kooperation. „Das Netzwerk macht besonders die tägliche Arbeit<br />
aus“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 1). Das Hauptanliegen der Polizei – „das gesellschaftliche<br />
Zusammenleben an die Menschen herantragen und sie dafür gewinnen, daran mitzu-<br />
arbeiten“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 1) – ist nach Meinung des Jugendkontaktbeamten nur<br />
in Kooperation mit dem Jugendamt, der AWO, der Diakonie und den Jugendhäusern<br />
möglich. Ebenfalls wird die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Schulen aufgeführt.<br />
Auch hier lässt sich wieder feststellen, dass durch die enge Zusammenarbeit, z. B. im<br />
AK Schule, Vertrauen aufgebaut wurde, so dass Informationen auf schnellstem Weg<br />
weitergegeben werden und dadurch kriminellen Auffälligkeiten bereits im Kindesalter<br />
begegnet werden können. „Das Frühwarnsystem hier besteht und funktioniert“ (GE-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 54
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
SPRÄCHSPARTNER 9 2010, 7). Nach Aussagen der Polizei führt dieses „engmaschige Sozial-<br />
netz“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 3) dazu, dass kaum geplante Straftaten ausgeübt werden<br />
und kriminelle Taten „früher gestoppt“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 4) werden können.<br />
Als besonders erfolgreich wird die Zusammenarbeit zwischen der Jugendhilfe, der Po-<br />
lizei und dem Moscheeverein betont (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 2). Dieser „bemerkenswer-<br />
te Verbund“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 9) war der Grund für eine erhebliche Senkung der<br />
Anzahl von Intensivtätern und der Menge der Straftaten von Jugendlichen im Stadtbe-<br />
zirk (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 3).<br />
Zollverein Touristik beschreibt die Arbeit im Stadtbezirk folgendermaßen: „Man könnte<br />
hier gar nicht arbeiten, ohne die ganzen Beteiligten zu kennen. Das ist selbstverständ-<br />
lich. Wir arbeiten da z. B. sehr eng mit dem ISSAB zusammen“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010,<br />
4).<br />
Eine Zusammenarbeit findet ebenfalls zwischen der Wirtschaftsförderung Essen<br />
(EWG) und dem Triple Z statt, die sich vor allem aus der personellen Situation ergeben<br />
hat, da der Geschäftsführer vom TripleZ ein ehemaliger Mitarbeiter der EWG ist (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 5 2010, 7). Obwohl die EWG einst für die Vermarktung der Flächen auf<br />
Zollverein zuständig war, besteht zwischen der <strong>Stiftung</strong> Zollverein – die gegenwärtig<br />
die Verantwortung für die Entwicklung und Vermarktung von Zollverein trägt – und der<br />
EWG nur noch ein „loser Kontakt“ (GESPRÄCHSPARTNER 5 2010, 7).<br />
Für die AWO spielt eine enge Zusammenarbeit auch mit Bewohnern eine besondere<br />
Rolle, da „Zugänge zu Leuten“ und der „Puls am Stadtteil“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11)<br />
nur durch eine Zusammenarbeit mit Bewohnern erreicht werden kann. Demgemäß<br />
bringen sich z. B. „türkische Kioskbesitzer als interkulturelle Konfliktvermittler“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11) ein.<br />
Eine andere Art der Zusammenarbeit ist die Katernberg Konferenz, die sich aufgrund<br />
von Initiativen aus dem Stadtteil heraus gegründet hat. Die Katernberg Konferenz wird<br />
von den Werbegemeinschaften aus den drei Stadtteilen des Stadtbezirks VI sei 1993<br />
organisiert und widmet sich verschiedensten Themen. Die Besucher der Konferenz<br />
sind die Bewohner des Stadtbezirks, Politiker, Verwaltung, Institutionen, Vereine und<br />
Verbände. Zwischen Herrn Maas, dem Vorsitzenden des Katernberger Werberings,<br />
und dem Büro für Stadtentwicklung findet ein intensiver Austausch statt, so dass auch<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 55
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Themenwünsche seitens der Verwaltung in die Katernberg Konferenzen einfließen<br />
können (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 5).<br />
Eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Ebenen wie Verwaltung, Politik, Institu-<br />
tionen und Bewohnern im Stadtbezirk wird durch die Arbeit des ISSAB verstärkt. „Ich<br />
bin jeden Tag mehrfach zu verschiedensten Themen mit verschiedensten Leuten und<br />
verschiedenen Hierarchieebenen zugange“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 2), so der Ge-<br />
sprächspartner vom ISSAB. Für das Institut ist bei der Arbeit im Stadtbezirk nicht nur<br />
die Verknüpfung innerhalb des Bezirks, „sondern auch die Verknüpfung mit der ge-<br />
samtstädtischen Ebene“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 3) von Bedeutung. „Wir wollen ja nicht<br />
im Lokalen stecken bleiben. Ohne die gesamtstädtische Entwicklung und Politik im<br />
Boot zu haben, denkt man hier zu kurz“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 3).<br />
Zusammenfassend formuliert der Gesprächspartner vom ISSAB die Kooperation zu-<br />
treffender Weise wie folgt: „Das finde ich schon erstaunlich, mit wie viel Vertrauen hier<br />
Menschen miteinander umgehen, die sonst als Konkurrenten auftreten. Und das ist<br />
natürlich gewachsen, indem man gemerkt hat, dass man sowohl kleinere als auch grö-<br />
ßere Projekte gemeinsam auf die Beine gestellt bekommt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 10).<br />
Kritische Sichtweisen an der Zusammenarbeit<br />
Neben zahlreichen sehr positiven Äußerungen und Schilderungen der Kooperations-<br />
strukturen im Stadtbezirk VI werden auch Kritikpunkte bei der Zusammenarbeit deut-<br />
lich. So wird z. B. moniert, dass eine Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche nicht<br />
vorhanden ist, weil sich „die katholische Kirche aus dem Stadtteil rausgezogen hat“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 7). Problematisch wird auch die Zusammenarbeit mit der Stif-<br />
tung Zollverein wahrgenommen. Es wird kritisiert, dass eine Kontaktaufnahme zur Stif-<br />
tung sehr langwierig ist und dass es sehr „viele Entscheidungswege“ gibt (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 8 2010, 14). Ebenfalls wird die Art und Weise der Kommunikation seitens der Stif-<br />
tung Zollverein gerügt, die als äußerst unangenehm und abwertend beschrieben wird<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 5). Anstatt einer Kooperation scheint eher eine Konkurrenz zwi-<br />
schen der <strong>Stiftung</strong> Zollverein und Zollverein Touristik zu bestehen. Der Gesprächspart-<br />
ner von Zollverein Touristik beschreibt, dass eine gewisse Angst besteht, dass die Stif-<br />
tung Zollverein Aktivitäten im touristischen Bereich aufnehmen könnte. Weiterhin gibt<br />
es kein Gremium, in dem Meinungen und Ideen ausgetauscht werden könnten. Viel-<br />
mehr bezieht sich die Kommunikation auf einzelne Personen, die dann wiederum „nicht<br />
auf einer Ebene“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010,11) stattfindet. „Da kann man die tollsten Vor-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 56
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
schläge im Bereich Tourismus machen. Außer, dass die vielleicht abgegriffen werden<br />
[…] und als die eigenen Vorschläge verkauft werden, ist da bislang keine konstruktive<br />
Zusammenarbeit möglich“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11). Es wird deutlich, dass die Stif-<br />
tung Zollverein in solch einem Falle mehr Einfluss und Unterstützung seitens der Politik<br />
erhalten würde, als Zollverein Tourismus. „Man merkt ganz deutlich die Hierarchie. Die<br />
müssen mir nicht antworten“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 13). Neben der Sorge um die eige-<br />
ne Existenz wird die Weiterführung der bislang mühevollen partizipatorischen Arbeit<br />
angezweifelt. „Und dann sind wir weg vom Fenster. Dann sind die Stadteileinbeziehun-<br />
gen [gemeint sind die aufwendigen Maßnahmen zwecks Einbeziehung der Bewohner)<br />
und die Initiativen – wie z. B. den Gastronomen 27 Briefe zu schreiben – weg vom<br />
Fenster. Das macht doch dann keiner mehr“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 8).<br />
Partizipation durch Eingehen auf Interessen<br />
Um eine möglichst breite Mitarbeit bei Projekten zu erreichen, ist es wichtig, „dass man<br />
nicht einfach irgendwie Projekte verkündet und aufsetzt“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 6),<br />
sondern die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt und auf ihre Ideen und Wün-<br />
sche eingeht. Nur auf diese Weise findet man nach Meinung der Gesprächspartner<br />
vom Büro für Stadtentwicklung der Stadt Essen Personen, „die einer Idee folgen, weil<br />
sie selber Spaß dran haben oder weil sie selber Interesse haben. Wenn ein Interesse<br />
da ist, dann bewegt das auch etwas“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 6). Eine Zusammenarbeit<br />
mit Bürgern des Stadtteils Katernberg findet auch über die Schulen statt. Der Ge-<br />
sprächspartner erwähnt z. B. die Unterstützungsbereitschaft der Eltern gegenüber der<br />
Schule. „Wenn Not am Mann ist, dann springt hier jeder für jeden ein. Das finde ich<br />
bezeichnend für Katernberg“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 13).<br />
Eine Einbeziehung der Bewohner und Bewohnerinnen der Stadtteile findet auch durch<br />
Zollverein Touristik statt. Z. B. wurden für die Besetzung des Infopunktes in der Misch-<br />
anlage auf Zollverein über Inserate im Wochenblatt Ehrenamtliche zur Mitarbeit ge-<br />
sucht. „Über diesen Weg haben wir immer sehr gut Menschen, die sich engagieren<br />
wollten, mit einbeziehen können“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 2).<br />
Eine andere Art von Beteiligung findet durch das TripleZ statt. Da TripleZ eine Aktien-<br />
gesellschaft ist, muss es sich durch seine Aktionäre und sein Einkommen selbst finan-<br />
zieren. Durch das Modell der Aktiengesellschaft findet über viele Aktionäre eine Bür-<br />
gerbeteiligung statt. „Wie haben 1.000 Kleinaktionäre und das ist auch eine andere Art,<br />
Leute für ein Projekt zu begeistern“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 8).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 57
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Politische Unterstützung<br />
Aus Sicht der Verwaltung erhalten die Aktivitäten im Stadtbezirk VI durch die Politik<br />
„starke Unterstützung. […] Sowohl auf lokaler Ebene bei der Bezirksvertretung als<br />
auch beim Rat ist die Unterstützung keine Diskussion. Bisher war es auf Landesebene<br />
auch so“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 3). Auf dieser Ebene besteht allerdings aufgrund der<br />
Finanzkrise und der damit einhergehenden schwindenden finanziellen Mittel Skepsis.<br />
Trotz erwähnter Unterstützung der Politik auf den verschiedenen Ebenen könnte „zwi-<br />
schen Ratspolitik und Bezirksvertretung noch ein besserer Austausch sein“ (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 1 2010, 5).<br />
Auch wenn aus Verwaltungssicht eine Unterstützung auf kommunaler Ebene zugesi-<br />
chert wird, nehmen die Akteure im Stadtbezirk dies anders war. „Es gibt immer noch zu<br />
wenig Unterstützung für die Belange der Stadtbezirke V und VI“ (GESPRÄCHSPARTNER 2<br />
2010, 3). Ebenfalls wird vermutet, dass „die finanzielle Unterstützung in Zukunft eher<br />
zurückgefahren“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6) wird und man daher künftig von Seiten der<br />
Stadt finanziell „nicht mehr viel erwarten kann“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6).<br />
Eine Unterstützung der Politik auf lokaler Ebene dagegen wird von vielen Gesprächs-<br />
partnern positiv wahrgenommen und geschätzt. „Die Politik vor Ort schaut immer wie-<br />
der rein. […] Das finde ich toll und ich wüsste auch, wen ich ansprechen müsste, wenn<br />
ich Dinge hätte, die von denen geklärt werden könnten“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6). Die<br />
Unterstützung wird auch durch die Anwesenheit politischer Vertreter in einigen Arbeits-<br />
kreisen deutlich (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13). Es findet eine Kommunikation zwischen<br />
Ortspolitik und Verwaltung der Stadt und zwischen Ortspolitik und Trägern sozialer<br />
Arbeit statt. „Das ist schon ein großes Pfund!“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13). Der ehemali-<br />
ge Oberbürgermeister der Stadt Essen, Dr. Reiniger, zeigte z. B. seine Unterstützung,<br />
indem er an dem 10-jährigen Bestehen von Zollverein Touristik teilnahm (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 3 2010, 8). Auch die Katernberg Konferenz wird von den lokalen Politikern unter-<br />
stützt, wobei es den Werbegemeinschaften wichtig ist, dass sie sich von der Politik<br />
nicht „vor den Karren spannen lassen“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 3). Das TripleZ ist bei<br />
der Unterstützung seitens der Bezirksvertretung schon skeptischer. „Da pflegen wir<br />
den Kontakt, auch wenn wir da nicht viel erwarten wollen. Wir haben viele Freunde und<br />
Förderer, die das Projekt gut finden, aber die sind auch nur so lange unsere Freunde,<br />
wie der Laden läuft“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 8).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 58
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
5.3 Bildung und Soziales im Stadtbezirk VI<br />
Das Thema Bildung war bereits während des Zechenbetriebs ein wichtiges Thema im<br />
Stadtbezirk VI. Die Stadtteile Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg haben tradi-<br />
tionell einen hohen Anteil an ungelernten oder schlecht ausgebildeten Bewohnern, die<br />
durch die Tätigkeiten in der Zeche trotz eines geringen Bildungsgrades einen Arbeits-<br />
platz erhielten. Auch heute sind die Bildungsabschlüsse im Stadtbezirk VI eher gering<br />
und es gibt einen hohen Anteil an Bewohnern, die eher als bildungsfern einzustufen<br />
sind. Durch die wirtschaftliche Neuausrichtung seit der Schließung von Zeche und Ko-<br />
kerei bestehen in einem viel geringeren Umfang Arbeitsplätze für gering Qualifizierte.<br />
Mit dieser negativen Arbeitsplatzsituation gehen vielschichtige soziale Probleme einher<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 3), die in einer körperlichen (Gewalt, Suchtproblematik, Miss-<br />
handlung, Läusebefall, Krätze, mangelnde Ernährung, etc.), seelischen (mangelnde<br />
Bindungsfähigkeit zwischen Eltern und Kindern, Probleme zwischen den Partnern, etc.)<br />
und wohnraumbezogenen (Vermüllung des Haushalts, Schuldenproblematik, etc.)<br />
Verwahrlosung münden können. Die Problematik des Stadtbezirks wird dabei nicht in<br />
den einzelnen, sondern in der Vielzahl solcher Familien gesehen. „Wir haben hier<br />
Wohnbereiche, in denen wir eine Hartz-IV Anhängigkeit von 70 bis 80 % haben.“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6). Weiterhin wird deutlich, dass diese tiefgreifenden sozialen Pro-<br />
bleme nicht auf den kulturellen Hintergrund zurückzuführen sind. Vielmehr wird mo-<br />
mentan „die verarmte deutsche Unterschicht“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 12) als Problem-<br />
lage gesehen, weil sich zu ihr sehr schlecht Zugänge aufbauen lassen. „Das Problem<br />
sind nicht mehr die ausländischen Gruppen, wir haben wirklich einen guten Zugang zu<br />
dem türkischen und libanesischen Gemeinwesen. Aber wir verlieren den Kontakt zu<br />
den deutschen Gruppen“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 12). Dabei liegt ein großes Problem in<br />
der finanziellen Lage der Kirchengemeinden. Die evangelische Kirche musste z. B.<br />
zwei Standorte schließen, die katholische Kirche ist ebenfalls aus dem Stadtbezirk ge-<br />
gangen und damit auch der katholische Kindergarten. „Der nächste Schritt ist, dass die<br />
evangelische Kirche ihr Kirchengebäude aufgibt“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 7). Darüber<br />
wird Unmut geäußert und dieser Weggang kirchlicher Einrichtungen aus dem Stadtbe-<br />
zirk wird als enorme Schwächung gesehen. „Eine der letzten deutschen Gemeinwesen<br />
bricht zusammen“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 12).<br />
Wechselseitige Auswirkungen zwischen Bildung und Sozialem<br />
Diese wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse wirken sich auf den Bildungsbereich<br />
aus und verstärken sich gegenseitig. Im Stadtbezirk VI verlassen viele Kinder und Ju-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 59
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
gendliche das Schulsystem mit niedrigem oder gar keinem Bildungsabschluss (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4). In den verschiedenen Gesprächen wird von „massiven schuli-<br />
schen Problemen“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14), einem „nicht gut funktionierenden Bil-<br />
dungssystem“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6) und „katastrophalen Bildungsabschlüssen“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5) gesprochen. Dabei spielt auch die Situation in den Schulen<br />
eine entscheidende Rolle. Die Klassen sind häufig überbesetzt. Die Lehrer können<br />
oftmals nur schwer ihrem Bildungsauftrag nachkommen, da sie viel Zeit z. B. für die<br />
Schlichtung von sozialen Konfliktsituationen oder die Essensversorgung der Schüler<br />
aufbringen müssen. Die Übergangsquote von Grundschulkindern z. B. auf Gymnasien<br />
zeigt, dass im gesamtstädtischen Vergleich das Bildungsniveau im Stadtbezirk VI deut-<br />
lich geringer ist.<br />
Aufgrund des hohen Anteils an Bewohnern mit nicht-deutscher Herkunft im Stadtbezirk<br />
VI und der Tatsachen, dass hier Menschen aus 40 verschiedenen Nationen (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 9 2010, 1) wohnen, liegt der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in eini-<br />
gen Schulklassen bei fast 95 Prozent. Dieser extrem hohe Prozentsatz erklärt sich<br />
aber auch dadurch, dass Kinder, von denen ein Elternteil nicht-deutscher Herkunft ist,<br />
bereits als Kinder mit Migrationshintergrund gelten (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 1). Beson-<br />
ders dieser hohe Prozentsatz führt bei einigen deutschen Familien zu Überlegungen<br />
bzgl. des Verbleibs oder des Wegzugs aus dem Stadtbezirk VI, wenn sich ihre Kinder<br />
altersmäßig vor dem Zeitpunkt der Einschulung befinden. „Die deutschstämmigen, bil-<br />
dungsorientierten Familien schreckt dieser hohe Migrantenanteil ab, so dass sie ihre<br />
Kinder hier nicht anmelden“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 2). Bildung spielt demnach eine<br />
entscheidende Rolle bei der Wohnortsuche (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5).<br />
Eltern:<br />
Kein Arbeitsplatz<br />
Abb. 28. Potenzielle Wirkungskette zwischen Armut und Bildung im Stadtbezirk VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG 2010)<br />
Weiterhin ist natürlich Bildung Voraussetzung für das spätere berufliche Leben bzw.<br />
stellt eine fehlende Bildung „die Schwelle [dar], wo man halt dann nicht mehr weiter<br />
kommt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 6). Um diesen Kreislauf zwischen Arbeitslosigkeit, Ar-<br />
mut und Bildung, der sich auch auf die nachfolgenden Generationen auswirken wird,<br />
(vgl. Abb. 28), zu durchbrechen, müssen massive strukturelle Maßnahmen unternom-<br />
men werden.<br />
Eltern:<br />
Armut<br />
Kinder:<br />
Geringe<br />
Bildung<br />
Kinder:<br />
Kein Arbeitsplatz<br />
Kinder:<br />
Armut<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 60
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Ebenfalls kann festgestellt werden, dass die Kriminalitätsbereitschaft bei Jugendlichen<br />
und Erwachsenen mit geringer Bildung und problematischer sozialer Situation wesent-<br />
lich höher ist. Daher sind auch hier Vorurteile gegenüber Bewohnern mit Migrationshin-<br />
tergrund falsch. Die Bereitschaft zur Kriminalität ist in keinem Zusammenhang mit der<br />
Herkunft, sondern vielmehr mit der sozialen und Bildungsebene zu sehen. „Wir haben<br />
hier sehr viele Jugendliche aus muslimischen Ländern, die absolut unauffällig und bil-<br />
dungsorientiert sind und höhere Schulen besuchen. Die haben mit Kriminalität nichts<br />
zu tun, besitzen aber die gleiche Religion wie andere, die sehr auffällig sind“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 9 2010, 4).<br />
Engagement im Bildungsbereich<br />
Einer Vielzahl von Akteuren im Stadtbezirk VI sind die problematische Situation im Be-<br />
reich Bildung und Soziales bewusst. Mittels der Fokussierung auf diese Themen z. B.<br />
im Arbeitskreis Schule oder bei einer thematischen Sitzung zu diesem Thema auf der<br />
Katernberg Konferenz wurden<br />
bereits erste Schritte zur<br />
Sensibilisierung für diesen<br />
Problembereich, aber auch<br />
erste Maßnahmen angekurbelt.<br />
Weiterhin flossen Fördergelder<br />
„Es gibt da viele Akteure, die da eine<br />
ganze Menge Projekte machen. Und<br />
dennoch ist es noch nicht genug,<br />
man müsste noch viel mehr machen.“<br />
in den Bildungsbereich. Im Bericht „Schulen im Stadtteil“ wurde aufgezeigt, dass es<br />
allein für den Schulbereich eine Förderung von 1,2 Mio Euro gegeben hat (STÄDTENETZ<br />
SOZIALE STADT NRW (2005). So werden z. B. an der Herbartschule diverse musisch-<br />
kulturelle Angebote seitens der Schule durch Fördergelder gestützt (z. B. Projekt MUS-<br />
E). Die Verbindung zwischen Schulbildung und musisch-kulturellen Angeboten in<br />
Schulen wurde als sehr positiv analysiert, weil „Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder<br />
gefordert und gefördert werden, die wir im gesamten Schulalltag, also auch, wenn es<br />
um die klassischen Fächer wie Mathe, Deutsch, etc. geht, brauchen.“ (GESPRÄCHSPARTNER<br />
10 2010, 3). Durch diese musischen Angebote werden Disziplin, Konzentration und ein<br />
soziales Miteinander – das Grundgerüst für ein schulisches Zusammenleben – geför-<br />
dert, ohne dass das von den Kindern bewusst, wie z. B. eine Reglementierung, wahr-<br />
genommen wird.<br />
Ebenso gibt es ein Angebot der offenen Ganztagsbetreuung. Allerdings ist eine Teil-<br />
nahme nicht verpflichtend und kostenpflichtig, so dass aufgrund von Finanzierungs-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 61
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
schwierigkeiten einige Kinder diese Möglichkeit nicht nutzen können. Dabei wäre die<br />
Betreuung durch den Ganztagsunterricht oftmals gerade bei diesen Kindern sinnvoll,<br />
deren Familien sich das nicht leisten können.<br />
Neben den einzelnen, verschiedenen Maßnahmen an den Schulen gibt es weitere en-<br />
gagierte Träger, wie z. B. die AWO, die evangelische Kirche, das ISSAB, Jugendbe-<br />
rufshilfe, Moscheevereine, etc. im Stadtbezirk VI, die sich im Bereich Soziales und Bil-<br />
dung engagieren und sich den Problemen stellen.<br />
Verbesserung des Bildungssystems erforderlich<br />
Die bislang geringen Bildungserfolge im Stadtbezirk sind wenig motivierend. Aufgrund<br />
eines hohen Anteils von Kindern mit Migrationshintergrund sind die Anforderungen an<br />
die betreuenden Fachkräfte z. B. bei der Unterstützung des Spracherwerbs bei den<br />
Kindern wesentlich höher als in anderen Stadtteilen. Durch diese höhere Belastung in<br />
der Kinder- und Jugendarbeit ist im Stadtbezirk VI eine höhere Fluktuation der Mitar-<br />
beiter festzustellen.<br />
„Ich würde mir wünschen, dass sich die Bildungschancen verbessern“ (GESPRÄCHSPARTNER<br />
6 2010, 13). Obwohl schon gut vorzeigbare Maßnahmen unternommen wurden, beste-<br />
hen weiterhin massive schulische Probleme (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14). „Die derzeiti-<br />
gen Bildungssysteme in Katernberg und Stoppenberg funktionieren nicht gut“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6), und ein schlecht funktionierendes Bildungssystem manifestiert<br />
wiederum den Verbleib in der Armut. Dagegen muss dringend vorgegangen werden,<br />
denn die Kinder müssen die Chance bekommen, aus der Armut zu entkommen. „In<br />
Stadtteilen, in denen der Anteil der Familien, die von Hartz IV leben, bei 70 bis 80 %<br />
liegt, muss die außerfamiliäre Unterstützung unbedingt gestärkt werden“ (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 6 2010, 6). „Kinder befinden sich nicht nur in einer materiellen, sondern auch in<br />
einer emotionalen Armut sowie einer schlechten gesundheitlichen Versorgung“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5). „Und wenn 20 % eines Jahrgangs ungebildet die Schule verlas-<br />
sen, ist es auch nicht ein Gewinn, dass es viele davon gibt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13).<br />
5.4 Kinder und Jugendliche im Stadtbezirk VI<br />
Im gesamtstädtischen Vergleich leben im Stadtbezirk VI deutlich mehr Kinder und Ju-<br />
gendliche unter 18 Jahren. In den drei Stadtteilen Katernberg, Stoppenberg und<br />
Schonnebeck sind ca. 20 % der Bewohner unter 18 Jahren alt. Damit liegt die Anzahl<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 62
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
an Kindern und Jugendlichen deutlich über dem Durchschnitt in der gesamten Stadt<br />
Essen (16 %). Als Besonderheit des Stadtteils im Bereich Kinder und Jugendlicher gilt<br />
weiterhin der hohe Anteil an Minderjährigen mit Migrationshintergrund. 38 % der Min-<br />
derjährigen im Stadtbezirk VI haben einen Migrationshintergrund. Dieser Anteil ist im<br />
Stadtteil Katernberg mit 43 % am höchsten (Stoppenberg: 35 %; Schonnebeck: 31 %),<br />
in einzelnen Stadtteilbereichen<br />
in Katernberg erreicht der<br />
Anteil sogar 50 % bzw. 56 %.<br />
Vor dem Hintergrund des de-<br />
mographischen Wandels<br />
nimmt der Stadtbezirk VI durch<br />
die hohe Anzahl jüngerer<br />
Menschen eine Sonderrolle<br />
ein. Das Thema Kinder und<br />
Jugendliche spielt daher eine<br />
„Ich sehe eine Stärke in der Jugend.<br />
Während die wohlhabenden südli-<br />
chen Stadtteile wirklich bald ein Al-<br />
tenheim sind, wird das hier nicht<br />
passieren. Das ist nicht automatisch<br />
eine Stärke, aber dieses Potenzial<br />
muss man auch nutzen.“<br />
tragende Rolle für den Stadtbezirk, eventuell könnten hier sogar besondere Potenziale<br />
identifiziert werden. Mit Blick auf die Gesamtstadt sind allerdings die Ausgangsbedin-<br />
gungen für Kinder und Jugendliche im Stadtbezirk VI als „extrem ungleich“ (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 1 2010, 14) zu bewerten. Die vielschichtigen sozialen Probleme vieler Familien<br />
wirken sich auf die Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Bereichen aus. Das<br />
Außenimage besonders von ausländischen Jugendlichen im Stadtbezirk VI ist eher<br />
negativ. Jugendliche werden als provozierend und frech wahrgenommen, die beson-<br />
ders durch ihr Verhalten an bestimmten Aufenthaltsorten negativ auffallen. Allerdings<br />
sollte davor gewarnt werden, alle Jugendlichen gleich zu bewerten. „Ich weiß, dass z.<br />
B. libanesische Jugendliche nicht alle per se gut sind, aber ich bin auch der Letzte, der<br />
sagt, dass es alles Hammerwerfer sind. […] Ich weiß von vielen Jugendlichen, dass sie<br />
hier in guten Regelstrukturen eingebunden sind.“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 4). Das Stim-<br />
mungsbild gegenüber dem Stadtbezirk bzw. den Jugendlichen im Stadtbezirk ist wo-<br />
möglich auf Vorurteilen beruhend. Viele erfolgreiche Bemühungen seitens unterschied-<br />
licher Akteure haben bereits beeindruckende Ergebnisse erreicht, die aber die ge-<br />
wachsenen Denkstrukturen noch nicht vollständig aufbrechen konnten.<br />
Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen<br />
Eine Vielzahl der Kinder und Jugendliche wachsen in mitunter sehr schwierigen famili-<br />
ären Verhältnissen auf. Angefangen bei Versorgungsdefiziten bis hin zu körperlicher<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 63
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Misshandlung, Scheidung der Eltern, Geldnöte und Suchtprobleme leiden viele Kinder<br />
und Jugendliche unter einer mangelnden Aufmerksamkeit ihrer Eltern und einer feh-<br />
lenden Bindungsfähigkeit zu den Eltern. Die Kinder und Jugendliche befinden sich in<br />
einer materiellen Verwahrlosung:<br />
„Es gibt Kinder und Jugendliche, die teilweise mit dem gleichen Paar Schühchen rum-<br />
laufen, bis es fast von den Füßen fällt“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 6).<br />
„Mich haben Grundschullehrer angerufen, weil Schüler ihnen das Butterbrot aus der<br />
Tasche geklaut haben, weil sie Hunger haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5).<br />
„Es scheitert am Geld. […] Wenn ich sehe, wie schwer es ist, wie viel Mühe es immer<br />
wieder macht, das Essensgeld zu bekommen“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 6).<br />
Darüber hinaus befinden sie sich oft auch in einer emotionalen Armut und in einer<br />
schlechten gesundheitlichen Verfassung. Die desolaten Familienverhältnisse treten<br />
meist in finanziell schwachen Familien auf. „Armut und familiäre Probleme sind Ge-<br />
schwister. Nicht umsonst sind fast 100 % unserer Klienten Armutsfamilien“ (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 6 2010, 5).<br />
Diese gebündelten familiären Probleme haben häufig schon Einfluss auf die Kleinsten,<br />
so dass bereits eine fehlende soziale Kompetenz im Kindergartenalter festzustellen ist.<br />
„Aufgrund von finanziellen Problemen, Beziehungsproblemen, Suchtproblemen und<br />
teilweise auch Problemen mit ihren Jugendlichen bekommen die jüngeren Kinder oft zu<br />
wenig Zuwendung und Anregungen. […] Es gibt durchaus Familien und Zusammen-<br />
hänge, wo es total in Ordnung ist und total intakt läuft. Aber es gibt halt auch – und<br />
nicht in unerheblicher Anzahl – die anderen“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 8).<br />
Neben den familiären Problemen besteht bei einigen Jugendlichen eine allgemeine<br />
Perspektivlosigkeit. Der Stadtbezirk ist von einer enorm hohen Jugendarbeitslosigkeit<br />
gekennzeichnet, die mit 12 % über der gesamtstädtischen (8 %) liegt. Dies hängt na-<br />
türlich einerseits mit dem Themenfeld Beschäftigung bzw. Möglichkeiten einer Be-<br />
schäftigung zusammen. Andererseits ist den Jugendlichen oftmals auch gar nicht die<br />
Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten und eine davon ausgehende mögliche positive<br />
Lebensgestaltung bekannt. So gibt es z. B. Schulklassen, „in denen keiner erzählen<br />
kann wie das ist, wenn der Papa arbeitet. Wir haben Leute, die auf die Frage nach ih-<br />
rem Beruf „Hartz IV“ antworten und die meinen das nicht als Scherz“ (GESPRÄCHSPARTNER 6<br />
2010, 6). „Wenn die Jugendlichen keine Zukunft haben und sich von vornherein in ein<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 64
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
bestimmtes Alimentierungssystem einbetten, dann sehe ich für den Stadtteil schwarz“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 14).<br />
Natürlich muss auch an dieser Stelle wieder davor gewarnt werden, dies auf alle Ju-<br />
gendlichen zu übertragen. Es gibt auch Jugendliche, die eine Zukunftsperspektive ha-<br />
„Dieser Stadtbezirk ist nicht gekippt.<br />
Das hat was mit den Ressourcen zu<br />
tun, die in den 25 Jahren immer wie-<br />
der mühevoll aktiviert wurden.“<br />
ben. „Viele wissen, dass sie<br />
über einen guten schulischen<br />
Abschluss eine gute Lehrstelle<br />
bekommen können. […] Viele<br />
möchten einen guten Job<br />
haben, eine gute Arbeitsstelle<br />
finden, Frau und Familie haben, also ganz klassisch“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 5-6). Es<br />
wird sehr positiv erwähnt, dass trotz dieser Vielfalt und Schwere der Probleme der<br />
Stadtbezirk dennoch – vor allem durch das Engagement verschiedenster Akteure –<br />
„noch nicht gekippt“ ist (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11).<br />
Kinder- und Jugendkriminalität<br />
Nach Aussagen des örtlichen Jugendkontaktbeamten sind die Anzahl an Straftaten<br />
unter den Kindern und Jugendlichen gesunken. „Der Stadtteil ist ruhiger und friedlicher<br />
geworden“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5). Auch hier helfen vor allem präventive Maßnah-<br />
men wie Aufklärungsarbeit, Informationsarbeit und Gespräche, aber auch Eingriffe mit<br />
Signalwirkung. Besonders wichtig bei der Bekämpfung von Kinder- und Jugendkrimina-<br />
lität ist die Zusammenarbeit mit verschiedensten Akteuren. Besonders durch ein eng-<br />
maschiges Sozialnetz und den dadurch oft schnellen Austausch von Informationen<br />
zwischen den verschiedenen Akteuren ermöglicht spontanes und zügiges Handeln und<br />
Erfolge.<br />
Es gibt keine Jugendgangs im Stadtbezirk, die ihre ethnischen Konflikte miteinander<br />
austragen, und keine zielgerichteten Straftaten. Allerdings treten emotional bedingte<br />
Straftaten auf. Grundsätzlich kann herausgestellt werden, dass die Bereitschaft zur<br />
Kriminalität eher von sozial schwachen Gruppen ausgeht.<br />
Aus Sicht der Polizei kann davon ausgegangen werden, dass im Stadtbezirk VI keine<br />
deutlich benennbaren Angsträume existieren. Orte, an denen mitunter vermehrt Kon-<br />
flikte entstehen können, sind „Räume, wo sich Jugendliche in größeren Gruppen auf<br />
der Straße treffen“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 6), bevorzugt in den wärmeren Monaten.<br />
(Nienhauser Busch, Katernberger Markt). Konfliktpotenzial kann ebenfalls zwischen<br />
Jugendlichen in Bus und Bahn oder zeitweise am Abzweig Katernberg beobachtet<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 65
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
werden. Dies ist vor allem auf das periodisch wiederkehrende gleichzeitige Nutzen von<br />
Orten zurückzuführen, deren Kapazität für solch eine große Ansammlung von Men-<br />
schen nicht konzipiert ist. So wird z. B. der Abzweig Katernberg besonders vor Schul-<br />
beginn oder nach Schulschluss als verkehrlicher Knotenpunkt gesehen, bei dem inner-<br />
halb kürzester Zeit über tausend Schüler in Bus oder Bahn ein- oder aussteigen. Dass<br />
in solchen Situationen kleinere Rangeleien entstehen, ist fast unabdingbar und kann<br />
als nicht sonderlich bedenklich eingestuft werden.<br />
Engagement im Stadtbezirk für Kinder und Jugendliche<br />
Eine wichtige Rolle beim Vermitteln zwischen den Kindern und Jugendlichen, die so-<br />
wohl unterschiedliche soziale Familienstrukturen erleben als auch verschiedene kultu-<br />
relle Hintergründe haben, sowie zwischen Kindern, Jugendlichen und anderen Perso-<br />
nen (z. B. Familienmitglieder, Lehrer, Ausbildungsleiter, etc.) spielen die verschiedenen<br />
ca. 70 Personen und Institutionen des Jugendhilfenetzwerkes.<br />
Neben z. B. dem Jugendhaus Nord in Katernberg, das von der evangelischen Kirche<br />
unterstützt wird, und dem Jugendhaus Stoppenberg, das von der Stadt finanziert wird,<br />
gibt es weitere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. „Über solche Einrichtungen<br />
sowie zusätzliche pädagogische Angebote wird den Kindern und Jugendlichen die<br />
Möglichkeit gegeben, Gleichaltrige zu treffen sowie Erfahrungen über Sportangebote,<br />
Tanzgruppen oder Kochangebote zu sammeln“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010). Jugendhäuser<br />
stellen für Jugendliche einen Rückzugsort dar und einen Ort, wo sie einen Ansprech-<br />
partner finden. Eine teilweise Segregation der Jugendlichen bei dem Besuch der Ju-<br />
gendhäuser wirkt erst etwas verwunderlich, muss aber nicht unbedingt negativ bewer-<br />
tet werden. Diese sozialen Einrichtungen stellen einen Ankerpunkt im Tagesablauf der<br />
Jugendlichen dar, was anhand der Tagesprotokolle der Jugendlichen deutlich heraus-<br />
gestellt werden konnte. Die Existenz und damit verbundene Bedeutung derartiger<br />
Räume für Kinder und Jugendliche ist ohne Zweifel zu betonen und in ihrer Beständig-<br />
keit zu befürworten.<br />
Ebenso bemüht sich die AWO um familiäre Probleme. Ziel ist es, schon frühzeitig Zu-<br />
gänge zu Familien zu bekommen, um spätkorrektive Maßnahmen oder einen Zwangs-<br />
kontext zu umgehen. „Die Hilfen sind immer am erfolgreichsten, wenn man mit<br />
‚Selbstmeldern’ zusammenarbeitet“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010). Als Träger von Jugendhil-<br />
feleistungen betreuen Mitarbeiter der Institution Familien im Stadtbezirk, um soziale<br />
Problemlagen zu analysieren und ihnen zu helfen, die familiären Probleme stabil zu<br />
halten. „Glückliche Familien werden das nie. Das werden Familien, die wir in der Waa-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 66
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
ge halten.“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6). Leider wird oftmals die Situation in den Familien<br />
als unzumutbar eingestuft, so dass dann auch Kinder aus den Familien herausge-<br />
nommen und in Heimen untergebracht werden müssen. Diese Bewertung eines derar-<br />
tigen Handlungszwangs ist ohne Zweifel für alle Beteiligten unerfreulich und nicht er-<br />
strebenswert. Aufgrund des frühzeitigen Eingreifens und Unterstützens der Familien ist<br />
erfreulicherweise bereits ein Rückgang der Fremdplatzierungen zu verzeichnen.<br />
Vorbildcharakter hat das folgende Projekt, welches von der Herbartschule gemeinsam<br />
mit der „Ehrenamtsagentur“ durchgeführt wird. Ehrenamtliche Erwachsene kommen<br />
regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen zusammen, um mit ihnen gemeinsam etwas<br />
zu unternehmen. Dabei nimmt sich ein Erwachsener für je ein Kind Zeit, um mit ihm<br />
etwas zu unternehmen. Für die Kinder sind das zum Teil ganz neue Erfahrungen, dass<br />
ihm ein Erwachsener so viel Zeit widmet und vor allem Aufmerksamkeit schenkt (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 10 2010, 9). Durch dieses Projekt lernen Kinder andere Sichtweisen ken-<br />
nen und erhalten Einblicke in andere Lebenswelten. So kann mitunter z. B. eine Per-<br />
spektive für das spätere Leben wachsen.<br />
Ein hohes Engagement findet ebenso seitens der Moscheevereine statt. Besonders<br />
hervorzuheben ist weiterhin das kriminalpräventive Netzwerk zwischen der Polizei,<br />
Moscheevereinen, dem Jugendamt, der AWO und weiteren Akteuren aus dem Stadt-<br />
bezirk. Durch eine enge Zusammenarbeit konnte z. B. die Straßenkriminalität und die<br />
Zahl der Intensivtäter sowie die Menge der Straftaten reduziert werden. „Früher hatten<br />
wir teilweise Täter, die im Jahr 60 bis 70 Straftaten begangen haben“ (GESPRÄCHSPARTNER<br />
9 2010, 3).<br />
Fehlende Angebote für Kinder und Jugendliche<br />
Trotz verschiedener Bemühungen gibt es immer noch zu wenige Angebote für Kinder<br />
und Jugendliche. Neben einigen Aussagen seitens der befragten Akteure äußerten<br />
sich vor allem auch die Kinder und Jugendliche diesbezüglich sehr kreativ und deutlich.<br />
Die Kinder und Jugendlichen in den Stadtteilen Katernberg, Schonnebeck und Stop-<br />
penberg benötigen vor allem Ansprechpartner, die ein offenes Ohr für ihre Nöte und<br />
Ängste haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 3). Die Befragung der Kinder und Jugendlichen,<br />
die im Stadtbezirk VI leben, hat ergeben, dass bevorzugt Freizeitmöglichkeiten und<br />
Treffpunkte erwünscht sind, an denen sich die Kinder und Jugendlichen zurückziehen<br />
können, wo sie beschäftigt werden. Beispielhaft erkennt man dies an der Abbildung 29.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 67
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Abb. 29: Wunsch nach mehr Freizeitmöglichkeiten, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Hier wird der konkrete Wunsch nach mehr Joggingstrecken geäußert. Neben einer<br />
angenehmen und grünen Freiraumgestaltung lässt sich an der Zeichnung erkennen,<br />
dass Raum für Aktivitäten<br />
von Kindern, wie z. B. Roller<br />
fahren, Skateboarden oder<br />
Basketball spielen, bedeu-<br />
tungsvoll sind. Auch der<br />
Wunsch nach einem Sport-<br />
platz bestätigt diese Aussa-<br />
ge (vgl. Abb. 30). Interes-<br />
sant erscheint diese Zeich-<br />
nung besonders, wenn man<br />
den Blick auf die Zuschauer<br />
lenkt.<br />
Abb. 30: Sportplatz und Erfolg, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 68
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Eine besondere Rolle bei den zeichnerischen Darstellungen der Kinder nahmen Kin-<br />
derspielgeräte wie z. B. eine Rutsche, ein Sandkasten, eine Nestschaukel, eine Wippe<br />
oder ein Trampolin ein, die mit der Aussage „Das gefällt mir im Stadtteil“ als bereits<br />
vorhandene Freizeitmöglichkeiten, z. B. im Nordsternpark, abgebildet wurden (vgl.<br />
Abb. 31 und 32).<br />
Abb. 31: Spielgeräte im Nordsternpark, Kinderzeichnungen<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Abb. 32: Freizeit im Nordsternpark, Kinderzeichnungen<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 69
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
An den Bildern der Kinder, die sowohl positive Bewertungen als auch Wünsche aus-<br />
drücken, lässt sich ablesen, dass das Thema Freizeitgestaltung für Kinder ein sehr<br />
wichtiger Themenbereich ist. Die zeichnerischen Darstellungen zeigen ebenso, dass<br />
das Spielen und Bewegen im Raum einen hohen Stellenwert einnimmt - entgegen dem<br />
Vorurteil, dass Kinder – besonders die aus sozial schwächeren Familien – nur vor dem<br />
Fernseher sitzen wollen.<br />
Von den Jugendlichen wurde auf die Frage „Was fehlt dir noch in deinem Stadtteil?“<br />
ebenfalls vor allem die Thematik Freizeitangebote betont. Es wurden mehr Aufent-<br />
haltsmöglichkeiten für Jugendliche in Form von Sportanlagen und Schwimmbädern<br />
hervorgehoben. Ebenfalls wurden vermehrt Shoppingmöglichkeiten für Mädchen ge-<br />
wünscht und ein Jugendcafé im Stadtteil vorgeschlagen, „damit man nicht bis in die<br />
Stadt hinein fahren muss“. Der Wunsch, seine Freizeit lokal im Stadtteil zu verwirkli-<br />
chen, wird an diese Stichproben offensichtlich. Die Identifikation mit dem eigenen<br />
Stadtteil und der Wunsch nach mehr Identifikationsmöglichkeit werden so vermittelt.<br />
Von den Akteuren in der Jugendarbeit wurden fehlende Alltagsangebote für Kinder und<br />
Jugendliche genannt, die z. B. auch auf Zollverein platziert sein könnten. Es wurde<br />
eine „normale Kunstschule“ vorgeschlagen, „wo die Eltern ihre Kinder hinschicken“<br />
können (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13).<br />
In der Vergangenheit gab es einige kulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche, z.<br />
B. das Projekt „homestories“, das durch Fördermittel der Sozialen Stadt finanziert wur-<br />
de, oder die Einrichtung einer Mädchenband, die mit Mitteln der Kulturhauptstadt 2010<br />
gefördert wurde, aber „davon bräuchte man noch mehr“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 11). Da<br />
diese Projekte zur Stärkung der Jugendkultur durch Fördermittel finanziert wurden,<br />
endeten sie jeweils mit Beendigung der Förderung.<br />
Die Einrichtung einer Jugend- und Newcomerband auf dem Zechenfest wurde 2007<br />
durch den Werbering Katernberg initiiert und ist seitdem ein fester Bestandteil des Fes-<br />
tes.<br />
Wohlfühlen im Stadtbezirk<br />
Ein interessanter Aspekt, der sowohl von Kindern als auch von Jugendlichen unabhän-<br />
gig voneinander genannt wurde, ist das Thema Sicherheit. So würde sich z. B. ein ju-<br />
gendliches Mädchen mehr „Sicherheit, Sauberkeit und mehr Straßenlaternen“ wün-<br />
schen. Dies wurde ebenfalls in einer Zeichnung eines Drittklässers deutlich, der beim<br />
Thema Sicherheit vor allem die Verkehrssicherheit abbildete. Diese Aspekte verdeutli-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 70
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
chen, dass ein sich Wohlfühlen auch vom Aspekt des subjektiven Sicherheitsempfin-<br />
dens geleitet sein kann.<br />
Abb. 33: Wunsch nach mehr Sicherheit, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Ebenfalls wurde von den Kindern der desolate Zustand von einigen Wohnhäusern<br />
wahrgenommen, was mitunter daraus resultiert, dass sie selbst in desolaten Zuständen<br />
wohnen und täglich damit in Berührung kommen. Der Wunsch wurde geäußert, dass<br />
die Häuser „neu und schön“ gemacht werden (vgl. Abb. 33). Dies lässt darauf schlie-<br />
ßen, dass sich Kinder in der heute teils gegebenen Atmosphäre nicht wohlfühlen und<br />
sich Veränderungen wünschen.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 71
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Abb. 34: Negativbewertung der bestehenden Wohnsubstanz, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Im Vergleich dazu wurde die Fatih-Moschee im Stadtteil Katernberg, deren Bau im<br />
Abb. 35: Fatih-Moschee, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Jahr 2002 abgeschlossen wurde, als positiv<br />
und schön bewertet (vgl. Abb. 35). Dies<br />
kann einerseits an der persönlichen Bezie-<br />
hung zu der Moschee liegen, andererseits<br />
aber auch an dem neuwertigen Erschei-<br />
nungsbild. Positive Aspekte bezüglich der<br />
Bausubstanz werden ebenfalls wahrge-<br />
nommen.<br />
Es bleibt festzustellen, dass bereits junge<br />
Kinder ihr Umfeld sehr gut wahrnehmen und<br />
reflektieren können. Kinder wollen sich in<br />
ihrer Umgebung wohlfühlen und sich nach<br />
ihren ganz persönlichen Bedürfnissen be-<br />
wegen können. Dafür sind für sie eine posi-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 72
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
tive Atmosphäre und gute Möglichkeiten, um ihrem Bewegungsdrang nachzukommen,<br />
bedeutend.<br />
Weiterhin benötigen Kinder und Jugendliche in den Stadtteilen Katernberg, Schonne-<br />
beck und Stoppenberg vor allem „Ansprechpartner, die ein offenes Ohr für ihre Nöte<br />
und Ängste haben“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 3).<br />
5.5 Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI<br />
Schon bei der Aufnahme des Stadtbezirks VI in das Programm Soziale Stadt war das<br />
problembelastete, negative Image (siehe Kapitel 3) ein wesentlicher Faktor. Dabei las-<br />
sen sich zwei Arten von Image unterscheiden. Einerseits das Bild, das die Bewohner<br />
selber von ihrem Wohnumfeld und ihrem Stadtteil haben (Selbstbild), und andererseits<br />
das Bild, das Bewohner innerhalb und außerhalb der Stadt Essen von dem Stadtbezirk<br />
haben (Fremdbild). Ein negatives Image des eigenen Wohnquartiers (negatives<br />
Selbstbild) birgt die Gefahr, das Selbstbewusstsein der Bewohner zu schwächen, so<br />
dass sich daraus schließlich eine „Kultur der Armut“ (ILS 2006, 39) bilden kann, die eine<br />
„Reintegration in die Lebenswelt der Mittelschicht“ (ILS 2006, 39) erschwert. Ein negatives<br />
Fremdbild dagegen kann von Meidung des Raums bis zu seiner Stigmatisierung füh-<br />
ren.<br />
Eine Image-Analyse aus dem Jahr 2007/2008 hat herausgestellt, dass die Bewohner<br />
des Stadtbezirks VI ihre Stadtteile positiver bewerten, als es die Gesamtstadt vor-<br />
nimmt. Im Vergleich dazu sehen z. B. die Bewohner des Essener Stadtteils Altendorf<br />
(ebenfalls Programmgebiet des Programms Soziale Stadt) ihren Stadtteil selber eher<br />
negativ, während das Außenimage positiver ist (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 13).<br />
Negative Berichterstattung trotz positiver Wahrnehmung seitens der Bewohner<br />
„Ich will nur klar machen, dass hier<br />
auch nette Menschen wohnen und<br />
dass hier auch Menschen wohnen,<br />
die was auf dem Kasten haben. Wir<br />
wollen einfach nur normal behandelt<br />
werden.“<br />
Aus den Gesprächen hat sich<br />
ergeben, dass eine vielfach<br />
negative Berichterstattung, z.<br />
B. über eine hohe Kriminalitäts-<br />
rate und einen hohen Auslän-<br />
deranteil zu Unmut bei den<br />
Bewohnern des Stadtbezirks<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 73
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
führte (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 4). Das Unverständnis über derartige Berichte ist damit<br />
zu erklären, dass die Bewohner des Stadtbezirks VI selbst Verbesserungen in ihrer<br />
Wohnumgebung bzw. dem Stadtbezirk wahrnehmen. „Der Stadtteil ist ruhiger und<br />
friedlicher geworden“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 5). „Ich glaube, dass Katernberg auf ei-<br />
nem absolut guten Weg ist. Katernberg ist schon lange nicht mehr das größte Problem<br />
in Essen. Ich würde mir wünschen, dass sich dieses Negativimage umkehrt“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13).<br />
Weiterhin wird von einem Gesprächspartner hinterfragt, ob eine hohe Zahl von Migran-<br />
ten unter den Bewohnern automatisch ein Argument für ein schlechtes Image ist. „Das<br />
ist doch gar nicht schlimm. Gucken sie sich Vancouver an. Die sind daraus entstanden,<br />
dass sie so viele Ausländer hatten. Und das war doch keine schlechte Entwicklung“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 11). Bemerkenswert ist ebenso, dass in den Gesprächen Ka-<br />
ternberg als ein „wunderschöner, grüner Stadtteil“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 10) mit „vie-<br />
len Freiräumen und viel Grün“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14) sowie „sehr tollen Wohnla-<br />
gen“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14) bzw. als ein Stadtteil mit „unheimlich viel Charme und<br />
unheimlich viel Witz und bodenständigen Menschen“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 10) be-<br />
schrieben wird. In diesen Beschreibungen wird deutlich, dass das Selbstbild und die<br />
positiven Seiten des Stadtbezirks sehr wohl wahrgenommen werden. Weiterhin wird<br />
herausgestellt, dass die Bewohner der Stadtbezirks stolz auf die Zeche Zollverein sind<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9).<br />
Aus der Tatsache, dass die Fluktuation im Stadtbezirk sehr gering, also die Wohndauer<br />
der Bewohner überdurchschnittlich lange ist (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14), wird weiterhin<br />
der Schluss gezogen, dass der „Katernberger ja irgendwie zufrieden sein“ muss (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 13).<br />
Außenimage<br />
Leider hat das positive Selbstbild bislang keine Auswirkungen auf das Fremdbild. Zwar<br />
wurde bereits in den ersten Jahren der Projektarbeit mittels offensiver Pressearbeit<br />
versucht, eine Imageverbesserung zu erreichen, doch da sich die Berichterstattung auf<br />
die lokalen Medien beschränkte, blieb das Image des Stadtbezirks unverändert negativ<br />
(PASTERNAK 2008, 101). In einem Interview wurde die Vermutung geäußert, dass das Image<br />
des Stadtbezirks teilweise sogar stigmatisierend wirkt. Auch wenn dies nicht direkt be-<br />
wiesen werden kann, wurde vermutend geäußert, dass „je nach Personalchef, der an-<br />
hand der Postleitzahl oder der Straße Katernberg sieht, […] Bewerbungen aussortiert<br />
werden.“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 4F). Ein weiteres Beispiel wurde von einem anderen<br />
Interviewpartner genannt, der erzählte, dass ein Hauseigentümer aus dem Stadtbezirk<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 74
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
sein Haus zur Vermietung in der Zeitung inseriert hatte. „Nach der ersten Frage ‚Wo<br />
liegt denn die Wohnung?’ haben schon 8 von 10 Anrufern aufgelegt“ (GESPRÄCHSPARTNER 2<br />
2010, 5).<br />
Auch außerhalb Essens und der Region konnte bislang kein positives Bild der Stadt<br />
bzw. der Region hergestellt werden. Eine Imagestudie des Regionalverbands Ruhr aus<br />
dem Jahr 2004 zeigt, dass fast die Hälfte der Befragten (47 %), die außerhalb des<br />
Ruhrgebiets wohnen, das Ruhrgebiet immer noch mit Kohle, Stahl und Industrie in Zu-<br />
sammenhang bringen. Im Vergleich dazu haben nur 24 % der Ruhrgebietsinternen das<br />
Gebiet mit diesem Image assoziiert.<br />
Eigene Erfahrungen<br />
Selbstbild<br />
viel Freiraum<br />
grün<br />
tolle Wohnlagen<br />
viel Charme und Witz<br />
bodenständige Menschen<br />
„auf einem guten Weg!“<br />
ruhiger und friedlicher geworden<br />
Wahrnehmung des Stadtbezirks VI<br />
(Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg)<br />
Hoffnung<br />
auf positive<br />
Effekte<br />
Abb. 36: Selbst- und Fremdbild des Stadtbezirks VI<br />
(EIGENE DARSTELLUNG 2010)<br />
Sorge um<br />
negative<br />
Effekte<br />
Chance der Imageaufbesserung durch<br />
Zeche Zollverein als touristisches Ziel<br />
Allgemein negative Vorstellung<br />
vom Ruhrgebiet sowie<br />
negative Berichterstattung<br />
Fremdbild<br />
Montanregion / „Kohlenpott“<br />
dreckig<br />
hohe Arbeitslosigkeit<br />
hoher Ausländeranteil<br />
Kriminalität<br />
Armut<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 75
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Image entscheidend für Entwicklung<br />
Nach einer Studie des OECD wirken die Lage eines Standorts, seine infrastrukturelle<br />
Ausstattung und sein Image maßgeblich auf die Entscheidung eines Unternehmens zur<br />
Errichtung oder Aufgabe eines Standorts ein (OECD 2003, 39).<br />
Um das Image des Stadtbezirks VI weiterhin zu verbessern, werden einige Maßnah-<br />
men unternommen. Der Webering Katenberg e. V. arbeitet z. B. mit dem TripleZ zu-<br />
sammen an der Erstellung einer Leerstandsbörse. Zukünftig sollen ungenutzte Laden-<br />
lokale schnellstmöglich alternativ genutzt werden, um dem „Image eines aufgegebenen<br />
Standorts entgegenzuwirken“ (STÄDTENETZWERK SOZIALE STADT 2007, 14). Dazu werden von<br />
den örtlichen Gewerbetreibenden und Ladenlokalbesitzern leer stehende Räumlichkei-<br />
ten Künstlern zur Ausstellungsfläche angeboten (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7).<br />
Der Gesprächspartner vom ISSAB prognostiziert: „Wer sein Leben mittelschichtsorien-<br />
tiert ausrichtet, wird irgendwann aus Katernberg wegziehen. Das tun nicht alle, aber<br />
viele.“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5). Dies ist nach Meinung des Befragten auch unabhän-<br />
gig vom kulturellen Hintergrund. „Das tun die Türken genauso wie die Deutschen“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 7 2010, 5).<br />
Chance durch Welterbe Zeche Zollverein<br />
Seit der Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO ist das Gelände von Zeche Zoll-<br />
verein nicht nur das Industriedenkmal der Stadt Essen, sondern hat auch eine enorme<br />
Symbolwirkung in der Außendarstellung des Ruhrgebiets (SCHWARZ 2008, 318). Im Ver-<br />
gleich mit anderen Industriedenkmälern hat Zollverein durch das Prädikat Weltkulturer-<br />
be einen Image- und Bekanntheitsvorteil. Inwieweit sich dieser Vorteil in Zukunft auf<br />
das Image der umliegenden Stadtteile positiv auswirken wird, bleibt abzuwarten. Mo-<br />
mentan haftet den Stadtteilen trotz der Nähe zum Zollverein das Image des Problem-<br />
viertels an.<br />
Die Befragten sehen in Zollverein zur Imageverbesserung eine große Chance: „im Um-<br />
feld der Zeche [wird] ein interessantes Pflaster“ entstehen (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 14).<br />
Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass ein historischer Zusammenhang zwischen der<br />
Zeche Zollverein und den angrenzenden Stadtteilen, z. B. durch Arbeitersiedlungen,<br />
besteht. Erst „hier im Stadtteil kann man die ganze Historie sehen“. (GESPRÄCHSPARTNER 3<br />
2010, 12).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 76
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
5.6 Nutzung und Funktion der Zeche Zollverein<br />
Bereits vor der Schließung der Zeche und Kokerei Zollverein fand ein Tauziehen zwi-<br />
schen verschiedenen Akteuren um den Erhalt bzw. den Abriss der Gebäude statt.<br />
Während die Ruhrkohle eher den Abriss und die daran anschließende wirtschaftliche<br />
Neunutzung der Flächen präferierte, plädierten die Denkmalbehörden dafür, die Ge-<br />
samtanlage Zollverein zu erhalten. In einer Arbeitsgruppe, die sich 1987 gründete und<br />
aus Vertretern der Stadt Essen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Landes-<br />
verbands Rheinland, des Kommunalverbands Ruhrgebiet, der Bergbau AG Lippe und<br />
der Ruhrgebietsuniversitäten zusammensetzte, wurde ein Sanierungs- und Nutzungs-<br />
konzept erstellt. Dieses Konzept bot die Grundlage für die heutige Nutzung von Zoll-<br />
verein als Tourismus-, Architektur- und Wirtschaftsstandort. „Heute wird an diesem Ort<br />
Industriekultur inszeniert und stilisiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 10 2010, 12).<br />
Differenziertes Nutzungsverhalten unterschiedlicher Akteursgruppen auf Zoll-<br />
verein<br />
In der heutigen Form wird das Zollverein-Gelände und seine sich darauf befindenden<br />
Gebäude durch drei Akteursgruppen genutzt: Bewohner der angrenzenden Stadtteile,<br />
Besucher von außerhalb und Beschäftigte auf Zollverein. Diese Nutzungen differenzie-<br />
ren sich jedoch nach Art und Intensität.<br />
Während die Bewohner der angrenzenden Stadtteile das Gelände eher als Freizeit-<br />
und Identifikationsort nutzen und betrachten, hat Zeche Zollverein für Touristen eher<br />
eine erlebnisorientierte Bedeutung. Eine weitere Nutzung kommt natürlich den dort<br />
Beschäftigten zu gute, die Zollverein als Arbeitsort erleben.<br />
Bewohner – „mitten drin, aber kaum dabei“<br />
Bei den Bewohnern des Stadtbezirks steht die Freizeitnutzung deutlich im Vorder-<br />
grund. „Ich habe den Eindruck, dass Zollverein immer mehr genutzt wird. Gerade<br />
Sommertags wird das Gelände als Freizeitort genutzt“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7). „Die<br />
Menschen gehen hier viel spazieren, besonders durch die Verbindungswege von<br />
Stoppenberg über das Zechengelände nach Schonnebeck“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 9).<br />
Der Park bzw. die Grünflächen eignen sich gut zum Fahrradfahren, Joggen oder Spie-<br />
len (z. B. Bocciaspielen neben dem PACT Gebäude, vgl. Abb. 37). „Der Park wird auch<br />
von allen Altersgruppen genutzt“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9). Weitere saisonal begrenzte<br />
Aktionen, die von Zollverein geboten werden und die von den Bewohnern aufgesucht<br />
werden, sind z. B. eine Eisbahn, die vor der Industriekulisse im Winter aufgebaut wird,<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 77
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
oder ein kleines Werksschwimmbad, dessen Wasserbecken sich in zwei Containern<br />
auf dem Gelände der Kokerei Zollverein befindet. „Da gehen sehr viele aus dem Stadt-<br />
bezirk hin. Das ist natürlich erstmal für Jüngere interessant, aber das wird auch von<br />
vielen angenommen und ist auch für die Migranten interessant. Ich hab das nie ge-<br />
zählt, aber die sind auch da“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7).<br />
Als ein fester Be-<br />
wohnermagnet für<br />
Zollverein gilt das<br />
so genannte Ze-<br />
chenfest, dass<br />
regelmäßig auf<br />
dem Gelände von<br />
Zeche Zollverein<br />
stattfindet und von<br />
der Werbegemein-<br />
schaft und der<br />
<strong>Stiftung</strong> Zollverein<br />
organisiert wird.<br />
Von mehreren<br />
Abb. 37: Boccia-Treff auf dem Zollvereingelände<br />
(DRECKER 2010)<br />
Experten wird das Zechenfest sehr positiv erwähnt, da es „kein Fest der Elite, sondern<br />
wirklich ein Stadtbezirksfest“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 14) ist. Initiiert wurde das Zechen-<br />
fest von der Werbegemeinschaft Katernberg. Es existiert mittlerweile knapp zehn Jahre<br />
und ist „ein Highlight für Zollverein. Wir haben es geschafft, dass da vom Kleinkind bis<br />
zum Großvater jede Altersgruppe hinkommt. Das wiederum animiert die einzelnen Al-<br />
tersschichten, die sonst nicht unbedingt zusammen irgendwo hingehen, sich mit dem<br />
Bereich Zollverein zu beschäftigen“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7). Die vorbildliche Integra-<br />
tion von den verschiedenen Altersgruppen, aber auch von Personen mit unterschiedli-<br />
chem kulturellen Hintergrund wird vom Werbering Katernberg bewusst gesteuert. So<br />
initiierte z. B. der Vorsitzende des Werberings, Herr Maas, eine Jugendbühne, auf der<br />
verschiedene Jugendmusikbands aus den Stadtteilen auftreten können. Außerdem gibt<br />
es ein Kindertheater sowie ein Seniorentheater. Bei der Ansprache der Bewohner mit<br />
Migrationshintergrund gibt es aufgrund von kulturellen Verhaltensgewohnheiten noch<br />
Schwierigkeiten. „Es ist unheimlich schwer, die muslimischen Migranten anzusprechen,<br />
weil die vom Hinterrund eher reservierter sind. Die können mit Zollverein wenig oder<br />
gar nichts anfangen, da ist wenig Interesse da. Menschen mit anderen Migrationshin-<br />
tergründen, wie polnische oder russische Hintergründe, haben da schon mehr Interes-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 78
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
se und sind integrationsfähiger“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 8). Grundsätzlich ist die zeit-<br />
weise intensive Freizeitnutzung zwar als positiv zu bewerten, allerdings ist dies auf-<br />
grund der eigentlichen Ausrichtung von Zeche Zollverein und der vorhandenen Ange-<br />
botsstruktur nur ein geringer Anteil an den Projekten und Aktivitäten, die es auf Zoll-<br />
verein zu erleben gäbe. Nach Aussagen der Befragten wird Zollverein seitens der Be-<br />
wohner zunehmend kulturell genutzt. Bislang war das Interesse für die Nutzung von<br />
kulturellen Angeboten wie z. B. Konzerten seitens der Bewohner eher gering, während<br />
neuerdings Angebote des Ruhrmuseums scheinbar intensiver wahrgenommen werden.<br />
„Die Neugier wird immer stärker, das höre ich von den Leuten“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010,<br />
9). Andere Angebote wie Theaterveranstaltungen, Kunstausstellungen oder Designvor-<br />
träge übersteigen hingegen meist das kulturelle Interesse der Stadtteilbewohner, so<br />
dass sich die „Menschen in den Stadtteilen nicht transparent in den Angeboten wieder-<br />
finden“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9) können. „Die kulturelle Ebene ist einfach zu hoch für<br />
viele“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11). Ebenfalls wirken Eintrittspreise, die für die Bewohner<br />
der angrenzenden Stadtteile nicht erschwinglich sind, ausgrenzend für eine Vielzahl an<br />
Angeboten. Seitens der befragten Experten wurden z. B. das Projekt „Palace of pro-<br />
„Der Stellenwert wird deutlich unter-<br />
schätzt. Wir haben hier 55.000 Ein-<br />
wohner im Stadtbezirk und ich habe<br />
den Eindruck, dass Zollverein immer<br />
mehr genutzt wird. Gerade Sommer-<br />
tags wird das Gelände als Freizeitort<br />
genutzt.“<br />
Funktion hat das, wem nützt das?“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 11-12).<br />
jects“ oder ein Projekt mit<br />
eingesperrten Tigern in der<br />
Kokerei als absolut publikums-<br />
fern beschrieben. „Also das hat<br />
niemanden mitgenommen. Das<br />
waren quasi abgehobene<br />
Kunstwerke, die befremdlich<br />
waren und vor Ort viel Kritik<br />
erfahren haben. Da fragt sich<br />
jeder, was soll das, welche<br />
Auch das gastronomische Angebot auf Zollverein, wie z. B. das Casino Zollverein, oder<br />
aber die dort zu erwerbenden Verkaufsprodukte (zumeist Designmöbel) sind eher auf<br />
zahlungskräftige Kunden und damit auf die Akteursgruppe der Besucher ausgerichtet.<br />
Dies hemmt eine Integration der Bewohner in die Strukturen von Zollverein und kann<br />
mitunter zu einem Gefühl des Ausgeschlossen seins beitragen. Es wird die Befürch-<br />
tung zum Ausdruck gebracht, dass „der Bezug zu den Menschen im Stadtbezirk immer<br />
mehr zurückgeht“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 9). Da der Hauptteil der Arbeitsplätze im Be-<br />
reich Design angesiedelt ist, findet auch hier kaum eine Beteiligungsmöglichkeit sei-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 79
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
tens der Bewohner statt. Zwar gibt es wirtschaftliche Interessen seitens Zollvereins, die<br />
auf die Unternehmen im Stadtbezirk VI ausstrahlen, doch ist dies eher ein geringer<br />
Effekt (siehe Kapitel 5.1).<br />
Trotz dieser evtl. unbewussten Ausgrenzungsprozesse der Bewohner hinsichtlich des<br />
Weltkulturerbes übernimmt dieses für die Bewohner der angrenzenden Stadtteile die<br />
Rolle als Identifikationspunkt. „Also für mich ist die Zeche sehr wichtig, sie hat ja immer<br />
zu meinem Leben gehört“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11). Neben den Menschen, die früher<br />
auf Zollverein gearbeitet haben bzw. deren Eltern auf Zollverein gearbeitet haben, ist<br />
auch mittlerweile ein Stolz bei den Bewohnern darüber vorhanden, dass sich in ihrer<br />
direkten Wohnnähe ein Weltkulturerbe befindet. „Wenn unser Verwandter aus Bayern<br />
anruft oder wir Besuch von außerhalb bekommen, dann zeigen wir auch Zollverein“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 9). Ebenfalls stolz sind die Bewohner darauf, dass Zollverein<br />
national und international bekannt ist und aus diesem Grund Menschen aus der gan-<br />
zen Welt in „ihren“ Stadtbezirk kommen und durch „ihren“ Stadtteil fahren (GESPRÄCHS-<br />
PARTNER 8 2010, 10). Besonders positiv ist festzustellen, dass die Bewohner ein großes<br />
Potenzial durch Zollverein wahrnehmen und eine Einbindung von ihrer Seite aus sehr<br />
erwünscht ist. „Für mich hat Zollverein dazu geführt, dass wir einen Identifikationspunkt<br />
haben, womit wir uns nicht rühmen sollten, aber worauf wir mit unserer Entwicklung im<br />
Stadtteil aufbauen können“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9).<br />
Touristen – „die Stars in der Manege“<br />
Zollverein ist ein Ort, welcher insbesondere auf Touristen ausgerichtet ist. Sie spielen<br />
hinsichtlich der Angebotsstruktur eine übergeordnete Rolle.<br />
Aus der Perspektive der Besucher stellt Zollverein ein touristisches Highlight dar. Die<br />
Besucherzahlen sind von 1998 bis 2010 kontinuierlich gestiegen. Aufgrund der Kultur-<br />
hauptstadt 2010 und des spektakulären Eröffnungsevents im Januar 2010 werden für<br />
dieses Jahr über zwei Millionen Besucher erwartet. Sowohl der Titel „Welterbe der<br />
Vereinten Nationen“ als auch die Möglichkeit des Erlebens des ehemaligen Industrie-<br />
zeitalters durch die Besichtigung der imposanten, erhaltenen Schachtanlagen, Koke-<br />
reien und Halden auf dem Zollverein-Gelände sind Tourismusmagneten. Weiterhin<br />
bietet Zollverein ein künstlerisches und kulturelles Programm, das für viele Besucher<br />
verlockend ist. Eine Attraktion an sich stellt die historische Bausubstanz von Zollverein<br />
dar.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 80
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Arbeitnehmer – „der gute Nebeneffekt“<br />
Weiterhin gilt die Zeche Zollverein als ein Kreativstandort, der seit 2004 stetig durch die<br />
<strong>Stiftung</strong> Zollverein entwickelt wurde. Zahlreiche Flächen werden für Hauptversamm-<br />
lungen, Kundenaktivitäten und Fachsitzungen wie das Design-Frühstück oder die Jah-<br />
restagung Design genutzt. Eine zunehmende Nutzung des Areals der Zeche Zollverein<br />
verspricht man sich in Essen auch durch die 600 Folkwang-Studenten, die es dem-<br />
nächst hier geben wird. Man erhofft sich davon sowohl einen wirtschaftlichen Auf-<br />
schwung als auch einen Aufschwung auf dem Wohnungsmarkt (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010,<br />
7).<br />
Zollverein wird von auswärtigen Personen und Nutzern sehr positiv wahrgenommen<br />
und intensiv besucht. Für sie hat das Gelände die Funktion des Besuchens, Erlebens<br />
und Lernens.<br />
Allgemein negativ ist ein mangelndes Ange-<br />
bot an Gastronomie für Touristen und Be-<br />
wohner zu vermerken. Zwar gibt es ein Ca-<br />
sino, das erstklassige Speisen anbietet,<br />
doch sind dessen Angebote sehr kostspielig<br />
und für „einfache“ Fahrradtouristen, ge-<br />
schweige denn für die Bewohner des Stadt-<br />
bezirks nicht bezahlbar. Ebenfalls muss die<br />
Zusammenarbeit zwischen den verschiede-<br />
nen Anbietern für Tagungen, Events und<br />
Veranstaltungen verbessert werden. Da die Gebäude unterschiedlichen Besitzern ge-<br />
hören, wurde bislang keine gemeinsame Angebotsstruktur zur Vermietung von Räu-<br />
men entwickelt. Das Organisieren einer Veranstaltung und das Beschaffen eines Rau-<br />
mes auf Zollverein sind sehr mühselig und kompliziert.<br />
Steuerung der Entwicklung von Zollverein – <strong>Stiftung</strong> Zollverein<br />
Die Entwicklungen, Planungen und Vorhaben werden seit 1998 durch eine gemeinnüt-<br />
zige <strong>Stiftung</strong>, die <strong>Stiftung</strong> Zollverein gelenkt. Die „<strong>Stiftung</strong> Zollverein“ wurde von der<br />
Stadt Essen und dem Land Nordrhein-Westfalen gegründet. Ziel und Zweck der Stif-<br />
tung sind „die Erhaltung des Welterbes und die Förderung der Kultur sowie die Ent-<br />
wicklung von Zollverein zu einem internationalen Kultur- und Wirtschaftsstandort“ (STIF-<br />
TUNG ZOLLVEREIN 2010).<br />
Abb. 38: Kleiner Imbiss auf Zollverein<br />
(DRECKER 2010)<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 81
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Seitens der Bewohner des Stadtbezirks VI wird die Arbeit der <strong>Stiftung</strong> Zollverein kri-<br />
tisch betrachtet. Die Bewohner fühlen sich ausgeschlossen und nicht beteiligt. Zwar<br />
wurde z. B. eine Sozialraumkonferenz zum Thema „Wie könnte die Verbindung zwi-<br />
schen Zollverein und den Stadtteilen besser funktionieren“ organisiert, bei der auch<br />
eine Person der Entwicklungsgesellschaft Zollverein anwesend war, doch wurde der<br />
Wunsch, dass Zollverein auch die Rolle eines Bürgertreffpunkts für Jugendliche und<br />
Ältere, wie z. B. ein Jugendtreff oder eine Café, erhält, kategorisch abgelehnt. „Man<br />
würde das eher auf der kulturellen Ebene betrachten als mit der Funktion einer Begeg-<br />
nungsstätte“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 11). Das Gefühl, dass die Entwürfe und Planungen<br />
nicht gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt, sondern von oben aufgesetzt wur-<br />
den, wurde so zunehmend verstärkt.<br />
Weiterhin befürchten einige Bewohner des Stadtbezirks, dass Zollverein aufgrund der<br />
kulturellen Ausrichtung keine richtige Bindung an die umliegenden Stadtteile erfährt.<br />
„Ich will das nicht in Abrede stellen: kulturell, informativ, auch mit dem neuen Museum<br />
ist das sicher Klasse, und es zieht Leute von außen an, die sich informieren wollen und<br />
die auch begeistert sind. Aber es ist irgendwie wie ein Museum und nicht wie eine Be-<br />
gegnungsstätte und der Bezug zu den Menschen im Stadtteil geht immer mehr zurück“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 9). Ebenso wird die Erwartung geäußert, dass durch die thema-<br />
tische Distanz zu den Stadtteilen „das Projekt Zollverein nicht wieder die Mauern so<br />
aufbaut wie früher“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 9).<br />
Aus einer relativ objektiven Sichtweise des Büros für Stadtentwicklung Essen heraus<br />
wird erläutert, dass eine gegenwärtige gehemmte Beziehung zwischen den Akteuren in<br />
den Stadtteilen und den Akteuren der <strong>Stiftung</strong> vor allem mit einzelnen Personen in der<br />
Vergangenheit zu tun hat und deren Auftritt in der Öffentlichkeit. „Der persönliche Auf-<br />
tritt einzelner Leute hat viel Porzellan zerschlagen, das nur mühsam wieder aufgepäp-<br />
pelt werden konnte“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 12). Es wird beschrieben, dass z. B. bei der<br />
Einweihung Zollvereins zum Welterbe „die Leute aus den Stadtteilen nur davor stan-<br />
den“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11), während „die VIPs hinterher ihre Canapés aßen“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 4 2010, 13). „Wenn Termine stattfinden, kommt da direkt der Ministerpräsi-<br />
dent, dann werden Reden geschwungen, die immer auf höchster Ebene stattfinden.<br />
Wen soll denn das hier interessieren? Das schreckt doch eher ab, als dass es einbin-<br />
det“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 10).<br />
Das Problem einer fehlenden Berücksichtigung der Zollverein umgebenden Stadtteile<br />
ist die mangelnde Auseinandersetzung mit deren Problemen und das ungenügende<br />
Bewusstsein, dass durch Zeche Zollverein positive Änderungsprozesse im Stadtbezirk<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 82
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
VI ausgehen könnten. „Die haben das nicht so als Zusammenhang gesehen. Oder<br />
vielleicht ihre Konzentration auf den Standort Zollverein zum Maß aller Dinge gemacht“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 11). „Bei der <strong>Stiftung</strong> Zollverein gibt es einige Personen, die<br />
haben mit dem Stadtbezirk nichts am Hut. Im Gegenteil, die sagen, wenn wir die Stadt-<br />
teile rundherum nicht hätten, dann hätten wir das Kulturhighlight Nordrhein-Westfalens<br />
oder sogar der Welt“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 10). Man spürt deutlich die Enttäuschung<br />
und das Missfallen bei dem bisherigen Vorgehen der <strong>Stiftung</strong>. „Das ist eine Szenerie,<br />
die sich selbst feiert“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 11).<br />
Kinder und Jugendliche auf Zollverein<br />
Zollverein wird von Kindern und Jugendlichen als sehr positiv wahrgenommen und vor<br />
allem dessen abwechslungsreiche Natur von Heranwachsenden aller Altersstufen in-<br />
Abb. 39: Zeche Zollverein, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
tensiv genutzt (vgl. Abb. 39). Der Grund der<br />
positiven Wahrnehmung muss aber diffe-<br />
renzieren. Es gibt einerseits Jugendliche,<br />
die von Zollverein aufgrund des Status<br />
Welterbe begeistert sind. „Da kommt dann<br />
auch ein gewisser Stolz und Gespräche<br />
zum Thema Tradition auf“ (GESPRÄCHSPARTNER<br />
8 2010, 9). Anderseits gibt es auch Jugendli-<br />
che, die „eher weniger damit [Zeche Zoll-<br />
verein und ihrer Geschichte] anfangen kön-<br />
nen“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 10), sich dort<br />
aber aufgrund des Reizes des Geländes<br />
treffen und verweilen und evtl. mit der<br />
Schulklasse mal vor Ort waren.<br />
Während jüngere Kinder auf den verwilder-<br />
ten Halden und Flächen eher eine Chance<br />
„zum ungehemmten Ausleben ihres Bewegungs- und Entdeckungsdrangs“ (KEIL 1998, 64)<br />
sehen, bietet Zollverein den älteren Jugendlichen Gelegenheit, außer Sichtweite von<br />
Erwachsenen teils untersagten Tätigkeiten wie Alkoholkonsum oder wildes Grillen<br />
nachzukommen (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 7). In einer Umfrage äußerten sich ein Großteil<br />
der befragten Kinder und Jugendlichen, dass sie die Atmosphäre der Zeche Zollverein<br />
sehr schätzen, ebenso die Größe des Geländes und die Möglichkeiten, sich im Park o.<br />
ä. vom Alltagsstress zu erholen.<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 83
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Zwar haben sich die Jugendlichen schon selber Räume angeeignet, an denen sie sich<br />
treffen, wie z. B. „auf einem alten Parkplatz – im Westerbruch bei der Neubaussiedlung<br />
– und einer riesigen Parkanlage (Stauderstraße)“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 9), dennoch<br />
wird es als notwendig erachtet, „weitere attraktivere Aufenthaltsorte zu entwickeln, die<br />
den Jugendlichen die Möglichkeiten geben, sich zu treffen oder auch gemeinsam Sport<br />
zu treiben“ (GESPRÄCHSPARTNER 8 2010, 9). Damit ist die Hoffnung verbunden, dass der Ort<br />
von Jugendlichen selbstverständlicher aufgesucht werden würde. „Sie selbst würden<br />
sich in ihrem Stadtteil nicht verdrängt, sondern angenommen fühlen“ (GESPRÄCHSPARTNER<br />
8 2010, 12). Weiterhin sollte die grundsätzlich positive Wahrnehmung des Areals genutzt<br />
werden, um die Kinder und Jugendlichen bei den Planungen zu integrieren. Neben der<br />
Nutzung als Freizeitort setzen sich viele Jugendliche z. B. in Internetforen mit Zollver-<br />
ein auseinander. „Wenn sie in die Schule gehen und dann die Schüler fragen, die ken-<br />
nen alle Zeche Zollverein besser, als meine Generation“ (GESPRÄCHSPARTNER 2 2010, 7).<br />
Anscheinend hat auch die Eröffnung der Kulturhauptstadt im Januar 2010 Eindruck auf<br />
die Kinder gemacht, wie Abbildung 40 zeigt.<br />
Abb. 40: Zeche Zollverein bei der Eröffnung zur Kulturhauptstadt, Kinderzeichnung<br />
(HERBARTSCHULE 2010, KLASSE 3A)<br />
Leider fallen auch einige Jugendliche bzw. deren Verhalten auf Zollverein negativ auf,<br />
z. B. durch das Einwerfen von Fensterscheiben, das Belästigen von Besuchern oder<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 84
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
das Sprühen von Graffitis. Andere Jugendliche dagegen gestalten ihre Freizeit auf<br />
Zollverein damit, interessante Fotos zu machen oder einfach nur rumzusitzen. Dies<br />
wird als positiv gesehen. „Das habe ich früher auch gemacht. Das sollte man ruhig<br />
zulassen, das baut nämlich Hemmungen ab und dann kommen sie auch später zur<br />
Zeche. Und es bindet ja auch an einen Standort“ (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 10). Positiv<br />
bewertet wird eine auf Zollverein ansässige Kindertagesstätte, die „einen wichtigen<br />
Effekt auf die Stadtteile hat, weil sie gleichermaßen bürgerbezogene und gewerbliche<br />
Aktivitäten vereint“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 8). Auch die <strong>RAG</strong> Bildung hat das Potenzial<br />
von Zollverein für Kinder nutzbar gemacht, indem sie eine Sommerfreizeit für Kinder<br />
aus dem Stadtbezirk angeboten hat. Unter dem Motto „Piraten auf Zollverein“ wurde so<br />
ein Angebot für Kinder geschaffen und dafür das Ambiente von Zollverein sinnvoll ein-<br />
gesetzt.<br />
Teilweise gibt es aber auch Jugendliche, auf die einerseits die mit Kunst, Kultur und<br />
Geschichte in Verbindung stehende Neunutzung des Geländes abschreckend wirkt,<br />
die andererseits aber auch durch Schule oder Elternhaus zu wenig mit Zollverein in<br />
Kontakt gekommen sind. Es wird beklagt, dass viele Nutzungen, die auf Zollverein vor-<br />
handen sind, nichts mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben und dass Jugendliche<br />
von Seiten der <strong>Stiftung</strong> nicht genug beteiligt werden, bzw. diese „es nicht Ernst meint“<br />
(GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 8). Leider wurde bislang eine Anfrage seitens der AWO, einen<br />
Sozialarbeiter auf Zollverein zu etablieren, um den Jugendlichen einen „Anteil an Zoll-<br />
verein“ zu geben, bislang seitens der <strong>Stiftung</strong> Zollverein nicht beantwortet, so dass<br />
seitens der AWO der Eindruck entstanden ist, dass diese Idee nicht gewollt ist (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 8). Ebenfalls wurde bemängelt, dass auf Zollverein kein Treffpunkt<br />
oder Café für Jugendliche geschaffen wird, da Zollverein eher eine kulturelle Funktion,<br />
als die einer Begegnungsstätte innehaben soll (siehe oben).<br />
Eine wichtige Funktion von Zollverein für Kinder und Jugendliche übernimmt das Ge-<br />
lände als Ort des Lernens. Diese Funktion wird bislang noch zu wenig genutzt. Ge-<br />
genwärtig gibt es nur wenige Kooperationen zwischen den auf Zollverein ansässigen<br />
Museen bzw. Veranstaltungen und den Schulen im Stadtbezirk. Aufgrund fehlender<br />
finanzieller Mittel der Eltern können einige Schulen sich eine Führung über Zollverein<br />
oder einen Besuch z. B. im Phänomania – Erfahrungsfeld der Sinne – nicht leisten. Da<br />
eine Unterstützung von Klassenausflügen für Hartz IV-Empfänger erst mit einer Über-<br />
nachtung gewährleistet wird, ist der Besuch des direkt im Umfeld liegenden Zollverein-<br />
geländes nicht möglich. „Wenn wir als Schule hingehen würden und die Kinder dann zu<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 85
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Hause erzählen würden, wie toll das da ist, dann würde eine stärkere Identifikation mit<br />
Zollverein vielleicht vorhanden sein. Aber dann hindert wieder der Eintrittspreis“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 10 2010, 12). Das Vermitteln von industriegeschichtlicher Vergangenheit<br />
und das Kennenlernen der Arbeitswelt, die das Leben der Groß- und Urgroßeltern<br />
prägte, sind notwendig, um eine stadtteilbezogene Wir-Identität schon bei den Kindern<br />
zu prägen. Um eine Bereitschaft zur Gestaltung von Gegenwart und Zukunft zu för-<br />
dern, ist es wichtig, die Leistungen der Menschen aus der Vergangenheit kennenzuler-<br />
nen und so ein Verantwortungsgefühl zu entwickeln. Durch das Zeigen und Entdecken<br />
von stadtteilprägenden Merkmalen wie Fördertürmen oder typischen Zechenhäusern<br />
kann bei den jungen Menschen ein Stolz und eine innere Verbundenheit zu ihrem Le-<br />
bensumfeld geweckt werden, die sich in Zukunft positiv auf ihre „Bereitschaft zu mehr<br />
Engagement für ihr unmittelbares Lebensumfeld“ (MÜLLER 2008, 195) auswirken.<br />
Impulse von Zeche Zollverein auf die angrenzenden Stadtteile<br />
Von der Zeche Zollverein gehen unterschiedliche Impulse sowohl kulturell als auch<br />
wirtschaftlich in die umliegenden Stadtteile aus. Die Stärke der Impulse ist jedoch noch<br />
differenziert zu betrachten. Die stärksten wirtschaftlichen Effekte haben bislang die<br />
Übernachtungen von Touristen bei privaten Vermietern im Stadtbezirk (siehe Kapitel<br />
5.1) bewirkt. Ziel ist es zwar, die Wirtschaftskraft der Besucher auch in die umliegen-<br />
den Stadtteile zu lenken (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, 8), doch müsste dazu auch die Attrakti-<br />
vität in den Stadtteilen erhöht werden, z. B. durch den Ausbau von gastronomischen<br />
Angeboten.<br />
Die Beschäftigten von Firmen, die sich auf Zeche Zollverein befinden, sind größtenteils<br />
keine Bewohner des Stadtbezirks VI. Allerdings strahlen die wirtschaftlichen Interessen<br />
der in der Zeche Zollverein ansässigen Unternehmen auch auf die Unternehmen der<br />
umliegenden Stadtteile aus. Ziel muss es sein, diesen Effekt noch zu stärken. „Wenn<br />
sich die Zeche Zollverein als Wirtschaftsstandort entwickelt und sich neben dem Tou-<br />
rismus auch eine wirtschaftliche Dynamik entfaltet, dann kann es auch gelingen, dass<br />
die umliegenden Stadtteile davon profitieren“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 10 F.).<br />
Weitere Impulse durch Zeche Zollverein waren bauliche Veränderungen. Auch wenn<br />
es eher eine geringe Anzahl an Veränderungen war, gab es doch einige Personen, die<br />
„kleinere Familienhäuser gebaut haben“ (z. B. am Kemper Weg) (GESPRÄCHSPARTNER 6<br />
2010, 9).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 86
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Ein besonderer Impuls geht durch die Funktion als Identifikationspunkt für die Bewoh-<br />
ner aus. Damit diese Identifikation nicht gehemmt wird, muss von Zollverein eine stär-<br />
kere Bindung zum Stadtteil ausgehen. Gegenwärtig wird Zollverein seitens der Bewoh-<br />
ner zwar grundsätzlich als eine Stärke für den Stadtbezirk gesehen, doch wird auch<br />
bemerkt, dass „die Zeche noch nicht richtig angedockt ist, und ich weiß auch gar nicht,<br />
ob das zu leisten ist“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 12). Um eine stärkere Identifizierung mit<br />
der Zeche Zollverein zu erreichen bzw. die vorhandene Identifikation zu stärken, fehlen<br />
bisher aber noch weiterreichende Angebote. „Dazu wäre ein stärkerer Bezug zu der<br />
Bevölkerung, vor allem zu den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen, notwendig,<br />
der leider nicht gegeben ist“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 9).<br />
5.7 Förderungen im Stadtbezirk VI<br />
Nachdem sich bereits das Kapitel 3.3 der Thematik Soziale Stadt mit seinem Grundan-<br />
liegen und lokalen Verankerungen widmete, wird sich in diesem Abschnitt im Speziel-<br />
len mit den lokalen Wirkungsweisen auseinandergesetzt.<br />
Eines der ersten Projekte in Katernberg war die Umgestaltung des Katernberger Mark-<br />
tes Anfang der 1990er Jahre. Bis 2004 schlossen sich daran 41 Projekte an, mittlerwei-<br />
le sind es noch einige mehr (konkrete Zahlen liegen bis zum Jahr 2004 vor).<br />
An der Förderung durch das Soziale Stadt-Programm wird die „sehr steinelastige“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 6 2010, 7) bzw. „betonlastige“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8) Förderung kriti-<br />
siert, wobei die Kritik nicht an die Kommune, sondern an den Fördermittelgeber adres-<br />
siert ist. Die Gefahr wird darin gesehen, dass lediglich Gebäudekomplexe saniert wer-<br />
den, ohne soziale Probleme zu beheben. In diesem Falle wäre das Programm „reine<br />
Geldverschleuderung“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 8). Achtet man bei der Fördermittelvertei-<br />
lung von Städtebauförderungsmitteln schwerpunktmäßig auf Großprojekte, scheinen<br />
die absoluten Zahlen diese Aussagen zu bestätigen, da viele Mittel in die Bereitstellung<br />
von neuen Kunst- und Gewerbeflächen oder Bau- und Sanierungsprojekte geflossen<br />
sind (STADT ESSEN, 2004, 13F).<br />
Allerdings sind neben diesen großen Projekten, die gefördert wurden, eine sehr große<br />
Anzahl an kleineren Projekten zu finden, (z. B. Bewohnerbeteiligung und Aktivierung in<br />
belasteten Wohnbereichen (35.790 Euroi, Interkulturelle Konfliktvermittler (25.000 Eu-<br />
ro), Anschub Verkehrsverein (25.564 Euro), etc. (STADT ESSEN 2004, 15F). Sicherlich sind<br />
die Fördersummen bei diesen eher sozial ausgerichteten Projekten wesentlich gerin-<br />
ger, doch scheinen sie nach den Beschreibungen der Befragten fruchtbringend gewe-<br />
sen zu sein (GESPRÄCHSPARTNER 3 2010, GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, GESPRÄCHSPARTNER 8 2010). Wei-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 87
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
terhin benötigt der Tourismus z. B. eine bauliche Infrastruktur sowie die Erhaltung der<br />
Bausubstanz von Zeche Zollverein, die ja in diesem Fall als Tourismusmagnet fungiert<br />
(PASTERNAK 2008, 89). Ferner argumentiert Gesprächspartner 1, dass das Programm Sozi-<br />
ale Stadt zwar den Titel „Soziale Stadt“ trägt, aber ein Investitionsprogramm ist, das<br />
aus Städtebaumitteln finanziert wird. Aus dieser Sicht betrachtet, scheint dieses Städ-<br />
tebauprogramm einen anderen Weg eingeschlagen zu haben, indem die Bevölkerung<br />
„mitgenommen wird“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 10). „Vielleicht ist es ein überzogener An-<br />
spruch zu glauben, wir schaffen mit diesem Programm die Lösung aller sozialen Prob-<br />
leme“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 9).<br />
Neben dem Vorwurf einer steinelastigen Förderung gehen Vermutungen einzelner Ak-<br />
teure dahingehend, dass das Programmgebiet „Soziale Stadt“ von Katernberg auf den<br />
gesamten Bezirk ausgedehnt wurde, weil „Zollverein nicht in Katernberg liegt, sondern<br />
in Stoppenberg und natürlich mit in diese Förderkulisse rein sollte“ (GESPRÄCHSPARTNER 7<br />
2010, 11). Daraufhin wurde auch der Vorwurf genannt, dass „auch Fördermittel aus der<br />
Sozialen Stadt nach Zollverein geflossen [sind], und zwar richtig viel“ (GESPRÄCHSPARTNER<br />
7 2010, 11). Diesen Behauptungen widersprechen jedoch zwei Tatbestände: Erstens<br />
wurde das Programmgebiet Katernberg nicht ausgeweitet. Als Fördergebiet für das<br />
Programm Soziale Stadt wurde von Anfang an, also seit 1993, der Stadtbezirk VI aus-<br />
geschrieben. Ausgeweitet wurde lediglich die Arbeit des ISSAB (s. o.), die sich zuvor<br />
nur auf Katernberg-Beisen beschränkte (PASTERNAK 2008, 79F). Zweitens gibt der Ge-<br />
sprächspartner vom Büro für Stadtentwicklung zu bedenken, dass das Programm So-<br />
ziale Stadt unter anderem auch deshalb begonnen hat, weil es Zeche Zollverein und<br />
den Förderbedarf gegeben hat. „Da gab es ein erhebliches Landesinteresse, das aus<br />
Zollverein auch was wird – es gehört ja größtenteils dem Land – und es war ein Ange-<br />
bot an die Stadt, könnt ihr euch vorstellen, dass ihr um Zollverein Sachen entwickelt.<br />
Und dafür hat das Land auch ganz schön viele Mittel zur Verfügung gestellt“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 1 2010, 10).<br />
Dennoch ist das Gefühl, dass dem Industriedenkmal wesentlich mehr Geld zugute ge-<br />
kommen ist bzw. dass „relativ viel Soziale Stadt-Knete bei Zeche Zollverein liegt“ (GE-<br />
SPRÄCHSPARTNER 7 2010, 11.<br />
Ein erhöhtes Interesse an Zeche Zollverein und den angrenzenden Stadtteilen seitens<br />
des Landes lässt sich auch daran erkennen, dass insgesamt wesentlich mehr Gelder in<br />
das Programmgebiet Essen-Katernberg geflossen sind als in andere Gebiete. Die För-<br />
derung durch das Programm Soziale Stadt „wird von anderen Stadtteilen mit sehr gro-<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 88
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
ßem Neid beobachtet“ (GESPRÄCHSPARTNER 6 2010, 6). Betrachtet man die landesweite Ver-<br />
teilung von Fördergeldern des Soziale Stadt-Programms, ist die Spanne der Mittel, die<br />
in der Summe auf einzelne Gebiete entfallen sind, sehr groß. Im Zeitraum von 1993 bis<br />
2005 sind in Nordrhein-Westfalen rund 425 Mio. Euro in die Gebiete der Sozialen Stadt<br />
geflossen. Im Durchschnitt wären das für jedes Gebiet knapp 8 Mio. Euro. Die Summe<br />
der Förderung in diesem Zeitraum reichte aber von 1 Mio. Euro bis 65,2 Mio. Euro pro<br />
Gebiet, wobei das Programmgebiet Essen-Katernberg diese Höchstsumme erhalten<br />
hat (STÄDTENETZ SOZIALE STADT 2008, 25). Ebenfalls kritisch wurde die Dauer einiger Förder-<br />
projekte gesehen, besonders die Förderung aus dem Programm LOS. „Das Problem<br />
ist nur, dass die Förderstruktur so angelegt ist, dass ein Projekt, egal ob das gut oder<br />
schlecht ist, nicht fortführen darf. Zumindest nicht mit dieser Finanzierung. Das ist halt<br />
die Projektitis, in der wir leben“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 7).<br />
Auswirkungen des Programms Soziale Stadt im Stadtbezirk VI<br />
Eindringlich zu betonen ist, dass sich in den letzten zwanzig Jahren in Katernberg und<br />
Umgebung einiges getan hat. „Wir haben doch mit diesem Programm eine ganze<br />
Menge ausgelöst“ (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 9). Zwar konnten grundlegende Problemla-<br />
gen nicht endgültig behoben werden, doch wurden Verbesserungen erzielt, die den<br />
richtigen Weg markieren. Daher scheint auch das Motto vom Stadtbezirk VI „Ein Stadt-<br />
teil macht sich auf den Weg“ die aktuelle Situation treffend zu charakterisieren: Katern-<br />
berg ist auf dem Weg, aber noch längst nicht am Ziel (PASTERNAK 2008, 87).<br />
Dies spiegelt sich auch in den Meinungen der Befragten wieder, die ihre realistische<br />
Einschätzung des Stadtbezirk VI in zehn Jahren äußern sollten. Es wurde prognosti-<br />
ziert, dass sich der Stadtbezirk „stärker normalisieren“ und „gegenüber anderen Stadt-<br />
teilen angleichen“ wird (GESPRÄCHSPARTNER 1 2010, 15). „Insgesamt könnte ich mir vorstel-<br />
len, dass der Stadtbezirk so stabil ist, dass er nicht mehr als benachteiligter Stadtbezirk<br />
gilt“ (GESPRÄCHSPARTNER 7 2010, 16). „Ich denke, der Stadtbezirk wird sich weiter positiv<br />
entwickeln“ (GESPRÄCHSPARTNER 4 2010, 16). Ebenfalls positiv äußert sich der Jugendkon-<br />
taktbeamte: „Wenn ich das vor zehn Jahren sehe und wenn ich das hier jetzt sehe, hat<br />
es eine unheimliche Entwicklung gegeben. Und in der Hoffnung sollte man auch die<br />
nächsten 10 Jahre angehen!“ (GESPRÄCHSPARTNER 9 2010, 14).<br />
Schwerpunktthemen im Stadtbezirk 89
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6 Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen<br />
Aufgrund der bereits in Kapitel 1 erwähnten allgemeinen Problemlage und Überforde-<br />
rung einzelner Kommunen, gewinnt die Rolle der Unternehmen und privaten Initiativen<br />
für kommunale Aktivitäten stetig an Bedeutung. Ein daraus resultierender wachsender<br />
Einfluss der privaten Wirtschaft auf Gesellschaft und Politik, schafft gleichzeitig die<br />
Möglichkeit, Unternehmen zur Übernahme von Verantwortung aufzufordern (Corporate<br />
Social Responsibility). Dieser Gedanke, dass Unternehmen Verantwortung für die Ge-<br />
sellschaft übernehmen, ist nicht neu, da bereits in früheren Jahrhunderten Unterneh-<br />
men vor allem in durch Kaufmannstradition geprägten Städten einen Teil der Wohl-<br />
fahrtsaufgaben für ihre Umgebung übernommen haben (TAUBKEN 2006, 154).<br />
Das seit einigen Jahren viel diskutierte Konzept von Corporate Social Responsibility<br />
stellt laut Definition der Europäischen Kommission ein Konzept dar, „[…] das den Un-<br />
ternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale und Umweltbelange in ihre<br />
Unternehmenstätigkeiten und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu<br />
integrieren.“ (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2002, 5).<br />
Dabei kann von dem Engagement eines Unternehmens eine Stärkung der Stadt bzw.<br />
Region ausgehen, die über klassische ökonomische Aspekte hinausgeht. Gleichzeitig<br />
wirkt sich das Übernehmen gesellschaftlicher Verantwortung auf den Unternehmens-<br />
standort aus, so dass zwischen Stadt und Unternehmen Wechselwirkungen bestehen.<br />
Da ein Unternehmen ein intaktes Unternehmensumfeld benötigt, um langfristig erfolg-<br />
reich wirtschaften zu können, ergeben sich so Synergien zwischen Unternehmen und<br />
Stadt.<br />
Vor dem Hintergrund, der in Kapitel 3 und 5 dargestellten vielschichtigen Problemlage<br />
des Stadtbezirks VI, scheint das gemeinsame Agieren von öffentlichen und privaten<br />
Trägern dahingehend anstrebenswert.<br />
Die folgenden Ausführungen sollten daher vor der Idee betrachtet werden, dass nicht<br />
ausschließlich die öffentliche Hand der tragende Akteur ist, sondern zusätzlich insbe-<br />
sondere wirtschaftsstarke private Akteure aktiv werden.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 90
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6.1 Beschäftigung<br />
Diagnose<br />
Das Thema Beschäftigung hat einen hohen Stellenwert im Stadtbezirk VI. Besonders<br />
seit der Schließung der Zeche und Kokerei Zollverein – der ehemals größte Arbeitge-<br />
ber des Essener Nordens – wurde die Arbeitsplatzsituation aus naheliegenden Grün-<br />
den als vordringlichstes Problem gesehen. Aufgrund der problematischen Lage in vie-<br />
lerlei Hinsicht sind viele Fördergelder aus unterschiedlichen Programmen in den Stadt-<br />
bezirk VI geflossen. Finanzielle Unterstützungen durch Fördermittel im Bereich Be-<br />
schäftigung wirkten allgemein betrachtet in vier Bereichen:<br />
1. Direkte Beschäftigungsverhältnisse, aber keine nachhaltigen<br />
Einerseits bewirkte der Einsatz von Fördermitteln eine Beschäftigung auf Zeit für Ar-<br />
beitssuchende im Stadtbezirk VI, in dem z. B. Städtebaufördermittel mit Arbeitsmarkt-<br />
maßnahmen kombiniert werden konnten. Bei dieser Art der Förderung wurden direkte<br />
Beschäftigungseffekte für die Bewohner des Stadtbezirks VI erzielt, allerdings waren<br />
diese nicht langfristig, sondern nur für einen festgelegten Zeitraum während der Tätig-<br />
keit angelegt. Durch den Einsatz von Fördermitteln in diesem Bereich konnten daher<br />
nur geringe langfristige und nachhaltige Beschäftigungseffekte für die Bewohner des<br />
Stadtbezirks VI erzielt werden. Als positive Auswirkungen könnte allerdings das Sam-<br />
meln von Erfahrungen und Kontakten während der Beschäftigung oder ein potentieller<br />
Anschub zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt angesehen werden.<br />
2. Unternehmensneugründungen mit Beschäftigungseffekten<br />
Ein weiterer Effekt auf den Beschäftigungsbereich durch Fördermittel ist die Schaffung<br />
von neuen Arbeitsplätzen im Stadtbezirk VI. Gefördert wurden dabei besonders Neu-<br />
gründungen von Unternehmen. Neu geschaffene Arbeitsplätze können jedoch nur in<br />
geringem Umfang die Arbeitsplätze der ehemaligen Zeche und Kokerei ersetzen. Bis<br />
auf wenige Ausnahmen (z. B. Touristik Zollverein) wurden zwar neue Unternehmen<br />
gegründet – allerdings hauptsächlich von Firmengründern, die keine Bewohner des<br />
Stadtbezirks VI waren. Da bei Neugründungen von Unternehmen aufgrund der noch<br />
bestehenden finanziellen Instabilität oftmals keine Beschäftigung von mehreren Arbeit-<br />
nehmern möglich ist, gab es hier bislang ebenfalls nur geringe Beschäftigungseffekte<br />
für Bewohner des Stadtbezirks.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 91
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
3. Aufwertung von Zollverein<br />
Weiterhin konnte durch Fördermittel die grundsätzliche Sanierung von Zollverein er-<br />
möglicht werden. Erst eine Nutzbarmachung und Aufwertung des Geländes ermöglich-<br />
te die Schaffung neuer Arbeitsplätze auf dem Gelände. Die städtebaulichen Sanie-<br />
rungsmaßnahmen sind somit als Voraussetzung der nachfolgenden Maßnahmen zur<br />
Förderung der lokalen Ökonomie zu sehen, so dass der Umbau der Zeche und Kokerei<br />
Zollverein letztendlich eine Voraussetzung z. B. zur Errichtung des Gründungszent-<br />
rums TripleZ und für neue lokale Wertschöpfungen in Form des Projekts „Zollverein<br />
Touristik“ darstellte. Bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen auf Zollverein durch<br />
die vorangegangene Sanierung ist allerdings wiederum darauf aufmerksam zu ma-<br />
chen, dass der größte Teil der Arbeitsplätze im Bereich Kreativwirtschaft liegt, so dass<br />
hier eine Einbindung bzw. Beschäftigung der Bewohner des Stadtbezirks aufgrund<br />
bestehender Bildungsbeschränkungen nicht möglich ist. Dennoch sollte eine grund-<br />
sätzliche Verurteilung des Einsetzens von Fördergeldern in Zeche Zollverein zur Sanie-<br />
rung und zum Umbau nicht stattfinden. Da ein großes Beschäftigungspotenzial für die<br />
Bewohner des Stadtbezirks im Bereich Tourismus gesehen wird, ist eine Erhaltung der<br />
Bausubstanz des Industriedenkmals wichtig, damit es nun als Touristenattraktion fun-<br />
gieren kann.<br />
4. Maßnahmen zur Berufsqualifizierung<br />
Ein weiterer Bereich des Fördermitteleinsatzes ist der Bereich Berufsqualifizierung. Die<br />
verschiedenen Maßnahmen (z. B. Computerkurs, interkulturelles Kompetenztraining,<br />
Telefontraining, Stärkung der Kommunikationsfähigkeit für Migranten) waren teilweise<br />
erfolgreich, allerdings kann keine genaue Zahl derer genannt werden, die daraufhin<br />
einen Ausbildungsplatz bzw. eine Arbeitsstelle gefunden haben. Inwieweit daher der<br />
Einsatz von finanziellen Mitteln zur Vermittelung dieser Kenntnisse Beschäftigungsef-<br />
fekte im Stadtbezirk bewirken konnten, kann bislang zwar vermutet, aber nicht nach-<br />
gewiesen werden.<br />
Zusammenfassend lässt sich herausstellen, dass lokale Fördermaßnahmen sowohl im<br />
materiellen als auch im nicht-materiellen Bereich teilweise sinnvoll und insbesondere<br />
entwicklungsgreifend waren. Allerdings kann ebenfalls konstatiert werden, dass in dem<br />
Bereich Beschäftigung durch diese Fördermaßnahmen keine komplette Problembesei-<br />
tigung im wirtschaftlichen Bereich herbeigeführt, sondern lediglich ein Anschub zu ers-<br />
ten Ansätzen einer Trendwende geleistet werden konnte. Das Auslaufen von Förder-<br />
maßnahmen birgt jedoch die Gefahr, dass bereits begonnene Prozesse und Strukturen<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 92
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
potenziell gebremst werden, sich zunehmend verlangsamen und schließlich zum Still-<br />
stand kommen (z. B. Zollverein Touristik). Hoffnung schüren aber Entwicklungen in-<br />
nerhalb des Stadtbezirks, bei denen durch das Engagement ortsansässiger Unterneh-<br />
men, die nicht von einer Förderung abhängig sind, besonders nachhaltige und langfris-<br />
tige Strukturen – wie z. B. Beteiligungsprozesse und eine Verbesserung kultureller An-<br />
gebote durch die Schaffung und finanzielle Förderung von Stadtteilfesten – aufgebaut<br />
und gestärkt werden.<br />
Konsequenz und Empfehlung<br />
Ein großes Beschäftigungspotenzial für die Bewohner des Stadtbezirks VI wird dem<br />
Tourismus beigemessen. Aufgrund des steigenden Interesses an dem Weltkulturerbe<br />
Zollverein – vor allem vor dem Hintergrund, dass das Ruhrgebiet in diesem Jahr Kul-<br />
turhauptstadt Europas ist – werden für dieses und die kommenden Jahre weiter stei-<br />
gende Tourismuszahlen erwartet und durch einen Buchungsanstieg innerhalb der ers-<br />
ten drei Monate im Jahr 2010 bereits belegt. Dieses Potenzial gilt es in den kommen-<br />
den Jahren zu nutzen. Dazu müsste eine umfassende Tourismusstrategie in Zusam-<br />
menarbeit zwischen den bestehenden Akteuren im Tourismus – Zollverein Touristik<br />
und <strong>Stiftung</strong> Zollverein - möglichst zügig entwickelt werden. In einer solchen Touris-<br />
musstrategie sollten Zuständigkeiten, eine gemeinsame Vermarktung, die langfristige<br />
Sicherung von Arbeitsplätzen für Bewohner, etc. Schwerpunkt sein. Ist das gemeinsa-<br />
me Erarbeiten einer Tourismusstrategie aufgrund unterschiedlicher monetärer und<br />
ideeller Interessen nicht möglich, könnte hier die Stadt Essen vermittelnd agieren.<br />
Ebenso werden große Hoffnungen in den Dienstleistungssektor gesetzt. Durch die be-<br />
reits ansässigen Unternehmen auf dem Zeche Zollverein-Gelände könnten Beschäfti-<br />
gungseffekte ausgehen, die auch für die Bewohner des Stadtbezirks ansprechend und<br />
realisierbar wären. Hier werden Ansatzmöglichkeiten in Bereichen wie Veranstaltung-<br />
sauf- und -abbau, Gastronomie, Sicherheitspersonal, etc. erkannt. Um dabei positive<br />
Effekte für Stadtbezirksbewohner zu erzielen, ist eine Sensibilisierung der auf Zollver-<br />
ein ansässigen Unternehmen für die stadtbezirkbezogene Problematik von Nöten. Dies<br />
könnte durch die <strong>Stiftung</strong> Zollverein erreicht werden, da sie als Eigentümer eines Groß-<br />
teils der Flächen eine „Philosophie“ für Zollverein am besten vermitteln kann. Solch<br />
eine Philosophie sollte z. B. den Aspekt der Integration der Bewohner des Stadtbezirks<br />
VI beinhalten. Sollte eine Sensibilisierung durch persönliche Gespräche, Unterneh-<br />
mensabende, Informationsveranstaltungen, etc. der Unternehmen keine Erfolge zei-<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 93
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
gen, könnten an die Vermietung von Flächen bzw. Gebäuden z. B. ein „Unterneh-<br />
menskodex“ gebunden sein, nach dem sich die angesiedelten Unternehmen halten<br />
müssten.<br />
Weiterhin festzuhalten gilt, dass das Ausbildungsangebot auf Zollverein unzureichend<br />
ist. Da Bildung aber als eine der wichtigsten Ressourcen für Zukunftsbranchen gese-<br />
hen wird, besteht hier unbedingter Handlungsbedarf. Durch die Schaffung von Ausbil-<br />
dungsangeboten für Jugendliche (hier könnte ebenfalls die <strong>Stiftung</strong> steuernd eingrei-<br />
fen) ergeben sich gleichzeitig für Zollverein Standortvorteile für Unternehmen. Die auf<br />
Zollverein ausgebildeten Mitarbeiter, die durch die Arbeit vor Ort mit Arbeitsabläufen<br />
und den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind, könnten von dort bereits ansässigen<br />
Unternehmen übernommen werden, so dass sich Wettbewerbsvorteile gegenüber an-<br />
deren Unternehmen ergeben.<br />
Weiterhin könnte das „kreative Ambiente“ auf Zollverein im Bereich Beschäftigung und<br />
Bildung inspirierend und motivierend wirken. Neuartige Modelle der Beschäftigung von<br />
gering qualifizierten Personen oder andere Formen der Bildungsangebote (z. B. Holz-<br />
Kreativwerkstatt für Kinder) bieten Möglichkeiten, eine Einbeziehung der Bewohner zu<br />
erreichen.<br />
Insgesamt lässt sich eine Unzufriedenheit seitens der Bewohner und Akteure im Stadt-<br />
bezirk VI darüber feststellen, dass im Ganzen noch zu wenige Beschäftigungseffekte<br />
von Zeche Zollverein auf die angrenzenden Stadtteile und damit die Bewohner ausge-<br />
hen. Trotz dieses Unmuts besteht im Stadtbezirk eine hohe Bereitschaft der dort an-<br />
sässigen Unternehmen, durch eigene Leistungen zur Standortaufwertung beizutragen.<br />
Es ist im weiteren Vorgehen darauf zu achten, dass diese engagierte Bereitschaft sei-<br />
tens der Bewohner des Stadtbezirks eine intensivere Berücksichtigung findet. Durch<br />
das gemeinsame Entwickeln einer Strategie für Zollverein zwischen den Bewohnern<br />
des Stadtbezirks VI und den Akteuren auf Zollverein, vor allem der <strong>Stiftung</strong> Zollverein,<br />
könnten Potenziale und Ideen für die Förderung von Beschäftigungseffekten auf den<br />
Stadtbezirk freigesetzt werden. Sicherlich wird der Wunsch nach einer Stärkung der<br />
örtlichen Wirtschaftsstruktur in Verbindung mit der Schaffung und Sicherung quartiers-<br />
naher Arbeitsplätze schwer zu erfüllen sein. Doch sollte man die Einbeziehung und<br />
Mobilisierung des privaten Engagements auch im Bereich Beschäftigung anstreben.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 94
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6.2 Kooperation<br />
Diagnose<br />
Ein hohes Maß an Wertschätzung gilt dem Aspekt der Kooperation und seinen damit<br />
verbundenen vielschichtigen Strukturen und einhergehenden umfangreichen Erfolgen<br />
im Stadtbezirk. Die derzeit bestehenden ebenenübergreifenden Kooperationsstruktu-<br />
ren sind der Erfolg langjähriger gemeinsamer Arbeit und eines auffallend hohen Enga-<br />
gements der Akteure vor Ort. Im Zentrum der Initiativen stehen gemeinsame und dau-<br />
erhafte Zielverfolgung, Offenheit und Vertrauen sowie gegenseitiges Respektieren.<br />
Genau diese sind die Basis für die funktionierende Kooperation im Stadtbezirk VI. Auf<br />
Grundlage dieser Strukturen konnte ein funktionierendes engmaschiges Netzwerk auf-<br />
gebaut werden, welches durch eine hierarchieübergreifende Akteursvielfalt zu charak-<br />
terisieren ist.<br />
Bei der Thematik Kooperation ist jedoch die Intensität der Zusammenarbeit quantitativ<br />
und qualitativ zu unterscheiden, so dass man von einer inneren und äußeren Koopera-<br />
tionsstruktur sprechen muss. Mit „innerer Kooperation“ sind die soeben beschriebenen<br />
funktionierenden Kooperationssysteme zwischen Akteuren innerhalb und außerhalb<br />
des Stadtbezirks gemeint. Hervorzuheben ist die hervorragende Zusammenarbeit der<br />
ansässigen Akteure im Stadtbezirk selbst. Dagegen bezeichnet die „äußere Kooperati-<br />
onsstruktur“ eher schwache Verbindungen und fehlende Strukturen. Neben den gerin-<br />
geren Verbindungen zur katholischen Kirche und zu einzelnen kommunal- und landes-<br />
politischen Partnern außerhalb des Stadtbezirks sind besonders die bislang unzurei-<br />
chenden oder abgebrochenen Strukturen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Stif-<br />
tung Zollverein hervorzuheben. Besonders negativ fällt dabei auf, dass sich das Zeche<br />
Zollverein-Areal im Mittelpunkt der drei Stadtteile befindet. Gerade diese räumliche<br />
Nähe müsste eine intensive Zusammenarbeit und damit eine Zugehörigkeit zur inneren<br />
Kooperationsstruktur nicht nur voraussetzen, sondern unabdinglich machen. Gemein-<br />
schaftliches Handeln basierend auf Offenheit und Vertrauen als Ausgangspunkt für<br />
stadtteilbezogene Erfolgsmodelle müssen hier stärker aufgebaut werden, so dass ge-<br />
meinschaftlich Kooperationsstrukturen entstehen, die für alle Beteiligten gleichermaßen<br />
gewinnbringend sind. Die gefestigten inneren Kooperationsstrukturen scheinen hin-<br />
sichtlich einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit als eine gute Vorraussetzung.<br />
Grundvorrausetzung für das Gelingen des Kooperationsaufbaus sind Akzeptanz ge-<br />
genüber den bereits aktiven Beteiligten und eine grundlegende Bereitschaft für ein Mit-<br />
einander. Selbstverständlich ist auch hier eine vertrauensvolle Basis als Grundlage<br />
einer erfolgreichen Zusammenarbeit unabdingbar.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 95
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Konsequenz und Empfehlungen<br />
Handlungsbedarf besteht ohne Zweifel im Ausbau und der Intensivierung der Koopera-<br />
tionsstrukturen. Vorraussetzung für ein gemeinsames Handeln ist die Schaffung eines<br />
Vertrauensverhältnisses. Möglicherweise ist das unzureichend wahrgenommene Mit-<br />
einander von verschiedenen Akteuren ungewollt oder auf Missverständnissen beru-<br />
hend. Hier wäre von jedem die Reflektion des eigenen Meinungsbildes anzuregen und<br />
gegebenenfalls verfestigte Verhaltensweisen aufzubrechen.<br />
Als ersten Schritt in der Erweiterung der inneren Kooperationsstrukturen sollte eine<br />
engere Zusammenarbeit mit der <strong>Stiftung</strong> Zollverein angestrebt werden. Der Stadtbezirk<br />
und die Zeche Zollverein dürfen sich nicht als getrennte und konkurrierende Standorte<br />
im Wege stehen. Vielmehr ist eine gemeinsame Zielverfolgung nötig, welche dem<br />
Stadtbezirk und der Zeche Zollverein nützlich sind. Vor allem in den Bereichen Touris-<br />
mus, Bildung, Beschäftigung, Image und Identität werden potenzielle Handlungsfelder<br />
gesehen.<br />
Der florierende Tourismus auf dem Zollvereingelände könnte noch stärker mit dem<br />
Stadtbezirk verzahnt werden. Dabei scheinen der weitere Ausbau der Gastronomie-<br />
und Übernachtungsstrukturen geeignete Ansatzpunkte. Die personelle Stärkung der<br />
touristischen Beschäftigungsstruktur auf der Zeche Zollverein ist durch den gezielten<br />
Einsatz von ehemaligen Zechenarbeitern denkbar, die am Besten die ehemalige Zeche<br />
als touristische Attraktion vorstellen können. Unter dem Motto die „Zeche zum Anfas-<br />
sen“ könnte ein derartiges Konzept verstanden werden. Identifikationssteigerung zwi-<br />
schen den Stadtteilbewohnern und der Zeche Zollverein wäre ein wünschwerter Ne-<br />
beneffekt dabei.<br />
Im Bereich der Bildung könnte insbesondere die Zusammenarbeit mit den im Stadtbe-<br />
zirk ansässigen Schulen und Kindergärten ein Ansatzpunkt darstellen. Kindern und<br />
Jugendlichen des Stadtbezirk könnte der Zugang zur Zeche Zollverein erleichtert wer-<br />
den, indem gezielte, themenbezogene und dauerhafte Angebotsstrukturen geschaffen<br />
werden (z. B. kostengünstige Eintrittspreise für die Stadtteilbewohner, problembezoge-<br />
ne Veranstaltungen für Kindergärten und Schulen des Stadtteils), welche in die Lernin-<br />
halte des Schul- und Kindergartenalltags integriert werden können.<br />
Auch die angesprochene ausbaufähige Zusammenarbeit zwischen der katholischen<br />
Kirche ist zu aktivieren. Das Engagement der katholischen Kirche darf sich nicht zu-<br />
nehmend aus dem Stadtbezirk entfernen, sondern muss gerade hier gezielt aktiv wer-<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 96
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
den. Neue Herangehensweisen bei der Widerannäherung an den Stadtbezirk sind zu<br />
überlegen. Dabei dienen die umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen der Akteure<br />
vor Ort als eine entscheidende Handlungsbasis für die erneute Etablierung der katholi-<br />
schen Kirche im Stadtbezirk.<br />
Bei der Zusammenarbeit mit der Stadt(verwaltung) Essen ist besonders die Kooperati-<br />
onspflege keinesfalls zu vernachlässigen, um die bereits gut funktionierende Koopera-<br />
tion nicht zu gefährden und weiter auszubauen sowie neue Projekte / Themen der Zu-<br />
sammenarbeit zu kreieren. Wichtig ist die Zusicherung von Verlässlichkeiten in unter-<br />
schiedlichen Bereichen der Stadtteilarbeit. Insbesondere sollte es darum gehen, das<br />
Interesse für den Stadtbezirk wahrnehmbar für die Akteure vor Ort anzuheben, was in<br />
einem gesteigerten Vertrauensverhältnis münden sollte. Dabei stehen die Zusicherung<br />
finanzieller Unterstützungen, Wertschätzung des Stadtteils und allgemeines Interesse<br />
an der weiteren Stadtteilentwicklung im Zentrum der Überlegungen.<br />
Allgemein scheint für die funktionierenden Kooperationsstrukturen sowohl ein zuneh-<br />
mender Aufbau von Netzwerken von Nöten, als auch die weitere Stärkung und Siche-<br />
rung des Bestehenden, welche zu einer zeitlichen Beständigkeit der gut funktionieren-<br />
den Kooperationsstrukturen führt. Zielführend wäre dabei ein Monitoring der Koopera-<br />
tionsstrukturen, um zum Beispiel neue Akteure zu lokalisieren.<br />
Durch Beendigung größere Förderinitiativen (wie u. a. Soziale-Stadt-Programm) be-<br />
steht die Gefahr, dass finanzielle Unterstützungen stark minimiert werden oder gar<br />
absolut auslaufen. Im ungünstigsten Fall kann es dadurch zum Zerstören gefestigter<br />
Netzwerke kommen und jahrelange Mühen sowie Erfolge geraten in Zweifel. Dies gilt<br />
es zu verhindern, denn die bestehenden Kooperationsstrukturen bilden eine Basis für<br />
die weitere Entwicklung des Stadtbezirks. Insofern sind neue Finanzierungsmodelle zu<br />
schaffen, welche neben öffentlichen Trägern insbesondere auch private Träger bein-<br />
halten sollten.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 97
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6.3 Bildung und Soziales<br />
Diagnose<br />
Der Bereich Bildung und Soziales stellte in den vergangenen Jahren ein entscheiden-<br />
des und aktiviertes Handlungsfeld im Stadtteil dar. Unterschiedliche Akteure sowie<br />
differenzierte Ansätze waren und sind maßgebend und gleichzeitig entwicklungsbe-<br />
stimmend. Verschiedenste kleinere und größere Erfolgsentwicklungen können dadurch<br />
vernommen werden. Diese reichen jedoch bislang nicht aus, um aus einem stark sozial<br />
benachteiligten Stadtteil einen Stadtteil mit ausreichend positiver raumwirksamer, sozi-<br />
aler Wirkung werden zu lassen. Die Bildungs- und Sozialsituation im Stadtteil stellt sich<br />
zwar differenziert dar, wobei aber von einer allgemein problematischen Gemengelage<br />
ausgegangen werden muss. Die Problembereiche sind vielschichtig und führen in ihrer<br />
Wirkungsgesamtheit zu einer mitunter generationsübergreifenden sozialen Benachtei-<br />
ligung eines erheblichen Bevölkerungsanteils. Neben extremen sozialen Problemlagen<br />
bestehen aber auch mitunter stabilere soziale Lagen, welche weniger durch eine viel-<br />
schichtige Problembelastung charakterisiert sind. Innerhalb der sozial benachteiligten<br />
Bewohner kann zwischen Bewohnern mit Migrationshintergrund und Bewohnern ohne<br />
Migrationshintergrund unterschieden werden. Soziale Benachteiligung ist somit nicht<br />
zwingend an die ethnische Herkunft gebunden. Die multi-ethnische Zusammensetzung<br />
der Bewohner ist im Stadtteil typisch und führt insbesondere im Bildungsbereich (früh-<br />
kindliche Bildung und schulische Bildung) auch zu starken Konfliktpunkten. Im Bil-<br />
dungs-Lebenslauf der Bewohner kommt es erfahrungsgemäß zu einer sukzessiven<br />
Konfliktintensivierung, welche ihren Höhepunkt in der (mangelhaften oder fehlenden)<br />
beruflichen Ausbildung und in (Nicht-) Erwerbstätigkeit erreicht.<br />
Bestehendes hohes Engagement im Bildungsbereich durch verschiedene Träger und<br />
Lehrkräfte schaffen zwar erste Ansätze positiver sozialer Bedingungen und Strukturen.<br />
Sie reichen aber bislang nicht aus, um eine langfristige soziale Stabilität im Stadtteil zu<br />
sichern. Insbesondere knappe finanzielle Ressourcen sowie ein Bildungssystem, was<br />
nicht auf eine derartige sozial-räumliche Situation ausgerichtet ist, erschweren den<br />
sozialen Erfolg und damit die Bildungs- und Sozialchancen der ansässigen Bewohner.<br />
Die geschaffenen Bildungs- und Sozialstrukturen können als „erste Hilfe“ für eine so-<br />
ziale Sicherung im Stadtteil verstanden werden, welche weiter ausbaufähig und zu<br />
intensivieren ist.<br />
Neben schulischer und beruflicher Armut ist eine Armut im Stadtteil hervorzuheben,<br />
welche sich zum einen durch eine Armut an finanziellem Kapital und zum anderen, und<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 98
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
dies ist das Problematische, auch durch eine Armut in sozialer Kompetenz, welche sich<br />
in (häuslicher) Gewalt und/oder Kriminalität äußern kann – mitunter als Ausdruck all-<br />
gemeiner Überforderung mit der eigenen bzw. familiären Lebenssituation zeigt.<br />
Konsequenz und Empfehlung<br />
Unabdinglich sind nachhaltig wirksame Maßnahmen im Bereich von Bildung und So-<br />
ziales. Dabei sind insbesondere dauerhafte Strukturen (u. a. Personal- und Projektbe-<br />
ständigkeit) zur Sicherung einer langfristigen Erfolgsentwicklung maßgebend, gekop-<br />
pelt an einen stabilen und dauerhaft angelegten finanziellen Rückhalt. Insbesondere<br />
die Stärkung des Bildungssektors, vor allem im Bereich frühkindlicher, schulischer und<br />
beruflicher Bildung von Kindern und Jugendlichen, um stabile Bildungs-Lebensläufe zu<br />
ermöglichen, sollte prioritäre Bedeutung haben. Die Kinder des Stadtteils müssen als<br />
Hoffnungsträger für zukünftige positive Stadtteilentwicklung gelten und demnach eine<br />
ganz besondere Aufmerksamkeit erhalten. Nicht zu vernachlässigen im Bildungszu-<br />
sammenhang ist der Bereich der Erwachsenenbildung, um bislang schwierige Bil-<br />
dungs-Lebensläufe zu durchbrechen und (neue) Zukunftsperspektiven zu schaffen.<br />
Bei allen sozialen Maßnahmen ist zu betonen, dass ausschließlich Beständigkeit ge-<br />
koppelt an (gewachsenem) Vertrauen zum Erfolg führt. Dabei wirken langfristig ange-<br />
legte Strukturen besser als kurzfristige Maßnahmen. Bei der Stärkung von Bildung ist<br />
projektbezogenes- und planbares Handeln genauso unabdinglich wie situationsabhän-<br />
giges und spontanes Agieren von Akteuren. Beide Handlungsstrategien müssen dabei<br />
gleichberechtigt im Stadtteil einsetzbar sein.<br />
Die soziale Stabilität im Stadtteil ist auch von dem Wanderungsverhalten der derzeit<br />
ansässigen und stadtteilfremden Bevölkerung abhängig. Wichtig scheint, dass sozial<br />
stabile Haushalte im Wohnquartier gehalten und gleichzeitig neue stabile soziale Be-<br />
völkerungsgruppen für den Stadtteil gewonnen werden. Eine Chance kann in diesem<br />
Zusammenhang in der Inszenierung von attraktiven, mitunter alternativen Wohnprojek-<br />
ten (u. a. Mehr-Generationen-Modelle, Familienbezogene-Modelle, Junges-Wohnen-<br />
Modelle) betrachtet werden, welche sich von konventionellen Wohnformen abgrenzen<br />
und durch ihren Ausnahmecharakter attraktiv sind. Das gezielte Aufgreifen spezieller<br />
studentischer, urbaner familienbezogener Wohnpräferenzen und/oder Wohnvorstellun-<br />
gen von älteren Menschen in einem städtischen Umfeld könnten dabei eine Gelegen-<br />
heit für den Stadtteil darstellen, um Ansätze eines ersten sozialen Wandels auszulö-<br />
sen.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 99
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Zudem tritt die Sicherung sozialer Institutionen als entwicklungsrelevant hervor. Die<br />
Gewinnung und das Halten attraktiver Träger von sozialen Einrichtungen im Stadtteil<br />
sind zukunftsbestimmend. Beispielsweise kann ein interessantes Kindertagesstätten-<br />
Konzept, was beispielsweise ethnische Vielfalt als Chance sieht, zukunftswirksam sein<br />
und auch Familien ohne Migrationshintergrund begeistern und zum Verbleiben bzw. zu<br />
einem Zuzug in den Stadtteil motivieren, was die Stärkung eines sozial gemischten<br />
Stadtteils induziert. Fortgeführt werden kann dies durch kompetente, alternative Schul-<br />
konzepte (welche u. a. keine Trennung der Kinder nach der 4. Schulklasse vorsehen),<br />
nicht mit Herangehensweisen konventioneller Schulen arbeiten. Ein längeres Neben-<br />
einader von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichem sozialem Hintergrund<br />
wäre so potenziell möglich. Im Idealfall führen derartige Maßnahmen zu einer Wert-<br />
steigerung des Stadtteils, was wiederum zu einer Verbesserung des Außen-Images<br />
führen kann.<br />
Einen Beitrag zur Identifikationsstärkung zwischen Zeche Zollverein und den Bewoh-<br />
nern, kann auch im Bereich Bildung und Soziales erkannt werden. Bislang fast fehlen-<br />
de Synergieeffekte zwischen Zeche Zollverein und den Bewohnern können gerade hier<br />
erzeugt und als eine entscheidende Chance gesehen werden. Zeche Zollverein könnte<br />
sich durch seine Kompetenzen im Bildungs- und Wohnsektor etablieren und erste<br />
Strukturen neuer Bildungs- und Wohnprojekte mit Pioniercharakter schaffen. Dabei<br />
sind auch langfristige Beschäftigungsverhältnisse als positiver Nebeneffekt für den<br />
Stadtteil denkbar.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 100
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6.4 Kinder und Jugendliche<br />
Diagnose<br />
Der Bereich Kinder und Jugendliche stellt ein Schlüsselthema für die zukünftige Ent-<br />
wicklung des Stadtbezirks VI dar. Der große Anteil an Kindern und Jugendlichen im<br />
Stadtbezirk VI nimmt im gesamtstädtischen Vergleich eine Sonderrolle ein, die als gro-<br />
ße Chance gesehen werden muss. Während andere Stadtteile mit enormen Problemen<br />
aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung zu kämpfen haben, steht der<br />
Stadtbezirk VI in Essen eher vor der Herausforderung, das vorhandene Potenzial an<br />
jungen Menschen zukunftsweisend zu nutzen. Eine reine Anwesenheit von vielen jun-<br />
gen Menschen reicht jedoch als Standortvorteil nicht aus. Es muss deutlich herausge-<br />
stellt werden, dass vielmehr das daraus resultierende Potenzial zu nutzen ist.<br />
Gegenwärtig gibt es im Stadtbezirk VI einige Familien, in denen aufgrund von wirt-<br />
schaftlichen und / oder sozialen Problemen eine ausgeprägte positive Entwicklung der<br />
Kinder nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist. Besonders problematisch daran ist<br />
eine bestehende und sich zunehmend verstärkt entwickelnde Perspektivlosigkeit bei<br />
den Kindern und Jugendlichen, die wiederum Auswirkungen auf ihren späteren Le-<br />
bensalltag als Erwachsene hat. Eine hohe Zahl an jugendlichen Arbeitslosen belegt<br />
dies bereits heute deutlich.<br />
Das Thema Jugendkriminalität hat aufgrund zahlreicher gemeinschaftlicher Initiativen<br />
deutlich an Brisanz verloren, was als eine sehr positive Entwicklung zu werten ist. Lei-<br />
der ist diese Entwicklung vor allem Außenstehenden nicht gegenwärtig, so dass das<br />
Außenimage des Stadtbezirks weiterhin unter der verfestigten negativen Meinung über<br />
Kriminalität von Kindern und Jugendlichen leidet. Der Bereich Jugendkriminalität ist nur<br />
ein Themenfeld von vielen, in denen bereits ein starkes Engagement der lokalen Ak-<br />
teure zu verzeichnen ist. Einrichtungen wie Jugendhäuser, Kindertagesstätten, Ar-<br />
beitsgemeinschaften, Musikgruppen etc. bieten den Kindern und Jugendlichen zum<br />
einen eine Vielzahl an Angeboten und zum anderen mitunter einen Halt in ihrem alltäg-<br />
lichen Leben. Derartige Angebote schaffen oftmals eine beständige Struktur in dem oft<br />
wenig strukturierten Tages- bzw. Wochenablauf. Einige Maßnahmen für Kinder und<br />
Jugendliche – vor allem im kulturellen Freizeitbereich – sind durch Fördermittel finan-<br />
ziert worden. Kritisch zu betrachten ist, dass viele Maßnahmen dabei einen Projektcha-<br />
rakter hatten. Diese auf einen gewissen Zeitraum festgelegte Projektarbeit ist aller-<br />
dings wenig förderlich, da durch das Auslaufen von Projekten keine kontinuierliche<br />
Begleitung und damit positive Einflussnahme (u. a. kognitive Förderung) auf die Ent-<br />
wicklung von Kindern und Jugendlichen möglich ist.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 101
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Der Wohlfühl- und Freizeitaspekt hat für die Kinder und Jugendlichen eine besondere<br />
Bedeutung. Anhand der Äußerungen der befragten Kinder und Jugendlichen konnte<br />
herausgestellt werden, dass hier ein deutlicher Verbesserungsbedarf besteht. Durch<br />
das Interesse am Verbessern und Mitgestalten „ihres“ Stadtbezirks zeigen sich Ansät-<br />
ze einer Identifizierung mit der Wohnumgebung der Kinder und Jugendlichen. Eine<br />
ausgeprägte Identifikation mit dem Stadtbezirk schon in jungen Jahren würde evtl. ei-<br />
nen Wegzug in späteren Jahren vermeiden und eine positive Einstellung bzgl. des En-<br />
gagements für den Stadtbezirk stärken.<br />
Konsequenz und Empfehlung<br />
Vor dem Hintergrund, dass die momentan dort ansässigen Kinder und Jugendliche, die<br />
Zukunft des Stadtbezirks darstellen und somit ein großes Potenzial offenbaren, muss<br />
in diesem Bereich ein intensives Maßnahmenpaket entwickelt werden, welches viel-<br />
schichtig ist und unterschiedliche Schwerpunkte in den Bereichen Bildung, Gesundheit,<br />
Soziales, Freizeit, etc. beinhalten sollte. Grundanliegen muss es sein, dass vor allem<br />
im Bereich Bildung und Soziales für Kinder und Jugendliche vermehrt ein Angebot ge-<br />
schaffen wird. Da dieser Bereich einen sehr hohen Stellenwert hat, wurde er bereits in<br />
einem gesonderten Abschnitt thematisiert (siehe Kapitel 5.3 und 6.3). Dieser Abschnitt<br />
wird aus Sichtweise von Kindern und Jugendlichen besonders der Freizeitstruktur ge-<br />
widmet, wobei dieser Aspekt natürlich immer auch Einfluss auf den Bereich Bildung<br />
und Soziales hat. Die vorgeschlagenen Freizeitstrukturen sollen neben den Bewe-<br />
gungs- und Vergnügensaspekten auch Bildung und Soziales stärken und integrieren.<br />
Absolut entscheidend dabei ist das Anlegen langfristiger Strukturen, da kurzfristig an-<br />
gelegte Maßnahmen, die lediglich einen Projektcharakter aufweisen, mitunter frustrie-<br />
rend wirken. Da sich z. B. kleinere Kinder im Laufe der Zeit emotional stark auf ihr Ge-<br />
genüber einlassen, wirkt das plötzliche Wegbrechen solcher Strukturen sehr enttäu-<br />
schend und erzeugt (erneut) eine Haltlosigkeit. Damit Maßnahmen diese wichtige Be-<br />
ständigkeit aufweisen können, ist es notwendig, die bereits vorhandenen Kooperati-<br />
onsstrukturen zu nutzen und alle beteiligten Akteure einzubinden. Besonders das Ein-<br />
binden der Akteure vor Ort ermöglicht eine langfristige Handlungsbasis und verhindert<br />
das Wegbrechen geschaffener Strukturen. Empfohlen werden ebenfalls eine Berück-<br />
sichtigung der unterschiedlichen Altersgruppen und das Anpassen von Maßnahmen<br />
nach altersgerechten Kriterien. Auch in diesem Falle ist natürlich eine finanzielle Festi-<br />
gung unabdinglich.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 102
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Ziel der Maßnahmen im Bereich Kinder und Jugendliche muss es sein, den Kindern<br />
und Jugendlichen aus benachteiligten Haushalten die Chance zu ermöglichen, aus<br />
ihren tradierten Lebensläufen auszubrechen. Dazu sind einerseits Förderungen in der<br />
Bildung, aber auch in Gesundheit und Sozialverhalten nötig, um ein mögliches Fehl-<br />
verhalten im Elternhaus zu kompensieren. Besonders durch eine intensive Betreuung<br />
von Einzelpersonen z. B. in sozialen Einrichtungen erleben die Kinder und Jugendliche<br />
Wärme, die sich positiv auf ihr Sozialverhalten auswirken kann. Kinder und Jugendli-<br />
che erfahren so Vertrauen, lernen mit Verantwortung umzugehen und erfahren ihnen<br />
vielleicht bislang unbekannte positive Alltagseindrücke. Eine Einbeziehung der Eltern<br />
ist in solchen Maßnahmenzusammenhängen ebenfalls empfehlenswert, um die Eltern-<br />
Kind-Beziehung und damit familiäre Strukturen zu festigen. Maßnahmen könnten z. B.<br />
eine Kreativschule nicht nur für Kinder, sondern gemeinsam mit Eltern, ein Eltern-<br />
Kinder-Nachmittag oder Babyschwimmen sein. In all diesen Prozessen sollte möglichst<br />
qualifiziertes Personal mitwirken, um problemspezifische Entwicklungsarbeit z. B. im<br />
gesundheitlichen Bereiche (u. a. durch medizinisches Fachpersonal), im Bildungsbe-<br />
reich (durch pädagogisches Fachpersonal) zu leisten.<br />
Darauf zu achten ist auch, dass bei den Maßnahmen nicht nur sozial benachteiligte<br />
Haushalte angesprochen werden, sondern eine soziale Durchmischung befürwortet<br />
wird.<br />
Neben der Stärkung oder evtl. Neuschaffung von sozialen Einrichtungen ist der Aufbau<br />
weiterer Freizeitmöglichkeiten von Nöten. Da die Kinder aus benachteiligten Haushal-<br />
ten aufgrund fehlender finanzieller Mittel kaum die Möglichkeiten haben, an Vereinsak-<br />
tivitäten teilzunehmen, müssten weitere Spielgeräte angeschafft und Freizeiträume<br />
geschaffen werden, die frei verfügbar sind. Durch das Einrichten von Spielplätzen wird<br />
neben der positiven physischen und psychischen Entwicklung auch die Identität mit der<br />
Umgebung gestärkt. Kinder und Jugendliche nehmen den öffentlichen Raum sehr be-<br />
wusst wahr, was oftmals unterschätzt wird. Eine Einbeziehung der Jüngeren in die<br />
Maßnahmenkonzeption zur Gestaltung des Freiraums z. B. durch eine Ideenwerkstatt<br />
speziell mit Kindern und Jugendlichen wäre sehr wertvoll. Neben der Konzeption von<br />
Maßnahmen, die eine Zustimmung und damit auch Nutzung von Kindern und Jugendli-<br />
chen erfahren, würde möglicherweise Vandalismus vorgebeugt werden können.<br />
Zu empfehlen wäre auch die Durchführung weiterer Ideenwerkstätten zu anderen<br />
Themen wie z. B. Städtebau und Wohnraumsituation.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 103
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kinder und Jugendliche ein Potenzial für die<br />
Stadtentwicklung darstellen, das es durch die Durchführung intensiver, langfristiger<br />
Maßnahmen zu entfalten gilt. Um eine andauernde und ausgeprägte Identifikation der<br />
Kinder und Jugendliche schon heute mit dem Stadtbezirk zu erreichen, sind sie in die<br />
Ideenentwicklung und Planung mit einzubeziehen. Auch die Beteiligung der Akteure<br />
und Bewohner sind von Nöten. Anhand z. B. einer „Zukunftswerkstatt 2015“ könnte<br />
man gemeinsam mit tragenden Entwicklungsakteuren und der Jugend vor Ort Ideen<br />
austauschen und entwickeln, die zunächst einmal losgelöst von Trägerinteressen und<br />
Verwaltungsvorschriften sind.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 104
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6.5 Image<br />
Diagnose<br />
Das Selbst- und Fremdbild im Stadtbezirk VI ist aufgrund deutlicher Unterschiede von-<br />
einander abzugrenzen. Während das persönliche Empfinden und die Wahrnehmung<br />
(Selbstbild) der im Stadtbezirk VI lebenden Bewohner im Hinblick auf die eigene Um-<br />
gebung und die bereits erkennbaren Veränderungen positiv sind, fällt die Beurteilung<br />
seitens Außenstehender negativer aus. Dieses eher negative Außenimage basiert<br />
zwar auf vorhandenen Problemlagen, doch werden das Stimmungsbild prägende In-<br />
formationen nur reduziert oder selektiert, teilweise sogar manipuliert (z. B. durch Nega-<br />
tiv-Berichterstattungen in der Presse) wahrgenommen. Neben den bestehenden sozia-<br />
len Problemen wird zusätzlich das gebündelte Negativbild des Ruhrgebietes auf den<br />
Stadtbezirk VI projiziert. Ein einmal bestehendes Image eines Stadtteils bzw. Stadtbe-<br />
zirks ist meist verfestigt und wird nicht selten generationsübergreifend weitervermittelt<br />
(ILS 2005, 6). Aufgrund des negativen Außenbildes von dem Stadtbezirk besteht die Ge-<br />
fahr einer Stigmatisierung. Demnach wird in der deutlichen Verbesserung des Außen-<br />
images ein wichtiger Handlungsansatz gesehen. Erst ein Wandel des Außenimages<br />
wird dazu beitragen, dass sich insbesondere externe wirtschaftliche und kulturelle Ak-<br />
teure raumwirksam im Stadtteil etablieren werden.<br />
Während der Stadtbezirk tendenziell eher mit negativen Aspekten des Zechenstand-<br />
orts in Verbindung gebracht wird, hat es Zollverein dagegen geschafft, die positiven<br />
Aspekte auf sich zu beziehen. Das Welterbe Zollverein hat mittlerweile eine Signal-<br />
und Symbolwirkung in der Außendarstellung inne und lockt jährlich tausende Besucher<br />
an. Um dieses positive Image von Zollverein für die Stadtteile zu nutzen, müssen die<br />
eher positiven Wertvorstellungen der Montanindustrie wie Wirtschaftskraft und Leis-<br />
tungsfähigkeit ihrerseits auf die Stadtteile übertragen werden. Ebenfalls müssten die<br />
Potenziale, die sich durch das Image als Design-Standort und durch die Kulturhaupt-<br />
stadt Ruhr 2010 ergeben, auch in den Stadtteilen Schonnebeck, Stoppenberg und Ka-<br />
ternberg wiederzufinden sein, damit Zollverein sich nicht vom Stadtbezirk löst, sondern<br />
mit ihm verwurzelt ist.<br />
Konsequenz und Empfehlung<br />
Bei einer gesteuerten Imageaufwertung spielt es eine enorme Rolle, dass die Außen-<br />
darstellung eines Stadtbezirks authentisch ist. Es sollte vermieden werden, eine<br />
Imageaufwertung lediglich durch Werbeaktivitäten erreichen zu wollen, ohne eine tat-<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 105
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
sächliche Verbesserung der Lebensbedingungen für die Bewohner durchzuführen.<br />
Eine Verbesserung der Lebensbedingungen geht einher mit einer Wohnzufriedenheit<br />
im Stadtteil, die eine Identifizierung mit dem Stadtteil stärkt und die Fluktuation von<br />
Bewohnern gering hält. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Steigerung der<br />
Wohnzufriedenheit können z. B. Maßnahmen im baulichen Bereich und im Wohnum-<br />
feld beitragen, die eine allgemeine Attraktivitätssteigerung des Gebiets bewirken und<br />
dieses nachfrageorientierter gestaltet. Weiterhin würden Qualifizierungsmaßnahmen<br />
(vgl. Kapitel 6.1) und Maßnahmen im Bereich Bildung und Soziales (vgl. Kapitel 6.3)<br />
dazu beitragen, die bestehenden Problemlagen in den Stadtteilen zu entschärfen.<br />
Im Stadtbezirk VI gibt es bereits einige Maßnahmen in diesen Bereichen, die durch<br />
Fördermittel und ein hohes Engagement verschiedenster Akteure und einer guten Zu-<br />
sammenarbeit zwischen ihnen (vgl. Kapitel 6.2) umgesetzt wurden bzw. werden. Be-<br />
sonders imagewirksam sind künstlerische und kulturelle Projekte (z. B. MUS-E Projek-<br />
te oder Gestaltung von Straßenraum), dessen Besonderheit darüber hinaus auch in<br />
der Aktivierung des nachbarschaftlichen Engagements liegt. Besonders für Kinder und<br />
Jugendliche ergibt sich in diesem Bereich die Möglichkeit, ihre Umgebung aktiv mit zu<br />
gestalten und damit ihre Identifikation mit dem Stadtteil zu stärken.<br />
Diese bereits begonnenen Entwicklungen sollten verstärkt unter Einbeziehung von<br />
Kommunikationsinstrumenten nach innen und außen getragen werden, um eine positi-<br />
ve Veränderung in der Außenwahrnehmung zu erreichen. Zusätzliche Stadtteilfeste<br />
könnten Bürger und Besucher über Entwicklungen informieren und lassen Besucher<br />
den Stadtteil und die dort lebenden Bewohner neu erleben. Weiterhin könnten Bro-<br />
schüren, Internetseiten und Stadtteilzeitungen über aktuelle Entwicklungen und Neuig-<br />
keiten berichten. Ferner könnte eine gezielte Ansprache der örtlichen Presse dazu füh-<br />
ren, dass die Stadtteile nach außen in einem besseren Licht präsentiert werden. Es<br />
müsste geprüft werden, ob bereits gute Kontakte zu den lokalen Medien bestehen.<br />
Sollte dies nicht der Fall sein, müssten diese aufgebaut werden, um eine faire Bericht-<br />
erstattung einzufordern und so das Außenimage zu verbessern.<br />
Weiterhin müsste das von Zollverein ausgehende Potenzial stärker für die Stadtteile<br />
genutzt werden. Es besteht die Hoffnung, dass Touristen, die Industriekultur im Esse-<br />
ner Norden erleben wollen, selbst erfahren, dass es mehr Grün gibt als vermutet und<br />
sich damit alte Bilder vom „schmutzigen Ruhrgebiet“ wandeln. Dabei sind Werbeeffekte<br />
von den Angeboten, die durchaus auch die Bewohner der umgebenden Stadtteile an-<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 106
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
sprechen wie z. B. das Werksschwimmbad, die Eisbahn oder Zechenfest, etc. nicht zu<br />
unterschätzen. Durch diese Angebote lassen sich auch auswärtige Besucher anlocken,<br />
die so die Bewohner erleben und im Idealfall auch gleichzeitig noch die Fremdenver-<br />
kehrsangebote oder die privaten Übernachtungsangebote nutzen. Zwar sind die Aus-<br />
wirkungen durch den Fremdenverkehr nicht immer direkt messbar, doch wird das eige-<br />
ne Erleben immer stärker wirken, als Meinungen, die durch Presse oder andere Perso-<br />
nen vermittelt wurden.<br />
Eine deutliche Imageaufwertung könnte sich auch durch die Folkwang-Studierenden<br />
ergeben. Studierende könnten das Flair des Stadtbezirkes entscheidend mitbestimmen<br />
und gleichzeitig die Attraktivität steigern, indem gerade sie den Stadtbezirk als etwas<br />
Besonderes wahrnehmen. Hier gilt es, attraktive und mitunter auch besondere Wohn-<br />
angebote für Studierende aufzubereiten, um durch eine gute Angebotsübersicht das<br />
Mieten einer Immobilie im Stadtbezirk zu erleichtern.<br />
‚In der Regel ist die Änderung des Images eines Stadtbezirks oder Stadtteils ein lang-<br />
wieriger Prozess. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit in Kombination mit den realen<br />
Veränderungen vor Ort ist die Bedingung für eine nachhaltige Imageverbesserung.<br />
Dazu ist das Nutzen der vorhandenen Kooperationsstrukturen und die enge Einbin-<br />
dung von wichtigen Akteuren wie z. B. Wohnungsunternehmen Voraussetzung für ei-<br />
nen langfristigen Aufwertungsprozess des Stadtbezirks und eine dauerhafte Imagever-<br />
besserung.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 107
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
6.6 Zeche Zollverein als Freizeit- und Kulturort<br />
Diagnose<br />
Das Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein bot über Jahrzehnte hinweg Arbeits-<br />
plätze für viele Beschäftigte. Heute stellt Zollverein einen geschichtsträchtigen Ort für<br />
Tourismus und Kreativwirtschaft dar und dient der Entwicklung des Stadtbezirks VI<br />
sowie des gesamten Ruhrgebietes als Impulsgeber. Mit Zollverein kann der Stadtbezirk<br />
seine Entwicklung vorantreiben, wenn in der bislang unterentwickelten Kooperations-<br />
und Kommunikationsstruktur zwischen den Akteuren des Stadtbezirks und den Akteu-<br />
ren von Zollverein in der Zukunft deutliche Veränderungen stattfinden.<br />
Von Bewohnern wird vor allem das Außengelände Zollvereins zu Freizeitzwecken ge-<br />
nutzt. Neben verschiedenen Freizeitangeboten (Werkschwimmbad, Eisbahn, etc.) ist<br />
vor allem das Zechenfest vorbildlich, das sowohl Menschen verschiedenen Alters als<br />
auch verschiedener kultureller Hintergründe integriert. Eine zunehmende Kulturnutzung<br />
seitens der Bewohner wird zwar schwach wahrgenommen, doch sind Art und Preise<br />
der Angebote nicht auf den Stadtbezirk zugeschnitten.<br />
Die zahlreichen Angebote im Event- und Veranstaltungsbereich auf Zollverein werden<br />
von Touristen gut angenommen, wie steigende Besucherzahlen belegen. Prinzipiell hat<br />
bislang vor allem eine Ausrichtung des Angebotes auf Touristen stattgefunden, was<br />
allgemein nicht zu kritisieren ist. Grundsätzlich sollten aber fehlende finanzielle Mittel<br />
der Bewohner kein Ausschlusskriterium für die Nutzung von Zollverein sein.<br />
Die geschaffenen Angebote auf Zollverein wurden insbesondere durch die <strong>Stiftung</strong><br />
Zollverein gelenkt. Bei der Auswahl und Planung sind Bewohner des Stadtbezirks<br />
kaum integriert. Es ist anzunehmen, dass dies einerseits aufgrund von mangelndem<br />
Interesse und andererseits aufgrund nicht vorhandener Kooperations- und Kommuni-<br />
kationsstrukturen geschehen ist.<br />
Allgemein wird Zollverein dennoch von den Bewohnern des Stadtbezirks positiv wahr-<br />
genommen und als Entwicklungschance gesehen. Besonders Kinder und Jugendliche<br />
haben Zollverein für sich entdeckt und nutzen das Gelände als Abenteuerspielplatz<br />
und Erholungsraum. Neben der Stärkung dieser Funktion für die Kinder und Jugendli-<br />
chen in den Stadtteilen muss Zollverein stärker als Ort des Lernens genutzt werden.<br />
Eine Beschäftigung schon in jungen Jahren mit der stadtteilprägenden Geschichte und<br />
Identität trägt neben der Stärkung der Identität und der Bereitschaft für ein späteres<br />
Engagement dazu bei, dass Kinder und Jugendliche den Vorurteilen und dem negati-<br />
ven Image – welches vor allem von außen dem Stadtbezirk aufgesetzt wird (siehe Ka-<br />
pitel 6.5) – ein Gegengewicht entgegenzusetzen haben.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 108
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Eine stärkere Ausrichtung auf die Belange der „Nachbarn“ von Zollverein würde eine<br />
Integration fördern und letztendlich zu einer Aufwertung der Stadteile im wirtschaftli-<br />
chen, sozialen und kulturellen Bereich führen. Dabei sind Offenheit und Transparenz<br />
wichtige Motoren, um die Gesamtstimmung zwischen den verschiedenen Akteuren zu<br />
verbessern.<br />
Konsequenz und Empfehlung<br />
Für die zukünftige Entwicklung ist es daher absolut wichtig, Angebote zu schaffen, die<br />
auf die Bedürfnisse der Bewohner in den angrenzenden Stadtteilen zunehmend ausge-<br />
richtet sind. In unterschiedlichen Handlungsfeldern werden dabei Potenziale gesehen:<br />
1. Beschäftigungsangebote für Gering-Qualifizierte oder Unqualifizierte<br />
Wie bereits in Kapitel 6.1 beschrieben, besteht ein dringender Handlungsbedarf bei der<br />
Schaffung eines Beschäftigungsangebots für gering Qualifizierte oder Unqualifizierte<br />
des Stadtbezirks VI. Neben einer Qualifizierung über die Vermittlung von Fachkennt-<br />
nissen, Bewerbungshilfen und das Training sozialer Verhaltensweisen müssen konkre-<br />
te Arbeitsplätze geschaffen werden, die für gering Qualifizierte und Unqualifizierte ge-<br />
eignet sind. Ein hervorragendes Beispiel ist das Rikscha-Projekt, das durch Dr. Oliver<br />
Fehren vom ISSAB initiiert wurde (siehe Kapitel 5.1). Weitere Beschäftigungsmöglich-<br />
keiten auf Zollverein wären z. B. Parkplatzwächter, Wachdienste, Veranstaltungsauf-<br />
bau, etc.<br />
2. Unterschiedliche Bildungs- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche<br />
Um den Kindern und Jugendlichen neben der Freizeitnutzung auf dem Außengelände<br />
auch einen weiteren Zugang zu Zollverein zu ermöglichen, müssen weitere Bildungs-<br />
und Freizeitangebote geschaffen werden. Bildungsangebote könnten sich einerseits<br />
auf die Ausbildung von Jugendlichen beziehen. Für Zollverein spezifische Angebote<br />
wie eine Ausbildung im Eventmanagement, Gastronomiebereich, Veranstaltungsma-<br />
nagement, Bühnenaufbau, Sicherheitspersonal etc. könnten einen späteren Berufsein-<br />
stieg erleichtern und den anbietenden Unternehmen Standortvorteile verschaffen (sie-<br />
he Kapitel 6.1). Anderseits müssten auch Angebote für die frühkindliche Bildung z. B.<br />
im musischen, künstlerischen Bereich oder handwerkliches Gestalten geschaffen wer-<br />
den. Angebote wie beispielsweise eine Holzwerkstatt könnten Kinder und Jugendliche<br />
in ihrer Freizeitgestaltung aufwerten und möglicherweise auch berufliche Perspektiven<br />
aufzeigen. Weiterhin sollte eine Integration zwischen Zollverein und den Bewohnern<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 109
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
(insbesondere Familien) des Stadtbezirks intensiviert werden. Eine Möglichkeit wäre z<br />
B. die Etablierung eines Spielmobils, eine Art „reisender Spielplatz“. Unter einem<br />
Spielmobil versteht man ein Fahrzeug, das mit verschiedenen Spiel- und Sportgeräten<br />
ausgestattet ist. Zu regelmäßigen Terminen steuert das Spielmobil fest vereinbarte<br />
Plätze (z. B. Grünflächen, Spielplätze, Schulen, etc.) an, um dort Familien diese Geräte<br />
zur Verfügung zu stellen. Durch dieses Angebot werden Spielaktionen und kreative<br />
Projekte möglich. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass sowohl Zollverein als auch<br />
die einzelnen Stadtteile in einem ähnlichen Verhältnis angesteuert werden.<br />
Es müsste bei den Angeboten darauf geachtet werden, dass eine Teilnahme auch von<br />
Kindern aus finanziell schwachen Familien möglich ist. Auch ist eine stärkere Koopera-<br />
tion zwischen der <strong>Stiftung</strong> Zollverein und den sich im Stadtbezirk befindenden Schulen<br />
anzustreben, um neben Finanzierungsproblemen auch Lehrinhalte und Zeitpläne für<br />
Besuche und Führungen abzustimmen.<br />
Bei Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche müssen natürlich die Ideen und Vor-<br />
schläge der Akteure des Stadtbezirks und der Kinder und Jugendlichen selber Berück-<br />
sichtigung finden. Wie bereits in Kapitel 6.3 dargestellt, können Kinder und Jugendliche<br />
sehr gut ihr Umfeld wahrnehmen und kreative Ideen zum Ausdruck bringen.<br />
Evtl. könnten weitere Freizeitangebote auf Zollverein den bislang unerwünschten Frei-<br />
zeitbeschäftigungen der Jugendlichen wie z. B. Vandalismus entgegen wirken. Hier<br />
wäre über ausgefallene Angebote, wie ein Kletterpark oder eine Mountainbikestrecke,<br />
zu überdenken. Diese könnten evtl. auch mit Übungen zur Verbesserung des Sozial-<br />
verhaltens verknüpft werden. Ein extra dafür eingestellter Sozialarbeiter mit ausge-<br />
sprochener Lokalkenntnis auf Zollverein könnte denkbar sein.<br />
3. Differenziertes gastronomisches Angebot<br />
Um einerseits die Bewohner des Stadtbezirks VI stärker in die Strukturen von Zollver-<br />
ein zu integrierten, andererseits eine Imageaufwertung seitens der übrigen Stadtbe-<br />
wohner anzustreben und für die Touristen eine Attraktion zu schaffen, muss eine diffe-<br />
renziertere gastronomische Angebotsstruktur geschaffen werden. Hier wäre über ein<br />
Nebeneinander von Biergarten-Kultur, Scene-Cafés und gehobenem Restaurant vor-<br />
stellbar.<br />
Weiterhin wäre die Stärkung der Übernachtungsstruktur durch attraktive Angebote ne-<br />
ben der Privat-Vermietung zusätzlich sinnvoll. Eine Idee wäre z. B. ein „kreatives“ Ho-<br />
tel, das in der mittleren Preisklasse angesiedelt ist.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 110
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
4. Strukturen zur Identitätssteigerung<br />
Ein wesentliches Ziel sollte es sein, die Akteure aus dem Stadtbezirk mit in die Planun-<br />
gen und Ideenentwicklungen von Zollverein einzubinden. Hierzu müssten zunächst<br />
Kooperationsstrukturen aufgebaut werden (siehe Kapitel 6.2). Um eine langfristige Un-<br />
terstützung bei der Umsetzung von Projekten, die den Stadtbezirk betreffen, zu ge-<br />
währleisten, ist hierzu ein transparentes Vorgehen und ein offenes Handeln von Nöten.<br />
Gerade auch Kinder und Jugendliche neigen zu einem intensiven Gestaltungsdrang.<br />
Dieser sollte positiv genutzt werden. Bisher fand eine Einbeziehung von Kindern und<br />
Jugendlichen in die Entwicklung und vor allem Gestaltung der Zeche Zollverein zu we-<br />
nig Berücksichtigung. Das sollte sich in Zukunft ändern. So sollte erfragt werden, wel-<br />
che Angebote von Seiten der Kinder und Jugendlichen erwünscht sind.<br />
Insgesamt lässt sich erkennen, dass alle Empfehlungen in diesem Bereich nur durch<br />
die bewusste und gewollte Steuerung seitens der Akteure von Zollverein möglich sind.<br />
Ohne eine gewünschte Verbesserung der Kooperationsstrukturen und ein ehrliches<br />
„auf den anderen Zugehen“ werden eine Umsetzung zur Verbesserung der Nutzungs-<br />
möglichkeiten und eine Erweiterung der Funktionen von Zollverein für die Bewohner<br />
nicht möglich sein.<br />
Diagnose, Konsequenzen und Empfehlungen 111
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
7 Schlussbemerkung<br />
Final lässt sich anhand der Auseinandersetzungen mit Zeche Zollverein und dem<br />
Stadtbezirk VI aus wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Blickrichtungen herausstel-<br />
len, dass auffallend vielschichtige Handlungsbereiche weiterhin bestehen. Auch wenn<br />
verschiedene Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen bereits zu einer positiven<br />
Entwicklung beitragen konnten, ist auf die Dringlichkeit des weiteren Handlungsbedarfs<br />
im Stadtbezirk nachdrücklich hinzuweisen. In Bereichen, die durch positive Entwick-<br />
lungsansätze bereits gekennzeichnet sind, muss eine Intensivierung der Erfolge maß-<br />
gebend sein. Darüber hinaus sollte auch eine Neustrukturierung stattfinden, um zu<br />
einer neuen und noch erfolgreicheren Entwicklungsstrategie zu gelangen. Dabei ist nur<br />
eine komplexe sowie problemspezifische und differenzierte Herangehensweise zielfüh-<br />
rend, um die noch immer umfassenden Herausforderungen zu meistern. Dazu sind<br />
weiterführende Studien, welche die einzelnen Schwerpunktthemen intensivierend be-<br />
trachten, unabdinglich. An dieser Stelle könnten die privaten wirtschaftsstarken Akteure<br />
als Initiator hervortreten.<br />
Ein bedeutender Ansatzpunkt für eine zukunftsfähige Entwicklung des Stadtbezirks ist<br />
die Schaffung neuer Nutzungsformen für das Zeche Zollverein Gelände. Dabei sind<br />
einerseits der weitere Erhalt der historischen Bausubstanz im Sinne von Industrie-<br />
denkmälern und andererseits eine Neubewertung als Wirtschafts-, Wohn-, Bildungs-<br />
und Freizeitstandort anzustreben. Selbstverständlich muss der Standort Zeche Zollver-<br />
ein als Touristenattraktionen weiter gestärkt werden. Gleichzeitig ist bei all diesen Am-<br />
bitionen die Integration der drei Stadtteile als prozessbegleitend und als gleichwertige<br />
Herausforderung zu behandeln. Synergien zwischen den Stadtteilen und der Zeche<br />
Zollverein sind nicht nur als anstrebenswert zu betrachten, sondern müssen eine maß-<br />
gebende Priorität im Handeln erfahren.<br />
Um eine dauerhafte positive Entwicklung des Stadtbezirks inklusive der Zeche Zollver-<br />
ein im Sinne dieses Integrationsgedankens zu gewährleisten, müssen langfristige und<br />
integrierte Strukturen aufgebaut und stabilisiert werden. Grundvoraussetzung für eine<br />
zukunftsfähige Entwicklung ist aber auch ein prinzipielles Umdenken der verschiede-<br />
nen am Prozess beteiligten Akteure, wobei ein Abbauen von entwicklungshemmenden<br />
Emotionen maßgebend für eine aufbauende Entwicklung scheint.<br />
Schlussbemerkung 112
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Laufende positive Entwicklungen der unterschiedlichen entwicklungsbedürftigen Berei-<br />
che können im Sinne eines Kreislaufprinzips weitere Positivwirkungen ankurbeln und in<br />
einem sich selbst verstärkenden Prozess münden (vgl. Abb. 41).<br />
Kinder und<br />
Jugendliche<br />
Soziales<br />
und<br />
Bildung<br />
Nutzung<br />
und<br />
Funktion<br />
Zeche<br />
Zollverein<br />
Positive<br />
Entwicklung des<br />
Stadtbezirks VI<br />
einschließlich<br />
Zeche Zollverein<br />
Beschäftigung<br />
Kooperation<br />
Eigen- und<br />
Fremdbild<br />
Abb. 41: Positive Entwicklung des Stadtbezirks VI einschließlich Zeche Zollverein<br />
(EIGENE DARSTELLUNG)<br />
Abschließend ist festzuhalten, dass der Stadtbezirk nicht einer Chancenlosigkeit aus-<br />
geliefert ist, sondern über verschiedene Positiv-Kräfte verfügt. Steuerungsinstrumenta-<br />
rien und finanzielle Unterstützungen sind jedoch zwingend, damit der Stadtbezirk nicht<br />
nur eine Anschubentwicklung gewährleistet bekommt, sondern eine beständige „Auf-<br />
wärtsfahrt aus der Tiefe“ erfährt.<br />
Schlussbemerkung 113
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
8 Quellenverzeichnis<br />
8.1 Literatur<br />
BAUMER, MARKUS (2007): Stadtteile und Stadtbezirke der Stadt Essen<br />
In:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Essen_Stadtteile_und_Stadtbezirke.s<br />
vg&filetimestamp=20070331143404<br />
BÖHN, D. (1985): Fachdidaktische Grundbegriffe in der Geographie, München<br />
BUNDESMINISTERIUM FÜR VERKEHR, BAU UND STADTENTWICKLUNG (BMVBS) (2010):<br />
Stadtentwicklung, Wohnen<br />
In: http://www.bmvbs.de/-,1500/Stadtentwicklung_-Wohnen.htm (abgerufen am<br />
19.01.2010)<br />
ENTWICKLUNGSGESELLSCHAFT ZOLLVEREIN MBH (2009): Welterbe Zollverein. Neuan-<br />
fang. Wachstum. Perspektiven, Essen<br />
ESF – REGIESTELLE DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR FAMILIE, SENIOREN, FRAUEN UND<br />
JUGEND (2010): Stärken vor Ort<br />
In: http://www.esf.de/portal/generator/9324/programm__staerken__vor__ort.html (ab-<br />
gerufen am 23.02.2010)<br />
EUROPÄISCHE KOMMISSION (2002) : Mitteilung der Kommission betreffend die so-<br />
zialeVerantwortung von Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen<br />
Entwicklung.Brüssel<br />
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In: http://ec.europa.eu/employment_social/esf/discover/esf_de.htm (abgerufen am<br />
19.01.2010)<br />
EWG – ESSENER WIRTSCHAFTSFÖRDERUNGSGESELLSCHAFT MBH (2009): Standort Es-<br />
sen – Kreativwirtschaft (Broschüre)<br />
Literatur 114
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
FLEIß, DANIELA (2008): Die türkische Migrantenbevölkerung in KAternberg und das<br />
Weltkulturerbe<br />
In: Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image, Identität. Die Zeche Zollverein und<br />
der Wandel in den Köpfen, Essen<br />
GABLER VERLAG (HG.) (2010): Gabler Wirtschaftslexikon, narratives Interview<br />
In: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/11043/narratives-interview-v5.html (abge-<br />
rufen am 22.03.2010)<br />
GANZELEWSKI, MICHAEL; SLOTTA, RAINER (1999): Die Denkmal-Landschaft „Zeche<br />
Zollverein“. Eine Steinkohlezeche als Weltkulturerbe?!, Bochum<br />
KAMPMEIER, H. (1953): Kindliche Geländedarstellung.<br />
In: Westermanns Pädagogische Beiträge (5), S. 244-254<br />
KEIL, ANDREAS (1998): Industriebrachen: Nicht nur Nischen für Pflanzen und Tiere<br />
In: LÖBF-Mitteillungen, Heft 2, 1998, S. 62 - 69<br />
LAGEMAN, B.; TH. BAUER; W. DÜRIG; R. KAMBECK; J. KLUVE; U. NEUMANN UND CH.<br />
M. SCHMIDT (2005): Strukturwandel ohne Ende? Aktuelle Vorschläge zur Revitalisie-<br />
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LIEBMANN, HIEKE (2008): Stadtentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen – ein Im-<br />
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MAYRING, P. (2008): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Weinheim,<br />
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Literatur 115
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
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http://www.mbv.nrw.de/Service/Downloads/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/Ei<br />
nf__hrungstextSt__dtebauinvestitionen-2009.pdf (abgerufen am 11.12.2009)<br />
MINISTERIUM FÜR BAUEN UND VERKEHR NRW (MBV) (2009B): Städtebauinvestitionen<br />
des Landes NRW 2009. Übersicht aller geförderten Projekte<br />
In:http://www.mbv.nrw.de/Service/Downloads/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/<br />
Projektliste-St__dtebauinvestitionen2009.pdf (abgerufen am 11.12.2009)<br />
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In: Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image, Identität. Die Zeche Zollverein und<br />
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In: Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image, Identität. Die Zeche Zollverein und<br />
der Wandel in den Köpfen, Essen<br />
REUBER, PAUL; PFAFFENBACH, CARMELLA (2005): Methoden der empirischen Hu-<br />
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QUESTER IMMOBILIEN (2009): 38. Marktbericht 2009. Gewerbeimmobilien in Duisburg,<br />
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SCHMEINCK, D. (2007): Wie Kinder die Welt sehen. Eine empirische Ländervergleichs-<br />
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STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW (2005): Schulen im Stadtteil. Fallstudie im Rahmen<br />
der Evaluation des integrierten Handlungsprogramms „Soziale Stadt NRW“, Hannover,<br />
Essen<br />
Literatur 116
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
STÄDTENETZ SOZIALE STADT NRW (2007): Förderung der Lokalen Ökonomie. Fallstudie<br />
im Rahmen der Evaluation des integrierten Handlungsprogramms „Soziale Stadt“ in<br />
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TAUBKEN, N. (2006): Corporate Social Responsibility und Regional Governance - ein<br />
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kunftsregion Ruhr, 2. Auflage, Mülheim (Ruhr)<br />
Literatur 117
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
8.2 Gesprächspartner<br />
Gesprächspartner 1<br />
Gespräch am 08. Februar 2010, 16.00 Uhr und am 17. Februar 2010, 9.00 Uhr<br />
Gesprächspartner 2<br />
Gespräch am 17. Februar 2010, 10.30 Uhr<br />
Gesprächspartner 3<br />
Gespräch am 02. März 2010, 9.00 Uhr<br />
Gesprächspartner 4<br />
Gespräch am 16. Februar 2010, 14.00 Uhr<br />
Gesprächspartner 5<br />
Gespräch am 19. Februar 2010, 11.00<br />
Gesprächspartner 6<br />
Gespräch am 19. Februar, 13.00<br />
Gesprächspartner 7<br />
Gespräch am 17. Februar 2010, 8.30 Uhr<br />
Gesprächspartner 8<br />
Gespräch am 04. März 2010, 15.00 Uhr<br />
Gesprächspartner 9<br />
Gespräch am 02. März 2010, 11.00 Uhr<br />
Gesprächspartner 10<br />
Gespräch am 05. März 2010, 10.00 Uhr<br />
Gesprächspartner 11<br />
Gespräch am 26. März 2010, 9.00 Uhr<br />
Literatur 118
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Kinder- und Jugendhaus Stoppenberg,<br />
Gelsenkirchener Str. 89 a, Essen<br />
Austeilen der Tagesprotokolle und erklären des Ablaufs am 04. März<br />
Ausfüllen der Protokolle seitens der Jugendlichen: 05. und 06. März 2010<br />
Einsammeln der ausgefüllten Unterlagen am 08. März 2010<br />
Jugendhaus Nord, Evangelische Kirchengemeinde Katernberg,<br />
Joseph-Hoeren Str. 274, Essen<br />
Austeilen der Tagesprotokolle und erklären des Ablaufs am 18. März<br />
Ausfüllen der Protokolle seitens der Jugendlichen: 20. und 21. März 2010<br />
Einsammeln der ausgefüllten Unterlagen am 22. März 2010<br />
Herbartschule – Gemeinschaftsgrundschule mit Offenem Ganztag –<br />
Auf der Reihe 106, Essen<br />
Kontaktaufnahme und Abklären der Aufgaben am 05. März 2010<br />
Einsammeln der Mental Maps der Kinder der Schulklasse 3a am 26. März 2010<br />
Literatur 119
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Anhang<br />
Anhang 1: Tagesprotokolle mit Jugendlichen (Muster).............................................. 121<br />
Anhang 2: Interviewleitfaden (Muster)....................................................................... 129<br />
Anhang 120
Urbane Kultur und Lebensqualität in Stadtquartieren – Zeche Zollverein und Umgebung<br />
Anhang 1: Tagesprotokolle mit Jugendlichen (Muster)<br />
Tagesprotokolle und Fotodokumentation<br />
Die Tagesprotokolle sollen am Freitag, den 05. März und am<br />
Samstag, den 06. März geführt werden.<br />
1. Dokumentiere bitte alle „Stationen“ schriftlich an diesen<br />
beiden Tagen.<br />
Wann stehst Du auf?<br />
Wann gehst Du von zu Hause los?<br />
Wie kommst Du zur Schule?<br />
Wie lange bist Du in der Schule?<br />
Wo gehst Du nach der Schule hin?<br />
Was machst Du am Nachmittag?<br />
Triffst Du Dich mit Freunden? Wo trefft ihr euch? Was macht ihr?<br />
Was machst Du am Abend?<br />
Triffst Du Dich mit Freunden? Wo trefft ihr euch? Was macht ihr?<br />
Wann kommst Du abends nach Hause? Wo wohnst Du?<br />
2. Mache bitte Fotos von den Orten, an denen Du Dich<br />
aufhältst.<br />
Zuhause<br />
Schulweg (Bushaltestelle, vor der Schule, etc.)<br />
In der Schule (in der Pause auf dem Hof, etc.)<br />
Am Nachmittag<br />
Am Abend<br />
3. Beantworte bitte die Fragen auf Seite 7 und 8.<br />
Anhang 121
Freitag, 05. März 2010<br />
WAS<br />
Was habe ich während des<br />
Weges und während des<br />
Aufenthalts gemacht?<br />
(Aktivitäten auflisten)<br />
WANN<br />
Markiere den Beginn<br />
und das Ende<br />
deiner Wege<br />
und Aktivitäten<br />
6<br />
6.30<br />
7<br />
7.30<br />
8<br />
8.30<br />
9<br />
9.30<br />
10<br />
10.30<br />
11<br />
11.30<br />
12<br />
12.30<br />
13<br />
13.30<br />
14<br />
14.30<br />
15<br />
15.30<br />
16<br />
16.30<br />
17<br />
17.30<br />
18<br />
WO<br />
Zu welchen Orten bin ich gegangen<br />
und welche Wege habe ich<br />
genommen?<br />
(Genaue Wegbeschreibung bzw.<br />
Ortsangabe, Klebepunkt für Ort<br />
des FOTOs!)<br />
Anhang 122
Freitag, 05. März 2010<br />
18.30<br />
19<br />
19.30<br />
20<br />
20.30<br />
21<br />
21.30<br />
22<br />
22.30<br />
23<br />
23.30<br />
24<br />
0.30<br />
1<br />
1.30<br />
2<br />
2.30<br />
3<br />
3.30<br />
4<br />
4.30<br />
Anhang 123
Samstag, 06. März 2010<br />
WAS<br />
Was habe ich während des<br />
Weges und während des<br />
Aufenthalts gemacht?<br />
(Aktivitäten auflisten)<br />
WANN<br />
Markiere den Beginn<br />
und das Ende<br />
deiner Wege<br />
und Aktivitäten<br />
6<br />
6.30<br />
7<br />
7.30<br />
8<br />
8.30<br />
9<br />
9.30<br />
10<br />
10.30<br />
11<br />
11.30<br />
12<br />
12.30<br />
13<br />
13.30<br />
14<br />
14.30<br />
15<br />
15.30<br />
16<br />
16.30<br />
17<br />
17.30<br />
18<br />
WO<br />
Zu welchen Orten bin ich gegangen<br />
und welche Wege habe ich<br />
genommen?<br />
(Genaue Wegbeschreibung bzw.<br />
Ortsangabe, Klebepunkt für Ort<br />
des FOTOs!)<br />
Anhang 124
Samstag, 06. März 2010<br />
18.30<br />
19<br />
19.30<br />
20<br />
20.30<br />
21<br />
21.30<br />
22<br />
22.30<br />
23<br />
23.30<br />
24<br />
0.30<br />
1<br />
1.30<br />
2<br />
2.30<br />
3<br />
3.30<br />
4<br />
4.30<br />
Anhang 125
Nun noch ein paar Fragen zu deiner Freizeitgestaltung:<br />
1. Wo sind Deine Lieblingsorte im Stadtteil?<br />
2. Was findest Du an diesen Ort am schönsten?<br />
3. Wo hältst Du Dich in Deiner Freizeit nicht gerne auf?<br />
4. Was fehlt Dir noch im Stadtteil?<br />
Anhang 126
5. Warst Du schon mal auf dem Gelände von der Zeche Zollverein?<br />
nein, noch nie<br />
ja, aber erst 1 oder 2 mal<br />
ja, schon öfters als 10 mal<br />
klar, ich bin da regelmäßig<br />
6. Was findest Du an der Zeche Zollverein cool?<br />
7. Was könnte noch besser an der Zeche Zollverein sein?<br />
Anhang 127
Hiermit erkläre ich, dass die obigen Angaben der Wahrheit entsprechen.<br />
_____________________ _______________<br />
(Unterschrift) (Datum)<br />
Danke, dass Du mitgemacht hast! Wir können Deine Antworten<br />
sehr gut gebrauchen.<br />
Evtl. wird unsere Studie veröffentlicht. Dann können wir Deinen<br />
Namen nennen. Wenn Du das möchtest, dann schreibe uns doch<br />
bitte Deinen Namen und Deine Adresse auf:<br />
Name:<br />
Straße und Hausnummer:<br />
PLZ und Ort:<br />
Alter:<br />
Anhang 128
Anhang 2: Interviewleitfaden (Muster)<br />
Die Leifäden für die unterschiedlichen Interviewpartner variieren aufgrund des jeweili-<br />
gen Themenschwerpunktes des Befragten. Im Folgenden ist als Beispiel für die Inter-<br />
viewleitfäden der Leitfaden für das Gespräch mit dem Vorsitzenden des Katernberger<br />
Werberings verzeichnet.<br />
Fragen zum Werbering Katernberg e.V.<br />
1. Erläutern Sie mir bitte wer Mitglied im Werbering ist und wie viele Unternehmen es<br />
insgesamt sind.<br />
2. Was ist die Intention / das Ziel des Werbering Katernberg e.V.? Welche Vorteile<br />
bietet eine Mitgliedschaft im Werbering Katernberg?<br />
3. Inwieweit hat der Werbering Katernberg Einfluss auf die wirtschaftliche, soziale und<br />
kulturelle Entwicklung des Stadtbezirks VI?<br />
a. Welche Initiativen gab es oder gibt es?<br />
b. Welche Initiativen waren besonders sinnvoll? Warum? Warum nicht?<br />
c. Welche Initiativen waren weniger sinnvoll?<br />
d. Welche Projekte hatten eher kurzfristigen, welche längerfristigen Er-<br />
folg?<br />
e. Wer finanziert diese Initiativen?<br />
4. Inwieweit sind die Unternehmen des Stadtteils Katernberg kooperationsbereit und<br />
offen für Projekte? Was sind die möglichen Gründe für eine Scheu/Skepsis gegen-<br />
über neuen Projekten bei den Unternehmen?<br />
5. Inwieweit unterstützt die (lokale, nationale, EU) Politik (immer noch) die Aktivitäten<br />
des Werberings Katernberg?<br />
Wären Ihnen politische Unterstützungen (weiterhin) wichtig und warum?<br />
6. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem Werbering Katernberg und<br />
den Akteuren des Stadtbezirks VI? (Triple Z, EGZ, Stadtteilzentrum, Stadt Essen,<br />
Kontakt, etc.)<br />
Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?<br />
Anhang 129
Wo liegen die Ursachen für eventuell fehlende Zusammenarbeit (in einzelnen Fäl-<br />
len)?<br />
Fragen zur Unternehmenssituation im Stadtteil Katernberg<br />
7. Wie bewerten Sie die Situation von Unternehmen im Stadtteil heute?<br />
Und wie bewerten Sie die Situation von Unternehmen im Stadtteil noch vor etwa 20<br />
Jahren?<br />
8. Welche Entwicklungen haben in den letzten 20 Jahren Einfluss auf die Unterneh-<br />
menssituation im Stadtbezirk gehabt (positive und negative Sichtweise)?<br />
9. Welchen akuten Handlungsbedarf sehen Sie für Unternehmen im Stadtbezirk?<br />
Welche Strategie würden Sie wählen?<br />
10. Gibt es neben der Konzentration von Unternehmen auf Zeche Zollverein weitere<br />
räumliche Schwerpunkte für Unternehmen im Stadtbezirk VI?<br />
11. Sehen Sie Potenzial für die Kreativwirtschaft auf der Zeche Zollverein bzw. im<br />
Stadtbezirk? Wenn ja, in welchen konkreten Branchen? Welche Standorte wären<br />
geeignet? Welchen Ansprüchen müssten potentielle Standorte genügen, um eine<br />
Ansiedlung zu fördern/gewährleisten?<br />
Fragen zur Funktion der Zeche Zollverein<br />
12. Welche Funktion hat die Zeche für die Bewohner und Unternehmer des Stadtbe-<br />
zirks (Aufenthalts-, Freizeit-, Kultur-, Arbeitsort)? (Differenzierung nach Alter, Her-<br />
kunft, etc.)<br />
13. Gibt es Unterschiede bei der Wahrnehmung der Zeche Zollverein zwischen Perso-<br />
nen mit und ohne Migrationshintergrund? Inwiefern?<br />
14. Wie unterschiedet sich die positive Wahrnehmung der Zeche Zollverein zwischen<br />
jüngeren (Kindern, Jugendlichen) und älteren (Senioren, über 65) Menschen?<br />
Anhang 130
15. Wie unterschiedet sich die negative Wahrnehmung der Zeche Zollverein zwischen<br />
jüngeren (Kindern, Jugendlichen) und älteren (Senioren, über 65) Menschen?<br />
16. Welche positiven Effekte gehen von der Entwicklung der Zeche Zollverein auf die<br />
angrenzenden Stadtteile bzw. auf die Unternehmen aus? Werden diese von den<br />
Unternehmern wahrgenommen?<br />
17. Was fördert die Einbindung der Zeche in die Stadtteile?<br />
18. Was behindert die Einbindung des Geländes in die Stadtteile?<br />
19. Welche Maßnahmen könnten eine stärkere Einbindung der Zeche Zollverein in die<br />
Stadtteile fördern? Ist eine Einbindung seitens der Bewohner und Unternehmer,<br />
aber auch seitens der Zeche Zollverein-Akteure überhaupt gewünscht?<br />
Fragen zum Stadtbezirk VI insgesamt<br />
20. Welche Stärken sehen Sie im Stadtbezirk? Welche bislang ungenutzten Potentiale<br />
sehen Sie? (wirtschaftlich, sozial, kulturell)<br />
21. Welche Schwächen weist Ihrer Meinung der Stadtbezirk auf? Wo ist der dringende<br />
Entwicklungsbedarf (wirtschaftlich, sozial, kulturell)?<br />
22. Inwieweit besteht Ihrer Meinung nach eine Verknüpfung zwischen Zeche Zollverein<br />
und dem Stadtbezirk VI? Inwieweit hat sich dies verändert?<br />
23. Wie könnten stärkere Synergien zwischen Zollverein und den umgebenden Stadt-<br />
teilen entstehen?<br />
24. Wer sind die tragenden Entwicklungsakteure derzeit und zukünftig? (wirtschaftlich<br />
und sozial)<br />
25. Wie stellen Sie sich realistisch den Stadtbezirk VI in 10 Jahren vor?<br />
Kontaktherstellung<br />
26. Welche Kontakte zu Unternehmen können Sie für weitere Gespräche empfehlen?<br />
Anhang 131