Text & Bilder - Physik - Universität Regensburg
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Übergang zu turbulenter Strömung<br />
um eine oszillierende Mikrokugel<br />
in suprafluidem Helium-4<br />
und<br />
Viskosität von dünnen 3 He- 4 He-Mischungen<br />
bei sehr tiefen Temperaturen<br />
DISSERTATION<br />
zur Erlangung des Doktorgrades<br />
der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)<br />
der<br />
Naturwissenschaftlichen Fakultät II - <strong>Physik</strong><br />
der <strong>Universität</strong> <strong>Regensburg</strong><br />
vorgelegt von<br />
Michael Niemetz<br />
aus Waldmünchen<br />
Dezember 2000
Diese Arbeit wurde angeleitet von Prof. Dr. W. Schoepe<br />
Promotionsgesuch eingereicht am 13. Dezember 2000.<br />
Promotionskolloquium fand am 31. Januar 2001 statt.<br />
Prüfungsausschuß: Prof. Dr. J. Keller (Vorsitzender)<br />
Prof. Dr. W. Schoepe (Erstgutachter)<br />
Prof. Dr. J. Zweck (Zweitgutachter)<br />
Prof. Dr. M. Maier (Prüfer)
Überblick<br />
In dieser Arbeit wird der Übergang von laminarer zu<br />
turbulenter Strömung in suprafluidem Helium ( 4 He) bei<br />
Temperaturen unter 500 mK experimentell untersucht.<br />
Hierfür wird eine magnetische Mikrokugel, die zwischen<br />
zwei in der Supraflüssigkeit horizontal angeordneten supraleitenden<br />
Elektroden in einer Gleichgewichtslage levitiert,<br />
berührungslos zu vertikalen Oszillationen angeregt.<br />
Die Bedämpfung dieser Oszillationen durch die<br />
Supraflüssigkeit wird gemessen und ermöglicht Rückschlüsse<br />
auf die Strömungsform.<br />
Es ergibt sich zwischen den Bereichen stabiler laminarer<br />
bzw. turbulenter Strömung ein Übergangsbereich, in dem<br />
das System intermittentes Schalten zwischen beiden Strömungsformen<br />
zeigt. Dieser Bereich wird mit Methoden<br />
der Zuverlässigkeitstheorie statistisch untersucht.<br />
Im Regime laminarer Strömung eignet sich der experimentelle<br />
Aufbau als empfindliches Viskosimeter. Der<br />
zweite Teil der Arbeit beschreibt die Ergebnisse von Viskositätsmessungen<br />
an dünnen 3 He- 4 He-Mischungen (bis<br />
zu 2 % 3 He-Anteil).
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung 13<br />
1 Grundlagen 19<br />
1.1 Klassische Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
1.1.1 Laminare Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
1.1.2 Turbulente Strömung . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
1.1.3 Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
1.2 Suprafluides 4 He . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
1.2.1 4 He im Millikelvin-Bereich . . . . . . . . . . . . 27<br />
1.2.2 Flußwirbel und Turbulenz . . . . . . . . . . . . . 30<br />
1.2.3 Übergang zwischen laminarer und turbulenter<br />
Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
1.3 Die gedämpft oszillierende Mikrokugel . . . . . . . . . 33<br />
1.3.1 Nichtlineare Oszillationen . . . . . . . . . . . . . 33<br />
1.3.2 Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
1.3.3 Laminare Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
1.3.4 Turbulente Strömung . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
1.4 3 He- 4 He-Mischungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
1.4.1 Ballistisches Regime . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
1.4.2 Hydrodynamisches Regime . . . . . . . . . . . . 38<br />
1.4.3 Viskosität und freie Weglänge . . . . . . . . . . . 38<br />
1.5 Begriffe aus der Zuverlässigkeitstheorie . . . . . . . . . 39<br />
1.5.1 Zuverlässigkeitsfunktion . . . . . . . . . . . . . 39
10 Inhaltsverzeichnis<br />
1.5.2 Ausfallrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
1.5.3 Verteilungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
1.5.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
2 Experimenteller Aufbau 47<br />
2.1 Meßmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
2.1.1 Präparation des Experiments . . . . . . . . . . . 49<br />
2.1.2 Meßvorgang, Meßgrößen und Parameter . . . . 53<br />
2.1.3 Ladungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
2.1.4 Herstellung von 3 He- 4 He-Mischungen . . . . . 57<br />
2.2 Aufbau der Meßzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
2.2.1 Die Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
2.2.2 Meßzelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
2.2.3 Einbau der Meßzelle . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
2.2.4 Die radioaktive Quelle . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />
2.3 Elektrische Beschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
2.3.1 Spannungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />
2.3.2 Elektrometerverstärker . . . . . . . . . . . . . . 70<br />
2.3.3 Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
2.3.4 Phasenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />
2.3.5 Meßdatenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
2.3.6 Thermometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />
3 Meßergebnisse und Interpretation 79<br />
3.1 Laminarer Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
3.2 Turbulenter Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens . . . . . . . . . . . 87<br />
3.3.1 Analyse der Phasen turbulenter Strömung . . . 92<br />
3.3.2 Analyse der Phasen laminarer Strömung . . . . 96<br />
3.3.3 Einfluß radioaktiver Strahlung . . . . . . . . . . 105<br />
3.3.4 Übergang zur Hysterese . . . . . . . . . . . . . . 109<br />
3.4 3 He- 4 He-Mischungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />
3.4.1 Einfluß der 3 He- 4 He-Konzentration auf den<br />
Übergang zur Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . 113<br />
3.4.2 Viskositätsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Inhaltsverzeichnis 11<br />
Zusammenfassung und Ausblick 127<br />
Anhang 133<br />
A Konstanten und Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . 133<br />
A.1 Verschiedene Bezeichnungen . . . . . . . . . . . 133<br />
A.2 Helium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
Literaturverzeichnis 135<br />
Abbildungsverzeichnis 141
12 Inhaltsverzeichnis
Einleitung<br />
Die turbulente Strömung von Gasen und<br />
Flüssigkeiten ist für das alltägliche Leben<br />
von großer Bedeutung. Besonders bekannt<br />
sind die atmosphärischen Turbulenzen, welche<br />
den Luftverkehr beeinträchtigen oder sogar<br />
gefährden und als eindrucksvolle Wolkenwirbel<br />
in Tiefdruckgebieten oder verhee- Abbildung 1:<br />
renden Wirbelstürmen auftreten. Da die Wol- kleiner Wirbelsturm<br />
ken gewissermaßen als natürlicher ‚Markierstoff‘ dienen, bieten die<br />
Vorgänge in der Atmosphäre günstige Gelegenheiten zur Beobachtung<br />
der komplexen und vielfältigen Strömungsverhältnisse, die bei<br />
turbulenten Strömungen auftreten können (s. auch Abbildungen in<br />
diesem Abschnitt).<br />
Auch in kleineren Dimensionen zieht das<br />
Auftreten von Turbulenz Konsequenzen nach<br />
sich. So ist sie beispielsweise von zentraler Bedeutung<br />
für den Reibungswiderstand von bewegten<br />
Land- und Seefahrzeugen. Ein genaues<br />
Verständnis der Bedingungen, unter denen<br />
Abb. 2: Sturmtief Turbulenz entsteht, bildet daher eine Grundlage<br />
für die Reduzierung des Energiebedarfs<br />
von Transportmitteln aller Art. Auch in der Verfahrenstechnik, Medizin,<br />
Biologie und der Meteorologie spielt die Turbulenz eine wichtige<br />
Rolle.
14 Einleitung<br />
Ungeachtet dieser großen Bedeutung<br />
— und der entsprechend intensiven<br />
Forschungsbemühungen — hat sich<br />
das Phänomen der Turbulenz einem<br />
vollständigen Verständnis bisher entzogen,<br />
auch wenn für spezielle Systeme<br />
in bestimmten Parameterbereichen<br />
umfassende empirische Erfahrungen<br />
vorliegen. Einige wenige dieser<br />
Erkenntnisse werden kurz in Kapitel<br />
1 erwähnt. Dabei wird auch der<br />
Übergang von laminarer zu turbulenter<br />
Strömung in klassischen viskosen<br />
Flüssigkeiten beschrieben, bei dem<br />
sich einzelne Wirbel von der Oberfläche<br />
eines umströmten Objekts ablösen.<br />
Dies ist auch in nebenstehender Satellitenaufnahme<br />
der Kapverdischen Inseln<br />
zu beobachten: auf der windabgewandten<br />
Seite der Inseln (untere Bildhälfte)<br />
sind sehr schön die Verwirbelungen<br />
in der Wolkendecke zu erkennen.<br />
Abbildung 3: Wirbelstraße<br />
im Lee der Kapverdischen<br />
Inseln<br />
Alle zur Verfügung stehenden klassischen<br />
Medien weisen eine endliche<br />
Viskosität auf, so daß sich der überwiegende<br />
Teil der bisherigen Experimente<br />
und theoretischen Erkenntnisse auf<br />
viskose Strömungen beschränkt. Aller-<br />
Abb. 4: Hufeisenwirbel dings können diese Untersuchungen<br />
nicht ohne weiteres auf Flüssigkeiten mit verschwindender Viskosität<br />
angewendet werden: Numerische Simulationen zeigen in diesem<br />
Fall divergierende Strömungsgeschwindigkeiten, und die üblicherweise<br />
zur Charakterisierung der Strömung verwendete Reynoldszahl<br />
verliert ihre Bedeutung, wodurch die existierenden Theorien<br />
zur Turbulenzentstehung nicht mehr anwendbar sind. Zur Untersu-
Einleitung 15<br />
chung dieser neuen <strong>Physik</strong> bietet es sich an, Experimente mit flüssigem<br />
Helium ( 4 He) durchzuführen, das unter eine Temperatur von<br />
2,18 K, den sogenannten Lambdapunkt, abgekühlt wird. In diesem<br />
Temperaturbereich verschwindet die Zähigkeit der Flüssigkeit, man<br />
spricht daher auch von einer Supraflüssigkeit. Zusätzlich zur verschwindenden<br />
Viskosität ist Rotation in der Supraflüssigkeit nur dergestalt<br />
möglich, daß sich Wirbelschläuche ausbilden, welche eine<br />
quantisierte Zirkulation tragen. Diese Wirbelschläuche können nur<br />
an freien Oberflächen (Gefäßwände oder Flüssigkeitsoberflächen)<br />
enden oder in sich geschlossen (Wirbelringe) sein. Dieses interessante<br />
System ist bereits seit Entdeckung der Suprafluidität Gegenstand<br />
zahlreicher Untersuchungen. Neben den bereits aus den Experimenten<br />
mit klassischen Flüssigkeiten bekannten experimentellen<br />
Methoden existieren neue elegante Ansätze. Dabei erreichen diejenigen<br />
Methoden, welche die Bedämpfung der Oszillationen eines<br />
in Resonanz angetriebenen Probenkörpers untersuchen, eine überdurchschnittliche<br />
Auflösung. Ein Vertreter dieser Gruppe von Experimenten<br />
ist beispielsweise die ‚vibrating wire‘ Methode. Hier wird<br />
eine supraleitende Drahtschlaufe in Schwingungen versetzt, wobei<br />
aber die komplizierte Geometrie eine quantitative Auswertung der<br />
Ergebnisse sehr erschwert.<br />
Abb. 5: Hohlwirbel in Wasser<br />
(Seitenansicht)<br />
In dieser Arbeit wird daher ein anderer<br />
Weg beschritten. Eine magnetische<br />
Kugel (R = 124 µm) befindet sich<br />
zwischen zwei horizontalen Elektroden<br />
aus supraleitendem Niob (Durchmesser<br />
2 mm, Abstand 1 mm). Durch<br />
den Meißner-Ochsenfeld-Effekt wird<br />
die Kugel von den Elektroden abgestoßen<br />
und levitiert ohne mechanische<br />
Aufhängung in einer Gleichgewichtslage<br />
zwischen den beiden Elektroden.<br />
Die erforderliche horizontale Stabilität ist dabei durch in den Elektroden<br />
(Typ II Supraleiter) eingefrorene magnetische Flußlinien gegeben.<br />
Auf die Kugel wird eine elektrostatische Ladung aufgebracht,
16 Einleitung<br />
so daß sie über ein resonantes elektrisches Wechselfeld berührungslos<br />
in vertikale Oszillationen versetzt werden kann. Dabei strömt die<br />
umgebende Supraflüssigkeit um die Kugel und verursacht eine Bedämpfung<br />
der Oszillationen, die ermittelt wird und Rückschlüsse<br />
auf das Strömungsverhalten der Flüssigkeit zuläßt. Durch die mit der<br />
berührungslosen Aufhängung des Probenkörpers verbundene geringe<br />
Untergrunddämpfung und die resonante Anregung der Oszillationen<br />
erreicht man eine sehr hohe Auflösung.<br />
Abb. 6: Wasserwirbel, von<br />
oben gesehen<br />
In der Vergangenheit wurde mit diesem<br />
Experiment die Hydrodynamik<br />
in suprafluidem 4 He im Temperaturbereich<br />
von 20 mK bis zum Lambdapunkt<br />
(2,18 K) untersucht, wobei sowohl<br />
laminare Strömungen als auch<br />
stabile Turbulenz betrachtet wurden<br />
[24]. Die vorliegende Arbeit dehnt<br />
diese Untersuchungen auf den Übergangsbereich<br />
zwischen laminarer und<br />
turbulenter Strömung aus, der vorher<br />
nur bei Temperaturen oberhalb von<br />
700 mK untersucht werden konnte, wobei ein hysteretischer Übergang<br />
festgestellt wurde. Bei den in dieser Arbeit verwendeten tieferen<br />
Temperaturen < 500 mK ergibt sich dagegen ein deutlich komplexeres<br />
Bild, wie im ersten Teil von Kapitel 3 dargelegt wird. Das<br />
System zeigt intermittentes Schalten zwischen laminarer und turbulenter<br />
Strömung, d.h. es liegt abwechselnd eine der beiden Strömungsformen<br />
vor, wobei die Schaltabstände unregelmäßig sind und<br />
keine Übergangsformen auftreten. Die Abhängigkeit der Schaltvorgänge<br />
von Systemparametern wie Temperatur und Amplitude der<br />
Antriebskraft wird durch eine statistische Analyse der Lebensdauern<br />
von laminaren und turbulenten Phasen untersucht. Hierbei kommen<br />
Methoden der Zuverlässigkeitstheorie zum Einsatz.<br />
Im zweiten Teil von Kapitel 3 wird der Einfluß von 3 He-Verunreinigungen<br />
auf die Hydrodynamik der Supraflüssigkeit untersucht.<br />
Neben den Auswirkungen auf den Übergang zur Turbulenz steht
Einleitung 17<br />
die Beschreibung der erhöhten laminaren Reibung durch Streuung<br />
der oszillierenden Kugel an den 3 He-Atome im Vordergrund. Dabei<br />
kommen 3 He- 4 He-Mischungen in einem Konzentrationsbereich von<br />
< 1 ppb bis zu 2 % zum Einsatz. Eine Bestimmung der Viskosität dieser<br />
dünnen 3 He- 4 He-Mischungen bildet den Abschluß von Kapitel 3.
18 Einleitung
Kapitel 1<br />
Grundlagen<br />
Turbulenz ist das wichtigste<br />
ungelöste Problem der<br />
klassischen <strong>Physik</strong>.<br />
Richard Feynman<br />
Dieses Kapitel soll vorwiegend zur Einführung und Erläuterung der<br />
im späteren Verlauf der Arbeit verwendeten Begriffe und Zusammenhänge<br />
dienen. Detaillierte Darstellungen der komplexen Materie<br />
finden sich beispielsweise zur klassischen Turbulenz in [11], zur<br />
allgemeinen Flüssigkeitsdynamik in [37] und zu supraflüssigem Helium<br />
in [52, 56, 9].<br />
1.1 Klassische Flüssigkeiten<br />
Die Hydrodynamik einer inkompressiblen klassischen Flüssigkeit<br />
(d.h. einer Flüssigkeit mit endlicher Zähigkeit) wird durch die sogenannte<br />
Navier-Stokes-Gleichung<br />
∂v<br />
+ (v∇)v<br />
<br />
∂t <br />
hydrodynamische<br />
Trägheit<br />
Nichtlinearität<br />
= − 1<br />
ρ gradp<br />
<br />
antreibender<br />
Druckgradient<br />
+ η<br />
ρ v<br />
<br />
Viskosität<br />
(1.1)<br />
beschrieben (v: Geschwindigkeit, p Druck, ρ Dichte, η Viskosität).<br />
Die enthaltene hydrodynamische Nichtlinearität bedingt, daß diese<br />
19
20 Kapitel 1. Grundlagen<br />
Gleichung sehr schwierig zu lösen ist, was sich in den vielfältigen<br />
und komplexen Strömungsformen widerspiegelt, die sich in einer<br />
Flüssigkeit ausbilden können. Die übrigen Terme treten in ähnlicher<br />
Form auch in anderen Bewegungsgleichungen auf, wobei der Viskositätsterm,<br />
gekennzeichnet durch die Zähigkeit η, einem linearen<br />
Dämpfungsterm entspricht.<br />
1.1.1 Laminare Strömung<br />
Bewegt sich ein Hindernis durch eine klassische inkompressible<br />
Flüssigkeit, so bildet sich aufgrund der Zähigkeit (oder Viskosität) η<br />
ein Geschwindigkeitsgradient aus. An der Oberfläche des Hindernisses<br />
hat die Flüssigkeit die Geschwindigkeit des Hindernisses, in sehr<br />
großer Entfernung ruht sie. Dazwischen befindet sich ein Übergangsbereich.<br />
Das Hindernis zieht also eine Flüssigkeitshaut mit sich, deren<br />
‚Dicke‘ umso größer ist, je größer die Viskosität der Flüssigkeit<br />
ist. Im Falle einer oszillierenden Bewegung mit Frequenz ω läßt sich<br />
die viskose Eindringtiefe<br />
δ =<br />
<br />
2η<br />
ρω<br />
(1.2)<br />
angeben, die ein Maß dafür darstellt, auf welcher Längenskala die<br />
Störung des Strömungsbildes durch die oberflächennahe Schicht abklingt.<br />
Diese Größe geht auch in die bekannte Stokes’sche Formel zur<br />
Berechnung der Reibungskraft Fd<br />
Fd = −λhydv mit λhyd = 6πηR<br />
<br />
1 + R<br />
<br />
δ(η)<br />
(1.3)<br />
auf eine mit der Geschwindigkeitsamplitude v in der Flüssigkeit oszillierende<br />
Kugel mit Radius R ein [37].<br />
1.1.2 Turbulente Strömung<br />
Bei ausreichend hoher Strömungsgeschwindigkeit um einen Probenkörper<br />
tritt sogenannte voll entwickelte Turbulenz auf. Dieser Zu-
1.1 Klassische Flüssigkeiten 21<br />
stand zeichnet sich durch eine stark erhöhte Dissipation aus, für die<br />
in der Literatur (z.B. [37]) folgendes Szenario angegeben wird: bereits<br />
bei kleineren Strömungsgeschwindigkeiten (bzw. Reynoldszahlen,<br />
vgl. (1.6), Abschnitt 1.1.3) bilden sich räumliche Strukturen relativ<br />
großer Abmessung (Wirbel) in der Flüssigkeit. Diese nehmen zunächst<br />
die gesamte später dissipierte Energie auf. Mit zunehmender<br />
Strömungsgeschwindigkeit (bzw. Reynoldszahl) treten immer kleinere<br />
Wirbelstrukturen mit zunehmend höheren lokalen Geschwindigkeitsdifferenzen<br />
auf, in welchen die Energie schließlich durch viskose<br />
Reibung innerhalb der Flüssigkeit dissipiert wird. Somit wird<br />
im Zustand der voll entwickelten Turbulenz stets kinetische Energie<br />
aus der Strömung von den größten vorhandenen Strukturen aufgenommen,<br />
weitgehend dissipationsfrei stufenweise an die kleineren<br />
Strukturen weitergegeben und schließlich dort in Wärme umgewandelt.<br />
Zwei empirisch gefundene Gesetze scheinen universell gültige<br />
Kriterien für das Auftreten klassischer voll entwickelter Turbulenz<br />
darzustellen [11]:<br />
Das Zweidrittel-Gesetz<br />
Betrachtet man zwei Punkte in der Flüssigkeit, die den Abstand<br />
l von einander besitzen und bildet die zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsdifferenz<br />
zwischen diesen beiden Punkten, so ergibt<br />
sich<br />
( v(l)) 2 ∼ ∝ l 2/3 ,<br />
also eine ungefähre Proportionalität.<br />
Dieses Ergebnis wurde unter anderem in Windkanalexperimenten<br />
gefunden und läßt sich auch über eine Dimensionsbetrachtung plausibel<br />
machen. Nachdem die Energie zunächst von den großen Wirbeln<br />
aufgenommen wird, kann die Energiedissipation pro Zeit- und<br />
Masseneinheit ε nur von den Größen abhängen, die diese Strukturen<br />
beschreiben, also offenbar von der Länge l, der Geschwindigkeitsdif-
22 Kapitel 1. Grundlagen<br />
ferenz v(l) sowie der Dichte der Flüssigkeit. Es gibt nur eine Möglichkeit,<br />
aus diesen Größen eine Größe mit der Einheit<br />
[ε] = J<br />
kg · s<br />
zu bilden, und zwar<br />
( v(l))3<br />
ε ∝ .<br />
l<br />
Damit ergibt sich aber dann sofort der Zusammenhang<br />
( v(l)) 2 ∝ (εl) 2/3<br />
bzw. v(l) ∝ (εl) 1/3<br />
der auch das Gesetz von Kolmogorov und Obuchow genannt wird.<br />
Das Gesetz der endlichen Dissipation<br />
Werden alle experimentellen Parameter konstant gehalten und<br />
die Viskosität soweit möglich reduziert, so verhält sich die Energiedissipation<br />
pro Zeit- und Masseneinheit ε dabei so, also ob<br />
der Grenzwert für verschwindende Viskosität positiv und von<br />
endlicher Größe wäre.<br />
Dieses Gesetz bedeutet letztlich, daß auch bei verschwindender Viskosität<br />
Turbulenz möglich ist und diese auch Dissipation verursacht.<br />
Eine Aussage, die in Kapitel 3 durch Untersuchungen an der Supraflüssigkeit<br />
ihre Bestätigung findet.<br />
Für einen Körper, der bei seiner Bewegung durch die Flüssigkeit<br />
Turbulenz erzeugt, ergibt sich eine Reibungskraft von (vgl. [11])<br />
Fd = γv 2<br />
mit γ = 1<br />
2 cwρσ . (1.4)<br />
Für eine Kugel lautet der Streuquerschnitt σ = R 2 π. Der sogenannte<br />
cw-Wert hängt dabei von der Form des Körpers sowie der sogenannten<br />
Reynoldszahl Re (∝ v vgl. (1.6)), und damit der Strömungsgeschwindigkeit<br />
ab. Abbildung 1.1 zeigt cw-Werte für eine Kugel<br />
bei unterschiedlichen Reynoldszahlen (aus [5]). Für kleine Strömungsgeschwindigkeiten<br />
findet man eine Abnahme proportional zu<br />
,
1.1 Klassische Flüssigkeiten 23<br />
Abbildung 1.1: cw-Werte für eine Kugel bei unterschiedlichen<br />
Reynoldszahlen. Für kleine Reynoldszahlen ergibt sich annähernd<br />
eine Abhängigkeit ∝ 1/Re, im Bereich der voll entwickelten Turbulenz<br />
ein ungefähr konstanter Wert. (aus [5])<br />
1/Re. Dies liegt daran, daß Gleichung (1.4) für kleine Strömungsgeschwindigkeiten<br />
nicht gilt — zumindest nicht in dem Sinn, daß<br />
cw eine Konstante der Strömungsgeschwindigkeit ist. Vielmehr liegt<br />
hier überwiegend laminare Strömung mit Fd ∝ v also Fd ∝ Re (vgl.<br />
(1.3)) vor. Damit (1.4) ein solches Verhalten beschreibt, muß der cw-<br />
Wert notwendigerweise umgekehrt proportional zu v und damit der<br />
Reynoldszahl sein. Ab etwa Re 2000 ergibt sich ein annähernd konstanter<br />
cw-Wert von etwa<br />
cw ≈ 0,4 . (1.5)<br />
In diesem Bereich findet man voll entwickelte Turbulenz. Die Aussage,<br />
daß der cw-Wert hier nicht mehr von der Reynoldszahl abhängt,
24 Kapitel 1. Grundlagen<br />
ist äquivalent dazu, daß er nicht von der Viskosität abhängt. Somit<br />
stellt diese Tatsache eine andere Formulierung für das Gesetz der<br />
endlichen Dissipation dar.
1.1 Klassische Flüssigkeiten 25<br />
1.1.3 Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung<br />
Abbildung 1.2:<br />
Laminarer<br />
Schlauch bei<br />
Anströmen einer<br />
Kugel mit Wasser.<br />
(aus [41])<br />
Wie in Abschnitt 1.1.1 beschrieben, bildet sich im<br />
Bereich laminarer Strömung eine an der Oberfläche<br />
eines durch die Flüssigkeit bewegten Hindernisses<br />
haftende dünne Flüssigkeitshaut. Bei<br />
kontinuierlicher Anströmung löst sich die in Abschnitt<br />
1.1.1 beschriebene oberflächennahe Flüssigkeitshaut<br />
leeseitig vom umströmten Körper<br />
ab. Abbildung 1.2 zeigt diesen sogenannten laminaren<br />
Schlauch im Experiment (aus [41]). Hier<br />
wurde ein kugelförmiges Objekt in einem Wassertrog<br />
befestigt und in diesem eine Strömung<br />
erzeugt. Um den Strömungsverlauf um die Kugel<br />
sichtbar zu machen, tritt aus der Kugel Farbstoff<br />
aus. Dabei ist sehr schön zu erkennen, wie<br />
sich die oberflächennahe Schicht hinter der Kugel<br />
zu einem Strömungsfaden vereinigt und dabei<br />
das Strömungsbild nahezu perfekt symmetrisch<br />
bleibt. Wird nun die Anströmgeschwindigkeit erhöht,<br />
so zeigen sich zunehmende Störungen der<br />
Symmetrie bis es schließlich zur Wirbelbildung<br />
hinter der Kugel kommt. Als Maß für die Ähnlichkeit<br />
zweier Strömungen und damit insbesondere<br />
für den Grad der Turbulenz dient dabei die<br />
sogenannte Reynoldszahl<br />
Re = ρvR<br />
η<br />
R : typische Längenskala . (1.6)<br />
Abbildung 1.3 zeigt eine Aufnahme aus [39], in der eine Kette solcher<br />
relativ regelmäßig abgelöster Wirbel zu sehen ist. Die Strömung<br />
wurde in diesem Fall durch einen fluoreszierenden und mittels eines<br />
Lasers beleuchteten Farbstoff sichtbar gemacht. Trotz der relativ<br />
geringen Reynoldszahl (Re = 320), bei der diese Aufnahme gewonnen<br />
wurde, ergibt sich bereits eine beträchtliche Komplexität
26 Kapitel 1. Grundlagen<br />
Abbildung 1.3: Kette von Wirbeln, die sich von einer mit Wasser angeströmten<br />
Kugel ablösen. Sehr gut zu erkennen ist die trotz kleiner<br />
Reynoldszahl (Re = 320) bereits sehr komplexe Struktur der Verwirbelungen.<br />
(entnommen aus [39])<br />
im Strömungsmuster. In [47] findet sich eine nähere Untersuchung<br />
dieser Wirbelablösung, wobei insbesondere die Ablösungsfrequenz<br />
der Wirbel untersucht wird. Das Strömungsmuster gewinnt mit zunehmender<br />
Anströmgeschwindigkeit bzw. Reynoldszahl weiter an<br />
Komplexität, bis schließlich voll entwickelte Turbulenz vorliegt. Ein<br />
theoretisches Modell, das die Entstehung von Turbulenz auf die Verstärkung<br />
von Störungen durch die hydrodynamische Nichtlinearität<br />
zurückführt, wird in [20] angegeben. In diesem Modell spielt die<br />
Viskosität eine wichtige Rolle. Es ist daher nicht ohne weiteres auf<br />
den Fall der Supraflüssigkeit anwendbar, da hier die Viskosität verschwindet.<br />
1.2 Suprafluides 4 He<br />
Wird flüssiges Helium ( 4 He) auf Temperaturen unterhalb des sogenannten<br />
Lambdapunktes Tλ = 2,18 K gekühlt, so durchläuft es einen<br />
Phasenübergang. Nach diesem Phasenübergang weist die Flüssigkeit<br />
außerordentliche Eigenschaften auf und wird infolgedessen als suprafluides<br />
Helium oder auch He-II bezeichnet. Zu den neuen Eigenschaften<br />
von He-II gehört eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit oder<br />
auch eine in Experimenten mit Strömungen durch Röhren festgestell-
1.2 Suprafluides 4 He 27<br />
te verschwindende Viskosität. Dagegen ergeben Viskositätsbestimmungen<br />
mit anderen experimentellen Methoden, wie z.B. Torsionsoszillatoren,<br />
eine durchaus endliche Viskosität. Diese unterschiedlichen<br />
experimentellen Ergebnisse führten schließlich zum sogenannten<br />
Zwei-Flüssigkeits-Modell, das die Supraflüssigkeit als aus zwei<br />
Phasen, der normalfluiden Komponente und der suprafluiden Komponente,<br />
zusammengesetzt beschreibt. Die suprafluide Komponente<br />
verhält sich wie eine ideale Flüssigkeit, besitzt also keine Viskosität<br />
(η = 0), dringt damit durch kleinste Öffnungen (sogenannte Superlecks),<br />
kann noch in dünnsten Filmen fließen und wechselwirkt auch<br />
nicht mit der normalfluiden Komponente (vs = vn). Diese wiederum<br />
fließt mit einer endlichen Viskosität, haftet an Oberflächen und verhält<br />
sich wie eine klassische Flüssigkeit. Damit kann dieses Modell<br />
die experimentellen Befunde sehr gut erklären. So ergeben sich die<br />
unterschiedlichen Ergebnisse bei unterschiedlichen Methoden zur<br />
Bestimmung der Viskosität daraus, daß die suprafluide Phase viskositätsfrei<br />
durch Röhren fließen kann und damit die Strömungsgeschwindigkeit<br />
der Flüssigkeit bestimmt. Bei Torsionsexperimenten<br />
dagegen haftet die normalfluide Komponente sehr wohl an der<br />
Oberfläche des Torsionspendels und liefert so eine Erhöhung der effektiven<br />
Masse und damit eine endliche Viskosität. Bei allen Vorzügen<br />
dieses Modells muß man sich aber der Tatsache bewußt sein, daß<br />
die beiden unterschiedlichen Komponenten nicht wirklich existieren,<br />
zumindest nicht in dem Sinn, daß man die Heliumatome nach ihrer<br />
Zugehörigkeit zu den Komponenten sortieren könnte. Vielmehr führen<br />
die endlichen Temperaturen im Experiment dazu, daß thermische<br />
Anregungen in der Supraflüssigkeit auftreten. Diese Quasiteilchen<br />
(Phononen und Rotonen) bilden die normalfluide Komponente.<br />
1.2.1 4 He im Millikelvin-Bereich<br />
Wird die Supraflüssigkeit weiter abgekühlt, so reduziert sich die<br />
Dichte der normalfluiden Komponente immer weiter, während die<br />
Dichte der suprafluiden Komponente im gleichen Maß zunimmt 1 ,<br />
1 Natürlich muß dabei stets ρ = ρs + ρn gelten.
28 Kapitel 1. Grundlagen<br />
bis schließlich nur noch ein verdünntes Gas von Quasiteilchen in der<br />
Supraflüssigkeit vorhanden ist. Aufgrund der verschwindenden Viskosität<br />
vereinfacht sich nun die Bewegungsgleichung der Flüssigkeit<br />
zur sogenannten Euler-Gleichung<br />
∂v<br />
∂t<br />
1<br />
+ (v∇)v = − gradp , (1.7)<br />
ρ<br />
welche im übrigen der Navier-Stokes-Gleichung (1.1) entspricht.<br />
Zusätzlich zur verschwindenden Viskosität besteht noch eine<br />
weitere Bedingung an zulässige Strömungsformen in der Supraflüssigkeit,<br />
denn diese läßt sich als Bose-Einstein-Kondensat durch eine<br />
makroskopische Wellenfunktion<br />
ψ(r) = ψ0 exp[iS(r)]<br />
mit der Phase S beschreiben. Daraus ergibt sich der kanonische Impuls<br />
p zu<br />
ˆpψ = −i¯h∇ψ = pψ ⇒ p = ¯h∇S .<br />
Mit der üblichen Interpretation<br />
erhält man schließlich<br />
p = m4vs<br />
vs = ¯h<br />
mit m4 = m( 4 He)<br />
m4<br />
∇S . (1.8)<br />
Damit läßt sich aber sofort folgern, daß die Rotation von vs<br />
rot vs = 0 (1.9)<br />
in der Supraflüssigkeit verschwinden muß. Die Supraflüssigkeit bildet<br />
also bei Umströmung eines Hindernisses eine sogenannte Potentialströmung<br />
aus. Wie in [37] dargelegt, wirkt bei einer Potentialströmung<br />
um ein Hindernis keinerlei Kraft auf dieses, d.h. es existiert<br />
keine Reibungskraft. Allerdings gelten diese Betrachtungen nur für<br />
die reine Supraflüssigkeit. Bei den im Experiment stets vorliegenden
1.2 Suprafluides 4 He 29<br />
endlichen Temperaturen verbleibt ein verdünntes Gas von thermischen<br />
Anregungen, in der Flüssigkeit. Diese Quasiteilchen (Phononen<br />
und Rotonen) werden am Hindernis gestreut und führen so zu<br />
einer meßbaren Reibungskraft. Bei den in dieser Arbeit verwendeten<br />
Temperaturen ist die Dichte der Quasiteilchen niedrig genug, so<br />
daß sich das System im ballistischen Grenzfall befindet, d.h. die Phonon-Phonon<br />
Stöße haben für die Wechselwirkung mit dem Hindernis<br />
keine Bedeutung. Dieser Fall ist dann gegeben, wenn die freie<br />
Weglänge der gestreuten Teilchen größer wird als die Abmessungen<br />
des Hindernisses. Der Hauptbeitrag zur Dämpfung wird dabei im<br />
untersuchten Temperaturbereich von den Phononen verursacht, deren<br />
Dichte sich zu<br />
ρph = 2π 2 (kBT) 4<br />
45¯h 3 c5 ergibt, während die Rotonen, deren Dichte<br />
ρrot = ¯hk4 0<br />
3π 2 u<br />
∝ T4<br />
e− /T<br />
(1.10)<br />
(1.11)<br />
(vgl. Anhang A.2) beträgt, erst bei Temperaturen oberhalb von etwa<br />
600 mK einen meßbaren Beitrag zur Dämpfungskraft leisten. Die entsprechenden<br />
linearen Dämpfungskoeffizienten λph bzw. λrot hängen<br />
neben der Dichte der Quasiteilchen noch von deren Geschwindigkeit<br />
c bzw. u sowie dem Streuquerschnitt σ = π R 2 ab:<br />
λph = ρph c σ =<br />
= 2π 3 (kBT) 4 R 2<br />
45¯h 3 c 4<br />
∝ T 4<br />
(1.12a)<br />
λrot = ρrot u σ (1.12b)<br />
Die Verwendung des geometrischen Streuquerschnitts der Kugel ist<br />
gerechtfertigt, da die Wellenlänge der Quasiteilchen deutlich kleiner<br />
ist als die Abmessungen des Hindernisses. Die dissipativen Kräfte<br />
der Streuung von beiden Teilchensorten addieren sich, so daß sich<br />
insgesamt ein linearer Reibungskoeffizient<br />
λ = λph + λrot<br />
(1.13)
30 Kapitel 1. Grundlagen<br />
und damit die Reibungskraft<br />
Fd = −(λph + λrot) · v (1.14)<br />
auf eine durch die Flüssigkeit bewegte Kugel ergibt.<br />
1.2.2 Flußwirbel und Turbulenz<br />
Der Befund (1.9) läßt erwarten, daß supraflüssiges Helium in einem<br />
rotierenden Gefäß in Ruhe bleibt, da die Berechnung der Zirkulation<br />
längs eines Weges W durch ein Flächenintegral über die eingeschlossene<br />
Fläche A ausgedrückt werden kann<br />
=<br />
<br />
W<br />
<br />
vs dl =<br />
A<br />
rot v dA = 0 , (1.15)<br />
und damit vs = 0 innerhalb der ganzen Flüssigkeit gelten muß. Entsprechende<br />
Experimente in [48] zeigen jedoch eine parabolische Flüssigkeitsoberfläche,<br />
wie sie für eine klassische rotierende Flüssigkeit<br />
zu erwarten ist. Dieser Widerspruch zur Rotationsfreiheit der Supraflüssigkeit<br />
wird durch Wirbelschläuche (Vortices) aufgelöst, in deren<br />
Kern die suprafluide Komponente verschwindet. In diesem Fall<br />
ist die Vorgehensweise in (1.15) nur dann zulässig, wenn keine dieser<br />
Singularitäten innerhalb des Integrationsweges liegt, denn dort<br />
gilt die Beziehung (1.9) nicht. Betrachtet man den Fall, daß Singularitäten<br />
vom Integrationsweg eingeschlossen werden, so findet man<br />
mit (1.8) für die Zirkulation<br />
=<br />
<br />
vs dl = ¯h<br />
m4<br />
<br />
∇S dl (1.16)<br />
Wegen der Eindeutigkeit der Wellenfunktion kann das Integral dabei<br />
lediglich ganzzahlige Vielfache von 2π als Wert annehmen, so daß<br />
sich für die Zirkulation das Resultat<br />
= n · κ , mit n ∈ IN0 (1.17)
1.2 Suprafluides 4 He 31<br />
ergibt, wobei κ = h/m4 aus naheliegenden Gründen als das Zirkulationsquant<br />
bezeichnet wird. Zur Erzeugung einer derartigen Wirbellinie<br />
muß Energie aufgewendet werden, die im wesentlichen in kinetische<br />
Energie der rotierenden Supraflüssigkeit umgewandelt wird.<br />
Diese Energie (pro Länge des erzeugten Wirbels) ergibt sich damit<br />
aus einer Integration der kinetischen Energie der um den Wirbelkern<br />
rotierenden Supraflüssigkeit zu<br />
2 ρsκ<br />
ε =<br />
4π ln<br />
<br />
b<br />
.<br />
Dabei gibt a0 ∼ 1 Å den Radius des Wirbelkerns und b den mittleren<br />
Abstand zwischen den Wirbeln an. Man erhält damit einen typischen<br />
Wert<br />
ε = 1,15 · 10 −13 <br />
b J J<br />
ln ∼ 10−12 , (1.18)<br />
1 Å m m<br />
<br />
∼ 10<br />
wobei die eingehenden geometrischen Größen einen nur geringen<br />
(nämlich logarithmischen) Einfluß haben.<br />
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Supraflüssigkeit<br />
neben der Euler-Gleichung auch der Rotationsfreiheit rot vs = 0 gehorchen<br />
muß. Allerdings können Wirbelschläuche in der Flüssigkeit<br />
auftreten, welche eine quantisierte Zirkulation tragen. Bemerkenswerterweise<br />
ahmt die Supraflüssigkeit im oben erwähnten Rotationsexperiment<br />
das Verhalten einer klassischen Flüssigkeit gewissermaßen<br />
nach, indem sich Wirbelschläuche so in der Supraflüssigkeit<br />
anordnen, daß sich makroskopisch das selbe Verhalten ergibt wie es<br />
eine klassische Flüssigkeit zeigt. Die in Kapitel 3 vorgestellte Untersuchung<br />
der Reibungskraft, wie sie durch suprafluide Turbulenz hervorgerufen<br />
wird, zeigt, daß sich diese Parallelen fortsetzen. So findet<br />
man eine Reibungskraft<br />
a0<br />
|Fd| = γ (v 2 − v 2 0) = γv 2 − F0 , (1.19)<br />
die bis auf eine Reduktion um einen konstanten Wert genau der<br />
für eine klassische Flüssigkeit zu erwartenden Beziehung (1.4) entspricht.<br />
Diese durch die Turbulenz verursachte dissipative Kraft
32 Kapitel 1. Grundlagen<br />
wirkt zusätzlich zur Dissipation durch ballistische Streuung von<br />
Quasiteilchen.<br />
1.2.3 Übergang zwischen laminarer und turbulenter<br />
Strömung<br />
Weitgehend unerforscht ist bisher der Übergang von Potentialströmung<br />
zu Turbulenz in suprafluidem 4 He. So existieren zwar Experimente,<br />
die sich mit der Nukleation einzelner Wirbelschläuche in der<br />
Supraflüssigkeit befassen [53, 54], aber diese Experimente können<br />
damit noch keine Aussagen über den Übergang zu voll entwickelter<br />
Turbulenz machen, welche ein komplexes Geflecht an interagierenden<br />
Wirbelschläuchen darstellt. Ähnliches gilt für den umgekehrten<br />
Weg, die sogenannte Relaminarisierung der Strömung. In [54]<br />
sind einige Mechanismen für das Abklingen der Turbulenz diskutiert,<br />
jedoch ist dabei selbst die Auflösung von einzelnen Flußwirbelschläuchen<br />
noch umstritten. Als gängige Szenarien sind Rekombination<br />
zu immer kleineren Wirbelringen und schließlicher Zerfall<br />
in Rotonen beziehungsweise Rekombination unter Abstrahlung von<br />
Phononen in der Diskussion. Ein Experiment, in dem das Abklingen<br />
suprafluider Turbulenz beobachtet werden soll, ist in [7] beschrieben.<br />
Allerdings existieren derzeit nur vorläufige Resultate. Zusätzlich zu<br />
dieser Unkenntnis der mikroskopischen Vorgänge verliert auch die<br />
Reynoldszahl, welche in der klassischen Hydrodynamik nützliche<br />
Dienste zur Charakterisierung und makroskopischen Beschreibung<br />
der Strömung leistet, aufgrund der verschwindenden Viskosität ihre<br />
Bedeutung. In [46] wird versucht dieses Problem durch Definition<br />
einer suprafluiden Reynoldszahl<br />
Res = 2 vsR<br />
cξ<br />
(1.20)<br />
(ξ ∼ 1Å: typische Abmessung des Wirbelkerns) zu lösen. Dadurch<br />
wird zwar eine Klassifikation der turbulenten Strömung ähnlich wie<br />
bei klassischen Flüssigkeiten ermöglicht, aber die Theorien zur Turbulenzentstehung,<br />
welche sich auf die mit der klassischen Reynolds-
1.3 Die gedämpft oszillierende Mikrokugel 33<br />
zahl verbundene Viskosität stützen, werden dadurch nicht auf die<br />
Supraflüssigkeit übertragbar.<br />
1.3 Die gedämpft oszillierende Mikrokugel<br />
Der Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung wird in dieser<br />
Arbeit anhand einer in der Flüssigkeit oszillierenden Kugel untersucht.<br />
Dies führt, neben den diversen Vorteilen (vgl. Kapitel 2), auch<br />
zu einigen Punkten, die der Beachtung bedürfen. Auf diese soll im<br />
folgenden kurz eingegangen werden.<br />
1.3.1 Nichtlineare Oszillationen<br />
Aufgrund von schwachen Nichtlinearitäten in der Rückführkraft, die<br />
durch die magnetische Lagerung der Kugel entstehen, ergibt sich eine<br />
anharmonische Schwingung der Kugel um ihre Gleichgewichtslage.<br />
Typische Eigenschaften anharmonischer Schwingungen sind eine<br />
Abhängigkeit der Resonanzfrequenz von der Amplitude sowie<br />
das Auftreten höherer Harmonischer der Grundfrequenz im Fourierspektrum<br />
der Schwingung. Beide Merkmale sind bei dem hier vorgestellten<br />
Experiment zu beobachten. Eingehende Untersuchungen dazu<br />
finden sich in [16], numerische Simulationen in [23, 42]. In dieser<br />
Arbeit spielen jedoch diese Aspekte der Nichtlinearität eine untergeordnete<br />
Rolle, lediglich die Verschiebung der Resonanzfrequenz bei<br />
Änderung der Schwingungsamplitude ist aufgrund der hohen Güte<br />
der Oszillationen von Bedeutung (vgl. dazu Abschnitt 2.3.4).<br />
1.3.2 Energiebilanz<br />
Bei einem mit konstanter Geschwindigkeit durch die Flüssigkeit bewegten<br />
Körper ist die Reibungskraft gleich der Kraft, mit welcher<br />
der Körper durch die Flüssigkeit gezogen wird. Es herrscht also ein<br />
Kräftegleichgewicht. Im Fall der oszillierenden und resonant angetriebenen<br />
Kugel tritt an dessen Stelle ein Gleichgewicht von durch
34 Kapitel 1. Grundlagen<br />
die Antriebskraft zugeführter und durch Reibung dissipierter Energie.<br />
Man hat also mit T = 2π/ω eine Energiebilanz:<br />
T/2<br />
<br />
0<br />
F sin(ωt) v sin(ωt) dt =<br />
<br />
zugeführte Energie<br />
T/2<br />
<br />
0<br />
Fd(v(t)) v sin(ωt) dt<br />
<br />
dissipierte Energie<br />
(1.21)<br />
Dabei wird, wie auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit, mit v(t) die<br />
Momentangeschwindigkeit der Kugel, mit v hingegen die Amplitude<br />
der Geschwindigkeit bezeichnet. Ähnliches gilt für andere oszillierende<br />
Größen (z.B. Kräfte und Auslenkungen). Diese Energiebilanz<br />
kann nun verwendet werden, um die im Experiment bestimmte<br />
v(F)-Kurve mit der geschwindigkeitsabhängigen Reibung Fd(v) in<br />
Beziehung zu setzen. Näheres dazu folgt in den nächsten beiden Abschnitten.<br />
1.3.3 Laminare Strömung<br />
Strömt die Flüssigkeit laminar um die Kugel, so unterliegt die Bewegung<br />
der Kugel der in (1.14) angegebenen dissipativen Kraft. Setzt<br />
man diese in die Energiebilanz (1.21) ein, so erhält man den sehr einfachen<br />
Zusammenhang<br />
F(v) = Fd(v).<br />
Damit ergibt sich die Gleichgewichtsamplitude unter dem Einfluß<br />
der linearen Reibungskraft zu<br />
v = F<br />
λ . (1.22)<br />
Wird die das System antreibende Kraft abgeschaltet, so zerfällt die<br />
Amplitude der Schwingung unter dem Einfluß der linearen Dämpfungskraft<br />
exponentiell [12]:<br />
v = v(t=0) e −(t/τ)<br />
, mit τ = 2m<br />
,<br />
λ<br />
(1.23)<br />
wobei m die Masse der oszillierenden Kugel bezeichnet.
1.3 Die gedämpft oszillierende Mikrokugel 35<br />
1.3.4 Turbulente Strömung<br />
Bei einer nicht linear mit der Geschwindigkeit zunehmenden Reibungskraft,<br />
wie etwa in (1.19) angegeben, ergibt sich ein komplexeres<br />
Bild. Einsetzen der dissipativen Kraft in die Energiebilanz (1.21)<br />
liefert nun die v(F)- bzw. F(v)-Beziehung<br />
F(v) = 8γ<br />
<br />
v<br />
3π<br />
2 − 3<br />
2 v20 = 8γ <br />
2 2<br />
v − vc1 3π<br />
<br />
= 8γ<br />
3π v2 − 4<br />
π F0<br />
(1.24a)<br />
(1.24b)<br />
= γ ⋆ v 2 − F ⋆ 0 (1.24c)<br />
zwischen Antriebskraft und Geschwindigkeitsamplitude, mit den<br />
neu definierten Größen<br />
<br />
3<br />
vc1 =<br />
2 v0<br />
(1.25a)<br />
F ⋆ 0 = 4<br />
π F0 = 4<br />
π γ v2 0 = γ ⋆ vc1<br />
(1.25b)<br />
γ ⋆ = 8<br />
γ . (1.25c)<br />
3π<br />
Die grundsätzliche Form von (1.19) hat sich durch die Umrechnung<br />
nicht verändert. Jedoch treten die neuen, gegenüber den ursprünglichen<br />
Größen mit jeweils einer Konstanten multiplizierten, Größen<br />
γ ⋆ und F ⋆ 0 bzw. vc1 auf.<br />
Wie in Abschnitt 1.2.2 angegeben, wirken im Regime turbulenter<br />
Strömung zwei dissipative Kräfte gleichzeitig auf die oszillierende<br />
Kugel ein, wobei sich die dissipativen Kräfte addieren. Aufgrund der<br />
Eigenschaften von (1.21) bleibt diese Additivität auch für die v(F)-<br />
Kurve erhalten, so daß sich für den Bereich turbulenter Strömung<br />
die Beziehung<br />
F(v) = λv + γ⋆ v 2 − F ⋆ 0 bzw. F(v) = λv + 8γ <br />
2<br />
v − vc1<br />
3π<br />
(1.26)
36 Kapitel 1. Grundlagen<br />
ergibt. Löst man diese Gleichung nach v auf, so erhält man die Geschwindigkeitsamplitude,<br />
welche durch Anlegen einer gegebenen<br />
Antriebskraft im Bereich turbulenter Strömung erreicht wird:<br />
v(F) = 3π<br />
⎡<br />
<br />
⎢<br />
⎣−λ +<br />
16γ<br />
λ2 + 32γ<br />
<br />
8γ<br />
3π 3π v2 <br />
c1 + F<br />
⎤<br />
⎥<br />
⎦ (1.27)<br />
Damit läßt sich nun auch die Antriebskraft Fc1 ermitteln, welche notwendig<br />
ist, um das System an den linken Bereich des Intermittenzbereichs<br />
(vgl. Kapitel 3) zu bringen. Sie ist gegeben durch die Bedingung<br />
vlaminar(Fc1) = vturbulent(Fc1) ,<br />
also durch den Schnittpunkt der beiden v(F) Kurven für laminare<br />
und turbulente Strömung. Man erhält das Ergebnis<br />
Fc1 =<br />
√ 6<br />
2 λvc1 , (1.28)<br />
welches wegen seiner Proportionalität zu λ stark temperaturabhängig<br />
ist (siehe Gleichung (1.13)).<br />
1.4 3 He- 4 He-Mischungen<br />
Nachdem 3 He-Verunreinigungen ähnlich wie Phononen und Rotonen<br />
Störungen in der Supraflüssigkeit darstellen, ergibt sich die Frage,<br />
ob bzw. wie stark der Übergang zwischen laminarer und turbulenter<br />
Strömung durch die Anwesenheit von 3 He-Verunreinigungen<br />
in der Supraflüssigkeit beeinflußt wird. Darüber hinaus ist auch die<br />
Beeinflussung der Dämpfung im Bereich laminarer Strömung von Interesse.
1.4 3 He- 4 He-Mischungen 37<br />
1.4.1 Ballistisches Regime<br />
Für sehr geringe Konzentrationen<br />
x3 =<br />
n( 3 He)<br />
n( 3 He) + n( 4 He)<br />
(1.29)<br />
der 3 He-Verunreinigungen ist zu erwarten, daß die Wechselwirkung<br />
zwischen ihnen und der oszillierenden Kugel durch ein Modell beschrieben<br />
werden kann, das auf ballistischer Streuung der Kugel an<br />
den Verunreinigungen basiert. In diesem Fall ergibt sich der lineare<br />
Reibungskoeffizient analog zum Fall der ballistischen Streuung an<br />
Phononen zu<br />
λHe3 = ρ3v3π R 2 ∝ √ T , (1.30a)<br />
wobei sich die Temperaturabhängigkeit aus der thermischen Geschwindigkeit<br />
v3 der 3 He-Atome<br />
ergibt. Ihre Dichte ist dabei<br />
v3 =<br />
<br />
3kBT<br />
m ∗ 3<br />
m<br />
ρ3 = ρ4<br />
∗ 3<br />
m4<br />
x3<br />
(1.31)<br />
(1.32)<br />
mit der effektiven Masse m ∗ 3 der 3 He-Atome im suprafluiden 4 Hevon<br />
m ∗ 3 = 2,4 · m3 . (1.33)<br />
Um zu entscheiden, ob es zulässig ist die Reibung durch ein ballistisches<br />
Modell zu beschreiben, ist die freie Weglänge l der 3 He-Atome<br />
zu betrachten. Ist l deutlich größer als die Abmessungen der Kugel,<br />
so liegt der ballistische Fall vor. Ist hingegen l sehr viel kleiner als die<br />
Kugel, so befindet sich das System im hydrodynamischen Bereich.
38 Kapitel 1. Grundlagen<br />
1.4.2 Hydrodynamisches Regime<br />
Ist die freie Weglänge der 3 He-Atome kleiner als die Kugelabmessung,<br />
so verhält sich das 3 He-System wie eine viskose Flüssigkeit,<br />
d.h. der lineare Dämpfungskoeffizient ergibt sich aus der in Abschnitt<br />
1.1.1 angegebenen Stokes’schen Formel (1.3). Diese Gleichung<br />
läßt sich nach der Viskosität η auflösen<br />
η =<br />
6π R<br />
λ<br />
<br />
1 + R<br />
≈<br />
δ(η)<br />
λ<br />
6π R<br />
(1.34)<br />
und so zur Bestimmung der Viskosität aus den experimentell bestimmbaren<br />
Dämpfungswerten nutzen, sofern die Eindringtiefe δ(η)<br />
deutlich größer ist als der Kugelradius. Andernfalls ist die Abhängigkeit<br />
der Eindringtiefe von der Viskosität<br />
zu berücksichtigen.<br />
δ(η) =<br />
<br />
2η<br />
ρω<br />
1.4.3 Viskosität und freie Weglänge<br />
Bei bekannter Viskosität kann über die Beziehung<br />
(1.35)<br />
η = 1<br />
5 ρ3v3l (1.36)<br />
(vgl. [29]) die freie Weglänge l der 3 He-Atome berechnet werden:<br />
l(η) = 5η<br />
ρ3v3<br />
(1.37)<br />
Die freie Weglänge läßt sich auch über Teilchendichte und Streuquerschnitt<br />
der 3 He-Atome ausdrücken [29]<br />
l = (n3σ3) −1 ∝ (x3 σ3) −1 σ3 : Streuquerschnitt , (1.38)
1.5 Begriffe aus der Zuverlässigkeitstheorie 39<br />
so daß man schließlich unter Verwendung der Teilchendichte<br />
n3 = ρ3<br />
m ∗ 3<br />
und der 3 He-Dichte (1.32) den Streuquerschnitt der 3 He-Atome<br />
erhält.<br />
σ(l) = m∗ 3<br />
ρ3l<br />
(1.39)<br />
1.5 Begriffe aus der Zuverlässigkeitstheorie<br />
Im Abschnitt 3.3 werden Zeitreihen der Geschwindigkeitsamplitude<br />
der Kugeloszillationen mit Methoden der Statistik, präziser der Zuverlässigkeitstheorie,<br />
untersucht. Deshalb sollen in diesem Kapitel<br />
die dort verwendeten Größen und Begriffe vorgestellt, ihre praktische<br />
Bedeutung verdeutlicht, sowie die Beziehungen der verschiedenen<br />
Größen untereinander aufgezeigt werden. Dabei ist stets vorausgesetzt,<br />
daß die betrachteten Systeme voneinander stochastisch<br />
unabhängig und identisch sind. Eine ausführlichere Darstellung dieser<br />
Thematik findet sich unter anderem in [14, 38].<br />
1.5.1 Zuverlässigkeitsfunktion<br />
Zentrale Größe bei der Untersuchung der Zuverlässigkeit von Systemen<br />
ist die sogenannte Zuverlässigkeitsfunktion P. Sie gibt an, wie<br />
viele Systeme, ausgehend von einer zu Beginn verfügbaren Anzahl,<br />
eine bestimmte Lebensdauer überstehen und enthält alle Informationen<br />
zur Lebensdauerstatistik.<br />
P(t) =<br />
# {Systeme : System lebt länger als t}<br />
# {Systeme}<br />
Diese Größe läßt sich experimentell sehr gut bestimmen, da hierfür<br />
lediglich die Lebensdauern von N Systemen zu messen sind. In die-
40 Kapitel 1. Grundlagen<br />
ser Arbeit treten dabei die Phasen laminaren bzw. turbulenten Flusses<br />
(Ereignisse) um die Kugel als ‚Systeme‘ auf. Die Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
P werden im weiteren Verlauf teilweise normiert (also<br />
P(0) = 1), teilweise als Rohdaten (P(0) = N) angegeben. Im Bereich<br />
sehr hoher Lebensdauern tragen nur noch wenige Ereignisse zur Statistik<br />
bei, so daß sich hier, bedingt durch die statistische Streuung,<br />
Abweichungen der experimentell ermittelten Daten von der tatsächlichen<br />
Wahrscheinlichkeitsverteilung ergeben. Daher werden die Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
bevorzugt nicht normiert gezeigt, um eine<br />
Bewertung der experimentellen Punkte anhand der Anzahl der jeweils<br />
eingehenden Ereignisse zu ermöglichen. Lediglich in Abbildungen,<br />
in denen ein Vergleich mehrerer Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
erfolgt, wird die normierte Darstellung verwendet.<br />
1.5.2 Ausfallrate<br />
Eine weitere wichtige Größe ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß<br />
ein bestimmtes System, das bereits eine Lebensdauer t erreicht hat,<br />
im nächsten Zeitintervall dt versagt. Diese Größe heißt Ausfallrate<br />
und wird im folgenden mit (t) bezeichnet. Da die Zuverlässigkeitsfunktion<br />
die gesamte Information der Statistik enthält, läßt sich die<br />
Ausfallrate aus ihr ableiten (vgl. dazu [14, S. 82]). Es ergibt sich die<br />
Beziehung:<br />
beziehungsweise<br />
d ln P(t)<br />
(t) = −<br />
dt<br />
⎛<br />
P(t) = exp ⎝−<br />
t<br />
0<br />
⎞<br />
(1.40)<br />
(t) dt⎠<br />
. (1.41)<br />
Diese Größe liefert wertvolle Informationen über den Zustand des<br />
Systems, ist aber nicht unmittelbar beobachtbar, nachdem es sich um<br />
eine Ausfallwahrscheinlichkeit für ein einzelnes System handelt.
1.5 Begriffe aus der Zuverlässigkeitstheorie 41<br />
1.5.3 Verteilungsdichte<br />
Anders als die Ausfallrate, welche Aussagen über einzelne Systeme<br />
macht, liefert die Verteilungsdichte die Verteilung der Lebensdauern<br />
in einer anfänglich vorhandenen Menge von Systemen. Sie gibt die<br />
Einhüllende eines Histogramms der Lebensdauern, d.h. die Anzahl<br />
(bzw. im normierten Fall den Anteil) der Systeme an, welche im Zeitintervall<br />
[t,t + dt] ausfallen. Folglich ist die Verteilungsdichte p(t)<br />
gegeben durch<br />
p(t) = − dP(t)<br />
. (1.42)<br />
dt<br />
Die Verteilungsdichte ist insbesondere nützlich, um die mittlere Lebensdauer<br />
µ der Systeme zu berechnen. Sie ergibt sich allgemein zu<br />
µ =<br />
∞<br />
0<br />
t · p(t) dt , (1.43)<br />
wobei darauf zu achten ist, daß p(t) normiert vorliegt.<br />
1.5.4 Beispiele<br />
Zur Illustration der oben eingeführten Größen, sowie zur Vorbereitung<br />
der Auswertung in Abschnitt 3.3, sollen im folgenden zwei Beispiele<br />
für in der Praxis häufig auftretende Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
vorgestellt werden.<br />
Exponentialverteilung<br />
Die Exponentialverteilung ist die in der Zuverlässigkeitstheorie wohl<br />
am häufigsten auftretende und in gewisser Hinsicht auch einfachste<br />
Verteilung. Abbildung 1.4 zeigt die charakteristischen Größen dieser<br />
Verteilung. Die ‚Einfachheit‘ der Exponentialverteilung spiegelt<br />
sich dabei in der konstanten Ausfallrate wieder, d.h. die Wahrscheinlichkeit<br />
dafür, daß ein System versagt, hängt nicht von seiner bereits<br />
erreichten Lebensdauer ab. Exponentialverteilungen findet man zum<br />
Beispiel bei der Untersuchung der Zuverlässigkeit von Glühlampen.
42 Kapitel 1. Grundlagen<br />
Für diese einfache Verteilung läßt sich die mittlere Lebensdauer<br />
der Systeme leicht berechnen. Es ergibt sich unter Verwendung von<br />
(1.43) und der Verteilungsdichte p(t) aus Abbildung 1.4<br />
p(t) = 1<br />
<br />
−t<br />
exp<br />
eine mittlere Lebensdauer von:<br />
µ =<br />
∞<br />
0<br />
t1<br />
t1<br />
t1<br />
t1<br />
t · 1<br />
<br />
−t<br />
exp dt = t1 . (1.44)<br />
Die mittlere Lebensdauer kann also sehr einfach als reziproke Steigung<br />
der Zuverlässigkeitsfunktion P(t) in halblogarithmischer Darstellung<br />
ermittelt werden (vgl. Abbildung 1.4).<br />
Weibull-Verteilung<br />
Eine weitere Klasse von Verteilungen, die in der Zuverlässigkeitstheorie<br />
von großer Bedeutung sind, ist die der Weibull-Verteilungen.<br />
Die entsprechende Zuverlässigkeitsfunktion lautet<br />
P(t) = exp<br />
<br />
− tn<br />
t n w<br />
<br />
, n = 1,2,3, . . . .<br />
Somit stellt die Exponentialverteilung einen Sonderfall einer Weibull-Verteilung<br />
für n = 1 dar. Hier soll als weiteres Beispiel die Weibull-Verteilung<br />
mit n = 2 betrachtet werden. Abbildung 1.5 zeigt<br />
die zugehörigen charakteristischen Größen und Skizzen ihrer Zeitabhängigkeit.<br />
Die Zuverlässigkeitsfunktion besitzt in der halblogarithmischen<br />
Darstellung die Form einer Parabel. Die Ausfallrate der<br />
Systeme ist im Gegensatz zur Exponentialverteilung nicht mehr unabhängig<br />
von deren Lebensdauer, sondern ist proportional zu ihr,<br />
d.h. je älter ein System, umso größer die Wahrscheinlichkeit eines<br />
Ausfalls. Die Verteilungsdichte der Lebensdauern zeigt ein im ersten<br />
Moment unerwartetes Verhalten. Für kleine Lebensdauern steigt<br />
die Kurve p(t) bei Null beginnend linear an, wie es der Zunahme
1.5 Begriffe aus der Zuverlässigkeitstheorie 43<br />
der Ausfallrate entspricht, dann läuft sie jedoch über ein Maximum<br />
und geht für sehr lange Lebensdauern wieder gegen Null. Dies erklärt<br />
sich dadurch, daß stets eine Gesamtheit von Systemen betrachtet<br />
wird und nur sehr wenige Systeme derartig hohe Lebensdauern<br />
erreichen. Folglich können nicht mehr viele in diesem Bereich versagen.<br />
Die mittlere Lebensdauer von Systemen mit Weibull-verteilter<br />
Lebensdauer kann ebenfalls analytisch bestimmt werden. Es ergibt<br />
sich (vgl. [14]):<br />
µ = t 1/n<br />
w<br />
<br />
1 + 1<br />
<br />
n=2 √<br />
= tw<br />
n<br />
√ 2<br />
2 .<br />
Weibull-Verteilungen finden sich beispielsweise bei der Untersuchung<br />
der Lebenserwartung von Kohleöfen oder Termiten, bei<br />
der Analyse der Zuverlässigkeit elektronischer Geräte [14], des Auftretens<br />
von Autoimmunerkrankungen beim Menschen [38] oder<br />
bei Untersuchungen der Durchbruchspannungen von Ölisolationen<br />
[21]. Außerhalb des Gebiets der Zuverlässigkeitstheorie findet man<br />
Weibull-Verteilungen in den unterschiedlichsten Anwendungen, wie<br />
der Belastbarkeit von Stahlbauteilen, Größe von Aschepartikeln, der<br />
Körpergröße von Männern auf den britischen Inseln [55] oder der<br />
Verteilung von Windgeschwindigkeiten.
44 Kapitel 1. Grundlagen<br />
Größe grafische Darstellung<br />
<br />
−t<br />
P(t) = exp<br />
p(t) = 1<br />
(t) = 1<br />
t1<br />
t1<br />
t1<br />
<br />
−t<br />
exp<br />
t1<br />
1<br />
0<br />
0<br />
0<br />
Abbildung 1.4: Zuverlässigkeitsfunktion, Ausfallrate und Verteilungsdichte<br />
für exponentiell verteilte Lebensdauern. Beeindruckendstes<br />
Merkmal der Exponentialverteilung ist die konstante, d.h. nicht<br />
von der bereits erreichten Lebensdauer des Systems abhängige, Ausfallrate.<br />
t<br />
t<br />
t
1.5 Begriffe aus der Zuverlässigkeitstheorie 45<br />
Größe grafische Darstellung<br />
2 −t<br />
P(t) = exp<br />
p(t) = 2<br />
t 2 w<br />
(t) = 2<br />
t 2 w<br />
t 2 w<br />
t<br />
2 −t<br />
t exp<br />
t2 <br />
w<br />
1<br />
0<br />
0<br />
0<br />
Abbildung 1.5: Zuverlässigkeitsfunktion, Ausfallrate und Verteilungsdichte<br />
für Weibull-verteilte Lebensdauern (n = 2).<br />
t<br />
t<br />
t
46 Kapitel 1. Grundlagen
Kapitel 2<br />
Eine Theorie — das ist eine<br />
gute Sache, aber ein<br />
ordentliches Experiment<br />
bleibt einem für immer<br />
Experimenteller Aufbau<br />
P. L. Kapitza<br />
Bei der Mehrzahl von Experimenten, in denen die Strömung von<br />
Flüssigkeiten untersucht wird, stellt sich das Problem der Randbedingungen<br />
(z.B. bei Rohrströmungsexperimenten) und der Aufhängung<br />
des Probenkörpers. Dabei ist sicherzustellen, daß diese die<br />
Strömungsverhältnisse in der Flüssigkeit nicht, oder zumindest nicht<br />
wesentlich, beeinflußt. Die hier vorgestellte experimentelle Methode<br />
zeichnet sich durch eine vollkommen berührungslose Aufhängung<br />
des umströmten Körpers aus. Darüberhinaus erreicht sie als resonante<br />
Methode eine sehr hohe Empfindlichkeit. Verschiedene alternative<br />
Anwendungsmöglichkeiten werden unter anderem in [45] aufgeführt.<br />
Bei der Realisierung dieses experimentellen Ansatzes sind allerdings<br />
zahlreiche Aspekte zu beachten, welche im folgenden detailliert<br />
beschrieben werden sollen.<br />
2.1 Meßmethode<br />
Als Probenkörper, der von der Supraflüssigkeit umströmt wird,<br />
dient ein sphärischer Permanentmagnet (die ‚Kugel‘, vgl. auch Abschnitt<br />
2.2.1). Dieser befindet sich zwischen zwei horizontal angeord-<br />
47
48 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
neten Elektroden aus supraleitendem Niob. Aufgrund des Meißner-<br />
Ochsenfeld-Effekts [6] wird das Magnetfeld der Kugel beim Abkühlen<br />
der Elektroden unter die Sprungtemperatur der Niobelektroden<br />
(Tc ≈ 9,2 K) aus dem Inneren der Elektroden verdrängt. Der Permanentmagnet<br />
erfährt infolgedessen eine repulsive Kraft und levitiert<br />
somit in einer Gleichgewichtslage zwischen den beiden Elektroden.<br />
Hierbei bleibt jedoch eine geringe Menge magnetischen Flusses an<br />
Haftzentren im Typ II Supraleiter [6] verankert und durchdringt ihn<br />
in Form von Flußschläuchen. Diese ortsfesten Flußschläuche geben<br />
der Kugel horizontale Stabilität und verhindern ein seitliches Abdriften<br />
der Kugel (vgl. Abschnitt 2.1.1).<br />
Vor dem Abkühlen der Zelle wird die Kugel mit einer elektrostatischen<br />
Oberflächenladung von typisch q ≈ 1 pC versehen, so daß<br />
sie im levitierenden Zustand durch das Anlegen eines elektrischen<br />
Feldes E = U/d und damit einer Kraft F = qE aus ihrer Ruhelage<br />
ausgelenkt und so zu Schwingungen um ihre Gleichgewichtslage angeregt<br />
werden kann. Da die durch die magnetische Abstoßung verursachten<br />
Rückführkräfte nichtlinear sind, ist die Schwingung der Kugel<br />
nicht harmonisch. Insbesondere treten im Frequenzspektrum der<br />
Schwingung höhere Harmonische der Grundfrequenz auf und die<br />
Resonanzfrequenz weist im allgemeinen eine Amplitudenabhängigkeit<br />
auf (vgl. [42, 23, 32]). Die Resonanzfrequenz f = ω/2π wird bei<br />
der Präparation festgelegt und liegt typischerweise im Bereich von<br />
100–300 Hz. Die Verschiebung infolge von Amplitudenänderungen<br />
während der Durchführung des Experiments beträgt etwa 1–2 % ihres<br />
Absolutwertes. Die nicht konstante Resonanzfrequenz erfordert<br />
bei jeder Änderung der Schwingungsamplitude eine Nachregelung<br />
der Frequenz der antreibenden Kraft mit Hilfe einer Phasenregelschleife<br />
(vgl. Abschnitt 2.3.4).<br />
Die auf diese Weise in Oszillationen versetzte geladene Kugel<br />
stellt nunmehr eine bewegte Ladung im Plattenkondensator dar und<br />
induziert als solche Verschiebungsströme I = vq/d in den Zuleitungen,<br />
welche mit einem Elektrometerverstärker (s. Abschnitt 2.3.2) in<br />
Spannungen umgewandelt und mit einem Wechselspannungsvoltmeter<br />
gemessen werden. Ein nachgeschalteter PC dient zur Auf-
2.1 Meßmethode 49<br />
v Kugel c Kugel (bel. Einh.)<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
-4<br />
-6<br />
-8<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Zeit (ms)<br />
Abbildung 2.1: Bewegung der Kugel während der Aufladung durch<br />
eine Hochspannung am Kondensator. Aufgetragen ist die zeitliche<br />
Entwicklung des Produkts aus elektrischer Ladung der Kugel und<br />
Bewegungsgeschwindigkeit in beliebigen Einheiten. Die Flugphasen<br />
der Kugel sind als relativ langgesteckte Geraden erkennbar. Die Nulldurchgänge<br />
der Geschwindigkeit während der Flugphasen deuten<br />
auf ein elastisches Stoßen der Kugel mit einer Elektrode ohne Umladen<br />
hin.<br />
zeichnung der zeitlichen Veränderung der Geschwindigkeitsamplitude<br />
der Kugeloszillationen.<br />
2.1.1 Präparation des Experiments<br />
Zu Beginn des Experiments ist eine Präparation des Schwebezustandes<br />
der Kugel (des sogenannten ‚Oszillators‘) erforderlich. Durch<br />
diese Prozedur wird einerseits die Kugel mit der notwendigen Ladung<br />
versehen, andererseits der im Supraleiter eingefrorene magnetische<br />
Fluß, und somit die Untergrunddämpfung, festgelegt. Es hat<br />
sich gezeigt, daß das Gelingen des Experiments ganz wesentlich von
50 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
der Qualität des erzeugten Levitationszustandes abhängt. Erst eine<br />
große Oberflächenladung der Kugel ( 1 pC) ermöglicht eine bequeme<br />
Messung, da das Verhältnis zwischen kapazitivem Übersprechen<br />
und Meßsignal mit dem Quadrat der Ladung der Kugel wächst<br />
(vgl. Gleichung 2.4). Noch wichtiger ist die Tatsache, daß eine Vielzahl<br />
grundlegender Eigenschaften der Kugelschwingungen festgelegt<br />
wird. Dazu gehört neben der der Resonanzfrequenz und ihrer<br />
Abhängigkeit von der Schwingungsamplitude (die sogenannte ‚Skelettkurve‘),<br />
welche durch Betrag und Nichtlinearität der Rückführkraft<br />
gegeben sind, auch die Bedämpfung der Oszillationen durch<br />
dissipative Effekte im Supraleiter und die maximal mögliche Amplitude<br />
der Oszillationen. Diese Eigenschaften werden von der Anzahl<br />
der im Supraleiter verankerten magnetischen Flußlinien, beziehungsweise<br />
der Stärke ihrer Verankerung, bestimmt.<br />
Während sich die Elektroden des Kondensators im normalleitenden<br />
Zustand befinden, wird eine hohe Gleichspannung von ungefähr<br />
±800 V an die untere Elektrode des Niobkondensators angelegt.<br />
Dies führt dazu, daß die Kugel, welche auf der unteren Elektrode<br />
liegt, sich elektrostatisch auflädt und dann aufgrund der dadurch<br />
entstehenden Abstoßung in Richtung der oberen Elektrode beschleunigt<br />
wird. Ist die am Kondensator anliegende Spannung ausreichend<br />
groß, so erreicht die Kugel die obere Elektrode, kann dort ihre Ladung<br />
abgeben und kehrt dann zur unteren Elektrode zurück, wobei<br />
sie eine elektrische Ladung mit umgekehrtem Vorzeichen trägt.<br />
Diese Bewegung der geladenen Kugel kann mit Hilfe des Elektrometerverstärkers<br />
(vgl. 2.3.2) detektiert werden, entsprechende Beispiele<br />
sind in den Abbildungen 2.1 und 2.2 zu sehen. Deutlich zu erkennen<br />
sind die Flugphasen der Kugel als langgezogene Geraden (‚Fluggeraden‘)<br />
sowie die Strompulse, welche beim Umladen der Kugel an<br />
der Oberfläche der Kondensatorelektroden entstehen. Nachdem bei<br />
jedem Umladevorgang sowohl das Vorzeichen der Ladung wie auch<br />
das der Geschwindigkeit wechselt, hat die Steigung der Fluggeraden<br />
stets das selbe Vorzeichen und es läßt sich das Vorzeichen der angelegten<br />
Hochspannung daraus ermitteln (vgl. Abbildung 2.3).<br />
Nach jedem Umladevorgang startet die Kugel zunächst mit kleiner<br />
Geschwindigkeit (je nachdem, ob es an der Elektrode zu einem
2.1 Meßmethode 51<br />
v Kugel c Kugel (bel. Einh.)<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
0 5 10 15 20 25<br />
Zeit (ms)<br />
Abbildung 2.2: Bewegung der Kugel während der Aufladung durch<br />
eine positive Hochspannung an der unteren Elektrode. Deutlich<br />
sichtbar sind die starken Pulse zwischen den einzelnen Flugphasen,<br />
welche durch den vollständigen Umladungsvorgang verursacht<br />
werden. Die unterschiedlichen Absolutgeschwindigkeiten ergeben<br />
sich durch teilelastische Stöße an den Elektroden.<br />
teilelastischen Stoß kommt oder nicht), wird aber dann durch das<br />
elektrische Feld im Kondensator beschleunigt, d.h. der Betrag der<br />
Geschwindigkeit nimmt zu. Nimmt man an, daß die untere Elektrode<br />
positiv geladen ist, so ergibt sich ein wegen der Beschleunigung<br />
der Kugel zunehmender positiver Strom am Eingang des invertierenden<br />
Elektrometerverstärkers, und somit ein zunehmend negatives<br />
Meßsignal. Man erhält also fallende Fluggeraden wie den Abbildungen<br />
2.1 und 2.2. Umgekehrt liegen die Verhältnisse bei Anlegen<br />
einer negativen Spannung an die untere Elektrode. In diesem Fall<br />
führt die selbe Überlegung zu ansteigenden Fluggeraden.<br />
Nun werden die Elektroden des Supraleiters unterhalb Tc abgekühlt<br />
und der einsetzende Meißner-Ochsenfeld-Effekt führt zu einer<br />
Verdrängung des Magnetfeldes der Kugel aus den nun supraleiten-
52 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Abbildung 2.3: Aus dem Vorzeichen des gemessenen Stromes bzw.<br />
dem Vorzeichen der Steigungen der Fluggeraden in den Abbildungen<br />
2.1 und 2.2 läßt sich das Vorzeichen der angelegten Hochspannung<br />
ableiten. Dabei ist lediglich zu beachten, daß das Meßsignal<br />
durch den Elektrometerverstärker nochmals invertiert wird. Ansteigende<br />
Fluggeraden ergeben sich für negative Spannungen an der unteren<br />
Elektrode, abfallende für positive Spannungen.<br />
den Elektroden des Kondensators. Damit ergibt sich eine abstoßende<br />
Kraft zwischen der Kugel und den Elektroden, und die Kugel levitiert<br />
in einer Gleichgewichtslage zwischen den beiden Elektroden.<br />
Die notwendige vertikale Stabilität ist durch Flußlinien gegeben, die<br />
im Supraleiter an Haftzentren verankert sind. Durch die bei den Oszillationen<br />
der Kugel modulierten Abschirmströme im Supraleiter<br />
werden jedoch die Flußschläuche in den Haftzentren etwas bewegt,<br />
wodurch Energie dissipiert wird. Untersuchungen zu diesem Effekt<br />
unter Verwendung unterschiedlicher Elektrodenmaterialien sind in<br />
[18, 17] und [19, 16, 40, 22] zu finden. Diese Untergrunddämpfung<br />
durch dissipative Effekte im Supraleiter gilt es möglichst gering zu<br />
halten, da sie die Auflösung des Experiments bei Messungen im<br />
suprafluiden Helium bei sehr tiefen Temperaturen ( T 100 mK)<br />
begrenzt. Es ist folglich nötig einen Kompromiß zwischen geringer<br />
Dämpfung und ausreichender horizontaler Stabilität zu finden. Hierfür<br />
hat es sich als günstig erwiesen die Abkühlung der Elektroden<br />
langsam über mehrere Stunden hinweg durchzuführen. Ein rasches<br />
Abkühlen führt tendenziell zu stärkerer Dämpfung bzw. zu nicht anregbaren<br />
Oszillatoren, vermutlich infolge mangelnder Ladung oder
2.1 Meßmethode 53<br />
ungenügender horizontaler Stabilität. Es ist nicht erforderlich, daß<br />
die Kugel während des Abkühlvorgangs permanent die beschriebenen<br />
periodischen Umladezyklen durchläuft. Sehr vorteilhaft für das<br />
Gelingen der Präparation ist eine Reinigung der Niobelektroden im<br />
Ultraschallbad, insbesondere wenn festzustellen ist, daß die Umladevorgänge<br />
nur noch sehr schwer zustandekommen. Dies liegt vermutlich<br />
an einer Oxidschicht, welche sich auf den Elektroden bildet.<br />
2.1.2 Meßvorgang, Meßgrößen und Parameter<br />
Das Experiment besitzt verschiedene beeinflußbare Parameter. Zunächst<br />
ist hier die Temperatur zu nennen, welche im verwendeten<br />
Helium-Mischungskryostaten von ca. 1 K bis auf ca. 24 mK variiert<br />
werden kann. Dabei ist, wie sich herausgestellt hat, für die Untersuchung<br />
des Bereiches des intermittenten Schaltens (s. Abschnitt 3.3)<br />
überwiegend der Temperaturbereich unterhalb von 450 mK von Interesse,<br />
da bei höheren Temperaturen ein Übergang zu einem hysteretischen<br />
Verhalten zu beobachten ist, welches bereits in [25, 24,<br />
26] gefunden wurde. Darüberhinaus verschwindet bei diesen tiefen<br />
Temperaturen die normalfluide Komponente ρn, so daß sich hier der<br />
Übergang zur Turbulenz in der reinen Supraflüssigkeit untersuchen<br />
läßt.<br />
Ein weiterer Parameter ist die verwendete Amplitude der antreibenden<br />
Kraft. Diese bestimmt, in welchem Regime sich das System<br />
befindet (vgl. Abschnitt 3), also welche Strömungsform sich um die<br />
Kugel ausbildet. Dagegen ist die Frequenz der Oszillationen in der<br />
Größenordnung durch Konstruktion und Materialien der Meßzelle<br />
sowie zu einem kleineren Teil durch die Präparation des Levitationszustandes<br />
gegeben und nicht wesentlich beeinflußbar. Allerdings<br />
kann durch Anlegen einer Gleichspannung an die Meßzelle eine zusätzliche<br />
Kraft auf die Kugel ausgeübt und so deren Gleichgewichtslage<br />
verändert werden. Dies geht mit einer leichten Verschiebung der<br />
Resonanzfrequenz in der Größenordnung von bis zu 10 Hz pro 100 V<br />
einher.<br />
Meßgröße ist in jedem Fall die Schwingungsamplitude bzw. die<br />
Geschwindigkeitsamplitude der Kugelschwingung. Entsprechend
54 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
den sehr unterschiedlich starken Dämpfungsmechanismen bzw. den<br />
unterschiedlichen Anforderungen bei der Untersuchung der einzelnen<br />
Regimes kommen unterschiedliche Meßmethoden zum Einsatz.<br />
Freie Zerfälle<br />
Der Oszillator wird zu Schwingungen angeregt, wobei nicht notwendigerweise<br />
die stabile Resonanzamplitude erreicht werden muß.<br />
Beim Erreichen einer ausreichend großen Amplitude wird die antreibende<br />
Kraft abgeschaltet und der nun folgende Zerfall der freien<br />
Schwingung unter dem Einfluß der Dämpfung aufgezeichnet. Dieser<br />
Meßmodus eignet sich für das Regime linearer Dämpfung (siehe<br />
Abschnitt 3.1) und für hohe Oszillatorgüten, also lange Zerfallszeiten.<br />
Bei zu kurzen Zerfallszeiten (τ 5 s) ergeben sich Probleme mit<br />
der Integrationszeit des Wechselspannungsvoltmeters. Im Fall linearer<br />
Dämpfung, also für hinreichend kleine Amplituden, erhält man<br />
eine exponentiell zerfallende Schwingungsamplitude.<br />
I(t) ∝ v(t) = v0 e −t/τ = v0 e −λt/2m . (2.1)<br />
Aus einer zeitaufgelösten Messung läßt sich somit unmittelbar der<br />
laminare Dämpfungskoeffizient λ ermitteln.<br />
Getriebene Messung<br />
Die antreibende Kraft wird stets in Resonanz mit den Kugeloszillationen<br />
gehalten und jeweils der stationäre Gleichgewichtswert ermittelt,<br />
der sich für eine gegebene antreibende Kraft bei der jeweiligen<br />
Bedämpfung der Oszillationen einstellt. Im linearen Regime ergibt<br />
sich einerseits gemäß Gleichung 1.22<br />
v(F) = 1<br />
F ,<br />
λ
2.1 Meßmethode 55<br />
und andererseits folgt aus dem später in Abschnitt 2.3.2 , Seite 70<br />
begründeten Zusammenhang (2.17) zwischen Geschwindigkeit v der<br />
Kugel und Meßsignal I:<br />
v(F) = d<br />
q<br />
I(F) und F = q<br />
d Uac . (2.2)<br />
Damit läßt sich bei bekannter Ladung der Kugel der lineare Dämpfungskoeffizient<br />
bestimmen zu:<br />
λ =<br />
<br />
q<br />
2 Uac<br />
d I<br />
(2.3)<br />
Dieser Modus ist besonders für höhere Dämpfungen (und damit<br />
kürzere Zeitkonstanten) sinnvoll, da sich dann kurze Wartezeiten<br />
für die Einstellung der Gleichgewichtsamplitude ergeben. Damit ergänzt<br />
dieser Modus im laminaren Bereich in hervorragender Weise<br />
die Messungen an freien Zerfällen. Im nichtlinearen Regime hingegen<br />
stellt die getriebene Messung die einzige Möglichkeit dar, eine<br />
v(F) Beziehung zu ermitteln, welche dann verwendet werden kann,<br />
um Rückschlüsse auf die nichtlineare Dämpfung zu ziehen (vgl. Abschnitt<br />
3.2).<br />
Zeitreihen<br />
Eine Variante der getriebenen Messung wird bei den Messungen im<br />
Regime des intermittenten Schaltens angewendet. Allerdings wird<br />
hier nicht der Gleichgewichtswert der Geschwindigkeitsamplitude<br />
registriert, sondern vielmehr eine relativ hoch aufgelöste Zeitreihe<br />
von typischerweise 10 Meßwerten pro Sekunde aufgezeichnet.<br />
Die Aufzeichnungsdauer ist stark abhängig von der Schalthäufigkeit<br />
zwischen laminarem und turbulentem Fluß und liegt zwischen<br />
wenigen Stunden z.B. in der Mitte des Intermittenzbereichs und bis<br />
zu 24 Stunden bei Messungen am Rande des Intermittenzbereichs,<br />
wo die Schaltvorgänge seltener auftreten (vgl. Abschnitt 3.3). Bei diesen<br />
Messungen ist die Nachregelung der Frequenz der antreibenden
56 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Kraft (s. Abschnitt 2.3.4) von besonderer Bedeutung, da sich die Amplitude<br />
der Kugelschwingung innerhalb von etwa 5 s um bis zu 50 %<br />
ändern kann.<br />
Die so aufgezeichneten Zeitreihen werden ausgewertet, indem<br />
diejenigen Punkte bestimmt werden, an welchen die Flüssigkeit von<br />
laminarer Strömung in turbulente Strömung umschaltet, bzw. umgekehrt.<br />
Daraus werden sodann die Lebensdauern der laminaren<br />
bzw. turbulenten Phasen ermittelt sowie die während der laminaren<br />
Phasen erreichte maximale Geschwindigkeitsamplitude der Kugeloszillationen<br />
ausgewertet. Um diese aufgrund der hohen Anzahl<br />
von Schaltvorgängen äußerst aufwendige Analyse zu automatisieren,<br />
wird die Ableitung der Zeitreihe betrachtet und anhand der Vorzeichenwechsel<br />
die Extrema ermittelt. In der Praxis ist diese Aufgabe<br />
mit diesem einfachen Ansatz aber nicht zuverlässig zu lösen,<br />
da es aufgrund von Signalrauschen in Verbindung mit nahezu konstanter<br />
Geschwindigkeitsamplitude zu Fehlinterpretationen kommt,<br />
welche das Resultat der Analyse schwerwiegend verfälschen und somit<br />
unbrauchbar machen. Daher wurde das oben erwähnte Verfahren<br />
der Extremalwertsuche in [30] stark verfeinert und so modifiziert,<br />
daß insbesondere die zwangsläufig auftretenden Phasen konstanter<br />
Amplitude keine Fehlinterpretationen mehr verursachen. Dazu wird<br />
die Eigenschaft der Zeitreihen ausgenutzt, daß sich die Steigung des<br />
Graphen jeweils in den Schaltpunkten plötzlich sehr stark ändert.<br />
Der Zeitreihe wird lokal eine ansteigende (bei der Maximumsuche)<br />
bzw. abfallende (bei der Minimumsuche) Gerade überlagert und somit<br />
die zu analysierende Kurve ‚gekippt‘. Damit wird die Gefahr von<br />
Fehlinterpretationen nahezu eliminiert. In der Praxis hat sich der in<br />
[30] beschriebene Algorithmus als sehr zuverlässig erwiesen.<br />
2.1.3 Ladungsbestimmung<br />
Wie im Abschnitt 2.1.1 gesehen, wird die Kugel bei der Präparation<br />
des Levitationszustandes mit einer elektrischen Ladung versehen.<br />
Die Größe der aufgebrachten Ladung entzieht sich dabei einer exakten<br />
Kontrolle, da sie von nicht beeinflußbaren Parametern, wie oxidierter<br />
Elektrodenoberfläche etc., abhängig ist. Ebenso besteht bei je-
2.1 Meßmethode 57<br />
dem Einkondensieren des Heliums in die Meßzelle die Möglichkeit,<br />
daß mit dem Helium geladene Fremdkörper in die Zelle gelangen<br />
und dort von der Kugel elektrostatisch angezogen werden, wodurch<br />
sich die Ladung der Kugel verringert. Bei der Auswertung der Meßdaten<br />
spielt die Ladung der Kugel jedoch eine wichtige Rolle. Insbesondere<br />
erhält man bei der getriebenen Messung (s. Abschnitt 2.1.2)<br />
aus Gleichung (2.3)<br />
I(Uac) = q2<br />
d 2 λ Uac , (2.4)<br />
eine quadratische Abhängigkeit des gemessenen Wertes von der Ladung<br />
der Kugel. Daher ist es erforderlich, die Ladung möglichst exakt<br />
zu bestimmen. Dies läßt sich durch einen Vergleich der Resultate<br />
der getriebenen Messung im linearen Regime und einem freien Zerfall<br />
bewerkstelligen. Dazu löst man Gleichung 2.4 nach der Kugelladung<br />
q auf<br />
<br />
q =<br />
d 2 λ I<br />
Uac<br />
, (2.5)<br />
setzt den linearen Reibungskoeffizienten, wie er aus dem freien Zerfall<br />
gemäß Gleichung 2.1 bestimmt werden kann, ein und verwendet<br />
das Verhältnis I/Uac, das sich aus einer Reihe getriebener Messungen<br />
bei unterschiedlichen Werten für Uac im linearen Regime ergibt.<br />
Voraussetzung ist dabei, daß in beiden Messungen die Temperatur<br />
der Meßzelle konstant bleibt, da der lineare Dämpfungskoeffizient λ<br />
stark temperaturabhängig ist (vgl. Abschnitt 1.2.1).<br />
2.1.4 Herstellung von 3 He- 4 He-Mischungen<br />
Im Abschnitt 3.4 wird die Viskosität von 3 He- 4 He-Mischungen sowie<br />
der Einfluß von 3 He-Verunreinigungen auf den Übergang zwischen<br />
laminarer und turbulenter Strömung untersucht. Hierfür ist es erforderlich,<br />
definierte 3 He- 4 He-Mischungen herzustellen. Zu diesem<br />
Zweck wird ein Mischbehälter mit einem Volumen von 5 ℓ verwendet,<br />
an welchen zwei Absolutdruckmeßgeräte (Wallace & Tiernan)<br />
mit einem Gesamttotvolumen von 3,85 ℓ angeschlossen sind. Damit<br />
ist eine Ablesung im Bereich von 0 torr bis über Atmosphärendruck
58 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
tatsächliche Zielkonzentration<br />
0,01<br />
1E-4<br />
1E-6<br />
1E-8<br />
c( 3 He) = 2e-7<br />
c( 3 He) = 1e-9<br />
völlig reines He-4<br />
1E-13 1E-11 1E-9 1E-7 1E-5 1E-3<br />
theoretische Zielkonzentration<br />
Abweichung vom Zielwert in %<br />
10<br />
1<br />
0,1<br />
0,01<br />
1 10 100 1000 10000<br />
Zielkonzentration / Konzentration des Mischungsmediums<br />
Abbildung 2.4: Verdünnung von 3 He/ 4 He-Mischungen. Im linken<br />
Teilbild ist die durch sukzessives Verdünnen mit verschiedenen Medien<br />
erreichte Konzentration über der Konzentration aufgetragen,<br />
die sich für 100 % reines 4 He als Verdünnungsmedium ergeben würde.<br />
Man erkennt, daß sich Abweichungen ergeben, wenn die gewünschte<br />
Zielkonzentration vergleichbar mit der Konzentration des<br />
Verdünnungsmediums wird. Im rechten Teilbild wird dies näher<br />
quantifiziert, indem die Abweichung der Konzentration vom Sollwert<br />
über dem Verhältnis von gewünschter Zielkonzentration und<br />
Konzentration des Mischungsmediums aufgetragen wird.<br />
(760 torr) mit einer Genauigkeit von 1 torr möglich. Zusätzlich stellt<br />
das zweite Manometer einen Feinmeßbereich von 0 torr bis 20 torr<br />
mit einer Zehntelteilung zur Verfügung, so daß kleine Drücke mit<br />
sehr hoher Präzision gemessen werden können. Dem Behälter kann<br />
über ein Ventilsystem wahlweise reines 3 He, reines 4 He (mit einer<br />
garantierten Reinheit von 99,999 999 9 %) oder natürliches 4 He aus<br />
einer handelsüblichen Druckflasche zugeführt werden. Zur Erzeugung<br />
definierter Mischungen wird das Gefäß evakuiert, so daß der<br />
Feinmeßbereich des zweiten Manometers verwendet werden kann,<br />
und dann wenige Torr 3 He zugefügt. Anschließend wird mit natürlichem<br />
Helium bis etwa auf Atmosphärendruck aufgefüllt. Daraufhin<br />
wird der Behälter erneut teilweise evakuiert und erneut mit natürlichem<br />
Helium gefüllt und so durch sukzessives Verdünnen die gewünschte<br />
Konzentration eingestellt. Hierbei ergibt sich jeweils die
2.1 Meßmethode 59<br />
neue 3 He-Konzentration cn nach dem Auffüllen aus der Ausgangskonzentration<br />
ca beim Druck pa bis zum Enddruck pn nach folgender<br />
Beziehung:<br />
cn = paca + (pn − pa)cv<br />
pn<br />
, (2.6)<br />
wobei cv die 3 He-Konzentration des Verdünnungsmediums angibt.<br />
Im Falle des reinen 4 He beträgt diese cv = 1 · 10 −9 im Falle des natürlichen<br />
Heliums cv ≈ 2 · 10 −7 . In Abbildung 2.4 (linkes Bild) ist<br />
die durch sukzessives Verdünnen mit verschiedenen Medien erreichte<br />
Konzentration aufgetragen. Die Rechtswertachse gibt dabei den<br />
Wert an, der sich bei Verwendung von absolut reinem 4 He ergeben<br />
würde. Man erkennt deutlich, daß es bei höheren Konzentrationen<br />
völlig ausreichend ist, die Verdünnung mit natürlichem Helium vorzunehmen.<br />
Sobald jedoch die Zielkonzentration cn in der Größenordnung<br />
der 3 He-Konzentration des natürlichen Heliums liegt, entsteht<br />
eine deutliche Abweichung. Quantitativer läßt sich dies im rechten<br />
Teilbild von Abbildung 2.4 ablesen. Um einen Fehler in der Konzentration<br />
der Zielmischung von unter ca. 5 % zu erreichen, muß das<br />
Verdünnungsmedium um einen Faktor 20 sauberer sein als die gewünschte<br />
Zielmischung. Im Prinzip wäre es dennoch möglich, die<br />
Verdünnung in diesem Fall mit dem deutlich kostengünstigeren natürlichen<br />
Helium vorzunehmen und diese Abweichung bei der Konzentrationsbestimmung<br />
zu berücksichtigen. Allerdings ist dafür eine<br />
exakte Kenntnis der Zusammensetzung des zur Verdünnung verwendeten<br />
Heliums erforderlich, welche in der Regel jedoch nicht gegeben<br />
ist. Daher ist es notwendig die letzten Verdünnungsschritte<br />
mit reinem 4 He durchzuführen.<br />
Wenn verschiedene Mischungen nacheinander in der Meßzelle<br />
untersucht werden sollen, muß sichergestellt sein, daß diese hinreichend<br />
sauber ist, also insbesondere nicht zu viele 3 He-Atome beim<br />
Mischungswechsel in der Zelle verbleiben. Um dies zu gewährleisten,<br />
wird mehrmals mit der neu zu untersuchenden Mischung gespült.<br />
Die Evakuierung der Meßzelle läßt sich dabei sehr gut mit der
60 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Abbildung 2.5: Mikroskopische Aufnahmen der Kugel. Die beiden<br />
linken <strong>Bilder</strong> zeigen die Oberfläche der Kugel, während das dritte<br />
Bild als Durchlichtaufnahme eine sehr gute Äquatorialansicht der<br />
Kugel liefert. (Fotos von M. Zitzlsperger)<br />
oszillierenden Kugel überwachen (vgl. [30]), da die Bedämpfung der<br />
Oszillationen stark mit dem Restgasdruck in der Zelle variiert<br />
p = (λ − 6πηr 2 )<br />
kBT<br />
36π 3 R 4 ηm4 f<br />
2.2 Aufbau der Meßzelle<br />
, η = 1,2 · 10 −6 Pa s . (2.7)<br />
Die Meßzelle besteht aus mehreren Teilen. Das Kernstück besteht aus<br />
einem kugelförmigen Permanentmagneten, der sich in dem aus Niob<br />
und Glas gefertigten supraleitenden Kondensator befindet. Dieser<br />
wiederum ist in einem mit Helium befüllbaren Behälter am Boden<br />
der Mischkammer eines Verdünnungskryostaten befestigt. Um eine<br />
bessere Wärmeankopplung zu erreichen, wird eine Kupferplatte<br />
mit beidseitig eingelassenem Sintermaterial als Mischkammerboden<br />
verwendet. Für die Experimente mit der radioaktiven Quelle (s. Abschnitt<br />
3.3.3) ist darüber hinaus eine geeignete Aufhängung zur Aufnahme<br />
der Quelle außerhalb des Kryostaten erforderlich.
2.2 Aufbau der Meßzelle 61<br />
2.2.1 Die Kugel<br />
Damit die Kugel später über dem Supraleiter levitieren kann, ist es<br />
notwendig sie aus ferromagnetischem Material herzustellen. Wegen<br />
seiner relativ hohen Magnetisierung wurde SmCo5 als Material ausgewählt,<br />
wie es auch als Permanentmagnet in hochwertigen Lautsprechersystemen<br />
zum Einsatz kommt. Die sphärische Form wurde<br />
dadurch erhalten, daß ein kleines Stück des Materials in einer<br />
mit Druckluft betriebenen Kugelmühle ausreichend lange bearbeitet<br />
wurde. Abbildung 2.5 zeigt ein stark vergrößertes Bild der in<br />
dieser Arbeit eingesetzten Kugel. Sie wurde von J. Jäger hergestellt<br />
und auch bereits für einen Teil der Messungen in [24] verwendet. Als<br />
Masse der Kugel wird dort m = (27 ± 0,5) µg angegeben. Der Kugelradius<br />
wurde unter Annahme einer idealen sphärischen Form unter<br />
Verwendung der vom Hersteller des Materials angegebenen Dichte<br />
(ρ = 5,1 · 10 3 kg/m 3 ) zu 108 µm bestimmt. Im Verlauf der vorliegenden<br />
Arbeit wurde der Kugelradius durch Anpassung der im laminaren<br />
Regime gewonnenen temperaturabhängigen Dämpfungswerte<br />
an die theoretischen Werte (s. Abschnitt 1.2.1) erneut bestimmt.<br />
Hierbei ergab sich ein etwas höherer Wert von R = 124 µm. Eine<br />
ebenfalls durchgeführte Messung der Kugelgröße mit Hilfe eines Mikroskops<br />
lieferte einen Radius von R = (124 ± 4) µm, in perfekter<br />
Übereinstimmung zum hydrodynamisch ermittelten Wert.<br />
Die Aufnahmen in Abbildung 2.5 wurden mit Hilfe eines stereoskopischen<br />
Auflichtmikroskops gewonnen. Leider ist jedoch nur eine<br />
monookulare Aufzeichnung des Bildes möglich, so daß die Reproduktion<br />
das wirkliche Bild nur äußerst unzureichend wiedergeben<br />
kann. Bei direkter Betrachtung durch das Mikroskop erscheint<br />
die Kugel sehr schön rund, besitzt allerdings eine relativ rauhe Oberfläche.<br />
Der optische Eindruck entspricht etwa einem aus Alufolie gekneteten<br />
Kügelchen von ca. 2 cm Durchmesser. Was sich bereits im<br />
mittleren Bild in Abbildung 2.5 andeutet, bestätigt die Phasenkontrastaufnahme<br />
im dritten Teilbild, welche ein sehr schönes Bild vom<br />
Äquator der Kugel liefert. Offenbar ist die Kugel nicht perfekt sphärisch<br />
und besitzt darüberhinaus eine etwas zerklüftete Stelle mit einer<br />
außergewöhnlich tiefen ‚Schlucht‘ und mehreren kleinen ‚Gebir-
62 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Abbildung 2.6: Bild der inneren Komponenten der Meßzelle. Die untere<br />
Elektrode ist als 1 mm Erhöhung mit 2 mm Durchmesser über<br />
der Niob-Basisplatte ausgeführt. Über diese Erhöhung ist das Glasröhrchen<br />
geschoben, welches den Abstandshalter für die obere Elektrode<br />
bildet. Die obere Elektrode ist als Deckel ausgeführt, um die<br />
Kugel sicher im Inneren der Meßzelle zu halten und die spätere Montage<br />
im äußeren Zellenhalter zu erleichtern. Im Kondensator ist die<br />
ferromagnetische Kugel zu erkennen. Zum Größenvergleich ist links<br />
ein handelsübliches Streichholz abgebildet.<br />
gen‘ in der Nähe. Die Ursachen für diese Imperfektionen sind in der<br />
Produktionsmethode der Kugel sowie möglicherweise auch in Inhomogenitäten<br />
des Ausgangsmaterials zu suchen.<br />
2.2.2 Meßzelle<br />
Die Meßzelle wurde aus reinem Niob gefertigt, das lediglich ca. 0,2 %<br />
metallische Verunreinigungen besitzt. Versuche mit noch reinerem<br />
Elektrodenmaterial waren in der Vergangenheit nicht erfolgreich [24,<br />
S. 3]. Eine maßstabsgetreue schematische Zeichnung der Meßzelle ist<br />
in Abbildung 2.7 zu sehen. Als Abstandshalter zwischen oberer und<br />
unterer Elektrode dient ein Quarzglasrohr, welches gleichzeitig verhindert,<br />
daß die Kugel den Raum zwischen den beiden Kondensatorplatten<br />
verlassen kann. Quarzglas wurde deswegen als Material
2.2 Aufbau der Meßzelle 63<br />
für den Abstandshalter gewählt, weil es im Vergleich zu den meisten<br />
Kunststoffen einen geringen Anteil von Kernen mit magnetischem<br />
Moment besitzt. Diese Kernmomente könnten möglicherweise<br />
durch die oszillierende ferromagnetische Kugel angeregt werden,<br />
wodurch unerwünschte Energiedissipation verursacht würde. Außerhalb<br />
des Glasrohres befindet sich eine ebenfalls aus Niob gefertigte<br />
Abschirmung, welche einerseits störende magnetische Einflüsse<br />
vom Inneren der Meßzelle abhalten und andererseits das im Kondensator<br />
in vertikaler Richtung linear zunehmende elektrische Potential<br />
auch im Außenbereich nachbilden, und damit Feldverzerrungen<br />
am Rand des Kondensators reduzieren soll. Um dies zu erreichen,<br />
besteht die Schirmung aus zwei voneinander isolierten und übereinander<br />
angeordneten Niobringen, die sich jeweils auf dem selben<br />
Potential wie die untere bzw. obere Kondensatorelektrode befinden.<br />
Die Schirmung wurde ebenso wie die übrige Zelle daraufhin optimiert,<br />
daß alle Kunststoffteile möglichst weit von der Kugel entfernt<br />
sind. Das geringe Spaltmaß zwischen den beiden Teilen der Abschirmung<br />
stellt sicher, daß Spannungsdurchbrüche, wie sie bei ungenügend<br />
evakuierter Zelle bei der Präparation des Levitationszustandes<br />
(s. Abschnitt 2.1.1) auftreten können zuerst hier geschehen, so daß<br />
der dabei auftretende relativ hohe Ladungsfluß unmittelbar in den<br />
geerdeten Schutzring abfließt und somit der empfindliche Elektrometerverstärker<br />
(s. Abschnitt 2.3.2) weniger stark gefährdet ist.<br />
Um die Zelle möglichst leicht montierbar zu machen, wurde sie<br />
in Elementbauweise realisiert. Nachdem die Kugel im Kondensator<br />
plaziert ist, können die verschiedenen Bauteile sukzessiv in die Nylonhalterung<br />
eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wird auch die<br />
obere Elektrode wie die untere lediglich über ein Kontaktblech elektrisch<br />
leitend mit der Zuleitung verbunden und nicht mit Leitsilber<br />
befestigt. Um dennoch eine ausreichende Kontaktsicherheit einerseits<br />
und Schutz des Glasrohres vor mechanischen Spannungen<br />
während der Abkühlungsphase andererseits zu erreichen, werden<br />
zusätzlich elastische Elemente aus dünnem Bronzeblech sowie dünner<br />
Niobfolie eingesetzt.
64 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Abbildung 2.7: Maßstabsgetreue Zeichnung der Meßzelle. 1: obere<br />
Elektrode (Nb), 2: untere Elektrode (Nb), 3: sphärischer Permanentmagnet<br />
(SmCo5), 4: Quarzglasrohr, 5: oberer und unterer Schirmring<br />
(Nb), 6: Schutzring (Nb), 7: elektrische Isolation (PVC), 8: untere Halterung<br />
(Nylon), 9: obere Halterung (Messing), 10: unteres Kontaktblech<br />
und elastisches Element (Bronzeblech), 0: elastisches Element<br />
(Nb-Folie), i: oberer Zuleitungsdraht mit angelötetem Kontaktblech<br />
(Bronze). Der Innendurchmesser von 8 beträgt 12 mm.<br />
2.2.3 Einbau der Meßzelle<br />
Zur Kühlung der Meßzelle auf die für die Messung erforderlichen<br />
tiefen Temperaturen von bis zu 24 mK wird diese in einen 3 He/ 4 He-<br />
Mischungskryostaten eingebaut. Die Meßzelle wird dazu in einen<br />
Behälter aus Kupfer eingesetzt, in den die in Abildung 2.7 gezeigte<br />
Nylonaufnahme (8) sowie das untere Kontaktblech (10) bereits eingeklebt<br />
sind. Darüberhinaus verfügt der Behälter über vakuumdichte<br />
Durchführungen für den Anschluß der beiden Elektroden sowie des<br />
Zellenthermometers und eine Füllkapillare, durch welche die Zelle<br />
evakuiert und mit Helium gefüllt werden kann. Der Kupferbehälter<br />
wird nach Montage der Meßzelle vakuumdicht unmittelbar am
2.2 Aufbau der Meßzelle 65<br />
Abbildung 2.8: Fotografie des an der Mischkammer angeflanschten<br />
Meßzellenhalters. Ganz unten ist der Meßzellenhalter aus Kupfer mit<br />
den Durchführungen für die beiden Elektroden des Kondensators<br />
und das Thermometer sowie der Füllkapillare zu erkennen. Darüber<br />
befindet sich die Mischkammer, abgetrennt durch den mit Sintereinsätzen<br />
(im Bild nicht sichtbar) versehenen Kupferboden.<br />
Boden der Mischkammer des Kryostaten verschraubt. Um die Temperaturankopplung<br />
zwischen Meßzelle und Mischkammer zu verbessern,<br />
wird als Mischkammerboden eine Kupferplatte verwendet,<br />
welche zur Vergrößerung der Oberfläche zusätzlich mit beidseitig<br />
eingepreßtem Sintermaterial versehen ist.<br />
2.2.4 Die radioaktive Quelle<br />
Bei den Messungen mit radioaktiver Quelle (s. Abschnitt 3.3.3) wird<br />
eine 60 Co-Quelle in Höhe der Meßzelle außerhalb des Heliumdewars<br />
angebracht. Das stabförmige Gehäuse der Quelle wird hierfür in ein
66 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Kunststoffrohr passenden Durchmessers eingeschoben, welches an<br />
der entsprechenden Stelle befestigt wurde. Dadurch ist es möglich,<br />
die Quelle problemlos zu entfernen und wieder zu befestigen, ohne<br />
dabei den Montageort zu verändern. 60 Co ist ein Betastrahler, wobei<br />
aber die Elektronen der Betastrahlung nur eine Maximalenergie von<br />
0,3 MeV besitzen und somit lediglich die ebenfalls emittierte Gammastrahlung<br />
den Mantel des Heliumdewars aus Edelstahl bzw. die<br />
Zellenummantelung durchdringen kann. Die Gammaquanten besitzen<br />
Energien von 1,17 MeV bzw. 1,33 MeV, so daß die Abschirmwirkung<br />
des Heliumdewars aus dünnem Edelstahl bzw. Aluminium<br />
sehr gering ist, wie auch Messungen mit einem Stahlungsmeßgerät<br />
ergeben haben: etwa 80 % der Strahlung erreicht die Meßzelle.<br />
Die Aktivität des noch sehr neuen Präparats ist vom Hersteller<br />
mit 74 kBq angegeben. Nach den Ausführungen in [34, S. 224] berechnet<br />
sich die Ortsdosisleistung (Kermaleistung) ˙K mit Hilfe der<br />
Aktivität A und der Dosisleistungskonstante δ sowie dem Abstand<br />
zur Strahlungsquelle R zu<br />
˙Kδ(R) = δ<br />
A<br />
. (2.8)<br />
R2 Die Dosisleistungskonstante wird in [34, S.227] für 60 Co bezogen auf<br />
Luft hergeleitet und beträgt<br />
δ = 0,306<br />
mGy · m2<br />
h · GBq<br />
. (2.9)<br />
Mit den Daten des Experiments (R = 15,4 cm, A = 74 kBq) ergibt<br />
sich damit die Kermaleistung der radioaktiven Quelle am Ort der<br />
Meßzelle zu<br />
˙KCo = 954 nGy/h . (2.10)<br />
Demgegenüber liegt die Kermaleistung durch natürliche Strahlungsquellen<br />
in Bayern bei typischerweise 60,1 pGy/s [34, S. 277]. Berücksichtigt<br />
man die Abschirmwirkung und zusätzlich abgegebene<br />
Strahlung des Gebäudes, ergibt sich mit der Betonbauweise der <strong>Universität</strong><br />
<strong>Regensburg</strong> ein Faktor 1,3 in der Kermaleistung [34, S. 278].
2.2 Aufbau der Meßzelle 67<br />
d Quelle ↔ Zähler durchstrahltes ˙K ˙K − ˙K0<br />
(cm) Medium (nGy/h) (nGy/h)<br />
15 Luft 600 ± 5 % 550<br />
30 Luft 250 ± 5 % 200<br />
30 Dewar 170 ± 5 % 120<br />
Tabelle 2.1: Übersicht der Ergebnisse der Messung der Dosisleistung<br />
der radioaktiven Quelle.<br />
Durch kosmische Höhenstrahlung vergrößert sich die Dosisleistung<br />
nochmals um 26 nGy/h [34, S. 278]. Damit kann von einer gesamten<br />
natürlichen Kermaleistung von<br />
˙Knat = 60,1 nGy/h · 1,3 + 26 nGy/h = 104 nGy/h (2.11)<br />
ausgegangen werden. Um Unsicherheiten bezüglich der tatsächlichen<br />
Aktivität der Quelle sowie mögliche lokale Abweichungen vom<br />
typischen Wert der natürlichen Hintergrundstrahlung auszuschließen,<br />
wurde durch Prof. Dr. H. von Philipsborn zusätzlich eine Messung<br />
der Dosisleistungen mit einem Geiger-Müller-Zählrohr (Szintomat<br />
6134) durchgeführt. Die Bestimmung der Dosisleistung der natürlichen<br />
Hintergrundstrahlung lieferte dabei einen Wert von<br />
˙Knat = 50 nGy/h (±10 %) , (2.12)<br />
also etwa die Hälfte des aus der Tabelle ermittelten Wertes. Die Meßwerte<br />
bei Verwendung der Quelle sind in Tabelle 2.1 zusammengestellt.<br />
Aus diesen Messungen läßt sich unter Zuhilfenahme von Gleichung<br />
(2.8) die Aktivität der Quelle bestimmen. Es ergibt sich ein<br />
Wert von 40 kBq — deutlich geringer als die vom Hersteller des Präparats<br />
angegebene Aktivität, die wohl als Obergrenze 1 zu verstehen<br />
1 Die gesetzlichen Bestimmungen erfordern die Einhaltung einer bestimmten Maximalaktivität<br />
für radioaktive Präparate zu Demonstrationszwecken im Schulunterricht.<br />
Die verwendete radioaktive Quelle besitzt eine entsprechende Zulassung.
68 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
ist. Zunächst wird durch Vergleich der Messungen mit und ohne Dewar<br />
die Abschirmwirkung des Kryostaten ermittelt:<br />
200 nGy/h · e −30cm/L = 120 nGy/h<br />
⇒ L = 59 cm<br />
Damit erreichen 77 % der ursprünglichen Dosisleistung die Meßzelle<br />
in der Mitte des Dewargefäßes, die zugehörige Dosisleistung am Ort<br />
der Meßzelle beträgt also<br />
˙KCo = 550 nGy/h · e −30/59 = 420 nGy/h . (2.13)<br />
Das Verhältnis der Kermaleistungen mit am Kryostaten angebrachter<br />
radioaktiver Probe und der natürlichen Hintergrundstrahlung ergibt<br />
sich damit aus den gemessenen Werten zu:<br />
σ = ˙KCo + ˙Knat<br />
˙Knat<br />
2.3 Elektrische Beschaltung<br />
= 9,4 ± 15 % (2.14)<br />
Zur Anregung und Detektion der Kugeloszillationen, zur Präparation<br />
des Levitationszustandes sowie zur Realisierung der automatischen<br />
Nachregelung der Frequenz der Antriebskraft ist eine Vielfalt<br />
von Meßgeräten erforderlich, deren Zusammenwirken im folgenden<br />
erläutert werden soll. Eine erste Übersicht bietet dabei das Blockschaltbild<br />
in Abbildung 2.9.<br />
2.3.1 Spannungsquellen<br />
Die zur elektrostatischen Aufladung der Kugel während der Präparation<br />
des Levitationszustandes erforderliche Hochspannung von<br />
±(600–1000) V wird mit Hilfe eines Hochspannungsnetzteiles (Knott<br />
Elektronik NHSV-3,5 BN649) erzeugt. Die Hochspannung wird der<br />
unteren Elektrode des Experiments über einen hochohmigen Widerstand<br />
(2,2 M ) zugeführt, um im Falle eines Kurzschlusses bzw.
2.3 Elektrische Beschaltung 69<br />
Abbildung 2.9: Blockschaltbild des Experiments. Während die Hochspannung<br />
gleichspannungsgekoppelt mit der unteren Elektrode verbunden<br />
ist, wird die Wechselspannung zur Anregung der Oszillationen<br />
über einen hochspannungsfesten Kondensator eingekoppelt.<br />
Zur Kompensation des kapazitiven Übersprechens wird ein<br />
durch einen Inverter um 180° phasenverschobenes Signal verwendet.<br />
Die per Rechnersteuerung realisierte Nachführung der Frequenz der<br />
Wechselspannung nutzt die vom LockIn-Verstärker zur Verfügung<br />
gestellte Phaseninformation. Die Meßdaten werden rechnergestützt<br />
mit einem maßgeschneiderten x-t-Schreiber-Programm aufgezeichnet.<br />
Hochspannungsdurchbruchs den maximal fließenden Strom zu begrenzen.<br />
In der Praxis hat sich gezeigt, daß der Widerstand nicht<br />
ausreicht, um ein sicheres Löschen einer Glimmentladung bei dem<br />
hier verwendeten Design der Meßzelle zu erreichen.<br />
Die zur Erzeugung des elektrischen Wechselfeldes im Kondensator<br />
— und damit der antreibenden Kraft — erforderliche sinusförmige<br />
Wechselspannung wird mit einem HP-3325B Funktionsgenerator<br />
erzeugt und über einen hochspannungsfesten Kondensator<br />
(C=220 nF, 1250 V) an die untere Elektrode der Meßzelle angekoppelt.<br />
Der Frequenzgenerator kann Wechselspannungen Uac mit einer<br />
Amplitude von 1 mV bis zu 20 V mit einer Frequenzauflösung von
70 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
10 −5 Hz bei 300 Hz liefern. Damit können je nach Kugelladung typische<br />
antreibende Kräfte<br />
F = qE = q<br />
d Uac<br />
von 1 pN bis zu 20 nN ausgeübt werden.<br />
2.3.2 Elektrometerverstärker<br />
(2.15)<br />
Die geladene Kugel im Kondensator induziert auf den Kondensatorplatten<br />
Influenzladungen, welche dem Feld einer Spiegelladung jenseits<br />
der Elektrode entsprechen. Hierbei ergibt sich eine unendliche<br />
Kette von Spiegelladungen. In [10] wird gezeigt, daß bei Berücksichtigung<br />
aller dieser Spiegelladungen sich die gesamte auf der Kondensatorplatte<br />
influenzierte Ladung zu<br />
qinfl = − x<br />
q (2.16)<br />
d<br />
ergibt (x: Abstand der Kugel von der unteren Elektrode). Anschaulich<br />
bedeutet dieses Ergebnis, daß die Ladung, wenn sie sich von<br />
der unteren Platte ablöst, kontinuierlich auf die obere Platte transportiert<br />
wird – es existiert keine Diskontinuität z.B. beim Auftreffen<br />
der Ladung auf der oberen Elektrode. Voraussetzung für dieses einfache<br />
Ergebnis ist ein weit ausgedehnter Plattenkondensator sowie<br />
eine hinreichend punktförmige Ladung. Im Falle der oszillierenden<br />
Kugel bedeutet dies, daß in der Zuleitung der oberen Elektrode ein<br />
Strom von<br />
I(t) =<br />
d qinfl(t)<br />
dt<br />
= − q d x(t)<br />
d dt<br />
q<br />
= − v(t) (2.17)<br />
d<br />
influenziert wird.<br />
Nachdem sowohl die Ladung der Kugel als auch ihre Geschwindigkeit<br />
relativ gering sind, ergibt sich ein entsprechend kleiner Influenzstrom<br />
in der Größenordnung 10 −12 A. Es hat sich gezeigt, daß der
2.3 Elektrische Beschaltung 71<br />
Abbildung 2.10: Schaltbild des Elektrometerverstärkers. Der Operationsverstärker<br />
wird als invertierender Verstärker betrieben.<br />
vorhandene Stromeingang der verwendeten Meßgeräte keine ausreichend<br />
hohe Empfindlichkeit bzw. einen zu hohen Rauschpegel aufweist,<br />
um das Signal mit ausreichender Qualität detektieren zu können.<br />
Daher kommt ein separater Elektrometerverstärker zum Einsatz<br />
(s. Abbildung 2.10), dessen Kernstück der Operationsverstärker<br />
AD 549 von Analog Devices darstellt. Dieser Baustein zeichnet sich<br />
durch einen sehr hohen Eingangswiderstand (Eingangsstrom typisch<br />
40 fA), einen hohen Verstärkungsfaktor sowie eine hohe Grenzfrequenz<br />
von 1 Mhz bei Kleinsignalverstärkung aus (vgl. [1]). Da der<br />
Eingang des Bausteins empfindlich auf elektrostatische Aufladung<br />
und Überspannungen reagiert, wird der Elektrometereingang während<br />
der Präparation des Schwebezustandes (s. 2.1.1) durch ein antiparallel<br />
geschaltetes Paar von Si-Standarddioden gegen Signalmasse<br />
vor eventuellen Hochspannungsüberschlägen geschützt. Als Stromversorgung<br />
für den Elektrometerverstärker dient ein längsgeregeltes<br />
symmetrisches Netzteil, die Zuleitung zum Elektrometer ist als abgeschirmte<br />
dreipolige Leitung ausgeführt. Die gewählte invertierende<br />
Beschaltung des Operationsverstärkers mit einem Rückkoppelwiderstand<br />
von Rv = 10 9 führt zu einer Verstärkung von<br />
UAusgang = −Rv IZelle ,<br />
d.h. ein Eingangsstrom von -1 pA am Eingang des Elektrometers<br />
führt zu einer Ausgangsspannung von 1 mV. Um geringe systemati-
72 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
sche Meßfehler zu erreichen, muß sichergestellt werden, daß tatsächlich<br />
der gesamte durch die oszillierende Kugel induzierte Verschiebungsstrom<br />
vom Elektrometer registriert wird und nicht über andere<br />
Wege abfließen kann. Hierfür ist ein möglichst kleiner Eingangswiderstand<br />
des Elektrometers erforderlich. Wie in [27] dargestellt, erhält<br />
man den Eingangswiderstand des Elektrometers aus dem Wert<br />
des Rückkoppelwiderstandes und der Gleichstromverstärkung des<br />
verwendeten Operationsverstärkers (in diesem Fall etwa 10 6 ) zu<br />
Re = 109<br />
= 1 k .<br />
106 Damit ergibt sich nach der Diskussion in [24], daß die parasitären<br />
Ströme unter 0,1% liegen und somit diese Fehlerquelle vernachlässigbar<br />
ist. Darüberhinaus besitzt das Elektrometer eine frequenzabhängige<br />
Verstärkung, die bei höheren Frequenzen eine Korrektur der<br />
Meßwerte erforderlich macht (s. [40]). Wie aus Abbildung 1.5 in [24]<br />
ersichtlich, werden diese Korrekturen für Frequenzen oberhalb von<br />
ca. 300 Hz erforderlich, so daß aufgrund der in dieser Arbeit verwendeten<br />
Frequenzen von bis zu 240 Hz keine Korrekturen vorzunehmen<br />
sind.<br />
2.3.3 Kompensation<br />
An der unteren Elektrode der Meßzelle wird die zur Anregung der<br />
Kugelschwingung erforderliche Wechselspannung angelegt, während<br />
die obere Elektrode durch das Elektrometer auf virtueller Masse<br />
gehalten wird. Als Kondensator stellt die Meßzelle für die Wechselspannung,<br />
welche zur Anregung der Kugelschwingung verwendet<br />
wird, einen Wechselstromwiderstand dar, so daß es zu kapazitivem<br />
Übersprechen der Anregungsspannung kommt. Aus der Geometrie<br />
der Meßzelle (vgl. Abbildung 2.7) berechnet sich deren Kapazität zu<br />
<br />
2 ri CZ = εri +<br />
di<br />
r2 a − r2 i<br />
da<br />
εra<br />
πε0 ≈ 102 fF (2.18)<br />
mit ri=1 mm, di=1 mm, ra=1,5 mm, da=3 mm, sowie die relative Dielektrizitätskonstante<br />
von Quarzglas εra = 2,13 [35]. Dabei ist mit
2.3 Elektrische Beschaltung 73<br />
dem Index i das ‚Innere‘ des Kondensators bezeichnet, in dem sich<br />
die Kugel befindet, während der Index a den ‚äußeren‘ Teil beschreibt,<br />
welcher gegeben ist durch den 0,5 mm starken Kreisring an<br />
der oberen Elektrode, der auf dem Quarzglasring aufliegt. Gemäß<br />
dem sich daraus ergebenden Wechselstromwiderstand<br />
RZ = 1<br />
CZω<br />
der Meßzelle von etwa 5,2 G bei 300 Hz ergibt sich ein Übersprechsignal<br />
von ≈ 190 pA bei Uac = 1 V. Dazu kommen noch zusätzliche<br />
Beiträge durch die Zuleitungen innerhalb des Kryostaten von etwa<br />
60 pA. Da dieses Übersprechsignal damit deutlich größer ist als<br />
das von der oszillierenden Kugel produzierte Signal, ist eine Kompensation<br />
dieses störenden Anteils erforderlich. Dazu wird die Anregungsspannung<br />
Uac durch einen invertieren Verstärker mit einstellbarer<br />
Verstärkung geschickt und das entstehende gegenphasige<br />
Signal zum Eingangssignal des Elektrometers addiert. Bei korrekter<br />
Einstellung des Kompensators läßt sich eine Unterdrückung<br />
des Übersprechsignals um über 99 % erreichen. Aufgrund der nicht<br />
idealen Eigenschaften des Operationsverstärkers (insbesondere endliche<br />
Geschwindigkeit) ergibt sich bei der Invertierung eine leichte<br />
Abweichung in der Phase, so daß eine exaktere Kompensation einen<br />
höheren Schaltungsaufwand erfordern würde. Da jedoch das verbleibende<br />
Restsignal linear mit der Amplitude der Anregungsspannung<br />
Uac wächst und exakt um 180° zur Kugelschwingung verschoben ist,<br />
kann im Bedarfsfall eine nachträgliche Korrektur der Meßwerte problemlos<br />
durchgeführt werden. Erforderlich ist dies jedoch nur bei<br />
sehr starker Bedämpfung der schwingenden Kugel und sehr hohen<br />
antreibenden Kräften, wie sie in dieser Arbeit nicht verwendet werden.<br />
Da das Übersprechsignal frequenzabhängig ist, muß der Kompensator<br />
bei Frequenzänderungen von mehr als etwa 5 Hz neu abgeglichen<br />
werden. Dies ist ebenfalls nach dem Befüllen der Meßzelle<br />
mit flüssigem Helium erforderlich, da sich hierbei die relative Dielektrizitätskonstante<br />
der Meßzelle von εri = 1 auf εri = 1,054 ändert und<br />
damit die Kapazität der Meßzelle und somit auch das Übersprechsignal<br />
größer wird.
74 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
Abbildung 2.11: Blockschaltbild des Programms zur Phasenregelung.<br />
Ausgehend von der Phaseninformation des LockIn-Verstärkers<br />
werden drei Stellsignale berechnet: Der differentielle Teil stellt die<br />
Frequenz des Generators exakt auf die Frequenz der Kugeloszillationen<br />
ein. Der proportionale Anteil sorgt zusammen mit dem integralen<br />
Anteil für eine leichte Verstimmung der Frequenz verbunden mit<br />
einer Drehung der Phase um die gewünschte Resonanzbedingung zu<br />
erhalten.<br />
2.3.4 Phasenregelung<br />
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der oszillierenden Kugel<br />
um einen nichtlinearen Schwinger. Insbesondere ist die Resonanzfrequenz<br />
der Schwingung nicht konstant, sondern eine Funktion der<br />
Schwingungsamplitude. Um nun auch bei Amplitudenänderungen,<br />
wie sie typischerweise bei Einschwingvorgängen nach dem Ändern<br />
der Anregungsspannung oder auch während des in Abschnitt 3.3 be-
2.3 Elektrische Beschaltung 75<br />
schriebenen intermittenten Schaltens auftreten, die Anregung stets in<br />
Resonanz zu den Oszillationen der Kugel zu halten, ist es erforderlich,<br />
die Frequenz der Anregung nachzuregeln.<br />
In früheren Arbeiten [24, 10] wurde versucht dieses Problem dadurch<br />
zu lösen, daß eine variable Gleichspannung an die Meßzelle<br />
angelegt wurde. Diese Gleichspannung führt zu einer zusätzlichen<br />
Kraft auf die schwebende Kugel und verschiebt damit deren Gleichgewichtslage<br />
im Kondensator. Damit verbunden ist aber auch eine<br />
Änderung der Resonanzfrequenz, so daß es im Prinzip möglich ist,<br />
die Eigenfrequenz auf die Frequenz der äußeren Anregung einzuregeln.<br />
Diese Methode ist zwar schnell, hat aber den Nachteil, daß<br />
möglicherweise auch andere Eigenschaften der oszillierenden Kugel<br />
(z.B. die Bedämpfung) durch die Verschiebung der Gleichgewichtslage<br />
beeinflußt werden. Darüberhinaus ist der Regelbereich sehr eingeschränkt.<br />
Eine bessere Lösung wäre daher die Nachführung des Frequenzgenerators<br />
über eine Steuerspannung. Da der zur Verfügung<br />
stehende Frequenzgenerator jedoch nicht über eine Möglichkeit zur<br />
Spannungssteuerung der Frequenz verfügt, kommt stattdessen eine<br />
PC gestützte Lösung zum Einsatz.<br />
Über einen digitalen LockIn-Verstärker (Stanford Research Systems<br />
SR850 DSP) wurden kurze Zeitreihen der Phasenbeziehung<br />
zwischen Kugelschwingung und Anregungsspannung aufgezeichnet<br />
und daraus die zeitliche Änderung ˙ϕ abgeleitet. Daraus ergibt<br />
sich unmittelbar die Frequenz der Schwebung zwischen anregender<br />
Kraft und Kugeloszillation f zu 2<br />
˙ϕ = f · 360°<br />
und damit die Frequenzänderung, welche erforderlich ist, um eine<br />
konstante Phasenbeziehung wiederherzustellen (differentieller Anteil).<br />
Um nun die gewünschte Phasenbeziehung von 90° für die Resonanzbedingung<br />
zu erhalten, wird noch ein proportional-integral-<br />
Stellterm zu dieser Frequenzänderung hinzuaddiert. Die somit er-<br />
2 LockIn-Verstärker liefern die Phaseninformation üblicherweise in Altgrad, daher<br />
der ungewöhnliche Faktor von 360°.
76 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau<br />
haltene neue Frequenz wird nun am Frequenzgenerator eingestellt.<br />
Alle diese Aktionen werden über den IEEE-Bus durchgeführt.<br />
Mit dieser Methode lassen sich bis zu drei Stellvorgänge pro Sekunde<br />
ausführen, was sich in der Praxis als im allgemeinen ausreichend<br />
erwiesen hat, da die Amplitudenänderungen in der Regel<br />
sehr langsam (über einige Sekunden bis zu mehreren zehn Minuten)<br />
stattfinden. Allerdings kommt es bei den Messungen im Regime des<br />
intermittenten Schaltens (s. Abschnitt 3.3) zu Problemen, wenn die<br />
Frequenz der Kugeloszillationen eine zu starke Frequenzabhängigkeit<br />
aufweist. Dann ist die Regelung nicht schnell genug und die<br />
Resonanzbedingung kann für kurze Zeit verloren gehen, wodurch<br />
die Messungen verfälscht werden. Dieses Problem läßt sich jedoch<br />
durch sorgfältige ‚Qualitätskontrolle‘ bei der Präparation des Experiments<br />
einerseits, sowie einer geeigneten Anpassung der Parameter<br />
des Phasenregelprogramms andererseits, bewältigen.<br />
2.3.5 Meßdatenerfassung<br />
Für die Messung mit freien Zerfällen bzw. die Erfassung von Zeitreihen<br />
(vgl. Abschnitt 2.1.2) ist eine Aufzeichnung der zeitlichen Veränderung<br />
der Geschwindigkeitsamplitude der Kugeloszillationen erforderlich.<br />
Hierfür wird ein Wechselspannungsvoltmeter (Princeton<br />
Applied Physics, PAR Model 116) mit nachgeschaltetem PC verwendet<br />
(vgl. Abbildung 2.9, S. 69). Der PC ist mit einer 12-Bit Analog-<br />
Digital-Wandlerkarte [50] ausgestattet und liest damit den Ausgang<br />
des Wechselspannungsvoltmeters aus. Das Voltmeter wird je nach<br />
Situation mit Integrationszeiten von 0,03 s bis 0,3 s betrieben, wobei<br />
zur Unterdrückung von Störungen das eingebaute Bandpaßfilter mit<br />
einer Güte von Q = 2 verwendet wird. Durch die Verwendung des<br />
PCs zur Meßdatenerfassung ist eine hohe zeitliche Auflösung (bei<br />
der Aufnahme von relativ schnellen Zerfällen bis zur Grenze, welche<br />
durch die Integrationszeit des Voltmeters gegeben ist) einerseits, aber<br />
auch eine extrem hohe Speichertiefe bei reduzierter zeitlicher Auflösung<br />
erreichbar. Bei den durchgeführten Langzeitmessungen von bis<br />
zu 24 Stunden mit einer Meßrate von 10 Datenpunkten pro Sekunde
2.3 Elektrische Beschaltung 77<br />
werden zum Beispiel 864 · 10 3 Meßwerte entsprechend ca. 1,6 MByte<br />
an Meßdaten produziert.<br />
2.3.6 Thermometrie<br />
Zur Überwachung der verschiedenen Temperaturen im Kryostaten<br />
kommt eine Widerstandsmeßbrücke (Picowatt AVS 46) zum Einsatz,<br />
welche speziell für den Einsatz in Tieftemperaturanwendungen optimiert<br />
ist und über einen eingebauten Multiplexer bis zu 7 unterschiedliche<br />
Meßstellen bedienen kann. Neben der Bestimmung der<br />
Betriebsparameter des Kryostaten wird damit auch die Temperatur<br />
der Meßzelle ermittelt, wobei als Thermometer ein Dickschichtwiderstand<br />
auf RuO2-Basis zum Einsatz kommt, der in [8, Probe<br />
B] untersucht und kalibriert wurde. Zur Temperaturregelung dient<br />
ein speziell auf die Widerstandsmeßbrücke abgestimmter Temperaturkontroller<br />
(Picowatt TS-530). Mit dieser Gerätekonfiguration ist<br />
es möglich, Temperaturen zwischen der Endtemperatur des Kryostaten<br />
von 20 mK und 1 K auf ±0,01 mK genau zu stabilisieren (vgl.<br />
[2, 51]). Die Widerstandsmeßbrücke verfügt darüberhinaus über eine<br />
Schnittstelle zur Steuerung durch einen PC, welche es ermöglicht,<br />
auch bei unbeaufsichtigten Langzeitmessungen die Stabilität<br />
der Meßzellentemperatur permanent zu überwachen.
78 Kapitel 2. Experimenteller Aufbau
Kapitel 3<br />
Meßergebnisse und<br />
Interpretation<br />
Denn was man messen kann,<br />
das existiert auch.<br />
Max Planck<br />
Bei der Durchführung des Experiments wird die Bedämpfung der<br />
Kugeloszillationen durch Wechselwirkung mit supraflüssigem 4 He<br />
bzw. 3 He- 4 He-Mischungen ermittelt. Dabei ergeben sich je nach Geschwindigkeitsamplitude<br />
der Kugeloszillation — und damit je nach<br />
Amplitude der antreibenden Kraft — verschiedene Strömungsformen<br />
um die Kugel, welche sich durch eine unterschiedliche Bedämpfung<br />
der Oszillationen auszeichnen (vgl. Abbildung 3.1). Für kleine<br />
Geschwindigkeitsamplituden (bzw. antreibende Kräfte) ergibt sich<br />
lineare Dissipation entsprechend einer linearen Zunahme der Geschwindigkeitsamplitude<br />
v der Oszillationen mit der antreibenden<br />
Kraft F (vgl. Abschnitt 3.1). Bei stark erhöhten antreibenden Kräften<br />
findet sich ein Bereich, in dem v nur mehr sublinear mit F anwächst<br />
(vgl. Abschnitt 3.2). Diese beiden Bereiche entsprechen jeweils laminarer<br />
bzw. turbulenter Strömung der Supraflüssigkeit um die Kugel,<br />
wobei sich Parallelen zum Verhalten klassischer Flüssigkeiten<br />
ergeben. Dazwischen befindet sich ein Übergangsbereich (in Abbildung<br />
3.1 hervorgehoben), der sich jedoch vom üblichen Szenario des<br />
Übergangs zur Turbulenz in klassischen Flüssigkeiten in wesentli-<br />
79
80 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
v (mm/s)<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
T = 300 mK<br />
0<br />
0 200 400 600 800<br />
F (pN)<br />
Abbildung 3.1: Für unterschiedliche antreibende Kräfte, die auf die<br />
oszillierende Kugel einwirken, ergeben sich unterschiedliche Regimes<br />
für den Fluß der Supraflüssigkeit um die Kugel.<br />
chen Punkten unterscheidet (vgl. Abschnitt 3.3). Darüberhinaus wird<br />
in Abschnitt 3.4 die Viskosität von 3 He- 4 He-Mischungen ermittelt,<br />
sowie der Einfluß der 3 He-Konzentration auf den Übergang von laminarer<br />
zu turbulenter Strömung untersucht.<br />
3.1 Laminarer Bereich<br />
Im Bereich kleiner antreibender Kräfte bildet sich eine Potentialströmung<br />
um die oszillierende Kugel aus. Wie in Abschnitt 1.2.1 gezeigt,<br />
fließt die Supraflüssigkeit in diesem Fall um die oszillierende Kugel<br />
ohne eine dissipative Kraft auf diese auszuüben. Die zur Beschleunigung<br />
der verdrängten Supraflüssigkeit erforderliche Kraft bewirkt
3.1 Laminarer Bereich 81<br />
lediglich eine erhöhte effektive Masse der oszillierenden Kugel (vgl.<br />
[37])<br />
<br />
4<br />
meff = m + mhyd = m +<br />
3 R3 <br />
ρ<br />
π<br />
2 .<br />
Wegen der geringen Dichte des flüssigen Heliums ergibt sich lediglich<br />
eine Korrektur von 2,1%, die nur als leichte Verschiebung der<br />
Resonanzfrequenz meßbar ist und die Ergebnisse nicht weiter beeinflußt.<br />
Da die Temperatur des Systems endlich ist, verbleibt jedoch<br />
ein stark verdünntes Gas aus Quasiteilchen, die an der Kugel ballistisch<br />
gestreut werden und so eine lineare Dämpfungskraft verursachen.<br />
Der entsprechende lineare Dämpfungskoeffizient wird mit<br />
den in Abschnitt 2.1.2 beschriebenen Methoden experimentell bestimmt.<br />
Abbildung 3.2 zeigt lineare Dämpfungskoeffizienten, wie sie<br />
im Experiment ermittelt wurden, im Vergleich mit der theoretisch erwarteten<br />
Dämpfung durch ballistische Streuung am Quasiteilchengas.<br />
Man erkennt eine sehr gute Übereinstimmung über einen Temperaturbereich<br />
von etwa 100 mK bis 600 mK. Oberhalb von 600 mK<br />
wird die freie Weglänge der Phononen vergleichbar mit den Abmessungen<br />
der Kugel und man erreicht den Bereich des Übergangs zu<br />
hydrodynamischer Strömung (vgl. auch [24]). Für Temperaturen unterhalb<br />
von 100 mK erreicht die durch das Phononengas verursachte<br />
und mit T 4 abnehmende Bedämpfung der Kugeloszillationen die<br />
Größenordnung der Bedämpfung, welche durch die Lagerung der<br />
Kugel verursacht wird. Um die Auflösung des Experiments bei tiefen<br />
Temperaturen möglichst hoch zu halten, wurde daher bei der Präparation<br />
der Levitationszustände (vgl. Abschnitt 2.1.1) besonders auf<br />
geringe Untergrunddämpfung geachtet.<br />
Aufgrund des guten Verständnisses des laminaren Regimes eignet<br />
sich die Messung des linearen Dämpfungskoeffizienten dazu,<br />
den tatsächlichen Radius der Kugel exakter zu bestimmen, als dies<br />
mittels Mikroskop oder der Dichte des Kugelmaterials möglich ist.<br />
Man verwendet dabei die Gleichung<br />
R =<br />
<br />
45¯h 3 c4λ 2π 3 , (3.1)<br />
(kBT) 4
82 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
λ (kg/s)<br />
1E-7<br />
1E-8<br />
1E-9<br />
1E-10<br />
isotopenreines 4 He<br />
λ + λ ph rot<br />
λ ph<br />
evakuierte Meßzelle<br />
1E-11<br />
40 100 1000<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.2: Linearer Dämpfungskoeffizient, gemessen in der<br />
evakuierten Zelle (Untergrunddämpfung) bzw. mit reinem 4 He. Die<br />
durchgezogene Linie entspricht der laminaren Dämpfung, wie sie<br />
durch ballistische Streuung von Phononen und Rotonen an der Kugel<br />
entsteht (vgl. Gleichung (1.13)). Das Maximum der Meßwerte<br />
zwischen 600 mK und 700 mK gibt den Übergang zu hydrodynamischem<br />
Verhalten an. Die ballistische Beschreibung verliert hier ihre<br />
Gültigkeit.<br />
wobei das experimentell bei T = 300 mK bestimmte λ Verwendung<br />
findet. Der in [24] angegebene Wert für den Kugelradius von 109 µm<br />
ist so um 14 % auf 124 µm nach oben zu korrigieren. Die Ursache für<br />
diese Abweichung ist unklar, vermutlich ist sie auf eine fehlerhafte<br />
Kalibrierung des in [24] verwendeten Mikroskops zurückzuführen,<br />
da eine erneute optische Messung im Rahmen der vorliegenden Arbeit<br />
das hydrodynamisch gefundene Ergebnis voll bestätigt (vgl. Seite<br />
61).
3.2 Turbulenter Bereich 83<br />
v (mm/s)<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
T = 100 mK<br />
0 2 4 6 8 10 12<br />
F (nN)<br />
Abbildung 3.3: Für sehr hohe antreibende Kräfte ergibt sich ein Zusammenhang<br />
zwischen antreibender Kraft und erreichter Oszillationsamplitude,<br />
wie er durch die im <strong>Text</strong> angegebene Reibungskraft<br />
gegeben ist (Linie). Deutlich ist die Verschiebung der Kurve zu negativen<br />
Kräften hin zu erkennen.<br />
3.2 Turbulenter Bereich<br />
Wird die Kugel mit höheren Kräften (z.B. F 150 pN bei T =<br />
300 mK) angetrieben, so ergibt sich eine deutlich höhere Bedämpfung<br />
der Oszillationen der Kugel. Betrachtet man die in diesem<br />
Regime experimentell ermittelte Beziehung zwischen antreibender<br />
Kraft und Gleichgewichtsamplitude der Oszillationen (s. Abbildung<br />
3.3), so stellt man fest, daß es sich jetzt nicht mehr um eine lineare<br />
Beziehung handelt, sondern die Amplitude langsamer als linear<br />
mit der antreibenden Kraft ansteigt, was einer stärker als linear<br />
mit der Geschwindigkeit anwachsenden Reibungskraft auf die Kugel<br />
entspricht. Dies ist für das Auftreten von turbulenter Strömung<br />
zu erwarten, welche zusätzlich zur Streuung von Quasiteilchen wie<br />
im linearen Regime, Dissipation verursacht. Die v(F)-Beziehung, wie
84 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
man sie aus der in klassischen Flüssigkeiten gültigen turbulenten<br />
Reibungskraft (1.4) über die Energiebilanz (vgl. Gleichung (1.21), Abschnitt<br />
1.1.2) erhält, beschreibt die Daten sehr gut, muß dafür aber<br />
um einen konstanten Betrag nach links verschoben werden, entsprechend<br />
einer Reduktion der nichtlinearen Dämpfungskraft um einen<br />
konstanten Betrag. Man erhält somit eine dissipative Kraft<br />
|Fd| = γ (v 2 − v 2 0) = γv 2 − F0 , (3.2)<br />
wobei γ den für Turbulenz in klassischen Flüssigkeiten typischen<br />
Wert (vgl. Gleichung (1.4)) besitzt. Die sich aus dieser Reibungskraft<br />
über die Energiebilanz (vgl. Abschnitt 1.21, Seite 34) ergebende v(F)-<br />
Kurve ist in Abbildung 3.3 als durchgezogene Linie eingezeichnet.<br />
Man erkennt deutlich die Verschiebung des Scheitels der Parabel<br />
nach links sowie die sehr gute Beschreibung der Meßdaten.<br />
Selbstverständlich kann turbulente Strömung nur bei antreibenden<br />
Kräften auftreten, bei denen die Gleichgewichtsamplitude bei laminarer<br />
Strömung größer wäre als sie sich bei turbulenter Strömung<br />
einstellt. Die Ursache dafür liegt letztlich darin, daß bei laminarer<br />
Strömung die geringstmögliche Bedämpfung des Systems durch die<br />
umgebende Flüssigkeit verursacht wird. Somit ergibt sich aus dem<br />
Schnittpunkt (Fc1,vc1) (vgl. Abschnitt 1.3.4) der v(F)-Kurven für die<br />
beiden Strömungsformen die kritische Geschwindigkeit vc1, unterhalb<br />
der keine Turbulenz auftreten kann (vgl. Abbildung 3.1). In Abbildung<br />
3.4 sind die für unterschiedliche jeweils neu präparierte Levitationszustände<br />
ermittelten kritischen Geschwindigkeiten vc1 aufgetragen.<br />
Der Mittelwert liegt bei 23 mm/s bei einer Streuung von<br />
10 %, wobei stets die selbe Kugel verwendet wurde. Der gefundene<br />
Wert für vc1 ist, wie bereits in [24] angegeben, nicht temperaturabhängig.<br />
Die vorhandene geringe Änderung bei Präparation eines<br />
neuen Levitationszustandes legt jedoch eine Abhängigkeit von Lage<br />
und Position der Kugel in der Meßzelle und damit insbesondere von<br />
Größe und Oberflächenbeschaffenheit der Kugel nahe.<br />
Befindet sich das System in der Gleichgewichtslage, dann wird<br />
durch den äußeren Antrieb gerade so viel Leistung zugeführt, wie<br />
in der Flüssigkeit dissipiert wird. Da im Bereich stabiler Turbulenz
3.2 Turbulenter Bereich 85<br />
v c1/2 (mm/s)<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
v c1<br />
v c2<br />
Osz7 Osz8 Osz9 OszA OszB OszC OszD<br />
Experiment<br />
Abbildung 3.4: Bei unterschiedlichen Oszillatoren erhaltene kritische<br />
Geschwindigkeiten vc1 (Grenzgeschwindigkeit für das Auftreten<br />
von Turbulenz) und vc2 (Grenzgeschwindigkeit für stabile Turbulenz,<br />
s. Abschnitt 3.3.1). Die leichten Schwankungen zwischen jeweils<br />
neu präparierten Levitationszuständen lassen eine Abhängigkeit von<br />
Oberflächenbeschaffenheit, Größe und Lage der Kugel vermuten.<br />
zwei dissipative Kräfte (turbulente Strömung und ballistische Streuung<br />
von Quasiteilchen) auf die Kugel einwirken, verteilt sich diese<br />
Leistung auf beide Dämpfungsmechanismen. In diesem Fall gilt (unter<br />
Verwendung der Energiebilanz aus Abschnitt 1.21):<br />
Pzu = 1<br />
2<br />
F · v = 1<br />
2 Flam · v<br />
<br />
Plam<br />
+ 1<br />
2 Fturb · v<br />
,<br />
<br />
woraus folgt, daß Fturb = F − Flam gilt. Wird die antreibende Kraft<br />
immer weiter reduziert, so ergibt sich für Pturb der Grenzwert<br />
Pturb<br />
Pturb → 0 , für F > → Fc1 = Flam(vc1).<br />
Dies bedeutet, die Leistung, welche zur Verfügung steht, um die tur-
86 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
v (mm/s)<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
stabile<br />
laminare<br />
Strömung<br />
intermittentes<br />
Schalten<br />
20<br />
vc2 vc1 18<br />
Fc stabile Turbulenz<br />
0 50 100 150<br />
T = 300 mK<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
F (pN)<br />
0<br />
0 200 400 600 800<br />
Abbildung 3.5: Ausschnittsvergrößerung eines experimentell ermittelten<br />
v(F)-Diagramms. Zwischen den Bereichen mit stabilem laminarem<br />
bzw. turbulentem Fluß der Supraflüssigkeit um die Kugel befindet<br />
sich ein Übergangsbereich in dem das System zwischen diesen<br />
beiden Zuständen umschaltet. Zur Erläuterung sind hier die kritischen<br />
Geschwindigkeiten vc1 (für das erste Auftreten von Turbulenz),<br />
vc2 (für stabile Turbulenz) sowie die zugehörige kritische Kraft<br />
Fc angegeben. Das kleine Fenster gibt die Position der Vergrößerung<br />
in der Gesamtkurve an.<br />
bulente Strömung aufrecht zu erhalten, wird bei Annäherung an die<br />
kritische Geschwindigkeit vc1 beliebig klein. Da jedoch zur Aufrechterhaltung<br />
turbulenter Strömung um die Kugel eine endliche Leistung<br />
notwendig ist, steht zu erwarten, daß Turbulenz erst oberhalb<br />
einer weiteren kritischen Geschwindigkeit (bzw. Antriebskraft) vc2<br />
stabil existieren kann. Abbildung 3.5 zeigt den in diesem Zusammenhang<br />
interessanten Bereich um vc1 in vergrößerter Darstellung. Nachdem<br />
die Bereiche stabiler Strömung bereits in [24] ausführlich untersucht<br />
wurden, gilt das Hauptaugenmerk im folgenden dem Übergangsbereich,<br />
in welchem Turbulenz entsteht.
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 87<br />
v (mm/s)<br />
34<br />
32<br />
30<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
v t (F)<br />
v L =F/λ ; λ=8,45*10 -9 kg/s<br />
T = 450 mK<br />
200 220 240 260 280 300 320<br />
F (pN)<br />
Abbildung 3.6: Hysteretischer Übergang zwischen laminarer und<br />
turbulenter Strömung um die Kugel bei höheren Temperaturen. Die<br />
Ausdehnung der Hystereseschleife variiert bei jedem Durchlauf.<br />
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens<br />
Befindet sich die antreibende Kraft knapp oberhalb des Wertes, der<br />
für das Erreichen der Geschwindigkeitsamplitude vc1 erforderlich<br />
ist, so wurde bereits in früheren Messungen ([24, 25, 26]) festgestellt,<br />
daß das System zwei mögliche Zustände annehmen kann. Dies zeigt<br />
sich in diesen Arbeiten als hysteretisches Verhalten. Wird die antreibende<br />
Kraft langsam erhöht, so bleibt das System bis weit über<br />
die kritische Geschwindigkeit vc1 hinaus laminar, bis die Strömung<br />
schließlich in Turbulenz umschlägt. Reduziert man nun bei turbulenter<br />
Strömung die antreibende Kraft und damit die Geschwindigkeitsamplitude,<br />
so bleibt die Strömung bis weit unter den Wert von<br />
F, bei dem der Umschlag zur Turbulenz erfolgt ist, turbulent. Dies ist<br />
in Abbildung 3.6 exemplarisch dargestellt. Bei früheren Messungen<br />
mußte die Untersuchung dieses Übergangsbereichs auf höhere Temperaturen<br />
(T 0,7 K) beschränkt werden, da sich bei tieferen Tem-
88 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
v (mm/s)<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
T = 403 mK<br />
F = 136 pN<br />
18<br />
2500 2600 2700 2800 2900 3000 3100<br />
t (s)<br />
Abbildung 3.7: Ausschnitt aus einer Zeitreihe der Geschwindigkeitsamplitude<br />
im Bereich des intermittenten Schaltens. Temperatur und<br />
antreibende Kraft werden während der Aufzeichnung der Zeitreihe<br />
konstant gehalten. Die Zeitpunkte der Schaltvorgänge zwischen laminarer<br />
und turbulenter Strömung um die Kugel sind durch Symbole<br />
gekennzeichnet. Sehr gut ist die Unregelmäßigkeit der Schaltvorgänge<br />
zu erkennen: Es handelt sich um intermittentes Schalten.<br />
peraturen Instabilitäten ergaben, welche einen Verlust der Resonanzbedingung<br />
zwischen Kugeloszillationen und Antrieb zur Folge hatten.<br />
Aufgrund der automatischen Phasenregelung (siehe Abschnitt<br />
2.3.4) ist es nun erstmals möglich, diesen Bereich auch bei tieferen<br />
Temperaturen zu untersuchen und damit die Entstehung von Turbulenz<br />
in der reinen Supraflüssigkeit zu beobachten. Wie in Abschnitt<br />
3.9 beschrieben, verwendet man hierfür eine konstante, antreibende<br />
Kraft knapp oberhalb von vc1, hält die Temperatur der Meßanordnung<br />
ebenfalls konstant und zeichnet die zeitliche Veränderung der<br />
Geschwindigkeitsamplitude auf. Typischerweise ergibt sich hierbei<br />
ein Ergebnis, wie es ausschnittsweise Abbildung 3.7 zeigt. Wegen<br />
der auftretenden linearen Dämpfungskraft Fd = λv nähert sich die
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 89<br />
Geschwindigkeitsamplitude während der laminaren Phasen einem<br />
Grenzwert vmax = vmax + vt. Dabei folgt sie einem exponentiellen<br />
Sättigungsgesetz1 der Form<br />
v( t) =<br />
<br />
− t/τ<br />
vmax 1 − e (3.3)<br />
mit<br />
vmax = 1<br />
λ F − vt , (3.4)<br />
wobei vt die Gleichgewichtsgeschwindigkeit bei turbulenter Strömung<br />
bezeichnet, mit der das System zu Beginn einer laminaren Phase<br />
startet. Die Größe t mißt die Zeit seit Beginn der aktuellen laminaren<br />
Phase. Damit werden sowohl Zeiten wie auch Amplituden<br />
relativ zum Beginn der laminaren Phase gemessen.<br />
An den in Abbildung 3.7 eingezeichneten Schaltpunkten schlägt<br />
dann die Strömung um. Die damit verbundene wesentlich höhere<br />
Dissipation führt dazu, daß die Amplitude der Oszillationen zusammenbricht,<br />
bis der Gleichgewichtswert vt erreicht ist. Am Ende der<br />
turbulenten Phase, das ebenfalls durch einen Schaltpunkt in Abbildung<br />
3.7 kenntlich gemacht ist, beginnt die nächste laminare Phase<br />
und der Vorgang wiederholt sich. Allerdings ist diese Wiederholung<br />
offensichtlich nicht identisch. Abbildung 3.8 zeigt nochmals den<br />
selben Ausschnitt aus der selben Zeitreihe, wobei hier die laminaren<br />
und turbulenten Phasen durch jeweils unterschiedliche Hintergrundfarbe<br />
gekennzeichnet sind. Dadurch ist sehr gut zu erkennen,<br />
daß die Schaltvorgänge äußerst unregelmäßig erfolgen. Da die Heftigkeit<br />
der Ausbrüche dabei nicht variiert (das System wird stets voll<br />
turbulent) spricht man auch von intermittentem Verhalten (vgl. [4]).<br />
Bei der experimentellen Untersuchung intermittenter Vorgänge<br />
stellt sich das Problem der Unregelmäßigkeit der Ereignisse. In [4]<br />
sind drei grundlegende Kategorien von Intermittenz beim Übergang<br />
zum Chaos beschrieben, jedoch blieben die angegebenen Methoden<br />
(insbesondere die Wiederholungsabbildungen) beim hier vorliegenden<br />
Problem sämtlich ohne greifbares Ergebnis, was die Vermutung<br />
1 Für gewöhnlich steht in dieser Arbeit v(t) für Momentangeschwindigkeiten der<br />
Kugel, während v(·) in allen übrigen Fällen Geschwindigkeitsamplituden bezeichnet.<br />
Die Ausnahme von der Regel ist v( t), welches ebenfalls Amplituden bezeichnet.
90 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
v (mm/s)<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
turbulent<br />
laminar<br />
2500 2600 2700 2800 2900 3000 3100<br />
t (s)<br />
Abbildung 3.8: Zeitreihe aus Bild 3.7. Die Hintergrundfarbe gibt jeweils<br />
an, ob die Strömung der Supraflüssigkeit um die Kugel laminar<br />
oder turbulent verläuft. Während der laminaren Phasen ist eine exponentielle<br />
Sättigung der Geschwindigkeitsamplitude festzustellen,<br />
wogegen der Beginn der turbulenten Phasen durch einen scharfen<br />
Zusammenbruch der Amplitude gekennzeichnet ist.<br />
nahelegt, daß der vorliegende intermittente Schaltprozeß von grundsätzlich<br />
anderer Art ist als die in [4] vorgestellten Kategorien. Beispielsweise<br />
wird in [15] ‚krisisinduzierte‘ Intermittenz beschrieben,<br />
deren kennzeichnende Eigenschaften deutlich besser zu den hier beschriebenen<br />
Befunden passen. Ein experimenteller Ansatz zu Untersuchung<br />
intermittenter Vorgänge ist, das Verhalten des Systems —<br />
im vorliegenden Fall die Lebensdauern der laminaren bzw. turbulenten<br />
Phasen sowie die Amplituden, welche während der laminaren<br />
Phasen erreicht werden — in Abhängigkeit verschiedener Systemparameter<br />
zu untersuchen. Als Systemparameter kommen dabei<br />
Temperatur und antreibende Kraft in Frage. Abbildung 3.9 zeigt<br />
Ausschnitte von jeweils 800 Sekunden aus drei Zeitreihen (Gesamtdauer<br />
vier Stunden) bei unterschiedlicher antreibender Kraft. Bei der<br />
ersten Zeitreihe wurde die geringste Antriebskraft verwendet. Hier
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 91<br />
30 a) 47 pN<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
30 b) 55 pN<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
v (mm/s) 18<br />
30 c) 75 pN<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
Zeit (100 s / div)<br />
Abbildung 3.9: Ausschnitte aus Zeitreihen der Geschwindigkeitsamplitude<br />
bei konstanter Temperatur (300 mK) und antreibender<br />
Kraft für drei unterschiedliche Kräfte. Der Vergleich der Zeitreihen<br />
zeigt eine Abnahme der Lebensdauern der laminaren Phasen mit<br />
zunehmender antreibender Kraft (von oben nach unten). Dies führt<br />
dazu, daß der Sättigungswert während der laminaren Phasen nicht<br />
mehr erreicht wird. Ebenso ist eine Zunahme der Lebensdauern der<br />
turbulenten Phasen (bei Zeitreihe b) durch Markierungen gekennzeichnet)<br />
zu beobachten.<br />
ist erneut sehr schön die exponentielle Annäherung der Geschwindigkeitsamplitude<br />
an den Gleichgewichtswert zu erkennen. Mit zunehmender<br />
Kraft verkürzen sich die laminaren Phasen jedoch, so<br />
daß die Gleichgewichtslage — bei unveränderter Zeitkonstante —<br />
nicht mehr erreicht werden kann, wie bei der zweiten Zeitreihe deutlich<br />
zu erkennen ist. An den gekennzeichneten Stellen ist hier auch<br />
bereits eine Verlängerung der turbulenten Phasen zu erkennen. Die<br />
dritte Zeitreihe demonstriert die Fortsetzung dieses Trends. Man erhält<br />
sehr lange turbulente Phasen, welche durch nur kurze laminare<br />
unterbrochen werden. In den folgenden Abschnitten wird nun eine
92 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
statistische Analyse dieses Phänomens präsentiert, wobei die Untersuchung<br />
für turbulente und laminare Phasen separat durchgeführt<br />
wird.<br />
3.3.1 Analyse der Phasen turbulenter Strömung<br />
Zunächst sollen die Lebensdauern der turbulenten Phasen untersucht<br />
werden. Hierfür wird der zeitliche Abstand zwischen dem Ende<br />
einer laminaren Phase (Schaltpunkt, an dem die Amplitude einzubrechen<br />
beginnt) und dem Beginn der nächsten laminaren Phase<br />
(Schaltpunkt, bei dem die Amplitude wieder zu steigen beginnt) ermittelt.<br />
Um diese Daten statistisch auszuwerten, wird zunächst die<br />
kumulative Häufigkeitsverteilung, d.h. der Anteil P(t) der turbulenten<br />
Phasen, deren Lebensdauer einen gewissen Wert t überschreitet,<br />
bestimmt. Wie in Abschnitt 1.5 erläutert, entspricht dies der Zuverlässigkeitsfunktion<br />
der turbulenten Phasen, solange die betrachtete<br />
Anzahl von Phasen ausreichend groß ist, so daß Effekte durch die<br />
endliche Anzahl ausgewerteter Ereignisse vernachlässigbar sind. Die<br />
Zeitreihen werden daher in der Aufzeichnungsdauer so der Schalthäufigkeit<br />
angepaßt, daß einige hundert Ereignisse registriert werden<br />
können. Abbildung 3.10 zeigt ein typisches Ergebnis dieser Auswertung.<br />
In halblogarithmischer Darstellung werden die experimentell<br />
ermittelten Daten sehr gut durch eine Gerade beschrieben. Damit<br />
hat die Zuverlässigkeitsfunktion die Form<br />
P(t) = e −t/µ .<br />
Nach Beispiel 1 in Abschnitt 1.5, Seite 41, bedeutet dies, daß die Lebensdauern<br />
der turbulenten Phase einer Exponentialverteilung genügen.<br />
Die Steigung der Anpaßgeraden in der halblogarithmischen<br />
Darstellung gibt damit unmittelbar die mittlere Lebensdauer µ der<br />
turbulenten Phasen an. Darüber hinaus bedeutet dieser Befund, daß<br />
die Ausfallrate, d.h. die Wahrscheinlichkeit, daß eine turbulente Phase<br />
zusammenbricht, einen konstanten Wert besitzt, also insbesondere<br />
nicht von der Dauer der Phase abhängt. Die Ausfallrate ist dabei<br />
durch 1/µ gegeben. Um den Einfluß der Systemparameter (F, T) auf
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 93<br />
Anzahl turbulenter Phasen<br />
100<br />
10<br />
T = 300mK<br />
F = 59pN<br />
1<br />
0 10 20 30 40 50<br />
∆t (s)<br />
Abbildung 3.10: Beispiel einer experimentell ermittelten Zuverlässigkeitsfunktion<br />
der turbulenten Phase. Die Daten werden sehr gut<br />
durch eine Gerade in der halblogarithmischen Darstellung angenähert,<br />
entsprechend einer Exponentialverteilung der Lebensdauern.<br />
Die Steigung der Gerade gibt in diesem Fall die (konstante) Ausfallrate<br />
bzw. die reziproke mittlere Lebensdauer der turbulenten Phasen<br />
an.<br />
das Ergebnis zu überprüfen, wurden zahlreiche Zeitreihen bei unterschiedlichen<br />
Temperaturen sowie antreibenden Kräften ausgewertet.<br />
Dabei ergibt sich stets eine Exponentialverteilung der Lebensdauern,<br />
lediglich die mittlere Lebensdauer ändert sich mit der antreibenden<br />
Kraft. Abbildung 3.11 zeigt mittlere Lebensdauern µ wie sie für verschiedene<br />
antreibende Kräfte sowie unterschiedliche Temperaturen<br />
erhalten werden. Um dabei die Ergebnisse für unterschiedliche Temperaturen<br />
vergleichen zu können, ist auf der Rechtswertachse nicht<br />
die Antriebskraft F aufgetragen, sondern die Antriebskraft reduziert<br />
um die Kraft, die der linearen Dämpfung entspricht, also<br />
Fa = F − λvt .
94 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
µ (s)<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
1<br />
Osz 5<br />
Osz 6<br />
Osz 9<br />
Osz A<br />
30 100 200 300 400 mK<br />
15 20 25 30 35 40 45 50 55<br />
F a (pN)<br />
Abbildung 3.11: Mittlere Lebensdauer der turbulenten Phasen bei<br />
unterschiedlichen Temperaturen und reduzierten (s. <strong>Text</strong>) antreibenden<br />
Kräften Fa. Es ist zu erkennen, daß keine Temperaturabhängigkeit<br />
festzustellen ist, während eine starke Abhängigkeit von der antreibenden<br />
Kraft existiert. Die durchgezogene Linie ist die Anpassung<br />
einer Divergenz mit der vierten Potenz.<br />
Dadurch entfernt man den Einfluß der stark temperaturabhängigen<br />
linearen Dämpfung aus den Ergebnissen. Man erkennt, daß die mittlere<br />
Lebensdauer der turbulenten Phasen durch die Temperatur nicht<br />
meßbar beeinflußt wird, während eine starke Abhängigkeit von der<br />
antreibenden Kraft besteht. Offenbar divergieren die Lebensdauern<br />
bei Annäherung an einen kritischen Wert<br />
Fc = 54 pN (3.5)<br />
für Fa. Diese Divergenz läßt sich gut mit einem Exponentialgesetz der<br />
Form<br />
µT ∝ (Fa − Fc) −4<br />
beschreiben. Dabei ergibt sich für verschiedene Levitationszustände<br />
im Rahmen der Meßgenauigkeit der selbe Wert für die kritische
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 95<br />
Kraft, lediglich ein Levitationszustand (Oszillator A) weist einen etwas<br />
höheren Wert von Fc = 64 pN auf. Dies deutet auf eine Abhängigkeit<br />
der kritischen Kraft von der Lage der Kugel in der Meßzelle<br />
und damit insbesondere von Größe und Oberflächenbeschaffenheit<br />
hin.<br />
Aus der kritischen Kraft Fc und der zugehörigen Geschwindigkeitsamplitude<br />
läßt sich, wie bereits auf Seite 85 erwähnt, die der<br />
turbulenten Strömung zugeführte Leistung ermitteln. Damit erhält<br />
man die kritische Leistung, welche für ein stabiles Aufrechterhalten<br />
der Turbulenz erforderlich ist<br />
Pc = 1<br />
2 Fc · vc2 ≈ 0,6 pW . (3.6)<br />
Dies entspricht nach dem in Gleichung (1.18) angegebenen Wert für<br />
die Energie pro Länge eines Wirbels einer Produktion von 1 mm Wirbellänge<br />
pro Halbperiode der Schwingung der Kugel. Das bedeutet,<br />
die Kugel könnte beispielsweise pro Halbperiode einen großen Wirbelring<br />
vom 1,4-fachen ihres eigenen Durchmessers abstoßen.<br />
Fazit<br />
• Die Lebensdauern der turbulenten Phasen gehorchen bei allen<br />
Temperaturen sowie antreibenden Kräften einer Exponentialverteilung.<br />
• Es ist im Rahmen der Meßgenauigkeit keine Abhängigkeit von<br />
der Temperatur festzustellen.<br />
• Bei Annäherung an einen kritischen Wert Fc der Antriebskraft divergiert<br />
die Lebensdauer der turbulenten Phase — die Turbulenz<br />
wird stabil. Diese Divergenz läßt sich gut mit einem Potenzgesetz<br />
beschreiben.<br />
• Es gibt Hinweise darauf, daß der Wert von Fc von Lage, Größe<br />
und Oberflächenbeschaffenheit der Kugel abhängt.<br />
• Die minimale Leistung, welche benötigt wird, um stabile Turbulenz<br />
zu erzeugen, entspricht der Produktion eines Wirbelrings des<br />
1,4-fachen Durchmessers der Kugel pro Halbperiode der Schwingung.
96 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
P L (∆v)<br />
1<br />
0,1<br />
0,01<br />
T = 300 mK<br />
F = 55 pN<br />
0 2 4 6 8 10 12<br />
∆v (mm/s)<br />
Abbildung 3.12: Beispiel einer experimentell ermittelten kumulativen<br />
Verteilung der maximalen Amplituden, welche jeweils während<br />
einer laminaren Phase erreicht werden. Die durchgezogene Linie ist<br />
eine Parabel in der vorliegenden halblogarithmischen Darstellung,<br />
entsprechend einer Weibull-Verteilung der maximalen Geschwindigkeiten.<br />
3.3.2 Analyse der Phasen laminarer Strömung<br />
Dieser Abschnitt befaßt sich mit der statistischen Untersuchung der<br />
Phasen laminaren Flusses um die oszillierende Kugel. Diese laminaren<br />
Phasen zeichnen sich durch zwei auswertbare Größen aus. Einerseits<br />
kann wie im vorangehenden Abschnitt die zeitliche Dauer<br />
betrachtet werden, andererseits aber auch die jeweils erreichte maximale<br />
Geschwindigkeitsamplitude. Es ist günstig zunächst den zweiten<br />
Weg einzuschlagen. Abbildung 3.12 zeigt eine entsprechende experimentell<br />
bestimmte kumulative Verteilung PL( v). Im Gegensatz<br />
zu den Lebensdauern der turbulenten Phasen zeigt sich hier, daß die
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 97<br />
v w (mm/s)<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
+10 %<br />
4,79<br />
-10 %<br />
28mK<br />
100mK 200mK<br />
300mK 403mK<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
F-λv t (pN)<br />
Abbildung 3.13: Weibull-Geschwindigkeiten für unterschiedliche<br />
antreibende Kräfte bei unterschiedlichen Temperaturen (Oszillator<br />
6).<br />
Daten sehr gut durch eine Parabel in der halblogarithmischen Darstellung<br />
beschrieben werden. Also durch den Ausdruck<br />
<br />
2<br />
v<br />
PL( v) = exp − , (3.7)<br />
wobei die sogenannte Weibull-Geschwindigkeit vw ein anpaßbarer<br />
Parameter ist. Wie im Beispiel 2 im Abschnitt 1.5.4 angegeben, entspricht<br />
dies einer Weibull-Verteilung der erreichten Amplituden.<br />
Auch hier ergibt sich bei allen untersuchten Zeitreihen das selbe<br />
Ergebnis. Stets findet man eine Weibull-Verteilung. Während man<br />
wie im Fall der turbulenten Phasen keinerlei Abhängigkeit der Art<br />
der Verteilung von der Temperatur feststellen kann, ergibt sich im<br />
Unterschied zur mittleren Lebensdauer der turbulenten Phasen jedoch<br />
eine Weibull-Geschwindigkeit vw, welche nicht von der antreibenden<br />
Kraft abhängig ist. Dieser Sachverhalt ist in Abbildung<br />
vw
98 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
3.13 dargestellt, die Weibull-Geschwindigkeiten, wie sie für unterschiedliche<br />
Temperaturen sowie antreibende Kräfte gefunden wurden,<br />
zeigt. Als Rechtswertachse wird analog zum vorangehenden<br />
Abschnitt F − λvT gewählt, um die Meßpunkte für unterschiedliche<br />
Temperaturen zusammen in einer Abbildung darstellen zu können.<br />
Es zeigt sich, daß keine systematische Abhängigkeit von den beiden<br />
variierten Systemparametern zu beobachten ist. Vielmehr streuen<br />
die Werte innerhalb einer 10 % Bandbreite um einen Mittelwert.<br />
Dieser Mittelwert von vw variiert leicht zwischen unterschiedlichen<br />
Levitationszuständen, wie die Übersicht in Abbildung 3.14 zeigt. Als<br />
Fehlerbalken ist dabei die Standardabweichung innerhalb der jeweiligen<br />
Meßreihe angegeben. Es zeigt sich, daß zwischen den Meßreihen<br />
leichte Variationen auftreten, die darauf hindeuten, daß vw von<br />
der Größe und Oberflächenbeschaffenheit der Kugel abhängt, da davon<br />
auszugehen ist, daß die Kugel nach jeder neuen Präparation des<br />
Levitationszustandes eine andere Lage einnimmt, und so andere Bereiche<br />
der Oberfläche von der Flüssigkeit angeströmt werden.<br />
Um eine Ausfallrate der laminaren Phasen angeben zu können,<br />
ist es erforderlich zu einer lebensdauerbasierten Statistik überzugehen.<br />
Hierfür verwendet man die in (3.3) angegebene zeitabhängige<br />
Amplitude des linear gedämpften angetriebenen Oszillators<br />
<br />
− t/τ<br />
v( t) = vmax · 1 − e (3.8)<br />
und setzt sie in die oben experimentell ermittelte amplitudenbasierte<br />
Verteilung aus Gleichung (3.7) ein. Dies liefert die Zuverlässigkeitsfunktion<br />
der laminaren Phasen<br />
<br />
vmax ·<br />
PL( t) = PL(v( t)) = exp −<br />
2 <br />
1 − e− t/τ<br />
. (3.9)<br />
Dieses Ergebnis läßt sich nun mit den Werten vergleichen, die im<br />
Experiment gefunden werden. Abbildung 3.15 zeigt die soeben aus<br />
der Amplitudenverteilung abgeleitete Zuverlässigkeitsfunktion als<br />
durchgezogene Linie im Vergleich zu Daten wie sie durch Auswertung<br />
der Zeitdauern der laminaren Phasen gewonnen wurden. Man<br />
v 2 w
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 99<br />
v w (mm/s)<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
6 7 8 9 A C<br />
Oszillator Nr.<br />
Abbildung 3.14: Mittelwerte der für unterschiedliche Levitationszustände<br />
ermittelte Weibull-Geschwindigkeiten. Als Fehlerbalken<br />
ist die jeweilig Standardabweichung innerhalb der Meßreihe angegeben.<br />
Man erkennt eine geringfügige Schwankung zwischen den<br />
Meßreihen, welche auf eine Abhängigkeit von Größe und Oberflächenbeschaffenheit<br />
der Kugel hindeutet.<br />
erkennt, zumindest für kurze Lebensdauern, eine sehr gute Übereinstimmung.<br />
Diese war auch zu erwarten, da bei der Berechnung<br />
von Gleichung (3.9) lediglich die Zeitabhängigkeit der Geschwindigkeitsamplitude<br />
v eingeht, welche aufgrund der laminaren Dämpfung<br />
sehr gut bekannt ist. Dies bestätigt auch ein Vergleich der theoretischen<br />
Erwartung (siehe Gleichung (3.8)) mit experimentellen Daten,<br />
die aus Lebensdauer-Amplituden-Paaren bestehen [30].<br />
Nach Abschnitt 1.5 kann nun die Ausfallrate der laminaren Phasen<br />
aus Gleichung (3.9) durch Bildung der logarithmischen Ableitung<br />
nach der Zeit ermittelt werden<br />
d ln P( t)<br />
( t) = −<br />
d t<br />
=<br />
vmax<br />
vw<br />
2 d<br />
<br />
t 2<br />
−<br />
1 − e τ<br />
d t
100 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
P L (∆t)<br />
1<br />
0,1<br />
0,01<br />
T = 300 mK<br />
F = 55 pN<br />
0 10 20 30<br />
∆t (s)<br />
Abbildung 3.15: Beispiel einer experimentell ermittelten Zuverlässigkeitsfunktion<br />
der Phasen laminaren Flusses um die Kugel. Die<br />
durchgezogene Linie entspricht der in Gleichung (3.9) aus der Analyse<br />
der maximal erreichten Geschwindigkeiten abgeleiteten Zuverlässigkeitsfunktion.<br />
Für die hier dargestellten kurzen Lebenszeiten<br />
ergibt sich eine sehr gute Übereinstimmung.<br />
=<br />
vmax<br />
vw<br />
2 2 t<br />
e− τ<br />
τ<br />
<br />
t −<br />
1 − e τ<br />
. (3.10)<br />
In Abbildung 3.16 sind eine Zuverlässigkeitsfunktion (linke Achse)<br />
sowie die zugehörige Ausfallrate (rechte Achse) angegeben. Als<br />
Zeitkonstante wurde τ = 36 s gewählt, wie sie für die Temperatur<br />
T = 300 mK bei der vorliegenden Kugel typisch ist. Für kleine<br />
Amplituden läßt sich das exponentielle Sättigungsgesetz von v( t)<br />
näherungsweise durch eine lineare Beziehung beschreiben. Dementsprechend<br />
ist für kleine Amplituden und Lebensdauern auch ein<br />
identischer Verlauf der beiden Zuverlässigkeitsfunktionen zu erwarten.<br />
Tatsächlich weist ( t) für kleine Lebensdauern t ein lineares<br />
Anwachsen mit der Lebensdauer der laminaren Phase auf, wie es
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 101<br />
für eine Weibull-Verteilung der Lebensdauer zu erwarten ist. Sehr<br />
schnell flacht die Zunahme jedoch ab und die Ausfallrate besitzt ein<br />
Maximum bei<br />
tp = −τ ln 1<br />
≈ 0,7τ .<br />
2<br />
Dies entspricht im vorliegenden Fall 25 s. Somit ergibt sich die höchste<br />
Ausfallrate lange bevor die Schwingung ihre Maximalamplitude<br />
erreicht hat. Das bedeutet, daß die Ausfallrate sinkt, obwohl die<br />
Geschwindigkeitsamplitude der Kugeloszillationen weiter zunimmt.<br />
Die Situation wird aber noch ungewöhnlicher, wenn man zu noch<br />
höheren Lebensdauern geht. Für t → ∞ wird nämlich die Ausfallrate<br />
sehr schnell (exponentiell) beliebig klein. Dies bedeutet, daß<br />
laminare Phasen, die eine Lebensdauer erreichen, die deutlich größer<br />
ist als die Zeitkonstante τ, eine verschwindend kleine Ausfallrate<br />
besitzen und damit praktisch ‚unsterblich“ werden. Dies spiegelt<br />
sich in den Eigenschaften der Zuverlässigkeitsfunktion wider, welche<br />
für große Zeiten gegen einen endlichen Wert konvergiert, anstatt<br />
beliebig klein zu werden (vgl. Abbildung 3.16). Diese Aussage steht<br />
nicht im Widerspruch zur Weibull-Verteilung der erreichten Amplituden<br />
(sie wurde ja daraus abgeleitet), da deren Auswertung im Bereich<br />
sehr langer Lebensdauern keine Aussagen liefern kann, nachdem<br />
sich die Amplitude hier bereits ihrem Sättigungswert genähert<br />
hat und das Signalrauschen bzw. Abweichungen bei der Auswertung<br />
der erreichten Amplitude größer sind, als die dem exponentiellen<br />
Sättigungsgesetz entsprechende zeitliche Änderung. Die oben<br />
abgeleitete Aussage läßt sich durch eine andere Schreibweise direkter<br />
mit der Weibull-Verteilung der erreichten Geschwindigkeitsamplituden<br />
in Verbindung bringen. Man bildet hierfür, ausgehend von<br />
der in Gleichung (3.7) angegebenen Verteilung, durch Differenzieren<br />
nach t die Ausfallrate<br />
( v( t)) = − d<br />
d t ln PL( v) = 2<br />
v 2 w<br />
v<br />
d v<br />
d t<br />
. (3.11)<br />
An dieser Form ist sehr schön die lineare Zunahme der Ausfallrate<br />
mit der Geschwindigkeitsamplitude zu erkennen, wie sie typisch
102 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
P(∆t)<br />
1<br />
0,1<br />
P(∆t)<br />
Λ(∆t)<br />
0 50 100 150 200<br />
∆t (s)<br />
Abbildung 3.16: Aus der Analyse der während der laminaren Phasen<br />
erreichten Maximalamplituden abgeleitete Zuverlässigkeitsfunktion<br />
P( t) (linke Achse) sowie die dazugehörige Ausfallrate (t) (rechte<br />
Achse) der laminaren Phasen. Offenbar nähert sich die Ausfallrate<br />
für hohe Zeiten asymptotisch der Nullinie , d.h. langlebige laminare<br />
Phasen werden sehr stabil, also ‚unsterblich‘.<br />
ist für Weibull-verteilte Lebensdauern. Durch das zusätzliche Auftreten<br />
der zeitlichen Ableitung der Geschwindigkeitsamplitude, welche<br />
ja bei Annäherung an den Sättigungswert abnimmt und schließlich<br />
gegen Null geht, wird dieses Verhalten jedoch modifiziert und entspricht<br />
damit der oben beschriebenen Beziehung. Somit ergibt sich<br />
die Möglichkeit einer alternativen Deutung des Verhaltens der Ausfallrate.<br />
Sie ist sowohl proportional zur erreichten Geschwindigkeitsamplitude<br />
über dem turbulenten Niveau als auch zur zeitlichen Änderung<br />
˙v der Geschwindigkeitsamplitude v der Oszillationen.<br />
Diese Vorhersagen für lange Lebensdauern lassen sich nun experimentell<br />
überprüfen, indem eine antreibende Kraft nahe der linken<br />
Grenze des Intermittenzbereichs gewählt wird. Dort wird vmax<br />
klein und damit das Maximum der Ausfallrate weniger hoch, so daß<br />
5%<br />
4%<br />
3%<br />
2%<br />
1%<br />
0%<br />
Λ (1/s)
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 103<br />
P(∆t)<br />
1<br />
0,1<br />
0,01<br />
T = 300mK<br />
51,2 pN<br />
47,1 pN<br />
45,0 pN<br />
49,1 pN<br />
0 200 400 600 800 1000 1200 1400<br />
∆t (s)<br />
Abbildung 3.17: Experimentell ermittelte Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
für laminare Phasen für unterschiedliche antreibende Kräfte und<br />
sehr hohe Lebensdauern. Die gestrichelten Linien entsprechen der in<br />
Gleichung (3.9) hergeleiteten Zuverlässigkeitsfunktion. Die durchgezogenen<br />
Linien resultieren aus den in Abschnitt 3.3.3 erläuterten Untersuchungen.<br />
die Wahrscheinlichkeit für ein System, den Bereich verschwindender<br />
Ausfallrate zu erreichen, größer wird. Zieht man die Zuverlässigkeitsfunktion<br />
als Kriterium heran, so bedeutet dies, daß der Grenzwert,<br />
den die Zuverlässigkeitsfunktion für große Zeiten annimmt,<br />
höher liegt<br />
<br />
lim P( t) = exp<br />
t→∞<br />
− v2 max<br />
v 2 w<br />
— entsprechend einem größeren Anteil laminarer Phasen mit sehr<br />
langer Lebensdauer. Bei diesen Untersuchungen nahe der linken<br />
Grenze des Intermittenzbereichs erweist es sich als vorteilhaft, eine<br />
Temperatur zu wählen, bei der die lineare Dämpfung λ nicht<br />
zu klein ist, da in diesem Fall der Schnittwinkel zwischen den la-<br />
<br />
,
104 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
minaren und turbulenten v(F)-Beziehungen kleiner und damit die<br />
Kraft leichter einzustellen ist. Abbildung 3.17 zeigt Zuverlässigkeitsfunktionen,<br />
die aus Zeitreihen für verschiedene antreibende Kräfte<br />
in diesem Bereich gewonnen wurden. Zunächst soll ausschließlich<br />
die Kurve für die größte Antriebskraft (51,2 pN) betrachtet werden.<br />
Der entsprechend Gleichung (3.9) erwartete Verlauf ist als gestrichelte<br />
Kurve eingezeichnet. Während diese gestrichelte Kurve die oben<br />
diskutierten Eigenschaften aufweist, weichen die Meßwerte für hohe<br />
Lebensdauern deutlich davon ab: Auch für sehr lange Lebensdauern<br />
t ≫ τ = 36 s ergibt sich eine endliche Steigung in der halblogarithmischen<br />
Darstellung, entsprechend einer endlichen Ausfallrate.<br />
Dieses Ergebnis ist kein Einzelfall, wie die Meßkurven für geringere<br />
antreibende Kräfte bestätigen: Es zeigt sich stets eine Abflachung,<br />
welche jedoch in eine endliche Steigung übergeht.<br />
Dieser Befund führt zur Suche nach weiteren Mechanismen, welche<br />
die Lebensdauer dieser langlebigen laminaren Phasen begrenzen.<br />
Erschütterungen sowie akustische Störungen können weitestgehend<br />
ausgeschlossen werden, da der verwendete Kryostat sehr gut<br />
gegen Gebäudevibrationen geschützt ist und sich experimentell bestätigt<br />
hat, daß die langlebigen laminaren Phasen ausgesprochen stabil<br />
sind. So hatte beispielsweise heftiges Türenschlagen, Entmagnetisieren<br />
der Computermonitore wie auch die Erzeugung starker Gebäudevibrationen<br />
keinen Einfluß auf die langlebigen laminaren Phasen.<br />
Selbst das Befüllen des Dewars mit Helium und das (nicht zu<br />
ruckartige) Einführen des Heliumhebers konnten ihnen nichts anhaben.<br />
Fazit<br />
• Die während der laminaren Phasen erreichten Geschwindigkeitsamplituden<br />
genügen einer Weibull-Verteilung.<br />
• Die Ausfallrate der laminaren Phasen wird für lange Lebensdauern<br />
beliebig klein. Dies deutet auf metastabile laminare Zustände<br />
hin.<br />
• Im Experiment ergibt sich selbst für sehr langlebige laminare Phasen<br />
eine zwar stark reduzierte, aber doch endliche, Ausfallrate.
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 105<br />
U[V]<br />
35<br />
30<br />
25<br />
60 Co<br />
68 70 72 74 76 78 80 82 84 86<br />
t (1000 s)<br />
Abbildung 3.18: Zeitreihe der Geschwindigkeitsamplitude der Kugeloszillation,<br />
wobei die radioaktive Quelle während der Aufzeichnung<br />
hinzugefügt wurde. Man erkennt deutlich die unterschiedliche<br />
Schaltfrequenz, welche sich infolge der Verkürzung der laminaren<br />
Phasen ergibt.<br />
3.3.3 Einfluß radioaktiver Strahlung<br />
Nachdem alle Versuche, die langlebigen laminaren Phasen durch mechanische<br />
Störungen zu verkürzen, erfolglos blieben, wurde eine radioaktive<br />
Quelle (vgl. Abschnitt 2.2.4) außerhalb des Heliumdewars<br />
des Kryostaten in Höhe der Meßzelle angebracht. Abbildung 3.18<br />
zeigt das Ergebnis dieser Messungen. Dargestellt ist ein Ausschnitt<br />
aus einer Zeitreihe bei der während der Aufzeichnung mehrmals die<br />
Quelle hinzugefügt und wieder entfernt wurde. Deutlich ist das Fehlen<br />
langer laminarer Phasen während der Einwirkung der radioaktiven<br />
Quelle zu erkennen, während ohne die Quelle signifikant längere<br />
Phasen auftreten. Um diese Untersuchung quantitativ durchzuführen,<br />
werden erneut die Zuverlässigkeitsfunktionen der laminaren<br />
Phasen jeweils einer Zeitreihe mit und ohne radioaktive Quelle
106 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
P(∆t)<br />
1<br />
0,1<br />
F = 47 pN<br />
T = 300 mK<br />
natürliche Hintergrundstrahlung<br />
zusätzliche 60 Co Quelle<br />
0 200 400 600 800 1000 1200<br />
∆t (s)<br />
Abbildung 3.19: Experimentell ermittelte Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
bei konstanter Temperatur und antreibender Kraft. Bei der flacheren<br />
Kurve wirkte nur die natürliche Hintergrundstrahlung im Labor<br />
auf die Meßzelle ein, während bei der Messung der steiler abfallenden<br />
Kurve ein radioaktives Präparat an der Außenseite des Kryostaten<br />
angebracht wurde.<br />
betrachtet. Das Ergebnis zeigt Abbildung 3.19. Die Zuverlässigkeitsfunktion<br />
mit radioaktiver Quelle weist ähnliche Eigenschaften auf<br />
wie die bisher beschriebenen Ergebnisse ohne Quelle: Zunächst ergibt<br />
sich ein ein steiler Abfall, der dann in eine kleinere aber endliche<br />
Steigung übergeht. Der unmittelbare Vergleich mit der Zuverlässigkeitsfunktion,<br />
die bei gleicher antreibender Kraft ohne Quelle<br />
gewonnen wurde, zeigt aber einen deutlichen Unterschied. Die Steigung<br />
der Kurve für hohe Lebensdauern wird durch das Hinzufügen<br />
der Quelle stark erhöht, entsprechend einer Vergrößerung der Ausfallrate,<br />
die eine Verkürzung der mittleren Lebensdauer zur Folge<br />
hat.<br />
Da die Kurven im Bereich hoher Lebensdauern gut durch eine<br />
Gerade im halblogarithmischen Diagramm zu beschreiben sind, ge-
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 107<br />
horchen die Lebensdauern in diesem Bereich einer Exponentialverteilung.<br />
Somit kann aus der Steigung dieser Geraden jeweils die mittlere<br />
Lebensdauer µl bzw. µl,Co der langlebigen laminaren Phasen ermittelt<br />
werden<br />
µl = 1497,6 s ≈ 25,0 min (3.12)<br />
µl,Co = 180,96 s ≈ 3,02 min . (3.13)<br />
Das bedeutet, die mittlere Lebensdauer wird durch die Einwirkung<br />
der Strahlung der radioaktiven Quelle um einen Faktor<br />
µL<br />
µL,Co<br />
= 8,3 (3.14)<br />
reduziert. Vergleicht man nun die Dosisleistung der natürlichen Hintergrundstrahlung<br />
im Labor mit der Dosisleistung bei hinzugefügter<br />
radioaktiver Quelle am Ort der Meßzelle, so ergibt sich ein Faktor<br />
9,4 ± 15 % (vgl. Abschnitt 2.2.4) in sehr guter Übereinstimmung innerhalb<br />
der Fehlergrenzen. Dieses Resultat läßt den Schluß zu, daß<br />
die Lebensdauer der langlebigen laminaren Phasen lediglich durch<br />
die Einwirkung der natürlichen Hintergrundstrahlung begrenzt ist.<br />
Das bedeutet, laminare Phasen, welche eine Lebensdauer von einigen<br />
Zeitkonstanten τ erreicht haben, werden metastabil. Die Strömung<br />
wird also ohne äußeren Einfluß (wie beispielsweise durch natürliche<br />
Radioaktivität) nicht turbulent, obwohl die Geschwindigkeitsamplitude<br />
deutlich über dem turbulenten Niveau liegt.<br />
Aus diesen Beobachtungen kann man den Schluß ziehen, daß<br />
zwei Mechanismen zur Ausfallrate der laminaren Phasen beitragen:<br />
der im vorangehenden Abschnitt beschriebene Effekt der metastabile<br />
laminare Phasen zuläßt, sowie der Einfluß der radioaktiven Strahlung.<br />
Im einfachsten Fall sind beide Mechanismen voneinander stochastisch<br />
unabhängig, so daß sich die Ausfallraten einfach addieren,<br />
wie dies bei einem zweikomponentigen Gerät der Fall ist, bei<br />
dem das Versagen nur einer Komponente zum Totalausfall führt (vgl.<br />
[14]). Es läßt sich so eine neue Ausfallrate<br />
L,Co( t) = L( t) + 1<br />
τ2<br />
, mit τ2 = 1,5 · 10 3 s (3.15)
108 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
P(∆t)<br />
1<br />
0,1<br />
0,01<br />
T = 300mK<br />
45,0 pN<br />
47,1 pN<br />
49,1 pN<br />
51,2 pN<br />
10 100 1000<br />
∆t (s)<br />
Abbildung 3.20: Diagramm aus Abbildung 3.17, diesmal mit logarithmierter<br />
Zeitachse um den großen Bereich an Lebensdauern darstellen<br />
zu können. Die durchgezogenen Linien entsprechen der in<br />
Gleichung (3.15) angegebenen Ausfallrate.<br />
angeben. Diese Ausfallrate beschreibt die Meßergebnisse sehr gut,<br />
wie in Abbildung 3.17 und 3.20 (jeweils durchgezogene Linien) zu<br />
sehen ist. Besonders Abbildung 3.20 demonstriert die gute Beschreibung<br />
der Meßdaten über einen sehr großen Bereich von Lebensdauern.<br />
Fazit<br />
• Durch Hinzufügen einer radioaktiven Quelle gelingt es, die langlebigen<br />
laminaren Phasen zu verkürzen.<br />
• Die im vorangehenden Abschnitt beschriebene endliche Ausfallrate<br />
langlebiger laminarer Phasen wird durch natürliche Hintergrundstrahlung<br />
verursacht.<br />
• Damit sind die langlebigen laminaren Phasen metastabil. Die Strömung<br />
wird nicht turbulent, obwohl v deutlich größer als vc1 ist.
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 109<br />
3.3.4 Übergang zur Hysterese<br />
Die in den vorangehenden Abschnitten gewonnenen Erkenntnisse<br />
lassen nun auch eine Interpretation des bereits zu Beginn von Abschnitt<br />
3.3 angesprochenen und in früheren Messungen gefundenen<br />
hysteretischen Übergangs zwischen laminarer Strömung und Turbulenz<br />
bei höheren Temperaturen zu. Wie gesehen, ergibt sich für größere<br />
Temperaturen eine höhere laminare Dämpfung und damit ein<br />
flacherer Anstieg der v(F)-Kurve in diesem Regime. Dies führt zu<br />
einer Erhöhung der für das Einsetzen des intermittenten Schaltens<br />
nötigen antreibenden Kraft, in Folge des nach rechts wandernden<br />
Schnittpunktes zwischen der v(F)-Kurve im laminaren bzw. turbulenten<br />
Regime. Darüberhinaus aber erfolgt das Durchschneiden der<br />
laminaren vL(F)-Kurve durch die turbulente vT(F)-Kurve bei höheren<br />
Temperaturen auch flacher. Damit ist aber die maximale Überhöhung<br />
vmax relativ klein, da die Breite des Intermittenzbereichs<br />
durch Fc festgelegt ist (vgl. Abschnitt 3.3.1 bzw. Abbildung 3.5) und<br />
mit der Temperatur nicht variiert. Dieser Sachverhalt ist in Abbildung<br />
3.21 dargestellt. Aufgetragen ist vmax in Abhängigkeit von der<br />
Temperatur. Für niedrige Temperaturen ergeben sich sehr hohe Werte<br />
(welche im Diagramm nicht mehr dargestellt sind). Zu höheren<br />
Temperaturen hin erfolgt ein scharfer Zusammenbruch. Für eine erste<br />
Beurteilung der Situation bietet sich der Vergleich von vmax mit<br />
der Weibull-Geschwindigkeit an, da der Quotient aus diesen beiden<br />
Größen quadratisch in die Ausfallrate der laminaren Phasen eingeht<br />
(Gleichung (3.10)). Wie in Abbildung 3.21 zu erkennen, fällt ab etwa<br />
440 mK vmax unter den Wert von vw, verbunden mit einem Rückgang<br />
der Ausfallrate der laminaren Phasen.<br />
Noch besser läßt sich die Auswirkung der erhöhten Temperatur<br />
verdeutlichen, indem die mittlere Lebensdauer der laminaren Phase<br />
berechnet wird. Für die vorliegende Situation ist es dabei sinnvoll,<br />
eine antreibende Kraft zu wählen, bei der die laminaren Phasen möglichst<br />
kurz leben, d.h. man betrachtet den rechten Rand des Intermittenzbereiches.<br />
An dieser Stelle ist zu betonen, daß das Auftreten stabiler<br />
Turbulenz keinesfalls das Vorliegen turbulenter Strömung bedingt.<br />
Vielmehr besagt dies lediglich, daß die Strömung turbulent
110 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
∆v max (mm/s)<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
v w<br />
100 200 300 400440 500 600 700<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.21: Maximale Amplitude vmax der laminaren Phase<br />
über der turbulenten Phase, berechnet für diejenige antreibende<br />
Kraft, bei der die Turbulenz stabil wird. Etwa bei 440 mK wird vmax<br />
vergleichbar mit vw, verbunden mit einer Abnahme der Ausfallwahrscheinlichkeit<br />
(vgl. Gleichung (3.10)).<br />
bleibt, wenn die laminare Phase einmal zusammengebrochen ist. Für<br />
die Lebensdauer der laminaren Phase ist die obere Grenze des Intermittenzbereichs<br />
jedoch ohne Bedeutung. Unter diesen Umständen<br />
sind Meßdaten nur äußerst schwierig zu gewinnen. Daher zeigt Abbildung<br />
3.22 eine numerische Berechnung der mittleren Lebensdauer<br />
mit Hilfe der experimentell ermittelten Verteilung. Hierfür geht<br />
man von der Definition der mittleren Lebensdauer (1.43) und der experimentell<br />
gefundenen Zuverlässigkeitsfunktion für laminare Phasen<br />
aus und verwendet zur Ermittlung von vmax die v(F)-Kurve<br />
(1.27), welche am rechten Rand des Intermittenzbereichs, also bei<br />
F = Fc1 + Fc, ausgewertet wird (vgl. Gleichungen (1.28), (3.5)). Die
3.3 Bereich des intermittenten Schaltens 111<br />
µ L (s)<br />
1600<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
100 200 300 400 500 600 700<br />
T (mK)<br />
µ L (s)<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
0 100 200 300 400 500 600 700<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.22: Mittlere Lebensdauer der laminaren Phasen, berechnet<br />
an der rechten Grenze des Intermittenzbereichs. Für niedrige<br />
Temperaturen (T ≤ 300 mK) ergeben sich sehr geringe, weitgehend<br />
temperaturunabhängige Werte, während sich für hohe Temperaturen<br />
(T ≥ 500 mK) sehr hohe, ebenfalls weitgehend temperaturunabhängige<br />
Lebensdauern ergeben.<br />
Berechnung ist wegen der erforderlichen numerischen Integration<br />
vergleichsweise aufwendig und wurde mit Maple durchgeführt.<br />
Abbildung 3.22 zeigt das Resultat, dessen wesentliche Eigenschaften<br />
die bisher gewonnenen Ergebnisse bereits vermuten lassen.<br />
Für geringe Temperaturen ergibt sich eine geringe Lebensdauer von<br />
wenigen Sekunden mit nur geringer Temperaturabhängigkeit. Die<br />
Ursache dafür ist die sehr geringe Dämpfung, die einen sehr großen<br />
Wert für vmax und eine fast freie Beschleunigung der Kugel durch<br />
die antreibende Kraft zur Folge hat. Damit spielt auch die Variation<br />
der vernachlässigbaren Dämpfung kaum eine Rolle für die Lebensdauer<br />
der laminaren Phasen.<br />
Für Temperaturen oberhalb von 500 mK ergibt sich hingegen eine<br />
sehr hohe Lebensdauer, welche aus der oben beschriebenen starken<br />
Abnahme von vmax resultiert. Auch hier zeigt sich zu höheren<br />
Temperaturen hin eine nur schwache Temperaturabhängigkeit. Diese<br />
ist das Ergebnis der Tatsache, daß die mittlere Lebensdauer der<br />
laminaren Phasen durch die natürliche Hintergrundstrahlung auf 25<br />
Minuten begrenzt wird.
112 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
Zwischen diesen beiden Bereichen befindet sich ein scharfer<br />
Übergang, der sich durch eine Änderung der mittleren Lebensdauer<br />
der laminaren Phase um einen Faktor 150 auszeichnet, während<br />
die Temperatur nur um einen Faktor 1,7 ansteigt.<br />
Die hohen Lebensdauern der laminaren Phase führen in diesem<br />
Bereich zu dem in früheren Arbeiten beobachteten Hystereseeffekt,<br />
da es durch sie möglich ist, die antreibende Kraft bis weit in den Bereich<br />
der stabilen Turbulenz hinein zu erhöhen, bevor der Umschlag<br />
in die Turbulenz erfolgt. Ein Rückschalten auf laminare Strömung ist<br />
nicht mehr möglich — die antreibende Kraft muß dazu erst wieder<br />
unter den kritischen Wert gebracht werden. Die bei jedem Durchlauf<br />
variierende Größe der Hystereseschleife ergibt sich aus der Statistik<br />
der Lebensdauern.<br />
Die in dieser Arbeit gezeigten Meßdaten stammen größtenteils<br />
aus Messungen bei 300 mK, da diese Temperatur einerseits niedrig<br />
genug ist um experimentell bestimmbare Lebensdauern zu erhalten,<br />
andererseits aber auch hoch genug, um die metastabilen laminaren<br />
Phasen studieren zu können, welche sich ergeben, wenn die Amplitude<br />
der Kugeloszillationen ihren Sättigungswert erreicht.<br />
Fazit<br />
• In früheren Messungen bei Temperaturen oberhalb von 500 mK<br />
wurde ein hysteretischer Übergang von laminarer zu turbulenter<br />
Strömung bei Erhöhung der antreibenden Kraft beobachtet.<br />
• Ursache dafür ist eine sehr starke Erhöhung der mittleren Lebensdauer<br />
der laminaren Phase am rechten Rand des Intermittenzbereichs<br />
bei diesen Temperaturen.<br />
• Hervorgerufen wird dies durch die temperaturbedingt erhöhte lineare<br />
Dämpfungskraft und den damit verbundenen geringeren<br />
Unterschied der Gleichgewichtsamplitude für laminare und turbulente<br />
Strömung.
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 113<br />
3.4 3 He- 4 He-Mischungen<br />
In den vorangehenden Abschnitten wurden ausschließlich Messungen<br />
mit isotopenreinem 4 He vorgestellt. Im folgenden soll nun auf<br />
Messungen eingegangen werden, die mit definierten 3 He- 4 He-Mischungen<br />
sowie natürlichem Helium durchgeführt wurden. Neben<br />
der Untersuchung des Einflusses der 3 He-Verunreinigungen auf den<br />
Übergang zur Turbulenz stellt die Bestimmung der Viskosität der Mischungen<br />
den Schwerpunkt dieses Abschnitts dar.<br />
3.4.1 Einfluß der 3 He- 4 He-Konzentration auf den<br />
Übergang zur Turbulenz<br />
Nachdem die bisherigen Untersuchungen zum Übergang zu turbulenter<br />
Strömung ausschließlich mit isotopenreinem 4 He durchgeführt<br />
wurden, stellt sich die Frage, ob die Charakteristika dieses<br />
Übergangs — also insbesondere die experimentell ermittelten Verteilungen<br />
der Lebensdauern, aber auch die charakteristischen Größen<br />
wie die Weibull-Geschwindigkeit vw, die Breite des Intermittenzbereichs<br />
etc. — durch 3 He-Verunreinigungen beeinflußt werden. Zu erwarten<br />
ist, daß die Dämpfung im laminaren Regime erhöht ist, da zu<br />
der Dissipation, wie sie durch ballistische Streuung von Phononen<br />
verursacht wird, noch weitere Dissipation durch Streuung an den<br />
3 He-Verunreinigungen hinzukommt. Dieser Effekt (insbesondere seine<br />
Temperatur und Konzentrationsabhängigkeit) wird im nächsten<br />
Abschnitt ausführlich behandelt, bezüglich des Übergangs zur Turbulenz<br />
ist er jedoch zu dem durch höhere Temperatur verursachten<br />
Anstieg der Dämpfung im isotopenreinen 4 He analog. Dies hat zur<br />
Folge, daß bei höheren 3 He-Konzentrationen die Messungen innerhalb<br />
des Intermittenzbereiches langwieriger werden, da die Lebensdauern,<br />
wie in Abschnitt 3.3.4 beschrieben, stark zunehmen. Aufgrund<br />
dieser Schwierigkeit konnten jeweils nur relativ wenige Meßreihen<br />
aufgenommen werden.<br />
Die Auswertung von Zeitreihen für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen<br />
ergab, daß die kritische antreibende Kraft Fc, welche
114 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
v w (mm/s)<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
1E-8 1E-6 1E-4 1E-2<br />
3 He-Konzentration x3<br />
Abbildung 3.23: Weibull-Geschwindigkeiten für unterschiedliche<br />
3 He-Konzentrationen x3. Im Rahmen der Meßgenauigkeit ist keine<br />
Abhängigkeit der Weibull-Geschwindigkeit von der Konzentration<br />
der Verunreinigungen festzustellen. Lediglich bei der höchsten Konzentration<br />
ergibt sich ein signifikant kleinerer Wert.<br />
für stabile Turbulenz erforderlich ist, nicht von der Konzentration<br />
der 3 He-Verunreinigung abhängt. Ein ähnliches Resultat liefert die<br />
Auswertung der laminaren Phasen. Abbildung 3.23 zeigt Weibull-<br />
Geschwindigkeiten, die bei unterschiedlichen 3 He-Konzentrationen<br />
x3 ermittelt wurden. Im Rahmen der Meßgenauigkeit ist keinerlei<br />
Abhängigkeit von x3 festzustellen. Lediglich bei der höchsten Konzentration<br />
tritt ein signifikant kleinerer Wert auf. Sofern eine Abhängigkeit<br />
vorliegt, müßte diese innerhalb eines relativ schmalen Konzentrationsbereichs<br />
einsetzen. Denkbar wäre auch, daß es sich bei<br />
diesem Punkt um einen Meßfehler handelt, zumal die Messung bei<br />
hohen Konzentrationen durch die oben beschriebene Erhöhung der<br />
laminaren Lebensdauern stark erschwert wird.
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 115<br />
λ (kg/s)<br />
5E-8<br />
4E-8<br />
3E-8<br />
2E-8<br />
2% 3 He<br />
0,5% 3 He<br />
0,05% 3 He<br />
0,005% 3 He<br />
0,0005% 3 He<br />
λ +λ ph rot<br />
1E-8<br />
300 400 500 600 700 800 900 1000<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.24: Temperaturabhängiger linearer Dämpfungskoeffizient<br />
λ (Vergrößerung des in Abbildung 3.25 hervorgehobenen Bereiches).<br />
Sehr deutlich ist die Abnahme der Dämpfung mit zunehmender<br />
3 He-Konzentration in diesem Temperaturbereich zu erkennen.<br />
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß der Übergang zur<br />
Turbulenz durch die hier untersuchten geringen 3 He-Konzentrationen<br />
nicht meßbar beeinflußt wird, sofern man von der erhöhten<br />
Dämpfung im laminaren Regime absieht.<br />
3.4.2 Viskositätsmessung<br />
Wie bereits angedeutet, erwartet man nach dem Einbringen von 3 He-<br />
Verunreinigungen in das suprafluide 4 He eine erhöhte Bedämpfung<br />
der Kugeloszillationen im Falle laminarer Strömung. Abbildung 3.25<br />
zeigt lineare Dämpfungskoeffizienten λ, wie sie für unterschiedliche<br />
3 He-Konzentrationen x3 bei Temperaturen oberhalb von 300 mK ermittelt<br />
wurden. Messungen in diesem Temperaturbereich mit natürlichem<br />
Helium werden in [24] ausführlich diskutiert. Unterhalb von
116 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
1 K erhöht sich mit fallender Temperatur die Zähigkeit (vgl. auch<br />
(1.36))<br />
η = 1 1<br />
ρcl =<br />
5 5 ρc2τP infolge des starken Anstiegs der Phonon-Phonon Stoßzeit τP, die<br />
gemäß [31] in diesem Temperaturbereich mit T −9 divergiert. Dies<br />
setzt sich fort, bis die hydrodynamische Beschreibung der Strömung<br />
schließlich ihre Gültigkeit verliert, sobald die freie Weglänge<br />
l = τP · c<br />
bei etwa 700 mK die Größenordnung der Kugelabmessungen erreicht.<br />
Unterhalb dieser Temperatur ist dann eine ballistische Beschreibung<br />
der Strömung erforderlich [24]. Die in Abbildung 3.24<br />
gezeigten Ergebnisse widersprechen der naheliegenden Erwartung,<br />
daß mehr Verunreinigungen höhere Dämpfung verursachen. Vielmehr<br />
verkürzen die Verunreinigungen die freie Weglänge und damit<br />
die Stoßzeit der Phononen, wodurch der Anstieg der Viskosität verringert<br />
wird und sich eine geringere Bedämpfung der Oszillationen<br />
ergibt. Damit erklärt sich die allmähliche Abflachung des Maximums<br />
der Dämpfung bei 700 mK mit zunehmender 3 He-Konzentration x3.<br />
Betrachtet man hingegen die Ergebnisse für Temperaturen unterhalb<br />
von etwa 300 mK in Abbildung 3.25, so erkennt man den erwarteten<br />
Anstieg der Dämpfung bei Erhöhung der Konzentration<br />
der 3 He-Verunreinigungen x3. Für die geringsten Konzentrationen<br />
ergibt sich annähernd eine Proportionalität zwischen x3 und λ, wie<br />
dies nach Gleichung (1.30a) für ballistische Streuung an den 3 He-Verunreinigungen<br />
zu erwarten ist. Für höhere Konzentrationen jedoch<br />
wird die Abhängigkeit schwächer, was auf einen Übergang von Ballistik<br />
zu hydrodynamischem Verhalten zurückzuführen ist (vgl. Abschnitt<br />
1.4). Betrachtet man die Temperaturabhängigkeit des linearen<br />
Dämpfungskoeffizienten in diesem Temperaturbereich, so erkennt<br />
man bei der höchsten Konzentration x3 = 2 % und den niedrigsten<br />
erreichten Temperaturen ein deutliches Anwachsen der Viskosität,<br />
das durch die Entartung des 3 He-Systems verursacht wird. Nach [33]<br />
ergibt sich hier ein Anstieg λ ∝ T −2 . Ansonsten ist λ weitgehend
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 117<br />
λ (kg/s)<br />
1E-8<br />
1E-9<br />
1E-10<br />
2% 3 He<br />
0,5% 3 He<br />
0,05% 3 He<br />
0,005% 3 He<br />
0,0005% 3 He<br />
0,00005% 3 He<br />
natürliches He<br />
< 10 -7 % 3 He<br />
λ ph +λ rot<br />
1E-11<br />
25 100 1000<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.25: Temperaturabhängiger linearer Dämpfungskoeffizient<br />
λ für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen. Für kleine Konzentrationen<br />
ergibt sich offenbar eine Proportionalität der Dämpfung<br />
zur Konzentration sowie eine Proportionalität zur Temperatur.
118 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
Steigung<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1E-10 1E-8 1E-6 1E-4 1E-2<br />
3 He-Konzentration x3<br />
Abbildung 3.26: Steigung der λ(T)-Kurven in der logarithmischen<br />
Auftragung (vgl. Abbildung 3.25) für tiefe Temperaturen. Die 3 He-<br />
Konzentration des verwendeten natürlichen Heliums ist nur in der<br />
Größenordnung bekannt und daher mit einem entsprechenden Fehlerbalken<br />
versehen.<br />
temperaturunabhängig. Mit fallender Konzentration wird die Temperaturabhängigkeit<br />
jedoch zunehmend stärker, bis hin zu einer annähernden<br />
Proportionalität<br />
λ ∝ T (3.16)<br />
bei den geringsten Konzentrationen und tiefen Temperaturen. Eine<br />
Gerade mit der entsprechenden Steigung ist in Abbildung 3.25 für<br />
die Meßdaten für x3 = 5 · 10 −5 eingezeichnet. Dies steht im Widerspruch<br />
zu der durch Gleichung (1.30a) vorhergesagten Proportionalität<br />
zu √ T für den ballistischen Grenzfall. Eine detaillierte Darstellung<br />
der Steigungen der λ(T) Beziehungen in der doppeltlogarithmischen<br />
Darstellung bietet Abbildung 3.26. Das isotopenreine 4 He zeigt<br />
eine Proportionalität des Dämpfungskoeffizienten λ zu T 4 , wie es für<br />
ballistische Streuung der Kugel an Phononen zu erwarten ist (vgl.
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 119<br />
(1.12a)), während sich für die 3 He- 4 He-Mischungen annähernd der<br />
Zusammenhang (3.16) ergibt. Das ebenfalls untersuchte natürliche<br />
He mit unbekanntem 3 He-Anteil liefert einen Zwischenwert, der die<br />
Vermutung nahelegt, daß es weniger Verunreinigungen enthält als<br />
es für das natürliche Isotopengemisch mit typisch x3 ∼ 10 −7 [28, 49]<br />
eigentlich zu erwarten wäre. Nachdem sich für die Mischungen eine<br />
andere Temperaturabhängigkeit der Dissipation ergibt, als sie für<br />
ballistische Streuung zu erwarten ist, stellt sich die Frage, ob der Bereich<br />
in dem sich die Dissipation durch ballistische Streuung der Kugel<br />
an den 3 He-Verunreinigungen beschreiben läßt, möglicherweise<br />
noch nicht erreicht ist, sich das System also noch in einem Übergangsbereich<br />
befindet. Um dies zu entscheiden, soll im folgenden die<br />
mittlere freie Weglänge für 3 He- 3 He-Stöße betrachtet werden. Hierfür<br />
wird, wie in Abschnitt 1.4 beschrieben, zunächst die Viskosität<br />
(vgl. (1.34)) und daraus mit Hilfe von (1.37) die freie Weglänge l3<br />
berechnet. Das Resultat ist in Abbildung 3.27 dargestellt. Es ergibt<br />
sich eine erwartungsgemäß nur schwache Temperaturabhängigkeit,<br />
infolge der weitgehenden Unabhängigkeit von Streuquerschnitt und<br />
3 He-Konzentration von der Temperatur. Man erkennt sehr schön,<br />
daß erst bei den beiden dünnsten untersuchten Mischungen die freie<br />
Weglänge der 3 He-Atome die Größenordnung der Kugelabmessungen<br />
R erreicht, d.h. hier ist mit dem beginnenden Übergang zu ballistischem<br />
Verhalten zu rechnen, während die übrigen Mischungen<br />
hydrodynamisch zu beschreiben sind. In diesem Fall ergibt sich ein<br />
Zusammenhang<br />
l3 ∝ x −1<br />
3 ,<br />
wie die in Abbildung 3.27 eingetragene durchgezogene Gerade mit<br />
der Steigung (-1) andeutet (vgl. Gleichung (1.38)). Die Abbildung<br />
zeigt darüberhinaus die freien Weglängen, wie sie in anderen Arbeiten<br />
für 3 He-Phonon Stöße gefunden [36] bzw. berechnet [3] wurden.<br />
Diese liegen mindestens um eine Größenordnung höher als die<br />
hier gefundenen freien Weglängen für 3 He- 3 He Stöße, so daß ihr Einfluß<br />
bei den untersuchten Temperaturen vernachlässigbar ist. Entsprechend<br />
Gleichung (1.39) ist es möglich, aus den gewonnenen Er-
120 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
Freie Weglänge (m)<br />
1E-1<br />
1E-2<br />
1E-3<br />
1E-4<br />
1E-5<br />
1E-6<br />
1E-7<br />
1E-8<br />
R<br />
50 mK<br />
100 mK<br />
200 mK<br />
500 mK<br />
100 mK<br />
200 mK<br />
500 mK (nach Baym)<br />
50 mK<br />
1E-6 1E-5 1E-4 1E-3 1E-2<br />
3 He-Konzentration x3<br />
Abbildung 3.27: Freie Weglänge für unterschiedliche Temperaturen<br />
in Abhängigkeit von der 3 He-Konzentration. Es ergibt sich insgesamt<br />
eine nur schwache Temperaturabhängigkeit. Lediglich wenn mit abnehmender<br />
3 He-Konzentration die freie Weglänge die Kugelabmessungen<br />
erreicht (und dann nicht mehr weiter ansteigt), ist eine etwas<br />
größere Abhängigkeit zu beobachten.<br />
gebnissen für die freie Weglänge den Streuquerschnitt für die 3 He-<br />
3 He Stöße zu berechnen. Mit<br />
findet man schließlich<br />
l · x3 = 1,12 · 10 −9 m<br />
σ3 = 4,08 · 10 −20 m 2 . (3.17)<br />
Daraus kann mit σ3 = r 2 3 π der effektive Radius der 3 He-Atome berechnet<br />
werden, der sich zu<br />
r3 = 1,1 Å (3.18)
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 121<br />
η (Pa s)<br />
1E-5<br />
1E-6<br />
1E-7<br />
1E-8<br />
5•10 -4<br />
5•10 -3<br />
5•10 -7<br />
5•10 -5<br />
5•10 -6<br />
2•10 -2<br />
100 1000<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.28: Temperaturabhängige effektive Viskosität von 3 He-<br />
4 He-Mischungen für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen. Um die<br />
Übersichtlichkeit zu erhöhen wurden lediglich die Verbindungslinien<br />
zwischen den Meßpunkten gezeichnet, die Punkte selbst weggelassen.<br />
Offenbar variiert die Viskosität nicht monoton mit der 3 He-<br />
Konzentration.<br />
ergibt. Dieses Resultat stimmt gut mit dem Wert von 1,3 Å überein,<br />
wie er als sogenannter ‚hard core‘ Radius z.B. in [13, 28] angegeben<br />
wird.<br />
Bei der Berechnung der effektiven Viskosität nach (1.34) wird die<br />
viskose Eindringtiefe δ benötigt. Diese gibt an, wie dick die Flüssigkeitshaut<br />
ist, welche die Kugel bei Ihrer Bewegung durch die Flüssigkeit<br />
mitbewegt (vgl. Abschnitt 1.1.1). In Abbildung 3.29 sind die viskosen<br />
Eindringtiefen δ für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen bei<br />
unterschiedlichen Temperaturen aufgetragen. Offenbar variiert δ lediglich<br />
um jeweils eine Größenordnung um die Abmessung der Kugel.<br />
Somit ist offensichtlich, daß bei der Berechnung der Viskosität η<br />
aus den experimentell ermittelten linearen Dämpfungskoeffizienten<br />
keine Näherung für δ ≫ R oder δ ≪ R in der Stokes’schen Formel
122 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
δ (µm)<br />
1000<br />
100 R<br />
10<br />
5•10 -7<br />
5•10 -5<br />
5•10 -4<br />
5•10 -6<br />
5•10 -3<br />
2•10 -2<br />
100 1000<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.29: Viskose Eindringtiefe für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen<br />
in Abhängigkeit von der Temperatur. Die Eindringtiefen<br />
weichen weniger als eine Größenordnung von den Kugelabmessungen<br />
ab. Lediglich bei den geringsten Konzentrationen ist die Eindringtiefe<br />
etwas mehr als zehn Mal größer als der Kugelradius. Somit<br />
liegt weder der Grenzfall R ≫ δ noch R ≪ δ vor.<br />
zulässig ist. Dies macht die Berechnung numerisch etwas aufwendiger.<br />
Abbildung 3.28 zeigt die mit Hilfe der vollständigen Stokes’schen<br />
Formel (1.3) ermittelten Resultate für die Viskosität der 3 He- 4 He-Mischungen.<br />
Generell ist unterhalb von 700 mK eine Abnahme der Viskosität<br />
festzustellen, lediglich die 2 %ige Mischung zeigt bei den tiefsten<br />
Temperaturen einen Anstieg, der auf die beginnende Entartung<br />
des 3 He-Systems zurückzuführen ist. Im wesentlichen zeigt die Viskosität<br />
einen Temperaturverlauf ähnlich dem gemessenen linearen<br />
Dämpfungskoeffizienten λ. Auch das Maximum bei 700 mK ist vorhanden.<br />
Für Temperaturen oberhalb dieses Maximums findet man<br />
eine monotone Variation der Viskosität η mit der Konzentration. Je<br />
größer x3 ist, desto geringer ist die Viskosität der Mischung, da die
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 123<br />
Abbildung 3.30: Temperaturabhängige effektive Viskosität von 3 He-<br />
4 He-Mischungen für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen in ste-<br />
reoskopischer Darstellung.<br />
freie Weglänge der Phononen auf einen kleineren Wert begrenzt wird<br />
und damit weniger stark anwachsen kann (vgl. oben). Bei tieferen<br />
Temperaturen hingegen variiert die Viskosität nicht monoton mit der<br />
Konzentration der 3 He-Verunreinigungen. Für x3 = 5 · 10 −5 ergibt<br />
sich die höchste Viskosität, für dichtere und dünnere Mischungen<br />
niedrigere Werte. Dies ist sehr schön in den dreidimensionalen Abbildungen<br />
3.30 und 3.31 zu erkennen, die einen besseren Überblick<br />
über die Abhängigkeit der Viskosität von Temperatur und 3 He-Konzentration<br />
bieten.<br />
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß sich die untersuchten<br />
dünnen 3 He- 4 He-Mischungen im erreichten Temperaturbereich<br />
in einem Übergangsbereich zwischen ballistischer und hydrodynamischer<br />
Beschreibung befinden. Eine Untersuchung weiter verdünnter<br />
Mischungen bzw. eine Bestimmung der 3 He-Konzentration des<br />
verwendeten natürlichen Isotopengemisches war leider nicht möglich,<br />
da es nicht gelungen ist einen Levitationszustand zu präparieren,<br />
der eine ausreichend geringe Untergrunddämpfung aufweist.<br />
Hierfür wäre eine Verbesserung um mindestens eine, besser zwei<br />
Größenordnungen in der Dämpfung — und damit in der Zeitkonstante<br />
des linearen Zerfalls — notwendig. Derartig hohe Güten schei-
124 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation<br />
nen derzeit jenseits des mit der in dieser Arbeit vorgestellten Meßzelle<br />
Machbaren zu liegen. Darüberhinaus werden Oszillatoren mit<br />
derartig hohen Zeitkonstanten (10 h bzw. 100 h) sehr unhandlich und<br />
neigen nach den bisherigen Erfahrungen zu beträchtlichen Instabilitäten.<br />
Fazit<br />
• Die 3 He-Konzentration scheint im Rahmen der Meßgenauigkeit<br />
keinen Einfluß auf den Übergang von laminarer zu turbulenter<br />
Strömung zu haben.<br />
• Oberhalb von 700 mK führen 3 He-Verunreinigungen zu einer Reduzierung<br />
der Viskosität durch Verkürzung der freien Weglängen<br />
der Phononen.<br />
• Unterhalb von 700 mK ergibt sich eine nichtmonotone Abhängigkeit<br />
der Viskosität von der 3 He-Konzentration.<br />
• Auch mit den dünnsten untersuchten Mischungen konnte das ballistische<br />
Regime nicht völlig erreicht werden. Das System befindet<br />
sich in einem Übergangsbereich zwischen Ballistik und Hydrodynamik.
3.4 3 He- 4 He-Mischungen 125<br />
η (Pa s)<br />
1E-5<br />
1E-6<br />
1E-7<br />
1E-9 5E-7 5E-6 5E-5 5E-4 0,005 0,02<br />
3 He Konzentration<br />
75<br />
50<br />
100<br />
250<br />
500<br />
750<br />
T (mK)<br />
Abbildung 3.31: Temperaturabhängige effektive Viskosität von 3 He-<br />
4 He-Mischungen für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen in dreidimensionaler<br />
Darstellung. Die Konzentrationsachse ist eine Kategorienachse<br />
und trägt daher keine Skalierung.
126 Kapitel 3. Meßergebnisse und Interpretation
Die Naturwissenschaft gleicht<br />
einem gewaltigen<br />
Kreuzworträtsel, dessen<br />
Reihen und Spalten schneller<br />
wachsen, als sie gelöst<br />
werden können.<br />
Zusammenfassung und<br />
Ausblick<br />
Heinz Haber<br />
Die in dieser Arbeit vorgestellte experimentelle Methode zur Untersuchung<br />
der Hydrodynamik von suprafluidem Helium ( 4 He) zeichnet<br />
sich durch berührungsfreie Aufhängung des Probenkörpers und<br />
damit verbunden durch sehr hohe Energieauflösung aus. Dadurch<br />
ist es, im Gegensatz zu zahlreichen anderen experimentellen Ansätzen,<br />
möglich, den Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung<br />
in der Supraflüssigkeit eingehend zu studieren. Erstmals konnte dieser<br />
Übergang bei Temperaturen unterhalb von 500 mK systematisch<br />
untersucht werden. Hier zeigt das System Intermittenz, d.h. die Strömung<br />
wechselt in unregelmäßigen Abständen zwischen laminarer<br />
und turbulenter Strömung.<br />
Die statistische Auswertung des intermittenten Schaltens mit Methoden<br />
der Zuverlässigkeitstheorie liefert klare und sehr gut reproduzierbare<br />
Aussagen über das Verhalten der Supraflüssigkeit. Die<br />
Analyse der Lebensdauern der Phasen turbulenter Strömung zeigt,<br />
daß die Wahrscheinlichkeit einer Relaminarisierung zeitlich konstant<br />
ist, also insbesondere nicht mit der Zeit zunimmt, was einen Abklingprozeß<br />
als Ursache für das Zusammenbrechen der Turbulenz weitgehend<br />
ausschließt. Weiterhin ergibt sich keine Temperaturabhängigkeit<br />
der Lebensdauer der turbulenten Phasen, wogegen eine starke<br />
Abhängigkeit von der antreibenden Kraft — und damit der Leistung,<br />
welche der Turbulenz zugeführt wird — festzustellen ist. Die Lebens-<br />
127
128 Zusammenfassung und Ausblick<br />
dauer divergiert bei Annäherung der zugeführten Leistung an einen<br />
kritischen Wert annähernd nach einem Potenzgesetz. Bei diesem kritischen<br />
Wert wird die Turbulenz stabil, eine Relaminarisierung findet<br />
nicht mehr statt.<br />
Bei der Analyse der Lebensdauern der laminaren Phasen bzw. der<br />
jeweils erreichten Maximalamplitude der Oszillation ergibt sich ein<br />
etwas komplexeres Bild. Für die erreichten Amplituden findet man<br />
eine Weibull-Verteilung, welche wie die Verteilung der turbulenten<br />
Lebensdauern nicht von der Temperatur, aber auch nicht von der<br />
verwendeten antreibenden Kraft abhängt. Dies gilt sowohl für den<br />
Typ der Verteilung, als auch die Weibull-Geschwindigkeit, den einzigen<br />
vorhandenen Anpaßparameter. Die Weibull-Geschwindigkeit<br />
ist für jede Durchführung des Experiments konstant, lediglich nach<br />
einer Neupräparation des Levitationszustandes ändert sich der Wert<br />
geringfügig. Dies kann auf eine unterschiedliche Lage der Kugel in<br />
der Meßzelle zurückgeführt werden, welche dazu führt, daß andere<br />
Bereiche der keineswegs homogenen Oberfläche der Kugel das Strömungsverhalten<br />
beeinflussen.<br />
Betrachtet man die Statistik der Lebensdauern der laminaren Phasen,<br />
die aus der Amplitudenstatistik abgeleitet werden kann, so findet<br />
man ein überraschendes Ergebnis. Sobald die Geschwindigkeitsamplitude<br />
den Gleichgewichtswert erreicht hat, der durch die antreibende<br />
Kraft und die lineare Dämpfung gegeben ist, sagt diese Statistik<br />
divergierende Lebensdauern der laminaren Phasen voraus, obwohl<br />
die kritische Geschwindigkeit überschritten ist, die für einen<br />
Umschlag in die Turbulenz erforderlich ist. Das Experiment bestätigt<br />
diese Erwartung zunächst nicht. Vielmehr ergibt sich hier für laminare<br />
Phasen mit sehr langer Lebensdauer eine annähernd exponentiell<br />
verteilte Lebensdauer mit einer mittleren Lebensdauer von 25 Minuten.<br />
Eine Messung mit einer in der Nähe der Meßzelle angebrachten<br />
radioaktiven Quelle und ein Vergleich der Dosisleistungen, die von<br />
der Quelle bzw. der natürlichen Hintergrundstrahlung am Ort der<br />
Meßzelle hervorgerufen werden, zeigt, daß die Verkürzung der mittleren<br />
Lebensdauer der langlebigen laminaren Phasen auf 25 Minuten<br />
auf die Wirkung der natürlichen Radioaktivität zurückzuführen<br />
ist. Über die Art und Weise der Wechselwirkung der Gammastrah-
Zusammenfassung und Ausblick 129<br />
lung mit der Supraflüssigkeit kann an dieser Stelle nur spekuliert<br />
werden, da die Zahl der denkbaren Mechanismen sehr groß ist. So<br />
könnten aus den Wänden der Meßzelle bzw. der Kugel relativ energiereiche<br />
Elektronen austreten, die auf ihrem Weg durch die Meßzelle<br />
Wirbelschläuche produzieren. Ebenso wäre es möglich, daß Heliumatome<br />
in der Nähe der Kugel ionisiert werden und durch die bei<br />
der Rekombination freiwerdende Energie Wirbel enstehen. Eine Aufklärung<br />
der Mechanismen, mittels derer Gammastrahlung den Übergang<br />
zur Turbulenz beeinflußt, wäre eventuell durch systematische<br />
Variation von Energie, Intensität und Art der verwendeten Strahlung<br />
möglich.<br />
Laminare Phasen oberhalb der kritischen Geschwindigkeit sind<br />
folglich ohne äußere Störung stabil, sofern sich die Amplitude der<br />
Oszillationen nicht mehr ändert. Die Metastabilität der laminaren<br />
Phasen drückt sich auch in der Proportionalität der Ausfallrate<br />
zur Änderung der Geschwindigkeitsamplitude aus. Dieses Ergebnis<br />
wird noch bemerkenswerter durch die Tatsache, daß es sich bei der<br />
Bewegung der Kugel um eine oszillatorische Bewegung handelt, d.h.<br />
die Momentangeschwindigkeit der Kugel ändert sich ständig und<br />
sehr schnell. Dennoch bleibt die Strömung laminar mit verschwindender<br />
Ausfallrate, während das System auf eine vergleichsweise geringe<br />
Änderung der Amplitude der Oszillation mit einer signifikant<br />
erhöhten Ausfallrate reagiert.<br />
Für das beobachtete Szenario für den Übergang von laminarer zu<br />
turbulenter Strömung existiert bisher noch keine fundierte mikroskopische<br />
Begründung. Eine derartige Theorie muß sich daran messen<br />
lassen, ob sich die gefundenen Umschaltwahrscheinlichkeiten daraus<br />
ergeben. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch<br />
die sehr gute Reproduzierbarkeit der Messungen, welche Modelle,<br />
die sich auf remanente Wirbel aus dem Abkühlvorgang stützen, eher<br />
unwahrscheinlich erscheinen läßt.<br />
Die Konzentration von 3 He-Verunreinigungen in der Supraflüssigkeit<br />
hat im Rahmen der Meßgenauigkeit keinen Einfluß auf den<br />
Übergang zur Turbulenz, sofern man von der Erhöhung der linearen<br />
Dämpfung einmal absieht. Die Untersuchung dieser Erhöhung der<br />
Viskosität bei dünnen 3 He- 4 He-Mischungen, die im Rahmen dieser
130 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Arbeit erstmals über einen weiten Konzentrationsbereich durchgeführt<br />
wurde, liefert überraschende Ergebnisse. So befindet sich das<br />
System selbst bei den dünnsten untersuchten Mischungen entgegen<br />
der ursprünglichen Erwartung noch nicht im Grenzfall ballistischer<br />
Streuung, sondern vielmehr in einem Übergangsbereich. Dies äußert<br />
sich in einer annähernden Proportionalität zwischen η und T bei<br />
kleinen Temperaturen und in einer temperaturunabhängigen freien<br />
Weglänge der 3 He-Atome. Demgegenüber zeigen die dünnsten untersuchten<br />
Mischungen aber bereits ein η ∝ x3 Verhalten, wie es für<br />
das ballistische Regime zu erwarten ist. Leider ist die Auflösung des<br />
Experiments durch die vorhandene Untergrunddämpfung begrenzt,<br />
so daß keine Untersuchungen mit noch geringeren x3 Konzentrationen<br />
oder eine exakte Konzentrationsbestimmung des natürlich vorkommenden<br />
He-Isotopengemisches möglich ist. Hierfür wäre eine<br />
weitere Reduktion der Untergrunddämpfung notwendig, die eventuell<br />
durch zusätzliche Optimierungen an der Meßzelle zu erreichen<br />
ist. Dabei besteht jedoch die Gefahr, daß die Oszillationen instabil<br />
bzw. aufgrund der dann sehr hohen Güte schwer anregbar werden.<br />
Für zukünftige Untersuchungen bietet es sich einerseits an, Veränderungen<br />
an der Geometrie des Experiments vorzunehmen. So<br />
wäre es unter Umständen lohnend, Kugeln mit glatterer Oberfläche<br />
einzusetzen, um so Einflüsse der Oberflächenrauhigkeit zu studieren.<br />
Die Verwendung unterschiedlich großer Kugeln mit vergleichbarer<br />
Oberflächenbeschaffenheit könnte mögliche Abhängigkeiten<br />
des Übergangs zur Turbulenz von den Abmessungen des umströmten<br />
Körpers aufklären helfen. Dies könnte möglicherweise eine Extrapolation<br />
zu noch kleineren Abmessungen und damit einen Vergleich<br />
mit den Ergebnissen numerischer Berechnungen zur Turbulenzentstehung,<br />
die sich aus Kapazitätsgründen auf sehr kleine Längenskalen<br />
(einige 1000 Å) beschränken müssen, ermöglichen. Neben<br />
diesen Änderungen an der Geometrie wäre es andererseits sehr interessant,<br />
4 He durch flüssiges 3 He zu ersetzen, welches ebenfalls<br />
(wenn auch bei deutlich tieferen Temperaturen) suprafluid wird. Experimente<br />
mit vibrierenden Drahtschlaufen, welche bereits in 3 He<br />
durchgeführt worden sind, lassen ein möglicherweise ähnliches Szenario<br />
für den Übergang zur Turbulenz vermuten, wie es in dieser
Zusammenfassung und Ausblick 131<br />
Arbeit für 4 He beschrieben wird. Allerdings können diese Experimente<br />
aufgrund mangelnder Auflösung und ungünstiger Geometrie<br />
keine quantitativen Aussagen liefern, so daß eine Ausdehnung der<br />
Experimente mit der oszillierenden Kugel auf 3 He neue spannende<br />
Resultate erwarten läßt.
132 Zusammenfassung und Ausblick
Anhang<br />
A Konstanten und Bezeichnungen<br />
A.1 Verschiedene Bezeichnungen<br />
Größe Wert Beschreibung<br />
vw<br />
Weibull-Geschwindigkeit<br />
µ mittlere<br />
Phasen<br />
Lebensdauer der turbulenten<br />
vmax vmax − vt maximale Differenz der Geschwindigkeitsamplitude<br />
zwischen laminarer und<br />
turbulenter Phase<br />
vt(F) Geschwindigkeitsamplitude während<br />
turbulenter Phasen<br />
vmax(F) F/λ Gleichgewichtsamplitude während turbulenter<br />
Phasen<br />
λ linearer Dämpfungskoeffizient<br />
τ 2m/λ Zeitkonstante im linearen Regime<br />
τ2<br />
Zeitkonstante verursacht durch Radioak-<br />
δ<br />
<br />
2η/ρω<br />
tivität<br />
viskose Eindringtiefe<br />
l mittlere freie Weglänge<br />
Konzentration der 3He-Verunreinigungen x3<br />
P Zuverlässigkeitsfunktion<br />
p −dP/dt Verteilungsdichte<br />
−d ln P/dt Ausfallrate
134 Anhang<br />
A.2 Helium<br />
Größe Wert Beschreibung<br />
c 238 m/s Schallgeschwindigkeit in 4 He<br />
8,65 K Rotonengap<br />
k0 1,9 Å Rotonenwellenzahl<br />
Tλ 2,18 K Lambdapunkt<br />
cw 0,4 cw-Wert einer Kugel<br />
Tc 9,24 K supraleitende Sprungtemperatur von<br />
Niob<br />
ρ 145 kg/m 3 Dichte von flüssigem 4 He<br />
x3,nat ∼ 10 −7 3 He-Konzentration von natürlichem<br />
Helium<br />
κ 9,98·10 −8 m 2 /s Zirkulationsquant<br />
m ∗ 3 2,4 · m3 effektive 3 He-Masse in 4 He<br />
m3 5,01 · 10 −27 kg 3 He-Masse<br />
ε 10 −12 J/m Energie pro Länge eines Wirbels<br />
Größen im Experiment<br />
Größe Wert Beschreibung<br />
R 124 µm Kugelradius<br />
m 27 µg Kugelmasse<br />
d 1 mm Abstand der Elektroden<br />
2 mm Durchmesser der Elektroden
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Abbildungsverzeichnis<br />
1 Fotografie eines kleineren Wirbelsturms . . . . . . . . . 13<br />
2 Satellitenaufnahme eines Sturmtiefs . . . . . . . . . . . 13<br />
3 Satellitenaufnahme einer Wirbelstraße im Lee der<br />
Kapverdischen Inseln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
4 Aufnahme eines Hufeisenwirbels an einer Quellwolke 14<br />
5 Aufnahme eines Hohlwirbels in Wasser. . . . . . . . . . 15<br />
6 Hohlwirbel in Wasser, von oben gesehen. . . . . . . . . 16<br />
1.1 cw-Werte für eine Kugel bei unterschiedlichen<br />
Reynoldszahlen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
1.2 Laminarer Schlauch bei Anströmen einer Kugel mit<br />
Wasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
1.3 Kette von Wirbeln, die sich von einer mit Wasser angeströmten<br />
Kugel ablösen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
1.4 Zuverlässigkeitsfunktion, Ausfallrate und Verteilungsdichte<br />
für exponentiell verteilte Lebensdauern. . . 44<br />
1.5 Zuverlässigkeitsfunktion, Ausfallrate und Verteilungsdichte<br />
für Weibull-verteilte Lebensdauern<br />
(n = 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
2.1 Bewegung der Kugel während der Aufladung durch<br />
eine Hochspannung am Kondensator. . . . . . . . . . . 49<br />
2.2 Bewegung der Kugel während der Aufladung durch<br />
eine positive Hochspannung an der unteren Elektrode. 51
142 Abbildungsverzeichnis<br />
2.3 Ableitung des Vorzeichens der Kugelladung aus den<br />
Fluggeraden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
2.4 Verdünnung von 3 He- 4 He-Mischungen. . . . . . . . . . 58<br />
2.5 Mikroskopische Aufnahmen der Kugel. . . . . . . . . . 60<br />
2.6 Bild der inneren Komponenten der Meßzelle. . . . . . . 62<br />
2.7 Maßstabsgetreue Zeichnung der Meßzelle. . . . . . . . 64<br />
2.8 Fotografie des an der Mischkammer angeflanschten<br />
Meßzellenhalters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />
2.9 Blockschaltbild des Experiments. . . . . . . . . . . . . . 69<br />
2.10 Schaltbild des Elektrometerverstärkers. . . . . . . . . . 71<br />
2.11 Blockschaltbild des Programms zur Phasenregelung. . 74<br />
3.1 Für unterschiedliche antreibende Kräfte ergeben sich<br />
unterschiedliche Regimes für den Fluß der Supraflüssigkeit<br />
um die Kugel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
3.2 Linearer Dämpfungskoeffizient für verschiedene Temperaturen<br />
( 4 He bzw. Vakuum). . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
3.3 v(F)-Diagramm für sehr hohe Antriebskräfte. . . . . . . 83<br />
3.4 Kritische Geschwindigkeiten bei verschiedenen Oszillatoren.<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
3.5 Ausschnittsvergrößerung eines v(F)-Diagramms. . . . 86<br />
3.6 Hysteretischer Übergang zwischen laminarer und turbulenter<br />
Strömung um die Kugel. . . . . . . . . . . . . . 87<br />
3.7 Ausschnitt aus einer Zeitreihe der Geschwindigkeitsamplitude<br />
(Schaltpunkte) . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
3.8 Ausschnitt aus einer Zeitreihe der Geschwindigkeitsamplitude<br />
(laminare bzw. turbulente Phasen markiert) 90<br />
3.9 Zeitreihen bei unterschiedlicher Antriebskraft . . . . . 91<br />
3.10 Beispiel einer experimentell ermittelten Zuverlässigkeitsfunktion<br />
der turbulenten Phase. . . . . . . . . . . . 93<br />
3.11 Mittlere Lebensdauer der turbulenten Phasen bei unterschiedlichen<br />
Temperaturen und antreibenden Kräften.<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />
3.12 Beispiel einer experimentell ermittelten Verteilung der<br />
maximalen laminaren Amplituden. . . . . . . . . . . . . 96
Abbildungsverzeichnis 143<br />
3.13 Weibull-Geschwindigkeiten für unterschiedliche antreibende<br />
Kräfte bei unterschiedlichen Temperaturen . 97<br />
3.14 Mittelwerte der für unterschiedliche Levitationszustände<br />
ermittelten Weibull-Geschwindigkeiten. . . . . . 99<br />
3.15 Beispiel einer experimentell ermittelten Zuverlässigkeitsfunktion<br />
der Phasen laminaren Flusses um die<br />
Kugel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
3.16 Aus der laminaren Amplitudenverteilung abgeleitete<br />
Zuverlässigkeitsfunktion und zugehörige Ausfallrate. . 102<br />
3.17 Experimentell ermittelte Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
für laminare Phasen für sehr hohe Lebensdauern (linear).<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />
3.18 Zeitreihe der Geschwindigkeitsamplitude der Kugeloszillation<br />
mit und ohne radioaktive Quelle. . . . . . . 105<br />
3.19 Experimentell ermittelte Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
mit und ohne radioaktive Quelle. . . . . . . . . . . . . . 106<br />
3.20 Experimentell ermittelte Zuverlässigkeitsfunktionen<br />
für laminare Phasen für sehr hohe Lebensdauern (logarithmisch).<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />
3.21 Maximale Amplitude vmax der laminaren Phase über<br />
der turbulenten Phase in Abhängigkeit von T . . . . . . 110<br />
3.22 Mittlere Lebensdauer der laminaren Phasen an der<br />
rechten Grenze des Intermittenzbereichs . . . . . . . . . 111<br />
3.23 Weibull-Geschwindigkeiten für unterschiedliche 3 He-<br />
Konzentrationen x3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
3.24 Temperaturabhängiger linearer Dämpfungskoeffizient<br />
λ für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen (Ausschnitt).<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />
3.25 Temperaturabhängiger linearer Dämpfungskoeffizient<br />
λ für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen. . . . . 117<br />
3.26 Steigung der λ(T)-Kurven in der logarithmischen<br />
Auftragung für tiefe Temperaturen. . . . . . . . . . . . . 118<br />
3.27 Freie Weglänge für unterschiedliche Temperaturen in<br />
Abhängigkeit von der 3 He-Konzentration. . . . . . . . . 120
144 Abbildungsverzeichnis<br />
3.28 Temperaturabhängige effektive Viskosität von 3 He-<br />
4 He-Mischungen für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen.<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
3.29 Viskose Eindringtiefe für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen<br />
in Abhängigkeit von der Temperatur. . . . 122<br />
3.30 Abbildung 3.31 in stereoskopischer Darstellung . . . . 123<br />
3.31 Temperaturabhängige effektive Viskosität von 3 He-<br />
4 He-Mischungen für unterschiedliche 3 He-Konzentrationen<br />
in dreidimensionaler Darstellung. . . . . . . . . 125
Nachwort<br />
Viele Menschen haben direkt oder indirekt zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen,<br />
ja sie erst möglich gemacht:<br />
• Prof. Dr. Wilfried Schoepe danke ich für die Einführung in das interessante<br />
Forschungsgebiet, die hervorragende Betreuung und die gute Zusammenarbeit.<br />
• Meinen Laborkollegen Herrn Hubert Kerscher und Herrn Dipl. Phys.<br />
Dieter Schowalter danke ich für ihre Hilfsbereitschaft, ihren unverwüstlichen<br />
Humor, die freundschaftliche Arbeitsatmosphäre und die Aufmunterung<br />
in allen Notlagen.<br />
• Herr Klaus Lachner stand uns tets mit Rat und Tat zur Seite, sei es bei der<br />
Wartung der Pumpen, bei Reparaturen am Kryostaten, bei der Konstruktion<br />
und dem Einbau von diversen Zubehörteilen oder der Beschaffung<br />
von Ersatzteilen.<br />
• Ohne die schnelle und kompetente Arbeit der mechanischen Werkstatt<br />
der physikalischen Fakultät wäre es nicht möglich gewesen, die Experimente<br />
wie vorgesehen durchzuführen. Stellvertretend möchte ich dem<br />
Leiter, Herrn Norbert Sommer, der stets das Unmögliche möglich machte<br />
und schnell noch einen Eilauftrag einschob, sowie Herrn Friedrich Dietl,<br />
der in mühevoller Präzisionsarbeit die Niobzelle herstellte, danken.<br />
• Herr Rudolf Reisser erstellte mit Autocad die Konstruktionszeichnung<br />
der neuen Meßzelle, während Herr Horst Lindner den Abstandshalter<br />
aus Glas anfertigte.<br />
• Dank gebührt Herrn Joseph Reisinger, der eine radioaktive Quelle aus<br />
seiner Sammlung für unsere Experimente zur Verfügung stellte, sowie<br />
Herrn Prof. Henning von Philipsborn, für die Messung der in dieser Arbeit<br />
angegebenen Dosisleistungen.<br />
• Herr Karl Heinz Weigert und Herr Bernhard Rother in der Heliumverflüssigung<br />
hielten unsere Oszillatoren auch in schwierigen Zeiten am Leben,<br />
indem sie — ganz unbürokartisch — stets bereit waren, auch kurzfristig<br />
ihren ‚letzten Tropfen‘ flüssiges Helium für unser Experiment zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
• Dank gebührt allen die mit der Betreuung der im Laufe der Arbeit genutzten<br />
EDV Anlagen betraut sind. Stellvertretend seien an dieser Stelle<br />
Herr Jürgen Hirschinger, Herr Alexander Kalbeck, Herr Dr. Fritz Wünsch<br />
sowie das Linux-Team genannt.<br />
145
146<br />
• Herr Michael Zitzlsperger erstellte im Reinraum der Arbeitsgruppe von<br />
Prof. Dr. Dieter Weiss die Fotografien von der Oberfläche der Kugel, während<br />
Herr Dipl. Chem. Wolfgang Seidl seine Ausrüstung und sein fotografisches<br />
Können zur Fotografie der Meßzelle zur Verfügung stellte. Die<br />
optische Bestimmung der Kugelgröße konnte mit Hilfe des Mikroskops<br />
der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Karl Renk durchgeführt werden.<br />
• Allen Mitarbeitern am Lehrstuhl Renk danke ich für das Klima der Hilfsbereitschaft,<br />
sowie den Teilnehmern an der täglichen Kaffeerunde für<br />
zahlreiche interessante Diskussionen.<br />
• Meinen Korrekturlesern, Frau Jana Bauer, Herrn Hubert Kerscher, Herrn<br />
Markus Niemetz und Herrn Dieter Schowalter schulde ich besonderen<br />
Dank für das aufmerksame Studium meines Manuskriptes und die daraus<br />
resultierenden zahlreichen Anmerkungen und Hinweise, die sehr zur<br />
Qualität und Verständlichkeit des <strong>Text</strong>es beigetragen haben.<br />
• Schließlich gebührt meinen Eltern Dank für Ihre Unterstützung und Bestätigung.