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Zurück in Dortmund<br />
Danach landete ich wieder in Dortmund –und ab hier, musste wohl mein Gedächtnis wieder<br />
da gewesen sein, mit allen dazu gehörenden Erniedrigungen. Jetzt sah ich, dass überall<br />
Eisenstäbe an allen Fenstern eingelassen worden waren. Nun konnte niemand mehr<br />
aus dem Fenster springen, wie es zuvor geschehen war.<br />
Einmal in der Woche ging es gruppenweise zum Kartoffelschälen. Nach kurzer Zeit wurde<br />
ich in die Backstube versetzt. Zu meinen Aufgaben gehörte es auch, im Kartoffelkeller faule<br />
Kartoffeln auszusortieren. Die Nonne Barama war sehr alt, schwerhörig, aber auch nett<br />
und ordentlich zu uns. Sie kümmerte sich sehr um uns drei Mädchen. Erklärte uns freundlich<br />
alles, was wir wissen mussten. Ja, sie holte sogar Extrarationen Essen für uns, als<br />
Dank für unsere gute Arbeit. Diese sehr leckeren Essenreste waren am Tag zuvor von den<br />
Nonnen zurückgelassen worden und wegen ihnen musste sich unsere Nonne Barama täglich<br />
Vorwürfe anhören. Weinend kam sie oft mit dem Essen zu uns.<br />
Wir nahmen uns heraus, mal untereinander zu kichern und zu flüstern. Auch fühlten wir<br />
uns nicht mehr ganz so eingesperrt, da die hintere Hoftür in der hohen Mauer ab und an<br />
mal offenstand. Bis hierhin konnten wir uns ab und an mal frei bewegen.<br />
Abgehauen<br />
Eines Tages flüchtete ich mit einer Mitbewohnerin. Die Nonne Barama tat mir irgendwie<br />
leid, denn sie würde wegen der offengelassenen Tür und unserer Flucht sicherlich Schwierigkeiten<br />
bekommen.<br />
Wir trennten uns unterwegs, damit wir der Polizei nicht auffielen. Wir hatten ja noch Heimklamotten<br />
an. Die Mitbewohnerin gab mir den Tipp, nach Bochum-Linden ins dortige Krankenhaus<br />
zu gehen. Man würde dort Putzhilfen suchen. Also machte ich mich zu Fuß auf<br />
den Weg Richtung Bochum-Linden. Des Nachts schlief ich auf Bänken oder in Scheunen,<br />
denn ich musste immer auf der Hut sein, nicht erwischt zu werden. Zu Essen hatte ich<br />
nichts, aber Hunger war ich ja gewohnt.<br />
Sich zu waschen und dergleichen war nicht möglich, das kannte ich. Im Heim haben wir<br />
auch alle gestunken, ob wir das wollten oder nicht. Ich wollte nur frei sein! Frei sein und<br />
ein besseres und gerechtes Leben finden. Mein Leben!<br />
Aber wo sollte ich anfangen, danach zu suchen? Es gab niemanden, dem ich mich anvertrauen<br />
konnte.<br />
Im Krankenhaus Bochum-Linden angekommen, konnte ich sofort mit der Arbeit anfangen.<br />
Zum ersten Mal im Leben bekam ich Geld in die Hände. Dinge, die ich bislang nicht kannte<br />
wie Lippenstift, Gesichtscreme und einen Petticoat konnte ich mir jetzt kaufen, mit neunzehn<br />
Jahren.<br />
Ein neues und gutes Lebensgefühl beschlich mich. Hin und wieder ging ich mit meiner<br />
Zimmerkollegin am Wochenende zum Tanzen. Dabei machte ich dann auch die Bekanntschaft<br />
meines zukünftigen Mannes.<br />
Der Traum ist aus...<br />
Eines Tages, ich war inzwischen elf Monate im Krankenhaus tätig, musste ich an die Pforte<br />
kommen, weil dort eine Frau auf mich warte. Es war eine Frau in einem Lodenmantel.<br />
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