Die Zusammenfassung der Dravet-Sitzung finden ... - NeuroNews.de
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11. Jahrgang 2012 – September 2012 www.<strong>NeuroNews</strong>.<strong>de</strong> ISSN 1619-7577<br />
Neues zum <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
Vom neuropsychiatrischen Phänotyp im Erwachsenenalter<br />
bis zum Behandlungsalgorithmus <strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI<br />
Das <strong>Dravet</strong>-Syndrom o<strong><strong>de</strong>r</strong> Severe Myoclonic Epilepsy in Infancy<br />
(SMEI) zählt zu <strong>de</strong>n mit einer Epilepsie einhergehen<strong>de</strong>n so genannten<br />
Ionenkanalerkrankungen. Das Syndrom wur<strong>de</strong> erstmals<br />
im Jahr 1978 von <strong><strong>de</strong>r</strong> französischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>neurologin<br />
Charlotte <strong>Dravet</strong> beschrieben. <strong>Die</strong> Prävalenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung<br />
liegt bei 1:20.000 bis 1:40.000, wobei Knaben doppelt so häufig<br />
betroffen sind wie Mädchen [1]. Ursache <strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
sind in etwa 80 % aller Fälle Mutationen im SCN1A-Gen, das für<br />
ein Protein <strong>de</strong>s spannungsabhängigen Natriumkanals kodiert.<br />
<strong>Die</strong> Erkrankung beginnt typischerweise innerhalb <strong>de</strong>s ersten Lebensjahres<br />
bei bis dahin normal entwickelten Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit Fieber-assoziierten,<br />
generalisierten o<strong><strong>de</strong>r</strong> unilateral betonten klonischen<br />
Anfällen. Später treten meist myoklonische und fokale<br />
Anfälle hinzu. <strong>Die</strong> wesentlichsten diagnostischen Kriterien <strong>de</strong>s<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndroms wur<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Liga gegen<br />
Epilepsie im Jahr 1989 veröffentlicht (Commission on Classification<br />
and Terminology of the ILAE, 1989). <strong>Die</strong>se Kriterien sind in<br />
Tabelle 1 zusammengefasst. Zwar nimmt mit zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Alter <strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten die Anfallsaktivität in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel ab, die<br />
psychomotorische Entwicklung ist jedoch meist <strong>de</strong>utlich beeinträchtigt.<br />
Ausgesprochen hoch ist die Mortalitätsrate. Etwa 17 %<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten versterben an <strong>de</strong>n Folgen eines Status epilepticus<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines SUDEP (= Sud<strong>de</strong>n Unexpected Death in Epilepsy)<br />
[1]. Aufgrund seiner Resistenz gegenüber nahezu je<strong><strong>de</strong>r</strong> Form<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Pharmakotherapie gestaltet sich die Behandlung <strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
schwierig. Seit einigen Jahren steht allerdings in<br />
Deutschland mit <strong>de</strong>m Wirkstoff Stiripentol (Diacomit ® ) eine vielversprechen<strong>de</strong><br />
Therapieoption zur Behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI zur<br />
Verfügung.<br />
Severe myoclonic epilepsy in infancy (SMEI)<br />
– Diagnostische Kriterien<br />
• Normale Entwicklung vor Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Epilepsie<br />
• Erste Anfälle im ersten Lebensjahr, als generalisierte o<strong><strong>de</strong>r</strong> unilaterale,<br />
Fieber-gebun<strong>de</strong>ne klonische Anfalle<br />
• Später hinzutreten<strong>de</strong> Myoklonien o<strong><strong>de</strong>r</strong> fokale Anfälle<br />
• Im EEG generalisierte Spike-waves, Polyspike-waves, frühe Photosensibilitat<br />
und fokale Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
• Verzögerte psychomotorische Entwicklung vom zweiten Lebensjahr an<br />
• Ataxie, Pyrami<strong>de</strong>nzeichen und interiktaler Myoklonus im Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erkrankung<br />
• Völlige Therapieresistenz<br />
• Epilepsien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Fieberkrämpfe in <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie (meist aber nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall)<br />
Tab. 1: Nach Angaben <strong><strong>de</strong>r</strong> “Commission on Classification and Terminology of the ILAE”, 1989<br />
1<br />
GNP-Tagung 2012<br />
Kongressbericht<br />
■ Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-<br />
Syndroms im Erwachsenenalter<br />
Angaben über neurologische Befun<strong>de</strong><br />
beim <strong>Dravet</strong>-Syndrom –<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e im Erwachsenenalter<br />
– sind in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur nur<br />
spärlich zu <strong>fin<strong>de</strong>n</strong>. Am häufigsten<br />
wird jedoch über Ataxien, Pyrami<strong>de</strong>nbahnzeichen<br />
und Spastik<br />
sowie über extrapyramidal-motorische<br />
Störungen berichtet<br />
[1,2,3].<br />
In <strong>de</strong>n Jahren 2006 und 2010<br />
wur<strong>de</strong>n zwei Langzeit-Follow-up<br />
Studien publiziert, die sich mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI im Erwachsenenalter<br />
befassten.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> 2006 veröffentlichten Studie<br />
analysierten Wissenschaftler<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> University of Melbourne,<br />
Australien, <strong>de</strong>n Phänotyp von 14<br />
erwachsenen Patienten mit einer<br />
SMEI. In 10 <strong><strong>de</strong>r</strong> 14 Fälle konnte<br />
eine SCN1A-Mutation nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Vorherrschen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anfallstyp waren generalisierte,<br />
überwiegend schlafgebun<strong>de</strong>ne<br />
tonisch-klonische Anfälle. Des<br />
Weiteren zeigten die Patienten<br />
zum Teil schwere intellektuelle<br />
und motorische Beeinträchtigungen.<br />
In keinem einzigen Fall war<br />
eine über 12 Monate andauern<strong>de</strong><br />
Anfallsfreiheit zu verzeichnen.<br />
Ein Patient verstarb im Alter von<br />
18 Jahren [2].<br />
<strong>Die</strong> zweite Studie aus Japan aus<br />
<strong>de</strong>m Jahr 2010 untersuchte <strong>de</strong>n<br />
Krankheitsverlauf von 31 Patienten<br />
mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom von ihrer<br />
Kindheit an bis zum Alter von<br />
18 Jahren. 6 von ursprünglich 37
Patienten waren vor <strong>de</strong>m 18. Lebensjahr<br />
an <strong>de</strong>n Folgen eines<br />
Status epilepticus und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer<br />
Pneumonie verstorben. Bei<br />
85,4 % <strong><strong>de</strong>r</strong> 31 Studienteilnehmer<br />
konnte wie <strong><strong>de</strong>r</strong>um eine<br />
SCN1A-Mutation nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Patienten litten über -<br />
wiegend unter generalisierten<br />
tonisch-klonischen bzw. tonischklonischen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> schlafgebun<strong>de</strong>nen<br />
und Fieber-getriggerten Anfällen.<br />
Konvulsive Staten waren ab<br />
einem Lebensalter von 10 Jahren<br />
nicht mehr zu beobachten. 5 Patienten<br />
waren min<strong>de</strong>stens 1 Jahr<br />
lang anfallsfrei, wobei sich die<br />
Antikonvulsiva Stiripentol und<br />
Topiramat am wirksamsten erwiesen.<br />
Prädiktoren für eine Anfallsfreiheit<br />
im Erwachsenenalter<br />
waren <strong>de</strong>n Studienergebnissen<br />
nach wenig konvulsive Staten in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgeschichte und eine<br />
Rückbildung Epilepsie-typischer<br />
Aktivität im EEG [4].<br />
Expertenmeinung<br />
Foto: privat<br />
Dr. Martin,<br />
Kehl-Kork<br />
„Einige Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
entwickeln im Erwachsenenalter<br />
bestimmte Verhaltens- und<br />
Bewegungsstörungen, die in dieser<br />
Deutlichkeit so im Kin<strong>de</strong>salter<br />
nicht vorhan<strong>de</strong>n sind. <strong>Die</strong> Kernsymptome<br />
dieses motorischenund<br />
Verhaltensphänotyps im Erwachsenenalter<br />
sind eine Verlangsamung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegungsabläufe<br />
und <strong>de</strong>s Re<strong>de</strong>flusses, eine verzögerte<br />
Initiierung von Bewegungen<br />
und Sprechen, eine Hypomimie,<br />
Ataxie und Spastik.”<br />
Intellektuelle Fähigkeiten im<br />
Erwachsenenalter<br />
<strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n genannten Studien<br />
lieferten aber auch Hinweise bezüglich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> intellektuellen Fähig-<br />
keiten von erwachsenen SMEI-<br />
Patienten. So zeigte sich in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Untersuchung von Janssen et al.,<br />
dass bei 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> 14 Studienteilnehmer,<br />
bei <strong>de</strong>nen schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kindheit<br />
schwere Verzögerungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung nachzuweisen waren,<br />
sich diese im Erwachsenenalter<br />
noch weiter verschlechterten. Im<br />
Patientengut von Akiyama et al.<br />
waren die intellektuellen Fähigkeiten<br />
bei 7 <strong><strong>de</strong>r</strong> 31 erwachsenen<br />
Proban<strong>de</strong>n so stark beeinträchtigt,<br />
so dass sie niemals das<br />
Sprechen erlernten und in fünf<br />
weiteren Fällen war das Sprachvermögen<br />
<strong>de</strong>utlich eingeschränkt.<br />
Ein Patient mit geringer intellektueller<br />
Beeinträchtigung entwickelte<br />
eine Psychose [2,4].<br />
Verhalten und psychische<br />
Störungen<br />
Das neurologische und kognitive<br />
Outcome sowie das Verhalten<br />
von Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
untersuchten 4 weitere<br />
Studien aus Italien (2010) und<br />
Deutschland (2006), Argentinien<br />
(2006) und Frankreich (1992).<br />
So fan<strong>de</strong>n Wissenschaftler <strong>de</strong>s<br />
Istituto Nazionale Neurologico C.<br />
Besta in Mailand bei 21 von 37<br />
Patienten mit SMEI (Alter: 6 Monate<br />
bis 28 Jahre) Verhaltensprobleme<br />
im Sinne einer ADHS-<br />
Symptomatik o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch ein opponieren<strong>de</strong>s<br />
Verhalten [3]. Eine<br />
Studie <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Tübingen<br />
wie <strong><strong>de</strong>r</strong>um kam zu <strong>de</strong>m Ergebnis,<br />
dass sämtliche <strong><strong>de</strong>r</strong> 20 inkludierten<br />
Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
(Alter: 11 Monate bis 16<br />
Jahre) Verhaltensprobleme zeigten.<br />
In erster Linie han<strong>de</strong>lte es<br />
sich hierbei um Stimmungsschwankungen,<br />
eine affektive Indifferenz,<br />
um Hyperaktivität, stereotype<br />
Verhaltensweisen und<br />
eine <strong>de</strong>utlich eingeschränkte Fähigkeit,<br />
Beziehungen aufzubauen<br />
[5]. Ähnliche Beobachtungen<br />
konnten auch von <strong>de</strong>n argentinischen<br />
und französischen Forschern<br />
Caraballo et al. bzw.<br />
Yakoub et al. gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Hier wiesen 47 von 53 bzw. 17<br />
2<br />
GNP-Kongressbericht<br />
»Neues zum <strong>Dravet</strong>-Syndrom«<br />
Über die Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
im Erwachsenenalter<br />
ist bislang nur wenig<br />
bekannt.<br />
Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> 38. Jahrestagung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft für Neuropädiatrie<br />
im April 2012 in Münster fand unter<br />
<strong>de</strong>m Vorsitz <strong>de</strong>s Tagungspräsi<strong>de</strong>nten,<br />
Prof. Dr. med. Gerhard<br />
Kurlemann, Klinik für Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>und<br />
Jugendmedizin, Neuropädiatrie,<br />
Universitätsklinikum Münster,<br />
eine wissenschaftliche <strong>Sitzung</strong><br />
zum <strong>Dravet</strong>-Syndrom statt. Der<br />
Chefarzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Séguin-Klinik, Epilepsiezentrum<br />
Kork in Kehl-Kork, Dr.<br />
med. Peter Martin, gab einen<br />
Überblick über <strong>de</strong>n neuropsychiatrischen<br />
Phänotyp <strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-<br />
Syndroms im Erwachsenenalter<br />
und PD Dr. med. Gerhard Kluger,<br />
Schön Klinik Vogtareuth,<br />
Neuropädiatrie und Neurologische<br />
Rehabilitation, Epilepsiezentrum<br />
für Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und Jugendliche Vogtareuth,<br />
beleuchtete die Therapieoptionen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI.<br />
von 17 Studienteilnehmern mit<br />
SMEI zum Teil schwere Verhaltensprobleme<br />
auf [6,7].<br />
Charlotte <strong>Dravet</strong> selbst hingegen<br />
beschreibt einen eher günstigen<br />
Verlauf hinsichtlich <strong>de</strong>s Verhaltens<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung psychischer<br />
Störungen bei Patienten<br />
mit einer SMEI. Aggressives Verhalten<br />
und akute psychiatrische<br />
Episo<strong>de</strong>n sind ihrer Ansicht nach<br />
nur selten anzutreffen [8].<br />
■ SMEI – Motorischer- und<br />
Verhaltensphänotyp im<br />
Erwachsenenalter<br />
Erfahrungen <strong>de</strong>s Epilepsiezentrums<br />
Kork<br />
Bei einem vor mehreren Jahren<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Séguin-Klinik <strong>de</strong>s Epilepsiezentrums<br />
Kork untersuchten<br />
Patienten mit einer für die SMEI<br />
typischen Epilepsieanamnese<br />
wur<strong>de</strong> eine <strong>de</strong>utliche spastische<br />
und ataktische Störung beob
achtet, die sich mit zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Lebensalter weiter verschlechterte.<br />
Zusätzlich zeigte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Patient eine motorische und<br />
kognitive Verlangsamung. Erst<br />
durch <strong>de</strong>n viele Jahre später erfolgten<br />
molekulargenetischen<br />
Nachweis einer SCN1A-Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
konnte die Diagnose <strong>de</strong>s<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndroms gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Die</strong>s veranlasste Dr. Martin<br />
und seine Kollegen dazu, etwa<br />
20 weitere erwachsene Patienten<br />
mit ähnlichen neurologischen-<br />
und Verhaltensproblemen<br />
molekulargenetisch zu un -<br />
ter su chen. In fast allen Fällen<br />
konnte eine Mutation im SCN1A-<br />
Gen nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong><br />
Kernsymptome <strong><strong>de</strong>r</strong> motorischen<br />
und Verhaltensstörungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Dravet</strong>-Patienten <strong><strong>de</strong>r</strong> Séguin-<br />
Klinik waren eine Ataxie und/<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine an <strong>de</strong>n unteren Extremitäten<br />
betonte Spastik, eine<br />
Bradykinese und Hypomimie <strong>de</strong>s<br />
Mittelgesichtes sowie ein Tremor<br />
und eine Dysarthrophonie. Weiteres<br />
auffälliges Merkmal war eine<br />
ausgeprägte Perseverationsneigung.<br />
In einigen Fällen waren<br />
außer<strong>de</strong>m – zumin<strong>de</strong>st vorübergehend<br />
– paranoid-halluzinatorische<br />
Symptome zu beobachten,<br />
die überwiegend im 2. Lebensjahrzehnt<br />
zum ersten Mal auftraten<br />
[9].<br />
Um die Spezifität dieses Phänotyps<br />
genauer zu bestimmen, wird<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Séguin-Klinik in<br />
Kehl-Kork eine Vergleichsstudie<br />
mit einer Gruppe von 23 erwachsenen<br />
Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
und 23 weiteren Patienten<br />
gleichen Alters mit schwerbehan<strong>de</strong>lbaren<br />
Epilepsien ohne Hinweis<br />
auf eine SMEI durchgeführt. Studienbeginn<br />
war im Februar 2011.<br />
Von Interesse wird außer<strong>de</strong>m<br />
noch sein, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> beschriebene<br />
Phänotyp nur bei einer Subgruppe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Population mit <strong>Dravet</strong>-<br />
Syndrom anzutreffen ist, welche<br />
Rolle die modifizieren<strong>de</strong>n Gene<br />
tatsächlich spielen, wie genau<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> motorische und psychi-<br />
sche Phänotyp von früher Kindheit<br />
an bis ins Erwachsenenalter<br />
hin entwickelt und wie hoch die<br />
Inzi<strong>de</strong>nz von paranoid-halluzinatorischen<br />
Episo<strong>de</strong>n ist. Auf diese<br />
Fragen, wie auch auf die Überlegungen,<br />
ob die Bradykinese und<br />
Hypomimie mit <strong>de</strong>m dopaminergen<br />
System in Zusammenhang<br />
stehen, ob es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> beeinträchtigtenBewegungskoordination<br />
um eine zerebelläre Störung<br />
han<strong>de</strong>lt und ob die beinbetonte<br />
Spastik segmental o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch eine<br />
Störung im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> absteigen<strong>de</strong>n<br />
Bahnen verursacht<br />
wird, hoffen die Wissenschaftler<br />
<strong>de</strong>s Epilepsiezentrums Kork, in<br />
zukünftigen Studien Antworten<br />
<strong>fin<strong>de</strong>n</strong> zu können. Schließlich ist<br />
jedoch zu sagen, dass es einzelne<br />
Patienten gibt, die anfangs einen<br />
<strong>Dravet</strong>-typischen Verlauf zeigen,<br />
sich dann aber weitgehend<br />
normal entwickeln.<br />
Nach einem Vortrag von Dr. Peter Martin,<br />
Chefarzt Séguin-Klinik, Epilepsiezentrum<br />
Kork, Kehl-Kork; wissenschaftliche <strong>Sitzung</strong><br />
am 19.04.2012, 38. Jahrestagung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft für Neuropädiatrie in<br />
Münster.<br />
■ Optionen zur Behandlung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
<strong>Die</strong> Behandlung <strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
ist überaus schwierig. <strong>Die</strong><br />
Erkrankung zeigt eine Resistenz<br />
gegenüber annähernd je<strong><strong>de</strong>r</strong> Art<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Pharmakotherapie. Mit unterschiedlichem<br />
Erfolg kommen Valproat,<br />
Benzodiazepine, Brom,<br />
Phenobarbital und in einigen Fällen<br />
auch Ethosuximid zum Einsatz<br />
[10,11,12]. Ein gutes Ansprechen<br />
<strong>de</strong>s <strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
konnte in verschie<strong>de</strong>nen Studien<br />
auf eine Therapie mit Topi ramat,<br />
Levetiracetam und Stiri pentol<br />
gezeigt wer<strong>de</strong>n [13,14,15,16].<br />
Hinsichtlich alternativer Therapie<br />
ansätze, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> ketogenen<br />
Er näh rung, <strong><strong>de</strong>r</strong> elektrischen Stimulationsverfahren<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Epilepsiechirurgie,<br />
ist die wissenschaftliche<br />
Datenlage eher gering.<br />
3<br />
Hinweise auf einen möglichen<br />
protektiven Effekt <strong><strong>de</strong>r</strong> ketogenen<br />
Diät geben allerdings drei aktuelle,<br />
2011 und 2012 in „Epilepsia”<br />
publizierte Studien aus <strong>de</strong>n USA,<br />
Frankreich und Australien [17,<br />
18,19].<br />
Expertenmeinung<br />
Foto: privat<br />
Professor<br />
Kurlemann,<br />
Münster<br />
„Es ist ein großer Zugewinn, dass<br />
wir heute die klinische Verdachtsdiagnose<br />
eines SMEI in bis zu<br />
80 % aller Fälle molekulargenetisch<br />
bestätigen können. <strong>Die</strong> Lebensqualität<br />
und Prognose von<br />
Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
kann dadurch positiv beeinflusst<br />
wer<strong>de</strong>n, dass wir möglichst früh<br />
und gezielt behan<strong>de</strong>ln.”<br />
Italienische Wissenschaftler wie -<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>um konnten in einer ebenfalls<br />
2011 veröffentlichten Studie mit<br />
einer kleinen Gruppe von Patienten<br />
mit SMEI zeigen, dass die Vagus-Nerv-Stimulation<br />
zu einer<br />
Verringerung <strong>de</strong>s Anfallsgeschehens<br />
beitragen kann [20], und<br />
kanadische Forscher aus Toronto<br />
konnten zumin<strong>de</strong>st bei einem Patienten<br />
mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom beobachten,<br />
dass die tiefe Hirnstimulation<br />
im Langzeitverlauf zu<br />
einer besseren Anfallssituation<br />
führte [21].<br />
Beim <strong>Dravet</strong>-Syndrom wird in je<strong>de</strong>m<br />
Fall ein umfassen<strong>de</strong>s Behandlungskonzept<br />
benötigt. Nur<br />
hierdurch können letztendlich die<br />
Lebensqualität <strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten und<br />
die spätere Prognose verbessert<br />
wer<strong>de</strong>n. Eine Aufklärung und Beratung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten und Angehörigen,<br />
Schulungen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Besuch<br />
von Selbsthilfegruppen, eine spezielle<br />
Entwicklungstherapie und
pädagogische Maßnahmen bei<br />
Verhaltensstörungen und Intelligenzmin<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen,<br />
die Gabe von<br />
Antistimulantien, eine Ernährungsberatung,<br />
eine angemessene<br />
sportliche Betätigung und<br />
schließlich die frühzeitige Fiebersenkung<br />
stellen weitere nicht-medizinische<br />
Therapieansätze dar.<br />
Medikamentöse Therapie <strong>de</strong>s<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndroms<br />
<strong>Die</strong> Epilepsie bei Patienten mit<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndrom ist durch die zur<br />
Verfügung stehen<strong>de</strong>n Antiepileptika<br />
nur schwer zu beeinflussen.<br />
Daten aus kontrollierten Studien<br />
zur Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />
Antikonvulsiva existieren bis<br />
heute praktisch nicht. Eine 2011<br />
publizierte tierexperimentelle<br />
Studie <strong><strong>de</strong>r</strong> Okayama University in<br />
Japan verglich die Effektivität von<br />
8 verschie<strong>de</strong>nen Antiepileptika<br />
(Valproat, Carbamazepin, Phenobarbital,<br />
Gabapentin, Acetazolamid,<br />
Diazepam, Topiramat und<br />
Kaliumbromid) in <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung<br />
von Hyperthermie-induzierten<br />
Anfällen bei SCN1A-mutanten<br />
Ratten. Es zeigte sich, dass Diazepam<br />
und Kaliumbromid das<br />
Anfallsgeschehen bei <strong>de</strong>n Tieren<br />
positiv beeinflussten, Carbamazepin<br />
hingegen aggravierte [22].<br />
Aktuelle Ergebnisse zur medikamentösen<br />
Therapie <strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI liefert<br />
auch eine 2012 in „Neuropediatrics”<br />
publizierte Studie <strong>de</strong>s<br />
Epilepsiezentrums für Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und<br />
Jugendliche Vogtareuth mit 32<br />
Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom.<br />
Alle Studienteilnehmer wur<strong>de</strong>n<br />
mit Kaliumbromid behan<strong>de</strong>lt. In<br />
mehr als 80 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Fälle war bereits<br />
nach 3 Monaten eine signifikante<br />
Verringerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfallsfrequenz<br />
zu verzeichnen [23].<br />
Stiripentol<br />
Seit Januar 2008 steht in<br />
Deutschland mit <strong>de</strong>m Wirkstoff<br />
Stiripentol (Diacomit ® ) eine effektive<br />
Therapieoption zur Be-<br />
handlung <strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI zur Verfügung.<br />
Stiripentol wur<strong>de</strong> 1978<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Firma Bioco<strong>de</strong>x (Frankreich)<br />
ent<strong>de</strong>ckt und in <strong>de</strong>n<br />
1980er Jahren weiterentwickelt.<br />
Anfang Dezember 2001 wur<strong>de</strong> es<br />
dann durch die EMEA als „Orphan<br />
drug“ in Kombination mit<br />
Clobazam und Valproat zur Anwendung<br />
bei schwerer myoklonischer<br />
Epilepsie bei Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus -<br />
gewiesen und 2007 schließlich<br />
als „Orphan drug” zugelassen. In<br />
Deutschland wird Stiripentol<br />
(Dia comit ® ) exklusiv von <strong><strong>de</strong>r</strong> Firma<br />
Desitin Arzneimittel GmbH,<br />
Hamburg, vertrieben. Stiripentol<br />
wirkt als Antagonist an <strong>de</strong>n Rezeptoren<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gamma-Amino-<br />
Buttersäure (GABA), <strong>de</strong>m wichtigsten<br />
inhibi torischen Neurotransmitter<br />
im Gehirn. Es wird<br />
vermutet, dass dies durch Hemmung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> synaptischen Aufnahme<br />
von GABA und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hemmung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> GABA-Transaminase<br />
geschieht. Zusätzlich wirkt Stiripentol<br />
über eine metabolische<br />
Hemmung mehrerer Cytochrom-<br />
P450-Isoenzyme, die am hepatischen<br />
Metabolismus an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
antiepileptisch wirken<strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneimittel<br />
beteiligt sind [24].<br />
Stiripentol ist das einzige Antiepileptikum,<br />
das in randomisiert<br />
kontrollierten Studien hinsichtlich<br />
seiner Wirkung bei Patienten<br />
mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom untersucht<br />
wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n wichtigsten<br />
und zulassungsrelevanten Studien<br />
sind die doppelblin<strong>de</strong>n plazebo-kontrollierten<br />
und randomisierten<br />
Multicenterstudien STI-<br />
CLO-FR und STICLO-IT, in <strong>de</strong>nen<br />
an 41 bzw. 23 Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
Stiripentol o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Plazebo zusammen mit Valproat<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Clobazam verabreicht wor<strong>de</strong>n<br />
war. In bei<strong>de</strong>n Untersuchungen<br />
konnte nachgewiesen wer<strong>de</strong>n,<br />
dass Stiripentol zu einer<br />
<strong>de</strong>utlichen Verringerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfallssequenz<br />
führt [25,26].<br />
Mit Stiripentol im Zusammenhang<br />
stehen<strong>de</strong> mögliche Neben-<br />
4<br />
Expertenmeinung<br />
Foto: privat<br />
PD Dr. Kluger,<br />
Vogtareuth<br />
„Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
benötigen ein umfassen<strong>de</strong>s Behandlungskonzept.<br />
Dabei muss ein<br />
Mittelweg zwischen einem Überbehan<strong>de</strong>ln<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vernachlässigung<br />
von Behandlungsoptionen gefun<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n. Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> medikamentösenTherapiemöglichkeiten<br />
hat Stiripentol das Behandlungsspektrum<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SMEI <strong>de</strong>utlich<br />
erweitert und verbessert.”<br />
wirkungen betreffen meistens<br />
das Zentralnervensystem und<br />
<strong>de</strong>n Gastrointestinaltrakt. Viele<br />
dieser Verträglichkeitsprobleme<br />
scheinen jedoch eher mit <strong>de</strong>m<br />
Anstieg <strong><strong>de</strong>r</strong> Serumkonzentrationen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Begleitmedikation in Zusammenhang<br />
zu stehen und sind<br />
nach Anpassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dosis häufig<br />
reversibel.<br />
Diacomit ® steht in Form von Hartkapseln<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pulver zur Herstellung<br />
einer Suspension zu je 250<br />
mg o<strong><strong>de</strong>r</strong> 500 mg zur Verfügung.<br />
<strong>Die</strong> Dosierung beträgt in Kombination<br />
mit Valproat und Clobazam<br />
50 mg/kg KG/Tag, wobei empfohlen<br />
wird, die Dosis bis zum Erreichen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> angegebenen Menge<br />
innerhalb von 3 Tagen schrittweise<br />
zu steigern. <strong>Die</strong> Einnahmefrequenz<br />
liegt bei 2 bis 3 mal täglich.<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> pharmakokinetischen<br />
Eigenschaften von Stiri -<br />
pentol sollte außer<strong>de</strong>m die Dosis<br />
<strong>de</strong>s begleitend eingesetzten<br />
Anti epileptikums Clobazam angepasst<br />
wer<strong>de</strong>n. Empfohlen wird<br />
eine Reduktion <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen Clobazam-Dosis<br />
um ca. 25 % pro<br />
Woche [24]. Eine Dosisanpassung<br />
für Valproat ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />
nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich [24].
Behandlungsalgorithmus beim<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
Primäres Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung von<br />
Patienten mit <strong>Dravet</strong>-Syndrom ist<br />
die Anfallsfreiheit und normale<br />
kognitive und motorische Entwicklung.<br />
Das ist jedoch speziell<br />
bei Kleinkin<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit einem <strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
nur schwer und<br />
häufiger nicht realisierbar. <strong>Die</strong>s<br />
muss im Rahmen eines umfassen<strong>de</strong>n<br />
Behandlungskonzepts,<br />
das speziell auch die Sorgen und<br />
Therapie-Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern<br />
einbezieht, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n. Anfalls -<br />
auslöser wie physische und<br />
psychische Belastungen<br />
(z. B. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>geburtstage)<br />
lassen sich im Alltag <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> möglichst wie<br />
bei gesun<strong>de</strong>n Altersgenossen<br />
gestaltet wer<strong>de</strong>n sollte,<br />
oft nicht vermei<strong>de</strong>n.<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> frühzeitigen Diagnose<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung, <strong>de</strong>m<br />
Erkennen und Vermei<strong>de</strong>n<br />
anfallsprovozieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Faktoren,<br />
wie hohe Körper -<br />
temperaturen und aggravieren<strong>de</strong><br />
Medikamente sowie<br />
einer umfassen<strong>de</strong>n<br />
Auf klärung und Beratung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten und Eltern<br />
kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> wirksamen medikamentösen<br />
Therapie eine<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Be<strong>de</strong>utung<br />
zu. Hier stellt sich nun abschließend<br />
die Frage nach<br />
<strong>de</strong>m richtigen Behandlungsalgorithmus.<br />
Charlotte <strong>Dravet</strong> zufolge<br />
sollte möglichst frühzeitig<br />
zunächst mit einer medikamentösenValproat-Monotherapie<br />
(Plasmaspiegel<br />
innerhalb 70-100 mg/l) begonnen<br />
wer<strong>de</strong>n, und zwar<br />
bereits im Falle eines ersten<br />
Anfalls mit o<strong><strong>de</strong>r</strong> ohne Fieber<br />
(gegebenenfalls mit Entwicklung<br />
eines Status epilepticus),<br />
bei einem zweiten<br />
Anfall innerhalb eines Mo-<br />
nats nach <strong>de</strong>m ersten Anfall, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
wenn im EEG spontane<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> lichtinduzierte Spike-<br />
Waves auftreten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn die<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> myoklonische Anfälle<br />
nach <strong>de</strong>m ersten Anfall zeigen.<br />
Sollten die generalisiert tonischklonischen<br />
Anfälle mit o<strong><strong>de</strong>r</strong> ohne<br />
zusätzliche fokale Anfälle, Myoklonien<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Absencen weiterhin<br />
persistieren, so empfiehlt die Expertin,<br />
eine Kombinationstherapie<br />
mit Valproat, Clobazam und Stiripentol<br />
anzuschließen. Versagt<br />
Behandlungsalgorithmus<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndrom<br />
modifiziert nach <strong>Dravet</strong> C, Guerrini R . <strong>Dravet</strong>-Syndrome. Topics in Epilepsy series, vol. 3. John Libbey Eurotext, 2011:74<br />
Erster Anfall (mit/ohne<br />
Fieber) ggf. mit Entwicklung<br />
eines Status pilepticus<br />
Frühzeitiger Therapiebeginn<br />
Generalisierte<br />
tonisch-klonische Anfälle<br />
®<br />
Zieldosis: 50 mg DIACOMIT /kg Körpergewicht/Tag<br />
Einnahme: 2-3 x täglich und immer mit Nahrung<br />
5<br />
Zweiter Anfall (mit/ohne<br />
Fieber) innerhalb eines<br />
Monats nach erstem Anfall.<br />
EEG zeigt spontane o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
lichtinduzierte Spike-Waves<br />
▼<br />
Monotherapie mit Valproat<br />
(Plasmaspiegel innerhalb 70-100 mg/l)<br />
▼<br />
Myoklonische Anfälle<br />
nach erstem Anfall<br />
Wie geht es weiter, wenn die Anfälle persistieren?<br />
▼<br />
Kombinationstherapie:<br />
▼<br />
▼<br />
Generalisierte<br />
tonisch-klonische +<br />
fokale Anfälle +<br />
Myoklonien + Absencen<br />
®<br />
Valproat + Clobazam + Stiripentol (DIACOMIT )<br />
Weitere Anfallspersistenz?<br />
Ketogene Diät und weitere Antiepileptika<br />
auch diese Therapie, so können<br />
neben <strong><strong>de</strong>r</strong> ketogenen Diät versuchsweise<br />
weitere Antiepileptika<br />
hinzugegeben wer<strong>de</strong>n, wobei<br />
die Antikonvulsiva Carbamazepin,<br />
Phenytoin und Lamotrigin zu<br />
vermei<strong>de</strong>n sind [27].<br />
Nach einem Vortrag von PD Dr. med.<br />
Gerhard Kluger, Schön Klinik Vogtareuth,<br />
Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation,<br />
Epilepsiezentrum für Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
und Jugendliche Vogtareuth; wissenschaftliche<br />
<strong>Sitzung</strong> am 19.04.2012, 38.<br />
Jahrestagung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft für Neuropädiatrie<br />
in Münster.<br />
Zu vermei<strong>de</strong>n:<br />
- Carbamazepin<br />
- Phenytoin<br />
- Lamotrigin
Literatur<br />
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epilepsy in infancy: <strong>Dravet</strong><br />
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[23] Lotte J, Kluger G et al.; Bromi<strong>de</strong><br />
in patients with SCN1A-mutations<br />
manifesting as <strong>Dravet</strong> syndrome.<br />
Neuropediatrics 2012,<br />
43(1): 17-21.<br />
[24] Fachinformation Diacomit ® .<br />
Desitin Arz neimittel GmbH, Hamburg,<br />
Stand: Januar 2012.<br />
[25] Chiron C et al. Stiripentol in<br />
severe myoclonic epilepsy in infancy:<br />
a randomized placebo-controlled<br />
syndrome-<strong>de</strong>dicated trial.<br />
STICLO study group. Lancet 2000;<br />
356: 1638-1642.<br />
[26] Produkt-Monographie Diacomit<br />
® 2007. Desitin Arzneimittel<br />
GmbH, Hamburg.<br />
[27] <strong>Dravet</strong> C et al. <strong>Dravet</strong>-Syndrome.<br />
Topics in Epilepsy series.<br />
John Libbey Eurotext Ltd. 2011,<br />
Vol. 3: 74.<br />
■ Impressum<br />
<strong>NeuroNews</strong> – Das Neurologie-Portal<br />
www.<strong>NeuroNews</strong>.<strong>de</strong><br />
Redaktion für Son<strong><strong>de</strong>r</strong>publikationen:<br />
Dr. med. Susanne Schweizer (drs)<br />
Publikation im Internet verfügbar:<br />
www.<strong>NeuroNews</strong>.<strong>de</strong>/media/doc/<br />
GNP-Tagung_2012_<strong>Dravet</strong>-Symposium.pdf<br />
Verlag:<br />
MedienCompany GmbH<br />
Medizin-Medienverlag<br />
Weitseestr. 5<br />
83242 Reit im Winkl<br />
Tel.: 0 86 40 – 797 801<br />
Fax: 0 86 40 – 797 804<br />
www.mediencompany.<strong>de</strong><br />
www.medizin-medienverlag.<strong>de</strong><br />
Geschäftsführung: Beate Döring<br />
ISSN-Nr. 1619-7577 (Print)<br />
ISSN-Nr. 1619-7585 (Online)<br />
© 2012 • MedienCompany GmbH<br />
Medizin-Medienverlag<br />
Reit im Winkl / München
288033<br />
DIACOMIT ®<br />
Stiripentol<br />
Zur Anwendung beim<br />
<strong>Dravet</strong>-Syndrom (SMEI)<br />
Orphan drug-Zulassung<br />
Hartkapseln und Pulver<br />
mit je 250 mg und 500 mg<br />
Diacomit® 250 mg / 500 mg Hartkapseln - Wirkstoff: Stiripentol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: arzneil. wirksamer Bestandteil: 1 Hartkapsel Diacomit® 250 mg enth.<br />
250 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol); 1 Hartkapsel Diacomit® 500 mg enth. 500 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol) Sonstige Bestandteile Hartkaps. Diacomit® 250 mg: Povidon K29/32;<br />
Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) entspricht 0,16 mg Natrium pro Hartkaps.; Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid (E 171); Erythrosin (E 127); Indicogarmin (E 132). Sonstige<br />
Bestandteile Hartkaps. Diacomit® 500 mg: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) entspricht 0,32 mg Natrium pro Hartkaps.; Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid<br />
(E 171) Anwendungsgebiete: Diacomit® ist indiziert für die Anwendung in Verbindung mit Clobazam u. Valproat bei refraktären generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Patienten<br />
mit schwerer myoklonischer Epilepsie im Kin<strong>de</strong>salter (SMEI, <strong>Dravet</strong>-Syndrom), <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anfälle mit Clobazam u. Valproat nicht angemessen kontrolliert wer<strong>de</strong>n können. Gegenanzeigen:<br />
Überempfindlichkeit gegenüber Stiripentol od. einen <strong><strong>de</strong>r</strong> sonst. Bestandteile; Vorgeschichte mit Psychosen in Form <strong>de</strong>liranter Anfälle. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Anorexie;<br />
Appetitverlust; Gewichtsverlust (v. a. in Komb. mit Natriumvalproat); Schlaflosigkeit; Benommenheit; Ataxie; Hypotonie; Dystonie. Häufig: Neutropenie (persistieren<strong>de</strong> schwere<br />
Neutropenie bil<strong>de</strong>t sich nach Absetzen i. allg. spontan zurück); Aggressivität; Reizbarkeit; Verhaltensstörungen, ablehnen<strong>de</strong>s Verhalten; Übererregbarkeit, Schlafstörungen;<br />
Hyperkinesie; Übelkeit; Erbrechen; erhöhte γ-GT (v.a. in Komb. mit Carbamazepin u. Valproat). Gelegentlich: Diplopie (bei Anwendung mit Carbamazepin); Lichtempfindlichkeit;<br />
Hautausschlag; Hautallergie; Urtikaria; Müdigkeit. Vorsichtsmaßnahmen b. d. Anwendung: Hemmung v. Cytochrom P450-Isoenzymen: Cave Wechselwirkungen mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Arzneimitteln! Vor Behandlungsbeginn u. alle 6 Monate Blutbild u. Leberfunktion kontrollieren. Bei eingeschränkter Leber- u./od. Nierenfunktion Anwendung nicht empfohlen.<br />
Anwendung b. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n zwischen 6 Monaten u. 3 Jahren sowie d. Wachstumsrate v. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Komb. m. Natriumvalproat sorgfältig überwachen. Hinweis: weitere Informationen zu<br />
Wechselwirkungen, Dosierungsangaben; Anwendungsempfehlungen sowie Hinweise für Verkehrsteilnehmer enthält die Fach- und Gebrauchsinformation. DESITIN ARZNEIMITTEL<br />
GMBH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg, www.<strong>de</strong>sitin.<strong>de</strong> . Stand: Januar 2012<br />
Diacomit® 250 mg / 500 mg Pulver - Wirkstoff: Stiripentol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: arzneilich wirksamer Bestandteil: 1 Beutel Diacomit® 250 mg Pulver enth. 250 mg<br />
(E)-Stiripentol (Stiripentol); 1 Beutel Diacomit® 500 mg Pulver enth. 500 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol) Sonstige Bestandteile Diacomit® 250 mg Pulver: Povidon K29/32;<br />
Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) und Carmellose-Natrium, entspricht 0,11 mg Natrium pro Beutel; sprühgetrockn. Glucosesirup (500 mg pro Beutel); Aspartam (E 951) 2,5 mg pro<br />
Beutel; Tutti-Frutti-Aroma (enth. 2,4 mg Sorbitol pro Beutel); Hyetellose; Erythrosin (E 127); Titandioxid (E 171). Sonstige Bestandteile Diacomit® 500 mg Pulver: Povidon K29/32;<br />
Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) und Carmellose-Natrium, entspricht 0,22 mg Natrium pro Beutel; sprühgetrockn. Glucosesirup (1000 mg pro Beutel); Aspartam (E 951) 5 mg<br />
pro Beutel; Tutti-Frutti-Aroma (enthält 4,8 mg Sorbitol pro Beutel); Hyetellose; Erythrosin (E 127); Titandioxid (E 171). Warnhinweise: Diacomit® 250 mg / 500 mg Pulver enthält<br />
Aspartam u. kann daher für Menschen mit Phenylketonurie schädlich sein; Pat. mit Glucose-Galactose-Malabsorption sollten Diacomit® 250 mg / 500 mg<br />
Pulver aufgrund seines Gehaltes an Glucose nicht einnehmen; aufgrund <strong>de</strong>s Gehaltes an Sorbitol sollten Pat. mit hereditärer Fructoseintoleranz Diacomit® 250 mg/<br />
500 mg nicht einnehmen. Hinweis: Informationen zu Nebenwirkungen, Gegenanzeigen siehe oben; Informationen zu<br />
We c h s e l w i r ku n g e n , Dosierungsangaben; Anwendungsempfehlungen sowie Hinweise für Verkehrsteilnehmer enthält die Fach- und<br />
Gebrauchsinformation. DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg, www.<strong>de</strong>sitin.<strong>de</strong> Stand: Januar 2012