Reihe III - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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04.05.2013 Aufrufe

einleitung LXI die Vorzüge seiner Geheimschrift, ohne freilich Details davon preiszugeben (vgl. N. 47). Als Ende des Jahres 1692 die Schrift konkrete Gestalt angenommen hatte, war Haes schließlich bereit, Leibniz ein wenig Einblick in sein System der Textverschlüsselung zu geben, nach welchem einzelne Buchstaben oder Wörter anhand von Tabellen mit einem neuen Sinn belegt werden (N. 119): ” Je m’y sers de quatre sortes de caracteres, qui sont tous sans soupçon . . . J’y employe aussi six tables alphabetiques numerales combinatoires, et par le moyen de la sixieme Je montre une methode pour la steganologie . . . Je n’y donne pas seulem t des Instructions pour des steganographies de lettres mais aussi pour celles des mots entiers, c. à. d. où un seul caractere signifie un mot, et tout cela, facilem t , impenetrablem t et sans soupçon.‘‘ Die Fertigstellung des Buchs erwies sich als besonders mühselig, da der Autor aus Sicherheitsüberlegungen Lücken im Text nur per Hand nachtragen und praktische Anwendungsbeispiele nur in handschriftlicher Form gesondert verschicken wollte. Am 4. Mai 1693 sandte Haes seine Steganographie nouvelle zusammen mit einem Begleitbrief für Leibniz (N. 146) und einem Brief für Platen sowie als gesondertes Paket weitere Tafeln und handschriftliche Zusätze nach Hannover. Dieses Exemplar (Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Fb 246) mit zahlreichen Marginaleinträgen des Autors enthält neben dem bereits erwähnten Avertissement, dreizehn Kapitel sowie eine handschriftliche ” Addition‘‘. Im Verlauf des Briefwechsels lieferte Haes noch weitere Erläuterungen, Beispiele und Nachträge zu seiner Schrift. Passend zum Verwendungszweck seiner Geheimschrift wählte Haes Beispiele aus dem aktuellen Kriegsgeschehen. In der Steganographie nouvelle ist dies ein während der Belagerung von Montmélian (1691) abgefaßter Brief des Herzogs von Savoyen an den Marchese di Bagnasco (Kap. V, VI u. XII). Anhand dieses Briefes wurden am 1. Juni 1693 weitere Beispiele von Textverschlüsselungen an Leibniz übersandt (N. 157). Dieser hatte zunächst gezögert, die empfangene Steganographie nouvelle mit den Nachträgen an Platen weiterzuleiten (vgl. N. 158), denn Haes’ Widmung an den Kurfürsten Ernst August war in Hannover auf ein geteiltes Echo gestoßen (vgl. N. 149). Erst nach vier Wochen — und wohl auf Drängen von Haes — fand sich Leibniz schließlich zur Weiterleitung bereit. Zunächst glaubte Haes auf Anerkennung und Belohnung aus Hannover hoffen zu können (vgl. N. 160); als jedoch die Entscheidung des hannoverschen Hofes ausblieb, verhehlte er nicht seine Unzufriedenheit (N. 166): ” Je ne sçaurois nier aussi que le retardement de cette affaire m’afflige, et me tourmente‘‘. Auch ein weiteres Schreiben an Platen (Beilage zu N. 177) führte zu keinem positiven Ergebnis. Im letzten Brief des Berichtszeitraums (N. 190) äußerte sich

LXII einleitung Haes tief enttäuscht, wenn er auch von den Vorzügen seiner Geheimschrift überzeugt blieb (N. 190): ” Le desastre qui est arrivé à ce traité en vôtre Cour ne rompra jamais ma patience, parce que j’espere qu’il sera mieux receû quand j’auray l’honneur de la presenter moy méme à S. A. E. ce qui j’espere trouver moyen d’effectuer‘‘. Der Haes-Briefwechsel behandelt auch eine Vielzahl weiterer damals aktueller Themen, von denen hier drei kurz erwähnt werden sollen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschien eine große Anzahl von ,Memoiren‘, von denen vor allem W. Temples Memoirs of what past in christendom (engl. u. franz. 1692), in denen der Diplomat J. A. Du Cros hart attackiert wurde, ein starkes Echo in Leibniz’ Korrespondenz mit L. Hertel, Landgraf Ernst, Justel, H. Avemann, Magliabechi und H. Basnage de Beauval (vgl. I, 7 u. I, 8) fanden. Als Du Cros 1693 die Erwiderung Lettre de Du Cros . . . áfin de servir de réponse, aux impostures de Monsieur le chevalier Temple publizierte, reagierte Temple im gleichen Jahr mit An answer to a scurrilous pamphlet. Du Cros hoffte in dieser Auseinandersetzung auf die Vermittlung von Leibniz, um das Wohlwollen der Kurfürstin Sophie für seine Position zu gewinnen. Der Streit wird auch von Haes, der Du Cros auf dem Nimweger Friedenskongreß kennengelernt hatte, angesprochen (N. 83 u. N. 149). Im Briefwechsel mit Huygens gibt Leibniz seine persönliche Einstellung zu erkennen (N. 106): ” Ce que M. Temple donne est tres considerable. Cependant Mons. du Cros connu sur le Theatre de Nimwegue ayant esté touché un peu durement par M. Temple, veut donner une Apologie, où il pretend de redresser bien des choses qu’il croit n’avoir pas esté bien rapportées par M. Temple.‘‘ Des weiteren fand auch eine Streitigkeit zwischen den Numismatikern J. Hardouin und E. Noris Leibniz’ Interesse. Ausgangspunkt war ein Fund schlecht erhaltener griechischer Münzen aus der römischen Kaiserzeit, deren beschädigte Inschriften weder nach Zeit noch Ort eine einwandfreie Zuordnung zuließ. Es blieb völlig offen, ob die Münzen in Samaria unter Nero oder in Caesaria unter Domitian geprägt worden waren. Nachdem mehrere Korrespondenten Leibniz über diesen Streit unterrichtet hatten, unterbreitete dieser die Angelegenheit dem führenden deutschen Münzkenner und brandenburgischen Staatsmann E. Spanheim (vgl. I, 8). Auch im Briefwechsel mit Haes findet diese mit mehreren gelehrten Abhandlungen ausgefochtene Kontroverse ihren Niederschlag (N. 105, N. 112 u. N. 119). Bereits im September 1691 hatte sich Landgraf Ernst über A. Varillas beklagt, dem er hessische Akten anvertraut hatte, die ohne Erlaubnis an den Bischof von Meaux, J.-B. Bossuet, weitergegeben worden waren (vgl. I, 7 N. 95). In Bossuets Histoire des varia-

einleitung LXI<br />

die Vorzüge seiner Geheimschrift, ohne freilich Details davon preiszugeben (vgl. N. 47).<br />

Als Ende des Jahres 1692 die Schrift konkrete Gestalt angenommen hatte, war Haes<br />

schließlich bereit, <strong>Leibniz</strong> ein wenig Einblick in sein System der Textverschlüsselung zu<br />

geben, nach welchem einzelne Buchstaben oder Wörter anhand von Tabellen mit einem<br />

neuen Sinn belegt werden (N. 119): ” Je m’y sers de quatre sortes de caracteres, qui<br />

sont tous sans soupçon . . . J’y employe aussi six tables alphabetiques numerales combinatoires,<br />

et par le moyen de la sixieme Je montre une methode pour la steganologie<br />

. . . Je n’y donne pas seulem t des Instructions pour des steganographies de lettres mais<br />

aussi pour celles des mots entiers, c. à. d. où un seul caractere signifie un mot, et tout<br />

cela, facilem t , impenetrablem t et sans soupçon.‘‘ Die Fertigstellung des Buchs erwies sich<br />

als besonders mühselig, da der Autor aus Sicherheitsüberlegungen Lücken im Text nur<br />

per Hand nachtragen und praktische Anwendungsbeispiele nur in handschriftlicher Form<br />

gesondert verschicken wollte.<br />

Am 4. Mai 1693 sandte Haes seine Steganographie nouvelle zusammen mit einem<br />

Begleitbrief für <strong>Leibniz</strong> (N. 146) und einem Brief für Platen sowie als gesondertes Paket<br />

weitere Tafeln und handschriftliche Zusätze nach Hannover. Dieses Exemplar (Wolfenbüttel,<br />

Herzog August <strong>Bibliothek</strong>, Fb 246) mit zahlreichen Marginaleinträgen des<br />

Autors enthält neben dem bereits erwähnten Avertissement, dreizehn Kapitel sowie eine<br />

handschriftliche ” Addition‘‘. Im Verlauf des Briefwechsels lieferte Haes noch weitere<br />

Erläuterungen, Beispiele und Nachträge zu seiner Schrift. Passend zum Verwendungszweck<br />

seiner Geheimschrift wählte Haes Beispiele aus dem aktuellen Kriegsgeschehen.<br />

In der Steganographie nouvelle ist dies ein während der Belagerung von Montmélian<br />

(1691) abgefaßter Brief des Herzogs von Savoyen an den Marchese di Bagnasco (Kap. V,<br />

VI u. XII). Anhand dieses Briefes wurden am 1. Juni 1693 weitere Beispiele von Textverschlüsselungen<br />

an <strong>Leibniz</strong> übersandt (N. 157). Dieser hatte zunächst gezögert, die<br />

empfangene Steganographie nouvelle mit den Nachträgen an Platen weiterzuleiten (vgl.<br />

N. 158), denn Haes’ Widmung an den Kurfürsten Ernst August war in Hannover auf ein<br />

geteiltes Echo gestoßen (vgl. N. 149). Erst nach vier Wochen — und wohl auf Drängen<br />

von Haes — fand sich <strong>Leibniz</strong> schließlich zur Weiterleitung bereit. Zunächst glaubte Haes<br />

auf Anerkennung und Belohnung aus Hannover hoffen zu können (vgl. N. 160); als jedoch<br />

die Entscheidung des hannoverschen Hofes ausblieb, verhehlte er nicht seine Unzufriedenheit<br />

(N. 166): ” Je ne sçaurois nier aussi que le retardement de cette affaire m’afflige,<br />

et me tourmente‘‘. Auch ein weiteres Schreiben an Platen (Beilage zu N. 177) führte zu<br />

keinem positiven Ergebnis. Im letzten Brief des Berichtszeitraums (N. 190) äußerte sich

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